INSTITUTSBERICHT 2012

ZEITRAUM 2010 – 2012

UND FESTSCHRIFT

Jubiläumsausgabe anlässlich des 40-jährigen Bestehens des

INSTITUTS FÜR INTERDISZIPLINÄRES BAUPROZESSMANAGEMENT

FAKULTÄT FÜR BAUINGENIEURWESEN TU WIEN

Herausgeber: Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Andreas Kropik Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement an der Technischen Universität Wien Karlsplatz 13/234-1 A-1040 Wien

Telefon: + 43 / 1 / 58801 / 234-02 Telefax: + 43 / 1 / 58801 / 234-99 e-Mail: [email protected] Homepage: http://www.ibpm.at/

Eigenverlag, Wien 2012 ISBN: 978-3-9502638-3-1

Redaktion und Layout: Univ.Ass. Dipl.-Ing. Markus Gmoser Univ.Ass. Dipl.-Ing. Christoph Müller

zusammengestellt unter Mithilfe aller Institutsangehörigen

Teil 1 – Institutsbericht ZEITRAUM 2010 - 2012

Vorwort ...... 1 Sponsoren ...... 7 1 40 Jahre Entwicklung vom Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft zum Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement ...... 13 1.1 Vorgeschichte ...... 13 1.2 Prof. Jurecka gründet das Institut ...... 14 1.3 Prof. Reismann prägt das Fach Baubetrieb ...... 20 1.4 Prof. Oberndorfer etabliert die Bauwirtschaft ...... 27 1.5 Der Baubetrieb mit Prof. Jodl ...... 34 1.6 Die Bauwirtschaft mit Prof. Kropik ...... 36 1.7 Der Planungsprozess mit Prof. Achammer ...... 37 1.8 Resümee ...... 39 2 Die Geschichte des Industriebaus an der TU Wien ...... 45 2.1 Die Vorgeschichte ...... 45 2.2 Die Errichtung eines Instituts für Industriebau ...... 47 2.3 Entwicklung von „Industriebau TU Wien“ ...... 48 2.4 Besondere Leistungen von „Industriebau TU Wien“ ...... 50 3 Personal ...... 55 3.1 Aktueller Personalstand ...... 55 3.2 Personelle Zu- und Abgänge ...... 63 4 Aktivitäten ...... 65 4.1 Wiener U-Bahntagung ...... 65 4.2 Industriebauseminar ...... 66 4.3 CIB Conference ...... 67 5 Lehrveranstaltungen ...... 69 5.1 Forschungsbereich Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik ...... 69 5.2 Forschungsbereich Bauwirtschaft und Baumanagement ...... 70 5.3 Forschungsbereich Industriebau und interdisziplinäre Bauplanung ...... 71 5.4 Concrete Student Trophy ...... 72 5.5 Gastvortragende ...... 75 6 Exkursionen 2010 bis 2012 ...... 79 6.1 Exkursionen Forschungsbereich Baubetrieb u. Bauverfahrenstechnik ...... 79 6.2 Exkursionen Forschungsbereich interdisziplinäre Bauplanung und Industriebau ....85 7 Forschung am Institut 2010 bis 2012 ...... 93 7.1 Diplomarbeiten ...... 93

7.2 Abgeschlossene Dissertationen 2010 bis 2012 ...... 100 7.3 Forschung 2010 bis 2012 ...... 120 8 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012 ...... 129 8.1 Vorträge ...... 129 8.2 Bücher...... 140 8.3 Gastvorlesungen ...... 142 8.4 Sonstige Publikationen ...... 144 8.5 Mitwirkung in Fachorganisationen ...... 150 8.6 BBB Assistenten-Treffen in Wien ...... 154 8.7 Vorbereitungskurs Befähigungsprüfung Baumeister, Modul 3 an der TU Wien..... 157 9 Seitenblicke ...... 159 9.1 Hochzeiten ...... 159 9.2 Geburten ...... 160 9.3 Sportliches ...... 162 9.4 Nachruf Charlotte Jurecka ...... 165

Teil 2 – Fachbeiträge VON INSTITUTSMITGLIEDERN

Bewältigung von Komplexität und Ungewissheit im Projektgeschäft – Herausforderungen für internationale Baukonzerne im 21. Jahrhundert 167

Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility 187

Erfolgsfaktoren im Bauprojektmanagement, einmal anders 203

FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination 215

Sicherheit und Umweltschutz auf Baustellen 239

Fünf methodische Bausteine für erfolgreiches Management von Infrastruk- 247 turprojekten

Der Bau-Sachverständige in der Praxis 259

Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bauinvestitionsprojekten 275

Das Bau-SOLL bei Bewehrungsarbeiten 299

Der Kunde ist immer König 311

Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunterneh- 321 men

Nachteilsabgeltung 345

Entwicklung und Abbildung von Kostenkomponenten aus der Preisumrech- 353 nung in der Kostenverfolgung aus Sicht des Bauherren

Technische Universität und Waagner-Biro 367

Concrete Student Trophy 373

Ein Golfplatz entsteht 383

Lebenszykluskosten-Modelle und deren Einsatz bei Public-Private- 399 Partnerships

Verwendung von Tunnelausbruchmaterial – Entscheidungsgrundlagen 407

TU Wien Bauingenieurstudierende und ihr Kompetenzprofil zu Beginn des 417 Studiums

Vortriebsunterbrechungen bei zyklischen Vortrieben 433

Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“ 445

Recycling-Baustoffe: Der Weg vom Abfall zum Qualitätsprodukt 473

BIM-sustain: Building Information Modelling - gestützte Planung für nachhal- 483 tige Gebäude

Planlieferverzug – eine häufige Aufgabenstellung 495

Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive 505

Lebenszyklusorientiertes Baumanagement 527

Von der Netzplantechnik zum Projektmanagement 543

Vorwort

Andreas Kropik

Geschätzte Leser!

Vor Ihnen liegt ein besonderer Institutsbericht. Wir haben das vierzigste Gründungsjahr des Vorläufers unseres Institutes – dem Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft – zum Anlass genommen, den periodischen Bericht mit einem besonderen Teil, einer Festschrift, zu kom- binieren.

Die Familiengeschichte selbst ist, wie es Namenswechsel so mit sich bringen, für nicht Ein- geweihte etwas verwirrend. Ursprünglich als „Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft“ im Jahr 1972 gegründet, hat die Organisationsreform an der TU Wien im Jahr 2005 zu einem Zusammenschluss mit dem „Institut für Industriebau und interdisziplinäre Bauplanung“ ge- führt. Das war auch Anlass für die Geburt des neuen Institutsnamens „Institut für interdiszip- linäres Bauprozessmanagement“. Das Institut besteht aus den drei Forschungsbereichen x Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik unter der Leitung von Kollegen Hans Georg Jodl, x Industriebau und interdisziplinäre Bauplanung unter der Leitung von Kollegen Christoph Martin Achammer und x Bauwirtschaft und Baumanagement unter meiner Leitung.

Der Institutsgeschichte hat H.G. Jodl einen eigenen Beitrag gewidmet. In mühevoller Klein- arbeit hat er die Vergangenheit, zurückreichend bis zu den ersten facheinschlägigen Lehr- aufträgen 1927/28, aufbereitet. Ihm und seinem recherchierendem Back Office gebühren herzlicher Dank, weil damit unsere Wurzeln und das Werden des Instituts dokumentiert sind und der Nachwelt erhalten bleiben. Sehr gut ist es ihm gelungen, den Wandel der Zeit, do- kumentiert an den am Institut lehrenden Professoren darzustellen. Die teils tiefgreifende Analyse und die Darstellung des Menschlichen ist beeindruckend.

Einen Blick zurück machen auch Christoph M. Achammer und Herbert Stöcher. Sie be- leuchten den Industriebau, die Wurzel unserer Abteilung Industriebau und interdisziplinäre Bauplanung, zurück bis in das Jahr 1815 wie er am Standort Karlsplatz gelehrt wurde und heute gelehrt wird.

Ibpm - Institutsbericht 2012 1

Wie bereits erwähnt ist der Institutsbericht, den wir in der Regel alle drei Jahre herausgeben, diesmal mit einer Festschrift verbunden. Dieser Teil der vorliegenden Publikation ist für mich etwas Besonderes, weil – eher unüblich für eine Festschrift – nicht externe Personen einge- laden wurden einen Beitrag zu gestalten, sondern ausschließlich ehemalige oder aktive Mit- glieder des Instituts. Die Resonanz auf den Call for Paper war überwältigend. 27 Beiträge auf knapp 400 Seiten ist ein Ergebnis das positiv überrascht. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Autoren und bei meinem Team, die diese umfassende Publikation erst ermöglicht haben, recht herzlich bedanken.

Im ersten Teil des Institutsberichtes stellen wir ihnen die Mitarbeiter vor, berichten von unse- ren Kernaufgaben in der Lehre und Forschung und geben ihnen einen Einblick in das Insti- tutsleben und auch in jenes der Mitarbeiter. Hochzeiten, Geburten, Sportlichem, beruflichen Erfolgen udgl ist, so wie Sie es aus den Berichten der vergangenen Jahre gewohnt waren, Raum gewidmet.

Wenden wir uns nun dem besonderen Teil des Jubiläumsberichtes zu. Ausschließlich ehe- malige und aktive Institutsmitglieder kommen hier zu Wort. Sie präsentieren uns Fachbeiträ- ge aus den unterschiedlichen Wissensgebieten die unser Institut vereint. Die Themen span- nen einen weiten fachlichen Bogen.

Beginnen wir unsere Reise durch diesen Teil der Publikation an dem Punkt an dem sich die Autoren mit dem Studium oder der Ausbildung, also internen Feldern, widmen. Bettina Bogner und Önder Kasimlar bringen uns die Kompetenzen von Bauingenieuren zu Beginn ihres Studiums näher. Unter anderem zeigt eine Untersuchung, dass unter schwierigen Be- dingungen bei den Studenten die Fach- und Methodenkompetenz ansteigen soll. Nun, bei Prüfungssituationen habe ich in der Praxis leider diesen Effekt noch nicht erkennen können. Trotzdem gibt dieser Beitrag einen wertvollen Einblick in die Kompetenzen junger Menschen, die sich zu einem Studium des Bauingenieurwesens entschlossen haben. Die Erfolgsge- schichte der Concrete Student Trophy bereitet schließlich Stefan Faatz in seinem Beitrag auf. Beeindruckend sind die Ergebnisse, die die Studenten, in interdisziplinären Teams aus Bauingenieuren und Architekten zusammengesetzt, liefern. Schließlich beschreibt Karina Breitwieser die Symbiose der Technischen Universität und der Industrie am Beispiel von Waagner-Biro.

Baubetriebliche Schwerpunkte setzen Hubert Leibl, Gottfried Schattovits und Andrea Rathmanner mit der Beschreibung der Errichtung eines Golfplatzes unter schwierigen Grundwasserbedingungen. Insbesondere geht es dabei um die Beherrschung der Auswir- kungen auf die Umwelt, die bei Eingriffen in den Grundwasserhaushalt Priorität zu genießen

2 Ibpm - Institutsbericht 2012 hat. Umweltthemen sind immer mit entsprechender Sensibilität zu behandeln. Entschei- dungsgrundlagen für die Verwendung von Tunnelausbruchsmaterial liefern schließlich Ro- bert Galler und Daniel Resch, die einen wertvollen Beitrag zur Einschränkung des Res- sourcenverbrauchs liefern. Über Einsatzmöglichkeiten von Recycling-Bausoffen und das aktuelle rechtliche Umfeld informiert uns Martin Car.

Mit Führungsaufgaben und mit der Bewältigung zukünftiger Aufgaben und Problemen be- schäftigen sich einige weitere Beiträge. Nur visionäres Denken schafft den notwendigen Vor- sprung. Peter Fischer und Frank Lulei machen sich Gedanken über die dauerhafte (Über -) Lebensfähigkeit von Unternehmen. Sie untersuchen, wie Komplexität und Ungewissheit im Projektgeschäft bewältigt werden kann. Peter Krammer und Christian Gromer gehen noch einen Schritt weiter in Richtung des Herzens eines Unternehmens. Corporate Social Responsibility, also die Beachtung der Auswirkungen wirtschaftlichen Handelns auf Lebens- und Sozialräume sowie auf die Lebensgrundlage zukünftiger Generationen, soll zukünftig auch Grundlage von Unternehmensentscheidungen darstellen. Der Kunde ist immer König. Mit dieser Feststellung leiten Walter Reckerzügl und Wolfgang Wiesner ihren Beitrag ein. Nicht kurzfristiger und einmaliger Erfolg zählen. Erfolgsversprechend sei nur eine langfristige Strategie, die konsequent auf den Bedürfnissen der Auftraggeber aufbaue. Mit den Anforde- rungen an eine Organisationsstruktur international tätiger Bauunternehmen beschäftigt sich schließlich Herwig Schwarz und kommt zum Ergebnis, dass kulturelle Einflussfaktoren je- denfalls zu berücksichtigen seien.

Einen anderen Zugang zu Erfolgsfaktoren im Projektmanagement eröffnet uns Wilhelm Reismann, der uns mit seinem Beitrag die Augen öffnen will. Provokant und auf den Punkt gebracht sind seine Thesen. Ebenfalls mit Managementmethoden beschäftigen sich Hubert Hager und Martin Pfanner. Erfolgreiches Management von Infrastrukturprojekten wird von ihnen anhand von fünf wesentlichen Bausteinen beleuchtet. Wie wichtig es ist, Entwicklun- gen und Änderungen in ganzheitlicher Sicht in Bezug auf die angewandten Managementme- thoden zu beziehen, zeigt uns der Beitrag von Roland Haring und Andreas Jurecka. Ände- rungen bei den Baukostenindices und Neuerungen bei den Standardleistungsbeschreibun- gen würden einen Anpassungsbedarf bei der bisherigen Systematik in der Kostenverfolgung aus der Sicht des Bauherrn notwendig machen. Iva Kovacic und Christoph Müller sehen Handlungsbedarf im Planungsprozess bei „nachhaltigen“ Gebäuden. Der Pfad der traditio- nellen Planungsschritte die sequentiell hintereinander gereiht sind, soll verlassen werden. In einem weiteren Beitrag widmet sich Iva Kovacic der objektorientierten digitalen Repräsenta- tion eines Gebäudes. Kritisch betrachtet Michael Duschel das praktizierte Projekmanage- ment. Er ruft dazu auf, entwickelte Managementmethoden auch tatsächlich einzusetzen.

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Ohne Lebenszykluskostenbetrachtung keine Projektentwicklung. Drei Beiträge widmen sich diesem Thema. Stefan Reimoser betrachtet Lebenszykluskostenmodelle und deren Einsatz bei PPP-Abwicklungsformen. Er kommt zum Schluss, dass die Anwendung von Lebenszyk- luskostenmodellen die Subjektivität bei der Erstellung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen reduziert und damit einheitliche Rahmenbedingungen für den Vergleich der Beschaffungsva- rianten geschaffen werden. Konrad Gornik schließlich sucht bei der Optimierung der Le- benszykluskosten einen ganzheitlichen Ansatz. Er gelangt zum Ergebnis, dass ein gezieltes und abgestimmtes Maßnahmenpaket in den einzelnen Fachbereichen ein erhebliches Opti- mierungspotential in der Betriebsphase der Immobilie bewirken kann. Auch Rainer Stemp- kowski widmet sich einem Lebenszyklus-Thema, allerdings von der Managementseite kommend. Lebenszyklusorientiertes Baumanagement lautet sein Beitrag.

Peter Petri stellt Fragen und gibt Antworten. Die häufigsten Fragen zur Baukoordination ist sein gewähltes Thema. Johann Baresch und Norbert Ritschl widmen sich in ihrem Beitrag der Sicherheit und dem Umweltschutz auf Baustellen und geben einen Ausblick auf ein Pro- jekt der Europäischen Gemeinschaft, das eine Reduktion der Arbeitsunfälle um 25% an- strebt.

Was wäre eine Festschrift des Instituts ohne Themen des Nachtragsmanagements zu be- handeln. Ingo Heegemann widmet sich dem Claimmanagementpotential bei Bewehrungs- arbeiten. Wird der Bieter mit der Art der Ausschreibung zu einer Mischpreiskalkulation ge- zwungen, so muss unter Umständen das Bau SOLL ausgelegt werden. Heegemann zeigt das sich daraus ergebende Konfliktpotential auf. Doris Link referiert über die Nachteilsab- geltung bei Unterschreiten der Auftragssumme, stößt dabei auf eine Lücke in den Regelun- gen der ÖNORM B 2110 und kommt daher zu keiner eindeutigen Aussage, wie die Berech- nung des Nachteilsausgleiches gemäß ÖNORM B 2110 vorzunehmen sei. Gerald Goger untersucht die Auswirkungen von Vortriebsunterbrechungen bei zyklischen Tunnelvortrieben. Er erörtert dabei die spannende Schlussfolgerung, dass bei Abweichungen von vereinbarten Vortriebsklassen und der Ausführung von nicht planmäßig vorgesehenen Leistungen eine Abrechnung nach den Modalitäten für „Vortriebsunterbrechungen“ selbst dann möglich ist, wenn die Vortriebsarbeiten tatsächlich gar nicht unterbrochen wurden. Der Anpassung der Leistungsfrist bei gestörten Bauabläufen widmet sich Jörg Ehgartner und geht dabei auch auf die Problematik von „über den Haufen geworfener“ Bauzeitpläne ein. Verzug bei Planlie- ferungen ist ein bekanntes Streitthema. Die Nachweisführung betreffend den Auswirkungen auf den Bauablauf stellt sich oft als schwierig und komplex dar. Diesen Fragen stellt sich Wolfgang Kriebaum in seinem interessanten Beitrag.

4 Ibpm - Institutsbericht 2012 Was wäre nun das Claimmanagement ohne Bausachverständige? Kritische Anmerkungen dazu liefert uns Rainer Kolator. Er geht in seiner Analyse auch auf Sozialkompetenzen der Beteiligten in einem Gerichtsprozess ein.

Dieser Abriss über die sehr interessanten Beiträge soll Ihnen, liebe Leser, die Anregung ge- ben, die Beiträge vertieft zu studieren. Sie sehen die breite Fachkompetenz der an unserem Institut Tätigen oder tätig gewesenen.

Ich wünsche ihnen viel Spaß und interessante Augenblicke bei der Lektüre.

- Glück Auf -

PS: Herzlichen Dank gebührt unseren Sponsoren dieses Druckwerkes. Sie haben den Druck der Publikation möglich gemacht und auch finanziell nicht unwesentlich dazu beigetragen die Festveranstaltung am 9. November 2012 abhalten zu können. Ihnen sind die folgenden Sei- ten gewidmet.

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Sponsoren

(In alphabetischer Reihung)

ALUKÖNIGSTAHL www.alukoenigstahl.com

Atlas Copco GmbH Construction and Mining Technique www.atlascopco.at

ATP Planungs- und Beteiligungs AG www.atp.ag

Bauwirtschaftliche Beratung GmbH www.bw-b.at

Brenner Franz Catering

ELIN GmbH & Co KG Anlagenbau und Systemintegration für Elektrotechnik www.elin.com

Generali Real Estate S.p.A. www.generali.at

G. HINTEREGGER & SÖHNE Baugesellschaft m.b.H www.hinteregger.co.at

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HABAU Hoch- und Tiefbaugesellschaft m.b.H. www.habau.at iC consulenten Ziviltechniker GesmbH www.ic-group.org

JÄGER BAU GMBH www.jaegerprojects.com

Laabmayr & Partner ZT GmbH IL -Ingenieurbüro www.laabmayr.at

ÖBB-Infrastruktur AG www.oebb.at

ÖSTU-STETTIN Hoch- und Tiefbau GmbH www.oestu-stettin.at

Ortner Ges.m.b.H www.ortner-anlagen.at

Porr Aktiengesellschaft Allgemeine Baugesellschaft www.porr.at

Raiffeisen Bank International AG www.rbinternational.com

Ibpm - Institutsbericht 2012 9

SES Spar European Shopping Cen- ters GmbH www.ses-european.com

STRABAG SE www.strabag.at

Umdasch AG www.umdasch.com

VASKO+PARTNER INGENIEURE Ziviltechniker für Bauwesen und Verfahrenstechnik GesmbH www.vasko-partner.at

Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie (VÖZ) www.zement.at

Wienerberger Ziegelindustrie GmbH www.wienerberger.at

Wiener Linien GmbH & Co KG www.wienerlinien.at

Wirtschaftskammer Österreich Geschäftsstelle Bau www.bau.or.at/

Wirtschaftskammer Österreich Geschäftsstelle Bau Ausbildungsinitiative www.bau.or.at/

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40 Jahre Entwicklung vom Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft zum Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement

1 40 Jahre Entwicklung vom Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft zum Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement

Hans Georg Jodl

1.1 Vorgeschichte

Bis 1972 wurden die Fächer Baubetrieb und Bauwirtschaft in der Ausbildung der Bauingeni- eure an der TU Wien nur von Lehrbeauftragten in bescheidenem Ausmaß abgedeckt. Im Vorlesungsverzeichnis des Studienjahres 1927/28 findet sich unter dem Dekanat von Prof. Schaffernak das erste Mal eine Vorlesung "Baubetriebslehre", allerdings mit dem Vortragen- den „N.N“. Zum Zeitpunkt des Druckes des Vorlesungsverzeichnisses stand der Vortragende noch nicht fest. Diese Vorlesung war zwar angekündigt, wurde aber möglicherweise gar nicht abgehalten. Vielleicht wurde sie auch schon von BR h.c. Dipl.-lng. Maximilian Soeser gele- sen, der sie jedenfalls von 1928/29 bis 1943/44 hielt. BR Soeser war von 1919 bis 1942 Ge- sellschafter der Fa. Rella und leitete den Tiefbau dieser renommierten Bauunternehmung. Er nannte seine Vorlesung zunächst „Baubetriebslehre“, später „Baubetrieb und Baustellenein- richtung“. Für seine langjährige Tätigkeit als Lektor erhielt er den Titel "Honorardozent". Sein Brustbild hängt als Ölgemälde heute noch am Institut im Sekretariat. (1)

Ihm folgte von 1944/45 bis 1962/63, mit einer Unterbrechung, Dipl.-Ing. Dr. Fritz Hartl, ge- schäftsfüh-render Gesellschafter der Baufirma Hartl. Er hatte im Studienjahr 1948/49 einen Prüfling namens Wilhelm Reismann und im Studienjahr 1962/63 einen Prüfling namens Wolfgang Oberndorfer. Für seine Verdienste um die Ausbildung der Bauingenieure erhielt auch Dr. Hartl den heute nicht mehr verliehenen Titel "Honorardozent". Interimistisch hielt 1945/46 und 1946/47 Dipl.-lng. Dr. Gerhard Schwarz zweimal die Vorlesung "Baubetriebs- lehre". Dieser war von 1938 bis 1945 Mitarbeiter von BR Soeser bei der Fa. Rella und wurde von ihm sehr gefördert. 1945 wechselte Dr. Schwarz zur Fa. Hollitzer nach Deutschaltenburg und 1970 holte ihn Dr. Maculan als technischen Direktor in die Ebenseer Betonwerke, wo er bis zu seiner Pensionierung tätig war. Von 1964 bis 1966 übernahm Dir. Dipl.-lng. Franz Schönbrunner von der Fa. Rella die Vorlesung "Baubetriebslehre". Er war 30 Jahre Direktor

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bei Fa. Rella mit Schwerpunkt Ingenieur- und Tiefbau, betreute die Niederlassungen und war auf allen Gebieten des Bauwesens versiert. Aus dieser Entwicklung lässt sich das bemer- kenswerte Engagement der Baufirma Rella für die Baubetriebslehre an der Technischen Hochschule Wien ermessen. Nach seinem Tod übernahm BR h.c. Dipl.-lng. Dr. Richard Fill von der Fa. Universale bis 1970/71 als letzter Lehrbeauftragter bis zur Institutsgründung die Vorlesung "Baubetriebslehre". (2)

1.2 Prof. Jurecka gründet das Institut

Die Geschichte unseres Instituts begann vor nunmehr rund 41½ Jahren mit der Errichtung einer Lehrkanzel für Baubetrieb und Bauwirtschaft an der Technischen Hochschule in Wien und der Ernennung von Herrn o. Hochschulprofessor für Baubetrieb und Bauwirtschaft, Dipl.- Ing. Dr.techn. Walter Jurecka zum Inhaber dieser Lehrkanzel und Vorstand des gleichnami- gen Institutes durch Entschließung von Bundespräsident Franz Jonas vom 28. Juni 1971. Diese besondere Berufung an die Technische Hochschule in Wien hatte ihren Hintergrund in der wahrlich vielfältigen, internationalen und auch durchaus abenteuerlichen Karriere mit außerordentlich hohem Praxisbezug.

Walter Jurecka wurde 1915 in den 1. Weltkrieg hinein geboren. Er konnte sein Studium des Bauingenieurwesens kurz vor Beginn des 2. Weltkriegs beenden und begann sogleich seine erste Berufserfahrung zu sammeln. Der Ausbruch des zweiten Weltkrieges beendete abrupt diese erste Berufstätigkeit, er wurde bald zum Wehrdienst eingezogen, den er zuletzt als Kriegsgefangener beendete. Nach dem Krieg kurzfristig mit Berufsverbot belegt, folgte eine Tätigkeit für die englische Besatzungstruppe, die seine Kenntnisse der englischen Sprache wesentlich verbesserte, um dann Ende 1947 erneut seine berufliche Laufbahn im Rahmen des Wiederaufbaus Österreichs mit dem Eintritt in die Konstruktionsabteilung der Tauern- kraftwerke AG in Kaprun zu beginnen. Sie bestand anfänglich in der Erfüllung von Konstruk- tions- und statischen Berechnungsaufgaben, denen bald hydraulische Probleme und solche der Druckstoßtheorie folgten. In dieser Zeit promovierte er an der Technischen Hochschule Graz in dem Spezialgebiet des Entwurfes von Talsperren, einem Wissensgebiet, in dem Ös- terreich in die führenden Nationen der Erde einzureihen ist. (3)

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Seine Tätigkeit gab ihm häufig Gelegenheit zu umfangrei- chen Baustellenbesuchen, teils wegen konstruktiver Detail- fragen, teils zur Führung von technisch interessierten Be- suchern dieser damals einmaligen Baustellen der Kraft- werkskette Kaprun. Bei einer dieser Führungen entwickelte sich durch Zufall ein Gespräch über Möglichkeiten zur Tä- tigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, das Ende 1952 zur Annahme eines Stellenangebotes der deutschen Großbauunternehmung Hochtief AG führte. Mit Entschlos- senheit und in Übereinstimmung mit seiner Familie wurde

Abb. 1 Prof. Walter Jurecka das Angebot angenommen.

Bei Hochtief in Essen wurde Dipl.-Ing. Jurecka zuerst drei Monate bei der Ausarbeitung des ersten Vorprojektes für den Hochdamm am Nil bei Assuan in Ägypten eingesetzt und danach fast ein Jahr lang als Unternehmeringenieur in der Angebotsbearbeitung, Preiskalkulation und Arbeitsvorbereitung ausgebildet. Anfang 1954 wurde ihm die Bauleitung für ein Wasser- kraftwerk am Lech übertragen. Nach Aufbau der Baustelleneinrichtung, Ausführung der Rammarbeiten für die Wehrbaugrube und der Betonarbeiten am Wehr wurde ihm im Herbst des gleichen Jahres die Übernahme der Oberbauleitung für ein Wasserkraftwerk mit Beton- talsperre, Druckstollen, Wasserschloss und Kraftwerk in der Türkei angeboten.

Diesen Auftrag konnte er Dank der Mobilität seiner Familie annehmen. Außerdem bedurfte es einer gehörigen Portion Mut, denn diese Baustelle war als „Minusbaustelle“ bekannt, an deren Führungsaufgabe bereits zwei Vorgänger gescheitert waren. Hier kam Dipl.-Ing. Ju- recka die in Kaprun geübte intensive Auseinandersetzung mit den Tätigkeiten der ausfüh- renden Firmen zugute. Es gelang rasch Rationalisierungsmaßnahmen zur Wirkung zu brin- gen, so dass die Baustelle Ende 1956 noch zu einem verlustlosen Abschluss gebracht wer- den konnte. Mitte 1957 hatte er dann die Baustelle der Wasserkraftanlage am alten Assuan- Damm zu übernehmen. Diese Arbeit war einige Jahre vorher von einer Gruppe französischer Bauunternehmen begonnen worden, musste aber mit der Suez-Krise im Herbst 1956 aufge- geben werden. Auch diese Aufgabe konnte bis Ende 1959 mit wirtschaftlichem Erfolg abge- schlossen werden.

Durch Zufall nahm DI Jurecka bereits 1959 Verbindungen zu Archäologen auf, die zur Vor- bereitung der Rettung nubischer Baudenkmäler vor dem Untergang im Stausee des Hoch-

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dammes eingesetzt waren. Diese Kontakte ergaben letzthin wiederum die Möglichkeit, den Auftrag für die Versetzung des Tempels von Kalabscha im Jahre 1960 hereinzuholen.

Zwischenzeitlich wurde Dipl.-Ing. Dr.techn. Walter Jurecka 1962 auf den Lehrstuhl für Bau- maschinen und Baubetrieb an der Technischen Hochschule in Aachen berufen, der durch seinen Gründer, Prof. Garbotz, mit einer großen Tradition behaftet ist. Im Jahre 1963 gelang es auch den Auftrag für die Versetzung der Felsentempel von Abu-Simbel zu akquirieren. Noch 1964 hatte Prof. Jurecka für ein halbes Jahr Gelegenheit, die anlaufenden Arbeiten für dieses imposante Projekt zu leiten und die Verbindung von Lehre und Praxis herzustellen. Bis 1971 widmete sich Prof. Jurecka der Forschung und Lehre an der Technischen Hoch- schule Aachen in diesem für den Baubetrieb im deutschsprachigen Raum führenden Institut.

Mit Datum vom 28. Juni 1971 wurde Prof. Jurecka an die Technische Hochschule in Wien berufen und zum Inhaber der Lehrkanzel für Baubetrieb und Bauwirtschaft sowie Vorstand des gleichnamigen Institutes ernannt. Bereits im Wintersemester hielt Professor Walter Ju- recka seine Antrittsvorlesung am 24. November 1971. Seine Antrittsvorlesung mit dem Titel „Die Ingenieurtätigkeit als Entscheidungsprozess“ postuliert in den ersten Worten das Selbstverständnis des Ingenieurs (4).

„Jeder Mensch hat in seinem Leben tagtäglich Entscheidungen zu treffen, und zwar sowohl solche, die seine private Sphäre betreffen als auch solche in der beruflichen Tätigkeit. Ist letztere eine Ingenieurtätigkeit im Bauwesen, so kann beispielsweise aus- gesagt werden, dass der Statiker bei der Aufstellung einer statischen Berechnung die Entscheidung über Abmessungen und Bewehrungsanteile trifft, der Konstrukteur bei der Aufstellung eines Bau- und Detailplanes die Entscheidung über die Funktion des Bauwerkes, neue Abmessungen und die Ausbildung konstruktiver Details trifft und der Betriebstechniker bei der Aufstellung einer Arbeitsvorbereitung die Entscheidung über den Einsatz von Arbeitskräften, Maschinen und Kapital trifft.

Wie solche Entscheidungen optimal gefällt werden sollen, untersucht die Entschei- dungstheorie. Dabei muß man sich bewußt bleiben, dass die Frage der Entschei- dungskriterien nur zu einem gewissen Grade objektivierbar und ein gewisser Anteil subjektiver Einflüsse nicht zu eliminieren sein wird. Allein schon die Aufsuchung jener Grenzen zwischen objektiv faßbaren und subjektiv eingehenden Einflußfaktoren hebt jedoch die heute ausschließlich subjektiv getroffenen Entscheidungen auf ein Niveau, von dem behauptet werden kann, dass es zu rationaleren Ergebnissen führen wird, als die heutzutage betriebene rein subjektive Entscheidungsfindung. Die Untersuchungen

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werden dazu führen, verschiedene Entscheidungssituationen zu unterscheiden und es wird sich angeben lassen, welche verschiedenen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um eine Entscheidungsfällung zu ermöglichen.“

Unverändert gültige Gedanken determinieren das Denken und Handeln des Ingenieurs und im Besonderen des Bauingenieurs.

"Der wesentliche Beitrag solcher Entwicklungen besteht darin, dass sie es erlauben, komplexe, vorher nicht quantitativ dargestellte Zusammenhänge logisch klar zu erfas- sen, die subjektiven Werturteile oder Annahmen auf eine Stufe allgemeiner Plausibilität zu reduzieren und zwischen diesen Annahmen und der Lösung eines Problems eine rationale, logisch einwandfreie Brücke zu schlagen."

Prof. Jurecka schloss mit den Worten, die nichts an Aktualität zu den heutigen Bildungszie- len im universitären Bauingenieurstudium vermissen lassen, sondern einen der wesentlichen Schwerpunkte der Fakultät für Bauingenieurwesen abbilden.

„Die Fähigkeit zur Abstraktion und Interpretation zu wecken und zu verbessern, muß daher Ziel der zusätzlichen Ausbildung sein. … Jedoch impliziert in vielen Fällen die Modellbildung, also die Abstraktion, das später anzuwendende Rechenverfahren, so dass auch grundlegende Kenntnisse dieser Verfahren vom Ingenieur verlangt und die Ausbildung darauf abgestellt werden muß.“

Im darauffolgenden Jahr 1972 erscheint bereits das erste Heft der "Wiener Baubetriebs-und Bauwirtschaftsberichten als Institutsmitteilung, die als Vorläufer der späteren Institutsberichte gelten kann. In einem darin abgebildeten Interview mit der Zeitschrift „bau-intern“ erläuterte Prof. Jurecka die Aufgaben des neuen Instituts für Baubetrieb und Bauwirtschaft die in der Folge kurz dargestellt werden (5).

