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HC20087.Booklet.Sonatas.qxp Seite 1 SIX SONATAS Op. 27 Eugène Ysaÿe MAXIM BRILINSKY HC20087.Booklet.Sonatas.qxp Seite 2 DEUTSCH 2 HC20087.Booklet.Sonatas.qxp Seite 3 Eugène Ysaÿe · MAXIM BRILINSKY „Mit Duft, Zartheit Die Capricci von Paganini hat auch der und prickelndem Esprit“ Stimmführer der Primgeiger der Wiener Philharmoniker Maxim Brilinsky bereits ein- So beschrieb die Österreichische Musik- gespielt (erschienen 2020 bei SONY und Theaterzeitung am 1. Juni 1889 das Classical). „Klang und Musik“ stehen für Geigenspiel des belgischen Geigers, Dirigen- seine Interpretation der Solowerke für Violi- ten, Komponisten und Pädagogen Eugène ne im Mittelpunkt, die nun mit der Einspie- Ysaÿe. 2021 gedenkt die Musikwelt des lung von Ysaÿes 1923/24 komponierten 90. Todestags den am 16. Juli 1858 in Sechs Sonaten op. 27 ergänzt werden. Lüttich geborenen vielseitig begabten Künst- Obwohl Ysaÿe nie Komposition studierte, lers, der am 12. 5. 1931 in Brüssel starb. hat er einen ersten Enwurf für die Sonaten Bis heute beeinflusst Ysaÿe die Musikszene angeblich an nur einem Tag aufgezeichnet. durch seine Kompositionen und auch durch Brilinsky will diese „nicht technisch präsen- die dramaturgische Gestaltung seiner Kon- tieren, sondern der Klang und vor allem zerte. Im Mittelpunkt seines komposito- diese großartige Musik müssen an oberster rischen Schaffens stehen dabei die Sechs Stelle stehen. Polyphonisch wie bei Bach, Sonaten op. 27 für Violine solo. Mit dazu mit Ysaÿes eigenen, stilistisch spezi- Johann Sebastian Bachs Sonaten und Par- fischen Porträts der sechs Geiger, für die er titen sowie Niccolò Paganinis Ventiquattro die Sonaten komponierte“. Diese waren Capricci op. 1 zählen sie zu den Schlüssel- Ysaÿe persönlich bekannt, einige standen werken im Repertoire für Violine solo. wie auch er selbst in direkter Beziehung zu Sowohl Bachs Werke als auch Paganinis den Wiener Philharmonikern und sorgten Capricci waren fixer Bestandteil im Reper- so für Anknüpfungspunkte unterschiedlicher toire des Geigers Ysaÿe, wie nicht zuletzt europäischer Geigenschulen: seiner Repertoireliste aus dem Historischen Joseph Szigeti (1892 – 1973), dessen Auf- Archiv der Wiener Philharmoniker von führungen mit Werken von Bach den 1889 zu entnehmen ist. Anstoß zur Entstehung von Ysaÿes Solo- 3 HC20087.Booklet.Sonatas.qxp_ Seite 4 sonaten gegeben haben. Mit den Wiener Kontakt mit Ysaÿe, Enescu und Kreisler. Philharmonikern trat Szigeti 1922 unter Er war ein international erfolgreicher Richard Strauss und 1932 unter Clemens Virtuose, ehe er durch die Folgen eines Krauss auf. Unfalls 1937 zur Beendigung seiner Jacques Thibaud (1880 – 1953) führte Karriere als Geiger gezwungen war. 1902 mit den Wiener Philharmonikern Allen technischen Raffinessen, großen Max Bruchs Violinkonzert g-Moll op. 26 Anforderungen und individuellen Porträts auf. Dirigent war mit dem langjährigen begegnet Maxim Brilinsky jedoch nicht Primgeiger der Wiener Philharmoniker bloß mit Seitenblicken auf expressive Virtu- Josef Hellmesberger junior ein Vertreter der osität der Widmungsträger. Er spielt zudem Wiener Geigenschule par excellence. auf einer 1862 gebauten Geige des