Henning Von Tresckow Und Der Militärische Widerstand Während Der Zeit Des Nationalsozialismus
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 2/2000 GASTBEITRAG Am 10. Januar 1901 wurde Henning von Tresckow, einer der bedeutendsten Repräsentanten des militärischen Widerstandes gegen Hitler, in Magdeburg geboren. Aus diesem Grund wurde am Rande des Nordparks, direkt gegenüber der Zufahrt zum Campus der Otto-von-Guericke-Uni- versität, zum 100. Geburtstag Henning von Tresckows eine Gedenkstele aufgestellt. Im Anschluß an die feierliche Enthüllung der Stele am 9. Januar 2001 fand eine Vortragsveranstaltung auf Einladung des Rektors statt. Für den Festvortrag wurde Prof. Dr. Freiherr von Aretin, Schwie- gersohn Henning von Tresckows und ein renommierter Historiker, gewonnen. Freiherr von Aretin hat der Redaktion des Wissenschaftsjournals das Manuskript des Vortrages zur Verfügung gestellt. Dafür möchte ich mich als Herausgeber ausdrücklich bei ihm bedanken. Henning von Tresckow hat, wie kaum ein anderer, die moralische Bedeutung des Aufstands des Gewissens gegen Hitler verkörpert und begründet. Deshalb ist es wichtig, an die Motive und Taten dieses Mannes zu erinnern. Freiherr von Aretin – das ist ausdrücklich zu begrüßen – setzt sich dabei ausführlich mit der von jüngeren Historikern vorgetragenen Kritik im Zusammenhang mit der Verstrickung der deutschen Wehrmacht in Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkrie- ges auseinander. Prof. Dr. Klaus Erich Pollman Rektor HENNING VON TRESCKOW UND DER MILITÄRISCHE WIDERSTAND WÄHREND DER ZEIT DES NATIONALSOZIALISMUS Karl Otmar von Aretin Henning von Tresckow war ein Offizier, in dessen gung finden konnte. Am 31. Oktober 1920 nahm Leben Traditionen eine prägende Rolle spielten, er seinen Abschied, studierte in Kiel und trat ohne daß sie sein Handeln allein bestimmt hätten. schließlich in ein Bankgeschäft ein. Er war sich der großen Vergangenheit der könig- lich-preußischen Armee bewußt. Einen letzten In dieser Zeit hatte sich das weitere Schicksal der Abglanz hat er erlebt, als er Anfang Dezember Reichswehr entschieden. Der erste Chef der Hee- 1918 als siebzehnjähriger Leutnant die Rückkehr resleitung, General von Seeckt, hatte sie als eine seines Regimentes, des 2. Garderegimentes zu Kaderarmee aufgebaut, aus der später eine starke Fuß, in die Garnisonstadt Potsdam mitmachte. Armee hervorgehen konnte. Die Vorbereitungen Ein letztes Mal hat der Kommandeur, Prinz Eitel für eine spätere Aufrüstung waren 1927/28 abge- Friedrich von Preußen, die Parade seines aus dem schlossen. Politisch hatte dieses Heer einen star- Feld heimgekehrten Regimentes abgenommen. ken Einfluß, der sich insbesondere in der Krise Wenige Tage später griff die Revolution in Tres- der Weimarer Republik 1930-33 auswirkte. Das ckows Leben ein. Vor der Bedrohung durch den Heer wurde dabei stärker in politische Entschei- Spartakusaufstand bildete die Regierung das Regi- dungen hereingezogen, als es vielen Generalen ment Potsdam, in das der junge Henning von lieb war. Die Pläne, die Weimarer Republik in Tresckow als Leutnant übernommen wurde. eine Präsidialdemokratie umzuwandeln, in der 1920, als nach dem Abschluß des Versailler Ver- die Rechte des Parlaments zu Gunsten der Präsi- trages das Hunderttausend-Mann-Heer der denten beschränkt waren, wurde von politischen Reichswehr gebildet wurde, trat er in das Infante- Generalen, wie Kurt von Schleicher, vorangetrie- rieregiment 9 ein, das die Tradition der Potsdamer ben. Er hatte eine Reihe von prinzipiellen Geg- Garderegimenter weiterführte. nern der parlamentarischen Demokratie, darun- ter den späteren Chef der Heeresleitung, den Tresckow war nicht der Mensch, der in dem Freiherrn von Fritsch, aus dem Reichswehrmini- anfangs sehr engen Garnisonsdienst eine Befriedi- sterium entfernt. Schleicher begünstigte, ohne es 35 GASTBEITRAG MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 2/2000 zu wollen, 1932 den Aufstieg der Nationalsoziali- Blomberg und der Chef der Heeresleitung Gene- sten durch schwere politische Fehler. Die Gegner ral von Fritsch schufen die organisatorischen Vor- der Weimarer Republik, KPD und NSDAP, aussetzungen. Im Gegensatz zu General von besaßen zusammen mehr als 50 % der Reichs- Schleicher hielten sie an dem Grundsatz fest, daß tagsmandate. Eine Kabinettsbildung ohne die die Armee sich nicht in die Politik einzumischen Beteiligung von einer dieser Parteien war nicht habe. Was sie unter dieser Maxime bereit waren, möglich. Im Januar 1933 gab es zu einem Kabi- hinzunehmen, zeigte sich im Sommer 1934. Am nett Hitler nur noch die Alternative einer Militär- 30. Juni 1934 wurde mit Wissen und Unterstüt- diktatur. Davor schreckte der Reichspräsident zung des Heeres von Hitler die Mordaktion gegen von Hindenburg zurück und ernannte Hitler hohe SA-Führer durchgeführt, der auch viele zum Reichskanzler. Diese