Der zum Zeitpunkt der Institutsgründung 1971 geltende Studienplan sah eine neunsemestri- ge Ausbildung mit rund 130 Semesterwochenstunden (SWS) Vorlesungen und 110 SWS Übungen als Pflichtveranstaltungen für alle Bauingenieurstudenten, zuzüglich von je 10 SWS Vorlesungen und Übungen als Wahlveranstaltungen vor. Die 10 SWS der Übungen umfass- ten jedoch nur die offiziellen Lehrkanzelstunden für die Betreuung dieser häuslichen Aufga- ben. Der vom Studierenden aufzuwendende Zeitaufwand für ihre Anfertigung bei den großen Konstruktionsübungen lag aber wesentlich höher, womit auch ein Anteil der erheblich größe- ren Studiendauer vieler Studierenden zu erklären war. Im Rahmen dieses alten Studienpla-

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nes standen dem Fach „Baubetrieb und Bauwirtschaft" nunmehr nach Errichtung der ein- schlägigen neugeschaffenen Lehrkanzel im Pflichtteil 3,0 SWS an Vorlesungen und im Wahl- teil je 10,0 SWS für Vorlesungen und Übungen zur Verfügung.

Im „Neuen Studienplan“ blieben zwar nominell die gesamten 250 SWS für Vorlesungen und Übungen erhalten, jedoch stellten nunmehr die ausgewiesenen Übungsstunden eine reale Zeitbelastung des Studierenden dar, was zu einer erheblichen Reduktion des tatsächlichen Übungsaufwandes und damit zu einer Reduktion der Studiendauer führen sollte. Außerdem wurde der Pflichtteil zu Gunsten des Wahlteiles reduziert. Die 250 SWS setzten sich wie folgt zusammen (Tabelle 1):

Im Rahmen dieses Studienplanes standen Vorlesungen Übungen Pflichtfächer 104 73 dem neuen Lehrgebiet „Baubetrieb und Wahlpflichtfächer 23 17 Wahlfreifächer 13 - Bauwirtschaft“ im Pflichtteil 6,0 SWS an Diplomarbeit - 20 Vorlesungen und die gesamten Wahl- Summe 250 140 110 Tabelle 1 Zeitbelastung im neuen Studienplan (5) pflichtfächer mit 23 SWS Vorlesungen sowie 17 SWS Übungen zur Verfügung. Im gewählten Wahlplan war eine Diplom- arbeit anzufertigen.

Der neue Studienplan sah erstmals 4 verschiedene Lehrgebiete bzw. Studienrichtungen vor: x Konstruktiver Ingenieurbau x Wasserbau x Verkehrswesen x Baubetrieb und Bauwirtschaft

Die Bedeutung, die der neuen Studienrichtung „Baubetrieb und Bauwirtschaft“ von Anfang an zugemessen wurde, ist an den geänderten Lehrinhalten und deren Umfang zu ermessen (Tabelle 2).

In dem Interview wurde die Frage gestellt, ob nicht die Gefahr einer Vernachlässigung der klassischen Ingenieurfächer zu Gunsten einer verstärkten Wirtschaftsausbildung bestünde. Prof. Jurecka beantwortete diese Frage nach seinem Verständnis der Erfordernisse der Bau- ingenieurausbildung: (5)

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„Es war meiner Meinung nach immer schon Aufgabe des Bauingenieurs, nicht nur technisch richtig und sicher zu konstruieren, sondern auch dabei auf die wirtschaftliche Ausführung Bedacht zu nehmen.“

Das neue Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft musste wegen Platzmangel im Hauptge- bäude in einer adaptierten Wohnung eines angekauften naheliegenden Altbaus in der Argen- tinierstraße 8/3.Stock/14 mit einer Fläche von 215 m2 untergebracht werden. Es umfasste ein Professorenzimmer, ein Sekretariatszimmer, drei Assistentenzimmer und einen Seminar- raum. An Personalstellen waren vorerst 2 Assistenten ganztags, 1 Assistent halbtags, 1 Sek- retärin und 1 Programmierer zugewiesen. Für 1973 waren ergänzend 2 weitere Assistenten ganztags und 1 technischer Zeichner zugesagt.

Alt Neu Studienplan Vorlesung Übung Vorlesung Übung Für die vier Studien- Pflichtfächer Bauverfahrenstechnik 2,0 - 4,0 - zweige wurde das Wirtschaftslehre des Baubetriebes 1,0 - 2,0 - Summe Pflichtfächer 3,0 - 6,0 - Lehrangebot in langen Wahlpflichtfächer Sonderverfahren der Bauproduktion 2,0 - 1,5 - Beratungen aufeinan- Tunnelbau - - 1,5 - der abgestimmt und Fertigteilbau und Fertigteilwerke - - 2,0 - Einrichtung von Baustellen - 4,0 - 4,0 der darauf basierende Kalkulation und Kostenrechnung 2,0 - 2,0 - Seminar Baustelleneinrichtung - - - 3,0 Studienplan wurde mit Baustellenpraktikum (Pflichtexkursion) - - - 3,0 Wahrscheinlichkeitsrechnung und - - 3,0 1,0 Erlass des Bundesmi- Statistik Ablaufplanung (Netzplantechnik) 3,0 3,0 3,0 3,0 nisteriums für Wissen- Operations-Research im Bauwesen 3,0 - 3,0 - Unternehmensspiel (Angebotsspiel) - 3,0 - 3,0 schaft und Forschung Bauwirtschaftslehre - - 2,0 - Unfallverhütung im Baubetrieb - - 1,0 - vom 12. Juli 1977 in Vertrags- und Grundbuchsrecht - - 2,0 - Arbeits- und Sozialrecht - - 1,0 - Kraft gesetzt. EDV-Anwendung im Baubetrieb - - 1,0 - Summe Wahlpflichtfächer 10,0 10,0 23,0 17,0 Tabelle 2 Lehrplan Baubetrieb und Bauwirtschaft im Studienplan 1973 (5)

Mit der Einführung des Studienzweiges Baubetrieb und Bauwirtschaft war eine bedeutende Zunahme an Lehrveranstaltungen für das Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft verknüpft. Als Folge dieser erfreulichen Entwicklung wurde mit Beginn des Studienjahres 1976/77 ein zweites Ordinariat installiert und das Institut in zwei Abteilungen geteilt. Diese umfassten nun die Bereiche „Bauwirtschaft und Planungstechnik“ sowie „Baubetrieb und Bauverfahrens- technik“. Die Abteilung „Bauwirtschaft und Planungstechnik“ wurde von Prof. Jurecka be- treut, für die Führung der Abteilung „Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik“ erfolgte zu die- sem Termin die Berufung von O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Wilhelm Reismann an das Institut.

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Mit Ende des Studienjahres 1980/81 schied Prof. Jurecka auf eigenen Wunsch mit Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren durch Pensionierung aus dem aktiven Dienst der Techni- schen Universität Wien. Im Rahmen einer Sponsionsansprache verabschiedete sich Prof. Jurecka im Sommersemester 1980 von seinen Studierenden. Die selbst gestellte Frage „wa- rum geht er jetzt schon in Pension und wartet nicht noch fünf Jahre bis zu seiner Emeritie- rung?“ beantwortete er gewohnt launig:

„Nun, es gibt für diesen Schritt ein ganzes Bündel mehr oder weniger wichtige Gründe. Den Wichtigsten will ich hier offen nennen. Wie Sie aus der kurzen Schilderung meines Lebenslaufes ersehen, habe ich bei keinem Arbeitgeber ein zehnjähriges Dienstjubilä- um gefeiert. Der Grund liegt darin, dass nach etwa zehnjähriger Tätigkeit eine solche zur Routine wird. Ich habe im Beruf nichts so sehr gehaßt, wie eine Routinearbeit. Mit der gesunden Neugier des Naturwissenschaftlers - zu dem ich auch alle Sparten der technischen Wissenschaften zählen möchte - ist eine Routine nicht vereinbar. Und es ist daher partout nicht einzusehen, warum ich bei meinem letzten aktiven Dienstver- hältnis anders hätte verfahren sollen“. (6)

Am 18. Dezember 1994 verstarb O.Univ.Prof. i.R. Dipl.-lng. Dr.techn. Walter Jurecka in Puch bei Hallein, kurz vor Vollendung seines 80. Lebensjahres. Er ist am Salzburger Kommunal- friedhof begraben.

1.3 Prof. Reismann prägt das Fach Baubetrieb

Dem beharrlichen Bemühen von Prof. Jurecka war die Einrichtung des zweiten Lehrstuhles für Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik zu verdanken, geführt von Prof. Reismann, womit es das erste Institut unter vergleichbaren im deutschsprachigen Raum wurde, an welchem zwei ordentliche Universitätsprofessoren für Forschung und Lehre auf dem Gebiet Baube- trieb und Bauwirtschaft wirken konnten.

Im Herbst 1976 hielt Prof. Reismann seine Antrittsvorlesung mit dem Titel „Die Rationalisie- rung der Bauausführung - Analytische Betrachtungen typischer Beispiele der letzten drei Jahrzehnte“. Die Vorlesung wurde auch als Sonderdruck aus der Fachzeitschrift "BAUMA- SCHINE+BAUTECHNIK", Heft 1, Januar 1977, veröffentlicht. Prof. Reismann stellt darin die Rationalisierung des Bauwesens als stetes Streben nach Verbesserung in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. In der Folge werden die von dem Erlebten und der Erfahrung des Vor- tragenden geprägten wesentlichen Aussagen auszugsweise wiedergegeben. (7)

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Die Bauausführung wird durch zwei Wissenszweige bestimmend beeinflusst: die Bau- verfahrenstechnik, die sich mit der Entwicklung und der optimalen Auswahl der Produk- tionsmittel befasst und die Baubetriebstechnik, die sich mit dem bestmöglichen Betrieb der jeweils einzusetzenden Produktionsmittel auseinandersetzt.

Nach Beendigung des zweiten Weltkrieges und einer kurzen Atempause setzte in Mit- teleuropa - und damit auch in Österreich - eine stürmische Entwicklung des Baubetrie- bes ein. Die Aufgaben, die durch den Wiederaufbau der zerstörten Städte, dem stark steigenden Verkehrsbedürfnis und dem damit zusammenhängenden wachsenden Energiebedarf, ausgelöst wurden, stellten eine Herausforderung für die mit dem Bau- betrieb befassten Ingenieure dar. Eine exemplarische Betrachtung der Bauausführung an typischen, vergleichbaren Bauvorhaben gibt das faszinierende Bild dieser Entwick- lung wieder. Die großen Kraftwerksbaustellen bieten sich zum Vergleich an. Die Bau- ausführung im Verlaufe der letzten drei Jahrzehnte lässt sich daher am Ausbau der Donaukraftwerke von Ybbs-Persenbeug bis Abwinden-Asten und der Speicherkraft- werke von Kaprun bis Kölnbrein außergewöhnlich transparent darstellen. Bei der Ana- lyse des umfassenden Begriffes Rationalisierung zeigt sich, dass dieser komplex und vielschichtig ist.

Die technische Komponente tritt sehr deutlich in den Vordergrund und soll daher an die Spitze der Betrachtungen gestellt werden; sie darf aber nicht isoliert gesehen werden. Sie erstreckt sich sowohl auf die Entwicklung der Bauverfahren als auch der Bauma- schinen, und aus der Fülle des Stoffes, der sich aus den letzten drei Jahrzehnten breit aufgefächert darbietet, seien nur einige charakteristische Arbeitsabläufe exemplarisch herausgeschält. Neben den umfangreichen Spezialtiefbauarbeiten die in dieser Phase eine steile Entwicklung durchliefen, richtet Prof Reismann sein Augenmerk auf den schweren Erdbau.

Die Kraftwerke Jochenstein, Ybbs-Persenbeug und Aschach kann man, vom Gesichts- punkt des Erdbetriebes aus gesehen, zusammenfassend betrachten. Der Charakter des Erdbetriebes wurde von der Kleinräumigkeit der Baugruben geprägt, und der ein- gesetzte Maschinenpark war durch Universalbagger mit Seilsteuerung und straßenzu- gelassene Lkw gekennzeichnet. Der auf der Baustelle Wallsee-Mitterkirchen einset- zende Trend in der Ausrüstung mit Erdbaumaschinen hielt konsequent bei den Bau- stellen der Donaukraftwerke Ottensheim-Wilhering, Altenwörth und Abwinden-Asten

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an. Die Maschinen wurden mit zunehmender Größe der Baugruben in ihrer Kapazität erweitert und erreichten auf der Baustelle Altenwörth den derzeit höchsten Stand.

Bauwerke werden von Menschen für Menschen geschaffen - und so wie jeder Produk- tionsvorgang hat auch der Baubetrieb seine sozialpolitischen Gesichtspunkte. Der kur- ze Querschnitt durch einige Arbeitsverfahren zeigt bereits deutlich den starken Trend zur Spezialisierung der Maschinen und damit zwangsweise auch all derer, die diese Maschinen bedienen. Und der Anteil jener, die die Maschinen bedienen, warten und reparieren, wurde und wird immer größer. Da auf den großen Bauvorhaben auch das Erstellen der Betonschalungen und der Bewehrungen, so wie alle Nebenleistungen in zunehmendem Maße von und mit den Maschinen bewältigt werden, ist längst die Fest- stellung gültig, dass sich die Bauarbeiter zu einer sehr vielschichtigen Berufsgruppe von Arbeitern mit speziellem Wissen und Können entwickelt haben. Viel zu häufig un- terbleibt noch die notwendige Unterteilung in einzelne Arbeitssparten, die jeweils eine sehr lange und wichtige Anlernzeit erfordern.

Die Leistung der Facharbeiter an den Baumaschinen und an den wesentlichen Bau- vorgängen wird durch die Übung so gesteigert, dass es unverständlich ist, wie wenig Interesse von maßgeblichen Personen dieser sozial-politischen Komponente bisweilen entgegengebracht wird. Die logische Folgerung einer hohen Leistung ist ja meist auch ein gutes Einkommen, womit Bruttonational- und Bruttosozialprodukt eines Landes durch eine gezielte Beschäftigungspolitik erheblich angehoben werden können.

Fragen der Rationalisierung können nicht zielführend behandelt werden, ohne die Ba- sis für die Rationalisierung, die betriebswirtschaftliche Komponente, nämlich das erfor- derliche Kapital, in die Überlegungen einzubeziehen. Die Leistung eines Menschen ist maximal mit 0,1 PS in Ansatz zu bringen. Auf einer modernen Kraftwerksbaustelle ver- fügt heute - je nach Struktur derselben - jeder Mann über 30 - 50 PS. Der Erdbau (al- lein betrachtet) erreicht die Größenordnung von 80 - 100 PS. Die Leistungsfähigkeit des einzelnen wächst damit auf die Werte des 500 – 1000 fachen an. Aus dem Ge- sichtspunkt betriebswirtschaftlicher Betrachtungen ist daher die Rationalisierung in ers- ter Linie eine Frage der Kontinuität des Einsatzes der unentbehrlichen Fachkräfte und der ebenso notwendigen Ausstattung an Maschinen und Anlagen der Baustellenein- richtung.

Die firmenpolitische Komponente besteht in erster Linie darin, dass sich auch die Un- ternehmungen in zunehmendem Maße spezialisieren müssen, da nur ein ausgewoge-

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nes Verhältnis zwischen der Kapazität der Bauunternehmungen und dem Arbeitsange- bot innerhalb eines Marktbereiches eine gesunde wirtschaftliche Basis darstellen kann. Das Interesse vieler Vertreter der Auftraggeber, einen nahezu unbeschränkten und überdimensionalen Kreis von Konkurrenten zu erhalten, führt zwangsweise zur Über- kapazität an Maschinen, verhindert die Spezialisierung, regt an, dass jeder Betrieb al- les, und wenn auch mit unzulänglichen Mitteln, produziert und ist somit die Wurzel für die Mängel aus einer unterbliebenen Umstrukturierung. Die daraus resultierenden Mehrkosten der Produktion zahlen letztlich über den Preis der Produkte die Auftragge- ber.

Geradezu prophetisch geht Prof. Reismann auch auf die kooperative Komponente des Baubetriebes ein. Aus den vorangegangenen Ausführungen geht hervor, dass ein Bauwerk das Produkt einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit des Bauträgers, des Finanzierenden, des Planenden und des Ausführenden ist. Bisweilen sind einige dieser Funktionen gekoppelt. Dies ändert nichts am Grundsätzlichen. Die Qualität des End- produktes hängt sehr wesentlich von der Bonität dieser Zusammenarbeit ab. Aus dem partnerschaftlichen Zusammenwirken über längere Zeiträume ergibt sich eine gegen- seitige Befruchtung, obwohl die Interessen nicht immer gleich gelagert sein müssen. Es wird schließlich die Erkenntnis Boden gewinnen, dass es sehr viele Interessen gibt, die einer gemeinsamen Zielsetzung unterliegen. Je länger daher eine Zusammenarbeit währt, desto intensiver wird sich das gemeinsame Streben in Richtung eines optimalen Produktes entwickeln.

Prof. Reismann durchlief eine ähnlich facettenreiche Berufslaufbahn wie Prof. Jurecka. Wil- helm Reismann wurde am 3. März 1924 in Sitzenberg-Reidling in Niederösterreich geboren. 1942 maturierte er an der Oberstufe der Realschule Wien IV. Die Jahre 1942 bis 1945 waren von Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft geprägt. Danach inskribierte er an der Techni- schen Hochschule in Wien, an der er 1951 das Studium des Bauingenieurwesens abschlie- ßen konnte. Im Februar 1950 trat Dipl.-Ing. Reismann in die Fa. Universale Hoch- und Tief- bau AG ein. Das erste Jahr arbeitete er als Statiker für die Baustellen Dampfkraftwerk St. Andrä und den Wiederaufbau der Wiener Staatsoper. Im März 1951 begannen die Arbei- ten für die Talsperren in Kaprun, wo er als Bauführer eingesetzt wurde. Die erste große Bau- stelle in Österreich, die von den Baumaschinen geprägt war. In der Folge durchlief W. Reis- mann zwischen 1955 und 1961 die klassische Bauleiterkarriere im schweren Tiefbau beim Donaukraftwerk Ybbs-Persenbeug, dem Kraftwerk Hochalmsperre Reißeckgruppe und dem Innkraftwerk Schärding-Neuhaus. Ein Jahrzehnt nach dem Baubeginn an der Sperre

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Mooserboden in Kaprun, im April 1961 wurde in Tirol eine weitere Großbaustelle im Hochge- birge begonnen, mit den Staudämmen Gepatsch und Durlaßboden. Diesen Start hatte Wil- helm Reismann als Bauleiter zu vollziehen. Auf einer Seehöhe von rund 1.800 m erforderte der Staudamm mit einem Schüttvolumen von über 7 Mio m³ eine angemessene Zeit zum Einrichten der unzugänglichen Baustelle.

Von 1965 bis 1967 war dann Dipl.-Ing Reismann für die Großbaustelle des Donaukraftwer- kes Wallsee-Mitterkirchen verantwortlich. Auch hier dominierte die riesige Baustelleneinrich- tung, die vielen Kräne und die unzähligen LKWs, die gigantische Massenbewegungen zu vollführen hatten. Der Umgang mit maschinenintensiven Großbaustellen prägte den jungen Bauingenieur und bildete den Grundstein der außerordentlichen Praxiserfahrung im techni- schen, personellen und wirtschaftlichen Management von komplexen, hochgradig maschinell ausgestatteten Baustellen.

In Salzburg kreuzten sich die Wege des späteren Universitätsprofessors Wilhelm Reismann als Geschäftsführer der ARGE Stadion Lehen und des späteren Universitätsprofessors Wolfgang Oberndorfer, der als Statiker des vorgespannten, doppelt gekrümmten Schalenda- ches tätig war. Beide Bauingenieure rangen gemeinsam um die Durchsetzung von Mehrkos- tenforderungen gegenüber dem Bauherrn. In einer weiteren schicksalhaften Verkettung von Zufällen ergab sich, dass im nachfolgenden Schiedsgericht der Institutsgründer, Prof. Ju- recka als Schiedsrichter fungierte.

Den Aufstieg in die Führungsebene brachte mit Jänner 1968 der Wechsel zur Baugesell- schaft H. Rella & Co, wo Dipl.-Ing. Reismann als technischer Direktor die Leitung der Tief- bauabteilung und die Funktion eines Geschäftsführers in Arbeitsgemeinschaften zahlreicher großer Tiefbaustellen übernahm. Unter anderen seien die Donaukraftwerke Ottesheim- Wilhering, Altenwörth und Abwinden-Asten ebenso genannt wie die Speicherkraftwerke Zemm, Malta und Zillergründl. Eine besondere Herausforderung im Hohlraumbau stellte der Bau der größten unterirdischen Kraftwerkskaverne des Pumpspeicherwerkes Waldeck II in Hessen dar. Aber auch die Geschäftsführungen anderer komplexer Bauwerke wie die Do- naubrücken Krems und Hainburg, die Wiener U-Bahnbaulose U1 Favoritenstraße und U2 Schottentor sowie das Kernkraftwerk Zwentendorf im Tullnerfeld forderten den ganzen Mann.

Dennoch konnten ihn diese großen Herausforderungen nicht vollständig auslasten. Er be- gann sein enormes Wissen und seine Erfahrung in einer wissenschaftlichen Arbeit niederzu- legen. Mit der an der Technischen Universität Karlsruhe bei Prof. Dr.-Ing. Günter Kühn ein-

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gereichten Dissertation „Kostenerfassung im maschinellen Erdbau“, gelang Dipl.-Ing Wilhelm Reismann der Sprung zu wissenschaftlichen Weihen. Am 19. Jänner 1973 wurde diese neu- erliche anspruchsvolle Aufgabe trotz größter beruflicher Anspannung mit der Promotion zum Doktor der Technischen Wissenschaften gekrönt. Mit mehr als 25 Jahren praktischer Erfah- rung in den klassischen Führungsfunktionen der Bauindustrie zwischen 1950 und 1976, nach einer Bilderbuch-Karriere als Praktiker im Management der auf den anspruchsvollen Ingeni- eurtiefbau ausgerichteten Bauunternehmung Rella und darüber hinaus mit dem für diese Ingenieurkarriere sehr seltenen Nachweis der wissenschaftlichen Qualifikation, war Dr. Reismann im Alter von 52 Jahren hervorragend prädestiniert für das gleichermaßen zur Wis- senschaft wie zur Ingenieurpraxis orientierte Ordinariat für Baubetrieb und Bauverfahrens- technik.

Dipl.-Ing. Dr.techn. Wilhelm Reismann wurde am 1. März 1976 als ordentlicher Universitätsprofessor für das neu er- richtete Ordinariat „Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik“ an das Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft der Techni- schen Universität Wien berufen. Er wirkte 16 Jahre lang bis zu seiner Emeritierung mit sehr vielfältigen Aufgaben als Ordinarius, Dekan, Gutachter, Schiedsrichter, Konsulent im In- und Ausland. Da die Firma Rella auf die außerordentli- chen Erfahrungen von Prof. Reismann auch nach seinem Wechsel an die Technische Hochschule Wien nicht verzich-

ten wollte, behielt er seine Führungsfunktionen in diversen Arbeitsgemeinschaften bei. Abb. 2 Prof. Wilhelm Reismann

In diesem Zusammenhang begegneten einander Prof. Reismann und sein späterer Nachfol- ger, Dipl.-Ing Jodl.

Dieser war als Bauleiter des Wiener Donauhoch-Wasserschutzprojektes Entlastungsgerinne – Neue Donau bei der Firma Porr tätig. Für die Arbeitsgemeinschaft Porr–Rella–Wibeba war Prof. Reismann Mitglied des Firmenrates und besuchte mit seinen Studenten mehrfach diese größte Erdbaustelle und später die Großbaustellen der Wiener U-Bahn.

Prof. Reismann vertrat stets die Meinung, dass nur profundes Wissen auf breiter Basis des Bauingenieurwesens die erste Voraussetzung ist, um im Baubetrieb überleben zu können. Als zweite Voraussetzung postulierte er das ununterbrochene Streben, die Rationalisierung der Produktion voranzutreiben. Jeder Arbeitsablauf ist ständig zu analysieren und in Rich-

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tung minimaler Produktionskosten zu korrigieren. Diese Optimierung der Bauverfahren und die Minimierung der Kosten muss ein erfolgreicher Baumanager jedem Mitarbeiter als Leitfa- den vermitteln. In tiefgründiger Betrachtung sah der erfahrene Bauingenieur das Streben nach dem richtigen Preis, hierbei vergleichbar mit dem Versuch, das perpetuum mobile zu erfinden, wobei er meinte, dass es zwar beides nicht gibt, aber das Streben danach fortge- setzt wird, vorwiegend von Personen denen das Basiswissen dazu fehlt.

Abseits seiner Karriere in der Bauindustrie konnte er sich in der Folge den Herausforderun- gen des Universitätsmanagements nicht entziehen. Prof. Reismann wurde 1986 zum Dekan der Fakultät für Bauingenieurwesen gewählt und hatte diese Funktion über 2 Perioden bis 1991 inne. In dieser Zeit konnte Prof. Reismann vieles zu Gunsten der Fakultät bewirken. Es gelang die Nachbesetzung der jahrelang verwaisten Professur für Straßenbau, in der Nach- folge des verstorbenen Ordinarius Prof. Petrovics mit Prof. Johann Litzka ebenso, wie die Neustrukturierung der Wasserbauordinariate, die durch Änderungen der Anforderungen an Lehre und Forschung notwendig und durch Emeritierungen möglich wurde.

Besonderen Verdienst für das Institut erwarb sich Prof. Reismann mit der Übersiedlung der in der Außenstelle Argentinierstraße gelegenen Teile des Instituts für Baubetrieb und Bau- wirtschaft in das neue gemeinsame Institut im Erdgeschoß des Karlsgassentraktes des histo- rischen Hauptgebäudes der Technischen Universität Wien. Die hierzu notwendige Überwin- dung aller bürokratischen, verwaltungstechnischen und budgetären Hindernisse, deren es vermutlich mehr als genug gab, gelang Prof. Reismann wohl nur mit dem Einsatz der ihm eigenen Energie und Durchsetzungskraft.

Prof. Reismann galt als ein absoluter Purist. Er sagte einmal,

„jeder unnötige Zettel vermittelt lediglich den Eindruck von Scheingeschäftigkeit und verhindert die Auseinandersetzung mit den wesentlichen Dingen“.

Legendär war sein stets aufgeräumter und vollkommen leerer Schreibtisch. Prof. Reismann hat dem damals noch jungen Fach „Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik“ nachhaltig Stil, Inhalt und Richtung gegeben. Seine ausgezeichneten Kontakte zur Bauindustrie und seine reiche eigene Erfahrung vermittelten den Hörern ein realistisches Bild der praktischen Um- setzung des Baugeschehens. Seine Expertise war in der Fachwelt stets gefragt.

Die Verabschiedung von O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Wilhelm Reismann am 28. Sep- tember 1992 im Rahmen einer Feier am Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft, stand ganz

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im Zeichen der Verbindung von Bauwirtschaft und Universität. Rund 30 Manager der Bau- wirtschaft zwischen 55 und 80 Jahren aus jener Generation in der er wirkte und so dominier- te, trafen sich - wohl einzigartig – an seinem Institut, um mit ihm alte Zeiten und Erinnerun- gen noch einmal zurückzurufen und um der nächsten Generation eine Idee davon zu geben, wie hart es nach dem Krieg war zu studieren und seinen Lebensweg zu gehen, und wie be- glückend ein erfülltes Berufsleben ist. Den Abschluss der gelungenen Feier bildete die Über- gabe eines Lederbandes mit allen seinen zahlreichen Veröffentlichungen in in- und ausländi- schen Fachzeitschriften. Darüber hinaus wurde nach der Idee seiner Assistenten auch eine Torte in Form der einer seiner Baustellen, der Kölnbrein-Sperre im Kärntner Malta Tal ange- fertigt. Die Inschrift darauf lautete in Anspielung an sein ingenieurmäßiges, rationales Den- ken, welches keine blumigen und inhaltslosen Worte schätzte:

„Prosa liebt Herr Reismann nicht, darum steht hier ein Gedicht. Sperren war'n sein Lebenswerk und zugleich sein Steckenpferd. G'sundheit wünschen wir am Schluß unserem Herrn Emeritus!“

Am 1. Oktober 1992 emeritierte Prof. Reismann und übergab den Lehrstuhl mit nahtlosem Übergang an Prof. Jodl als seinen Nachfolger.

In seiner geradezu typischen Art kommentierte er die Einladung zum akademischen Festakt im Festsaal der TU Wien am 2. März 2004 anlässlich seines 80ten Geburtstages trocken:

„leider muss ich heute tatsächlich anwesend sein, kann ich mich doch als Hauptperson der Festlichkeit nicht entziehen“.

Obwohl Prof. Reismann solche gesellschaftliche Aktivitäten wenig schätzte, war er ganz si- cher von seiner Ehrung sehr angetan. Am 10. September 2009 verstarb Prof. Wilhelm Reis- mann im 86ten Lebensjahr. Er ist am Friedhof Hietzing begraben. (8)

1.4 Prof. Oberndorfer etabliert die Bauwirtschaft

Als Nachfolger von Prof. Jurecka wurde per 1. April 1981 O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Wolfgang Oberndorfer zum Ordinarius für Bauwirtschaft und Planungstechnik am Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft der TU Wien berufen. In der Folge soll ein Auszug aus seinem erfüllten Leben den Menschen, Ingenieur und Professor, wenn auch nur unvollkommen, be- schreiben. (9)

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Am 28. Februar 1941 wird Wolfgang Oberndorfer in Steyr/OÖ als ältester Sohn des Bauin- genieurs Dipl.-Ing. Karl Oberndorfer und seiner Frau Anneliese geboren. 1959 inskribiert er das Studium des Bauingenieurwesens an der Technischen Hochschule Wien, Studienzweig konstruktiver Ingenieurbau. 1964 schließt Wolfgang Oberndorfer das Bauingenieurstudium am Beginn des 10. Semesters als Diplomingenieur für Bauwesen in Rekordzeit ab. Im Herbst 1964 inskribiert er ein postgraduales Studium an der University of California in Ber- keley, Division of Structural Engineering and Structural Mechanics und nimmt dort die Tätig- keit als Lehr- und Forschungsassistent auf. Bereits im Juni 1965 schließt er sein kaliforni- sches akademisches Abenteuer mit der Graduierung zum Master of Science M.S. mit einer Diplomarbeit über "Die zeitabhängige Veränderlichkeit der mitwirkenden Plattenbreite von Verbundträgern" ab.

Das Berufsleben beginnt für ihn im Oktober 1965 mit dem Eintritt in die VOEST/Stahlbau in Linz als Statiker. Der Job scheint ihn nicht sonderlich gefreut zu haben, da er bereits nach einem schwachen halben Jahr im März 1966 zur Firma Mayreder, Kraus & Co. wechselte und dort unverzüglich als Abschnittsbauleiter für die Spannbetonarbeiten an der Donaubrü- cke Grein eingesetzt wurde. Diese Baustellenzeit war zwar mit etwas mehr als einem Jahr nur kurz, aber offenbar hart und einprägsam genug, um bis heute ein bleibendes Verständnis für die Belange und Probleme der Baustellen vor Ort zu vermitteln. Berufung zum Bauleiter verspürte Wolfgang Oberndorfer keine, in dieser frühen Entwicklungsphase fühlte er sich selbst im rauen Baustelleneinsatz nicht ganz ausgelastet.

Bereits im Dezember 1966 promoviert Dipl.-Ing. M.S. Wolfgang Oberndorfer zum Doktor der technischen Wissenschaften an der Technischen Hochschule Wien mit einer Dissertation über "Zylindrische Sandwichschalen mit viskoelastischem Füllmaterial unter Mitwirkung eines Temperaturgradienten". Zu dieser Zeit hatte er zur Bauwirtschaft noch wenig Bezug, seine ganze Aufmerksamkeit galt der konstruktiven Linie des Bauingenieurs. Die nächsten drei Jahre jobbte Dr. Oberndorfer bis Anfang 1970 bei Mayreder wieder als Statiker. Gemeinsam mit DI Metz, vom heute gleichnamigen Büro Metz & Partner, teilt er zunächst ein Jahr lang Schreibtisch und Zimmer in Wien an der Rossauer Lände und rechnet Einspanngrade von Fahrbahnplatten in Stege von Verbundbrücken. Aus dieser Partnerschaft erwächst eine dau- erhafte Freundschaft. Auch persönlichen Verführungen musste Wolfgang Oberndorfer wider- stehen. Eines Tages kamen Zeugen Jehovas in das Büro und wollten ihn und seinen Kolle- gen Metz bekehren. Da diese weder Bauleiter noch Statiker waren und vom Brückenbau rein gar nichts verstanden, konnten sie keinen Erfolg verbuchen, Wolfgang Oberndorfer blieb weiterhin streng katholisch.