George Enescu (1881 – 1955) studierte Wiener Geigenbauers Gabriel Lemböck, von 1888 bis 1894 in Wien. Zu seinen der auch für die Streichinstrumente der Lehrern zählte wiederum Josef Hellmesber- 1842 gegründeten Wiener Philharmoniker ger junior. verantwortlich war, um die Bezüge zur Fritz Kreisler (1875 – 1962) war ebenso Wiener Schule besonders hervorzuheben. Schüler von Hellmesberger. Ein Enga- Die Aufnahme entstand in der Heiligen- gement zu den Wiener Philharmonikern städter St. Jakobskirche in Wiens 19. scheiterte, doch zwei Jahre später wurde Bezirk, einer der ältesten Kirchen außer- Kreisler 1898 als Solist für Max Bruchs halb der Innenstadt. Das einschiffige Violinkonzert d-Moll op. 44 eingeladen. Langhaus mit etwas erhöhtem Chor passt Mathieu Crickboom (1871 – 1947) war für Brilinsky „hervorragend zu Ysaÿe, da Schüler Ysaÿes und zweiter Geiger im man in dieser Akustik in die Klangwelt Quatuor Ysaÿe, außerdem Verfasser einer dieser Meisterwerke wunderbar eintauchen Violinschule. kann“. Neben der Kirche befindet sich Manuel Quiroga (1892 – 1961) nahm noch ein Winzerhaus, in dem Ludwig van Violinstunden bei Thibaud und stand in Beethoven 1817 lebte. 4 HC20087.Booklet.Sonatas.qxp_ Seite 5 Eugène Ysaÿe · MAXIM BRILINSKY Grenzen werden nicht nur bei Ysaÿe über- war und nur kurz in Orchestern spielte. wunden, sondern auch bei dem in Lviv in Ysaÿe begann sein Studium der Violine in der Ukraine geborenen Brilinsky, der im jungen Jahren bei seinem Vater Nicolas- Alter von fünf Jahren Violine in seiner Hei- Joseph und wurde später Schüler von matstadt zu studieren begann und mit fünf- Désiré Heynberg am Königlichen Konser- zehn Schüler von Michael Frischenschlager vatorium in Brüssel. Nach Konflikten auf- an der Universität für Musik und darstellen- grund des Unterrichts spielte er im Orches- de Kunst in Wien wurde. 2005 setzte er ter des Vaters und kehrte nach Fürsprache seine Studien bei Jean-Jacques Kantorow des bedeutenden Geigers Henri Vieux- am Pariser Konservatorium fort, wurde ein temps 1872 wieder ans Brüsseler Konser- Jahr später Konzertmeister des Kammer- vatorium zurück, wurde zunächst Schüler orchesters Orchestre d’Auvergne, bis der von dessen Assistenten Henryk Wieniawski, Preisträger zahlreicher Wettbewerbe, dar- ehe er auf Einladung von Vieuxtemps zu unter 2. Preis des „Premio Paganini 2002“- diesem nach Paris wechselte. Von 1879 Wettbewerbs, 2008 ein Probespiel als bis 1882 war er Konzertmeister in Benja- zweiter Geiger an der Wiener Staatsoper min Bilses Orchester in Berlin, aus dem gewann und seit 2011 Mitglied der Wie- später die Berliner Philharmoniker hervor- ner Philharmoniker ist. In diesem Jahr ge- gingen. Gleichzeitig war er auch als Solist wann er ein Probespiel für die erste Geige, und Kammermusiker an der Seite großer 2014 zudem zum Stimmführer der ersten Partnerinnen und Partner wie Clara Schu- Geigen. Seit 2018 ist er Konzertmeister mann, Anton Rubinstein und der Sängerin der 1498 gegründeten Wiener Hofmusik- Pauline Lucca erfolgreich. kapelle, eine der ältesten Institutionen Er stand im Kontakt mit den Komponisten dieser Art. César Franck, Ernest Chausson, Claude So manche Parallelen finden sich zur Debussy, Camille Saint-Saëns, Edward