Kultur

Cops auf den Hals gehetzt hat – weil er Ta- POP riqs Musik als seine eigene ausgeben und verkaufen will. Beim Versuch, sich zu Haltet die Diebe rächen, wird der ehrliche, naive Tariq er- schossen. Und True landet einen Hit mit Der New Yorker Rap-Intellektuelle dem Titel, wie könnte es anders sein, „“. gilt als Schon seit Anfang der neunziger Jahre Exzentriker – und kann es sich hatte Prince Paul, der in Wahrheit Paul leisten, die Branche auf Huston heißt, diese Story im Kopf herum- seiner neuen CD zu verhöhnen. gewälzt. Doch erst 1997 brachte er die nöti- ge Zeit und Disziplin auf, ein „Wie schrei- lle Rapper sind Diebe: Sie klauen be ich ein Filmskript“-Anleitungsbuch Musikfetzen aus den Songs an- zu kaufen, immerhin die ersten 20 Seiten Aderer Leute, ohne Tantiemen zu richtig zu lesen und den Rest quer. An- bezahlen, und basteln im Studio einen schließend machte er sich Tag für Tag auf Hit daraus. Oder, was dreister ist, sie ko- den Weg in die städtische Bibliothek von pieren gleich die Ideen anderer Leute – Amityville, Long Island, und schrieb das deshalb gebären HipHop-Hits mit schö- Drehbuch. ner Regelmäßigkeit gleich ein paar Dutzend fast ebenso erfolgreicher Klone. Der New Yorker Rap-Produzent Prince Paul kennt nach zwölf Jahren im HipHop-Geschäft solche Ge- meinheiten aus eigener bitterer Er- fahrung. Erst war er ein bejubelter Künstler, weil die von ihm produ- zierte Rap-Gruppe mehr als eine Million Platten verkaufte; dann wurde er abgeschoben, und schließlich fand er seine besten Ideen auf den Platten anderer Leu- te wieder. Aus Rache hat er nun eine bös- artige Satire über die gewissen- losen Kollegen geschrieben: „A Prince among Thieves“ heißt das , das jetzt in Deutschland erschienen ist. Natürlich ist Prince Paul selbst der kleine gute Prinz, der zu nett für diese Welt ist und deshalb von bösen Rappern reinge- legt wird. „Die netten Typen kom- men immer als letzte ins Ziel“, sagt er, „das ist wie in der Liebe: Die gemeinsten Kerle bekommen die schönsten Frauen.“ Eigentlich sollte „A Prince among Thieves“ keine Musik-CD werden, sondern ein Kinofilm. Doch weil er dafür noch kein Hollywood-Studio gefunden hat, produzierte Prince

Paul erst den Soundtrack. Heraus- WEXLER / OUTLINE J. gekommen ist ein höchst unterhalt- Rap-Künstler Prince Paul sames und musikalisch verwegenes „Paßt die Knarre zu meinen Schuhen?“ Hörspiel, das abwechselnd in Dia- logen und Songs die Geschichte des Nach- Ursprünglich hatte Prince Paul sein wuchsrappers Tariq erzählt. Werk als ernste Kritik an der Musikindu- Der Bursche möchte ein Demo-Band mit strie angelegt, denn die betreibe ihr einem Rap-Stück aufnehmen – doch als Geschäft „skrupellos und unmoralisch“ – Schichtführer im „Boston Chicken“ ver- das jedenfalls war damals sein trauriges dient er nicht genug, um ein Musikstudio Fazit. Doch dann geriet das Stück allmäh- mieten zu können. Sein Freund True lich zur Tragikomödie, wie es ganz ähnlich schlägt ihm vor, kurzfristig in den Dro- auch dann geschieht, wenn Prince Paul genhandel einzusteigen. Tariq willigt ein, am Mischpult sitzt. Schon bei den Hippie- besorgt sich eine Pistole und wird schließ- Rappern von De La Soul war Paul der lich mit Rauschgift und Waffe von der Po- Fachmann fürs Humoristische; und das von lizei erwischt. Es war True, der ihm die ihm produzierte Comedy-Rap-Album von

202 der spiegel 9/1999 Chris Rock wurde im vergangenen Jahr mit einem Grammy ausgezeichnet. Auf Prince Pauls Hörspiel-CD rattert nun Tariqs Mutter beispielsweise ohren- quälend im New Yorker Schwarzen-Slang Vorwürfe herunter, daß ihr Sohn zu faul und zu verträumt sei und daß sein ganzes Getue um die Musik zu gar nichts führe. Ein Hahn kräht, wenn es gefährlich wird, und eine Kuh muht zwischendurch, damit bestimmt niemand die Texte ernst nimmt. Selbst die Gangsta-Rapper-Attitüde wird verulkt: „Paßt die Knarre auch zu meinen Schuhen?“ Weil es mit der Filmproduktion nicht so recht voranging, hatte Prince Paul „A Prince among Thieves“ in einem New Yor- ker Off-Off-Broadway-Theater vor Publi- kum gespielt: allein und in wechselnden Rollen.Allerdings dauerte das Engagement nur ein paar Tage. „Es war zu hektisch, ich mußte zuviel auf einmal machen“, berich- tet er, „ich hatte den Mund ein bißchen voll genommen.“ Bevor das Publikum ihn aus- buhte und aus dem Theater jagte – „die Leute waren kurz davor“ –, trat der Bühnen- held den Rückzug an und begann in seinem Heimstudio mit der Produktion der CD. Im Keller seiner Mutter an Alben zu ba- steln, war Prince Paul längst gewohnt. Nachdem 1993 die Zusammenarbeit mit De La Soul abrupt beendet war, produ- zierte er für die New Yorker HipHop-Plat- tenfirma Def Jam einige CDs – sie wurden zu Prince Pauls großem Ärger nie veröf- fentlicht. Dann ertüftelte er mit RZA, dem späteren Chef der Kultgruppe Wu-Tang Clan, und zwei weiteren Rappern das Konzept eines „Horror-Rap“ – doch die Plattenfirmen winkten erst mal ab. Als das Gruselwerk der Viererbande, die sich „“ nannte, dann doch er- schien, hatten andere die Idee längst ko- piert – und Prince Pauls Jungs wirkten ihrerseits wie billige Nachahmer. 1996 folgte aus Pauls Werkstatt eines der kuriosesten HipHop-Alben der neunziger Jahre: Neurosen und Psychosen, Sex- und Gewaltphantasien sind das Thema von „Psychoanalysis (What is it?)“. Aufge- nommen hat Prince Paul diese CD mit ein paar unbekannten rappenden Freunden, weil zuvor diverse Stars der Branche jede Mitarbeit verweigert hatten. Kosten: 50 Mark für Kassetten und Porto. Das Album verkaufte sich blendend. Seither ist Prince Paul wieder gut im Ge- schäft – und im Vertrauen auf ähnliche Er- folge mit seiner „A Prince among Thieves“- CD leistet er sich den Luxus, toll dotierte Angebote abzulehnen. „Daß ich immer wählerisch war, ist letztendlich auch der Grund für meinen Erfolg“, behauptet der Rapper. Neulich sei er gefragt worden, ob er nicht die deutsche Rapperin Sabrina Setlur produzieren wolle. „Ich kenne sie gar nicht“, sagt Prince Paul, „ich habe nur ihr Video gesehen.“ Das reichte offenbar: „Ich habe abgelehnt.“ Marianne Wellershoff

der spiegel 9/1999