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Diese erste Phase des Statikers wandelt sich in den nächsten Jahren zusehends zur zweiten Phase des konstruktiv orientierten EDV-Spezialisten. Dem Schlagwort "in Linz beginnts" fol- gend, beginnt er 1968 bei Mayreder in Linz ein Rechenzentrum aufzubauen. Gelangweilt von den eintönigen händischen Rechnereien entwickelt er als einer der Ersten ein voll integrier- tes Programm für die Dimensionierung von Spannbetonbrücken auf Lochkartenbasis, wobei er selbst die erforderlichen Spannungsnachweise programmiert. Der erste praktische Einsatz erfolgte 1970 bis 1972 erfolgreich beim Bau der Donaubrücke Melk. Zwischendurch leistet er noch in zwei Etappen den Präsenzdienst und schraubt seine militärische Karriere bis zum Gefreiten der Reserve hoch.

Auch das Bundesheer konnte ihn nicht wirklich voll auslasten und so beschließt Wolfgang Oberndorfer 1969 seine Partnerin Christine zur Frau zu nehmen. Was er tut, tut er wohl überlegt und konsequent, sodass es nicht weiter verwundert, dass aus dieser Ehe drei Kin- der sprossen - 1969 Tochter Birgit, 1971 Sohn Christian und 1974 Sohn Georg. Seine Fami- lie schätzt er über alles. Immer wieder nimmt er seine Kinder auf Wanderungen mit, um ihnen die Schönheit der Bergwelt zu vermitteln und sie den Atem der Natur und ihre Majestät spüren zu lassen. Alle drei sind heute wohlbestallte Diplomingenieure der Architektur, des Bauingenieurwesens und der Verfahrenstechnik.

Da ihn das alles offenbar zu wenig forderte, erwarb er 1970 die Befugnis eines Zivilingeni- eurs für Bauwesen und wurde 1971 zum ständig beeideten Gerichtssachverständigen für Bauwesen bestellt. Diese Aufgaben üben bis heute eine starke Faszination aus. Zwischen 1970 und 1976 jobbt der vielseitige und nunmehr verehelichte junge Dr. Oberndorfer nach einem Karrieresprung als Leiter der Abteilung Informationstechnik bei Mayreder in Linz. Längst feilt er jedoch an seiner wissenschaftlichen Karriere und habilitiert sich im Juni 1975 mit der Habilitationsschrift "EDV-Informationssysteme in der Bauindustrie" zum Dozenten mit der „venia legendi“ für "Informationssysteme in der Bauwirtschaft" an der Technischen Hoch- schule Wien. Langsam aber zielsicher tritt der wandlungsfähige Akademiker aus der zweiten Phase des EDV-Spezialisten in die dritte Phase des Bauwirtschaftlers ein. Im September 1976 wechselt er zur Baufirma Stuag nach Wien als Leiter der Abteilung Betriebsorganisati- on.

Offenbar weiterhin nicht voll ausgelastet, nimmt Dr. Oberndorfer im März 1977 als Dozent die Vorlesungstätigkeit für "Baustellen- und Betriebsanalyse" als Wahlpflichtfach für die Stu- dienrichtung Baubetrieb und Bauwirtschaft auf. Da er seine Sache bei Stuag trotz Mehrbe- lastung durch universitäre Lehrtätigkeit offenbar sehr gut macht, wird ihm 1978 die Prokura

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verliehen. Zusätzlich übernimmt er den Posten als Leiter der Abteilung Technischer Innen- dienst. Trotz rasanter Firmenkarriere in der Privatwirtschaft ist für den geübten Bergsteiger Wolfgang Oberndorfer der akademische Höhenflug nicht aufzuhalten.

Auf Grund seiner Erfahrungen in der Planung von Ingenieurbauwerken und in der EDV- Organisation wird er mit 1. März 1981 als Ordentlicher Universitätsprofessor für Bauwirt- schaft und Planungstechnik zum Nachfolger von Prof. Walter Jurecka an das Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft der Technischen Universität Wien berufen. Zwischenzeitlich ist der Name Prof. Oberndorfer zu einem "eingetragenen Markenzeichen" in der Bauwirtschaft geworden. Um das auch den Schweizern klarzumachen, schiebt er 1987 noch ein Sommer- semester als Gastdozent an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich ein, als Vertreter des abwesenden Prof. Pozzi. Den vorläufigen Abschluss seines eindrucksvollen Karrieremarathons bildet 1995 die Ablegung der Baumeisterprüfung vor der Bundesinnung der Baugewerbe in Wien. Mit dieser Geste wollte er seine Verbundenheit mit dem Bauge- werbe ausdrücken.

Zwischen 1966 und 2001 hat Wolfgang Oberndorfer insgesamt 108 Publikationen veröffent- licht. Die Zeit zwischen 1966 und 1970 ist fast ausschließlich Publikationen aus dem Bereich des konstruktiven Ingenieurwesens gewidmet. Ab 1970 beginnt in den Veröffentlichungen die Elektronische Datenverarbeitung für etwa 15 Jahre zu dominieren, wenn auch der Hang zum Konstruktiven immer wieder durchschlägt. Ab 1984 tritt der Bauwirtschaftler deutlich in den Vordergrund und löst den Statiker und den EDV-Spezialisten weitgehend ab. Jetzt scheint W. Oberndorfer seine wahre Berufung entdeckt zu haben, woran natürlich sein Wir- ken als Universitätsprofessor im einschlägigen Fach maßgeblichen Anteil hat. Auch die Her- ausgabe von etlichen Büchern zeugt vom Fleiß und dem wissenschaftlichen Engagement des Herrn Professor Oberndorfer. Zwischen 1970 und 2000 hielt er insgesamt 44 Vorträge unterschiedliche nationale und internationale Vorträge. An insgesamt 17 Forschungsprojek- ten war Wolfgang Oberndorfer zwischen 1976 und 2000 maßgeblich beteiligt oder hat sie geleitet.

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Bemerkenswert ist neben der fachbezogenen Tätigkeit das soziale Engagement des Wolfgang Oberndorfer. Schon kurz nach der Inskription an der Technischen Hochschule war ihm das Eintreten für eine gerechte Verteilung der Budgetmittel ein persönliches Anliegen. Seiner Bestimmung durch die Gestirne folgend, fühlt er sich den Bedürftigen und Schwachen zugetan und verpflichtet. Seit vielen Jahren widmet er sich der Be- treuung der Obdachlosen in der so genannten "Gruft", unter der Mariahilfer Kirche in Wien, verteilt dort Ge- schenke oder organisiert kostenlose Theatervorfüh-

rungen mit prominenten Künstlern. Abb. 3 Prof. Wolfgang Oberndorfer

Sogar sein liebstes Hobby, das Bergwandern widmet er den "Gruftlern", wie er sie liebevoll nennt, die ihm seinen selbstlosen Einsatz für die gute Sache mit Respekt und Hochachtung danken. Den Kindern zugetan, engagiert er sich im fernen Indien an einem Entwicklungshil- feprojekt einer Vorschule im Ort Puvi. In Südamerika, in der Ortschaft San Martinho bei Rio de Janeiro widmet er sich einem Sozialprojekt, einem Straßenkindergarten.

Sein rastloser Geist findet jedoch am besten Entspannung in der Ausübung sportlicher Tä- tigkeiten, im Erklimmen seiner geliebten Berge. Sogar vor der Besteigung des, nahe seinem Refugium in Radau am Wolfgangsee gelegenen, Berges mit dem Namen "Jodlstein" schreckte er nicht zurück. Er hat die berühmte und anstrengende Höhenschitour "Haute Rou- te" im Mont Blanc Gebiet mehrmals bezwungen, den Mont Blanc selbst ebenso wie die Marmolada in den Dolomiten. Die Bergeinsamkeit, die Selbstüberwindung genauso wie die Schönheit der kaum berührten Bergwelt sind ihm Herausforderung und Befriedigung zu- gleich. Den Gipfel seines Hausberges Zimnitz hat er 80 mal bestiegen. Von seinen Assisten- ten wird er wegen seiner überragenden und dennoch unaufdringlichen Fachkompetenz ebenso geschätzt, wie sein ruhiger und überzeugender Führungsstil, der seine Mitarbeiter zu Höchstleistungen motiviert.

Die herausragende vielschichtige Persönlichkeit von Wolfgang Oberndorfer mag abschlie- ßend mit drei Zitaten aus der Literatur wenn auch unvollkommen gezeichnet werden.

In der 235. Sentenz des Publilius Syrus steht geschrieben:

Ibpm - Institutsbericht 2012 31 40 Jahre Entwicklung vom Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft zum Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement

Inopi beneficium bis dat, qui dat celeriter. Dem Armen gibt eine doppelte Wohltat, wer schnell gibt.

Den Satiren des Horaz, 35 v. Christus entnehmen wir:

Est modus in rebus, sunt certi denique fines. Es ist Maß und Ziel in den Dingen, es gibt schließlich bestimmte Grenzen.

Friedrich Schiller schreibt in seinem Gedicht "Die Taten der Philosophen" in der Schlussstro- phe: Doch weil, was ein Professor spricht, nicht gleich zu allen dringet, so übt Natur die Mutterpflicht und sorgt, dass nie die Kette bricht, und dass der Reif nie springet. Einstweilen, bis den Bau der Welt Philosophie zusammenhält, erhält sie das Getriebe durch Hunger und durch Liebe.

Der Neuzugang von Prof. Oberndorfer und die Erfahrungen von Prof. Reismann im Lehrbe- trieb des Studienzweiges Baubetrieb und Bauwirtschaft seit 1976 führten zu einer Überarbei- tung des Angebotes an Lehrveranstaltungen, dessen Ergebnis mit Erlass vom 29. Dezember 1981 vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung bestätigt wurde. (10)

In diese Jahre fällt auch die Etablierung des Studienzweiges Baubetrieb und Bauwirtschaft zu einem dominierenden Element in der Ausbildung der Bauingenieurstudenten, wie der ers- te Beitrag dies näher aufzeigt. Die standespolitische Bedeutung dieser verstärkten Orientie- rung des Bauingenieurs an den Erfordernissen der Baudurchführung und an den Erforder- nissen einer wirtschaftlichen Betriebsführung wird wohl erst die Zukunft zeigen.

Der Studienzweig Baubetrieb und Bauwirtschaft zeigte steigende Beliebtheit und hielt unan- gefochten den 2. Platz nach dem klassischen konstruktiven Ingenieurbau. Zur Betreuung der 37 Diplomarbeiten seit der Studienreform standen zwei Professoren und sechs Assistenten zur Verfügung. Naturgemäß lag die Anzahl der Promovenden am Ende der Reihung, was bei der Praxisnähe und Theorieferne des betreuten Wissensgebietes nicht verwunderlich ist. Für Assistenten ein Dissertationsthema zu finden ist nicht leicht, wie die sieben Assistenten be- weisen, die das Institut zwischen 1980 und 1985 ohne Doktorat verließen. Von den neun Promovenden in den Jahren 1980 – 1985 waren fünf Assistenten, vier kommen aus der Pra- xis, davon zwei aus Baufirmen, einer aus einem Planungsbüro, einer aus einer Bauherrnor- ganisation.

32 Ibpm - Institutsbericht 2012 40 Jahre Entwicklung vom Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft zum Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement

Der Aufschwung des Studienzweiges Baubetrieb und Bauwirtschaft gab den Professoren zu denken. Als Ursachen wurden mögliche Gründe in einer Reihung ohne Wertung identifiziert: x Vermittlung praktischen Wissens über die Baudurchführung und den Baubetrieb. Es be- friedigt den Hörer anscheinend nicht mehr, nur zu wissen, wie man plant. Die Realisie- rung der Planung, zumindest die Planung der Realisierung wird als essentiell erkannt und als Ingenieuraufgabe gesehen. x Vermittlung vertragsrechtlicher und betriebswirtschaftlicher Kenntnisse. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass der Ingenieur dem Juristen und Betriebswirt sich ausliefert, wenn er nicht auch die Sprache der Verträge und Melodie der Preisbildung und Kostenrechnung versteht. x Vermittlung von Wissen über professionelles Projektmanagement und Kennenlernen diesbezüglicher Methoden. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass der Bauingenieur sich nicht nur auf die Planung und Berechnung von Ingenieurbauwerken beschränken darf, sondern in unserer Gesellschaft eine Servicefunktion hat, in Verfolgung derer er voll in die vernetzten Strukturen komplexer Planungsmechanismen einzusteigen hat und als derjenige, der bei Bauprojekten von der Technologie am meisten versteht, auch am prä- destiniertesten ist, dieses Produkt zu verkaufen, seine Erstellung zu überwachen und schlussendlich dem Bauherrn zur Nutzung und Befriedigung seiner Bedürfnisse zu über- geben.

Die Vermutung mancher Neider, dass die Prüfungen aus den angebotenen Lehrveranstal- tungen des Instituts leichter wären, als aus den Lehrveranstaltungen der anderen Studien- zweige und dass dies die Ursache für den Zustrom in diesen Studienzweig sei, wurde aus- geschlossen. Die Durchfallquoten bewegten sich im üblichen Rahmen und Umfragen unter den Studenten ließen ebenfalls keinen derartigen Verdacht aufkommen.

Prof. Oberndorfer merkte an, dass die Bauingenieure die einzigen sind, deren Anzahl seit 1972 praktisch konstant blieb, während alle anderen Fakultäten steigende Tendenz aufwie- sen. Er stellte die Frage, ob nicht noch wesentlich mehr in Hinblick auf eine bessere Ausbil- dung der Bauingenieurstudenten getan werden sollte. Bisher hatte eher die Ansicht überwo- gen, dass der Bauingenieur alles das, was er auf der Hochschule nicht lernt aber im prakti- schen Berufsleben braucht, in der Praxis dazulernt. Aus diesem Grund wurden Theorie und Ingenieurfächer sehr stark betont. Wenn der Bauingenieurstand nicht noch weiter an Bedeu- tung verlieren soll, wird man wohl oder übel die Ausbildung noch breiter gestalten und mit dem gleichen Argument von vorher dem Bauingenieur zutrauen müssen, dass er sich einige

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Teile der Theorie oder speziellen Ingenieurwissens in der Praxis dazu erwirbt, wenn er es braucht. Die klassischen Bauingenieuraufgaben werden immer weniger, während jene Auf- gaben die eine Diversifikation und Vielseitigkeit verlangen, zunehmen. (11)

Im Institutsbericht 2002 nimmt Prof. Oberndorfer eine Analyse des Begriffes Bauwirtschaft vor. In der wichtigsten Wortbedeutung ist die Bauwirtschaft der Teil der Volkswirtschaft, in der Wirtschaftssubjekte mit Dienst- und Produktionsleistungen die baulichen Wünsche der Menschen und Institutionen einer Staatsgemeinschaft befriedigen. Dieser Vorgang spielt sich in der Marktwirtschaft ab, unter der Prämisse, dass Arbeit, Güter und Geld in einer heraus- gegriffenen Zeitperiode begrenzt sind. Die 3 Gruppen der anbietenden Wirtschaftssubjekte sind im Wesentlichen die ausführenden Unternehmungen, die planenden Büros und die insti- tutionalisierten Bauherren. Manchmal werden in einer unbewussten Begriffseinengung unter Bauwirtschaft nur die ausführenden Unternehmungen verstanden.

O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Wolfgang Oberndorfer M.S. verließ auf eigenen Wunsch das Institut vorzeitig mit 29. Februar 2004 und trat in den wohlverdienten Ruhestand. Er blieb dem Institut auch weiterhin verbunden und geht seiner Gutachtertätigkeit für die Bauwirt- schaft ungebrochen nach.

Die rechtzeitige Ausschreibung der Nachfolge, das zügig durchgeführte Berufungsverfahren und die wohlwollend rasche Bestellung durch Rektor Magnifizenz Skalicky ermöglichten den Dienstantritt von Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Andreas Kropik mit Wirkung vom 1. März 2004 und gewährleisteten damit einen nahtlosen Übergang im Fachgebiet Bauwirtschaft.

1.5 Der Baubetrieb mit Prof. Jodl

Am 1. Oktober 1979 folgte O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Hans Georg Jodl nahtlos seinem Vorgänger Prof. Wilhelm Reismann am Lehrstuhl für Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik nach. Ein Wechsel im Berufsleben stellt immer einen tiefen Einschnitt, einen Wendepunkt aus der Sicht des Betroffenen dar. Der Umstieg von einer gehobenen Führungsposition in der Bauwirtschaft in die vollkommen andersartige Berufslaufbahn eines ordentlichen Univer- sitätsprofessors für Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik an der Technischen Universität Wien war zweifellos einschneidend. Das gewohnte, wenn auch reduzierte, Engagement im privatwirtschaftlichen Baugeschehen blieb jedoch über einen längeren Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren bestehen. Eine kurze Beschreibung soll die Laufbahn von Prof. Jodl skiz- zieren. (12)

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Geboren am 29. Juni 1947 in Wien, Studium an der Technischen Hochschule Wien des Bau- ingenieurwesens, Wahlausbildung Wasserbau mit Studienabschluss 1976. Anschließend Berufseintritt als Bautechniker bei der Allgemeinen Baugesellschaft - A. Porr AG in Wien. Durchlaufen einer klassischen Entwicklung zum Bauleiter, Oberbauleiter, Gruppenleiter, Ab- teilungsleiter, Prokurist und Geschäftsführer. Neben der Berufstätigkeit ein Doktoratsstudium ab 1989 und Promotion zum Doktor der technischen Wissenschaften 1991. Berufung zum O.Univ.Prof. für Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik an die Technische Universität Wien mit Wirkung vom 1. Oktober 1992.

Die berufliche Laufbahn bei der Baufirma Porr entsprach im Wesentlichen dem klassischen Berufsbild des praxisorientierten Bauleiters. Die Vielzahl und Verschiedenheit der Aufgaben und Erfahrungen stellt letztlich auch eine gute Grundlage für die praxisnahe Lehre der Bau- verfahrenstechnik, sowie die Vermittlung von relevanten bau- und führungstechnischen Er- fahrungsinhalten an die Studierenden des Bauingenieurwesens, dar.

Unmittelbar nach dem Berufseintritt begann der Weg als Techniker auf Baustellen wie Tauerntunnel, Kölnbreinsper- re, erster Auslandseinsatz 1976/77 im beim Bewässe- rungsprojekt Pishin in Südostbelutschistan/Iran. Danach Einsatz beim Arlbergtunnel West, später Stollenbauleiter beim Schachtkraftwerk Fulpmes der ÖBB. Der zweite Aus- landseinsatz 1978 beim Staudamm Pishin/Iran erfolgte diesmal als Bauleiter, wobei der Abbruch im Frühjahr 1979 revolutionsbedingt erzwungen wurde. In der Folge Erd- und Wasserbau beim Entlastungsgerinne in Wien als Bau- leiter bis Mitte 1983.

Abb. 4 Prof. Hans Georg Jodl

Es folgten drei technisch sehr anspruchsvolle Großbaustellen der Wiener U-Bahn in der Funktion des Bauleiters, Baulos U-6/1 Pottendorfer Straße als Pilotprojekt für den Tunnelbau im städtischen Bereich Wiens nach den Prinzipien der Neuen Österreichischen Tunnelbau- methode NATM, Baulos U-3/6+7 Stubentor mit Tunnelvortrieb unter Druckluft im set- zungsempfindlichen innerstädtischen Bereich, und das Baulos U-3/13 Westbahnhof.

Nach Berufung in die Zentrale der Porr 1989 Tätigkeit als Gruppenleiter und Geschäftsführer bei diversen Baustellen im Rahmen der Abteilung Erdbau und Gründung der Porr-Kröpfel

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Mulden Service GmbH zur Abfuhr und Entsorgung von Sonderabfall. Ab 1990 Leitung der Abteilung Tunnelbau und Geschäftsführung verschiedener Tunnelbaustellen in Österreich.

Es war der erklärte Wunsch der Fakultät für Bauingenieurwesen der TU Wien, im Rahmen der Berufungskommission, einen Bewerber mit ausgeprägter praktischer Berufserfahrung für die Nachfolge vorzuschlagen. Der Tradition des Instituts für Baubetrieb und Bauwirtschaft folgend, sollen den Studierenden, neben dem theoretischen Rüstzeug eines Bauingenieurs, insbesondere auch Erfahrungen des baupraktischen Berufslebens vermittelt werden.

Welche Anforderungen werden heute an einen jungen Absolventen des Universitätsstudiums Bauingenieurwesen von der Bauwirtschaft gestellt? Welche Lehrinhalte und Ziele sollen in Anbetracht des Umbruches in Politik und Wirtschaft für ein zusammenwachsendes Europa vermittelt werden? Wie soll auf den allgemeinen Wertewandel in Wirtschaft und Gesellschaft eingegangen werden? Kann ein langwieriges Universitätsstudium den jungen Leuten, unter dem Gesichtspunkt konkurrenzierender Fachhochschulen mit kurzer Studiendauer und nivel- lierender Tendenzen in der lngenieurausbildung, heutzutage noch empfohlen werden? Die Antwort lautet unbedingt "ja". Abschließend sei jedoch klar und unmissverständlich festge- stellt, dass bei allen Bemühungen der Universität um größtmögliche Effizienz der Ausbildung der maßgebende Faktor der Student ist, der die Voraussetzungen und den Willen für einen erfolgreichen Studienabschluss selbst mitbringen muss.

1.6 Die Bauwirtschaft mit Prof. Kropik

Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Andreas Kropik übernahm mit Wirkung vom 1. März 2004 als Nachfolger von Prof. Oberndorfer die Professur für Bauwirtschaft und Baumanagement. 1983 begann seine berufliche Laufbahn als Universitätsassistent am Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft. Er kehrte damit als Professor an die Wiege seines beruflichen Werde- ganges zurück. Die dazwischen liegende, außeruniversitäre Zeit war primär durch die Be- schäftigung in der Wirtschaftskammer Österreich geprägt. Die dort zu behandelnden bau- wirtschaftlichen Themen waren mannigfach und führten alsbald zu einer Reihe von externen Tätigkeiten wie Vorträgen, Beratungen und Gutachten. Schließlich endete die unselbständi- ge Tätigkeit mit der Gründung eines Beratungsbüros im Jahre 2002, der Bauwirtschaftlichen Beratung GmbH. Die Berufsausbildung begleitete Prof. Kropik seit seiner Assistentenzeit und führte zu einer Reihe von Vorträgen bei Seminarveranstaltern und schließlich auch zur Lek- torentätigkeit an der FH-Bau in Wien. (13)

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Die aktuelle Beschäftigung als Universitätsprofessor bedeu- tet auch eine neue berufliche Herausforderung. Da ihm Leh- re und Ausbildung nicht fremd waren, fiel der Einstieg in diesen Bereich nicht schwer. Von seinem Vorgänger Wolf- gang Oberndorfer wurde ihm dankenswerterweise ein ge- ordneter und strukturierter Vorlesungsplan übergeben, der einen optimalen Beginn des Vorlesungsbetriebes ermöglich- te. Bald danach begann in der Fakultät die Umstellung des Studienplans auf das Bachelor- und Masterstudium, was dann von Prof. Kropik auch zum Anlass genommen wurde, die Vorlesungsinhalte anzupassen. Abb. 5 Prof. Andreas Kropik

Die Grundvorlesungen im ersten Abschnitt (Bachelorstudium) mussten nun umfassender ausgelegt werden, um den Studenten ein breites bauwirtschaftliches Wissen zu vermitteln. Für den zweiten Abschnitt soll es, neben der reinen Wissensvermittlung, die Studierenden auch zu einem fachübergreifenden und innovativen Denken und Handeln in Form von Semi- nararbeiten führen. In einem praxisorientierten Gebiet ist die Verknüpfung zur Praxis natur- gemäß besonders wichtig. Dieser Zugang konnte ausgebaut werden und die zeitgemäßen Problemfelder können in den einzelnen Vorlesungen an die Studenten reflektiert werden.

Neben der Lehre bildet die Forschung den zentralen Schwerpunkt der universitären Tätig- keit. Gutachten und Studien bilden dabei einen wichtigen Teil. Prof. Kropik ist es immer auch ein Anliegen, besonders in Dissertationen aber auch in Diplomarbeiten fachübergreifende Problemstellungen bearbeiten zu lassen und neue Impulse in die Bauwirtschaft, also den Bauindustrie-, Baugewerbe- und Planungssektor einbringen zu können. Die Herausforderun- gen an die Zukunft werden vor allem im interdisziplinären Raum zu finden sein, aber auch darin, der Bauwirtschaft neue Lösungsansätze in den unterschiedlichsten Bereichen, von der Unternehmensführung bis zum Baustellenmanagement, anbieten zu können. (13)

1.7 Der Planungsprozess mit Prof. Achammer

Die Professur für Industriebau und interdisziplinäre Bauplanung am Institut für Interdisziplinä- res Bauprozessmanagement versteht sich als Brücke zwischen den Ausbildungscurricula der Architekten und Bauingenieure. (14)

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Der Schwerpunkt in Forschung und Lehre liegt bei dem Predesign und Design-Phasen aller gewerblichen Hochbauprojekte, Dieses Angebot wird mit den Basisausbildungen für die Be- triebsphase des fertigen Objekts - Facility Management - abgerundet. Im Detail wird im Ba- chelorstudium (Undergraduate) des Bauingenieurwesens mit der Pflichtvorlesung und- Übung „Planungsprozesse“ begonnen, in denen ein Überblick über die interdisziplinäre Auf- gabe von Architekten und Ingenieuren im Planungsprozess vermittelt wird. Schon in dieser Lehrveranstaltung gelingt es fakultätsübergreifend Hörer zu gewinnen.

Im Masterstudium (Graduate) wird anhand des Beispiels des erweiterten Industriebaus oder besser des Nicht-Wohnbaus und in der Basisvorlesung über Projektentwicklung die Vertie- fung dieses planerischen Prozessgedankens gelehrt und geübt. Jedes Jahr werden im Zuge einer mehrtätigen Exkursion Studenten zu realen Aufgaben der Immobilienindustrie begleitet, um vor Ort anhand laufender Projekte Felderfahrung zu sammeln und in kleinen Arbeits- gruppen ausgewählte Aufgaben zu lösen. Dabei wird besonderer Wert auf den aktiven Dia- log mit den vor Ort tätigen Akteuren der Bauherrn, Nutzer, Planer, Ausführenden und Behör- den gelegt. Darüber hinaus veranstaltet der Lehrstuhl seit Jahren erfolgreiche Übungspro- gramme, in denen ArchitektInnen und IngenieurInnen gemeinsam gestalterische Aufgaben gekoppelt mit Immobilienrelevanz zu lösen haben.

Im Forschungsbereich werden Arbeiten betreut, die sich im weitesten Sinne mit Systemlösungen für Produktions- und Logistikbauten, mit den Planungsprozessen im In- dustrie- und Gewerbebau und mit der integrierten Immo- bilienprojektentwicklung aus der Sicht des Planers be- schäftigen. Als Antwort auf eines der brennendsten Prob- leme der Zeit werden diese Forschungsfelder von der Herausforderung des nachhaltigen Bauens inhaltlich überlagert. Die Professur von Prof. Achammer ist geprägt von fakultätsübergreifender Offenheit für Studierende und

Lehrende einerseits und für akademische Forschung und starken Praxisbezug andererseits. Abb. 6 Prof. Christoph Achammer

Die Tradition dieser Offenheit wurde unter dem Vorvorgänger Prof. Degenhart Sommer be- gründet und durch den interimistisch tätigen Honorarprofessor Peter Niehaus, hauptberuflich Chef von Siemens Real Estate International, weitergeführt. Der Umstand der Doppelfunktion von Prof. Achammer als Universitätsprofessor und Vorstand des größten österreichischen

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Architektur- und Ingenieurbüros ATP Achammer-Tritthart & Partner Architekten & Ingenieure ermöglicht es ihm und seinen universitären Mitarbeitern die forcierte Fortsetzung dieser Tra- dition mit der inhaltlichen Schwerpunktverschiebung vom klassischen Industriebau zur pla- nungsprozessorientierten Immobilienentwicklung.

Gutachten und Projektentwicklungsanalysen gehören ebenso zum Kernaufgabengebiet der Drittmitteltätigkeiten. In diesem Kontext wird die zukünftige Zusammenarbeit mit der am Insti- tut für Städtebau an der Fakultät für Architektur und Raumplanung eingerichteten Stiftungs- professur für Projektentwicklung und Projektmanagement. Zusammen mit den beiden ande- ren Forschungsgebieten des Instituts für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement, Baube- trieb und Bauverfahrenstechnik und Bauwirtschaft und Baumanagement, sowie dem am For- schungsgebiet von Prof. Achammer erstmalig in Österreich habilitierten Dozenten für Facility Management – Alexander Redlein – wird damit der gesamte Lebenszyklusprozess des Bau- ens in Lehre und Forschung qualifiziert abgedeckt und mit diesem Angebot einer großen Nachfrage von Studierenden, Wissenschaft und Industrie nachgekommen.

1.8 Resümee

Der wesentliche Inhalt des Beitrages ist die Darstellung der Entwicklung des Instituts im Wandel der Zeit von seiner Gründung bis zur heutigen Organisationsstruktur. Daher liegt der Schwerpunkt auf den drei Professoren, die diese Entwicklung maßgebend getragen und be- einflusst haben.

Wie bereits erwähnt folgte Prof. Jodl mit 1. Oktober 1992 Prof. Reismann nach, Prof. Kropik trat mit 1. März 2004 die Nachfolge von Prof. Oberndorfer an. Mit 1.Oktober 2005 stieß Prof. Achammer zum Institut und erweitert damit den Wirkungsbereich des Instituts maßgebend. Die Gründe für diese Verstärkung und die damit verbundene Namensänderung des Instituts für "Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft" wurde nach 35 Jahren in "Institut für Interdis- ziplinäres Bauprozessmanagement" geändert und wird wie folgt begründet. (15)

Im Zuge der Restrukturierung der Technischen Universität Wien konnte das Institut um eine zusätzliche Professur ergänzt werden, was auch zur Namensänderung führte. Ausgehend von der bisherigen Struktur der Fakultät für Bauingenieurwesen mit 16 Instituten erfolgte zwischen 2004 und 2008 eine stufenweise Reduktion auf die neue Struktur mit 9 Instituten bzw. nach der neuen Sprachregelung des Universitätsgesetzes 2002 mit 9 Organisations- einheiten. Diese zukünftige Gliederung der Fakultät stellt eine zweckmäßige Zusammenfas-

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sung nach den Gesichtspunkten von Forschung und Lehre dar. Der im Zuge der Vorberei- tungen erstellte neue Organisationsplan war das Ergebnis eines intensiven Meinungsbil- dungsprozesses innerhalb der Fakultät der seinen Niederschlag im Entwicklungsplan 2005 hat.

Für unser Institut ergab sich daraus die Konsequenz, eine für den Forschungs- und Lehrbe- reich adäquate Verstärkung zu suchen. Der "Lehrstuhl für Interdisziplinäre Baupla- nung/Industriebau" mit Prof. Achammer konnte als Neuzugang und gewonnen werden. Das derart verstärkte neue Institut erhebt nunmehr den Anspruch, den gesamten Zyklus des Bauprozesses in Bauplanung (Interdisziplinäre Bauplanung/Industriebau), Bauausführung (Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik) und Bauwirtschaft (Bauwirtschaft und Baumanage- ment) in Forschung und Lehre abzudecken. Aus dieser synergetischen Zusammenführung ergab sich somit auch die nahe liegende Namensänderung unseres neuen größeren Instituts in "Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement". Anstelle der etwas sperrigen Be- zeichnung "Organisationseinheit" gemäß UG 2002 wird jedoch die Bezeichnung "Institut" beibehalten.

Im neuen Entwicklungsplan 2005 der Fakultät für Bauingenieurwesen werden die Gliederung und die wissenschaftlichen Schwerpunkte des Instituts für Interdisziplinäres Bauprozessma- nagement mit nunmehr drei Professuren dargestellt: x Professur für Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik (Prof. Jodl)

ƒ Vertragsabwicklung, Baustellenmanagement, Lebenszykluskosten ƒ Umsetzung und Weiterentwicklung der Anwendung von Beton im Hohlraumbau ƒ Effizienzsteigerung in Bauprozess, Projektmarketing, Arbeitssicherheit, Baukoordinati- on x Professur für Bauwirtschaft und Baumanagement (Prof. Kropik)

ƒ Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung von Bauvorhaben (AVA) ƒ Kalkulation, Baupreise, Baukosten, Bauindices, Vertrags- und Claim Management ƒ Unternehmensführung und Unternehmenskennzahlen x Professur für Interdisziplinäre Bauplanung / Industriebau (Prof. Achammer)

ƒ Systemlösungen für Produktion und Logistik ƒ Planungsprozesse für Industrie/Gewerbebau ƒ Immobilienprojektentwicklung und Facility Management

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Diese Forschungsfelder sind aus heutiger Sicht als weit gefasste Begriffe im Rahmen der gesamten wissenschaftlichen Abdeckung der Professuren in Forschung und Lehre zu ver- stehen. Einzelne aktuelle Forschungsprojekte werden Anlass bezogen dargestellt. Das Insti- tut vollzog diesen Schritt in die neue Organisationsstruktur zum frühest möglichen Zeitpunkt per 1. Oktober 2004. Aus heutiger Sicht ergibt sich keine Notwendigkeit zu weiteren Verän- derungen im Rahmen der Umsetzung des Organisationsplans der Fakultät für Bauingeni- eurwesen an der Technischen Universität Wien.

Das Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement erhebt den Anspruch, im Rahmen dieser selbst gewählten Struktur drei zentrale Aufgaben zu erfüllen: x Forschung und Entwicklung auf hohem Niveau in den drei Fachbereichen des Baupro- zessmanagements – Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik, Bauwirtschaft und Bauma- nagement, interdisziplinäre Bauplanung und Industriebau, x Heranführen der Studierenden an die Befähigung zur Ausübung qualifizierter Führungs- aufgaben in der Bau- und Immobilienwirtschaft, x Wissensrepräsentation und Beratung für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in allen Fachgebieten des Bauprozessmanagements.

