Nr. Liskor – Erinnern 013 Jahrgang, März 2019, Adar 1 5779 .4 לזכור Liskor –Erinnern Magazin derHamburger GesellschaftfürjüdischeGenealogiee.V. Vom Zuwanderer zumHamburger –Seite 3 Großkaufmann Benjamin Wedeles (1806 –1865) WedelesBenjamin

לזכור Impressum / Editorial

Impressum Liebe Leserinnen und Leser, Herausgeber Hamburger Gesellschaft für jüdische Genealogie e.V. Siegfried Wedells, der in unvergessene Kunstmäzen und Stifter, gehörte zu den prominenten Persönlichkeiten, Redaktion L : Jürgen Sielemann die ihren Eltern besonders viel zu verdanken hatten. Ohne die K   B : Begabung, den Fleiß und das Geschick von Wedells Vater Dr. Jutta Braden, Benjamin Joseph Wedeles wäre sein Sohn Siegfried wohl kaum Dr. Beate-Christine Fiedler ein steinreicher Mann geworden. Deshalb erschien es angebracht, L: Christian Wöhrl Wedeles’ Leben in den Quellen des Staatsarchivs Hamburg D: Frick, Krumbach nachzugehen. Sein beruflicher Aufstieg begann in einer Zeit, Redaktionsadresse als die rechtliche Gleichstellung der Hamburger Juden noch auf Hamburger Gesellschaft für sich warten ließ. Die kämpferische Bittschrift seiner Ehefrau, jüdische Genealogie e.V., c/o Jüdi- die sich beim Hamburger Senat um die Freilassung ihres inhaf- sche Gemeinde in Hamburg, Grindelhof 30, 20146 Hamburg tierten Ehemanns bemühte, flößt Respekt ein. E-Mail: hgjg2011@googlemail. Sylvia Steckmest berichtet von , der gefeierten com Sängerin. Sie gehörte zu den Weltstars ihrer Zeit und wurde von der Männerwelt angehimmelt. Welcher Junggeselle hätte sie Preis nicht heiraten wollen? Das Rennen machte ein Hamburger 10,00 €. Verkaufspreis durch Mitgliedsbeitrag abgegolten. – Otto Goldschmidt aus alter jüdischer Familie. Michael Studemund-Halevys Beitrag behandelt das lange Vereinskonto Warten von Hamburger Brautpaaren unterschiedlicher Hamburger Gesellschaft für Konfession auf die Zivilehe. Bevor es dazu kam, hatten sich jüdische Genealogie e.V. Hamburger Sparkasse einige Liebende schon im Ausland trauen lassen. IBAN: DE24 2005 0550 1010 2116 29 Sie haben einen Artikel zur Geschichte jüdischer Familien BIC: HASPDEHHXXX Hamburgs geschrieben und möchten ihn ohne Kosten veröffentlichen? Unsere Redaktion würde sich über Ihr Angebot Eingabe von Artikeln Unsere Leser sind eingeladen, sehr freuen. Artikel zur Veröff entlichung zu senden. Die Beiträge ver pfl ichten ausschließlich die Verfasser. Abdrucke aus dieser Zeitschrift Mit herzlichem Gruß sind nur mit dem Einverständnis der Redaktion gestattet. Jürgen Sielemann

Copyright © Hamburger Gesellschaft für jüdische Genealogie e.V. Liskor – Erinnern.

Titelbild Benjamin Joseph Wedeles, Ab- bildung aus dem „Buch der alten Firmen der Freien und Hansestadt Hamburg“, um 1930, S. 25

ISSN 2509-4491

2 Liskor – Erinnern J  S   Die Hamburger Familie Wedeles Kaufl eute und Kunstliebhaber

Der Name des Kaufmanns, Kunstsammlers und war,4 kann eine verwandtschaftliche Verbin- Stifters Siegfried Wedells ist in Hamburg nicht dung der Familie Wedeles zur Familie des vergessen. Seit 2003 lautet die Adresse seines Dichters nicht ausgeschlossen werden. Bürgerhauses an der Neuen Benjamin Joseph We- Rabenstraße „Siegfried- deles hatte fünf Geschwis- Wedells-Platz 1“, und noch ter,5 darunter einen um in jüngster Zeit haben sich 1815 geborenen Bruder na- Autoren mit der Biographie mens Moritz, der wie er des verdienten Hamburgers selbst nach Hamburg aus- beschäftigt.1 Die Mittel für wanderte.6 Wie es mit der Wedells gemeinnütziges Rechtsstellung der Juden in Wirken waren vor allem Wedeles’ böhmischem Hei- der erfolgreichen kauf- matort in jener Zeit noch männischen Tätigkeit sei- bestellt war, schilderte We- nes Vaters Benjamin Joseph deles, (der seinen ersten Wedeles zu verdanken. Aus Vornamen Benjamin erst kleinsten Anfängen heraus später führte) 1842 in ei- stieg dieser zu einem au- Benjamin Joseph Wedeles (1806 – 1865) nem Gesuch an den Ham- ßerordentlich vermögenden Abbildung aus dem „Buch der alten burger Senat, das nach der Geschäftsmann auf. Seine Firmen der Freien und Hansestadt damaligen Gepfl ogenheit Laufbahn begann zu einer Hamburg“, Leipzig um 1930, Teil III, S. 25 mit untertänigen Höfl ich- Zeit, als die rechtliche keitsfl oskeln versehen war: Gleichstellung der Juden in Hamburg noch längere Zeit auf sich warten ließ. Ihm und Magnifi ci, wohlgeborne, hochgelahrte, hoch- und seiner Hamburger Familie ist dieser Beitrag wohlweise, hochzuverehrende Herren! gewidmet. Ew. Magnifi zenzen Hoch- und Wohlweisheiten erlaube ich mir Folgendes ergebenst vorzutragen. Ich bin zu Wosseck in Böhmen geboren und steht Benjamin Joseph Wedeles’ mir als ältestem Sohne nach dortigen Landes-Ge- Lebensweg in Hamburg setzen das Recht zu, mich daselbst niederlassen Benjamin Joseph Wedeles wurde 1806 in einem und kaufmännische Geschäfte treiben zu dürfen. böhmischen Dorf namens Wosek2 als Sohn Da ich aber, wie Ew. Magnifi zenzen Hoch- und von Salomon Wedeles und Rachel geb. Bloch Wohlweisheiten aus dem sub No. 1 anliegendem geboren. Der Ort trägt heute den tschechischen Atteste der Vorsteher der hiesigen Deutsch-Israeli- Namen Osek und weist einen jüdischen Fried- tischen Gemeinde zu ersehen belieben, hier etab- hof mit den Gräbern von Franz Kafkas Groß- liert bin und die Rechte eines hiesigen Einwohners eltern auf.3 Hermann Chaim Kafka, der Vater erworben habe, so wünsche ich, meine heimatli- des Dichters, wurde hier geboren, und da Ben- chen Rechte auf einen jüngeren Bruder übertragen jamin Joseph Wedeles’ Schwester Fanny mit zu lassen. Zu dem Ende habe ich mich supplicando einem Träger des Namens Kafka verheiratet an das Oberamt zu Brenporitschen in Böhmen um

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Der jüdische Friedhof in Osek7

Beförderung meiner gänzlichen Entlassung aus Hatten die Vorsteher der Jüdischen Gemeinde dortigem Nexu gewendet und von demselben un- wie in Wedeles’ Fall der Aufnahme eines frem- ter anderem die Weisung erhalten, dass ich zuvör- den Staatsangehörigen zugestimmt, so bedurfte derst vom hochweisen Senate dieser Stadt einen es zur Begründung seines Aufenthaltsrechts in Beweis über meine hiesige Aufnahme beizubrin- Hamburg keiner zusätzlichen behördlichen Be- gen habe. stätigung. Demgemäß wurde in der Senats- Ich richte demnach mein gehorsamstes Gesuch an sitzung vom 7.2. entschieden, Ew. Magnifi zenzen Hoch- und Wohlweisheiten dahin: Hochdieselben wollen geneigen, die löbliche dass der Supplicant behufs Erlangung eines Attes- Stadt-Kanzlei zu beauftragen, mir ein Attest des tes dahin [zu unterrichten sei], dass derselbe, Inhalts auszufertigen, dass ich als Einwohner hier nachdem er ausweise beigebrachter Bescheinigung aufgenommen sei und in dieser Hinsicht meiner der Vorsteher der hiesigen Deutsch-Israelitischen Entlassung aus dem Verbande meines Heimat- Gemeinde in die gedachte Gemeinde aufgenom- landes nichts im Wege stehe. men worden, als im hiesigen Nexu stehend anzu- Der hochgeneigten Gewährung meines Gesuches sehen sei und in dieser Hinsicht seiner Entlassung mit Zuversicht entgegensehend, verharre ich mit aus dem Verbande seines Heimatlandes kein Hin- unbegrenzter Hochachtung dernis im Wege stehe, an die Kanzlei des Senats zu Ew. Magnifi zenzen Hoch- und Wohlweisheiten verweisen sei.9 gehorsamster Joseph Wedeles Zu diesem Zeitpunkt hatte Wedeles bereits ei- Hamburg, den 4ten Februar 1842, nige Zeit in Hamburg gelebt10 und mit Manu- selbst verfasst. 8 fakturwaren und Galanteriewaren11 gehandelt.

4 Liskor – Erinnern Im Vorstandsprotokoll der Deutsch-Israeliti- Wedells änderte und in Hamburg als Kunst- schen Gemeinde in Hamburg wurde am 8. Fe- sammler und Stifter bekannt wurde. bruar 1837 vermerkt, dass er mit seinen Steuer- Auch vor der rechtlichen Gleichstellung beiträgen von 1835 und 1836 noch immer im waren Hamburgs Juden zum Dienst im Bür- Rückstand sei. (Wedeles betrieb damals mit germilitär verpfl ichtet. Dieser Dienst war nicht einem Partner namens Levig am Graskeller sonderlich beliebt, kostete er doch viel Zeit und Nr. 17 ein Lager von französischen, schweizeri- Geld für die Anschaff ung der Ausrüstung. schen und anderen Manufakturwaren.) Die Mancher Wehrpfl ichtige schützte deshalb eine Gemeindeältesten übten keine Nachsicht und Krankheit vor, die ihm den Militärdienst un- beschlossen, „dem hochweisen Polizeiherrn möglich machen würde, oder besorgte sich ei- hiervon Anzeige zu machen und denselben zu nen Ersatzmann. Als Benjamin Joseph Wedeles ersuchen, die Quoten à 120 Mark pro Jahr bei- zum Bürgermilitärdienst aufgefordert wurde, treiben zu lassen und allenfalls die Firma dafür plagte ihn ein Fußleiden, das den Argwohn der in Anspruch zu nehmen“.12 Als Wedeles von Rekrutierungskommission erregte: Sein Antrag der Polizeibehörde zur Bezahlung seines Steu- auf Befreiung vom Dienst im Bürgermilitär errückstandes aufgefordert wurde, lenkte er ein: wurde abgelehnt. Doch Wedeles verfügte über Er habe sich nur über die Höhe seiner Steuer- ein ärztliches Attest, das keinen Zweifel an sei- quote beschwert und bäte nur um eine Ermäßi- ner Dienstunfähigkeit ließ. Erneut griff er zum gung. Das wurde abgelehnt.13 Mittel des Bittgesuchs an den Senat und Bald danach trennte sich Wedeles von schrieb am 22. August 1842 das Folgende: seinem Geschäftspartner Levig und betrieb in der Mühlenstraße 41 einen Manufakturwaren- Magnifi ci, wohlgeborne, hochgelahrte, hoch- und handel.14 Im Januar 1840 trat er in die Firma wohlweise, hochzuverehrende Herren! Meyer, Cohn & Co. ein.15 Das Unternehmen Unter dem 4ten dieses Monats ist abseiten der löb- war im Jahr davor von den Kaufl euten Johann lichen Reklamations-Deputation des Bürger-Mi- Heinrich Meyer und Julius Cohn gegründet litärs, bei welcher ich, der gehorsamst Unterzeich- worden und betrieb einen Handel mit deut- nete, um Befreiung vom Bürger-Militär-Dienste, schen und französischen Galanterie- und Kurz- eines Fuß-Übels wegen angetragen hatte, der sub waren.16 Auch Johann Heinrich Meyer gehörte Lit. A anliegende Beschluss abgegeben, wodurch der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Ham- ich auf den Bericht der zur Untersuchung ange- burg an; vor dem Erwerb des Hamburger Bür- stellten Herren Ärzte für dienstfähig und dienst- gerrechts im Jahr 1849 hatte er die Vornamen pfl ichtig erklärt worden bin. Isaak Hirsch getragen.17 Ich kann mich jedoch bei dieser Entscheidung nicht Am 11. Juni 1840 wurde Benjamin Jo- beruhigen, sondern sehe mich gemüßiget, da ich seph Wedeles von Rabbiner Isaac Bernays mit meines Fuß-Übels wegen das von den Herren einer Kaufmannstochter namens Marianne geb. Reklamations-Ärzten nur als leicht und unbedeu- Gans geschiedene Cohen getraut.18 Die Braut tend angesehen und nicht gründlich genug unter- war im Jahr davor auf Betreiben ihres damali- sucht sein mag, durchaus zu jeder anstrengenden gen Ehemanns, eines Hamburger Tabakmaklers Bewegung unfähig und gewiss zum Militärdienst namens Heymann Jacob Cohen, vom Altonaer nicht tauglich bin, mich dagegen supplicando an Rabbinatsgericht geschieden worden.19 einen hochweisen Rath zu wenden, auf eine Als einziges Kind von Benjamin Joseph anderweitige Untersuchung abseiten des hochlöb- Wedeles und Marianne geb. Gans wurde am lichen Gesundheit-Rates und, nach Maßgabe des 17. Oktober 1848 ein Sohn namens Siegfried Berichtes desselben, auf Befreiung vom Bür- geboren, der seinen Familiennamen 1890 in ger-Militär-Dienst anzutragen.