Ernennung war das Gegner des Regimes, darunter die Generale von Ende der politischen Generale. Mit General Wer- Schleicher und von Bredow, zum Opfer fielen. Es ner von Blomberg wurde ein überzeugter Natio- war Blomberg, der das Gesetz einbrachte, mit nalsozialist Reichskriegsminister. dem die Morde für rechtens erklärt wurden. Am 20. Juli 1934 wurde mit der Leibstandarte Adolf 1926 war Tresckow wieder als Leutnant in das Hitler die Waffen-SS gegründet. Fünf Tage spä- Infanterieregiment 9 in Potsdam eingetreten. ter fiel der österreichische Bundeskanzler Dollfuß Zuvor hatte er Erika von Falkenhayn, die Tochter einem Putsch österreichischer Nationalsozialisten des Generalstabschefs des 1.Weltkrieges, geheira- zum Opfer. tet. Bei der Ausarbeitung der Befehle für den Staatsstreich am 20. Juli 1944 sollte sie eine wich- Das hinderte jedoch die Reichswehrführung tige Rolle spielen. Tresckow war damit in den nicht, die Reichswehr engstens an die Machtha- Kreis der Offiziere des Hunderttausend-Mann- ber zu binden. Beim Tod des Reichspräsidenten Heeres zurückgekehrt. Die Offiziere kannten von Hindenburg am 2. August 1934 ließ Blom- sich, waren nach einheitlichen Kriterien ausge- berg als Reichskriegsminister in einer Art Staats- sucht und bildeten eine verschworene Gemein- streich die Reichswehr auf Hitler persönlich ver- schaft. Diese Vertrautheit wurde für die spätere eidigen. Die Eidesformel, die bis 1945 19 Millio- Zeit außerordentlich wichtig. Auch ohne ihm nen Deutsche nachsprachen, wurde im Reichs- persönlich begegnet zu sein, wußte man in der wehrministerium als ein Überraschungscoup aus- Reichswehr, daß Henning von Tresckow ein gehandelt. Sie verpflichtete die Soldaten zu unbe- überaus fähiger Offizier war. Diese Vertrautheit dingtem Gehorsam auf Hitler persönlich. Der erklärt die sonst nur schwer zu verstehende Tatsa- Text stammte von dem späteren Generalfeldmar- che, daß Tresckow vielen Kameraden seine schall von Reichenau. Als ihn der ebenfalls im Ablehnung des Nationalsozialismus offenbaren Reichswehramt tätige Major Förtsch darauf hin- konnte, ohne verraten zu werden. wies, daß die Anrufung von Gott nicht mehr dem Geist des Nationalsozialismus entspreche, wies In der Isolation, in der die Reichswehr als ein Reichenau den Einwand mit der Begründung Staat im Staate lebte, erschien die 1929/30 aus- zurück, daß die Generale den Eid ohne Gott brechende Wirtschaftskrise auch für Tresckow als nicht schwören würden. Hitler unterwarf das Quittung für eine kurzsichtige Politik, die im Gesetz, mit dem nach dem Tode Hindenburgs nationalen Sinn als würdelos empfunden wurde. die Ämter des Reichspräsidenten und des Reichs- So näherte sich auch Tresckow, im Februar 1928 kanzlers vereinigt wurden, einem Volksentscheid zum Oberleutnant befördert, dem Denken der am 19. August 1934. Da die Reichswehr auf Nationalsozialisten. 1929, als der kometenhafte Befehl Blombergs bereits am 2. August 1934 ver- Aufstieg der Nationalsozialisten nur von Weni- eidigt wurde, war die Truppe 17 Tage auf einen gen vorausgesagt wurde, sprach er sich für die Mann vereidigt, der staatsrechtlich noch gar nicht Nationalsozialisten aus. 1930 versuchte er, das das Staatsoberhaupt war. Offiziercorps seines Regimentes nationalsoziali- stisch zu beeinflussen. Als im November 1932 Die Wehrmacht war noch in einer Phase des Auf- gewählt wurde, schrieb er einer Bekannten: „Wir baus einen Teufelspakt eingegangen. Die Schaf- wählen A. H.“. Hitlers Machtergreifung begrüßte fung einer schlagkräftigen Armee schien den er als Erlösung aus einem unerträglichen hohen Offizieren im Kriegsministerium ein so Dilemma. hohes Ziel, daß daneben moralische Bedenken über einige Morde kein Gewicht besaßen. Am Tag von Potsdam, dem 21. März 1933, para- dierte Tresckows Bataillon an Hindenburg und Nicht alle dachten so. Der Hauptmann Henning den Vertretern des alten Preußens ebenso wie an von Tresckow war über die Ereignisse des 30. Hitler, Göring und den nationalsozialistischen Juni 1934 erschüttert. Zunächst hatte er an die Führern vorbei. Es schien ihm einer der glück- Version eines SA-Putsches geglaubt. Die Wahr- lichsten Tage seines Lebens zu sein. heit über die Mordaktionen erregte Entsetzen in ihm. Die Nachricht von der Ermordung der Die Offiziere der Reichswehr waren von der vor Generale von Schleicher und von Bredow und die ihnen stehenden Aufgabe, aus dem Hunderttau- Gelassenheit, mit der die Armee diese Tatsache send-Mann-Heer eine schlagkräftige Armee zu hinnahm, erschütterten ihn zutiefst. Ein Reichs- 36 schaffen, fasziniert. Reichskriegsminister von kanzler, der vom Reichstag die Morde für rech- MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 2/2000 GASTBEITRAG tens erklären ließ und ein Reichswehrminister, So erlebte auch Tres- der diesem für die Mordaktionen dankte, waren ckow die tiefe Depres- für ihn eine Ungeheuerlichkeit. Von da an sion nach