Veränderungen werden grundsätzlich als positive Herausforderung zur dynamischen Gestal- tung der Aufgaben gesehen. Ein Zitat von Andreas Gartnerus aus Proverbialia dicteria, 1566, 16.Dek., Bl.C4, soll diesem Anspruch gerecht werden: "Tempora mutantur, et nos mutamur in illis" "Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen"

Das Leitbild des Instituts soll dieses Bestreben nach umfassender Expertise ausdrücken: Durch angewandte Forschung beitragen, den Planungs- und Bauprozess zu optimie- ren, mit aktueller attraktiver Lehre den Bauingenieurnachwuchs zu bilden und zu för- dern, der Wirtschaft als beratender Dienstleister auf höchstem Niveau zur Verfügung zu stehen.

- Glück Auf -

Ibpm - Institutsbericht 2012 41 40 Jahre Entwicklung vom Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft zum Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement

1.8.1 Literaturverzeichnis

[1] Mikoletzky, Juliane. Geschichte des Instituts E 234. Baubetrieb und Bauwirtschaft, TU - Wien, Universitätsarchiv. 2004-10-14. Notiz.

[2] Oberndorfer, Wolfgang. Ein Rückblick und die derzeitige Situation. TU Wien : I-Bericht Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft, 1996.

[3].—. Nachruf auf Prof. Jurecka, 1915-1994. TU Wien : I-Bericht Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft, 1996.

[4] Jurecka, Walter. Die Ingenieurtätigkeit als Entscheidungsprozess. Antrittsvorlesungen der Technischen Hochschule in Wien. 1971, Bd. 22, Wien 1972.

[5] —. Interview - Die Aufgaben des Instituts für Baubetrieb und Bauwirtschaft. TH Wien : I- Bericht Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft, 1972.

[6] —. Sponsionsansprache zur Dienstbeendigung. TU Wien : I-Bericht Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft, 1983.

[7] Reismann, Wilhelm. Die Rationalisierung der Bauausführung - Analytische Betrachtungen typischer Beispiele der letzten drei Jahrzehnte. Baumaschine + Bautechnik. Bauverlag GmbH, Wlesbaden-Berlin, 1977-01, Bd. Heft 1, Sonderdruck.

[8] Jodl, Hans Georg. Nachruf Prof. Wilhelm Reismann. ÖIAZ. 2009.

[9] —. Laudatio zum Abgang von Prof. W. Oberndorfer. Wien : Eigenverlag Institut für Bau- betrieb und Bauwirtschaft, 2004. unveröffentlichte Sonderausgabe.

[10] Reismann, Wilhelm. Die Entwicklung des Studienzweiges "Baubetrieb und Bauwirt- schaft". TU Wien : I-Bericht Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft, 1983.

[11] Oberndorfer, Wolfgang. Gedanken zum Studienzweig Baubetrieb und Bauwirtschaft. TU Wien : I-Bericht Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft, 1986.

[12] Jodl, Hans Georg. Baupraxis und Universität - Widerspruch oder Synergie? Wien : Insti- tut für Baubetrieb und Bauwirtschaft TU Wien, Institutsbericht 1994.

[13] Kropik, Andreas. Vorstellung Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Andreas Kropik. Wien : Insti- tut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement, Institutsbericht 2006.

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[14] Achammer, Christoph. Vorstellung Univ.Prof. Arch. Dipl.-Ing. Christoph M. Achammer. TU Wien : Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement, Institutsbericht 1996.

[15] Jodl, Hans Georg. Das Institut im Wandel der Zeit. TU Wien : Institut für Interdisziplinä- res Bauprozessmanagement, Institutsbericht 2006.

[16] Reismann, Wilhelm. Der Studienzweig Baubetrieb und Bauwirtschaft an der TU Wien. Wiener Baubetriebs- und Bauwirtschaftsberichte. 1977, Bd. Heft 8.

[17] —. Orientiert sich die Ausbildung der Bauingenieure an der Berufspraxis? Wiener Bau- betriebs- und Bauwirtschaftsberichte. 1978, Bd. Heft 9.

[18] —. Die Zielsetzung in der Ausbildung der Bauingenieure für den Baubetrieb. Wiener Baubetriebs- und Bauwirtschaftsberichte. 1976, Bd. Heft 7.

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Die Geschichte des Industriebaus an der TU Wien

2 Die Geschichte des Industriebaus an der TU Wien

Rückblick auf eine nachhaltige Erfolgsgeschichte

Christoph M. Achammer (Univ.Prof. 2002 bis dato) Herbert Stöcher (Wiss. Beamter bis 2003)

2.1 Die Vorgeschichte

Blickt man zurück in der Geschichte der TU Wien, so findet man das Fachgebiet der Planung und des Baus von Industrieanlagen von Anfang an vertreten, freilich unter unter- schiedlichsten Bezeichnungen und in diversen Organisationsformen.

Als im Jahre 1815 unter dem Österreichischen Kaiser Franz I. (bis 1806 war er römisch- deutscher Kaiser Franz II.) das „k. k. poly-technische Institut in Wien“ in einem beste- henden Gebäude am Karlsplatz errichtet und am 6. November jenes Jahres feierlich eröffnet wurde, unterrichteten in einer technischen und kommerziellen Abteilung vorerst nur 3 Pro- fessoren 47 Studierende. Zur Förderung der „Nationalindustrie“ wurde dem Institut die Fab- riksproduktensammlung des Kaisers übertragen, die als „k. k. National-Fabriks- Produktenkabinett“ stetig ergänzt und erweitert wurde. Zur Jahrhundertwende 1900 um- fasste es etwa 48.000 Objekte, ein Großteil davon wurde allerdings 1912 dem neuerrichteten Technischen Museum als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. (Noch in den 1960er Jahren bestand am Institut für Hochbau für Bauingenieure eine umfangreiche Schausammlung, die zum Teil auf das o.a. Kabinett zurückgeht.)

Der von Direktor Joseph Prechtl verfasste Organisationsplan sah neben den Fächern Ma- thematik, Physik, Allgemeine Chemie, spezielle Chemie, Mechanik und Maschinenlehre, Technologie und Praktische Geometrie, auch das Fach „Land- und Wasserbaukunst“ vor. Aber erst 1818 wurde mit Johann von Kudriaffsky, dem Direktor des Niederösterreichischen Brücken- und Wasserbauamtes, ein provisorischer Leiter der Lehrkanzel für Land- und Was- serbaukunst bestellt, die damals das gesamte Bauwesen, entsprechend den heutigen Fach- bereichen Architektur und Bauingenieurwesen, umfasste.

Das ab 1835 mit “Land- und Wasserbaukunde“ bezeichnete Fach hat ab 1836 unter Josef Stummer als Professor eine umfangreiche Entwicklung erfahren, sodass es ab 1842 zu einer

Ibpm - Institutsbericht 2012 45 Die Geschichte des Industriebaus an der TU Wien

Teilung des Stoffgebietes in „Landbaukunde“ und „Wasser- und Straßenbaukunde“ kam, ab 1853 zu einer Umbenennung in „Landbauwissenschaft“ bzw. „Wasser- und Straßenbau- wissenschaft“, ab 1862 auch zu einer adäquaten Aufteilung der Professur. Die Landbauwis- senschaft übernahm 1863 Moriz Wappler.

1865 erfolgte unter Kaiser Franz Josef I. eine Neuorganisation des „Polytechnischen In- stitutes Wien“ in

x eine Allgemeine Abteilung x eine Chemisch-technische Schule x eine Maschinenbauschule x eine Bauschule (für Hochbau, entsprechend der späteren Fakultät für Architektur) x eine Ingenieurschule (für Straßen- und Wasserbau)

Die kommerzielle Abteilung wurde aufgelassen. Außerdem erfolgte die Leitung des Instituts nicht mehr durch einen von der Regierung ernannten Direktor, sondern durch das Professo- renkollegium und einen aus ihrer Mitte gewählten Rektor.

1867 wird die bisher einzige Lehrkanzel für Bauingenieurwesen in folgende Fachgebiete aufgeteilt:

x Baumechanik und Theorie des Brückenbaues x Straßen-, Eisenbahnbau und konstruktiver Brückenbau x Wasserbau

1872 wird das Polytechnische Institut in „Technische Hochschule Wien“ umbenannt und die Lehr- und Lernfreiheit wieder eingeführt. Ab 1919 war es auch Frauen gestattet, als ordentli- che Hörerinnen für technische Studiengänge zu inskribieren.

Moriz Wappler wurde 1865 Professor des Hochbaus an der Bauschule, von 1892 bis 1906 hatte August Prokopp diesen Lehrstuhl inne, von 1906 bis 1939 war Emil Artmann Professor für Hochbau. 1940 wird eine eigene Hochbau-Lehrkanzel für Architekten eingeführt (Prof. Silvio Mohr für Hochbau II, ab 1946 Karl Kupsky). Die Lehrkanzel für Hochbau I hält 1940 bis 1945 Prof. Fritz Haas, er hat auch die Lehrbefugnis für Baugestaltung und Entwerfen von Ingenieurbauten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Jaro Merinsky Prof. für Hochbau an der Lehrkanzel für Hochbau für Bauingenieure, ab 1957 umbenannt in „Institut für Hochbau für Bauin- genieure“. Ihm folgte 1966 Hans Aigner aus Linz als Prof. für Hochbau nach. Der Wunsch-

46 Ibpm - Institutsbericht 2012 Die Geschichte des Industriebaus an der TU Wien

kandidat Merinskys für seine Nachfolge wäre Robert Weinlich gewesen, der später Prof. für Hochbau an der neugegründeten Bauingenieurfakultät in Innsbruck wurde. Vorsitzender der Berufungskommission für die Besetzung des Hochbau-Lehrstuhls war Prof. Hubert Boro- wicka, während des Zweiten Weltkrieges Mitarbeiter von Aigner bei den sogenannten Her- mann-Göring-Werken in Linz, der damalige Bautenminister hieß Vinzenz Kotzina, er war vorher Kammeramtsdirektor der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich.

Mit dem Hochschulorganisationsgesetz HOG 1955 wurden 3 Fakultäten eingerichtet (für Naturwissenschaften, für Bauingenieurwesen und Architektur, sowie für Maschinenbau und Elektrotechnik). 1975 erfolgte mit dem Universitätsorganisationsgesetz (UOG 75) die Umbe- nennung in "Technische Universität", „Architektur“ und „Bauingenieurwesen“ wurden in getrennten Fakultäten angesiedelt. Das Institut für Industriebau wurde der Fakultät für Bauingenieurwesen zugeordnet. Mit dem zweiten UOG aus 1993 (UOG 93) erfolgte der Anstoß zu einer Reorganisation, die vor allem Änderungen in den Führungsgremien der Uni- versität brachte und 1999 umgesetzt wurde. Das Universitätsgesetz 2002 (UG 02) brachte dann die Vollrechtsfähigkeit der Technischen Universität Wien, in dessen Folge ihre Organi- sationsstruktur erheblich verändert und namentlich die Anzahl der Fakultäten von bisher fünf auf acht erhöht wurde: Architektur und Raumplanung, Bauingenieurwesen, Physik, Maschi- nenwesen und Betriebswissenschaften, Elektrotechnik und Informationstechnik, Mathematik und Geoinformation, Technische Chemie, Informatik.

2.2 Die Errichtung eines Instituts für Industriebau

Prof. Ludwig Tschirf, Vorstand des Instituts für Mechanische Technologie und Betriebs- technik, war Initiator eines Lehrauftrags „Bau von Fabrikanlagen“, der ab 1958 von Jaro Merinsky am Institut für Hochbau für Bauingenieure eingerichtet wurde, er war sowohl für Bauingenieure des konstruktiven Zweiges als auch Maschinenbauer des betriebswirtschaftli- chen Zweiges vorgesehen. Merinsky hatte keine Erfahrung im Industriebau, aber anhand des von ihm erarbeiteten Handbuchs der Gebäudelehre einen guten theoretischen Überblick.

Dem Umstand, dass dieser Lehrauftrag von Maschinenbauseite angeregt und an einem Bau- ingenieurinstitut abgehalten wurde, ist es zu verdanken, dass schon Ende der 50er Jahre Studenten dieser beiden Studienrichtungen gemeinsam, also interdisziplinär, Projekte des Industriebaus bearbeiten konnten.

Die von Merinskys Nachfolger, Hans Aigner, gewählte Form der Lehrveranstaltung war durch eine überwiegende Anzahl von Gastreferenten aus der Industrie zwar praxisnäher, aber im

Ibpm - Institutsbericht 2012 47 Die Geschichte des Industriebaus an der TU Wien

Prinzip eine Aneinanderkettung von Faktenwissen ohne eine theoretische Grundstruktur. Dieser Mangel und die zunehmende Bedeutung des Industriebaus veranlasste einen Assis- tenten am Institut, Heinrich Warmuth, die Errichtung eines eigenen Instituts für Industrie- bau zu betreiben, was auch Anfang der 70er Jahre Erfolg hatte. Unterstützung fand er u.a. auch in der Industriellenvereinigung und in der Sparte Industrie der Bundeskammer der ge- werblichen Wirtschaft.

Dem vorausgegangen waren schon frühere Bemühungen um eine derartige Einrichtung. 1896 wurde Christian Ulrich an die TH Wien als Professor für Utilitäts- und Eisenbahn- hochbau berufen, 1907 folgte ihm Leopold Simony nach, der dieses Fach bis 1929 innehat- te und als Fachmann für Industrieanlagen mit angeschlossenen Arbeitersiedlungen rich- tungweisend für den sozialen Wohnbau der Zwischenkriegszeit wirkte. In den letzten Jahr- zehnten der Habsburgerzeit erlebte Wien einen ungeheuren wirtschaftlichen und demogra- phischen Aufschwung, es brauchte daher große städtische Einrichtungen wie Spitäler, Gas- werke, Schlachthöfe, und dgl. Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg hingegen war besonders um die Linderung der Wohnungsnot bemüht, die Utilitätsbaukunde verschwand wieder aus den Curricula.

Um die Position als Professor für Industriebau bewarben sich 1973 u.a. ein Assistent von Prof. Walter Henn, dem damals unbestrittenen „Industriebaupapst“ in Braunschweig, der Wiener Architekt Erich Lethmayr mit reicher internationaler Erfahrung und Organisator einer Seminarreihe zum Industriebau im Rahmen des „I.I.I., des Internationalen Instituts für Indust- riebau“, sowie der deutsche Architekt Degenhard Sommer. Dieser konnte auf Studien und Praxisjahre in den USA - bei S.O.M. sowie Mies van der Rohe - hinweisen, sich durch einen Dr.-Ing. mit einer beachtenswerten Arbeit über die Konstruktion von Vorhangwänden aus- zeichnen und hatte als Gesellschafter des Planungsunternehmens „Lenz Planen und Bera- ten“ eine profunde Ingenieurpraxis sowie abrufbare Fähigkeiten in der Führung interdiszipli- närer Teams.

2.3 Entwicklung von „Industriebau TU Wien“

1972 wurde das Institut für Industriebau an der Fakultät für Architektur und Bauingeni- eurwesen gegründet, 1973 Degenhard Sommer zum Prof. für Industriebau berufen und als Institutsvorstand eingesetzt. Schon in den ersten Jahren seiner Entwicklung wurde von Sommer das Markenzeichen „Industriebau TU Wien“ samt entsprechendem Logo geschaf-

48 Ibpm - Institutsbericht 2012 Die Geschichte des Industriebaus an der TU Wien

fen. 1976, wie bereits oben angeführt, wurde das Institut für Industriebau der Fakultät für Bauingenieurwesen zugeordnet.

1981 trat ein neues Universitätsorganisationsgesetz in Kraft, im Zuge dessen fachlich ver- wandte Institute zusammengelegt wurden. Im neu geschaffenen Institut für Hoch- und In- dustriebau wurden demzufolge die Abteilung für Hochbau für Bauingenieure und die Ab- teilung Industriebau eingerichtet. Die Zusammenlegung der vorher eigenständigen Institute hatte aber keine praktischen Folgen für Forschung, Wissenschaft und Lehre: beide agierten wie zuvor unabhängig voneinander.

Alfred Pauser, der 1982 berufene Nachfolger von Hans Aigner als Vorstand der Abteilung Hochbau, beendete ebenso wie Degenhard Sommer mit dem Ende des Studienjahres 1996/1997 seine administrative Tätigkeit am Institut, beide waren aber noch Jahre danach in der Lehrtätigkeit, insbesondere für Diplomanden und Dissertanten, aktiv.

Bis zur Bestellung eines Nachfolgers für die Professur Industriebau übernahm Peter Nie- haus, hauptberuflich Leiter der Real-Estate-Abteilung der Siemens AG in München, die Vor- lesung im Hauptfach Industriebau; für Nebenfächer wurden Lehraufträge teils an Mitarbeiter des Instituts, teils an externe Fachleute vergeben. Nach der Neubesetzung des Instituts für Hochbau wurde 2002 Christoph Achammer zum Professor für Industriebau und inter- disziplinäre Bauplanung berufen. Er hat an der TU Wien Architektur studiert und ebenso wie Sommer seine Wanderjahre nach Aufenthalten im Mittleren Osten und China bei SOM in Chicago beendet. SOM feierte damals als eines der erfolgreichsten integralen Büros - Archi- tekten und Ingenieure für Tragwerksplanung und Haustechnik arbeiten in house simultan zu- sammen – gerade seinen 50jährigen Geburtstag und war unter anderem Vorbild für ATP Ar- chitekten und Ingenieure – heute mit über 450 Mitarbeitern eines der großen Planungsbüros in Europa – dessen CEO Achammer parallel zu seiner Professur ist.

Mit dem Universitätsorganisationsgesetz UOG 2002 wurde die Technische Universität Wien wieder einmal neu strukturiert. An der Fakultät für Bauingenieurwesen und Infra- strukturmanagement wurde der neue Fachbereich Industriebau und Interdisziplinäre Bauplanung mit Beginn des Wintersemesters 2004/2005 zusammen mit dem Fachbereich Baubetrieb und Bauwirtschaft im Institut für interdisziplinares Bauprozessmanagement konstituiert. Damit feiert der Industriebau 2012 ein dreifaches Jubiläum.

x 40 Jahre Institut für interdisziplinäres Bauprozessmanagement x 30 Jahre Industriebau und interdisziplinäre Bauplanung x 10 Jahre Professur Christoph Achammer

Ibpm - Institutsbericht 2012 49 Die Geschichte des Industriebaus an der TU Wien

2.4 Besondere Leistungen von „Industriebau TU Wien“

2.4.1 Universalität

Balance zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen

Schon die ersten Leitlinien zur Institutsphilosophie – erarbeitet von Prof. Degenhard Sommer mit seinem ersten Assistenten, Norbert Polak, - vertraten den Grundsatz der Ausgewogen- heit zwischen den Interessen der arbeitsplatzgebenden Industrie einerseits und den Bedürf- nissen der tätigen Mitarbeiter andererseits. In 3 Handbüchern – zur Planung von Büroge- bäuden, zur Planung der Einrichtung von Bürogebäuden und zur Industriebauplanung – wur- de diese Strategie konsequent umgesetzt, jeweils mit dem Ziel, durch mitarbeiteradäquate Information diese zur Beteiligung am Planungsprozess anzuregen und zu qualifizieren.

In diesem Zusammenhang resultierte die stete Bedachtnahme auf Schädigungsfreiheit, Be- einträchtigungslosigkeit und Persönlichkeitsförderung in einem Komplex von wesentlichen Kriterien zur Humanisierung des Arbeitsplatzes in Industrie und Verwaltung.

Im Zuge der globalen Verlagerung von einer Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft wurde diese Tradition unter Prof. Niehaus und nun von Prof. Achammer fortgeführt und in die Corporate-Real-Estate-Welt der Industriebetriebe des 21. Jahrhunderts eingebettet. Das erweiterte Spektrum des Industriebaus bringt damit eine Verschiebung der Arbeitsplatz- schwerpunkte hin zu Forschung und Entwicklung und anderen Dienstleistungsfunktionen.

Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit, Funktion und Ästhetik

Im Lehransatz wie auch in der Erarbeitung und Beurteilung von Übungsarbeiten und Projek- ten wurde darauf Wert gelegt, dass kein für eine Aufgabe wesentliches Merkmal außer Acht gelassen wird und – auch bei unterschiedlichen Gewichtungen der einzelnen Aspekte – eine umfassende und zufriedenstellende Lösung gefunden wird. Neben einer grundsätzlichen Behandlung dieser Thematik in der Hauptvorlesung wird eine Reihe von ergänzenden Lehr- veranstaltungen angeboten, in denen die speziellen Aspekte (z.B. Gestaltung, Kostenkenn- werte, Lebenszyklusbetrachtung, Gewerbebetriebe) und deren Integration in die Gesamtlö- sung behandelt werden.

Auch als Organisator des Österreichischen Staatspreises für Wirtschaftsbauten – ein vom Bundesminister für Bauten und Technik ausgelobter Bauherrenpreis – wurde in Abwägung

50 Ibpm - Institutsbericht 2012 Die Geschichte des Industriebaus an der TU Wien

der Teilinteressen einzelner Juroren eine zwischen den Sozialpartnern ausgewogene Beur- teilung angestrebt und durchwegs auch erreicht.

Wesentlicher Ausgangspunkt jeder gestalterischen Aufgabe ist verstärkt der Kernprozess, für den die neue „facility“ entwickelt werden soll. Dabei steht ein interdisziplinäres Team von Beginn an vor der Herausforderung, alle Kompetenzen simultan zu einem großen Ganzen einzubringen – wir nennen das integrale Planung. Es ist uns ein Anliegen, Architekten und Ingenieure dazu auszubilden, als zukünftige Prozessführer eines interdisziplinären Gestal- tungsvorgangs agieren zu können, der funktionale, konstruktive und ästhetische Qualitätsan- sprüche erfüllen kann.

Balance zwischen Lehrziel und Studenteninteressen

Studenten aller drei vom Institut betreuten Studienrichtungen – Architektur, Bauingeni- eurwesen, Maschinenbau – sind in ihren Curricula einem erheblichen Leistungsdruck ausge- setzt, der in vielen Fällen kontraproduktiv ist. Um den Studenten Freude am Erwerb von Wissen und Fähigkeiten zu geben, werden sie „an der langen Leine gehalten“. Neben dem Erwerb eines Kernstoffes im Überblick wurde ihnen angeboten, ihren Interessen entspre- chend einzelne Fragen in größere Tiefe zu verfolgen.

Im Wege der Lehrveranstaltung „Planungs- und Entwurfsgrundlagen“ wurde dies den Stu- denten schon zu Studienbeginn ermöglicht; den Lehrenden ergab sich dadurch die Chance, die Studenten vor einer zu engen Sicht ihres Studienfaches zu bewahren und sie sozusagen auf das richtige Gleis zu setzen. Heute wird diese Idee im Bachelorprogramm durch die VU Planungsprozesse und Bauprozessmanagement in Theorie und Praxis weiterverfolgt.

Balance zwischen Wissenschaftlichkeit und Tagesrealität

Alle Professoren seit Gründung des Lehrstuhls Industriebau haben neben Ihrer akade- mischen Tätigkeit große Bauvolumen praktisch geplant und gebaut. Diese „Brücke“ zwi- schen Universität und Praxis fließt in die tägliche Ausbildungsarbeit durch aktuelle Beispiele und Aufgabenstellungen. Analoges erfolgt beim Erarbeiten von Forschungsinhalten, deren Schwerpunkt sich neben den ursächlichen Aufgabenstellungen des Industriebaus schwer- punktmäßig mit den Wirkrealitäten der integralen Planung auf die Lebenszyklusorientierung von Hochbauten beschäftigt.

Ibpm - Institutsbericht 2012 51 Die Geschichte des Industriebaus an der TU Wien

2.4.2 Internationalität

Internationales Lehrpersonal

Neben österreichischen Lehrkräften wirkten am Institut

x 3 AssistentInnen aus der Türkei – Günak, Armagan, Bozkurt-Bretschneider x 1 Assistent aus dem Iran - Helforoush x 2 Honorarprofessoren aus Deutschland – Wendt, Niehaus x 2 Lehrbeauftragte aus Zentraleuropa – Pininski, Csorba x 3 AssistentInnen aus Zentraleuropa – Nawara, Kovacic, Vlasic

Waren die ausländischen Assistenten eine hilfreiche Anlaufstelle für Studenten aus fernen Ländern, so vermittelten die internationalen Lehrer unter anderem wertvolle Kontakte für Exkursionen in ihren Heimatländern.

Internationale Gremien

Degenhard Sommer, Peter Niehaus und Christoph Achammer waren bzw sind in internationalen Gremien in leitender Funktion tätig: x UIA – Union Internationale des Architectes x CIB – Conseil International du Bâtiment (Internationaler Bauforschungsrat) x ICSC – international Council of Shopping Centers sowie Mitglied der deutschen „Arbeitsgemeinschaft Industriebau“, in der die Baupla- nungsleiter der deutschen Großindustrie Erfahrungen austauschten und Standards für den Industriebau festlegten.

Internationale Tagungen

Von 1980 bis 2011 wurden – in der Regel im 2-Jahres-Abstand – an Wiener Standorten In- ternationale Seminare zu Industriebauplanung und Industriebauarchitektur veranstaltet, mit Referenten aus Österreich, Deutschland (bzw. BRD und DDR), der Schweiz, dem Vereinig- ten Königreich, Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland, Spanien, der damaligen Tsche- choslowakei, dem ehemaligen Jugoslawien, Griechenland, Belgien, den Niederlanden, Un- garn, Polen, Bulgarien, der UdSSR, Japan und den USA; sowie Teilnehmern aus weiteren Ländern.

52 Ibpm - Institutsbericht 2012 Die Geschichte des Industriebaus an der TU Wien

2.4.3 Interdisziplinarität

Interdisziplinäres Lehrpersonal

Entsprechend der Betreuung von Studenten dreier Studienrichtungen werden auch Be- setzungen der Assistentenposten mit Architekten, Maschinenbauern und Bauingenieuren angestrebt.

Lehraufträge am Institut gehen vor allem an Architekten oder Bauingenieure, für For- schungs- und Dienstleistungsaufgaben werden auch Informatiker, Maschinenbauer, Be- triebstechniker, Psychologen herangezogen.

Interdisziplinäre Lehrveranstaltungen

Nicht nur Vorlesungen und Seminare, sondern auch Projektübungen wurden und werden von Studenten verschiedener Studienrichtungen, auch aus anderen Wiener Universitäten, besucht. Ein wesentlicher didaktischer Ansatz war seit Beginn der Lehrtätigkeit von „Indust- riebau TU Wien“ die Arbeit in Projektgruppen, die fachübergreifend besetzt waren. Um die Anerkennung der Studentenleistungen seitens der Diplomprüfungskommissionen anderer Studienrichtungen musste beharrlich gerungen werden.

Seit 2004 wird nunmehr schon traditionell die Concrete Student Trophy – ein interdiszip- linärer Wettbewerb für ArchitektInnen und BauingenieurInnen der Vereinigung der öster- reichischer Zementindustrie im Rahmen der Lehrveranstaltungen betreut. Ein Preisträger konnte sogar seine Arbeit in die Realität umsetzen, eine Fußgängerbrücke über den Wien- fluss

© www.wien.gv.at, Paul-Amann-Brücke, Unter- © Rudolf Brandstötter, Espinosa Ortega: Paul- St.Veit Amann-Brücke, Unter-St.Veit

Ibpm - Institutsbericht 2012 53 Die Geschichte des Industriebaus an der TU Wien

Interdisziplinäre Forschung

Der hohe wissenschaftliche Anspruch von Forschungsprojekten, insbesondere zur Ein- beziehung der Mitarbeiter und anderer Betroffener in den Planungsprozess von Indust- riebauten – Stichwort „Anregungen zur Mitgestaltung“ –, konnte nur eingelöst werden, indem hochqualifizierte Kollegen relevanter Fachgebiete in die Forschungsteams einbezogen wur- den: Betriebstechniker, Psychologen, Grafiker, Arbeitswissenschaftler.

In jüngerer Zeit wurde vor allem der Bereich der Lebenszyklusbetrachtung von Gebäuden und der entscheidende Einfluss der – integralen – Planung ins Zentrum unserer For- schungstätigkeiten gerückt. Unter der Führung von Dr. Iva Kovacic, die eine Laufbahnstelle erhalten hat, laufen derzeit zahlreiche nationale und internationale Forschungsprojekte zu diesen Themen (siehe Institutsbericht).

54 Ibpm - Institutsbericht 2012 Personal

3 Personal

3.1 Aktueller Personalstand

x Universitätsprofessoren

Univ.Prof. Arch. Dipl.-Ing. O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Christoph M. Achammer Hans Georg Jodl Andreas Kropik Professor für Industriebau und Professor für Baubetrieb Professor für Bauwirtschaft interdisziplinäre Bauplanung und Bauverfahrenstechnik und Baumanagement Institutsvorstand x Universitätsprofessoren - Vorgänger

em. O.Univ.Prof. Arch. O.Univ.Prof. i.R. Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Dr. Dr. Wolfgang Oberndorfer Degenhard Sommer Ordinarius für Bauwirtschaft Ordinarius Planungsmethodik, und Planungstechnik Entwurfsgrundlagen und

Ibpm - Institutsbericht 2012 55 Personal

Industriebauplanung x Sekretariate

Gabriele Vrbatka Isolde Tastel Waltraud Weigel FB Bauwirtschaft und Bau- FB Industriebau FB Bauwirtschaft und Bau- betrieb betrieb

x Universitätsassistenten

Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Bettina Bogner Markus Gmoser Thomas Hirm Universitätsassistentin Universitätsassistent Universitätsassistent FB Baubetrieb FB Bauwirtschaft FB Bauwirtschaft

56 Ibpm - Institutsbericht 2012 Personal

Dipl.-Ing. Dr. Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Iva Kovacic Andreas Makovec Christoph Müller Universitätsassistentin Universitätsassistent Universitätsassistent FB Industriebau FB Baubetrieb FB Industriebau

Dipl.-Ing. DDipl.-Ing. Dipl.-Ing. (FH) Arthur Schönwälder Magdalena Steinbauer Nina Wohlrab Universitätsassistent Universitätsassistentin Universitätsassistentin FB Baubetrieb FB Bauwirtschaft FB Industriebau

Ibpm - Institutsbericht 2012 57 Personal

x Projektassistenten

Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Lars Oberwinter Linus Waltenberger Projektassistent Projektassistent FB Industriebau FB Industriebau

x Senior Scientist

Dipl.-Ing. Alexander Polansky Senior Scientist IT-Verantwortlicher

58 Ibpm - Institutsbericht 2012 Personal

x Lehrbeauftragte

Ing. Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Johann Baresch Erich Bata Martin Car (bis 2011) (ab 2011) Sicherheit und Umweltschutz Sicherheit und Umweltschutz Sicherheit und Umweltschutz auf Baustellen auf Baustellen auf Baustellen

Dipl.-Ing. Mag. Iur. Dipl.-Ing. Dr. Hon.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Ingo Heegemann Günther Kaufmann Peter Petri Vertragsgestaltung und Baumarktsimulation BauKG Abwicklungsmodelle

Ibpm - Institutsbericht 2012 59 Personal

Dipl.-Ing. Hon.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Dipl.-Ing. Norbert Ritschl Wilhelm Reismann Christoph Schäffer, MBA Sicherheit und Umweltschutz International Construction / Allgemeine BWL auf Baustellen Planungsprozess und Bau- projektmanagement 2

Dipl.-Ing. Mag. Dipl.-Ing. Dr. Reinhard Steinmaurer Walter Tolar Herwig Schwarz BauKG Bau- und Anlagenrecht Vertragsgestaltung und Abwicklungsmodell

60 Ibpm - Institutsbericht 2012 Personal

Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Dr. Dipl.-Ing. Karina Breitwieser Adnan Delic Verena Exner Kostenrelevanz im Pla- Risikomanagement in der Planungsprozess und Bau- nungsprozess Industrie projektmanagement 2

Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Dr. Ao.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Klaus Gebhart Sinan Özcan Mag. Dr. Baukostensystematik Planungsprozess und Bau- Mario Patera projektmanagement 2 Mediation im Planungs- prozess

Ibpm - Institutsbericht 2012 61 Personal

Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Peter Resch Christina Ruess-Bauer Stefan Faatz (bis 2010) (bis 2010) Mediation im Planungs- Konstruktive Konzepte Facility Management in prozess des Industriebaus Industrial Building, engl. Concrete Student Trophy

Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Christine Hax-Noske Malgorzata Sommer- Zoran Vlasic Planungsprozess und Bau- Nawara Planungsprozess und Bau- projektmanagement 2 Praxisreport: Innovatives projektmanagement 2 Bauen

62 Ibpm - Institutsbericht 2012 Personal

Arch. Dipl.-Ing. Dr. Robert Wehdorn- Roithmayr Membran: Konstruktion, (M.Eng. Membrane Light- weight Structures)

3.2 Personelle Zu- und Abgänge

Da am Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement die auf vier Jahre befristeten Dienstverträge grundsätzlich nicht verlängert werden können und es auch erstrebenswert ist, die erworbenen Erkenntnisse so schnell wie möglich in der Praxis anwenden zu können, ergibt sich zwangsläufig eine hohe Fluktuation.