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Indem ich zur Begründung meines Antrages an- Oberst Stockfl eth, der Chef des Bürgermilitärs, noch sub Lit. B ein Attest meines Arztes anlege teilte dem Senat am 19. Oktober 1842 mit, und ferner anzuführen mir erlaube, dass ich auch „dass die Leistung des Bürger-Militairdienstes in meinem Geburtslande Böhmen, woselbst ich die in Zeugstiefeln nicht zulässig ist, benannter Entlassung aus dortigem Nexu nicht erlangen Gardist Wedeles daher wohl als dienstunfähig konnte, bevor ich nicht meine Unfähigkeit zum zu betrachten seyn sollte“ – womit der Fall ent- Landwehr-Dienste dargetan hatte, des bemerkten schieden war. 21 Übels wegen auf einen von hier aus eingesandten Am 13. April 1849 erwarb Benjamin Jo- ärztlichen Bericht, abseiten der betreff enden ho- seph Wedeles als einer der ersten Juden das hen Landes-Behörde vom Militär-Dienst frei- Hamburger Bürgerrecht.22 Alles schien gut ge- gesprochen bin, richte ich an Ew. Magnifi zenzen regelt, als er sich im folgenden Jahr plötzlich im Hoch- und Wohlweisheiten meine gehorsamste Gefängnis wiederfand. Was geschehen war, Bitte dahin, Hochdieselben wollen geruhen, eine schilderte seine Frau am 16. Oktober 1850 in Untersuchung meines körperlichen Gesund- einem kämpferischen Bittgesuch an den Ham- heits-Zustandes abseiten des hochlöblichen Ge- burger Senat: sundheit-Rates zu verfügen, demnächst aber und nach eingegangenem Bericht desselben unter Auf- An einen hochedlen und hochweisen Senat hebung des Beschlusses der löblichen Reklama- Ehrerbietigste Vorstellung und Bitte um hochge- tions-Deputation vom 4ten August d. J. mich vom wogene heutige Dekretur von Seiten des Benja- Bürger-Militär-Dienst gänzlich zu befreien. min Joseph Wedeles’ Ehefrau Marianne geb. Gans, Mit vollkommenster Hochachtung und Ergeben- alte Wallstraße No. 42, Supplikantin, wegen Poli- heit verharre ich zeisache und Arretierung ihres Ehemannes B. J. Ew. Magnifi zenzen Hoch- und Wohlweisheiten Wedeles gehorsamster Benj. Jos. Wedeles Magnifi ci, hoch- und wohlweise, höchstgeehrte Herrn! Das Attest des Arztes Dr. Nathan stellte fest: Ein Attentat löblicher Polizeibehörde, in unserer aufgeklärten Zeit und bei der festen Ordnung un- Dem Herrn B. J. Wedeles bescheinige ich hier- seres heimischen Rechtszustandes unerhört, ver- durch, dass derselbe zu rheumatischer Entzün- anlasst meine nachfolgende ehrerbietige Vorstel- dung des Gelenkes der großen Zehe, namentlich lung, welche, wie ich vertrauensvoll hoff e, den ge- des daselbst befi ndlichen, einen sogenannten Bal- wünschten Eindruck auf Ew. Magnifi zenzen, len bildenden Schleimbeutels, disponiert sei und Hoch- und Wohlweisheiten nicht verfehlen wird. von mir nach Übergang des Übels in Eiterung Mein Ehemann Benjamin Joseph Wedeles ist einer längere Zeit in Ruhe und örtlichen Mitteln be- der Teilnehmer der Firma Meyer Cohn & Co. Ein handelt wurde. Auch bin ich überzeugt, dass der- Bruder seines Associés Meyer ist mit einem gewis- selbe nur durch Befolgung meiner Anordnung, sen Schäff er unter der Firma Meyer, Schäff er & fortwährend sich weicher und besonders anpas- Co. in Verbindung, und sind beide auf der Fahrt sender Zeugstiefel zu bedienen, vor Rückfällen nach China begriff en, um in Hong-Kong ein sich sicher stelle und als ungeeignet zu den ge- kaufmännisches Etablissement zu begründen. wöhnlichen Anstrengungen des Fußes zu betrach- Schäff er, ein politischer Flüchtling, wurde hier auf ten sei, insbesondere, da eine exquisite Empfi nd- Requisition Preußischer Behörden verhaftet, ent- lichkeit schon die gewöhnliche Schmerzhaftigkeit wich aber wieder unter Umständen, welche mir der Stelle, namentlich bei Witterungswechsel, un- nicht bekannt sind. Der Umstand, dass Schäff ers erträglich macht.20 Associé der Bruder des Associés meines Mannes ist, wird ohne Zweifel bei löblicher Polizeibehörde

6 Liskor – Erinnern den Verdacht rege gemacht haben, dass die Inhaber Polizeiherrn versehen gewesen, entwichen sein; der Firma Meyer Cohn & Co. dem Schäff er bei dies, so äußerte sich Seine Hochweisheit, solle und seiner Entweichung behilfl ich gewesen seien. Die- müsse à tout prix entdeckt werden. Indessen wur- ser Verdacht ist vermutlich noch durch nachfolgen- de doch Sr. Meyer gestern Vormittag wieder auf de Tatsache gehoben worden. Ein gewisser Weber, freie Füße gestellt. ein unbekannter Mann von geringer Herkunft War nun diese Operation ohne Erfolg gewesen, so aus der arbeitenden Klasse, soll den Schäff er zu musste eine andere an deren Stelle treten. Ob da- Wasser weiter befördert und dadurch ihm zu sei- bei nach Recht und Ordnung verfahren wurde, ner Entweichung behilfl ich gewesen sein. Dieser kam nicht in Betracht; der Polizeiherr wollte ja wandte sich an meinen Mann, erklärte, dass er für den Fälscher seiner Unterschrift heraus haben! seine Dienstleistung nicht gehörig belohnt worden Mein Ehemann Wedeles war auf gestern Mittag sei, und verlangte eine weitere Belohnung. Mein ebenfalls zitiert und ist ebenfalls als Arrestat nach Mann, über das Anverlangen des frechen Zu- dem Winserbaume abgeführt worden! dringlings indigniert, den er bis dahin nicht mit Ein hochweiser Senat kann und wird nicht zuge- Augen gesehen hatte, wies ihn zurück, und dessen ben, dass der Polizeiherr mit der persönlichen erster Advokat, Herr Dr. v. Bönninghausen, der Freiheit seiner Mitbürger versuchsweise nach von meinem Mann gehörig belehrt worden war, Willkür und tyrannischer Eigenmacht zukehr wies ihn darauf ebenfalls von sich. Ebenso soll es geht. Mein Ehemann hat sich keines Vergehens auch der nachfolgende Advokat des Weber, Herr schuldig gemacht, ihn triff t nicht der Schein eines Dr. Gallois, gemacht haben. Ob nun der gedachte Vorwurfs, nur leerer Verdacht, der ausschließlich Weber demnächst eine Denunziation bei löblicher und ganz ungereimter Weise auf den weit herge- Polizeibehörde, direkt oder indirekt, off ener oder holten Umstand, dass sein Associé der Bruder des heimlicher Art, gemacht hat, muss dahingestellt Associés des verfolgten Flüchtlings ist, basiert, hat bleiben. Sr. Meyer von der Firma Meyer, Cohn & seine Arretierung herbeigeführt. Die Untersu- Co. wurde auf vorgestern vor das polizeiliche Pro- chungsakten und die Erklärung des Polizeiherrn tokoll des Herrn Dr. Homann vorgeladen und selbst werden und müssen dies bestätigen. Ja, es nach seiner Vernehmung ohne weiteres nach dem steht dahin, ob nicht der angeblich verfälschte Pass Winserbaum in Arrest abgeführt. An demselben selbst ein leeres Luftgebild ist, durch eine falsche Tage abends suchte[n] dessen Ehefrau und mein Angabe des verkappten Denunzianten in die Mann den hochweisen Polizeiherrn auf. Sie Einbildung gerufen. trafen ihn in der Wohnung eines hochgestellten Aber ich muss auch Ew. Magnifi zenzen, Hoch- Mitgliedes des hochweisen Senats an, beriefen sich und Wohlweisheiten auf die in ihrem Umfange auf die Kränklichkeit und auf die geistige Un- nicht zu übersehenden Folgen und Nachtheile der fähigkeit des Sr. Meyer, sich bei dem ihm zum eingetretenen Gewaltmaßregeln hinweisen. Das Vorwurfe gemachten Vergehen zu beteiligen, wel- nicht unbedeutende Geschäft von Meyer, Cohn & che auch von seinem Hausarzte attestiert worden Co. hängt ausschließlich von der Direktion meines war, und bestanden auf dessen Befreiung. Bei Ehemannes ab. Meyer ist, wie schon erwähnt, dieser Gelegenheit erfuhr man denn auch, was kränklich und geistig total unfähig, sich an der eigentlich den hochweisen Polizeiherrn so in Geschäftsführung zu beteiligen, Cohn ist in Paris Harnisch gefegt und ihn zur Anwendung so uner- und steht dem dortigen Etablissement vor, alles hörter, aller Rechtfertigung entbehrender Gewalt- hängt von der Leitung meines Mannes ab. Sollte maßregeln veranlasst habe. Der mehrerwähnte die Handlung in[s] Stocken geraten, und sie wird Schäff er soll nämlich unter Benutzung eines fal- in’s Stocken geraten müssen, wenn der Dirigent schen Passes, der mit dem Polizeisiegel, aber länger in Arrest gehalten wird, so sind die Folgen zugleich mit der nachgemachten Unterschrift des nicht zu berechnen. Denn es kommt nicht bloß auf

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die Existenz des Hauses an, sondern auch auf eingetragen.24 Am zweiten Tag seiner Haft be- die Existenz vieler anderer Häuser, die davon ab- riet der Senat über den Fall und befand, „die hängen. Sache [sei] noch nicht so weit geschritten, um In Wahrheit, der hochweise Polizeiherr hat durch den Arrest wieder aufzuheben, was so bald wie seine eigenmächtige Handlung eine schwere Ver- möglich gewiss getan werde“ - und noch am antwortung auf sich geladen. selben Tag geschah.25 Und sollten Ew. Magnifi zenzen, Hoch- und Marianne Wedeles’ Bittgesuch dokumen- Wohlweisheiten dennoch Bedenken tragen, die so- tiert die Führungsposition ihres Mannes in der fortige Freilassung meines Mannes zu verfügen, Firma Meyer, Cohn & Co., deren erkrankter so wird und kann auf der Stelle eine genügende Miteigentümer Meyer ein Jahr danach ver- Kaution geleistet werden. Der Zerrüttung in starb.26 Das Gesuch off enbart zugleich die mu- unsern häuslichen Verhältnissen in Folge der Ar- tige Schärfe, mit der Marianne Wedeles um die restierung des Familienvaters soll hier gar nicht Freiheit ihres Ehemanns kämpfte. Dem Poli- gedacht werden. zeiherrn „Willkür und tyrannische Eigen- Mit vollem Vertrauen bitte ich so ehrerbietigst als macht“ vorzuwerfen, entsprach keinesfalls der inständigst, das Ew. Magnifi zenzen, Hoch- und von einem Bittgesuch zu erwartenden Untertä- Wohlweisheiten geruhen wollen, die augenblick- nigkeit. Ferner geht aus dem Schreiben hervor, liche Freilassung meines arretierten Ehemannes dass Julius Cohn, der Geschäftspartner ihres Benjamin Joseph Wedeles gegen Leistung einer Mannes, eine Filiale der Firma in Paris leitete. angemessenen Kaution mittelst hoch geneigtest Die Verbindung mit der französischen Haupt- in heutiger Sitzung abzugebender Dekretur zu stadt blieb lange Zeit bestehen und hatte gro- verfügen. ßen Anteil am geschäftlichen Erfolg der Firma. In größter Verehrung Einige Jahre, nachdem Johann Heinrich Eines hochweisen Senats Meyer, der Mitinhaber der Firma Meyer, Cohn Ganz gehorsamste & Co., 1851 verstorben war, sollte Benjamin Marianne Wedeles geb. Gans23 Joseph Wedeles an der Seite des Notars Dr. Ferdinand Gobert27 zum Mitvormund des Was es mit dem politischen Flüchtling Schäff er Sohnes Heinrich ernannt werden. So hatte es und dem „gewissen Weber“ auf sich hatte, ließ Meyers Witwe ausdrücklich gewünscht. Am sich in den erhalten gebliebenen Unterlagen 2. Februar 1858 schrieb sie an Heinrichs Mit- der Hamburger Polizei nicht ermitteln. Etliche vormund Isaac Joseph Jaff é: Polizeiakten überliefern, dass es in der Zeit nach der gescheiterten Revolution von Angenehm wäre es mir, wenn Sie sich [...] mit un- 1848/1849 zahlreiche politische Flüchtlinge serem gemeinschaftlichen lieben Freunde Herrn nach Hamburg verschlug. Die Verhaftungswel- Wedeles unterhielten; vielleicht gelingt es ihnen, le dauerte einige Jahre an. Dass Benjamin We- denselben zur Übernahme der Mitvormundschaft deles zu den Sympathisanten verfolgter Flücht- zu bewegen.28 linge gehört und die Unterschrift des Polizei- herrn gefälscht hatte, war nicht zu beweisen; of- Aber Benjamin Joseph Wedeles dachte nicht fenbar wurde er tatsächlich, wie seine Ehefrau daran, Heinrich Meyers Mitvormund zu wer- schrieb, ein Opfer der „tyrannischen Eigen- den, und nannte der Vormundschaftsbehörde macht“ des Polizeiherrn. Das Journal des Win- auch den Grund: serbaum-Gefängnisses zeigt, dass Wedeles dort am 15. und 16. Oktober 1850 inhaftiert war. Er habe sich zwar geneigt erklärt, mit dem vor- Als Grund der Festnahme wurde „Verdacht“ maligen Mitvormund Jaff é die Vormundschaft zu

8 Liskor – Erinnern führen, aber an die Seite des Herrn Dr. Gobert zu Siegfried Wedeles’ Leben treten, habe er niemals Neigung gehabt noch zu bis zur Rückkehr nach Hamburg erkennen gegeben, bitte daher an seiner Stelle ei- Das von Benjamin Joseph Wedeles vererbte nen andern Vormund zu ernennen.29 Vermögen betrug über eine halbe Million Mark. Siegfried trat sofort die Nachfolge seines Vorangegangen war eine massive Beschwerde Vaters als Mitinhaber der Firma Meyer, Cohn von Isaac Joseph Jaff é über Gobert, worauf die & Co. an und reiste nach Paris. Aus der Hin- Vormundschaftsdeputation beschlossen hatte, terlassenschaft seines Vaters nahm er einige Gobert Gegenstände mit sich, darunter eine Kiste mit Büchern, 13 Ölgemälde, ein Fortepiano, drei die ernste Missbilligung der Deputation wegen Paar Sporen und drei Paar Schlittschuhe, ein der von ihm gegen seinen Mitvormund [ Jaff é] Fechthandschuh sowie ein Dominospiel.33 [...] gebrauchten ungebührlichen Sprache zu er- Nachdem Siegfrieds Mitvormund Moritz We- kennen zu geben, [und dass] ihm auch die Schreib- deles bereits am 19. Oktober 1865 verstorben art seiner letzt eingegangenen Bittschrift aus- war, übernahmen die Kaufl eute Wilhelm Laza- drücklich zu verweisen sei.30 rus und Angelus Steinhardt die Vormundschaft. Beide waren mit Benjamin Joseph Wedeles be- Auf Drängen der Vormundschaftsdeputation freundet gewesen.34 übernahm Wedeles dann doch die Vormund- Innerhalb von zweieinhalb Monaten hat- schaft und hatte sich in der Folge mit dem te Siegfried Wedeles seinen Vater, seine Mutter ungehobelten Juristen Gobert auseinander- und seinen Onkel Moritz verloren. Ohne elter- zusetzen. lichen Rückhalt traf er im Alter von 23 Jahren Marianne Wedeles starb am 4. August die Entscheidung für einen Glaubenswechsel 1865 im Alter von 54 Jahren. Ihr Ehemann und ließ sich in der Hamburger St. Petrikirche reiste bald darauf in die Gemeinde Brixen in taufen.35 In der Zeit von Oktober 1871 bis Südtirol, wo ihn am 14. Oktober 1865 nach September 1872 diente er als Soldat in einem kurzer Krankheit mit 59 Jahren ebenfalls der Gardedragonerregiment in Berlin.36 Von der Tod ereilte.31 Sein Körper wurde nach Ham- Absicht zur Rückkehr in seine Heimatstadt burg überführt und auf dem Jüdischen Friedhof weit entfernt, wurde er im Jahr 1873 auf eige- am Grindel neben seiner Ehefrau beigesetzt.32 nen Wunsch aus der hamburgischen Staatsan- Zu diesem Zeitpunkt war der Sohn Siegfried gehörigkeit entlassen. Sein Bevollmächtigter 17 Jahre alt. Neun Tage vor dem Tod hatte sein John Jacob Bonheim teilte der Behörde damals Vater seinen letzten Willen erklärt: mit, Wedeles „halte sich schon seit längerer Zeit in Paris auf, wo er auch ferner seinen Wohnsitz Mein Sohn Siegfried wird zu meinem Universal- zu behalten beabsichtige“.37 Dabei blieb es bis erben eingesetzt. 1884. Dann lebte er mit Unterbrechungen wie- Mein Associé Julius Cohn in Paris und mein der in Hamburg und nahm dort 1890 seinen Bruder Moritz Wedeles in Hamburg werden zu ständigen Wohnsitz.38 Vormündern und Vermögensverwaltern meines genannten Sohnes ernannt. [...] Alle meine gemachten Schenkungen, welche in meinen Büchern ordnungsmäßig verbucht sind, sollen in voller Kraft bleiben.