Biografie Eugène Ysaÿes, auch wenn die- Elgar und Gabriel Fauré. Einige ihrer Kom- ser vor allem als reisender Virtuose tätig positionen sind Ysaÿe gewidmet. Neben 5 HC20087.Booklet.Sonatas.qxp_ Seite 6 zeitgenössischer Musik führte er vor allem unter Hans Richter. Er war Solist in Henryk Werke von Bach und Beethoven auf: „Ich Wieniawskis Violinkonzert Nr. 2 d-Moll. habe alles von Bach bis Debussy gespielt, Die Österreichische Musik- und Theater- weil wahre Kunst international sein soll“, zeitung wusste am 1. Dezember zu berich- zollte Ysaÿe den Entwicklungen der Technik ten, dass „Wieniawskis brillantes D-moll- und des Ausdrucks des Violinspiels Tribut. Violin-Concert[…]durch den belgischen Von 1914 bis 1918 floh er nach dem Ein- Violin-Virtuosen, Herrn Eugéne Ysaye eine marsch deutscher Truppen in Belgien nach großartige Interpretation erlebte, was stür- London und leitete nach dem Ende des mischer Beifall und zahlreiche Hervorrufe Ersten Weltkriegs von 1918 bis 1922 das documentirten.“ Cincinnati Symphony Orchestra in den Ver- Welch mitreißende Persönlichkeit Eugène einigten Staaten. Nach seiner Rückkehr Ysaÿe war, schilderte sein Freund, der nach Belgien 1922 musste er aufgrund legendäre Cellist Pablo Casals, in seinen seiner fortschreitenden Diabeteserkrankung Erinnerungen „Licht und Schatten. Auf das Violinspiel zurückstellen und wirkte einem langen Weg“: „Er war ein Riese von vorwiegend als Dirigent und Pädagoge. einem Mann, aber ein graziöser Riese, der Er unterrichtete unter anderem die bel- sich mit Leichtigkeit und ohne Mühe be- gische Königin Elisabeth, die zu seinem wegte. Mit seinem majestätischen Haupt Gedenken 1937 den Ysaÿe-Violinwettbe- und seinen wundervollen Augen erinnerte werb initiierte. Seit 1951 heißt er Con- er mich immer an einen Löwen. Nie habe cours Reine Elisabeth, wurde auf andere In- ich einen Künstler erlebt, dessen Auftreten strumente erweitert und zählt bis heute zu auf dem Podium eindrucksvoller gewesen den bedeutendsten Wettbewerben für den wäre. So groß er war, soviel Herz hatte er Musiknachwuchs. auch: Er war ein Mann von überströmen- Wiederholt gastierte der charismatische der Wärme und Großmütigkeit und voller Ysaÿe in Wien, so am 17. November unbändiger Lebenslust. Er schöpfte aus 1889 mit den Wiener Philharmonikern dem Vollen – wie er sagte, hatte er seine 6 HC20087.Booklet.Sonatas.qxp_ Seite 7 Eugène Ysaÿe · MAXIM BRILINSKY Kerze an beiden Seiten angezündet –, und sein Feuergeist sprang auf die Musik über und adelte sie. Wenn er spielte, fühlte man sich als ein besserer Mensch.“ Silvia Kargl 7 HC20087.Booklet.Sonatas.qxp_ Seite 8 DEUTSCH ‘Fragrant, tender, Maxim Brilinsky, sub-principal first violinist and with sparkling élan’ of the Vienna Philharmonic, has already re- corded the caprices of Paganini (released That is how the Austrian Music and Theatre 2020 on SONY Classical). ‘Sound and Journal (Österreichische Musik- und Thea- music’ are at the heart of his interpretation terzeitung) described, on 1 June 1889, a of works for solo violin, to which are now performance by the Belgian violinist, com- added recordings of Ysaÿe’s 6 sonatas poser and teacher, Eugène Ysaÿe. Born in op.27, composed in 1923-24. Although