Für den Berichtszeitraum 2010 bis 2012 sind folgende Abgänge zu verzeichnen: x Dipl.-Ing. Jörg Ehgartner beendete seine Tätigkeit als Universitätsassistent von Prof. Kropik am Institut – Forschungsbereich Bauwirtschaft und Baumanagement – auf eige- nen Wunsch sechs Monate vor Dienstende, bereits mit 30. Juni 2011. In seiner neuen Tätigkeit ist er beim Rechnungshof beschäftigt. x Dipl.-Ing. Andreas Jurecka verließ den Forschungsbereich Baubetrieb und Bauverfah- renstechnik im Team rund um Prof. Jodl nach Ablauf seines Arbeitsverhältnisses mit 30. November 2011. Er unterstützt nun das Team der iC Consulenten in Wien. x Dipl.-Ing. Dr.mont. Daniel Resch beendete mit Ablauf seines Dienstverhältnisses am 31. Jänner 2012 seine Tätigkeit als Universitätsassistent bei Prof. Jodl am Institut im For- schungsbereich Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik. Sein neues Betätigungsfeld führt ihn nach Salzburg zur Firma Hinteregger & Söhne.

Ibpm - Institutsbericht 2012 63 Personal

x Dipl.-Ing. Malgorzata Sommer-Nawara hat nach Ablauf ihres Dienstverhältnisses den Fachbereich für Industriebau und interdisziplinäre Bauplanung verlassen um sich den Herausforderungen der selbstständigen Tätigkeit als Architektin zu stellen. Die Studen- tinnen und Studenten können aber weiterhin von ihrem Know-How profitieren, da sie uns als Lektorin erhalten bleibt. x Dipl.-Ing. Stefan Faatz verließ nach Ablauf seines Dienstverhältnisses als Universitäts- assistent den Fachbereich für interdisziplinäre Bauplanung und Industriebau und arbeitet nun als Mediator, Trainer und Coach an der Fortbildung von Projektleitern und Führungs- kräften, sowie an der Gestaltung von gelingenden Kommunikationsprozessen. x Dipl.-Ing. Zoran Vlasic widmet sich nach Ablauf seines Dienstverhältnisses auf dem Fachbereich für Industriebau und interdisziplinäre Bauplanung seiner neuen Tätigkeit im Bereich der Projektsteuerung und örtlichen Bauaufsicht bei einem Ziviltechniker-Büro. Aufgrund seiner Erfahrung in der Betreuung von studentischen Projektarbeiten hat er uns dankenswerter Weise auch noch nach Beendigung seiner Tätigkeit als Universitätsassis- tent weiterhin unterstützt.

Im selben Zeitraum hat unser Assistententeam als Unterstützung folgende Zugänge zu ver- zeichnen:

x Dipl.-Ing. Markus Gmoser Univ.Ass. seit 01.04.2010 Team Kropik x Dipl.-Ing. Andreas Makovec Univ.Ass. seit 10.01.2011 Team Jodl x Dipl.-Ing. Thomas Hirm Univ.Ass. seit 01.11.2010 Team Kropik x Dipl.-Ing. Christoph Müller Univ.Ass. seit 01.11.2011 Team Achammer x Dipl.-Ing. (FH) Nina Wohlrab Univ.Ass. seit 01.02.2012 Team Achammer x Dipl.-Ing. Arthur Schönwälder Univ.Ass. seit 01.03.2012 Team Jodl

64 Ibpm - Institutsbericht 2012 Aktivitäten

4 Aktivitäten

4.1 Wiener U-Bahntagung

03 – 04. November 2011

Es gibt viele Städte, die über ältere und größere U-Bahn Netze als Wien verfügen. Wien hat jedoch in einer relativ kurzen Zeit das U-Bahn Netz zügig und mit wenigen Un- terbrechungen auf rund 75 Kilometer ausgeweitet. Der weitere Ausbau ist im Gange. Über die Leistungen der beteiligten Fachleute (Bauherr, PlanerInnen, Ausführende, Betreiber) konnte immer wieder bei in- und ausländischen Dir. Dipl.-Ing. Steinbauer (Wr. Linien) und Prof. Jodl (IPBM) Fachveranstaltungen berichtet werden. Eine eigene Ver- anstaltung mit dem Schwerpunktthema Wiener U-Bahn gab es jedoch bisher nicht. Diese Lücke wurde nun nach 43 Jahren mit der 1. Wiener U-Bahn-Tagung geschlossen.

Feierlich eröffnet wurde die 1. Wiener U-Bahn-Tagung von Vizebürgermeisterin Renate Brauner und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou im Festsaal des Österreichischen In- genieur- und Architektenverein (ÖIAV). Die Wiener U-Bahn-Tagung wurde von der TU Wien und den Wiener Linien ins Leben gerufen und ist ein Forum für den Gedankenaustausch zwischen Wissenschaft und Praxis über die Vergangenheit und die Zukunft des U-Bahnbaus in Wien.

Am ersten Tag der Wiener U-Bahn-Tagung wurden aktu- elle Fragen und Themenstellungen und der konkrete Bei- trag der Wissenschaft diskutiert. Nach dem wissenschaft- lichen Austausch wurde die Tagung am nächsten Morgen fortgesetzt. Es standen Exkursionen zur U-Bahnstation Aspernstraße, sowie zu den Bauabschnitten der U2-

Verlängerung in die Seestadt auf dem Programm. Die Tagung im Saal des ÖIAV

Ibpm - Institutsbericht 2012 65 Aktivitäten

4.2 Industriebauseminar

20. Internationales Industriebauseminar 2011 – „refurbished future“ – Werte, Ressour- cen und Strukturen – ergänzen statt ersetzen 18 - 20. Mai 2011

Das vergangene Industriebauseminar war in vielerlei Hinsicht etwas ganz Besonde- res. Zum einen wurde mit der 20. Abhal- tung dieser Veranstaltung ein runder Ge- burtstag begangen, zu dessen Ehren das Seminar erstmals zweisprachig, nämlich auf Deutsch und auf Englisch, stattfand. Zum anderen hatte die Austragung im prominenten Kuppelsaal einen brisanten Vortrag zu „refurbished future“ im Kuppelsaal der TU und sehr passenden Bezug zum diesjäh- Wien rigen Thema des Seminars.

Der Umstand ist bezeichnend für den Zeitgeist der letzten Jahrzehnte: vor knapp 200 Jahren wurde dieser kuppelartige Aufbau geschaffen, um dem Gebäude eine entsprechende Ästhe- tik zu verleihen. Fast genauso lange hat es gedauert, bis man den besonderen Wert dieser Konstruktion auch von innen erkannte und der Kuppelsaal im Jahre 2005 unter Beibehaltung der historischen Holzkonstruktion ein einzigartiger Veranstaltungsraum wurde, welcher durch seine hohe Flexibilität, sein großzügiges Volumen und seine imposante Anmutung unter- schiedlichst genützt werden kann.

Diese Wertsteigerung im Rahmen eines Umbaus ist ein gutes Beispiel dafür, wie es funktio- nieren kann – und ein wunderbarer Einstieg in die 27 Vorträge des 20. Industriebauseminars, welches sich durch Diversität der Referenten bei gleichzeitiger Bewahrung des Themenfokus auszeichnete. Unter den Vortragenden fanden sich Vertreter der Industrie und der Architek- tur, der Politik und der Geschichte, ja sogar der Theologie wieder, um eines der wichtigsten und aktuellsten Themen der Bauindustrie von allen Seiten zu beleuchten.

Mit einem Mix aus Praxisberichten - angefangen bei Worst-Case Beispielen wie der Geister- stadt Pripyat in unmittelbarer Umgebung zu Tschernobyl bis hin zu geglückten Refurbish- ment-Projekten wie dem Joanneumsviertel, Grundsatzdiskussionen, Beiträgen aus der Wis- senschaft sowie Rück- und Ausblicken wurden den fast 200 Gästen zwei spannende und

66 Ibpm - Institutsbericht 2012 Aktivitäten

abwechslungsreiche Tage geboten, in denen auch noch genug Zeit für den Austausch un- tereinander und zum Kennenlernen blieb.

Nachzulesen sind die Beiträge in dem Buch: refurbished future – Werte, Ressourcen und Strukturen – ergänzen statt ersetzen; Christoph M. Achammer (Hg.), Neuer wissenschaftli- cher Verlag, ISBN 978-3-7083-0798-5

4.3 CIB Conference

Architectural Management in der digitalen Arena

13 – 14. Okt. 2011, Kuppelsaal der Technischen Universität Wien

Architektonische Entwurfsprozesse sind iterative Prozesse, wobei die Entwurfs- bzw. Entscheidungsprozesse eng miteinander verflochten sind. Die Anforderungen, Wünsche und Interessen von Kunden und Stakeholder für ein schönes, reibungslos funktionierendes und nach- haltiges Gebäude müssen innerhalb des vorübergehenden Projekt- teams gut verstanden und effektiv kommuniziert sein. Der Fokus von Architekten, Manager, Konsulenten und Ingenieure hat sich vom Pro- jekt hin zu einer Verantwortung für den ganzen Lebenszyklus des Ge- bäudes entwickelt - in einem Zeitalter rascher Fortschritte bei Digital- technologien.

Prof. Achammer und dem Fachbereich für interdisziplinäre Bauplanung und Industriebau wurde die Freude und Ehre zu Teil, Gastgeber der CIB-W096 Konferenz 2011 sein zu dür- fen. Zusätzlich war unser Fachbereich durch die Berufung von Dr. Iva Kovacic in das Scienti- fic Committee an der wissenschaftlich erfolgreichen Durchführung der Konferenz beteiligt.

Ziel dieser Konferenz war zu diskutieren, wie Architectural Management alle Arten elektroni- scher Medien verwenden können, um Entwürfe in verschiedensten Kontexten zu kreieren, kommunizieren und auszuführen. Die Verantwortung für ein Gebäude wechselt zwischen Generalunternehmer und Architekt - normalerweise aufgrund der regionalen oder nationalen Gesetzgebung - mit Folgen für die Verantwortung und Aufgaben vom Architectural Manage- ment, insbesondere in den Bereichen Kommunikation und Zusammenarbeit.

Ibpm - Institutsbericht 2012 67 Aktivitäten

Folgend finden Sie die Themen in Kürze zusammengefasst: x Geschicktes, effizientes und intelligentes Architectural Design Management x Die Verwendung kollaborativer Technologien wie Building Information Modelling (BIM) x Integrierte (nachhaltige) Designlösungen und integrierte Arbeitsansätze x Rollenwechsel und gesetzliche Verantwortung für Design im digitalen Zeitalter x Globale gegen lokale Herausforderungen für die Architektur

Die Konferenz war ein Treffpunkt für Experten, Fachpersonen in den Bereichen Design und Ingenieurswesen, Wissenschaftler, Forscher, Konsulenten und Studenten der ganzen Welt. In Workshops haben Teilnehmer ihre Erfahrungen und ihr Wissen hinsichtlich der neuen Chancen und Herausforderungen intelligenter, effizienter und nachhaltiger Designlosungen verteilen und austauschen können.

Die Vorträge zum Nachlesen: Proceesdings of the CIB-W096 conference Vienna 2011 - Ar- chitectural Management in the Digital Aren; Univerity Press, Eindhoven University of Tech- nology (TU/e), Eindhoven. ISBN 978-90-386-2810-3.

Zum Downloaden unter http://www.cibworld.nl/site/databases/publications.html bzw. in Hard- copy zu ordern bei [email protected]

68 Ibpm - Institutsbericht 2012 Lehrveranstaltungen

5 Lehrveranstaltungen

5.1 Forschungsbereich Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik

Ibpm - Institutsbericht 2012 69 Lehrveranstaltungen

5.2 Forschungsbereich Bauwirtschaft und Baumanagement

70 Ibpm - Institutsbericht 2012 Lehrveranstaltungen

5.3 Forschungsbereich Industriebau und interdisziplinäre Bauplanung

Ibpm - Institutsbericht 2012 71 Lehrveranstaltungen

5.4 Concrete Student Trophy

Als eines der wenigen Institute der Fakultät für Bauingenieurwesen wagt sich unser Fachbe- reich auf das Terrain der interdisziplinären Zusammenarbeit, sowohl auf Seite der Studenten als auch der Betreuer – mit großem Erfolg. Bereits zum siebenten Mal konnte im Sommer- semester 2012 die Concrete Student Trophy als interdisziplinäre Projektarbeit und öster- reichweiter Wettbewerb abgehalten werden.

Der mit insgesamt € 12.000,- dotierte Wettbewerb wird jährlich von der Vereinigung der ös- terreichischen Zementindustrie ausgeschrieben. Anforderung an die Projekte ist, dass sie interdisziplinär entwickelt wurden und bei der Gestaltung und Konstruktion dem Werkstoff Beton eine wesentliche Rolle zukommt.

Bereits in den Ausschreibungsunterlagen zu diesem Wettbewerb wird als Teilnahmebedin- gung die Zusammensetzung der Teams aus mindestens einem BauingenieurIn und einem ArchitektIn gefordert. Dadurch wird die frühe Zusammenarbeit dieser zwei Disziplinen for- ciert, der/die BauingenieurIn muss sich von Beginn an der Entwurfsarbeit beteiligen und der/die ArchitektIn muss sich aktiv mit dem Tragwerkskonzept auseinandersetzen.

Das Betreuer-Team setzt sich aus Professoren und Assistenten des Instituts für Tragwerks- planung, Fachbereich für Stahlbeton- und Massivbau, des Instituts für interdisziplinäres Bau- prozessmanagement, Fachbereich Industriebau und interdisziplinäre Bauplanung sowie der Abteilung Hochbau 2 – Konstruktion und Entwerfen der Fakultät für Architektur und Raum- planung zusammen.

Die Planungsaufgaben der letzten drei Jahre hätten unterschiedlicher nicht sein können – so findet man unter den Projekten einen Ausstellungsturm in Graz, eine schwimmfähige Brücke bei der Brigittenauer Bucht und eine neue -Halle für den amtierenden österreichi- schen Meister, die BK Dukes. Folgender Abschnitt gibt einen Überblick über die interessan- testen und erfolgreichsten Projekte im Rahmen dieser Lehrveranstaltung.

72 Ibpm - Institutsbericht 2012 Lehrveranstaltungen

Concrete Student Trophy 2010 – Temporärer Aussichtsturm auf dem Campus der TU Graz x Aufgabenstellung: Anlässlich des 200-jährigen Bestehen der TU Graz soll eine begehba- re Aussichts-Struktur als Leuchtturm und als temporäres Zentrum entworfen werden. Die Betonstruktur mit Aussichtsplattform soll gleichzeitig die Örtlichkeit des Campus der TU Graz, seine urbane Entwicklung, die Ausbreitung der Infrastruktur sowie die Raument- wicklung für Innovation und Visionen vermitteln. x Herausforderung: Das temporäre Bestehen des Turms verbunden mit der sinnvollen Nut- zung des Baustoffes Beton kann als eine der wesentlichen Herausforderungen dieses Projektes angesehen werden. Hier galt es innovative und gut durchdachte Lösungen zu entwickeln, um die Jury überzeugen zu können.

Gewinner: 1. Preis – Freefolding Upwards; Sehi, Grankov, Tasevski; € 4.000,-

Anerkennung – Erlebnis I Weg; Cmolik, Groß, Steinbacher, € 1.000,-

Ibpm - Institutsbericht 2012 73 Lehrveranstaltungen

Concrete Student Trophy 2011 – Schwimmfähiges multifunktionales Brückensystem x Aufgabenstellung: Vorentwurf einer Wegeverbindung über die Neue Donau in Form einer schwimmenden Betonkonstruktion im Bereich der Brigittenauer Bucht. Diese Wegever- bindung soll zusätzlichen Mehrwert für Donauinselbesucher (Ruhe- und Liegemöglichkei- ten, Anlegemöglichkeiten für Boote, etc.) und Einnahmemöglichkeiten durch Betriebsan- siedelung schaffen. Im Falle des Hochwassers muss eine Öffnung der Verbindung mög- lich sein (geringe Anströmfläche), sie soll aber im Wasser bleiben können. x Herausforderung: Die unterschiedlichen Nutzungen zu vereinen sowie eine schwimmen- de Formgebung zu finden können als Schwerpunkt der Entwurfsarbeit angesehen wer- den. Auch die Berücksichtigung des Hochwasserzustandes stellte für die Studenten eine schwierige Aufgabe dar, welche sie mit Bravour lösten.

Gewinner: 3. Preis – Urban Shells; Kromoser, Pachner, Schretzmayer; € 2.000,-

© rendered by Martin Woschitz

3. Preis – Curve Connect; Wünsche, Saipi, Brandstetter; € 2.000,-

74 Ibpm - Institutsbericht 2012 Lehrveranstaltungen

Concrete Student Trophy 2012 – Barrierefreie Basketball-Wettkampfhalle x Aufgabenstellung: Architektonisches und statisches Konzept einer barrierefreien Basket- ball-Wettkampfhalle als multifunktionale Sportstätte im Bereich des Freizeitzentrums Happyland in Klosterneuburg. Beton als Werkstoff soll das wesentliche konstruktive und gestalterische Element zur freien Formgebung der Hülle dieser Sportstätte sein. x Herausforderung: Der Bauplatz ist von vier Seiten durch den Bestand bzw. den Kloster- neuburger Durchstich begrenzt. Diese beengten Platzverhältnisse mit den hohen Anfor- derungen an die Sporthalle in Einklang zu bringen verlangte den Projekt-Teams einiges ab. Auch im Umfang der Planungsaufgabe ist dieses Projekt einzigartig, da es neben der Planung des optimalen Einsatzes des Werkstoffes Beton auch ein funktionierendes Raumprogramm zu entwerfen gilt, was aufgrund der kurzen Bearbeitungszeit keine leich- te Aufgabe ist. x Gewinner: Die Einreichung der Projektarbeiten findet erst im Oktober 2012 und somit nach Redaktionsschluss dieses Institutsberichtes statt. Die Berichterstattung über die Gewinnerprojekte finden Sie im nächsten Institutsbericht (2014).

5.5 Gastvortragende

Am Institut für interdisziplinäres Bauprozessmanagement wird versucht, in den Vertiefungs- vorlesungen mit Gastvortragenden aus der Bauwirtschaft praxisnahe vorzutragen. Die Vor- tragsinhalte reichen von der Vorstellung von speziellen Projekten über die Einführung in Softwareprogrammen bis hin zur Beschreibung von Managementaufgaben. Der Vorlesungs- stoff wird somit mit diversen Themen abgerundet und bietet zudem den Kontakt zu Firmen aus der Privatwirtschaft, als auch der öffentlichen Hand.

An dieser Stelle sei den Vortragenden für ihr Engagement bei ihren stets interessanten Vor- trägen gedankt! Die Gastvortragenden werden ohne Titel angeführt.

LVA 234.033 Management und Abwicklung von Bauvorhaben

Friedrich Prem KAV, Bauherrnmanagement Judith Engel ÖBB, Projektleitung Hauptbahnhof Wien Gerhard Sendlhofer Software SIDOUN GmbH Marc Guido Höhne Drees&Sommer Roland Haring iC Consulenten Gerhard Sendlhofer Software SIDOUN GmbH

Ibpm - Institutsbericht 2012 75 Lehrveranstaltungen

LVA 234.099 EDV-Gestützte Ausschreibung und Kalkulation Christoph Frantes DL-Data EDV-DienstleistungsgmbH Monika Ilg ib-data GmbH

LVA 234.099 Vergabemanagement Roland Irnberger ÖBB-Infrastruktur AG

LVA 234.116 International Construction Querner Markus iC Consulenten Wötzinger Peter iC Consulenten Hahnkamper Neudorfer Law, ehem. Arbaut Thewanger Erich KPMG Mayrl Karl Erste Bank Forsthuber Rene Aon J&H Ullrich Martin Strabag Hanzlik Christian OeKB Schwarz Herwig Strabag Stöttinger Peter Felbermayr Transporte Saaf Jan Ele Saaf Consult Holfelder Martin, Bilfinger Berger Seteanu Sorin Panait Bilfinger Berger Müller Meik Alpine Neugebauer Erich Alpine Beck Gerald Raiffeisen evolution Hörlesberger Martin DOKA Reitgruber Stefan Waagner-Biro Deskovic Benn Ibler Achammer ATP Höfer PORR Rath Andreas PORR Daller Josef iC Consulenten Melis Werner WKO Schiedsgericht Schulz Nadine Gerling Trauttenberg Clemens Wolf Theiss Rechtsanwalt Reiner Horst ATP

76 Ibpm - Institutsbericht 2012 Lehrveranstaltungen

Hanzlik Christian OeKB Stöttinger Peter Felbermayr Transporte Bergmeister Konrad BBT Pacher Franz Alpine Chalabi Talik Chalabi architects Chromy Hartwig , ehem. BIG Wetschnig Hubert, Höfer Horst PORR Gabler Georg Strabag Kainz Werner ILF Posch Hannes CES

LVA 234.060 Praxisreport: Innovatives Bauen Jörg Huiber Fa. Kalzip Michael Olipitz SDO (Structural Design Olipitz) Micheal Bauer Graf-Holztechnik GmbH Martin Glass GMP-Gerkan Marg und Partner Thomas Fortmüller Fa. Granit GesmbH Christoph Haupert GIG Fassaden GmbH Stefan Behnisch Behnisch Architekten Matthäus Groh KS Ingenieure Robert Magis Eckelt Glas Silja Tillner Architekten Tillner & Willinger ZT GmbH Heinz-Peter Rausch, Lothar Heinrich, Vasko + Partner Ingenieure Günther Sammer, Anne Wagner Soma Architekten Soma Architekten Julian Lienhard Universität Stuttgart Prof. Bollinger Bollinger und Grohmann GmbH

LVA 234.112 Strategien für nachhaltiges Planen Florian Krauss TURNER TOWNSEND WIEN LVA 234.983 Planungsprozess und Bauprojektmanagement 2 Christian Nüssel FCP ZT GmbH Walter Nemeth FCP ZT GmbH Florian Krauß Turner Townsend Wien Morawetz Christian Fraunhofer Austria Research GmbH

Ibpm - Institutsbericht 2012 77

Exkursionen 2010 bis 2012

6 Exkursionen 2010 bis 2012

6.1 Exkursionen Forschungsbereich Baubetrieb u. Bauverfahrenstechnik

Die Exkursionen führten uns nach: x 04/2010 BAUMA in München x 09/2010 Serbien x 11/2010 Wien Mitte x 03/2011 Hauptbahnhof Wien x 04/2011 DC-Tower x 12/2011 U2 Verlängerung Aspern x 04/2012 Wirtschaftsuniversität NEU x 06/2012 Koralmtunnel (Baulos KAT 2) + Bosrucktunnel

Ausgewählte Exkursionen wollen wir nachstehend kurz beschreiben.

6.1.1 Exkursion nach Belgrad

Im September 2010 nahm das Institut für interdisziplinäres Bauprojektmanagement die Ein- ladung von den Firmen Porr und Alpine nach Serbien wahr, um die Sava Brücke, sowie die herausfordernde Breska Brücke noch im Bau besichtigen zu können.

Das neue Wahrzeichen der Stadt Belgrad ist ein nadelförmiger Pylon mit einer Höhe von 200 m. Er trägt mit je 40 Schrägseilen das Hauptfeld mit 376 m Länge und das rückwärtige Feld mit 200 m. Der Überbau ist außergewöhnliche 45 m breit. Die Gesamtlänge der Brücke, die den Fluss Sava überquert, wird mit den Vorlandfeldern 964 m betragen.

Ibpm - Institutsbericht 2012 79 Exkursionen 2010 bis 2012

Freivorbau - Breska Brücke Pylon - Sava Brücke

Die Breska Bridge, geplant und gebaut von Alpine, zählt mit 2213 m zum längsten Brücken- bauwerk Serbien. Die Donau wurde mit Spannweiten von 60 m + 105 m + 210 m + 105 m + 60 m im System des freien Vorbaus überbrückt, während das Überschwemmgebiet der Do- nau mit einer Vorlandbrücke von 1493 m Länge in konventioneller Bauweise errichtet wurde.

Die Besichtigung beider Brücken war ein imposantes und spannendes Erlebnis. Wir danken den Firmen Alpine und Porr für die Einladung sowie für die persönliche Betreuung vor Ort.

6.1.2 U2 Verlängerung Aspern

Am 15. Dezember 2011 fand die Exkursion zur U2 Verlängerung Aspern statt. Der Neubau der U2 erschließt ein neues Stadtentwicklungsgebiet. Anders als in der Vergangenheit wird zuerst die Infrastruktur geschaffen, anschließend soll die „Seestadt“ am Rande von Wien entstehen. Die gesamte Trasse wird aus Kostengründen in Hochlage geführt und in die Stadtplanung einbezogen.

80 Ibpm - Institutsbericht 2012 Exkursionen 2010 bis 2012

http://www.aspern-seestadt.at http://www.aspern-seestadt.at Impressionen der Exkursion

6.1.3 DC-Tower

Der DC Tower wird das höchste Gebäude Österreichs. Es entstehen 60 Geschoße mit über 90.000 m² Bruttogeschoßfläche. Der Turm wird Büros, ein Hotel, Gastronomie sowie exklusi- ve Sky-Lofts beherbergen. Der Entwurf für diesen Tower stammt vom Architekten Dominique Perrault, errichtet wird der Turm von der Firma Max Bögl.

Wir haben die Gelegenheit genutzt und haben die Baustelle im Rahmen einer Exkursion am 07.04.2011 besucht.

Ibpm - Institutsbericht 2012 81 Exkursionen 2010 bis 2012

Impressionen der Exkursion

6.1.4 Koralmtunnel (Baulos KAT 2) und Bosrucktunnel

Den verdienten Abschluss eines anstrengenden Semesters stellte auch heuer wieder eine zweitägige Exkursion zu aktuellen Großbaustellen – mit Fokus auf Tunnelbau – dar. Die Zie- le dieses Lehrausflugs waren der Bosrucktunnel sowie der Koralmtunnel (Baulos KAT 2).

Der Bosrucktunnel verbindet als Teil der Autobahn A9 die Bundesländer Oberösterreich und Steiermark und wurde in seiner bisherigen Form (einröhrig, Gegenverkehrsbetrieb) im Jahre 1983 eröffnet. Als Teil einer wichtigen Transitroute stellt der Bosrucktunnel somit einen Fla- schenhals für die täglich ca. 12.000 Verkehrsteilnehmer auf dieser Strecke dar. Nicht nur deshalb, sondern auch, weil aufgrund einer Vorgabe der EU bis 2019 sämtliche Tunnels aus Sicherheitsgründen zweiröhrig ausgebaut sein müssen, erfolgt derzeit eine entsprechende Adaptierung. Der Spatenstich für den 5,5 km langen Tunnel fand Ende 2009 statt und bereits ca. 20 Monate danach erfolgte der Durchschlag. Seither werden vom Südportal aus der In- nenausbau sowie die Herstellung der Fahrbahnen durchgeführt und die elektromaschinelle Ausrüstung installiert. Nach Fertigstellung dieses Abschnitts beginnt eine umfangreiche Sa- nierung der derzeit in Betrieb befindlichen Röhre, da der bauliche Zustand sich seit Inbe- triebnahme drastisch verschlechtert hat. Die Gründe dafür sind geologischer Natur und

82 Ibpm - Institutsbericht 2012 Exkursionen 2010 bis 2012

stammen vom sog. Haselgebirge auf der Nordseite des Tunnels. Auf einer Strecke von ca. 300 Metern bewirken die großen Vorkommen an Anhydrit aufgrund dessen hydraulischer Eigenschaften eine Zerstörung der Tunnelschale. Dies ist auch ein Grund dafür, dass entge- gen der Grundprinzipien der NÖT in diesem Bereich sehr hohe Innenschalenstärken (bis zu 70 cm) sowie ein bewehrtes Sohlgewölbe für den Neubau notwendig waren, um dem anste- henden Gebirgsdruck entgegenzuwirken. Das anfallende Ausbruchsmaterial von insgesamt rund 700.000 m³ wird großteils auf Deponien verführt – ca. 30% können für die Errichtung des neuen Schwerpunktrastplatzes Pyhrn-Priel wiederverwendet werden.

www.asfinag.at

Nach Fertigstellung aller Baumaßnahmen auf diesem Abschnitt werden ca. 280 Mio. Euro (Neubau sowie Generalsanierung) seitens der ASFINAG investiert sein und somit mehr Si- cherheit und ein schnelleres Vorankommen aller Verkehrsteilnehmer garantieren.

Nach einer Übernachtung in Deutschlandsberg konnten wir am zweiten Tag unserer Ex- kursion gut gestärkt die Besichtigung des Koralmtunnels vornehmen.

Ibpm - Institutsbericht 2012 83 Exkursionen 2010 bis 2012

Der Koralmtunnel ist als Teil der Koralmbahn nicht nur regional und national von großer Be- deutung für den Bahnverkehr, sondern auch aus internationaler Sicht immens wichtig, stellt er doch einen Teil des Transeuropäischen Netzes von der Ostsee bis an die obere Adria dar. Der 32,8 km lange Tunnel bildet den zentralen Abschnitt des derzeit in Bau befindlichen Teils der „Koralmbahn Graz-Klagenfurt“ und verbindet den Raum rund um Deutschlandsberg mit dem Lavanttal. Der Koralmtunnel gliedert sich in drei Baulose, wobei das Baulos KAT 2 mit ca. 19 km den größten Anteil hat. Bevor mit dem Bau des eigentlichen Tunnels begonnen werden konnte, wurden auf beiden Seiten umfangreiche Erkundungsmaßnahmen durchge- führt. Die Erkenntnisse daraus flossen in die Planung für den Haupttunnel ein und die bereits für die Erkundung aufgefahrenen Bereiche werden im Zuge der Herstellung der beiden Tun- nelröhren erweitert.

Der Vortrieb der beiden Tunnels im Baulos KAT 2 erfolgt mit zwei TBM vom Schacht Leiben- feld aus. Im Sommer 2012 kann der Aufbau der ersten Maschine beginnen, sodass gegen Ende des Jahres mit dem Vortrieb der ersten Röhre (Durchmesser 9,9 m) begonnen werden kann. In Anbetracht dessen, dass der gesamte Ausbruch ca. 10 Mio m³ beträgt, ist die Mate- rialbewirtschaftung wesentlicher Aspekt dieses Projekts. Je nach Eigenschaften wird das Material beispielsweise für die Tübbingproduktion oder für Schüttungen verwendet. Nicht verwertbares Material wird über Gleisverfuhr (mind. 70% der Gesamtverfuhr lt. Vorgabe der ÖBB) auf verschiedene Deponien gebracht.

Das Hauptaugenmerk unserer Besichtigung galt der Baustelleneinrichtungsfläche, die sich bei diesem Projekt auf ca. 6 ha beläuft. Neben den Büros für Bauleitung, Bauaufsicht und sonstige Dienstleister befinden sich zwei Tübbingwerke sowie die Lagerflächen für sämtliche Materialien und die Transportförderbänder zu den Deponien auf der Baustelleneinrichtungs- fläche. Allein bei Betracht dieser Ausmaße wird sofort bewusst, dass in dieser Größenord- nung der Baustelleneinrichtung ohne eine sorgfältig abgestimmte Planung die entsprechen- de Versorgung der Baustelle nicht funktionieren würde. Zusätzliches Erschwernis stellt die eingeschränkte Zugangsmöglichkeit dar, da der Vortrieb nur über die beiden ca. 60 m tiefen Startschächte zugänglich ist. Die gesamte Vortriebslogistik muss daher auf diese Situation abgestimmt sein.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass wir bei dieser Exkursion zwei äußerst interessante Projekte gesehen haben, die beide in den nächsten Jahren ihren Beitrag zu einer deutlichen Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in Österreich leisten werden.

84 Ibpm - Institutsbericht 2012 Exkursionen 2010 bis 2012

6.2 Exkursionen Forschungsbereich interdisziplinäre Bauplanung und Industriebau

6.2.1 Exkursion Kopenhagen Juni 2012

Die diesjährige Exkursion führte uns unter dem Motto „Nachhaltigkeit“ nach Kopenhagen. Die nordische City hat sich diesbezüglich ein hohes Ziel gesetzt, sie will bis 2015 20 % des CO2 Ausstoßes reduzieren und bis 2025 CO2 neutral werden. Dieses Ziel umfasst jedoch nicht alleinig die Reduktion der Emissionen, sondern ist gesamthaft im Sinne des Wortes Nachhaltigkeit zu verstehen. Ökologisch, ökonomisch und soziokulturell will Kopenhagen einen neuen Weg beschreiten, der beispielhaft sein soll. Die Perspektiven sind x Verbesserung der Luftqualität x bessere Standards für Wohnraum, Arbeitsstätten und kulturelles Lebens x Sensibilisierung für Verantwortungsübernahme jedes Einzelnen im täglichen Leben

So soll jeder Kopenhagener in Zukunft in einer architektonisch und städteplanerischen an- spruchsvollen Umgebung wohnen, Grün- und Freizeitflächen in unmittelbarer Umgebung finden, mit dem Fahrrad zur Arbeit, Schule, Uni etc. fahren, biologisches Essen zu sich neh- men und weitgehend vom üblichen Lärm einer Großstadt verschont sein.

Diesem hehren Ziel wollten wir in unserer Exkursion auf die Spur kommen. Im Rahmen der Lehrveranstaltung sollten die Studenten die Ziele Kopenhagens analysieren und in einem eigenen Masterplan für ein Industriegebiet umsetzen. Hierzu konnte das Projekt Smart City Liesing in Wien als Muster herangezogen werden.