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Leopold und Heinrich Wedeles ungarischen Hilfsvereins in Hamburg wurde er 1875 war ein Adoptivsohn von Benjamin Jo- im Jahr 1900 zum Ritter des kaiserlich-öster- seph Wedeles namens Leopold in die Firma reichischen Franz-Joseph-Ordens ernannt. eingetreten, deren Name fortan „Wedeles & Diese Ehre teilte er mit einigen anderen Ham- Co.“ lautete.39 Leopold Wedeles gehörte dem burgern, darunter der Museumsdirektor Justus Unternehmen bis 1891 an und verlegte seinen Brinckmann sowie die eaterdirektoren Wohnsitz dann in das Dorf Breurey-lès-Faver- Charles („Cherie“) Maurice und Bernhard ney im Osten Frankreichs.40 Pollini. 1913 wurde ihm das Offi zierkreuz die- ses Ordens verliehen.43 Wie erwähnt, war der Aufstieg der Firma insbesondere der Tätigkeit von Siegfried We- dells’ Cousin Heinrich Wedeles zu verdanken. Das off enbart auch das um 1930 erschienene „Buch der alten Firmen der Freien und Hanse- stadt Hamburg“. Diese Veröff entlichung beruh- te größtenteils auf „Insiderwissen“, nämlich auf Selbstzeugnissen der darin aufgenommenen Firmen. Von der Firma Wedells & Co., Ham- burg, Paulstraße 10, ist das Folgende zu lesen:

Die Firma Wedells & Co. [...] befasste sich in der Hauptsache mit dem Engrosvertrieb von Schwei- zer Manufakturwaren. Sehr bald ging die Firma zu Ex- und Importgeschäften über, und zwar in der Hauptsache nach Afrika und Südamerika. Durch die besondere Ausdehnung des Geschäfts in Heinrich Wedeles (1853 – 1926) den französischen Kolonien Afrikas wurde neben Abbildung aus dem „Buch der alten Firmen dem Hauptsitz der Firma in Hamburg ein Haus in der Freien und Hansestadt Hamburg“, Paris eröff net, welch letzteres in den neunziger Leipzig um 1930, Teil III, S. 25 Jahren des vorigen Jahrhunderts liquidiert wurde, da die Entwicklung des Geschäfts es bedingte, dass 1887 wurde Heinrich Wedeles, ein Sohn von das Schwergewicht wieder nach dem Hamburger Benjamin Joseph Wedeles’ Bruder Abraham, als Haus verlegt wurde. Seit jener Zeit ruhte die Gesellschafter der Firma Wedeles & Co. in das Hauptleitung des Geschäfts in den Händen des im Handelsregister eingetragen.41 Mit ihm stieg Jahre 1926 verstorbenen Herrn Heinrich Wedeles.44 die Firma zu einem der erfolgreichsten Unter- nehmen Hamburgs auf. Er wurde am 8. De- Womit die Firma im Einzelnen handelte, of- zember 1853 in Straschitz in Böhmen geboren fenbaren die Warenzeichenregister des Ham- und lebte seit 1877 ständig in Hamburg. Am burger Handelsgerichts von 1892: 22. Mai 1880 wurde er hier mit seiner Cousine Rosa Wedeles getraut. Sechs Jahre später er- Alkohol, astronomische Instrumente, Bier, Butter, warb er die hamburgische Staatsangehörigkeit, Biskuits, Bijouteriewaren, Bindfaden, Blattme- ließ jedoch die Verbindung zu seiner alten Hei- tall, Blechwaren, Bleistifte, Blumen, Brillen, mat nicht abreißen.42 Aufgrund seiner Ver- Buchdruckereiartikel, Buntdrucke, Bekleidungsge- dienste als Schriftführer des österreich- genstände, Kakao, Konserven, kondensierte Milch,

10 Liskor – Erinnern Zwei Firmenzeichen der Firma Wedells & Co., Firmenzeichen für Ziegenlederprodukte, Firmenzeichen für „bestes deutsches Bier“. W & C steht für Wedeles & Co. Alle Abb. Staatsarchiv Hamburg, 231-3 Handelsregister, A 21, Bd. 9 / 5 / 2 (v.l.n.r.) chirurgische Instrumente, Celluloid, Zement, Che- Politischen Polizei Hamburgs „politisch nicht mikalien, Zigarren, Zigaretten, Ceresin [Harz- bemerkbar gemacht hatten“, stand einer Ge- produkt], Dochte, Draht, Drahtstifte, Draht- nehmigung nichts im Wege.46 waren, Druckerschwärze, Decken, Essig, Elastics, Fächer, Farben, Farbstoff e, Federn, Feilen, Fin- gerhüte, Früchte, Garne, Glas, Glaswaren, Gold- Siegfried Wedeles’ Leben leisten, Gummi, Gummiwaren, Handschuhe, nach der Pariser Zeit Holzwaren, Hornwaren, Hüte, Hutfournituren, Im Jahr 1890 traten wichtige Veränderungen Kerzen, Kämme, Kaff eemaschinen, Kapseln, im Leben von Siegfried Wedeles ein. Damals Korbwaren, Käse, Kurzwaren, Lampen, Lam- lebte er in in Oberdölling in Niederösterreich penzubehör, Leder, Leim, Litzen, Lackierwaren, und besaß in der Donaumonarchie das Hei- Märbel [Murmeln], Metalle, Metallbleche, Me- matrecht. In Oberdölling stellte er den Antrag, talldraht, Metallwaren, Möbel, Musikinstrumen- künftig den Familiennamen zu Wedells führen. te, Mineralwasser, Mathematische Instrumente, Die Statthalterei Wien hatte keine Einwände; Nudeln, Nägel, Papier, Papierwaren, Pappe, das Geburtsregister der Deutsch-Israelitischen Pappwaren, Parfümerien, Puppen, optische Inst- Gemeinde in Hamburg wurde entsprechend rumente, Öl, Sardinen, Spirituosen, Schnüre, Sal- berichtigt.47 ben, Seifen, Schneidwaren, Schals, Schuhmacher- Am 25. März 1890 heiratete der nun- artikel, technische Instrumente, Tücher, Uhren, mehr 42jährige Siegfried Wedells eine 22jähri- Uhrwerke, Uhrgehäuse, Uhrfedern und alle Uhr- ge Hamburger Kaufmannstochter namens Ella fournituren, Wein, Wachs, Webstoff e, Trikotagen, Elisabeth Direng. Die Ehe blieb kinderlos und Spiegel, Fahrräder und deren Verpackung.45 wurde nach 23 Jahren 1913 vor dem Hambur- ger Landgericht geschieden.48 Off enbar endete Die meisten Produkte wurden mit einer Libelle die Beziehung einvernehmlich, denn Siegfried oder einer Blüte als Firmenzeichen gekenn- ließ seiner geschiedenen Ehefrau bis zu ihrem zeichnet. Ausgenommen war sicherlich ein Tod am 20. November 1955 eine jährliche Ren- Produkt, mit dem das Sortiment im Jahr 1896 te von 20.000 Mark zukommen.49 erweitert wurde. Damals hatten Heinrich We- Im Jahr 1896 bezog Siegfried Wedells deles und sein Cousin Siegfried um die Erlaub- ein prächtiges Bürgerhaus in der Neuen Raben- nis zum „Vertrieb von Sprengstoff en und Ein- straße 31, das der renommierte Architekt Mar- führung derselben aus dem Auslande“ nachge- tin Haller mit einer Neorenaissance-Fassade für sucht. Da sie sich nach Feststellung der ihn erbaut hatte. Als „Haus Wedells“ ist es bis

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Das Haus Wedells um 1900 Foto: Staatsarchiv Hamburg, 720-1 141-21=07-791 heute bekannt. Hier trug Wedells, der seiner Nach dem Ausbruch des Ersten Welt- Firma nur noch begrenzte Zeit widmete, mit kriegs hielt Siegfried Wedells die Zeit für ge- fachmännischer Beratung eine umfangreiche kommen, seine österreich-ungarische Staatsan- Gemäldesammlung zusammen, von der in den gehörigkeit aufzugeben und sich in Hamburg „Hamburger Nachrichten“ dies zu lesen war: einbürgern zu lassen. Die mit seinem Cousin Heinrich betriebene Firma Wedells & Co. hat- Unterstützt von namhaften Kunstgelehrten wie te damals 15 Angestellte; sein Jahreseinkom- Bode50 und Friedländer51 gelang es dem feinsinni- men beziff erte Siegfried Wedells 1914 mit gen Mäzen, Werke aus fünf Jahrhunderten zu er- 172.369 Mark. In seinem Einbürgerungsantrag werben, die von den Anfängen des Quattrocento schilderte er seine bisherigen Aufenthaltsorte: über die Epochen der Renaissance bis zu der deut- schen und französischen Malerei des neunzehnten Von der Geburt bis etwa 1865 war ich in Ham- Jahrhunderts führten. [...] Unter den Werken der burg, bis 1871 in Paris, bis 1872 in Berlin beim älteren fl ämischen Schule ist vor allem zu erwäh- Militär, einige Zeit in Österreich, bis 1884 in Pa- nen „Die mystische Verlobung der heiligen Katha- ris, längere Zeit auf Reisen, wieder in Paris und rina“, welches wir für die Perle der Sammlung Hamburg und auf Reisen. Seit August 1891 bin halten. [...] Die Großmeister Rubens und van ich wieder dauernd in Hamburg ansässig.54 Dyck fehlen in dieser Sammlung nicht.52 Die polizeilichen Erkundigungen über seinen Am Ende seines Lebens bestand Siegfried We- Leumund führten zu folgendem Ergebnis: dells’ Kunstsammlung aus 98 Gemälden im Buchwert von rund 2 ½ Millionen Mark. Svan- Soweit sich, ohne Wedells persönlich zu behelligen, te Domizlaff hat Siegfried Wedells’ Kunst- feststellen ließ, betreibt derselbe Paulstr. 10 unter sammlung und sein prächtiges Stadthaus in sei- der Firma Wedells & Co. mit seinem Vetter [Hein- nem reich bebilderten Werk eingehend be- rich Wedeles] ein größeres Exportgeschäft. Sowohl schrieben.53 die Firma als auch der Antragsteller sind angese- hen und genießen einen guten Ruf. W. ist recht

12 Liskor – Erinnern kleinlich und hält sich reserviert. Infolge einer ge- zu leiden hat, so wird doch die fi nanzielle Lage ringfügigen geschäftlichen Diff erenz, die er mit auch heute noch recht günstig beurteilt. Nachteili- dem Vorsitzenden des Vereins der Exporteure hat- ges über die Firma oder ihre Inhaber persönlich ist te, ist er aus diesem Verein ausgeschieden. Trotz- nicht bekannt geworden. Hiernach fi ndet die dem hebt der Vorsitzende ausdrücklich hervor, dass Handelskammer gegen die beantragte Einbürge- sich gegen die Einbürgerung nichts einwenden rung Bedenken nicht zu erheben.57 lasse. W. gilt allgemein als vermögender Mann. Über Gesinnung und Leumund war Nachteiliges Siegfried Wedells starb am 4. Juni 1919 in in keiner Weise zu ermitteln.55 Hamburg. Rechtzeitig hatte er seinen letzten Willen verfügt und sein Grabmal auf dem Auch Rudolph Crasemann, der Präses der Ohlsdorfer Zentralfriedhof in Auftrag gegeben, Handelskammer, äußerte sich: ein Werk des Berliner Bildhauers Walter Schmarje.58 Dargestellt ist eine Frauenfi gur mit Siegfried Wedells soll zumeist auf seinem Gute in einem Krug, aus dem Wasser rinnt. Das Grab- Mecklenburg leben und sich nur wenig um das mal trägt die Inschrift Geschäft kümmern, dessen eigentlicher Leiter sein Bruder [richtig: sein Cousin] Heinrich Wedeles Aus mir fl ießt alles. Kehrt zu mir zurück, ist, der ein tüchtiger, strebsamer und achtbarer so Tod wie Leben, Menschenleid und Glück. Kaufmann ist, unter dessen Führung das Geschäft gut prosperiert. Die Firma betreibt ein Export- und Importgeschäft mit Südamerika, der Levante, Das Haus Wedells Arabien, Persien, Japan und dem Congogebiet in nach Siegfried Wedells’ Tod beträchtlichem Umfange. Die beiden Inhaber sol- Siegfried Wedells’ Testament wurde Ende Juni len außerdem durch ihre Frauen56 nicht unbedeu- 1919 eröff net. Der Freien und Hansestadt tende Mittel erhalten haben und das Gesamtver- Hamburg vermachte er sein Stadthaus mitsamt mögen der beiden Gesellschafter wird auf mehrere dem Grundstück und der Gemäldesammlung Millionen Mark geschätzt. Wenn auch das sowie eine bedeutende Geldsumme unter der Geschäft naturgemäß unter den Kriegsereignissen Aufl age, „das Gebäude mit den Kunstschätzen der öff entlichen Besichtigung sowie dem Studium der Künstler und der Gelehrten unter dem Namen ,Haus Wedells‘ off en zu halten.“59 Am 11. Januar 1922 war es so- weit. Das Hamburger Fremdenblatt berichtete:

Der Senat hat dieses Vermächtnis an- genommen und zur Erhaltung und Verwaltung des Grundstücks die „Stif- tung Haus Wedells“ errichtet. Die Stif- tung hat das Haus instand setzen las- sen, die Gemälde neu geordnet und ka- talogisiert und will nunmehr die Gale- rieräume, die sich im ersten Stock be- Siegfried Wedeles’ Grabmal Foto: Jürgen Sielemann fi nden, für die öff entliche Besichtigung

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und das Studium der Künstler und der Gelehrten freigeben, wie das dem Wunsche des Erblassers ent- spricht.60

Die Räume im unteren Geschoss behielt sich der Senat für Reprä- sentationszwecke vor. Ein Jour- nalist der sozialdemokratischen Tageszeitung „Hamburger Echo“ besichtigte die Galerie nach der Eröff nung und fand nicht nur lo- bende Worte: Blick in ein Kaminzimmer des Hauses Wedells Der erste Eindruck beim Durch- Foto: Staatsarchiv Hamburg, 720-1 141-21= 07-791 schreiten der Räume ist der einer außergewöhnlichen Pracht. Was hier an kostbar Bürgermeister Krogmann statt, bei dem Ger- bespannten Möbeln, reichen Schnitzereien, Teppi- hard Langmaack als Landesstellenleiter der chen und Wandtapeten zusammengetragen wor- Reichskammer der bildenden Künste eine den ist, spottet jeder Beschreibung. Doch spürt Rede hielt. Darin forderte er, dass die schaff en- man bald ein leichtes Unbehagen. Neben goti- den Künstler an den politischen Belangen be- schem Schnitzwerk steht romanische Holzarbeit, teiligt werden müssen. Auch in Hamburg müs- eine fl aue Deckenmalerei neuerer französischer se unmittelbar neben dem Politiker der Künst- Herkunft sieht auf einen modernen kunstgewerb- ler stehen.64 lichen Teppich herab. Dem Stil der Makartzeit 1938 ergriff Paul Lindemann die Initiati- Entsprechendes fi ndet sich mehrfach, so dass man ve. Als Senatsdirektor der Gemeindeverwal- endlich bedauert, dass der Sammler so wahllos tung schrieb er am 31. Oktober 1938 an das vorging, kein Programm verfolgte, sich oft von Zentralbüro des Reichsstatthalters Karl Kauf- den Konventionen des Tages leiten ließ. Ein ähn- mann und fragte an, ob die in der Rathausdiele liches Bild bieten ja die meisten Privatsammlun- angebrachten Medaillons (Reliefporträts) jüdi- gen, soweit sie nicht von bewährter Seite hartnä- scher Persönlichkeiten beseitigt werden sollen. ckig beraten wurden.61 Ebenso erscheine es

Damit stellte der Journalist Wedells’ prominen- zweifelhaft, ob noch länger das Haus Wedells so ten Beratern Friedländer und von Bode kein genannt werden kann. Wedell[s] war Volljude und gutes Zeugnis aus. hieß ursprünglich Wedeles. Auf einen entsprechen- Im April 1923 wurden einige Bilder aus den Antrag, den er in der Kriegszeit [richtig: der Galerie gestohlen, fanden sich jedoch im 1890] gestellt hat, wurde sein Name geändert. September 1923 sorgsam verpackt und unbe- [...] Eine Umbenennung des Hauses kann nicht schädigt bei einem Hehler in Barmbek wieder.62 empfohlen werden, da es sehr schwer sein wird, In der NS-Zeit ging die Besucherzahl eine geeignete Bezeichnung zu fi nden. Wenn aber stark zurück.63 Siegfried Wedells galt als „Jude“, der bisherige Name verschwinden soll, würde nichts sollte an ihn erinnern. 1936 wurde das man am besten in Zukunft einfach von dem „Haus Haus für Besucher geschlossen. Am 30. Januar Neue Rabenstraße 31“ sprechen. 1936 fand dort ein „Kultur-Appell“ mit

14 Liskor – Erinnern vollsten Gemälde der Kunsthalle übergeben.68 1993 erwarb die Hanse-Merkur-Versicherungs- gruppe das Haus Wedells und bettete es in ihren Neubaukom- plex ein.