Und wer nun an dieser Stelle glaubt, ETCS Punkte einer Lehrveranstaltung, die zum Haupt- teil aus Exkursion besteht, seien leicht verdient, der hat noch keine Exkursion mit uns ge- macht. Vier Tage war marschieren angesagt, bei Wind und Wetter (im wahrsten Sinne des Wortes), von morgens bis abends. Aber es hat sich gelohnt! Kopenhagen hat sich als eine unglaublich interessante und inspirierende Stadt erwiesen und wir können nur jedem emp- fehlen, es uns gleich zu tun und sich diese Stadt mal genauer anzusehen.

Gleich am ersten Tag hatten wir eine Offenbarung. Das CITA - Center for Information Tech- nology and Architecture der Royal Danish Academy of Fine Arts, Schools of Architecture, Design and Conversation hat uns zu einer kleinen Führung durch ihre Räumlichkeiten einge- laden. Dieser Universitätscampus im historischen Gemäuer ist ein Ort, an welchem wir Wis- sen, Lernfreude und konstruktive, kreative Zusammenarbeit richtig spüren konnten. Der For- schungsschwerpunkt des Instituts liegt in der innovativen Materialforschung und so einige

Ibpm - Institutsbericht 2012 85 Exkursionen 2010 bis 2012

Formwunder aus verschiedensten Materialien sind dort zu bewundern. Ganz nebenbei gibt es auch noch eine spitzen Kantine – mit organic food – versteht sich. Somit konnten wir be- reits in den ersten Stunden eine paar Anregungen für unsere Uni zuhause finden.

Prof. Achammer in Diskussion mit Mitarbeitern des „Aliens“ im CITA Instituts

Vom Hochgeistigen ging es zum Hochkulturellen – Oper und Playhouse wurden durch uns eingehend begangen und bestaunt - zwei beeindruckende Gebäude, die architektonisch wie bühnentechnisch alle Stücke spielen. Und der kreative Opern-Besucher kann auch gleich selbst zum Kompositeur und Musiker werden, in dem er das Wand-Xylophon bespielt.

Die Oper Prof. Achammer lässt die Wand erklingen

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Playhouse Werkstätten im Playhouse

Tag zwei und drei wurden wir von Bo Christiansen von Guiding Architekts geleitet und wir haben uns die Stadt so richtig vorgenommen, per pedes versteht sich – schließlich heißt das Ziel ja Kopenhagen CO2 neutral. Neben der Erkundung der anspruchsvollen Architektur wurden wir von Bo auch ein bisschen in den dänischen way of life eingeführt; Zitat Bo: „Who needs curtons, we need daylight“. Und diesen offenen, freien Zugang leben die Nordländler voll und ganz. Entblößte Dänen an riesigen Wohnzimmerfenstern oder beim erquickenden Seebad (12 °C Wassertemperatur und die Luft nicht viel wärmer!) sind ganz normal.

„We need daylight“ Seebad im Freizeitgelände Amager Strandpark

Aber um auf die Architektur zurückzukommen: Highlights des zweiten Tages waren „Amerika Plaza” ein Stadtentwicklungsgebiet in einem ehemaligen Seitenhafen nach dem Masterplan von Adriaan Geuze, heute ein anspruchsvolles Wohngebiet mit hochpreisigen Wohnungen, der „Schwarze Diamant“, die Königliche Bibliothek von Schmidt/Hammer/Lassen und ein Spaziergang am Hafenkanal mit Gebäuden von Nykredit, Schmidt/Hammer/Lassen, Lund- gaard&Tranberg und MVRDV / JJW. Alle Gebäude sind von hohem architektonischen An- spruch und zeichnen sich durch besondere Nutzerfreundlichkeit aus. Dass bei den Gebäu- den auf Energieeffizienz geachtet wurde, versteht sich in Kopenhagen mittlerweile von

Ibpm - Institutsbericht 2012 87 Exkursionen 2010 bis 2012

selbst. Natürlich haben wir noch viele weitere interessante Gebäude gesehen, doch möchte ich Ihnen deren Aufzählung ersparen, sodass es Ihnen nicht so ergehe wie unseren Füßen.

Der schwarze Diamant Ausblick aus der Bibliothek

Ein ehemaliger Speicher umgebaut zu America Placa e Wohnungen

Der dritte Tag war vor allem dem Freizeit- und Wohnbau der Stadt gewidmet. Ähnlich zu Wien hat Kopenhagen ein ausgedehntes Naherholungsgebiet am Wasser. Mit architekto- nisch ambitionierten Projekten lädt die Stadt hier zu sportlichen Aktivitäten ein. Beim Kastrup Meerbad (White Architects), kann man sich im wahrsten Sinne des Wortes abkühlen, das Maritim Jugend Center (PLOT = BIG / + JDS) und das Prism, Sports & Kultur Center (Dorthe Mandrup+B&K) sollen v.a. Jugendliche aus sozial schwächeren Gesellschaftssichten zu ge- meinsamen sportlichen Tätigkeiten animieren. Und das Holmbladsgade Nachbarschafts- und Kulturhaus (Dorthe Mandrup) soll allen Gesellschaftschichten Kultur, von Lesungen bis The- ater, nahe bringen und somit ein Ort der Begegnung sein. Das besondere an diesen Projek- ten ist, dass mit wenig Budget (Sozialtöpfe sind ja selten prall gefüllt) großartige Architektur geschaffen wurde, die von der Bevölkerung mit Begeisterung genutzt wird.

88 Ibpm - Institutsbericht 2012 Exkursionen 2010 bis 2012

Kastrup Meerbad Maritim Jugend Center

Prism Holmbladsgade Nachbarschafts- und Kulturhaus

Abgeschlossen wurde unsere Guiding Architects Tour mit dem Besuch zweier ganz beson- derer Wohnbauten. Zwei Anlagen, die die 3 Säulen des Begriffs „Nachhaltiges Planen und Bauen“ im vollen Umfang erfüllen.

Das 8-HOUSE (BIG – Bjarke Ingels Group), am „derzeitigen“ (der Masterplan sieht eine weit- läufige Ausdehnung der Stadt vor) Stadtrand gelegen, ist ein Gesamtkonzept aus attraktiver Architektur, energieeffizienter Konstruktion und Lebensqualität. Der Komplex beinhaltet Ge- schäftsflächen im Erdgeschoß, Büroflächen mit nördlicher Aussichtung und Wohnflächen mit optimalen Licht- und Sonneneinstrahlung. Obwohl der Komplex riesig ist, strahlt er doch Wärme und Behaglichkeit aus. Wir konnten spüren, dass die Bewohner dort gerne leben und sich wohlfühlen.

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8 House 8 House Modell (©BIG)

Das zweite besonders hervorzuhebende Wohngebäude war „VM häuser“, liebevoll genannt als „The Mountain“ (PLOT = JDS + BIG). Und der Name ist Programm. Dieses Wohnhaus hat keinen einfachen Aufzug, so wie jedes größere Wohnhaus – nein – es hat einen Schilift, um genau zu sein, eine Standseilbahn! Da hat mein österreichisches Alpenherz natürlich gleich höher geschlagen. Und auch hier wurde der Gedanke der Nachhaltigkeit voll umge- setzt. Durch optimale Gebäudeausrichtung sowie intelligentem Einsatz von Material, Form und Farbe. Obwohl beide Gebäude große Wohnhausanlagen sind, wirken sie behaglich, überschaubar und individuell.

The Mountain von vorne The Mountain von hinten Erschließung mit dem Schilift

Am vierten und letzten Tag unserer Exkursion besuchten wir noch den Firmensitz von Rock- wool. Dieses Unternehmen – einer der größten Produzenten von Steinwolle - hat bereits vor über 10 Jahren ihr Headoffice nach den Prämissen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz (25 kW/m²a) konzipiert; mit Erfolg wie wir sehen konnten. Mittlerweile stehen sie vor dem nächs- ten Schritt und wollen die Erfahrungen und Erkenntnisse der ersten Lebensschleife in einer weiteren Optimierung umsetzen. Durch den Umbau soll das Gebäude noch effizienter und noch mehr an die Bedürfnisse der Mitarbeiter angepasst werden.

Nach diesen vier Tagen intensiven Programms waren wir restlos erledigt, aber um viele neue Ideen und Ansätze reicher. Wir haben einen kleinen Einblick in das Stadtleben von Kopen-

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hagen und dabei das Gefühl bekommen, dass hier vieles jetzt schon richtig läuft und die Zu- kunft noch viel Potential für diese Stadt bereithält. Wohnen, Arbeiten, Essen, Familie, Freun- de, Umwelt – dem gesamten Leben wird hier mit viel Respekt und Verantwortung begegnet. Mit einer unglaublichen Portion Kreativität werden dabei Gebäude und Lebensräume mit viel Qualität für den Einzelnen geschaffen.

Durch unsere Lehrveranstaltung sollen die Studenten diesen Ansatz aufnehmen und weiter- tragen und wir hoffen, dass möglichst viele von Ihnen diesen in ihrem späteren Wirken um- setzen.

Ibpm - Institutsbericht 2012 91

Forschung am Institut 2010 bis 2012

7 Forschung am Institut 2010 bis 2012

7.1 Diplomarbeiten

Im Zeitraum von 2010 bis 2012 konnten am Institut für Interdisziplinäres Bauprozessma- nagement insgesamt 36 Diplomarbeiten erfolgreich abgeschlossen werden. x Abteilung Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik: 15 Diplomarbeiten x Abteilung Bauwirtschaft und Baumanagement: 9 Diplomarbeiten x Abteilung Industriebau und interdisziplinäre Bauplanung: 12 Diplomarbeiten

Auf den folgenden Seiten werden die Diplomarbeiten mit Autor, Titel und betreuendem As- sistenten angeführt. Dadurch soll ein kurzer Einblick in die Bandbreite der am Institut für In- terdisziplinäres Bauprozessmanagement untersuchten Fachthemen gegeben werden.

7.1.1 Diplomarbeiten unter der Anleitung von Prof. Jodl

Geologische Vorerkundungsverfahren im Tunnelbau

x Diplomand: Mario Ferchenbauer x Betreuender Assistent: Bettina Bogner x Jahr 2012

Schadensfälle im Ingenieurtiefbau

x Diplomand: Walter Bednar x Betreuender Assistent: Andreas Makovec x Jahr 2011

Baustellengemeinkosten im urbanen Bereich – Vergleich: Klein-, Mittel- und Groß- baustellen im Hochbau

x Diplomand: Svetoslav Slavchev x Betreuender Assistent: Bettina Bogner x Jahr 2011

Ibpm - Institutsbericht 2012 93 Forschung am Institut 2010 bis 2012

Grundlagen der Lebenszykluskostenberechnung von Tunnelbauwerken

x Diplomand: Armin Nicolussi x Betreuender Assistent: Andreas Makovec x Jahr 2011

Optimierung der Disposition von Geräten mit Hilfe von Telematiksystemen

x Diplomand: Sinisa Suvajac x Betreuender Assistent: Bettina Bogner x Jahr 2010

Adaptierung und Generalsanierung von Plattenbauten

x Diplomand: Selma Joldzo x Betreuender Assistent: Daniel Resch x Jahr 2010

Wiederverwertung von Tunnelausbruchmaterial - Rechtliche Grundlagen in Öster- reich, der Schweiz und Italien

x Diplomand: Martin Entacher x Betreuender Assistent: Daniel Resch x Jahr 2010

Variantenstudie zur Kosten- und Leistungsermittlung im Tunnelbau - Erstellung eines Berechnungsprogramms

x Diplomand: Arthur Schönwälder x Betreuender Assistent: Daniel Resch x Jahr 2010

Variantenstudie - Deckelbauweise mit Schlitzwänden - U-Bahn Sofia

x Diplomand: Rositsa Temelakieva x Betreuender Assistent: Daniel Resch x Jahr 2010

94 Ibpm - Institutsbericht 2012 Forschung am Institut 2010 bis 2012

Variantenstudie - Deckelbauweise mit Bohrpfählen - U-Bahn Sofia

x Diplomand: Elvina Stoynova x Betreuender Assistent: Daniel Resch x Jahr 2010

Analyse von Bauverfahren im U-Bahnbau in Sofia

x Diplomand: Irena Sulay x Betreuender Assistent: Bettina Bogner x Jahr 2010

Hindernisse im Spezialtiefbau – Auswirkungen auf Leistung und Kosten

x Diplomand: Nikolay Bonzholov x Betreuender Assistent: Bettina Bogner x Jahr 2010

Aufbereitung von Recyclingmaterial im Straßenbau - Planung und Dimensionierung der Einrichtung

x Diplomand: Mariya Petrova x Betreuender Assistent: Bettina Bogner x Jahr 2010

Integrale Brücken (Brücken ohne Fugen und Lager) – Kostenvergleich mit konventio- nellen Brücken über den Lebenszyklus Komplettanbieter

x Diplomand: Florian Resch x Betreuender Assistent: Andreas Jurecka x Jahr 2010

Moderne Gleit- u. Kletterschalsysteme

x Diplomand: Martin Andonov x Betreuender Assistent: Daniel Resch x Jahr 2010

Ibpm - Institutsbericht 2012 95 Forschung am Institut 2010 bis 2012

7.1.2 Diplomarbeiten unter der Anleitung von Prof. Kropik

Green Building Zertifikate – Entscheidungskatalog für den Bauherrn

x Diplomand: Markus Moucka x Betreuender Assistent: Magdalena Steinbauer x Jahr 2012

Die Effizienz von Konsulenten (Projektsteuerung, Projektcontrolling, Örtliche Bauauf- sicht) – Einsatzformen in der Praxis.

x Diplomand: Bernhard Masar x Betreuender Assistent: Markus Gmoser x Jahr 2012

Die Regelung von außergewöhnlicher Witterung im Bauvertrag

x Diplomand: Philipp Traxler x Betreuender Assistent: Markus Gmoser x Jahr 2012

Verzögerungskosten bei verspäteter Beauftragung von Bauleistungen

x Diplomand: Harald Mayer x Betreuender Assistent: Jörg Ehgartner x Jahr 2011

Der Einfluss von Angebotskosten auf den Wettbewerb sowie der Kalkulationsauf- wand bei funktionalen Ausschreibungen

x Diplomand: Erak Dusko x Betreuender Assistent: Markus Gmoser x Jahr 2011

Die eheste Anmeldung von Mehrkosten aus bauwirtschaftlicher Sicht

x Diplomand: Christian Sümecz x Betreuender Assistent: Jörg Ehgartner x Jahr 2011

96 Ibpm - Institutsbericht 2012 Forschung am Institut 2010 bis 2012

Variabilität von Kosten bei Leistungsabweichungen unter besonderer Berücksichti- gung der Produktionsfaktoren

x Diplomand: Andreas Makovec x Betreuender Assistent: Jörg Ehgartner x Jahr 2011

Anwendung der FIDIC Standardvertragsbedingungen für Einheits- und Pauschal- preisverträge am Beispiel osteuropäischer Umwelttechnik-Projekte

x Diplomand: Isabella Wieser x Betreuender Assistent: n Maier / Livia Prestros x Jahr 2010

Die Ermittlung der SOLLTE Bauzeit bei gestörtem Bauablauf

x Diplomand: Stefan Lackinger x Betreuender Assistent: Jörg Ehgartner x Jahr 2010

7.1.3 Diplomarbeiten unter der Anleitung von Prof. Achammer

Nachhaltiges Stadtentwicklungssystem für Lemberg/Ukraine

x Diplomand: Robert Feichtinger / Katarina Gaugusch x Betreuende Assistentin: Iva Kovacic x Jahr 2012

Forschungsprojekt ReCoRe Fallstudie Mollgasse

x Diplomand: Christine Gruber x Betreuender Assistent: Iva Kovacic x Jahr 2012

Modulares Gitterschalensystem

x Diplomand: Andreas Ploderer x Jahr 2012

Ibpm - Institutsbericht 2012 97 Forschung am Institut 2010 bis 2012

Ein Leitfaden zur Anwendung von Gebäudeintegrierten Photovoltaikanlagen (GIPV) am Fallbeispiel des Gebäudes der WKÖ

x Diplomand: Ljupka Najceska x Betreuende Assistentin: Iva Kovacic x Jahr 2012

FIT FOR LIVING - Concept for a mixed-use complex in Nordbahnhofgebäude, Vienna, according to the passive house system

x Diplomand: Shahryar Abedian x Betreuende Assistentin: Iva Kovacic x Jahr 2011

Einkaufszentren/Innerstädtisch

x Diplomand : Harald Eidler x Betreuender Assistent: Malgorzata Sommer-Nawara x Jahr 2011

Lebenszykluskosten und Ökobilanzierung von Fassadensystemen im Industriebau

x Diplomand: Linus Waltenberger x Betreuender Assistent: Iva Kovacic x Jahr 2011

Eine integrierte, interdisziplinäre Betrachtung der Entwicklung eines Bauprojektes im Bestand am Beispiel des Österreichischen Parlaments

x Diplomand: Bettina Kropik x Betreuender Assistent: Stefan Faatz x Jahr 2011

Planungsprozesse für nachhaltige Gebäude

x Diplomand: Christoph Müller x Betreuende Assistentin: Iva Kovacic x Jahr 2011

98 Ibpm - Institutsbericht 2012 Forschung am Institut 2010 bis 2012

MFZ in Wien - Thalia Strasse

x Diplomand: Robert Redl x Jahr 2011

PE eines energieautarken Bürobaus – Baufeld 46_Stadtentwicklungsgebiet Nord- bahnhof

x Diplomand: Bettina Schnedl x Jahr 2011

CEE-Länder/Ungarn

x Diplomand: Stefan Szechenyi x Betreuender Assistent: Stefan Faatz x Jahr 2010

Ibpm - Institutsbericht 2012 99 Forschung am Institut 2010 bis 2012

7.2 Abgeschlossene Dissertationen 2010 bis 2012

Folgende Dissertationen wurden im Zeitraum 2010 bis 2012 unter Begutachtung von Profes- soren des Instituts erfolgreich abgeschlossen.

Muhammad Usman, Long-Term Behavior of Support Elements in NATM Tunnels

x Erstbegutachter: Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.mont. Robert Galler x Zweitbegutachter:O. Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Hans Georg Jodl x Jahr: 2012

Kurzfassung:

The long-time behavior of support elements in New Austrian Tunneling Method (NATM) tunnels was studied by applying finite element method using new findings from laboratory tests based on 30 years old tunnel support elements. The gradual degradation of reinforc;ed shotcrete support over a period of time, its perpetual dete- rioration under the influence of different physical, chemiecal, mechanical and biolo- giecal agents and ground pressure was simulated by the reduction of Young's Modu- lus, cohesion and friction angle to study the impact of this reduction on the stress distribution and overall stability of the tunnel support system consisting of rock mass, shotcrete and the inner lining. The degradation of sprayed concrete linings may con- tribute to destabilization of the rock mass, resulting in increased maintenance costs, reduced service life, as well as a potential safety risk. A three-dimensional finite ele- ment model involving dual-lining system consisting of primary shotcrete support, and the inner cast in place concrete liner was rnodeled using the generat purpose code ABAQUS. The tunnel excavation was simulated using top-heading, bench and invert tecniques with simultaneous installation of the shotcrete support. The emphasis was on the prediction of deformation and stresses acting on the primary shotcrete lining during the excavation in soil modeled with Mohr-Coulomb elasto-plastic material be- havior. The material pararneters used in the analysis were derived from the 30 years old shotcrete, concrete, steel anchors, and waterproofing geomernbranes samples from different Austrian tunnel sites tested in the laboratories of the Montan University. The samples of the inner lining were tested at the Graz University of Technology. Using a parametric study, different deterioration processes were simulatedby defining

100 Ibpm - Institutsbericht 2012 Forschung am Institut 2010 bis 2012

suitable interaction between the shotcrete shell and the ground, and the interac- tionbetween the shotcrete shell and the inner liner. Substantiating shotcrete shell deterioration, the progressive increase of stresses in the inner lining and stress dissi- pation into the surrounding ground was observed. This provided the possibility to illustrate the main attribute of a particular deterioration process on the basis of the obtained stress distributions and displacements of the support elements. The evalu- ated results furnished important information to devise a virtual relationship governing the quantum of load shared by inner liner and construing practical solutions for di- mensioning of inner lining thickness and reinforcerneut requirements.

Daniel Resch, Verwendung von Tunnelausbruchmaterial – Entscheidungsgrundlagen

x Erstbegutachter: Univ.ǦProf. Dipl.ǦIng. Dr.mont. Robert Galler x Zweitbegutachter: O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Hans Georg Jodl x Jahr 2012

Kurzfassung:

Diese Dissertation widmet sich den Randbedingungen der Verwendung von Aus- bruchmaterial als mineralischer Rohstoff.

Zurzeit befindet sich in Österreich eine große Anzahl an Untertagebauprojekten im Bau oder in der Planung. Hierbei werden große Mengen an Ausbruchmaterial anfal- len, die bis heute hauptsächlich als Schüttmaterial verwendet oder deponiert werden.

Wird hingegen dieses Ausbruchmaterial als mineralischer Rohstoff verwendet, kön- nen dadurch natürliche Ressourcen mineralischer Rohstoffe geschont werden. Gleichzeitig verringern sich z.B. durch reduzierte Transportwege und Deponieflächen die negativen Belastungen einer Untertagebaustelle auf die Umwelt.

Die Verwendung von Ausbruchmaterial ist dabei wesentlich von den Gesteinseigen- schaften, dem Bedarf an mineralischen Rohstoffen abhängig. Einen wesentlichen Einfluss auf die Verwendbarkeit des Ausbruchmaterials hat auch die Lösemethode.

Betrachtet man das Ausbruchmaterial so lässt sich vor allem in Bezug auf die Korn- größenverteilung, die Kornform sowie die chemischen Eigenschaften ein Unterschied zwischen TBMǦ und NÖTǦVortrieb feststellen. Zur nähren Beschreibung der chemi-

Ibpm - Institutsbericht 2012 101 Forschung am Institut 2010 bis 2012

schen Eigenschaften wurden daher von verschiedenen ausgeführten Tunnelprojek- ten chemische Untersuchungen des Ausbruchmaterial ausgewertet.

Auch die Menge und der Zeitpunkt des anfallenden Ausbruchmaterials sind wesent- lich von der Vortriebsart abhängig. Durch die unterschiedlichen Vortriebsleistungen sind eventuell erforderliche Zwischenlager bzw. Aufbereitungsanlagen unterschied- lich zu dimensionieren. Zur Abschätzung des Materialanfalls bzw. Materialbedarfs wurde daher ein Berechnungsprogramm entwickelt. Mithilfe dieses Programms kön- nen Variantenstudien für verschiedene Verwendungsszenarien problemlos durchge- führt werden.

Um den Nachweis zu erleichtern, ob das zu erwartende Ausbruchmaterial einer Ver- wendung zugeführt werden kann, wurde eine Empfehlung von durchzuführenden Materialuntersuchungen erstellt. Die dabei ermittelten Materialkennwerte bilden in der Folge die Eingangsparameter einer Bewertungsmatrix.

Mithilfe dieser Bewertungsmatrix werden die technischen, chemischen und mineralo- gischen Eigenschaften des zu erwartenden Ausbruchmaterials angegebenen Grenz- werten gegenübergestellt. Durch die Bestimmungen von ausgewählten Materialei- genschaften können so übersichtlich mehrere Verwendungspotentiale gleichzeitig beurteilt werden.

Ghulam Dastgir, Vorhersage der Leistung von Tunnelbohrmaschinen mittels Maschi- nendaten und Gebirgsparametern

x Erstbegutachter: O.Univ.Prof:Dr.Ewald Tenschert x Zweitbegutachter: O.Univ.Prof.Dipl.-Ing. Dr.techn. Hans Georg Jodl x Jahr 2012

Kurzfassung:

Die Vorhersage der Vortriebsleistung von TBMs ist eine wichtige Fragestellung seit dem Beginn des Einsatzes von TBMs für den kontinuierlichen Vortrieb. Der Einsatz von Tunnelbohrmaschinen gewinnt aufgrund seiner Effizienz gegenüber dem kon- ventionellen Vortrieb auch zunehmend an Bedeutung. Die Maschinendaten und die geotechnischen Gebirgsparameter haben einen signifikanten Einfluss auf die Vor-

102 Ibpm - Institutsbericht 2012 Forschung am Institut 2010 bis 2012

triebsleistung und sollten daher bereits bei der Wahl der TBM, d.h. vor Baubeginn, abgeschätzt werden.

Mit Hilfe der Methode der linearen Regression, der Fuzzy Logie und eines speziell entwickelten Matlab-Programms wurden die gesammelten Daten von sieben Tunnel- bohrprojekten (Hiefl.au, etc.) analysiert und eine Vorhersage der Gebirgszerlegung, der Vortriebsrate sowie der Pentrationsrate versucht. Mit Hilfe der Statitiksoftware. R' wurde eine detaillierte statistische Analyse und eine Gegenüberstellung der Maschi- nenparameter (Anpresskraft, Umdrehung, Drehmoment, etc.) und der Gebirgspara- meter (einaxiale Druckfestigkeit, des Zerlegungsgrads des Gebirges, etc.) durchge- führt. Es wurden Zusammenhänge zwischen den Maschinendaten und den Ge- birgsparametern die für ein Vorhersagemodell entscheidend sind abgeleitet.

Beim Erweiterungsstollen Hieflau sinkt die Vortriebsrate mit Zunahme des Anpress- drucks infolge der hohen Anhängigkeit der der Vortriebsrate von der Gesteinsfestig- keit. In Hieflau wurden drei Klassen von Daten miteinander in Beziehung gesetzt und mit Hilfe dreidimensionaler Diagramme (Oberflächen) analysiert : Maschinendaten, Daten zur Beschreibung des Gebirges und seismische Daten.

Dabei wurden keine verwertbaren Zusammenhänge zwischen seismischen Daten (amplitude und pseudogeschwindigkeit), Maschinenparametern und Gebirgsparame- tern gefunden. Die Analyse des Verschleißes der Meisel, Lager und Hydraulik im Vergleich mit den aufgezeichneten Vortriebsdaten hat gezeigt, dass der Werkzeug- verschleiß bei einem moderaten Anpresskraft zu einem Minimum wird und bei einem geringen- oder hohen Anpresskraft der Werkzeugverschleiß ein Maximum erreicht. Die Vortriebsgeschwindigkeit wurde mit Hilfe eines linear empirischen Modells mit hoher Genauigkeit vorhergesagt. Beim Hemerwald Tunnel wurden zwischen Vor- triebsgeschwindigkeit und Anpresskraft dieselben Korrelationen beobachtet als beim Fallbeispiel Hieflau. Die Analyse zeigt einen signifikanten Zusammenhang zwischen den aufgezeichneten Maschinenparametern und den Gebirgskennwerten.

Insgesamt wurden die Daten von sieben Tunneln in Bezug auf die Gebirgsfestigkeit, die Gebirgszerlegung und den Zusammenhang zwischen Anpressdruck und Vor- triebsgeschwindigkeit ausgewertet. Die sieben untersuchten Fallbeispiele können in zwei Gruppen unterteilt werden.

Die erste Gruppe beinhaltet die Tunnel Hieflau, Hemerwald, Maen and Pieve. Die

Ibpm - Institutsbericht 2012 103 Forschung am Institut 2010 bis 2012

vorherrschenden Gesteine der ersten Gruppe sind Kalksteine, Schiefer, Gneise und Granite und ihre einaxiale Druckfestigkeit variiert zwischen 162 und 226 MPa. Bei dieser Gruppe nimmt die Vortriebsgeschwindigkeit mit zunehmender Anpresskraft ab. Die Analyse hat gezeigt, dass die Ursache für dieses Verhalten in der hohen Ge- steinsfestigkeit und der geringen Gebirgszerlegung zu finden ist. Bei hoher Gesteins- festigkeit kann das entwickelte Vorhersagemodell für die Vortriebsgeschwindigkeit mit nur geringen Variationen von Fall zu Fall angewendet werden.

Die zweite Gruppe beinhaltet den Queen water, den Vereina und den Varzo Tunnel. Hier sind die vorherrschenden Gesteine Schiefer und Gneise mit einer einaxialen Druckfestigkeit zwischen 55 und 162 MPa und hoher Gebirgszerlegung, diese Fälle repräsentieren ein geringfestes bis mittelfestes Gebirge. Bei dieser Gruppe nimmt die Vortriebsgeschwindigkeit mit zunehmender Anpresskraft zu. Bei Gesteinen mit gerin- ger Festigkeit muss kann das entwickelte Vorhersagemodell nicht ohne weitere An- passungen benutzt werden

Max Kersting, Prozessmodell für die optimale projektspezifische Schalungssys- temauswahl

x Erstbegutachter: Univ. Prof. Dr. Gerhard Girmscheid x Zweitbegutachter: O.Univ. Prof.Dipl.-Ing. Dr.techn. Hans Georg Jodl x Jahr 2012

Kurzfassung:

Der Kosten- und Zeitdruck auf Baustellen erhöht sich kontinuierlich. Um weiterhin als Unternehmen wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es somit notwendig, Optimierungspo- tenzial in der Bauproduktion zu identifizieren und anschliessend auszuschöpfen. Ge- rade den Schalarbeiten kommt in diesem Zusammenhang durch ihren hohen Anteil an den Gesamtrohbaukosten eine grosse Bedeutung zu. Die Auswahl des projekt- spezifisch optimalen Schalungssystems ist ein wichtiges Element auf dem Weg zu einem positiven Projektergebnis.

Bisher wird in der Bauproduktionsplanung die Schalungssystemauswahl in den meis- ten Fällen auf intuitiver Basis durchgeführt. Persönliche Vorlieben und Erfahrungen aus vergangenen Projekten sind oft die Haupteinflussfaktoren für die Schalungssys-

104 Ibpm - Institutsbericht 2012 Forschung am Institut 2010 bis 2012

temauswahl. Grund dafür ist zum einen der Zeitmangel der Entscheidungsträger zum anderen die fehlende Anwenderfreundlichkeit der bisher existenten Entscheidungshil- fen. Den Entscheidungsträgern steht während der Angebotserstellung beziehungs- weise bei der Arbeitsvorbereitung nur wenig Zeit zur Verfügung, aufwendige Berech- nungen können daher nicht durchgeführt werden. Viele bereits existierende Ent- scheidungshilfen sind kompliziert und verlangen Einiges an Vorwissen, sie werden daher von den Entscheidungsträgern nicht angenommen.

Aus diesen Gründen wurde in dieser Arbeit ein Prozessmodell entwickelt, mit dem projektspezifisch das optimale Schalungssystem ausgewählt werden kann. Das Pro- zessmodell besteht aus einem übergeordneten Hauptmodell, dem Schalungs- Auswahl Prozess-Modell, und vier darin integrierten Teilmodellen. Diese Teilmodell sind thematisch voneinander abgegrenzt, diese betreffen die Geometrie, die Arbeits- kräfte, die Logistik und schlussendlich die Kosten.

Im ersten Teilmodell werden nach einer qualitativen Vorselektion aus allen projekt- spezifisch tauglichen Schalungssystemen die möglichen Schalungssystemkombina- tionen gebildet. Für den nächsten Berechnungsschritt, die geometrische Weg-Zeit- Analyse, werden alle relevanten geometrischen Randbedingungen in die Berechnung integriert. Der bisherige Ansatz basierte auf Aufwandswerten, die aus abgeschlossen Projekten gewonnen wurden. Somit konnten die projektspezifischen geometrischen Randbedingungen nicht realistisch berücksichtigt werden. Das Endergebnis von Teilmodell 1 ist der theoretische Lohnstundenbedarf aller relevanten Elementarpro- zesse.

Im zweiten Teilmodell werden die Interaktionen zwischen den Arbeitskräften respek- tive zwischen den Arbeitsgruppen untersucht. Mit dem Fokus auf die Arbeitseffizienz kann nun detailliert ermittelt werden, welche Auswirkungen die Variation der Arbeits- gruppengrösse hat. Mit Hilfe der modifizierten CYCLONE-Analyse kann eine optima- le Arbeitskräfteeinsatzplanung ermittelt werden, die ein Minimum an Wartezeit garan- tiert

Im dritten Teilmodell werden die Logistikressourcen auf die Arbeitskräfteeinsatzpla- nung abgestimmt. Durch kybernetische Schleifen werden die Arbeitskräfteanzahl und die Logistikressourcenplanung optimiert. Diese Analyse erfolgt sowohl für den Roh- bau als auch für die Kombination mit dem Ausbau und mit der Fassadenmontage.

Ibpm - Institutsbericht 2012 105 Forschung am Institut 2010 bis 2012

Im letzten Teilmodell werden alle schalungsrelevanten Kosten für jede Schalungssys- temkombination ermittelt. Die finanziellen Einflüsse aus der Bauzeitveränderung werden ebenfalls berücksichtigt. Durch den Einsatz des genetischen Algorithmus werden die Kostenanalysen weiter optimiert. ln einer abschliessenden komparativen Kostenanalyse wird auf Basis des ökonomischen Minimalprinzips das optimale Scha- lungssystem identifiziert.

Mit diesem Schalungs-Auswahl-Prozess-Modell wird der Anwender Schritt für Schritt durch die Analyse geführt. Dieser strukturierte Ansatz erhöht massgeblich die An- wenderfreundlichkeit. Durch Computerunterstützung kann der Zeitaufwand für die Berechnungen reduziert werden. Das hier vorgestellte Prozessmodell kann daher den Entscheidungsträgern einen deutlichen Mehrwert schaffen.