Die Firma Wedells & Co. nach Siegfried Wedells’ Tod Nach dem Tod von Heinrich Wedeles übernahm Moritz We- deles’ Sohn Franz Wedeles die Firma im März 1926. 1937 tra- Das Haus Wedells heute Foto: Jürgen Sielemann ten die Kaufl eute Hermann Erd- land und Walter Schuldt mit ihm Mit Schreiben vom 14.11.1938 stimmte als Kommanditisten in das Unternehmen ein. Reichsstatthalter Kaufmann diesen Vorschlägen Franz Wedeles lebte zu dieser Zeit bereits in zu. An den Säulen in der Diele des Hamburger London. Im Dezember 1938 schied er ganz aus Rathauses wurden die Medaillons von Samuel der Firma aus.69 Nach dem Ende des Krieges Heine, Isaak Wolff son, Moritz Heckscher, kehrte er nach Hamburg zurück und starb hier Gabriel Riesser, Bartholdy am 20. April 1976.70 und Heinrich Hertz ausgeschlagen, und das Re- präsentationszwecken dienende Haus Wedells sollte künftig nur noch „Neue Rabenstraße 31“ Zum Schluss genannt werden.65 „Wedells’ Leben bleibt ein Geheimnis“, schrieb Zu den Stiftern kostbarer Pokale und Ta- Svante Domizlaff in seinem sehr lesenswerten felaufsätze für den Silberschatz des Senats hatte Buch „Menschen und ihre Häuser vor dem auch Siegfried Wedells gehört. Auf dem von Dammtor“.71 Dem etwas abzuhelfen war eines ihm gespendeten Tafelaufsatz war sein Name der Motive für diesen Beitrag. Wichtiger aber eingraviert; er wurde in der NS-Zeit gelöscht.66 schien es dem Verfasser noch, das Leben seines Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlag- Vaters Benjamin Joseph Wedeles zu ergründen, nahmte die englische Besatzungsmacht das Ge- ohne dessen Begabung, Fleiß und Geschick bäude und nutzte es bis 1948.67 Von 1951 bis Siegfried schwerlich zu einem der reichsten 1965 diente das Haus Wedells als Gästehaus Männer und großherzigsten Stifter Hamburgs des Hamburger Senats. 1952 wurden die wert- hätte werden können.

Soweit nichts anderes angegeben ist, stammen die u.a. https://de.wikipedia.org/wiki/Siegfried_Wedells, Quellen aus dem Staatsarchiv Hamburg. aufgerufen am 20.1.2019. 2 Der Ort fi ndet sich auch in der Schreibweise Wossek 1 Unter anderem: Claus Gossler, Siegfried Wedells. In: und Wosseck verzeichnet. Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke, Hamburgische 3 https://de.wikipedia.org/wiki/Jüdischer_Friedhof_ Biografi e, Bd.6. Göttingen 2012, S. 362-364. - Svan- (Osek_u_Radomyšle), aufgerufen am 20.1.2019. te Domizlaff , Menschen und ihre Häuser vor dem 4 Fanny Wedeles, verheiratete Kafka, siehe 232-2 Testa- Dammtor. Hamburg 2001, S. 39-60. - Im Internet mentsbehörden, H 2150, Testament Moritz Wedeles,

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§ 3. - Siehe auch http://www.kolinec.eu/pisemnosti/ 13 522-1 Jüdische Gemeinden, wie Anm. 12, Sitzung mara-5.htm, aufgerufen am 20.1.2019. vom 15.2.1837, S. 16. 5 Außer Fanny Kafka geb. Wedeles sind vier weitere 14 Hamburger Adressbuch von 1839. Geschwister von Benjamin Joseph Wedeles zu ermit- 15 231-3 Handelsregister, A 6 Bd. 2, Firmenprotokoll teln: Moritz Wedeles (geb. ca. 1815 in Wossek, gest. des Handelsgerichts, S. 200, Nr. 680. 19.10.1865 in Hamburg), Abraham, Rosalie und Ma- 16 231-3 Handelsregister, wie Anm. 15. - Hamburger rie (232-2 Testamentsbehörden, wie Anm. 4). Adressbuch von 1842. 6 Moritz’ enges Verhältnis zu seinem Bruder Benjamin 17 Johann Heinrich Meyer, geb. 6.1.1812 in Staven- Joseph dokumentiert die folgende Verfügung in Mo- hagen bei Güstrow, war um 1826 nach Hamburg ritz Wedeles’ Testament vom 4. August 1859: „Meinem übergesiedelt (332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, lieben Bruder Benjamin Joseph Wedeles, der so ge- B I a 1849 Nr. 1209). stellt ist, dass er kein Geld von mir braucht, hinterlas- 18 332-1 II Wedde II, wie Anm. 10. Der Scheidebrief se ich meine Liebe und Achtung sowie als Andenken vom 10.7.1839 ist in dieser Akte vorhanden. - meinen Fingerring und meine Brillant-Brustnadel“ 19 Senatskanzlei I, 33 C 76, Supplik von Heymann Ja- (232-3 Testamentsbehörden, H 2150, Testament von cob Cohen vom 15.11.1838, S. 3-4. Marianne Gans, Moritz Wedeles). Moritz Wedeles, geb. ca. 1815 in geb. 7.4.1811 in Hamburg, und Heymann Jacob Co- Wosek, Böhmen, wurde am 9.6.1858 in Mühlhau- hen waren am 17.8.1834 in Hamburg getraut wor- sen in üringen mit der Fabrikantentochter Johanna den (332-1 II Wedde II, 8 Bd. 33, Nr. 788). Marian- Oppé getraut. Sie starb am 21.12.1905 und hinter- ne Wedeles geb. Gans geschiedene Cohen war eine ließ drei in Hamburg geborene Kinder: Albert Mo- Tochter des Hamburger Kaufmanns Samuel Gans ritz Benjamin, geb. 20.2.1881, gest. 22.11.1936 in den und seiner Frau Jente Gans geb. von Halle. - Hey- Alsterdorfer Anstalten in Hamburg; Ellen Adelheid mann Jacob Cohen starb am 5.10.1847 in Hamburg Wedeles, geb. 26.10.1883, 1905 verheirat mit dem (232-2 Erbschaftsamt, E I 1032). - Seine Eheschei- Kaufmann Carl Rasch, geb. in Tokio; Franz Heinrich dung von Marianne geb. Gans war vor dem Alto- Hermann Wedeles, geb. 22.8.1892, gest. 20.4.1976 in naer Rabbinatsgericht am 20.7.1839 dadurch erfolgt, Hamburg, verheiratet mit Hertha Felicia Haberkorn, dass er ihr einen „nach mosaischem Ritual gesetzten geb. 5.4.1894 in Hamburg, gest. 1.4.1953 in London Scheidebrief übergab“. Die Gründe wurden nicht (Stammtafel Wedeles in der Hamburger Gesellschaft protokolliert (522-1 Jüdische Gemeinden, 121 Bd. für jüdische Genealogie e.V.). 18, S. 25. Mikrofi lm Sa 937). 7 Foto (gemeinfrei): https://de.wikipedia.org/wiki/ 20 131-1 I Senatskanzlei I, 33 W 290, Supplik von Ben- Jüdischer_Friedhof_(Osek_u_Radomyšle)#/media/ jamin Joseph Wedeles. Die Rechtschreibung wurde File:Jewish_cemetery_in_Osek_05.JPG den heutigen Regeln angepasst. 8 131-1 I Senatskanzlei I, 33 W 266, Supplik von Ben- 21 131-1 I Senatskanzlei I, wie Anm. 20. jamin Joseph Wedeles vom 4.2.1842. - Die Recht- 22 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, B I a 1849 Nr. schreibung wurde den heutigen Regeln angepasst. 348 9 131-1 I Senatskanzlei I, wie Anm. 8, Senatssitzung vom 23 131-1 I Senatskanzlei I, 33 W 506, Supplik vom 7. 2.1842. - Zum Komplex des Niederlassungsrechts 16.10.1850. Die Rechtschreibung wurde den heuti- der Juden in Hamburg siehe Jürgen Sielemann, Quellen gen Regeln angepasst. zur jüdischen Familiengeschichtsforschung im Staats- 24 242-1 Gefängnisverwaltung, C 11 Bd. 2, 1850 Nr. archiv Hamburg. Ein Wegweiser für die Spurensuche. 111. Hamburg 2016, S. 181. Im Internet abrufbar unter: 25 111-1 Senat, Cl. VIII Nr. X, 1850 Bd. 2, S. 446. http://hup.sub.uni-hamburg.de/volltexte/2015/155/ 26 522-1 Jüdische Gemeinden, 725 g, Sterberegister der pdf/HamburgUP_STAHH23_Sielemann.pdf Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg von 10 Anlässlich seiner bevorstehenden Heirat gab Wede- 1851, Nr. 184. - Meyers Tod wurde der Gemeinde les 1840 an, schon acht Jahre in Hamburg zu wohnen, von Benjamin Joseph Wedeles angezeigt. beim Erwerb des Hamburger Bürgerrechts sprach er 27 Dr. jur. Ferdinand Gobert (1821-1904). 1849 dagegen von einem 12jährigen Aufenthalt in 28 232-1 Vormundschaftsbehörde, Serie I 6081, Vor- der Stadt (332-1 II Wedde II, 11 Bd. 16, Nr. 591, mundschaftssache defuncti Johann Heinrich Meyer. Anzeige zur Erlangung eines Proklamationsscheins, 29 232-1 Vormundschaftsbehörde, wie Anm. 28, 1840; 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, B I a Schreiben vom 25.6.1858. 1849, Nr. 348). 30 232-1 Vormundschaftsbehörde, wie Anm. 28, 11 Modische Accessoires. Schreiben vom 3.3.1858. 12 522-1 Jüdische Gemeinden, 273 a Bd. 7, Vorstands- 31 522-1 Jüdische Gemeinden, 725 k, Sterberegister protokoll vom 8.2.1837. 1865, Nr. 169.

16 Liskor – Erinnern 32 522-1 Jüdische Gemeinden, 725 k, Sterberegister 51 Max Jakob Friedländer (1867-1958) 1865, Nr. 219. 52 Hamburger Nachrichten vom 13.11.1921. 33 232-1 Vormundschaftsbehörde, Serie II Nr. 768, 53 Svante Domizlaff , wie Anm. 1, S. 39-60. Vormundschaftssachen defuncti Benjamin Joseph 54 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, B VI 624, Ein- Wedeles. bürgerung von Siegfried Wedells. 34 232-1 Vormundschaftsbehörde, wie Anm. 33. 55 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, wie Anm. 54, 35 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, B VI Nr. 624, Bericht vom 22.1.1915. Einbürgerung von Siegfried Wedells. Die Taufe 56 Siegfried Wedells war seit seiner Scheidung 1913 wurde 1871 vollzogen. unverheiratet. 36 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, B VI Nr. 624, 57 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, wie Anm. 54, Einbürgerung von Siegfried Wedells, 1915. Bericht vom 23.1.1915. 37 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, B IV 402. Ge- 58 Barbara Leisner, Helmut Schoenfeld, Der Ohls- such um Entlassung aus dem Staatsverband für dorf-Führer. Hamburg 1993, S. 68-69. Siegfried Wedeles. 59 Svante Domizlaff , wie Anm. 1, S. 41. 38 332-8 Meldewesen, A 30, Mikrofi lm K 7137, Ein- 60 Hamburger Fremdenblatt vom 11.1.1922. wohnermelderegister 1892-1925, Siegfried Wedeles. 61 Hamburger Echo vom 17.1.1922. 39 231-3 Handelsregister, A 6 Bd. 60, Firmenregister 62 Hamburger Nachrichten vom 18.9.1923. 1875 Nr. 14679. - Leopold Wedeles, um 1847 in 63 Claus Gossler, wie Anm. 1, S. 364. Wosek geboren, war schon als 12-jähriger Schüler 64 Hamburger Anzeiger vom 30.1.1935. Artikel „Kul- bei seinem Adoptivvater Benjamin Joseph Wedeles turappell im Haus Wedell [sic]“. gemeldet (332-8 Meldewesen, A 24, Bd. 25, Reise- 65 131-4 Senatskanzlei - Präsidialabteilung, 1935 A passprotokoll 1859, Nr. 1509). 21/13. 40 332-8 Meldewesen, wie Anm. 38, Leopold Wedeles. 66 BILD Hamburg (Hrsg.), Der Hamburger Silber- - 231-3 Handelsregister, wie Anm. 34. schatz. Auf der Spur von fünf Jahrhunderten. Ham- 41 231-3 Handelsregister, A 13 Bd. 3, Gesellschafts- burg 1997, S. 161 und 176. Der Name Siegfried register, S. 157, Nr. 17612. Wedells wurde 1997 auf dem Tafelaufsatz wieder 42 Rosa Wedeles, geb. 24.9.1859 in Hamburg, war eine eingraviert. Tochter von Benjamin Joseph Wedeles’ Bruder Mo- 67 131-1 II Senatskanzlei II, 3279, Beschlagnahme und ritz. Ihre Trauung fand am 22.5.1880 in Hamburg Nutzung des Haus Wedells durch die Besatzungs- statt. Der Ehe entstammten zwei Kinder: Albert macht. Moritz, geb. 20.2.1881, und Ellen Adelheid, geb. 68 Svante Domizlaff , wie Anm. 1, S. 58. 26.10.1883 (332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, 69 231-7 Amtsgericht Hamburg - Handels- und Ge- B III 24585, Aufnahme von Heinrich Wedeles in nossenschaftsregister, B 1995-214, Wedells & Co. den hamburgischen Staatsverband, 1886). 70 Stammtafel Wedeles in der Hamburger Gesellschaft 43 331-3 Politische Polizei, 2547. für jüdische Genealogie e.V. 44 Das Buch der alten Firmen der Freien und Hanse- 71 Svante Domizlaff , wie Anm. 1, S. 42. stadt Hamburg. Leipzig (um) 1930, Teil III, S. 25. Der Artikel enthält die irrige Information, Benjamin Joseph Wedeles habe die Firma schon 1833 gegrün- det. 45 231-3 Handelsregister, A 21 Bd. 9, Warenzeichen- register 9, Nr. 1869. Die Rechtschreibung wurde den heutigen Regeln angepasst. 46 331-3 Politische Polizei, 3368. 47 111-1 Senat, 2936 q, Namensänderung von Siegfried Wedeles. 48 332-5 Standesämter, 8546, Heiratsregister des Stan- desamts 3 von 1890, Nr. 73. - Ella Elisabeth Direng, geb. 20.8.1868 in Hamburg als Tochter von Her- mann Friedrich Direng und erese Elise Augus- te Direng geb. Müncke, war wie Siegfried Wedells evangelisch-lutherischer Religion. 49 311-2 IV Finanzdeputation IV, VuO II B 6 Bx XI. 50 Wilhelm von Bode (1848-1929).