Thomas Simandl, Nutzungsdauern von Eisenbahnbrücken

x Erstbegutachter: O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Hans Georg Jodl x Zweitbegutachter: Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Johann Glatzl x Jahr 2011

Kurzfassung:

Die Nutzungsdauern von Brücken sind maßgebend für die lebenszyklusorientierte Maßnahmenfestlegung - Erneuerung, Teilerneuerung (beispielsweise Tragwerkser- neuerung), Verbesserung oder Instandsetzung -, für die lebenszyklusorientierte Be- wertung von Alternativangeboten im Zuge der Ausschreibung von Brückenerneue- rungen, für die Ablösebetragsermittlung beim Wechsel des Brückenerhalters und/ oder –eigentümers und für die mittel- und langfristige Finanzplanung des Infrastruk- turbetreibers. Die in der Literatur erhobenen Werte der Nutzungsdauern neuer Brü- cken (diese wird als theoretische Nutzungsdauer oder Plannutzungsdauer bezeich- net) streuen sehr stark, die Grundlagen dieser Werte konnten nicht erhoben werden. Ähnliches gilt auch für die der Plannutzungsdauer zu Grunde gelegten Instandhal- tungszyklen (diese werden auch als Planinstandhaltungszyklen bezeichnet). Die am häufigsten in Österreich verwendeten Nutzungsdauern sind jene der Ablöserichtlinie der ÖBB.

In dieser Untersuchung wird auf Basis des Erneuerungsplanes der ÖBB-

106 Ibpm - Institutsbericht 2012 Forschung am Institut 2010 bis 2012

Eisenbahnbrücken ein Basiswert der tatsächlichen Nutzungsdauer ermittelt. Für die Auswertung des Basiswertes werden die Grundlagen wie beispielsweise einheitliche Begriffsdefinitionen und die Entwicklung der Lasteinwirkungen bzw. Zustandsklas- senbewertungen, erhoben. Im Zuge der Basiswertermittlung und aus der praktischen Erfahrung zeigt sich, dass bestimmte Parameter die Nutzungsdauern der Brücken beeinflussen. Diese Parameter wurden bestimmt und wenn Zusammenhänge abge- leitet werden konnten, zahlenmäßig bewertet. Der Basiswert spiegelt die tatsächliche Nutzungsdauer der Brückenbauweise und der Baumaterialien der Errichtungsepoche der einzelnen Brücken wider. Daher wurde der Faktor zur Berücksichtigung der Er- richtungsepoche eingeführt, dieser berücksichtigt die geänderte Bauausführung und Konstruktion der Brücke sowie die geänderten Umwelteinflüsse der Brücken heutiger Bauweise.

Auf Grundlage dieses Basiswertes der tatsächlichen Nutzungsdauer und der ermittel- ten Parametern wird unter Einbeziehung des Faktors zur Berücksichtigung der Er- richtungsepoche von heute die Plannutzungsdauer bestimmt. Für die Bestimmung der Restnutzungsdauer der einzelnen Objekte wird ein Rechenmodell erstellt. Dieses enthält zusätzlich zu den Werten der Plannutzungsdauer, den Faktor zur Berücksich- tigung der Errichtungsepoche des Objektes und die aktuelle Zustandsklassenbewer- tung.

Rizwan Nazir, Productive Relationships among Subcontract teams in Construction Supply Chain

x Erstbegutachter: O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Hans Georg Jodl x Zweitbegutachter: O.Univ.Prof. Dr. Alfred Taudes x Jahr 2011

Abstract:

One must recognize that the construction industry contains many small and medium sized companies which depend on one another in a construction project. In order to survive in industry, they need the option to join in large and small projects without being absorbed into a single corporation. The practice of subcontracting is common in the construction industry; it has been observed that a major portion of any con- struction project is handed over to subcontractors by the main contractor. The main

Ibpm - Institutsbericht 2012 107 Forschung am Institut 2010 bis 2012

contractor mainly acts as team leader or project manager of these subcontractors. In order to move towards lean construction clients, consultants and big contractors are generally considered very important stakeholders. Very little focus is paid to small parties such as subcontractors and supplier which overall execute major portion of the project and they are the important part of construction supply chain. A problem which commonly arises in construction projects is that these subcontractors are con- tractually bound to the main contractor and not to one another while the construction process flows from one subcontractor to the other. Therefore it is necessary that the- se partner organizations have some kind of relationship which certainly proves very beneficial not only for these partner organizations but also for the main contractor and the client, whenever they work together. These relationships will certainly prove beneficial in managing construction supply chain efficiently. In this paper, previous literature has been reviewed to identify the necessity and nature of coordination among subcontractors in the construction industry.

An out come of a survey is also discussed. The survey was carried out in form of interviews/questionnaires among contractors and subcontractors working in construc- tion industry of Pakistan. The purpose of survey was to investigate the relationships among parties working in construction projects. In view of the literature research and survey findings a strategic model has been developed. Recommendations have been suggested in strategic model to achieve better coordination among different partners in construction projects.

Due to the increased role of subcontractors in construction projects, provision of bal- anced subcontract conditions have become very important. Subcontract conditions have been reformed and introduced in construction industry all over the world. Keep- ing in view the contract laws in Pakistan IV construction industry, standard subcon- tract conditions have been developed. These fundamental subcontract conditions will helpful in preparation of a balanced subcontract for any organization.

108 Ibpm - Institutsbericht 2012 Forschung am Institut 2010 bis 2012

Thomas Wetzstein, Kostenermittlung von Hochbauprojekten im Planungsprozess- Evaluierung der zu berücksichtigenden Einflussfaktoren

x Erstbegutachter: Univ.ǦProf. Dipl.ǦIng. Dr. Andreas Kropik x Zweitbegutachter: Univ.Prof. Dipl.-Ing. Christoph M. Achammer x Jahr 2012

Kurzfassung:

Immer wieder wurde der Autor in seinem Arbeitsalltag mit der Frage konfrontiert, welche Unterlagen für die Kostenermittlung eines Hochbauprojektes erforderlich wä- ren. Die komplexe Fragestellung und auch die spezielle Konstellation zwischen den verschiedenen Planungsbeteiligten und dem Kostenmanagement in einem reaktiven Prozess – in dem die Übergabe der Unterlagen an der Schnittstelle zwischen Pla- nung und Kostenmanagement klar festzulegen ist – waren der Anlass, sich intensiv und umfassend mit dieser Thematik zu befassen.

In der vorliegenden Dissertation werden die im Zuge einer Kostenermittlung von Hochbauprojekten im Planungsprozess zugrunde liegenden Einflussfaktoren evalu- iert. In weiterer Folge werden auf dieser Basis die zugrunde zulegenden Unterlagen definiert. Das Ergebnis dieser Arbeit stellt die Schaffung eines Standardunterlagen- kataloges für die Erstellung von Kostenermittlungen im Zuge des Planungsprozesses von Hochbauprojekten dar.

Im ersten Abschnitt – der Einleitung – wird der Forschungsbedarf für diese Thematik dargestellt.

Der zweite Abschnitt – die Statusaufnahme – befasst sich mit dem Stand der Technik im Kostenmanagement. Hier werden die verschiedenen Projektphasen, die derzeit üblichen Kostenermittlungsverfahren, die Arten der Kostenermittlung wie auch die Toleranzen der jeweiligen Projektphasen eingehend behandelt.

Im dritten Abschnitt – der Evaluierung relevanter Unterlagen – werden die verschie- denen Grundlagen definiert und (nach Projektphasen) strukturiert dargestellt.

Im vierten Abschnitt – Auswertung der im dritten Abschnitt definierten Unterlagen – werden die verschiedenen Grundlagen in Abhängigkeit der Projektphase, des Pro- jekttyps und der Form der Kostenermittlung hinsichtlich Relevanz untersucht und

Ibpm - Institutsbericht 2012 109 Forschung am Institut 2010 bis 2012

strukturiert dargestellt. Als Ergebnis dieses Abschnittes wird ein (vorerst theoreti- scher) Unterlagenkatalog erstellt.

Im fünften Abschnitt – den Projektanalysen – wird der theoretisch erarbeitete Ansatz (aus Abschnitt 4) mit Hilfe der Auswertung von Realprojekten und deren Problempo- tentialen gemäß der gemischt denklogisch-deduktiven und empirisch-induktiven Me- thode verifiziert.

Im sechsten Abschnitt – dem Standardunterlagenkatalog – werden die im theoreti- schen Ansatz definierten Unterlagen der Kostenermittlung (siehe Abschnitt 4) auf Basis der Ergebnisse der Projektanalysen (siehe Abschnitt 5) adaptiert. Diese zu- sammengeführte Unterlage stellt das Ergebnis dieser Dissertation – den Standard- unterlagenkatalog – dar. Dieser ist als Grundlage für Kostenermittlungen im Hoch- bau während der Planungsphase vorgesehen. Des Weiteren werden in diesem Ab- schnitt die Anwendungsmöglichkeiten des Standardunterlagenkataloges definiert.

Der siebte Abschnitt – Begriffsdefinitionen – geht auf wesentliche Begriffe ein, die im Kostenmanagement Anwendung finden. Die Hauptaufgabe dieses Abschnittes be- steht darin, sowohl die Vorgangsweise als auch die normativen Begriffe einer Kos- tenermittlung und anschließenden Kostenverfolgung darzustellen.

Im letzten Abschnitt – der Zusammenfassung – werden die Ergebnisse dieser Arbeit inklusive des Nutzens für die weitere Zukunft gebündelt dargestellt.

Der Anhang der Arbeit enthält die Auswertung des dritten Abschnittes, die Ergebnis- se der Literaturrecherche, den Unterlagenkatalog, die Auswertung der Realprojekte anhand der Projektanalysen und als Ergebnis der Dissertation den erarbeiteten Standardunterlagenkatalog. Im Anhang finden sich weiters die Gliederungsarten der ÖNORM B 1801-1.

110 Ibpm - Institutsbericht 2012 Forschung am Institut 2010 bis 2012

Nikolaus Kern, Ressourcenplanung und Controlling von Arbeitsstunden bei KMUs im Baugewerbe unter Verwendung historischer Daten und Methoden des Projektmana- gements

x Erstbegutachter: Hon.Prof.Dr.phil. Wolfgang E. Katzenberger x Zweitbegutachter: Univ.Prof.Dipl.-Ing.Dr. Andreas Kropik x Jahr: 2010

Kurzfassung:

In dieser Dissertation wird die Fragestellung untersucht, wie die Kapazitätsplanung einer Baufirma verbessert werden kann. Ausgangspunkte dafür sind historische Da- ten von bereits abgeschlossenen Baustellen und Methoden des Projektcontrollings (Earned-value-Analyse).

Zu Beginn wird eine Baufirma aus systemischer Sicht untersucht. Die Interaktionen mit der Umwelt als auch die internen Abläufe werden beschrieben. In weiterer Folge wird auf Detailprobleme eingegangen, die zur Interpretation der Planung relevant sind. Dazu gehören auch methodische Fragen, wie zum Beispiel die Latenz zwischen dem Ereignis auf der Baustelle und der Reaktion durch die Planung, sowie die Schätzung des Fertigstellungsgrades durch den Bauleiter.

In einem weiteren Abschnitt werden die Grundlagen des Projektmanagements und des Controllings ausgearbeitet und der Bezug zur konkreten Fragestellung hergelei- tet. Die Definition eines angepassten Modells für die Earned-value-Analyse schließt diesen Bereich ab.

In weiterer Folge werden aus bereits abgeschlossenen Baustellen kumulative Zeit- Leistungskurven extrahiert. Dieses Verfahren wird im Detail dokumentiert. Ebenso werden Methoden zum Vergleichen der Muster vorgestellt. Damit soll quantifizierend festgestellt werden, wie stark sich individuelle Muster voneinander unterscheiden.

Die Anwendung der automatischen Planung auf eine definierte Gruppe von Baustel- len wird im nächsten Abschnitt beschrieben. Der gesamte Planungszyklus und das Verfahrung zur Anwendung von Mustern auf laufende Baustellen werden dokumen- tiert. Der Einsatz der Earned-value-Analyse für das Baustellen-Controlling wird eben- falls gezeigt.

Ibpm - Institutsbericht 2012 111 Forschung am Institut 2010 bis 2012

Im Anschluss daran werden Plan- und Ist-Daten miteinander verglichen und die Pla- nungsgenauigkeit von manueller und automatischer Planung (mit verschiedenen Mustern) beschrieben. Nach der Betrachtung von einzelnen Baustellen wird die Pla- nung auf alle Baustellen ausgedehnt und die Möglichkeit eines Portfolio-Effektes un- tersucht.

Die Anwendung einer kombinierten manuellen und automatischen Planung für das ganze Unternehmen folgt nach dem Festlegen der Voraussetzungen und Vorberei- tungen. Hier werden dann auch Szenarios ausprobiert, in denen die Auswirkung ei- nes möglichen neuen Auftrags auf die unternehmensweite Auslastung gezeigt wird. Anhand von Beispielen aus der Praxis wird das Verhalten von Baustellen auf die au- tomatische Planung und die Earned-value-Analyse dargestellt.

Die Dokumentation ausgewählter technischer Aspekte der Implementierung der Software Indigo (z.B.: Datenbank-Modell, Objektorientierte Entwicklung) erfolgt im nächsten Abschnitt.

Die Auswirkungen auf die Organisation und die Prozesse innerhalb einer Baufirma sind wesentliche Teile der Arbeit. Die Einführung eines Baustellen-Controllings und einer unternehmensweiten Ressourcenplanung ist nicht nur eine Frage der Software, sondern hängt zu einem sehr großen Ausmaß von der Akzeptanz der betroffenen Mitarbeiter ab.

Die zentralen Resultate in dieser Arbeit kommen aus folgenden Bereichen:

x Vergleichbar machen von Baustellen durch Muster x Quantifizieren der Planungsgenauigkeit von manueller und automatischer Pla- nung x Anwendung der Earned-value-Analyse im Baustellen-Controlling x Schwierigkeit der Schätzung des Fertigstellungsgrades im Baubetrieb

Die Einführung einer unternehmensweiten Ressourcenplanung und des Baustellen- Controllings ist teilweise ein technisches Informationstechnologie-Projekt (IT - Projekt), überwiegend jedoch ein Veränderungsprozess. Die Einstellung der Mitar- beiter zum Thema Planung und Controlling muss adressiert werden, um Verände- rungen zu ermöglichen.

Die Zielsetzung, einen möglichen Beitrag zur Überlebensfähigkeit eines Unterneh-

112 Ibpm - Institutsbericht 2012 Forschung am Institut 2010 bis 2012

mens zu leisten, wurde im Rahmen dieser Dissertation erfüllt. Folgenden Bereiche wurden dabei bearbeitet:

x Kultur: Erhöhung der Transparenz beim Verbrauch von Stunden und der Planung von Mitarbeitern x Strukturen und Ressourcen: erhöhte Effizienz beim Einsatz von Mitarbeitern, Controlling des Baustellen-Verlaufs x Operative Konfiguration: regelmäßiger Prozess für die Planung der Mitarbeiter x Agilität: Sichtbarmachen der Veränderungen während der Laufzeit einer Baustel- le ermöglicht das Überwälzen von Kosten auf den Verursacher

Ob und wie weit sich die Einführung des Baustellen-Controllings und der Ressourcen Planung tatsächlich auf die Überlebensfähigkeit auswirken, kann erst nach einer län- geren Beobachtungsdauer beurteilt werden.

Die Auseinandersetzung der Bauleiter, des Controllings und der Geschäftsführung mit dem Verbrauch von Stunden auf den Baustellen und der Planung von Ressour- cen hat sich im Lauf der Dissertation wesentlich verstärkt.

Christian Maier, Untersuchung der Umsetzbarkeit eine bauspartenunabhängigen Preisumrechnungsgrundlage im Bauwesen

x Erstbegutachter: Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Andreas Kropik x Zweitbegutachter: Univ.Prof. Ing. Dr. Detlef Heck x Jahr: 2010

Kurzfassung:

Die Baukostenindizes (BKI) der Statistik Austria (STAT) für die Bausparten Brücke, Straße und Hochbau zählen zu den bedeutendsten Preisumrechnungsgrundlagen. Die BKI für den Straßen- und Brückenbau gliedern sich jeweils in 18 (BKI Straßen- bau) bzw. 16 (BKI Brückenbau) leistungsgruppenorientierte Sub-Indizes, der BKI für den Wohnhaus- und Siedlungsbau hingegen ist nicht in Sub-Indizes aufgegliedert. In Abhängigkeit der Bausparte werden in Bauverträgen, die zu veränderlichen Preisen abgeschlossen sind, Preisumrechnungsgrundlagen für einzelne Leistungsteile oder die Gesamtleistung vertraglich vereinbart. Demnach wird zur Ermittlung der Preisän-

Ibpm - Institutsbericht 2012 113 Forschung am Institut 2010 bis 2012

derungen von z.B. „Beton-, Stahlbeton- und Mauerungsarbeiten“ bei Projekten im Straßenbau ein anderer Index als bei Brückenbauprojekten vereinbart. Die zu den Leistungsgruppen „Beton-, Stahlbeton- und Mauerungsarbeiten“ zugehörigen leis- tungsgruppenorientierten Sub-Indizes des BKI Straßen- bzw. Brückenbau unter- scheiden sich, wie auch die Sub-Indizes anderer Leistungsgruppen, meist nur durch die Anteile der in den Warenkörben enthaltenen Pegelstoffe. Im Rahmen dieser For- schungsarbeit wird u.a. gezeigt, dass die BKI der STAT die Preisänderungen von Brücken-, Straßen- und Hochbauprojekten unzureichend abbilden.

Ziel dieser Dissertation ist der wissenschaftliche Nachweis, dass eine bauspartenun- abhängige Preisumrechnungsgrundlage im Bauwesen umgesetzt werden kann, die mit ähnlicher Ungenauigkeit wie die bestehenden BKI der STAT, die Änderungen der Preise von Leistungen auf Leistungsgruppen- bzw. Leistungsteileebene abbildet.

Ein Schwerpunkt dieser Forschungsarbeit bildet die Analyse von 12 Projekten, je- weils vier Projekte der Bausparte Brücke, Straße und Hochbau. Dazu werden in ei- nem ersten Schritt für jedes Projekt die Betriebsmittel für die definierten Leistungs- gruppen ausgewertet. Die aus den Auswertungen erhaltenen Betriebsmittel werden anschließend durch Stellvertreterstoffe, sog. Pegelstoffe, ersetzt und zu einem Wa- renkorb zusammengefasst. Die Berechnung der Warenkorbsummen für den Betrach- tungszeitraum 01/2006 bis 05/2009 bildet die Grundlage für die anschließende Un- tersuchung der Index-Verläufe je Leistungsgruppe. Die ermittelten relativen Abwei- chungen der Index-Verläufe zu den Referenzindizes (Sub-Indizes der STAT des BKI Brücken- und Straßenbau) fließen in die Berechnung der festgelegten Parameter ein, die Werte für die „Streuung“ und „Abweichende Kostenentwicklungen“ zum Ergebnis haben.

Den Abschluss dieser Forschungsarbeit bildet der Nachweis, dass bauspartenunab- hängige Preisumrechnungsgrundlagen mit ähnlicher Genauigkeit wie die bestehen- den BKI der STAT, die Kostenentwicklung von Projekten der Bausparten Brücke, Straße und Hochbau abbilden. Die Warenkörbe der bauspartenunabhängigen Preisumrechnungsgrundlagen sind das Ergebnis der arithmetisch gemittelten Wa- renkörbe aller Bausparten je zuvor eigens definierter Leistungsgruppe. Von den ins- gesamt sieben untersuchten Leistungsgruppen konnte bei fünf Leistungsgruppen „LG Abbrucharbeiten“, „LG Erdarbeiten“, „LG Beton-, Stahlbeton- und Mauerungsarbei- ten“, LG Gründungsarbeiten und „LG Bituminöse Trag- und Deckschicht“ eine Erhö- hung der Genauigkeit und bei den beiden Leistungsgruppen LG Baustellengemein-

114 Ibpm - Institutsbericht 2012 Forschung am Institut 2010 bis 2012

kosten und LG Entwässerungsarbeiten konnte eine ähnliche Ungenauigkeit nachge- wiesen werden.

Adnan Delic, Brandschutz von Industriebauten der Verpackungs- und Papierindustrie unter besonderer Berücksichtigung der CEE-Staaten

x Erstbegutachter: Univ.Prof. Dipl.-Ing. Christoph M. Achammer x Zweitbegutachter: Ao. Univ.-Prof. Baurat.h.c. Dipl.-Ing. DDr.tech. Elmer Bölcskey x Jahr 2011

Kurzfassung:

Das erste Kapitel der Arbeit beinhaltet Allgemeines über den Brandschutz sowie die Kategorisierung der Brandschutzmaßnahmen. Zusätzlich werden in diesem Kapitel die Anforderungen der Gesetzgeber hinsichtlich der Schutzziele sowie die Vorge- hensweise bei der Brandschutzplanung dargestellt.

Im zweiten Kapitel werden die Brandschutzbemessungen und Nachweisverfahren sowie Normen für den Brandschutz im Europäischen Raum dargestellt. Diese Grup- pe von Normen wird im Brandschutzingenieurwesen hauptsächlich zum Nachweis der entwickelten Brandschutzkonzepte eingesetzt. Die einzelnen Eurocodes (EC1- EC6) werden hier detailliert bearbeitet.

Kapitel 3 gibt einen Einblick in die Bedeutung des Brandschutzes im Industriebau. Die Auswirkungen eines Vollbrandes in der Industrie sowie der Einfluss auf die Volkswirtschaft werden hier genauer dargestellt. Die Muster-Industriebaurichtlinie, welche die Grundlage für die Planung der meisten Industriebauten im deutschspra- chigen Raum darstellt, wurde in diesem Kapitel genauer unter die Lupe genommen. Auch die verschiedenen fortgeschrittenen Nachweisverfahren sowie Brandsimulati- onsmodelle, welche im Brandschutz-Ingenieurwesen zur Anwendung kommen, wer- den dabei dargestellt.

Die bestehenden Brandschutzkonzepte in der Papier- und Verpackungsindustrie werden im Kapitel 4 analysiert. Hier wird auf die Risiken, welche mit den einzelnen Bereichen der Werke verbunden sind, detailliert eingegangen. Neben den angewand- ten baulichen Brandschutzmaßnahmen werden auch die bestehenden anlagetechni- schen und organisatorischen Maßnahmen, welche in den verschiedenen Bereichen

Ibpm - Institutsbericht 2012 115 Forschung am Institut 2010 bis 2012

eingesetzt werden, dargestellt. Die durchgeführten Analysen bieten einen Überblick über die Risikoschwerpunkte, welche beim neuen zielorientierten Brandschutzkon- zept in Kapitel 5 besonders beachtet werden.

Kapitel 5 stellt das neue zielorientierte Brandschutzkonzept für die Papier- und Ver- packungsindustrie vor. Die in diesem Kapitel definierten Brandschutzmaßnahmen richten sich hauptsächlich an den anlagetechnischen sowie den organisatorischen Brandschutz, während die baulichen Brandschutzmaßnahmen nur allgemein darge- stellt werden. Durch die Festlegung von Brandschutzmaßnahmen sollen Schutzziele konkretisiert werden. Für die Papier- und Verpackungsindustrie werden diese anhand verschiedener Bauordnungen und Gesetze sowie in Absprache mit dem Manage- ment der Werke festgelegt.

Die Anforderungen an die verschiedenen Brandschutzsysteme sind aus den weltweit anerkannten NFPA und FM Global Standards entnommen. Die einzelnen Brand- schutzmaßnahmen werden in Abhängigkeit der Risikoklasse sowie der Brandlasten in den einzelnen Bereichen definiert. Die Unterschiede zwischen den definierten Brandschutzsystemen in den einzelnen Industriebauten sind teilweise erheblich. Be- sonders in den Produktionsbereichen sowie in einigen Lagerbereichen müssen um- fangreiche Brandschutzsysteme errichtet werden. Anhand der dargestellten Brandszenarien ist ersichtlich, welche Sachschäden ein Vollbrand in einem Werk verursachen kann. Zusätzlich werden die im Brandschutzingenieurwesen anerkann- ten Nachweisverfahren, welche zum Nachweis der Schutzziele eingesetzt werden können, allgemein dargestellt.

Das neue Brandschutzkonzept kann auch zur Optimierung der bestehenden Werke benutzt werden. Ein Beispiel zur Durchführung einer Optimierung wird im Kapitel 6 anhand einer Verpackungsfabrik in Kufstein dargestellt. In der Prozessanleitung sind die einzelnen Schritte dargestellt, welche bei der Festlegung und Umsetzung der Brandschutzmaßnahmen durchgeführt werden müssen.

116 Ibpm - Institutsbericht 2012 Forschung am Institut 2010 bis 2012

Hendrik Seibel, Netzwerkmanagement – Methodik systemisch-integraler Planungs- prozesse

x Erstbegutachter: Univ.Prof. Dipl.-Ing. Christoph M. Achammer x Zweitbegutachter: Univ.Prof. Dipl.Wirtsch.Ing. Dr.-Ing. Wilfried Sihn x Jahr 2011

Kurzfassung:

Ganzheitliches Kommunikations- u. Wissensmanagement wird zur Erfolgsentschei- denden Komponente des Bauprozesses und Kernaufgabe aller verantwortungsvoll handelnden Projektbeteiligten. Dazu gehört auch die frühzeitige und fortwährende, d.h. über den Zeitraum des gesamten Lebenszyklus andauernde Beteiligung der in- ternen und externen Projektpartner. Die unterschiedlichen Systemsprachen der Pro- jektbeteiligten müssen wieder als Chance für einen von Kreativität und Innovation geprägten Bauprozess begriffen werden. Voraussetzung ist aber die Abkehr von der rein technomorph-konstruktivistisch geprägten hin zu einer humanistisch orientierten Betrachtung. Neben einem systemisch orientierten Prozess eröffnet daher vor allem die sozialwissenschaftlich geprägte Herangehensweise weitere Möglichkeiten der Problemlösung. Insbesondere sei an dieser Stelle auf die Forschungen im Bereich des Hochleistungsmanagements (vgl.Pawlowsky) verwiesen. Merkmale sog. Hoch- leistungsteams sind bspw. die ausserordentliche Zielklarheit u. -orientierung, Acht- samkeit u. Wahrnehmungskompetenz, Flexible u. vernetzte Einsatzstrukturen, ein ganzheitliches u. akzeptiertes Rollenkonzept, Redundante Basiskompetenzen, Kon- tinuierliche Reflexionsprozesse u. erfahrungsbasiertes Lernen, sowie eine hohe Ein- satzbereitschaft u. Motivation. Insbesondere letztgenannter Punkt - die Motivation - ist gerade im Bauprozess von der Forderung nach einer erhöhten Fehlerakzeptanz abhängig. Fehler sind ja immer auch Ausdruck des Systems, das die Rahmenbedin- gungen vorgibt (bspw. erhöhter Zeit- u. Kostendruck) und somit fehlgeleitete Hand- lungen erst ermöglicht bzw. forciert. Bedingt durch Claim-Management werden Aus- führungsfehler bzw. Baumängel aber derzeit nicht als Ergebnis eines fehlerhaft orga- nisierten Systems gesehen; vielmehr werden resultierende Mängel im Sinne einer Schadensgeltendmachung stets einzelnen Akteuren zuzuschreiben versucht.

Eine derart gekennzeichnete Prozesskultur führt meines Erachtens aber sicherlich nicht zu verbesserten Ergebnissen, sprich mängelfreien Bauten, sondern vielmehr zu einer Mentalität der gegenseitigen juristischen Absicherung. Fehler sind stattdessen

Ibpm - Institutsbericht 2012 117 Forschung am Institut 2010 bis 2012

vielmehr als Grundlage der Verbesserung des Prozesses im Sinne des Reflexiven Handelns zu sehen, eine Abkehr vom "naming, blaming, shaming" unbedingt erfor- derlich.

Wichtigstes Merkmal eines systemisch orientierten Bauprozesses sollte somit eine Kultur der Fehlerakzeptanz sein, die Störungen als natürlichen Bestandteil des Pro- zesses versteht und somit dem Anspruch eines evolutionären Prozesses gerecht wird.

Vedran Zerjav, Process- and project-level issues of design management in the built environment

x Erstbegutachter: Univ.Prof. Dipl.-Ing. Christoph M. Achammer x Zweitbegutachter: Dr. Timo Hartmann x Jahr 2012

Abstract:

This thesis aims to advance theory in design management within the built environ- ment. The main premise in this thesis is that the vast majority of management theory in the built environment has been dedicated to the construction field, which is sub- stantially different from the design field. While the construction phase of projects is fragmented in a way that makes it appropriate for traditional project management philosophy based on hierarchical subdivisions of work scope, tasks in design consist in overwhelmingly-intertwining interrelationships that make design management sub- stantially different from construction management. Departing from these characteris- tics, this thesis aims to delineate design management from construction management philosophies. The long-term result of this effort will be a coherent theory of design management tailored for projects in the built environment sector.

This thesis therefore, endeavors to answer the following research question. Why concepts from production project management do not work for managing multidisci- plinary design in the built environment? The thesis seeks to answer this question by investigating the process-level characteristics of design decomposition and the pro- ject-level characteristics of design integration.

The answer to the question is therefore designed as a two-fold construct. The pro-

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cess-level answer to the research question elaborates task interdependence through a single case study and concludes that existing management frameworks do not take into account the specificities of design as a cognitive activity comprising problem- solving and interactive inquiry with the designed object. As a result task isolation is not possible in the way advocated by traditional project management. Instead, design should be viewed as a web of interdependence that needs to be managed using a mindset based on loops of cause and effect instead of hierarchical breakdown struc- tures. The thesis validates the process level management framework with data from an in-depth case study conducted on a large-scale infrastructure project.

Based on the process-level characteristics, the thesis then reviews macro-level theo- ries in sociology and economics to identify project-level integration properties of de- sign management. Based on these properties, the thesis proposes and initially vali- dates a project-level design management framework based on the management of design expertise as a stream of knowledge transactions in the expertise market.

The thesis advances theory and practice in several ways. Firstly, on the basis of the literature review from different design disciplines, the thesis identifies the need to establish a domain-independent theory of design management and the correspond- ing professional discipline. Secondly, based on process-level interdependence in design, the thesis proposes to use a systems thinking based management mindset coupled with the corresponding methods, based on causal relationships. And thirdly, the thesis identifies the need to integrate design at the project level by using a flexible transaction-based representation of design, which also contributes to theory-building in the, thus far underrepresented, area of design economics.

The nature of theory built in this thesis is thus mostly descriptive with the main aim to broaden the understanding of the design processes and their management within the built environment. The descriptive nature of the results is a consequence of the sub- stantial lack of knowledge in the area of design management and the general misuse of production-based theory in the area of cognitive activity. This research therefore fulfills its main goal of providing a solid basis and a direction for further research and practice in the area of design management in the built environment.

Ibpm - Institutsbericht 2012 119 Forschung am Institut 2010 bis 2012

7.3 Forschung 2010 bis 2012

Arbeitspapier zum Positionspapier ALU-FENSTER - Betrachtungen am Beispiel des kommunalen Wohnbaus";2010; 143 S.

Mitwirkende / Projektpartner

x O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Hans Georg Jodl x Dipl.-Ing. Dr.techn. Christian. Maier x Dipl.-Ing. Dr.techn. Christian Schranz M.Sc. x Dipl.-Ing. Georg Pommer, MA 39 x Dipl.-Ing. (FH) Martin Fehringer MA39 x Ing. Michael Chval MA39

"Positionspapier ALU-FENSTER - Betrachtungen am Beispiel des kommunalen Wohnbaus - Eine Entscheidungshilfe für Bauherren, Architekten und Investo- ren";2010; 124 S

Mitwirkende / Projektpartner

x O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Hans Georg Jodl x Dipl.-Ing. Dr.techn. Christian. Maier x Dipl.-Ing. Dr.techn. Christian Schranz M.Sc. x Dipl.-Ing. Georg Pommer, MA 39 x Dipl.-Ing. (FH) Martin Fehringer MA39 x Ing. Michael Chval MA39

Forschungsprojekt „Revision Baukostenindex „Wohnhaus- und Siedlungsbau“, Basis 2010=100“, erstellt im Auftrag der STATISTIK AUSTRIA und der Wirtschaftskammer Österreich-Geschäftsstelle Bau

Mitwirkende / Projektpartner

x Univ.ǦProf. Dipl.ǦIng. Dr.techn. Andreas Kropik x Univ.-Ass. DDipl.-Ing. Magdalena Steinbauer x STATISTIK AUSTRIA

120 Ibpm - Institutsbericht 2012 Forschung am Institut 2010 bis 2012

Der von der STATISTIK AUSTRIA seit 1991 veröffentlichte Baukostenindex für den Wohnhaus- und Siedlungsbau ist für die gesamte Bau-, Immobilien- und Versiche- rungsbranche von großer wirtschaftlicher Bedeutung.

Da in der Bauwirtschaft durch langfristige Verträge oder durch preisbestimmende Kostenanteile, die einer starken Preisschwankung unterworfen sind, unzumutbare Unsicherheiten entstehen, werden oft Verträge zu veränderlichen Preisen vereinbart. Der Baukostenindex für den Wohnhaus- und Siedlungsbau stellt für Verträge mit ver- änderlichen Preisen eine anerkannte Preisumrechnungsgrundlage dar.

Der Index wird u.a. auch als Bewertungsgrundlage für Verträge mit Wertsicherungs- klauseln verwendet und hat somit auch in der Immobilien- und Versicherungswirt- schaft einen hohen Anwendungsgrad.