4. Jahrgang, Nr. 013 17 Biographische Skizzen Hamburger Portugiesen

M   S -H Biographische Skizzen Hamburger Portugiesen Teil 4/1: Rahel de Castro oder das lange Warten auf die Zivilehe

1 Warten auf die Zivilehe (sogenannte Mischehen), durch das Gesetz Bis zur Einführung der Zivilehe in der zweiten über die Eheschließung nach preußischem Vor- Hälfte des 19. Jahrhunderts boten weder die bild geregelt. kirchlichen noch die rabbinischen gesetzlichen Die Lage in Hamburg stellt sich anders Bestimmungen die Möglichkeit, interreligiöse dar, als in Folge der Februarrevolution und der Ehen zu schließen. Somit blieb die Konversion juristischen Gleichstellungsbeschlüsse der eines (meist jüdischen) Part- Frankfurter Nationalver- ners die einzige Vorausset- sammlung Juden in der Frei- zung einer Eheschließung en Hansestadt Hamburg im zwischen Personen christli- Februar 1849 rechtliche cher und jüdischer Her- Gleichstellung erlangen, das kunft.1 Mit der Einführung Bürgerrecht erwerben und einer zivilen Eheschließung eine interreligiöse Ehe ein- (nach dem Vorbild des napo- gehen dürfen, die aber an leonischen Code Civil und das Bürgerrecht gebunden ohne kirchliche Sanktionen war. Jüdische Frauen verlie- für Angehörige verschiede- ren durch die Heirat mit ei- ner Bekenntnisse) sehen die nem nichtjüdischen Partner jüdischen und nichtjüdi- ihre Gemeindezugehörig- schen Vordenker der Zeit keit, jüdische Männer wer- die Wahrung der Menschen- den aus dem orthodoxen würde, ein neues, befreites Synagogenverband ausge- Partnerschaftsverständnis schlossen, nicht jedoch aus (Liebesheirat) und die Ent- dem Tempelverband oder scheidungsfreiheit des ein- der Neuen Dammtor-Syna- zelnen und seiner religiösen goge.3 Integrität gewährleistet, das Im Oktober 1851 wird keiner staatlichen oder reli- Institut für die Geschichte eine ergänzende Bestim- giösen Bevormundung be- der deutschen Juden (Sammlung mung, die Provisorische Ver- durfte. ‹Eine rein civile Ehe Michael Halévy) ordnung die Ehen zwischen vor dem Gericht› wurde so Christen und Juden betreff end, zu einem ‹Akt der geselligen Ueber einkunft›.2 ver abschiedet. Die eff ektive Einführung der In Folge der 1848er Revolution kommt Zivilehe fi ndet aber erst Mitte der 1860er Jahre es vorübergehend in einigen Ländern des statt.4 Kinder aus diesen interreligiösen Ehen deutschen Bundes, zum Beispiel Braunschweig, jedoch werden selten Mitglieder einer jüdi- zur Duldung der Zivilehe und zur Aufhebung schen Gemeinde. Zwischen 1848 und 1862 fi n- des ‹Verbots› der Ehe zwischen Juden und den in Braunschweig 19 interreligiöse Heiraten Christen. Aber erst als 1875 im Deutschen statt, kein Mitglied optierte für die jüdische Reich im Zuge des Kulturkampfes die Zivilehe Religion.5 eingeführt wird, werden interreligiöse Ehen

18 Liskor – Erinnern 2 Die Zivilehe im Konversionsroman risch-literarischen Würdigung bedarf, ist der Das ema der Zivilehe wird in den ero- romanhafte Text ‹Juden und Christen oder die Ci- tisch-exotischen Bekehrungs- und Konversi- vilehe. Eine Geschichte aus Hamburg›, in dessen onsromanen bzw. in den (häufi g fi ktiven) Kon- Mittelpunkt ein jüdisch-christliches Paar steht, vertitenbiographien jüdischer und christlicher dessen Liebesgeschichte mit weiteren Liebes- Autoren der Zeit lebhaft diskutiert und in eine geschichten verfl ochten ist, die uns teils be- zwischenfamiliäre Handlung umgesetzt, so zum kannte, teils unbekannte, heute kaum mehr re- Beispiel in den vielgelesenen Romanen ‹Wally, konstruierbare zeitgeschichtliche Aspekte des die Zweifl erin› (Mannheim 1836) von Karl Zusammenlebens von Juden und Christen in Gutzkow (1811-1878); ‹Die Abenteuer des der Hansestadt Hamburg und im benachbarten Prinzen Louis Ferdinand. Ein Zeitbild› (Bres- Altona schildern.7 Diesen Roman, den der Li- lau 1849) und ‹Jenny› (Breslau 1843), beide von teraturhistoriker Florian Knobb unzutreff end Fanny Lewald (1811-1889); ‹Spinoza. Ein einen ‹konfus konstruierten Roman› nennt, ‹der Denkerleben› von Bertold Auerbach (Stuttgart heute kaum mehr rekonstruierbar› ist, muss dem 1837); ‹Judith Trachtenberg› (Breslau 1891) Leser damals, so Knobb, als politische Kampf- von Karl Emil Franzos (1848-1904) oder in schrift oder Problemexposition in Romanform dem zweibändigen Roman ‹Die Perle von Zion› erschienen sein.8 (Leipzig 1839) des getauften Juden Franz eodor Wangenheim (1805-1848), der die Forderung nach einer Zivilehe in die Schilde- rung eines Generations- und Gesellschaftkon- fl iktes einbindet.6 Ein weiterer wichtiger literarischer Text, der noch immer einer eingehenden histo-

Fanny Lewald (1811 Königsberg – 1889 Dresden) Portugiesensynagoge Neve Salom in Altona wikimedia commons Sammlung Michael Halévy

4. Jahrgang, Nr. 013 19 Biographische Skizzen Hamburger Portugiesen

3 Juden und Christen oder die Civilehe. Eine Geschichte aus Hamburg Das Titelblatt dieses zweibändigen Werkes, das 1852 in Leipzig erschien, nur noch in wenigen Exemplaren überliefert ist und mit wenigen Ausnahmen von der Literaturkritik vernachläs- sigt wurde, nennt als Verfasserin eine Elisa Ba- ronin von ... Das Pseudonym lässt sich bis heute nicht aufl ösen. In einem Exemplar der Göttin- ger Universitätsbibliothek wurde – wohl in der NS-Zeit - mit Bleistift „Baronin“ durchgestri- chen und handschriftlich „Jüdin“ darüber ge- kritzelt.9 Der Roman ist eine Familiengeschichte der in Hamburg und Altona seit dem Ende des 16. Jahrhunderts ansässigen sefardischen (por- tugiesischen) Familie Namias de Castro, deren Geschichte in einer längeren Anmerkung im zweiten Band der Civilehe von dem Kaufmann und Tabakfabrikanten Abraham de Castro er- zählt wird (S. 41-43). Die Familiengeschichte beginnt mit der Niederlassung ihres berühm- Abraham (Namias) de Castro (1751 – 1818) testen Vorfahren Dr. Rodrigo (David) Namias Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg de Castro, der sich Ende des 16. Jahrhunderts in Hamburg niederlässt, sich als Gynäkologe und Christen. Dokumente›).12 In den Roman und Pestarzt einen weit über Hamburg hinaus führt die Autorin ihn als Dr. Falk ein, der zu- bekannten Namen macht und 1627 in Ham- sammen mit seiner Frau auf einer Durchreise burg stirbt.10 nach Königsberg den Salon der Familie de Die anonyme Autorin ist wohl vertraut Castro aufsucht und den anderen Gästen von nicht nur mit der populären Konversionslitera- ihrer Heirat im englischen Hull berichtet: tur, sondern auch mit den jüdisch-christlichen Verhältnissen in Hamburg und Altona. Sie Dr. Falk nämlich aus Königsberg, der für den Au- kennt die 1843 in Schwerin veröff entlichte genblick in Hamburg eine hervorragende Persön- Schrift ‹Ueber die Autonomie der Rabbinen lichkeit war, denn er hatte eine Christin gehei- und das Prinzip der jüdischen Ehe. Ein Beitrag rathet, ohne sich taufen zu lassen, und zwar gegen zur Verständigung über einige das Judenthum den Willen der Regierung. Im nahen Altona wa- betreff ende Zeitfragen› des Schweriner Predi- ren die Aktenstücke über seine Verhandlungen mit gers Samuel Holdheim (1806-1860), für den die der Preußischen Regierung veröff entlicht worden, Eheschließung ein Zivilakt ist,11 ebenso wie die und daher schon seine Verhältnisse der Familie de kurz zuvor veröff entlichten Schriften des ge- Castro bekannt (Bd. 1, S. 94). tauften Königsberger antiklerikalen Mediziners und Politikers Ferdinand Falkson (1820-1900), Inspiriert von dem Schicksal des Ehepaares der in eine Reihe von Auseinandersetzungen Falkson machen im Roman auch Richard de um interreligiöse Ehe und Liberalismus ver- Castro und die Französin Marie de la Creuse, strickt war (‹Gemischte Ehen zwischen Juden eine intime Freundin der Rahel de Castro, eine

20 Liskor – Erinnern Karl Gutzkow (1811 Berlin – 1878 Frankfurt- Gabriel Riesser (1806 Hamburg – 1863 Hamburg) Sachsenhausen) wikimedia commons wikimedia commons

Reise nach Hull, um sich dort trauen zu lassen. Die Autorin ist auch gut vertraut mit den inter- Diese Heirat aber wird vom Hamburger Senat religiösen Verlöbnissen und Eheschließungen, nicht anerkannt (Bd. 2. S. 164-165). bei denen in der Regel der jüdische Partner Ein gern gesehener Gast auf den Soiréen zum Christentum konvertiert. Sie ist befreun- ist auch der (getaufte) Jude, Jurist und Präses det mit dem jüdischen Arzt und Schriftsteller des Handelsgerichts Dr. Adolph Halle, der mit David Assur (1787-1842), der sich 1816 mit erese, einer Tochter des Bankiers Salomon Rosa Maria von Varnhagen, Schwester des Di- Heine, verheiratet und mit Heinrich Heine aufs plomaten Karl August Varnhagen von Ense Ärgste verfeindet war. Dieser Dr. H. – so die (1785-1858) und Ehemann der getauften Jüdin Autorin – war die Ursache, und Salonière Rahel Levin (1771-1833), Brief- freundin der Rahel de Castro, verlobt. Er lässt dass die reichen Juden in Hamburg ihre Kinder sich am 19. Februar 1816 (widerwillig) in der taufen und Jurisprudenz studieren lassen [...] Ne- Katharinenkirche taufen, leistet am 29. März ben ihm sitzt der Notar Dr. R. [Gabriel Riesser], 1816 als David Assur Assing den Bürgereid ein treffl iches Mitglied jeder Gesellschaft [...] ein und heiratet im Mai 1816. Später ziehen die Mann, an dessen Charakter nicht das geringste Assings in die Poolstraße ganz in der Nähe des und schwächste Fleckchen haftete und der allen 1844 eingeweihten Reformtempels, wo sie in Leuten als der beste und liebenswürdigste Mensch einem ‹kleinen dunklen, von Bäumen beschat- bekannt ist. Er hat in günstiger Zeit die jüdische teten Hause in einem Gärtchen, wo sich be- Emanzipationsfrage mit Geschick und Frei- quem nicht zwanzig Schritte tun ließen›,13 zu müthigkeit behandelt (Bd. 1, S. 128-129). rege frequentierten literarischen Soirées

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einladen, zu deren Teilnehmern neben Vertre- durchsetzte.25 Eine Generation später steht die tern der jüdischen Emanzipation wie Rahel de juristische, gesellschaftliche und religionsge- Castro die Schriftsteller Heinrich Heine, Salo- setzliche Diskussion um die Zivilehe im Mit- mon Ludwig Steinheim, Ludwig Zunz und telpunkt. Gabriel Riesser auch die Autoren des Jungen Im Zentrum dieser ‹nicht authentifi zier- Deutschland wie Gustav Schwab, Friedrich de baren interreligiösen Liebesgeschichten› (Eva la Motte-Fouqué, eodor Mundt, Friedrich Lezzi)26 steht der literarische Salon des Ehe- Hebbel, Heinrich Heine, Ludolf Wienbarg so- paares Rahel27 und Abraham de Castro, eine wie Gabriel Riesser gehören. Und es sind diese wohlhabende und gebildete jüdische Familie, Gäste, die auch in den literarischen Salons oder deren drei Kinder alle eine Liebesbeziehung Teegesellschaften bei den Familien de Castro, mit einem Christen bzw. einer Christin haben. Zunz, Steinheim, Gutzkow und Heine-Emb- Ihre (realen und unverheirateten) Kinder Jacob, den14 verkehren.15 Emanuel,28 David, Benjamin29 und Rahel de Eine Generation zuvor las man in den li- Castro spielen in der ersten Hälfte des 19. Jahr- teratur- und theaterbegeisterten jüdisch-christ- hunderts in dem literarischen Salon ihres Va- lichen Salons der Familien Ester Mendel,16 Eli- ters eine wichtige Rolle, denn se Reimarus,17 Pedro Gabe de Massarellos,18 Benjamin Mussaphia Fidalgo19 oder Moses ‹die Soireen des Herrn de Castro standen in dem Wessely die Werke von Moses Mendelssohn, Renommee, daß man hier Alles antreff e, was sich der von den portugiesischen Juden verehrt wur- in der Kunst und in der Literatur einen Namen de und dessen Subskribenten von der jüdischen erworben hatte [...] es galt sogar für eine Aus- Orthodoxie als “Mameluk”20 beschimpft und zeichnung, hier eingeladen zu werden› (Bd. 1, S. mit Proklamationen in der Synagoge und ihrem 91-92). Teufelbannerstil Bann bedroht wurden.21 Man förderte und subskribierte die Werke von Gott- Abraham de Castro muss einen guten Ruf als hold Ephraim Lessing und Friedrich wohlhabender Mäzen gehabt haben, denn der Klopstock,22 diskutierte Christian Konrad Wil- mit der (realen) Rahel de Castro und ihrem helm von Dohms Schrift ‹Über die bürgerliche Bruder David de Castro30 befreundete Religi- Verbesserung der Juden› (1781),23 bekannte sich onsphilosoph Leopold Zunz versucht (leider zu den Idealen der Französischen Revolution, erfolglos) ihn zum Ankauf der bedeutenden Bi- verurteilte die antisemitischen Schriften eines bliothek des Prager Oberrabbiners David Op- Voltaire24 und verlangte die Absetzung des ul- penheimer (1664-1736) zu bewegen, die sich in traorthodoxen Oberrabbiners der Drei-Ge- Hamburg befand und aufgrund von Erbstrei- meinde Altona-Hamburg-Wandsbek Raphael tigkeiten seit 1827 zum Kauf angeboten wurde. Cohen (1722-1803), den man als ‹Papst und 1829 erwarb schließlich die Bodleian Library Großinquisitor› verspottete und schließlich sei- Oxford die Bibliothek.31 nen Rücktritt beim dänischen König Fortsetzung folgt

1 Eva Lezzi, ‹Liebe ist meine Religion›. Eros und Ehe 4 Kerstin Meiring, Die Christlich-Jüdische Mischehe in zwischen Juden und Christen in der Literatur des 19. Deutschland, 1840-1933, Hamburg 1998, 70-79; Lez- Jahrhunderts, München 2013. zi, Liebe, S. 193-194. 2 Gutzkow, Wally, die Zweifl erin, 214. 5 Alan T. Levenson, Jewish reactions to intermarriage 3 Beate Meyer, Mischehen / ‹Mischlinge›, in: Das Jüdi- in nineteenth century Germany, PhD, e Ohio State sche Hamburg, Göttingen 2005, S. 192-193. University 1990, S. 18.

22 Liskor – Erinnern 6 Wangenheim lebte vermutlich seit 1838 in Hamburg idem, Embden, Charlotte, in: Hamburgische Biografi e und starb 1848 in ärmlichen Verhältnissen in Altona 4, Göttingen 2008, S. 93–94. an der Cholera. 15 Siehe auch Nikolaus Gatter, ‹Rosa Maria Assing 7 Elisa Baronin von ..., Juden und Christen oder die Ci- (1783-1840)›, in: Irina Hundt (Hg.), Vom Salon zur vilehe. Eine Geschichte aus Hamburg, Leipzig 1852, 2 Barrikade. Frauen der Heinezeit, Stuttgart-Weimar Bde. Siehe auch Lezzi, Liebe, 191ff . 2002, S. 91-110; Jutta Dick, ‹Freundinnen. Rahel de 8 Florian Krobb, Die schöne Jüdin: Jüdische Frauenge- Castro, Ludmilla Assing, Ottilie Assing›, in: Menora stalten in der deutschsprachigen Erzählliteratur vom 1997, S. 181-198; eadem, Aus den Briefen von Rahel 17. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg, Tübingen de Castro an Ludmilla Assing, in: Querelles 3, 1998, 1993, S. 88. S. 281-290; eadem, ‹Emanzipiert aber keine Frauen- 9 Krobb, Die schöne Jüdin, S. 88, Anm. 5. rechtlerin!“ Ottilie Assing, ein engagiertes Leben zwi- 10 Elisa Baronin von ..., Juden und Christen oder die Ci- schen Europa uns Amerika›, in: Elke-Vera Kotowski vilehe. Eine Geschichte aus Hamburg, Leipzig 1852, (Hg.), Salondamen und Frauenzimmer. Selbstemanzi- Bd. 2, S. 4-5, Anmerkung. Siehe auch Michael Stude- pation deutsch-jüdischer Frauen in zwei Jahrhunder- mund-Halévy, Biographisches Lexikon der Hambur- ten, Berlin 2016, S. 8-52. ger Sefarden, Hamburg 2000. 16 Die mit Klopstock befreundete Esther Mendel, geb. 11 Siehe dazu David Ellenson, ‹Samuel Holdheim on Gottschalk, lebte seit 1789 in Hamburg und galt zu the Legal Character of Jewish Marriage: A Contem- ihrer Zeit als die gebildetste Jüdin Hamburgs. Ihr porary Comment on His Position›, in: Walter Jacob Sohn David Mendel (1789-1850) wurde am 25. Fe- und Moshe Zemer (Hg.), Marriage and its Obstac- bruar 1806 protestantisch getauft und nahm den Na- le in Jewish Law, Tel Aviv-Pittsburgh 1999, S. 1-26; men Johann August Wilhelm Neander an. Alan T. Levenson, Jewish reactions to intermarriage 17 Almut Spalding, Elise Reimarus (1735-1805). e in nineteenth century Germany, PhD, e Ohio State Muse of Hamburg: A woman of the German Enligh- University 1990. tenment, Würzburg 2005. 12 Ferdinand Falkson (Hg.), Gemischte Ehen zwischen 18 ‹… er machte hier [Hamburg] ein Haus, in welchem Juden und Christen. Dokumente, Altona 1845; idem, die geistvollsten und interessantesten Verbindungen Gemischte Ehen zwischen Juden und Christen. Do- unterhalten wurden (Anton Quitzmann, Der Prozess kumente, Hamburg 1847. Der im Roman ‹Civilehe› der Familie Gabe in Hamburg, Bremen 1851). Pedro als Dr. Falk auftritt, wurde 1842 zum Dr. med. pro- Gabe de Massarellos (1778-1831), Sohn des Senators moviert. Er liess sich 1845 taufen. Und da ihm die Johann Gabe, königlich-portugiesischer Generals- Heiratserlaubnis verweigert wurde, begab er sich nach konsul bei den Hansestädten, war der Verfasser einer England und heiratete dort im Jahre 1846. Bei seiner ‹Pequena Chrestomathia portugueza. Petit recueil Rückkehr nach Königsberg wurde ihm der Prozess ge- d’extraits en prose et en vers de quelques auteurs mo- macht, der sich über drei Jahre hinzog und von ihm dernes portugais, placés dans l’ordre d’une diffi culté 1849 gewonnen wurde. Sein Kampf um die Aner- progessive›, Hamburg 1809. Neben einer deutschen kennung von interreligiösen Ehen erregte im König- Grammatik für ein deutsches Publikum übersetzte er reich großes publizistisches Aufsehen. Zu Falkson den ersten Gesang der Lusiaden des Camões ins Deut- siehe auch Der Israelit des Neunzehnjahrhunderts 9,2 sche. 1809 erschien in der von seinem Verleger F. H. (09.01.1848), S. 14 und Der Jude in Deutschlands Ge- Nestler herausgegebenen Zeitschrift ‹Gemeinnützige genwart 1, 2 (13. 01. 1846), S. 14-15; Alan T. Leven- Unterhaltungsblätter› ein Kupferstich von Leo Loe- son, Jewish reactions to intermarriage in nineteenth ser Wolf (1775-1840) mit der Ansicht des Gabe‘schen century Germany, PhD, e Ohio State University Gartens nach der Elbseite. Pedro Gabe de Massarellos 1990, S. 60ff . starb am 12. Juni 1831 in Paris. Die Familie Gabe un- 13 Karl Gutzkow, Rückblicke auf mein Leben, Berlin terhielt aber nicht nur gute Beziehungen zu den Ham- 1875, S. 177. burger ‹Portugiesen›, sondern auch zu den deutschen 14 Charlotte Embden (Düsseldorf 1800 – Hamburg Juden. Sein Sohn Dr. Johann Carlo Anton Gabe, Jurist 1899), Schwester von Heinrich Heine und Ehefrau in Hamburg, war mit Bertha Oppenheimer, der Toch- des Kaufmanns Moritz Embden. Ihr Salon wurde ter von Heines Cousine Friederike Oppenheimer, geb. zu einem Treff punkt des literarischen, künstlerischen Heine, verheiratet. Er diente 1837 angeblich Heinrich und musikalischen Hamburg. Der Schriftsteller Karl Heine bei einem Ehrenduell in Paris als Sekundant. Gutzkow gehörte zu den regelmäßigen Gästen, siehe Pedros Sohn Ludwig alias Ludovicus Petrus Gabe de auch Dirk Brietzke, Embden, Charlotte, in: Kirsten Massarellos heiratete 1850 die kurz zuvor in der Mi- Heinsohn (Hrsg.), Das jüdische Hamburg: ein histo- chaelis-Kirche getaufte zwanzigjährige Amalia Sophia, risches Nachschlagewerk, Göttingen 2006, S. 65-68; Tochter des jüdischen Kaufmanns Gustavus Gumpel

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und der später zum Christentum konvertierten Julie zwischen Juden und Christen in der Literatur des 19. Jacques. Mit dieser Eheschließung wurde die Enkelin Jahrhunderts, München 2013, S. 192f. Lazarus Gumpels mit der Enkelin Salomon Heines 27 Rahel de Castro, gest. 06.11.1848, war die Tochter verschwägert, siehe auch Michael Studemund-Halévy, von Jacob Mussaphia Fidalgo, Mitbegründer der Al- Johann und Pedro Gabe, in: Franklin Kopitzsch und tonaer Portugiesengemeinde Neve Salom und Ver- Dirk Brietzke (Hg.), Hamburgische Biografi e, Göttin- fasser einer (hebräischen) Festschrift zum 50jährigen gen 2008, Bd. 4, S. 108-110. Bestehen der Altonaer Portugiesensynagoge (Altona 19 Michael Studemund-Halévy, ‹A Treasured Trove. 1821). Sein Sohn Benjamin Mussaphia Fidalgo sen. Sefardic Manuscripts and Books from Altona and (1711-1801) und sein Neff e Binjamin Mussaphia Fi- Hamburg›, in: Claude B. Stuczynski und Bruno Feit- dalgo jr. (1784-1856) waren wie die de Castros kennt- ler (Hg.), Portuguese Jews, New Christians, and ‘New nisreiche Büchersammler, deren Bibliothek später von Jews’. A Tribute to Roberto Bachmann, Leiden-Bos- der Hamburger Stadtbibliothek erworben wurden. ton 2018, S. 399-438. Siehe Michael Studemund-Halévy, ‹A Treasured Tro- 20 So schreibt Elise Reimarus in einem Brief an August ve. Sefardic Manuscripts and Books from Altona and Hennings vom 2. 10. 1779: ‹Denn die Portugiesen Hamburg›, in: Claude B. Stuczynski und Bruno Feit- lesen die hebräischen Lettern nicht mehr, und die ler (Hg.), Portuguese Jews, New Christians, and ‘New Deutschen lesen ihn nicht. Es ist ein Mameluk!›, apud Jews’. A Tribute to Roberto Bachmann, Leiden-Bos- Almut Spalding, Elise Reimarus (1735-1805). e ton 2018, S. 399-438. Muse of Hamburg: A woman of the German Enligh- 28 Der unverheiratete Emanuel de Castro (1803-1878), tenment, Würzburg 2005, S. 270, Anm. 38. der von 1830 bis 1839 im Altonaischen Adreßbuch 21 August Friedrich Cranz, Ueber den Missbrauch der unter dem Eintrag ‹Fabrik von Bettzeug mit privi- geistlichen Macht oder weltlichen Herrschaft in Glau- leg. zollfreier Einfuhr in die Herzogthümer› geführt benssachen durch Beyspiele aus dem jetzigen Jahrhun- wurde, war Vorstand der Portugiesengemeinde Altona dert ins Licht gesetzt, Berlin 1781. (Gaby Zürn, Die Altonaer Jüdische Gemeinde (1611- 22 Der literaturbegeisterte Moses Wessely, Mitglied der 1873). Ritus und soziale Institutionen des Todes im Gesellschaft der eaterfreude, lieh dem von ihm ver- Wandel, Hamburg 2011, S. 75) und lebte spätestens ehrten Lessing 300 Taler für die Drucklegung von ab 1864 in Schmalkalden. Er starb wie alle seine Ge- ‹Nathan der Weise› und zwischen 1772 und 1773 ver- schwister ledig im Alter von 75 Jahren, siehe auch öff entlichte er in dem Altonaischen Reichspostreuter Dagmar Günther et al. (Hg.), Der jüdische Friedhof Briefe über Lessings ‹Emilia Galotti›. Schmalkalden. Dokumentation, Erfurt-Schmalkalden 23 Moses Wessely, ‹Über die bürgerliche Verbesserung 1995-1997, Nr. 053. der Juden›, in: Altonaer Merkur, 1782, Nachdruck in 29 Benjamin de Castro verteidigte Salomon Ludwig Moses Wessely, Nachgelassene Schriften, Berlin 1798, Stein heim in seinem Kampf für die holsteinische S. 145-178; Benjamin Mussaphia Fidalgo, Fragments Emanzipation (Itzehoer Wochenblatt, Nr. 5, 1839). des Essais du Vieillard du Mont Libanon, Kiel 1784. Steinheim widmete den vierten Band seiner ‹Off enba- Siehe auch Franklin Kopitzsch, Grundzüge einer So- rung› dem ‹Andenken seines zu früh hingeschiedenen, zialgeschichte der Aufklärung in Hamburg und Alto- innigst einverstandenen Freundes, des wahren Gottes- na, Hamburg 21990. verehrers Benjamin de Castro). 24 Benjamin Mussaphia Fidalgo, Essays du Vieillard 30 Das Leopold Zunz Archiv der National Library Israel du Mont Libanon pour servir d’Examen à certaines bewahrt acht Briefe von David de Castro an Leopold assertions du livre Du Vieillard du Mont Caucase. Zunz auf und je einen Brief von Rahel de Castro an Sisciute Justitiuam ... Aeneid. Lib. VI. Premier Essay, Adelheid Zunz (19.02.1861, ARC 4 792/G5-8.211a) Altona 1782. Siehe dazu Michael Studemund-Halévy, sowie einen Brief von Leopold Zunz an Rahel de ‹A Treasured Trove. Sefardic Manuscripts and Books Castro (12.01.1853, ARC 4 792/C17-24) und einen from Altona and Hamburg›, in: Claude B. Stuczynski an Benjamin de Castro (ARC 4 792/G10). und Bruno Feitler (Hg.), Portuguese Jews, New Chris- 31 Brief von David de Castro an Leopold Zunz, 26. 9. tians, and ‘New Jews’. A Tribute to Roberto Bach- 1828, 4 S., Leopold Zunz Archiv, National Library mann, Leiden-Boston 2018, S. 399-438. Israel, ARC 4° 792/G10-116.2, Mappe G10. Siehe 25 August Friedrich Cranz, Ueber den Missbrauch der hierzu Jutta Dick, ‹Die Portugiesische Krankheit. Die geistlichen Macht oder weltlichen Herrschaft in Glau- de Castros in Altona›, in: Harm de Boer et al. (Hg.), benssachen durch Beyspiele aus dem jetzigen Jahrhun- Caminos de leche y miel. Jubilee Volume in Honor of dert ins Licht gesetzt, Berlin 1781. Michael Studemund-Halévy, Barcelona 2018, Bd. 1, S. 26 Eva Lezzi, ‹Liebe ist meine Religion›. Eros und Ehe 228-259 [hier: S. 241, Anm. 27].

24 Liskor – Erinnern S S   Der Pianist und die schwedische Nachtigall Otto Goldschmidt und Jenny Lind

Als Hamburg unter französischer Herrschaft Johanna Schwabe (1806 – 1884) heiratete stand, zogen Otto Goldschmidts Großeltern am 9. September 1827 den Kaufmann Moritz mütterlicherseits 1812 von Bremerlehe aus David Goldschmidt (1794 – 1881), der ebenfalls nach Hamburg – wohl infolge der entfallenen aus einer liberalen Familie stammte. Seine Vor- Zulassungsbeschränkungen für Juden, wie ein fahren waren im 17. Jahrhundert aus Emden Nachkomme vermutet.1 Sie wohnten dort, wo über Oldenburg nach Altona und später nach die meisten ihrer Glaubensgenossen lebten, in Hamburg gekommen. Dieser Zweig der Gold- der Neustadt nahe dem Großneumarkt am schmidts nannte sich Goldschmidt-Oldenburg, Millernsteinweg2. während die Goldschmidts, die direkt aus Em- Ottos Mutter Johanna Schwabe wurde den nach Hamburg zogen, sich zunächst nur im Dezember 1806 in Bremerlehe geboren.3 Levi oder Goldschmidt-Levi nannten.8 Ihr Vater Marcus Hertz Schwabe (1766 – 1862) Moritz’ Vater hieß David Abraham war ein gebildeter Mann, der auch Französisch Goldschmidt, ein Enkel von Meier Abraham sprach. Dies lassen zwei Deklarationen der Goldschmidt in Oldenburg (1703 – ?). Der On- Handelsfi rma M.H. Schwabe und Co. von kel von David Abraham Goldschmidt war in 1812 und 1813 erkennen. Dabei ging es um dritter Ehe mit der Schwester von Salomon Einfuhren und Lieferungen von Getränken Heines Mutter Marthe geb. Popert verheiratet. und Lebensmitteln für die französische Mari- Moritz David Goldschmidt hinterlegte ne.4 Später sagte man, ihm habe „der ganze am 1.1.1849 beim Handelsgericht folgendes Grindel“ gehört, das Gebiet vor dem Dammtor Zirkular: „Ich erlaube mir, Ihnen die Anzeige zu in der Vorstadt Hamburgs.5 Einer seiner Söhne machen, dass ich mein Geschäft in deutschen & besaß zwei Häuser in der Neuen Rabenstraße, Schweizer Manufactur-Waaren vom heutigen die Häuser Nr. 27 und 28. Marcus Hertz Tag an unter der Firma ,Moritz D. Gold- Schwabe wurde gestattet, ein Haus in der Neu- schmidt‘ für meine alleinige Rechnung fortset- stadt zu kaufen, was Juden seinerzeit grund- zen werde. Ich ersuche Sie, mir das Vertrauen zu sätzlich untersagt war. Als Hirsch Berend Op- erhalten, mit welchem Sie mich in meinem bis- penheimer 1830 ein Haus erwerben wollte, gab herigen Verhältnissen beehrt hatten und bitte er den Besitz von Schwabe hierfür als Präjudiz von meiner Handzeichnung gefälligst Bemer- an. Doch sein Antrag wurde abgelehnt.6 Die kung zu nehmen.“9 Die Firma befand sich am Franzosen waren bei der Vergabe von Grund- Neuen Wall 63. Die Familie wohnte am Plan besitz großzügiger gewesen. Seinen Kindern 10. Zuvor war er also bereits als Kaufmann in ließ Marcus Hertz Schwabe eine gute Bildung einer anderen Firma mit ähnlichen Artikeln tä- zukommen, auch den Töchtern. Johanna war tig gewesen. 1855 setzte er seinen Bruder Selig musisch begabt, was ebenfalls gefördert wurde. David Goldschmidt als Prokuristen ein.10 Ihre Eltern zählten zu den liberalen Juden und Johanna Goldschmidt wurde bekannter gehörten 1817 zu den Gründungsmitgliedern als ihr Ehemann, denn sie schrieb einen des Tempelvereins.7 Ihre sieben Kinder trugen Roman, setzte sich für verschiedene soziale christliche Vornamen; zumindest wurden diese Belange als Reformerin ein und freundete im täglichen Umgang benutzt, auch wenn man sich mit engagierten christlichen Frauen an.11 von jüdischen Vornamen ausgehen kann. Ihr Briefroman erschien 1847 unter dem Titel:

4. Jahrgang, Nr. 013 25 Der Pianist und die schwedische Nachtigall

„Rebekka und Amalia“.12 Darin geht es um die Lebensfragen einer Jüdin und einer christlichen Adeligen. Johanna war von der Idee der von Friedrich Fröbel begründeten Kindergärten begeistert und versuchte, diese Idee auch in Hamburg umzusetzen.13 Als Fröbel früh verstarb, holte sie seine Witwe nach St. Georg, und später, als das Heinesche Wohnstift am Jungfernstieg 1866 eröff net wurde, konnte auf ihre und ihrer Freundinnen Empfehlung hin Frau Fröbel dort einziehen.14 Die Goldschmidts bekamen drei Töchter und fünf Söhne. Der Zweitgebo- rene war Otto, geboren am 21. August Jenny Lind 1829. Foto: Staatsarchiv Hamburg, 215-Li 154

stattgefunden haben, als Otto Goldschmidt Otto Goldschmidt Abgeordneter einer Protestversammlung war. Im Unterschied zu seinen Geschwistern wurde Es ging um Freikarten für einen Auftritt Jennys Otto Goldschmidt ein bekannter Mann, nicht in Leipzig. Vielleicht sah Otto sie bei diesem nur durch seine Tätigkeit als Komponist, son- Konzert das erste Mal.19 Vermutlich hörte Otto dern auch durch seine Heirat mit Jenny Lind.15 sie dann bei einem ihrer späteren Konzerte in Nach der Schule besuchte Otto im Oktober Leipzig. Eine andere Begegnung wird in Ham- 1843 die erste Musikhochschule Deutschlands burg stattgefunden haben. in Leipzig,16 wo er unter der Leitung von Hans von Bülow und Felix Mendelssohn Bartholdy das Pianoforte-Spielen verfeinerte und Kom- Familie Arnemann positionslehre studierte. Otto Goldschmidt Ottos Eltern waren mit dem Ehepaar Arne- wurde als 48. Schüler aufgenommen, nachdem mann gut bekannt. Der Altonaer Kaufmann ihm Felix Mendelssohn Bartholdy persönlich Carl eodor Arnemann amtierte seit 1837 als den Eintritt in das Konservatorium nahegelegt schwedischer und norwegischer Konsul und hatte.17 Stets wurde er als gewissenhafter hatte dadurch auch mit Hamburger Kaufl euten Mensch beschrieben, so auch im Zwischen- zu tun. Schon im Alter von 20 Jahren hatte er zeugnis des Leipziger Konservatoriums vom Geschäftsreisen für seinen Vater unternommen. Juni 1846, worin ihn Mendelssohn seines schö- Seit 1817 besaßen die Eltern ein Haus in Alto- nen Talents im Pianofortespiel wegen würdigte. na an der Südseite der Palmaille, mit einem Zwei Monate zuvor hatte Otto ein selbstkom- Garten, der bis zur Elbe hinunter reichte. Arne- poniertes Stück vorgetragen, worauf ihm auch manns erste Ehefrau, Mathilde von Haff ner, Begabung zum Komponieren bescheinigt wur- stammte aus Kopenhagen. Sie verstarb bereits de. Allerdings wies das Prüfungsprotokoll auch 1828. König Frederic VII. von Dänemark er- kritische Anmerkungen Mendelssohn Barthol- nannte den 23jährigen Carl eodor Arne- dys auf, zum Beispiel „unrein“.18 mann zum „dänischen Agenten“; kurz darauf Die erste fl üchtige Begegnung Ottos mit wurde er zum brasilianischen Vizekonsul in Al- Jenny Lind mag am 4. Dezember 1845 tona bestellt. Im folgenden Jahr 1829 heiratete

26 Liskor – Erinnern er Mathilde Stammann aus Hamburg-St. Ge- Die Sängerin Jenny Lind lernte Mathilde org. Ihr Vater, wie auch ihre Brüder waren Ar- Arnemann schon 1841 kennen, als sie für kurze chitekten beziehungsweise Zimmerleute. Vor Zeit bei Arnemanns an der Palmaille wohnte, der Trauung schrieb Carl eodor seinem Va- um auf ihr Schiff nach Le Havre zu warten. ter, der mit der Wahl seines Sohnes nicht ein- Von dort wollte sie nach Paris weiterreisen. Da verstanden war: „Dass Mathilde im Äußern oft sie Schwedin war und erst zwanzig Jahre alt, knabenhaft munter ist, tadele ich sehr und musste sich Carl eodor als ihr konsularischer wünsche es anders. Im Innern sieht es viel, viel Vertreter um die junge Dame kümmern.24 schöner aus. – Ein liebes treues Herz, ein off e- Nach Erfolgen in Schweden und Kopen- ner Kopf, den besten Willen und regsten Trieb, hagen kam Jenny Lind erneut nach Deutsch- recht gut zu werden, dabei gesund, lebensfroh land. Zunächst trat sie in Dresden und Berlin und mit ganz gewiss der tiefsten Liebe mir und auf. Im März 1845 sollten zwölf Auftritte im dem lieben Kinde [einer Tochter aus erster Hamburger Stadttheater folgen. Die Hambur- Ehe] zugethan – kann ich mehr verlangen?“ ger jubelten, waren von ihr begeistert und berei- Aus seiner Ehe mit Mathilde gingen sechs teten ihr einen fulminanten Abschied. Jenny Söhne und eine weitere Tochter hervor.20 konnte sich hinter der Stadtgrenze bei den Ar- Mathilde hatte in ihrer burschikosen und nemanns vom Trubel erholen. Mathilde wurde unkomplizierten Art viele Freunde unter den für Jenny eine gute Freundin und das Landhaus Altonaern, den Hamburgern und den vielen in Nienstedten zu einem beliebten Ruhepol. Menschen, die sie auf ihren Reisen traf. Darun- Auftritte in Kiel, Lübeck, Schwerin, Kopenha- ter waren einige bekannte Künstler wie Berthel gen und Stockholm sollten folgen. Von August orwaldsen und Hans Christian Andersen, bis September gastierte Jenny in Frankfurt, im um nur diese zu nennen. Unter den Freunden Oktober in Berlin, danach in Leipzig.25 Ihr befanden sich auch viele Juden oder Personen Reiseplan unterschied sich kaum von dem heu- aus ehemals jüdischen Familien,21 wie Anna tiger prominenter Sängerinnen, nur war das Warburg, Emil Lehmann und Louis Asher, der Reisen viel unbequemer. Die Kutschen waren um 1835 ein Porträt von Carl eodor Arne- eng, hart, schlecht gefedert und die Fahrt konn- mann malte.22 te sehr lange dauern. Jenny liebte das überhaupt Schon in jenem Jahr hatten die Arne- nicht und litt darunter. Später gab es einige manns einen großen Besitz in Nienstedten er- neue Eisenbahnstrecken, doch sehr schnell wa- worben, neben dem Restaurant Jacob, das aber ren die Bahnen auch noch nicht. nach dem Konkurs von Arnemanns Firma 1848 Das folgende Jahr begann mit Engage- am 25.4.1849 wiederverkauft werden musste.23 ments in Berlin, dann in Weimar, Leipzig, wie- 1847 kaufte Arnemann dann noch das große der Berlin und Leipzig, gefolgt von einem Er- Anwesen von Lazarus Gumpel an der Palmaille, holungsaufenthalt in Karlsbad im Mai 1846; das im 20. Jahrhundert abgerissen wurde. Es lag dann ging es zurück nach Aachen und im an der Stelle des heutigen „Altonaer Balkons“. Sommer nach Hamburg zu weiteren sechzehn Mathilde Arnemann wird Johanna Gold- Auftritten. Die Hamburger umjubelten die schmidt nicht nur gekannt, sondern auch ihre Sängerin wie beim letzten Mal; auch diesmal Ideen mitgetragen haben. Beide waren bemüht, musste die Polizei für Ordnung sorgen. Die die allgemeine Not zu mildern, vor allem nach Eintrittspreise waren stark erhöht worden, dem Großen Brand 1842. Sie unterstützten doch viele Interessenten gingen leer aus und junge Frauen, um ihnen eine gute Ausbildung konnten ihr nur ein Ständchen auf dem Jung- zu verschaff en. fernstieg und ein Feuerwerk auf der Binnen- alster bieten.26

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Jenny Lind hielt sich sehr gern bei den Sängerin beklatscht, seine Königin aber nicht Arnemanns in Nienstedten auf; Mathilde war gewürdigt. Daraufhin habe Jenny, der die Situa- zu ihrer besten Freundin geworden. Mathilde tion wohl peinlich war, die englische Natio- hatte sie nach Berlin und Leipzig begleitet, wo nalhymne angestimmt, worauf sich das Publi- Jenny mit Felix Mendelssohn Bartholdy auftrat kum seiner Majestät zugewandt und die Vor- und kennenlernte. Otto Gold- stellung habe beginnen können.29 schmidt, der Klavierunterricht bei Clara Schu- Zu Jennys frühen Bekanntschaften in mann nahm, war im April 1846 noch Schüler Kopenhagen gehörte der Märchendichter Hans von Mendelssohn Bartholdy und wird Jenny Christian Andersen, der sie gern geheiratet hät- Lind in Leipzig gehört und bewundert haben. te. Sie aber zog eine gute Freundschaft mit ihm Clara Schumann notierte in ihrem Ehe- vor. Beide sollten sich noch öfter begegnen. tagebuch einiges über Jenny Lind. So berichtete Auch bei den Arnemanns war der Dichter zu sie 1846 von ihrem Konzertbesuch in Ham- Gast.30 Für Jenny folgten Auftritte in Cuxha- burg: „Die Lind ist ein Gesangsgenie, wie es in ven, Wien, Frankfurt und Weimar. Im Februar langer Zeit oft kaum einmal wiederkehrt. Ihr 1847 war sie erneut in Wien und im April zum Erscheinen ist gleich das erste Mal ein nehmend ersten Mal in England, wo sie in London, und ihr Gesicht, wenn auch nicht schön, so Manchester und Birmingham gastierte. Am scheint es doch so, weil ein wunderschönes 4. Mai trat Jenny Lind nochmals in Hamburg Auge das ganze Gesicht belebt. Ihr Gesang auf. Es folgten Engagements in Stockholm, kommt aus dem Innersten des Herzens, es ist dann wieder in London und Wien. Am 20.10. kein Eff ekthaschen und keine Leidenschaft, die gastierte sie wieder in Hamburg. gleich packt, die aber tief ins Herz dringt...“27

Jenny Lind auf Europa-Tournee Bei einem Hofkonzert auf Schloss Brühl 1845 sang Jenny zum ersten Mal zu Ehren von Queen Victoria, die einen Deutschlandbesuch unternommen hatte. Am 22. April 1846 hörte die Queen Jenny Lind erneut in Deutschland. Sie schrieb in ihr Tagebuch: „ e great event of the evening was Jenny Lind’s appearance and her complete triumph. She was a most exquisi- te, powerful, and really quite peculiar voice, so round, soft, and fl exible.”28 Die Queen wurde zu Jennys größtem Fan, woraus eine lange Freund- schaft resultierte. Sie schenkte Jenny eine sil- berne Kette und einen Schal, der Jenny mit ins Grab gegeben wurde. Am 20.3.1902 berichtete eine Zeitung von einer früheren Begebenheit im Londoner Opera House. Einst sei die Queen dort verspä- tet eingetroff en und habe gerade ihren ange- stammten Platz eingenommen, als der Vorhang Weltstar Jenny Lind für Jenny Lind aufging. Das Publikum habe die Foto: Staatsarchiv Hamburg, 215-Li 159

28 Liskor – Erinnern Dass die Sängerin damals schon die Ab- sang, die sogar eine Aquarellzeichnung zu Jen- sicht hatte, sich von der Bühne zu verabschie- nys Auftritt anfertigte. den, lässt sich angesichts der vielen Reisen und Auftritte an fast jedem zweiten Abend nach- vollziehen. Sie liebte es nicht allzu sehr, in Jenny Lind in Amerika Opern aufzutreten, sondern bevorzugte Konzer- Der amerikanische Zirkusdirektor und Ta- te. In Aachen traf sie den schwedischen Schrift- lentscout Phineas Taylor Barnum reiste durch steller Eric Gustav Geijer mit seiner Familie, Europa, um nach neuen Begabungen zu su- der sie mit Felix Mendelssohn Bartholdy zum chen. Zwar hatte er Jenny Lind noch nie gese- Essen einlud. Jenny sollte mit dem Komponis- hen, doch Lobeshymen über sie gehört. Ob- ten in Aachen auftreten.31 Sie hatte sich schon wohl Barnum sich seiner Sache nicht ganz si- in Leipzig in den verheirateten Mann verliebt. cher sein konnte, schloss er mit der Sängerin In England sollten sich beide wiederbegegnen. einen Vertrag über eine Tournee durch Ameri- Felix arbeitete am Oratorium „Elias“ und be- ka mit einer Gage von 1.000 Dollar pro Auf- richtete Jenny davon: „Ich bin zuweilen in mei- tritt. Bevor Jenny die große Reise antrat, reiste nem Zimmer hoch in die Höhe gesprungen, sie wieder nach Liverpool und sang dort am wenn mir’s gar zu gut zu werden schien.“32 Nun 19.8.1850 in der Philharmonic Hall in Hän- plante er, eine Oper für Jenny zu schreiben, „die dels Oratorium „Messias“. In der Zeitung hieß Loreley“. Sein früher Tod 1847 verhinderte dies. es darüber: „ e most successful musical per- Jennys nächster Heiratskandidat war Fre- formance ever given in Liverpool.“ Sie besuch- deric Chopin, der einer Eheschließung jedoch te anschließend das dortige Krankenhaus, wo nicht zustimmte und ebenfalls früh, nämlich im dank ihrer Spende ein neuer Gebäudefl ügel er- Oktober 1849, zu Grabe getragen wurde. Jen- öff net werden konnte. Weitere 100 Pfund stell- nys angebliche Verlobung mit einem Captain te sie einer Schule zur Verfügung.35 Harris sollte von der Liaison mit Chopin ab- Am 21. August segelte sie mit der „At- lenken. Inzwischen war Otto Goldschmidt, der lantic“ in Begleitung eines Spaniels, den ihr die bei Chopin in Paris Klavierunterricht erhalten Queen geschenkt hatte, von Liverpool aus nach hatte, von Mathilde Arnemann 1848 nach New York. Ihr Debüt sollte am 11. September London geschickt worden. Er hoff te, dass Jenny im Castle Garden eater stattfi nden. Die Ti- ihn als Pianisten verwenden könne.33 cketpreise lagen zwischen 6,35 und 225 Dollar. Es war bekannt, dass Jenny Lind nach ih- Schon vor ihrer Ankunft hatte ein „Hudson Ri- ren Auftritten häufi g Geld spendete. Wohl ver Steamer“ den Namen Jenny Lind erhalten. nicht zuletzt aus diesem Grund wurde sie nach Am Hafen standen 30.000 Menschen, um die Liverpool eingeladen, um für das „Southern and Sängerin zu begrüßen, denn Barnum hatte be- Texteth Hospital“ zu singen. Am 6. Januar 1849 reits viel Werbung für sie gemacht. 36 reiste sie dorthin und dinierte nach ihrem Auf- Jenny Linds Reise durch die Vereinigten tritt mit dem Vorsitzenden des Kranken- Staaten verlief sehr erfolgreich.37 Sie trat unter haus-Kommitees. Die Einnahmen des Kon- anderem in Wilmington, Boston und Rich- zerts beliefen sich auf 1.400 Pfund (nach heuti- mond auf. Nach dem 93. Konzert im Juni 1851 ger Kaufkraft ca. 158.000 Pfund). Bereits am trennte sie sich von dem Showman Barnum. In 29. März sang sie wieder in Liverpool in Amerika begann, was heutzutage gang und gäbe Haydns Oratorium.34 Ihr letzter Auftritt auf ei- ist: die Vermarktung von Prominenten mit di- ner Opernbühne fand am 10. Mai 1849 in Lon- versen Artikeln in Form von Schals, Handschu- don statt, wo sie in Meyerbeers Oper „Robert hen, Kleidern, Sofas, Sesseln und anderen Arti- Le Diable“ in Anwesenheit von Queen Victoria keln. Besonders beliebt waren Kästchen mit

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Papier-Anziehpuppen. Ein Jenny Lind und Renner waren bei den Her- Otto Goldschmidt ren fl ache Whiskey-Fla- Foto: wikimedia schen mit dem Portrait commons der Künstlerin38. Straßen wurden nach ihr be- nannt und Gebäude, deren Bau sie durch wenigen Tagen weiter Spenden ermöglicht nach Deutschland. Fünf hatte. Bei einer Volks- Jahre lang lebten beide zählung in New York in Dresden, besuchten wurde als Jenny Linds in dieser Zeit mehrfach Beruf verzeichnet: „ e Hamburg und kehrten greatest singer in the 1858 wieder nach London world.“ 39 zurück. Jenny Lind hatte für die Auftritte in den USA insge- samt 176.000 Dollar erhalten; Bar- Jenny Lind-Goldschmidt num verdiente an ihr sogar 535.000 und Otto Goldschmidt in England Dollar. Die Sängerin reiste mit ihrer Truppe Otto Goldschmidt wirkte in London als Profes- ohne Barnum weiter nach Kanada; danach trat sor für Klavier an der Royal Academy of Music. sie u.a. in Pennsylvania, Massachusetts, New London hatte damals etwa so viele Einwohner York und Connecticut auf. Ihr Pianist war Julius wie Hamburg heute. Das Musikleben der Met- Benedict, der jedoch bald danach nach London ropole wurde vom Großbürgertum und der zurückreisen musste, wo er andere Verpfl ichtun- Aristokratie getragen, auch fi nanziell, so dass gen hatte. Benedict, der aus einer deutsch-jüdi- die Gebäude für Opern und Konzerte gut aus- schen Familie stammte, hatte schon in London gestattet waren. Es gab ausgezeichnete Orches- mit ihr zusammengearbeitet.40 Nun kam die ter und Chöre, und dank Mäzenen konnten die Gelegenheit für Otto Goldschmidt, der Bene- besten Musiker eingeladen werden.45 dict ersetzen sollte. Er war daran interessiert, Ignaz Moscheles, verheiratet mit der die Leitung der weiteren Tournee zu überneh- Hamburgerin Charlotte geb. von Embden,46 men, und reiste sogleich nach New York. Bald war Leiter der Philharmonischen Konzerte in darauf, am 5. Februar 1852, heiratete er die London gewesen, bevor er 1846 zu Felix Men- neun Jahre ältere Jenny Lind in Boston.41 Kurz delssohn Bartholdy nach Leipzig ging. Otto vor der Hochzeit trat Otto Goldschmidt zum wird den bekannten Pianisten Moscheles von christlichen Glauben über. dessen vielen Auftritten in Hamburg her ge- Beschrieben wurde er als Mann mit kannt haben. Goldschmidt unternahm Kon- „schönen Gesichtszügen edlen Ausdrucks, als zertreisen in England als Dirigent, es folgten feinsinniger Pianist und vollendeter Begleiter“.42 Auftritte beim Musikfest in Düsseldorf und In amerikanischen Zeitungen hieß es dagegen, Reisen mit Auftritten in Hamburg. 1863 wurde Otto sei ein blasser, hagerer, verträumter junger er stellvertretender Direktor der Royal Aca- Mann von poetischem Aussehen.43 Zum Jahres- demy of Music in London; 1875 gründete er ende kehrten beide wieder mit dem Schiff „At- dort einen Bach-Chor, der zu einem der bedeu- lantic“ nach Europa zurück“.44 Am 9. Juni 1852 tendsten Chöre Englands werden sollte. Otto, erreichte das Ehepaar Liverpool und reiste nach der auch das Komponieren erlernt hatte,

30 Liskor – Erinnern kreierte ein Oratorium mit Namen „Ruth“, das Am 2. November 1887 starb Jenny Lind noch heute aufgeführt wird. Zur Urauff ührung an Krebs. Ihr Grab befi ndet sich auf dem Great in Düsseldorf im Jahr 1870 trat Jenny zum letz- Malvern Cemetery. Ihr Mann überlebte sie um ten Mal öff entlich auf.47 zwanzig Jahre. Susanne Schmaltz, eine Hamburgerin, Otto Goldschmidt bemühte sich, das besuchte die Familie Lind-Goldschmidt 1861 Erbe des Weltstars zu pfl egen, allerdings ver- in Wimbledon, wo diese ein schönes Anwesen fügte er, dass Akten und Briefe seiner Frau 100 besaß. Von Clara Schumann, die Jenny gut Jahre lang nicht zugänglich sein sollten. Längst kannte, hatte Susanne Schmaltz ein Empfeh- ist die Frist abgelaufen, doch bislang wurde nur lungsschreiben bekommen. „Ich stand mit ein kleiner Teil der Korrespondenz freigegeben. hochklopfenden Herzen davor [vor dem wun- Der Nachlass befi ndet sich in der von Jenny derschönen Landhaus der Goldschmidts], war Lind gegründeten Mendelssohn Scholarship ich doch eine begeisterte Verehrerin von Jenny Foundation in London. Viele Straßen, Kran- Linds großer Gesangskunst und überhaupt ih- kenhäuser und Institutionen in England sind rer ganzen Persönlichkeit. […] Ich wurde sofort mit Jenny Linds Namen verbunden. Seit 1995 empfangen und sie fragte mich gleich nach verleiht die Königliche Musikakademie in Frau Schumann.“ Susanne Schmaltz durfte Stockholm den Jenny-Lind-Preis an schwedi- zum Lunch bleiben, zuvor führte sie die vier- sche Berufssängerinnen. Dotiert ist der Preis jährige Tochter des Hauses durch den Garten. mit 40.000 Kronen und einer Konzertreise Später trat Otto Goldschmidt hinzu und Jenny durch die USA.49 sang zu seiner Begleitung. „Ein unvergessliches Auch wenn die Beziehung der Familie Ereignis.“48 Goldschmidt in England mit der deutschen Bereits in Dresden war 1853 der Sohn Verwandtschaft 1914 zum Erliegen kam, hat Walter geboren worden. In London folgten die Hamburger Familie doch mit einem gewis- zwei weitere Kinder, Jenny, geboren 1857 und sen Stolz auf die berühmte Verwandtschaft ge- Ernst, geboren 1861. Jenny trat weiterhin bei schaut und dem schönen Porträt von Jenny Konzerten auf und betätigte sich als Mäzenin. Lind einen Ehrenplatz eingeräumt, meint Det- 1883 hatte die Sängerin ihren letzten öff entli- lev Landgrebe, ein Hamburger Urgroßneff e von chen Auftritt. Vier Jahre vor Jennys Tod kaufte Otto Goldschmidt. Ein Schuhlöff el aus Elfen- das Ehepaar Goldschmidt ein Haus auf dem bein, ein Geschenk von Queen Victoria an Lande, auf den Hügeln von Malvern im Südos- Otto Goldschmidt, sei sogar täglich benutzt ten Englands. worden.50

1 Detlev Landgrebe, Kückallee 37, eine Kindheit am 5 Landgrebe, wie Anm. 1, S. 20. Rande des Holocaust, Rheinbach 2009, S. 22-23. 6 Annett Büttner, Hoff nungen einer Minderheit, Sup- 2 Die Straße Millernsteinweg lag dicht bei der pliken jüdischer Einwohner an den Hamburger Senat Schlachterstraße und dem Alten Steinweg. im 19. Jahrhundert. Münster 2003, S. 82-83. 3 Inge Grolle, Die freisinnigen Frauen, Charlotte Pau- 7 Grolle, wie Anm. 3, S. 52-53. - Landgrebe, wie Anm. lsen, Johanna Goldschmidt, Emilie Wüstenfeld. Bre- 1, S. 23. men 2000, S. 51. - Johanna hatte sechs Geschwister. 8 Beide Goldschmidt-Linien stammten aus einer Fami- 4 Staatsarchiv Hamburg (im Folgenden: StAHbg), 313- lie aus Emden. 1 Französische Steuerbehörden, B II 43 und 45. 9 StAHbg, 231-3 Handelsregister, B 4615.

4. Jahrgang, Nr. 013 31 Der Pianist und die schwedische Nachtigall

10 StAHbg, wie Anm. 9. 29 https://trove.nla.gov.au/newspaper/article/19147310 11 Zu den engagierten Freundinnen gehörten Charlotte aufgerufen am 26.10.2018. Paulsen, Emilie Wüstenfeld und Amalie Westendarp. 30 Eyssenhardt, wie Anm. 21. 1848 gründeten die Frauen den „Frauenverein zur Be- 31 Information von Gunnar Leman in Stockholm. kämpfung und Ausgleichung religiöser Vorurteile“. 32 Volker Hagedorn (Hrsg.), Briefe von Felix Mendels- 12 Rebekka und Amalia, Briefwechsel zwischen einer Is- sohn Bartholdy, 2017. raelitin und einer Adeligen über Zeit- und Lebensfra- 33 Eyssenhardt, wie Anm. 21. gen, Leipzig 1847. Grolle, wie Anm. 3, S. 55. 34 http://liverpoolhiddenhistory.co.uk/jenny-lind-liver- 13 Johanna Goldschmidt gründete 1855 den Fröbelver- pool von Steven Horten am 25. 4. 2018, aufgerufen ein zur Ausbildung von Kindergärtnerinnen. am 26. 11. 2018 14 Siehe erstes Heft der Aspirantinnen des Heine`schen 35 Wie Anm. 34. Wohnstifts. Im Besitz des Stifts am Holstenwall. 36 Kurz nach Jennys Reise brach der Hauptmast des 15 Eine Liste seiner Werke fi ndet sich bei Landgrebe, wie Schiff es. Das Schwesterschiff ging 1854 mit 365 Men- Anm. 1, S. 315- 318. schen unter; ein weiteres Schwesterschiff explodierte 16 Die Musikhochschule war am 2. April 1843 von Felix 1856, wobei 320 Menschen starben. Siehe: Donald Ya- Mendelssohn Bartholdy gegründet worden. tes, Jenny Linds World Reknowed Singer, Homerville 17 Hamburger Mendelssohn-Vorträge (Hrsg. Hans Jo- 2004, S. 64. achim Marx), hier Gunilla Eschenbach, Wiederent- 37 Nach einer Passagierliste reiste Jenny 1851 von Liver- deckte Mendelssohn-Autographen in Zeugnissen des pool aus nach New York in Begleitung von Joseph. Conservatoriums der Musik zu Leipzig. Hamburg 38 Donald Yates, wie Anm. 36, S. 65-67. 2003, S. 139-140. 39 Census von New York 1850 (ancestry). 18 Detlev Landgrebe, wie Anm. 1, S. 32-35 und 345. 40 Der Pianist Julius (eigentlich Isaak) Benedict (1804- 19 Nils-Olaf Franzén, Jenny Lind, die schwedische Nach- 1885) war der Sohn eines Stuttgarter Bankiers. tigall. Eine Biographie. Berlin 1990, S. 152. 41 Ein nachgestelltes Hochzeitsfoto entstand in Ham- 20 Paul eodor Hoff mann, Der Altonaer Kaufmann burg um 1860, aufgenommen von Emilie Bieber. und Patriot Carl eodor Arnemann. Ein Lebensbild. 42 Eyssenhardt, wie Anm. 21. In: Altonaische Zeitschrift für Geschichte und Hei- 43 Franzén, wie Anm. 19, S. 283. matkunde, IV. Band. Neumünster 1935, S. 128-135. 44 Yates, Anm. 38. 21 Das Tagebuch der Mathilde Arnemann enthält viele 45 Hamburger Mendelssohn-Vorträge, Hamburg 2003, jüdische Namen, darunter auch Goldschmidt, Hes- S. 82. se, Warburg und Dessauer. Siehe Olga Eyssenhardt, 46 Ihr Vater war Adolph (Abraham) von Embden. Des- Arnemanns in Hamburg-Ottensen. Göttingen 1952 sen jüngster Bruder Moritz von Embden heiratete die (Privatbesitz). Schwester Heinrich Heines, die ebenfalls Charlotte 22 Wie Anm. 21. Das Bild ist vermutlich im Privatbesitz hieß. Oft fanden im Haus von Adolph von Embden eines männlichen Nachkommen verblieben. Privatkonzerte statt, bei denen auch Clara Schumann 23 Hoff mann, wie Anm. 20, S. 132. auftrat. 24 Eyssenhardt, wie Anm. 21. 47 Ernst Waeltner, Otto Goldschmidt, Neue Deutsche 25 Die Reiserouten habe ich anhand verschiedener An- Biographie, Bd. 6, München 1964, S. 618. gaben aus Büchern und Artikeln zusammengestellt. 48 Susanne Schmaltz, Beglückte Erinnerung. Lebenslauf Vermutlich gab es noch weit mehr Auftrittsorte, als eines Sonntagskindes. Dresden 1929, S. 61. ich gefunden habe. 49 http://mugi.hfmt-hamburg.de/old/A_lexartikel/ 26 Artikel im Hamburger Fremdenblatt vom 19.4.1941. lexartikel.php?id aufgerufen am 22.10. 2018. 27 Eva Weissweiler, Clara Schumann, Biographie, Mün- 50 Landgrebe, wie Anm. 1, S. 36. chen 1998, S. 191. 28 http://americanhistory.si.edu/blog/jenny-lind Siehe Regan Shrumm vom 16.3.2016, aufgerufen am 26.11. 2018. Ebenso: http://library.stanford.edu/blogs/ stanford-libraries-blog/2017 .

32 Liskor – Erinnern J  S   Neues aus unserer Bibliothek

Klaus Eichler, Albert Ballin. Vater, Ballins mit Wilhelm II.: „Mit dem Händedruck Unternehmer, Visionär. ISBN 978-3-7822- Ballins fühlt Wilhelm sich als Mensch ange- 1319-6. Hamburg 2018, 192 S. nommen. Der Zwang des Rituals fällt von ihm ab. Eine ungeheure Situation! Im Hintergrund Noch eine historische Ballin-Biographie? Der entferntes Möwen geschrei. Sonst kein Ton. In Autor Klaus Eichler verneint dies. Als Film- Zeitlupe tauschen sie Blicke aus. Die Augen editor, der sich als Dokumentar- fi lm-Regisseur überwiegend mariti- men emen widmet, verfolgt er ein anderes Ziel: Er möchte vor allem ei- nen Einblick in Albert Ballins priva- tes Leben bieten. Für diesen Zweck gestattete er sich bisweilen „eine ge- dankliche Veranschaulichung der Geschehnisse, wie sie in der realen Welt vor hundert Jahren stattgefun- den haben mögen“ (S. 7). Er nutzte einen Schatz, der vor wenigen Jahren noch unentdeckt auf dem Dachbo- den von Albert Ballins Urenkel la- gerte: Briefe, Fotos, Dokumente. Da- runter befand sich auch Ballins Gäs- tebuch aus der Zeit von 1902 bis 1913, auf das allerdings schon 2010 in einer Veröff entlichung aufmerk- sam gemacht worden war.1 Was an Eichlers Buch vor allem beeindruckt, sind zahlreiche bislang unbekannte Fotografi en. wandern für einen kurzen Moment aufgeregt Dazu der Autor: „Die Fotografi en allerdings, über das Gesicht des andern umher. (Der Win- die wir betrachten, bringen uns wiederum auf tersonnenschein blendet ein wenig.)“ (S. 32). eine ganz andere, auf eine direkt-magische Hier spricht der Film editor. Weise in die andere Welt, in die Welt vor mehr Das Buch dokumentiert die große Vereh- als hundert Jahren. Weil Fotografi en (im Ge- rung des Autors für Albert Ballin und führt uns gensatz zu Texten) immer Gegenwart herstel- dessen Leben auf recht ungewohnte Weise len. Deshalb lassen sie die damalige Zeit tat- nahe. sächlich ,wahrhaftig‘ erscheinen, denn das bild- lich Gegenwärtige erscheint der menschlichen Wahrnehmung immer glaubwürdiger als das 1 Olaf Matthes, Aus Albert Ballins Gästebuch. In: Erzählte“ (S. 66). Dies gilt stellenweise auch für Ortwin Pelc (Hrsg.), Mythen der Vergangenheit. Eichlers eigenen Text, so zum Beispiel bei der Realität und Fiktion in der Geschichte. Göttingen erfundenen Schilderung der ersten Begegnung 2010, S. 287-294.

4. Jahrgang, Nr. 013 33 Aus einem Verzeichnis jüdischer Steuerpfl ichtiger von 1896

Diese Liste der jüdischen Bewohner der Heimhuder Straße stammt aus einem 1896 angelegten Verzeichnis der steuerpfl ichtigen Juden Hamburgs, das 6269 Namen umfasst. Wie man sieht, waren der Theaterdirektor Bernhard Pollini (Haus Nr. 54) und der HAPAG- Direktor Albert Ballin (Haus Nr. 44) fast Nachbarn (Staatsarchiv Hamburg, 522-1 Jüdische Gemeinden, 385, Verzeichnis der steuerpfl ichtigen Juden Hamburgs).

34 Liskor – Erinnern 4. Jahrgang, Nr. 013 35 Liskor – Erinnern nr. 013

Inhalt

Impressum / Editorial 2

J  S   Die Hamburger Familie Wedeles 3

MICHAEL STUDEMUND-HALÉVY Biographische Skizzen Hamburger Portugiesen Teil 4/1: Rahel de Castro 18

S S   Der Pianist und die schwedische Nachtigall 25

J  S   Neues aus unserer Bibliothek 33