Entwicklung einer Baukostendatenbank bzw. ein Baukosteninformationssystem für den Krankenhausbau, erstellt im Auftrag des Wiener Krankenanstaltenverbund, Stab- stelle Bauherrenmanagement

Mitwirkende / Projektpartner

x Univ.ǦProf. Dipl.ǦIng. Dr.techn. Andreas Kropik x Univ.-Ass. DDipl.-Ing. Magdalena Steinbauer x Wiener Krankenanstaltverbund

Der KAV wickelt Bauprojekte unterschiedlicher Art ab. Diese reichen zB von (Schwes- tern-) Schulen bis zu hoch komplexen Krankenhausprojekten. Konsulenten werden idR damit beauftragt, in den einzelnen Projektphasen Kostenermittlungen und bei Pro- jektabschluss eine Kostenfeststellung durchzuführen.

Um auf Seite des Bauherrn für erste Investitionsentscheidungen Projektkalkulationen durchführen zu können bzw. Kostenermittlungen von Konsulenten auf ihre Plausibilität überprüfen zu können, wurde, abgestimmt auf die Bedürfnisse des KAV ein Modell einer Baukostendatenbank bzw. ein Baukosteninformationssystem entwickelt.

Ibpm - Institutsbericht 2012 121 Forschung am Institut 2010 bis 2012

Revision „Transportbetonindex“

Mitwirkende / Projektpartner

x Univ.ǦProf. Dipl.ǦIng. Dr.techn. Andreas Kropik x Univ.-Ass. Dipl.-Ing. Markus Gmoser x Fachverband der Stein und keramischen Industrie

Seit dem Jahr 1993 wird vom Fachverband der Stein- und keramischen Industrie der Transportbetonindex berechnet und veröffentlicht.

Wegen der langen Zeitspanne seit der letzten Revision wurde das Institut für Bauwirt- schaft seitens des Fachverbandes gebeten den bestehenden Index auf seine Aktuali- tät zu prüfen und mit allfällig neu definierten Grundlagen auf eine neue Basis zu stel- len. Es sollte bei der Evaluierung insbesondere auf die Erhebung der Transportkos- ten, die Struktur des Warenkorbes, die Gewichtung der einzelnen Warenkorbelemen- te, sowie die Pegelstoffe geachtet und gegebenenfalls den geänderten Verhältnissen angepasst werden.

Studie zur Verwendbarkeit des Baupreisindex für die Valorisierung von Kosten lang- fristiger Bauprojekte“

Mitwirkende / Projektpartner

x Univ.ǦProf. Dipl.ǦIng. Dr.techn. Andreas Kropik x Univ.-Ass. Dipl.-Ing. Thomas Hirm x Wirtschaftskammer Österreich – Fachverband der Bauindustrie

Der Fachverband der Bauindustrie (Wirtschaftskammer Österreich) ist mit der Frage herangetreten, ob eine Valorisierung von Preisen von langfristig laufenden Bauverträ- gen mit dem Baupreisindex eine sachlich gerechtfertigte Option als Ersatz für den Baukostenindex darstellen könnte.

Eine Valorisierung mit dem Baupreisindex hätte aus heutiger Sicht für einen Auftrag- geber (AG) den Vorteil, nur geringere Valorisierungskosten tragen zu müssen. In der – jüngeren – Vergangenheit hat sich gezeigt, dass der Baupreisindex zwar eben-

122 Ibpm - Institutsbericht 2012 Forschung am Institut 2010 bis 2012

falls kontinuierlich, jedoch wesentlich schwächer als der Baukostenindex gestiegen ist. Beispielsweise beträgt die Veränderung von 1990 bis 2010 beim Baukostenindex für den Brückenbau rund 81 % hingegen beim Baupreisindex für Brückenbau nur rund 44 %. Aus Sicht eines Auftraggebers könnte sich daher die Vereinbarung des Bau- preisindex als eine (wirtschaftlich) tunliche Option darstellen.

Ob die Vereinbarung eines Baupreisindex als Valorisierungsgrundlage allerdings auch eine sachlich gerechtfertigte Basis darstellt, oder ob das Argument der tendenziell schwächeren Steigerungsrate als einziges Argument für die Anwendung verbleibt, soll die Studie klären. In der vorliegenden Studie soll daher abgeschätzt werden, inwie- weit, aus ganzheitlicher und interdisziplinärer Sicht beurteilt, die Anwendung eines Baupreisindex für die Wertsicherung langfristig Projekte eine taugliche Basis darstel- len kann.

Project Co_BE; Cost_Benefits of Integrated Planning

Mitwirkende / Projektpartner

x Fördergeber: FFG x Projektkoordination: Dr. Iva Kovacic x Forschungsbereich Industriebau und Interdisziplinäre Bauplanung, Institut für interdisziplinäres Bauprozessmanagement, TU Wien x TU Wien, Institut für Städtebau, Landschaftsarchitektur und Entwerfen x Fachbereich Projektentwicklung und –management x ATP Architekten Ingenieure, Planungs- und Beteiligungs AG

Projektdauer: 2010-2012

Das Projekt Co_Be (Cost Benefits of Integrated Planning) untersucht Planungspro- zesse für nachhaltige Gebäude, und versucht dabei die Vorteile einer integralen Pla- nungsmethodik gegenüber einer traditionellen, sequentiellen Methodik qualitativ und quantitativ zu bewerten.

Weiters sollten die Methoden für effiziente integrale Planung erarbeitet werden. Im Fokus steht die Untersuchung der Planungsprozesse für energieeffiziente Gebäude, dabei werden die unterschiedlichen Projektorganisationen untersucht (Einzelplaner,

Ibpm - Institutsbericht 2012 123 Forschung am Institut 2010 bis 2012

Einzelunternehmen, Generalplaner, Totalübernehmer) und auch die sozialen Kom- ponenten der Team-Interaktion hinterfragt.

Letztendlich soll die Bewusstseinsbildung für die Komplexität des energieeffizienten Bauens und Planens unter Investoren und Bauherrn geschaffen werden. Damit soll das Projekt auch Veränderungen in den Honorarordnungen für Architekten und Inge- nieure bewirken, damit diese als wesentliche Projektbeteiligte die integralen Pla- nungsprozesse unterstützen, statt – wie derzeit noch zu verzeichnen – aufgrund des implizierten Mehraufwandes in der traditionellen, konsekutiven Planung zu verhaften.

Endergebnis: Integrale-Planung Leitfaden für Planer und Inverstoren / Public Policy

Projekt INFO: Interdisziplinäre Forschung zur Energieoptimierung in Fertigungsbe- trieben

Mitwirkende / Projektpartner

x Fördergeber: FFG x Projektkoordinator: Institut für Fertigungstechnik und Hochleistungslasertechnik, Technische Universität Wien x AMS Engineering GmbH x ANGER MACHINING GmbH x CNC Profi Maschinen-Handels-GmbH x Drahtwarenhandlung Simulation Services x EMCO Maier GmbH x ENGEL AUSTRIA GmbH x Hoerbiger Ventilwerke GmbH & Co KG x Krauseco Werkzeugmaschinen GmbH&Co x Pink Energie und Speichertechnik GmbH x Siemens AG Österreich x Institut für Rechnergestützte Automation, TU Wien x Institut für Hochbau und Technologie, TU Wien x Institut für interdisziplinäres Bauprozessmanagement, Industriebau und interdis- ziplinäre Bauplanung, TU Wien x Institut für Architekturwissenschaften, TU Wien

124 Ibpm - Institutsbericht 2012 Forschung am Institut 2010 bis 2012

x Institut für Städtebau, Landschaftsarchitektur und Entwerfen, TU Wien x Institut für Thermodynamik und Energiewandlung, TU Wien

Projektdauer 2010-2013

Eine ganzheitliche Simulation und Optimierung der energieeffizienten Fertigung von Mikro- bis Makro-Ebene ist das Hauptziel des Projekts INFO – Interdisziplinäre For- schung für Energieeffizienz in der Fertigung an der TU Wien.

Das Projekt ist gefördert von FFG und Klimafond: Neue Energien 2020. Sieben TU- Institute der Fakultäten für Maschinenwesen und Betriebswissenschaften, Informatik, Bauingenieurwesen und Architektur und Raumplanung forschen gemeinsam mit zehn Industriepartnern und spannen somit ein interdisziplinäres Forschungsfeld.

Als Endergebnis soll eine integrale Simulation einer generischen Produktionsanlage entstehen, zusammen mit einem Masterplan (Blueprint) des optimierten, energieeffi- zienten Produktionsmodells, welches die drei Bereiche der Energie, Gebäude und Fertigung ganzheitlich abbildet. Die Simulation soll am konkreten Modell für energie- effizientes Werk des Industriepartners Hörbiger verifiziert werden. Die Gesamtsimula- tion soll in weiterer Folge als Werkzeug für produzierende Unternehmen dienen.

Die detaillierte Betrachtung und die Vernetzung der verschiedenen Ergebnisse erge- ben ein ganzheitliches Konzept zur Minimierung des Energieverbrauchs entlang der Wertschöpfungskette (IFT, 2009).

PROJEKT RE_CO_RE Resources Conserving Renovation - Energy efficient, re- source conserving and differentiated renovation of historic European building stocks

Mitwirkende / Projektpartner

x Fördergeber: FFG; ERACOBUILD SusRen x Projektkoordinator: DI Maja Lorbek, TU Wien, Institut für Architektur und Entwer- fen, Abteilung Wohnbau und Entwerfen x Institut für interdisziplinäres Bauprozessmanagement, Industriebau und interdis- ziplinäre Bauplanung, TU Wien x Institut für Hochbau und Technologie, Forschungsbereich für HOCHBAUKON- STRUKTIONEN und BAUWERKSERHALTUNG,TU Wien

Ibpm - Institutsbericht 2012 125 Forschung am Institut 2010 bis 2012

x ETH Zürich – IDB Ǧ Institute for Monument Protection and Historical Building Re- search. x Chalmers University, Gothenburg, Department of Architecture

Projektdauer: 2010-2012

The main goal of research is to define long term integral and life cycle oriented reno- vation scenarios within the common objective of preserving long term value of build- ing stock, with the emphasis on the notion of sufficiency und the principle of open options for future use.

The project will develop an integrated approach to sustainable renovation of historical buildingstocks and pre-1970th stocks which is based on common objectives, a com- mon procedure, the common use of planning tools and a specific national application which results from a historical, technical, social and cultural understanding of the specific national stock fragments.

National project:

The goal of this research project is to objectify and deepen the knowledge base on the building stocks and further to develop applicable tools and strategic measures for their sustainable modernization based on the notion of preserving of resources. Pro- ject partners follow common objectives and share some of the planning tools and are following a common procedure in order to develop a specific national range of sce- narios which results from a historical, technical, social and cultural understanding of the specific national stock fragments.

The specific building stock chosen for research in Austria will be the social housing of the modern era build between 1918 and 1934, the architecture of "Red Vienna"; council housing (Gemeindebau) and settlements (Siedlungen). Three characteristics: minimalistic dwelling units, joint facilities, social and technical infrastructure for socio- cultural capital of these building types are considered as main carriers of sustainabil- ity and as such focus for further research.

126 Ibpm - Institutsbericht 2012 Forschung am Institut 2010 bis 2012

Projekt BIM_Sustain - Process Optimisation for BIM-supported Sustainable Design

Mitwirkende / Projektpartner

x Fördergeber: FFG; Bridge x Projektkoordinator: Dr. Iva Kovacic ; Forschungsbereich Industriebau und Inter- disziplinäre Bauplanung Institut für interdisziplinäres Bauprozessmanagement, TU Wien x TU Wien: Abteilung für Bauphysik und Bauökologie (Prof. Mahdavi) und Institut für Managementwissenschaften x Wirtschaftspartner: A-Null / Artaker / Nemetschek / Dlubal RFEM / Construsoft / Plancal / b.i.m.m. GmbH

Projektdauer: 2012-2014

Ziel des Projektes ist es, Strategien zur Gestaltung zeit- und kosteneffizienter, BIM (Building Information Modelling) -unterstützter Planungsprozesse zu entwickeln. Ge- meinsam mit BIM-Software-Herstellern als Wirtschaftspartnern soll dabei der state- of-the-art im Bereich BIM-unterstützter Planung analysiert und optimiert werden. So können für die individuellen BIM-Werkzeuge maßgeschneiderte strategische Opti- mierungskonzepte für den interdisziplinären Planungsprozessausgearbeitet werden.

Wirtschaftlicher Nutzen

Für die wirtschaftlichen Partner aus der Softwareindustrie entsteht somit ein Wis- sens- und Nutzenzuwachs bezüglich der Anwendungs- und Prozessoptimierung des eigenen Produkts, welcher einerseits als Dienstleistung (Beratung) und andererseits als konkrete Werkzeugoptimierung verwertet werden kann.

Ein weiteres Projektziel wäre, aus den gewonnenen Erkenntnissen eine fortgesetzte Schnittstellen-Optimierung sowie strategische Weiterentwicklung des interdisziplinä- ren Datenübertragungsstandards IFC zu generieren, wodurch ein Benefit für die Pla- nungspraxis insgesamt entstünde.

Projekt TechNet Energieeffizientes Haus - "Energieeffizientes und nachhaltiges Bau- en unter Berücksichtigung der Seismizität"

Mitwirkende / Projektpartner

Ibpm - Institutsbericht 2012 127 Forschung am Institut 2010 bis 2012

x Projektkoordinatior: Wienerberger x TU Wien, Institut für Hochbau und Technologie, x Forschungsbereich für Bauphysik und Bauakustik Karlsplatz x Forschungsbereich Industriebau und Interdisziplinäre Bauplanung x Institut für interdisziplinäres Bauprozessmanagement, TU Wien x Institut für Energietechnik und Thermodynamik, TU Wien

Projektdauer: 2008-2010

Erarbeitung und Dokumentation eines Rechenverfahrens zur Ermittlung der Herstel- lungskosten, Wartungskosten, Energiekosten, Primärenergiebedarf in der Nutzungs- phase, CO2-Emissionen in der Nutzungsphase und der sommerlichen Raumtempe- raturen für Einfamilienhäuser und Mehrfamilienhäuser unterschiedlicher Bauweise und Gebäudetechnik.

Berechnungstool: http://www.energieberater.at/App/e4Calc/index.html

128 Ibpm - Institutsbericht 2012 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

8 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

8.1 Vorträge

8.1.1 O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Hans Georg Jodl

Kooperative Projektabwicklung

Vortrag: 6.PM-Bau Symposium, Wien (eingeladen); 14.06.2012; in: "Miteinander statt Gegeneinander", Fachzeitschrift für Baumanagement und Bauwirtschaft, 16-012 (2012), ISSN: 1817-7980; S. 64 - 72

Terminplanung und Bauablaufplanung

Vortrag: Fachseminar, Österreichische Vereinigung für Beton und Bautechnik ÖVBB, Altlengbach (eingeladen); 01.03.2012 - 02.03.2012; in: "Pflichten des Bauleiters", (2012), S. 1 - 67

NATM and TBM in the horizon of construction operation

Vortrag: Internationale Conference for Geotechnical and Tunnel Construction, Sofia (eingeladen); 12.10.2011 - 14.10.2011; in: "First International Conference Geo Pro- jects 2011 Sofia", (2011), 14 S.

Contracts have the power to rule, destroy and boost projects

Hauptvortrag: Joint Conference Invitation Important Success Factors in Engineering and CPM, Wien (eingeladen); 12.05.2011 - 13.05.2011

Baubetriebliche Grundlagen für Bauleiter

Vortrag: Tagesseminar Baubetriebliche Grundlagen für Bauleiter, Linz (eingeladen); 10.03.2011

Pflichten des Bauleiters

Vortrag: Fachseminar, Österreichische Vereinigung für Beton und Bautechnik ÖVBB, Altlengbach (eingeladen); 03.03.2011 - 04.03.2011; in: "Fachseminar Pflichten des

Ibpm - Institutsbericht 2012 129 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

Bauleiters", (2011), S. 1 - 63.

Glasfaserausbau Giganetz-City Wien

Vortrag: ÖGL Symposium Grabenlos 2010, Saalfelden; 19.10.2010 - 20.10.2010; in: "ÖGL Symposium Grabenlos", U. Boccioli (Hrg.); (2010), S. 63 - 76.

Toleranzen im Tunnelbau kleine Ursache mit großer Wirkung

Vortrag: Österreichischer Tunneltag 2010, Salzburg (eingeladen); 06.10.2010

A Model for Selecting Efficient Tunnelling Systems

Vortrag: ITA World Tunnel Congress, Vancouver; 14.05.2010 - 20.05.2010; in: "ITA World Tunnel Congress", (2010).

Aluminium-Konstruktionen von der Nachhaltigkeit bis hin zur Werthaltigkeit

Vortrag: Österreichischer Metallbautag 2010, Salzburg; 16.04.2010; in: "Österreichi- scher Metallbautag 2010", (2010), S. 5 - 9

Terminplanung

Vortrag: Fachseminar "Pflichten des Bauleiters", Österreichische Vereinigung für Beton und Bautechnik ÖVBB, Altlengbach (eingeladen); 04.03.2010; in: "Pflichten des Bauleiters", (2010), S. 1 - 20

8.1.2 Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Andreas Kropik

Störung des Bauablaufes - Auswirkungen auf Bauzeit und Kosten

Vortrag: 34. Internationales Fachseminar Bauwesen für Sachverständige und Juris- ten, Bad Hofgastein (eingeladen); 15.01.2012 - 20.01.2012; in: "Fachseminar Bau- wesen", (2012)

Der neue Transportbetonindex

Vortrag: 33. Wintertagung 2012 Güteverband Transportbeton, Salzburg (eingeladen); 15.01.2012 - 18.01.2012

130 Ibpm - Institutsbericht 2012 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

Problematik von Pauschalvereinbarungen

Vortrag: Baurechts-Tag 2011, Wien (eingeladen); 17.11.2011

Bauvorhaben erfolgreich abwickeln

Vortrag: Wr. Linien GmbH & CO KG; 20.09.2011

Die Angebotsprüfung

Vortrag im Rahmen des Symposiums „Vergaberecht für Bauaufträge“; ARS, 18.05.2011

Störung der Leistungserbringung und ihre Folgen

Vortrag: Jour Fixe Bau-Special Schramm Öhler, Wien; 12.05.2011

Ausschreibung von Bauleistungen und Angebotsprüfung

Vortrag: Landesregierung Oberösterreich (eingeladen); 10.03.2011

Ausschreibung und Angebotsprüfung

Vortrag: Ziviltechnikerforum; 24.01.2011

Alles zum Angebotspreis prüfen - argumentieren - werten

Vortrag: Jour Fixe Special Schramm Öhler, Wien (eingeladen); 15.04.2010

Risikotragung bei der Bauausführung nach der RVS 10.01.11

Vortrag: FSV-Verkehrstag 2010, Wien 17.06.2010 in: "FSV-Verkehrstag 2010", (2010), S. 36 - 39

Die Behandlung von Leistungsabweichungen nach der ÖNORM B 2110

32. Internationales Fachseminar Bauwesen für Sachverständige und Juristen, 10.01.2010 – 15.01.2010

Symposium Nachtragsmanagement

Moderation und Vortrag; Veranstalter LINDE und AS+, 18.10.2010 – 19.10.2010

Ibpm - Institutsbericht 2012 131 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

8.1.3 Univ.Prof. Arch. Dipl.-Ing. Christoph M. Achammer architects & engineers in Russia

Vortrag für den Lehrgang ICPM, TU Wien, 06.06.2012

Architektur von Discount-Märkten

Vortrag im Rahmen des 3. Europäischen Discounter Kongress, Berlin, 17.04.2012

Refurbishmentprojekte integral planen

10. Grazer Baubetriebs- und Bauwirtschaftssymposium, TU Graz, 30.03.2012

Entwicklung von Industriebauten und Einkaufszentren

Austrian Standards plus Trainings/Lehrgang Immobilienprojektentwicklung, Wien, 24.11.2011

Nachhaltiges Bauen? Warum nicht einfach gute Häuser?

Real Estate Circle 2011, TU Wien, 11.11.2011

ATP Architekten und Ingenieure – Wir wollen unsere Welt mit hervorragenden Ge- bäuden positive verändern

Vortrag, Auftaktkongress „Lebenszyklus Hochbau“, Siemens City, 1210 Wien, 08.11.2011

Integrated Planning - BIM and sustainable buildings

CIB-W096 Conference, TU Wien, 13.10.2011

Die Zukunft des Shopping - eine schnelle Provokation

ACSC Kongress, Haus der Industrie, Wien, 21.09.2011

We built the city

GCSC Kongress, Hotel Adlon, Berlin, 15.09.2011

132 Ibpm - Institutsbericht 2012 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

Einzelhandel & Stadt, eine Hassliebe mit vielen Chancen

4. Regensburger Immobilienrechtstag, Universität Regensburg, 15.07.2011

Refurbishment und Shopping Center; Neubau-Anbau-Umbau und die Folgen für die Stadt

Forenleiter, GCSC Kongress, Forum Architektur - Überseequartier Hamburg

Gebäude um die Welt positiv zu verändern. Integrale Planung – der Schlüssel für eine bessere gebaute Umwelt

Vortrag im Rahmen der Initiative der Katholischen Hochschulgemeinde Wien, TU Wien, 04.04.2011

Schwabinger Tor – Ein Stadtquartier wächst

Podiumsdiskussion der Jost Hurler Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft GmbH & Co. KG, MIPIM 2011 Cannes, 09.03.2011

Integrale Planung für Nachhaltige Handelsimmobilien

Vortrag, Migros Fachtagung, Parkhotel Schloss Hünigen, Konolfingen bei Bern, 01.12.2010

Nachhaltigkeit bei Einzelhandelsimmobilien

͒Podiumsdiskussion Retail Dialogue. ͒Expo Real Messe München, 05.10.2010

Special Lecture: Wege der Qualitätssicherung - vom Entwurf zur Wirklichkeit.

Baukulturgespräche, Forum Alpbach, 03.09.2010

Nachhaltigkeit

Vortrag, Delegiertentagung Schweizerverein, Sporthotel Innsbruck/Igls, 11.06.2010

Integrale Planung - Voraussetzung für nachhaltige Logistikimmobilien

5. Ulmer Logistiktag der BVL Bundesvereinigung Logistik. Donauhalle Ulm, 05.05.2010

Ibpm - Institutsbericht 2012 133 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

Wieviel Bildung braucht der Spezialist? Podiumsdiskussion

Auftaktveranstaltung "Bildung, Bedarf, Beruf, Berechtigung", Verband der Ziviltechni- ker- und Ingenieurbetriebe Jahreszyklus 2010-2011. Kuppelsaal, TU Wien, 26.04.2010

German Council Forum Architektur - Shopping Center ein vitales Element der Stadt. Ein kritischer Diskurs aus verschiedensten Perspektiven

Zeche Zollverein, Essen, 25./26.03.2010

Hochschulbeitrag für eine nachhaltige Entwicklung

Forum Agenda 4: Immobilie. Innovation. Nachhaltigkeit. BMW Museum München, 01.03.2010

Green Shopping Centers

2. Schweizer Shopping Center Forum & Swiss Council Congress, Zürich, 12. 11. 2009

8.1.4 Univ.Ass. Dipl.-Ing. Dr.techn. Iva Kovacic

Building Information Model Visualization Through Javascript-Enhanced 3d-Pdf Inter- faces

Creative Construction Conference 2012, Budapest, Hungary; 30.06.2012 - 03.07.2012; in: "Proceedings of Creative Construction Conference 2012", M. Skib- niewski, M. Hajdu (Hrg.); YBL MIKLÓS FACULTY OF ARCHITECTURE AND CIVILl ENGINEERING, (2012), 11 S.

Designing Planning Processes for Sustainable Buildings: From experiment towards implementation

2012 Engineering Project Organizations Conference - Global Collaboration, Rheden, Netherlands; 10.07.2012 - 12.07.2012; in: "Working Paper Series, Proceedings of the Engineering Project Organization Conference", http://www.epossociety.org/EPOC2012/authors2.htm, (2012), 21 S.

134 Ibpm - Institutsbericht 2012 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

Bim-Supported Lifecycle-Oriented Design For Energy Efficient Industrial Facility - A Case Study

Creative Construction Conference 2012, Budapest, Hungary; 30.06.2012 - 03.07.2012; in: "Proceedings of Creative Construction Conference 2012", M. Hajdu, M. Skibniewski (Hrg.); Budapest (2012), S. 10.

Concurrent consideration of production processes and building properties for the design of energy-efficient industrial facilities

IBPC 2012 - 5th International Building Physics Conference, Kyoto, Japan; 28.05.2012 - 31.05.2012; in: "Proceedings of the 5th Internaltional Building Physics Conference", IBPC organizing committee (Hrg.); Organizing Committee of the 5th IBPC., 1/1/Kyoto, Japan (2012), S. 875 - 881.

Resizing/Re-Seizing the City - Requirements for Diversity

REAL CORP 2012 - Re-mixing the City. Towards Sustainabiliy and Resilience?, Mul- tiversum Schwechat; 14.05.2012 - 16.05.2012; in: "Proceedings of the 17th Interna- tional Conference on Urban Planning and Regional Development in the Information Society", (2012), ISBN: 978-3-9503110-2-0; S. 721 - 728.

Holistischer Ansatz für die energieeffiziente Produktion

Vortrag: 4. Internationaler Facility Management Kongress, Wien; 24.11.2011 - 25.11.2011; in: "Journal für Facility Management", A. Redlein (Hrg.); Journal für Faci- lity Management, 3/2011 (2011), ISBN: 978-3-200-02428-1; S. 39 - 50.

Planning practice in transition from fragmentation to integration

Architectural Management in the Digital Arena, TU Wien, Wien; 13.10.2011 - 14.10.2011; in: "Proceedings of the CIB-W096 conference Vienna 2011 Architectural Management in the Digital Arena", A. den Otter, S. Emmit, C. Achammer (Hrg.); Uni- versity Press, Eindhoven University of Technology (TU/e),, Eindhoven (2011), ISBN: 978-90-386-2810-3; S. 57 - 71.

Ibpm - Institutsbericht 2012 135 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

Regional Building Stocks And Organizations: A Theoretical Justification For A Re- gional Body Of Knowledge

10th International Conference: Organization, Technology and Management in Con- struction, Sibenik, Kroatien; 07.09.2011 - 10.09.2011; in: "10.th International Confer- ence on Organization, Technology and Management in Construction", M. Radujkovic (Hrg.); University of , Croatian Association for Organization in Construction, Zagreb (2011), ISBN: 978-953-7686-01-7; 6 S.

Design And Planning Process For Enrgy Efficient Buildings - Client's Perspective

10th International Conference: Organization, Technology and Management in Con- struction, Sibenik, Kroatien; 07.09.2011 - 10.09.2011; in: "10th International Confer- ence Oragnization, Technology and Management in Construction", M. Radujkovic (Hrg.); Croatian Association for Organization in Construction, Zagreb (2011), ISBN: 978-953-7686-01-7; 15 S

Theoretical Framework for Best Practice Integrated Planning Model

International FM&REM Congress 2011 Built Environment, Kufstein; 19.01.2011 - 21.01.2011; in: "International FM&REM Congress 2011 Built Environment", T. Madritsch (Hrg.); FH Kufstein, Kufstein (2011), ISBN: 978-3-9503068-1-1; S. 234 - 242.

A holistic model for an energy efficient production facility

1st International Conference On Sustainable Intelligent Manufacturing, Leiria, Portu- gal; 28.06.2011 - 01.07.2011; in: "1st International Conference On Sustainable Intel- ligent Manufacturing", J. Bartolo et al. (Hrg.); eigene Publikation - Conference, 1 (2011).

Methodik Systemisch-Integraler Planungsprozesse

2. agenda4 Forschungssymposium der Baubetriebs- und Immobilienwissenschaften, München; 14.10.2010 - 15.10.2010; in: "2. Forschungssymposium der Baubetriebs- und Immobilienwissenschaften", J. Zimermann (Hrg.); TU München, Lehrstuhl für Bauprozessmanagement und Immobilienentwicklung, 2, München (2010), ISBN: 978- 3-939956-18-1; S. 87 - 102.

136 Ibpm - Institutsbericht 2012 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

Über Integrale Planung zur Nachhaltigkeit: Entwicklung einer Planungsmethodik

3. Internationaler Facility Management Kongress, TU Wien; 25.11.2010 - 26.11.2010; in: "Kongressband 3.Internationaler FM Kongress TU Wien", A. Redlein (Hrg.); Jour- nal für Facility Management, 2/2010 (2010), 987-3-200-02070-2; S. 17 - 37.

Energieeffizienter Industriebau als Integrales Konzept

Internationaler Kongress e nova 2010 Nachhaltige Gebäude Planung-Betrieb- Bewertung, FH Burgenland (eingeladen); 11.11.2010 - 12.11.2010; in: "Nachhaltige Gebäude Planung-Betrieb-Bewertung", Fachhochschulstudiengänge Burgenland Ges.m.b.H.,Forschungs- und Studienzentrum Pinkafeld, Kernkompetenzbereich Energie- und Umweltmanagement, Pinkafeld (2010), ISBN: 978-3-9502452-02; S. 175 - 183.

Building Green: Chancen und Risiken

ATGA Facility Kongress 2010, Wien (eingeladen); 05.05.2010 - 06.05.2010; in: "Technische Gebäude Ausrüstung Facility Management", TGA Facility Management, WEKA Verlag, 5 /1A/Wien (2010), S. 13.

Lebenszyklusanalyse in Gebäudezertifikaten

STRABAG (eingeladen); Wien, 18.07.2012.

Büro und Gewerbeimmobilien für eine "Post-Carbon" Gesellschaft

20. ATGA Facility Kongress, Wien (eingeladen); 20.06.2012 - 21.06.2012.

Projekt INFO - Energy Efficient Production

CEEMUT Cooperation Meeting 2012, Wien; 31.05.2012 - 02.06.2012.

Integrale Planung: Ohne Interdisziplinarität keine Nachhaltigkeit

Firmenworkshop "Auf den Weg zur integralen Planung", TU Wien, Wien (eingela- den); 10.05.2011.

Ibpm - Institutsbericht 2012 137 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

Strategien für Nachhaltiges Planen

Soroptimistinnen Österreich, Wien (eingeladen); 19.09.2011

Energieeffizienz im Industriebau und Gewerbe - ein Gesamtkonzept

Ressourceneffiziente Produktion in Industrie und Gewerbe, WKÖ, Wien (eingeladen); 17.01.2011.

Kostenermittlung Kombinatorik für Einfamilienhäuser unterschiedlicher Baustan- dards: OIB, Niedrigenergie- und Passivhaus

Themenlounge Präsentation des Kalkulations-Tools "e4-Energieberater", St. Pölten (eingeladen); 02.12.2010.

Integrierte Lebenszyklusanalyse - Gesamtheitliche Gebäudebilanzierung

Entwerfen, Wettbewerb RENOVATION, Bauen im Bestand, TU Wien (eingeladen); 08.03.2010.

Die autarke Gewerbeimmobilie - Fantasie oder Realität? Wege zu geringeren Be- triebskosten und zur Finanzierung

Podiumsdiskussion "Die autarke Gewerbeimmobilie - Fantasie oder Realität? Wege zu geringeren Betriebskosten und zur Finanzierung", Real Vienna Messe; 19.05.2010

Internationale Zertifizierungssysteme - Gebäude Zertifizierung = nachhaltiges Bauen?

Vortrag: Seminar "Gebäude-Zertifizierungen für nachhaltiges Bauen", Arch+Ing Aka- demie (eingeladen); 25.05.2010.

Einführung in die Kostenplanung

Modul HB 2 Nachhaltig Entwerfen, Planen, Bauen, TU Wien, Institut f. Architektur und Entwerfen, Abteilung Hochbau 2 (eingeladen); 12.05.2010

138 Ibpm - Institutsbericht 2012 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

INTEGRALE PLANUNG - Ganzheitliches Konzept für ökologische, ökonomische und soziokulturelle Nachhaltigkeit der BauǦUmwelt

Vorlesung an der Universität für angewandte Kunst Wien, Institut für Architektur, Uni- versität für angewandte Kunst Wien, Institut für Architektur (eingeladen); 26.11.2010

Interdisziplinäre Forschung zur Energieoptimierung in Fertigungsbetrieben

Vortrag: sciencebrunch #1: Energieeffizienz in Industrie und Gewerbe, Wien (einge- laden); 29.09.2010

8.1.5 Univ.Ass. Dipl.-Ing. Bogner Bettina

Kooperative Projektabwicklung

Vortrag: 6.PM-Bau Symposium, Wien (eingeladen); 14.06.2012; in: "Miteinander statt Gegeneinander", Fachzeitschrift für Baumanagement und Bauwirtschaft, 16-012 (2012), ISSN: 1817-7980; S. 64 - 72

8.1.6 Univ.Ass. Dipl.-Ing. Ehgartner Jörg

Toleranzen im Tunnelbau kleine Ursachen mit großer Wirkung

Vortrag: Österreichischer Tunneltag 2010, Salzburg (eingeladen); 06.10.2010

8.1.7 Univ.Ass. Dipl.-Ing. Resch Daniel

Recycling of tunnel excavation material

Poster: ACTUE Workshop, Graz; 11.10.2010

Ressource Tunnelausbruch

Vortrag: DepoTech 2010 Abfallwirtschaft, Abfalltechnik, Deponietechnik und Altlas- ten, Leoben; 03.11.2010 - 05.11.2010; in: "Depo Tech 2010", K. E. Lorber (Hrg.); Eigenverlag, (2010)

Ibpm - Institutsbericht 2012 139 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

Forschungsprojekt Verwertung von Tunnelausbruchsmaterial

Vortrag: Pangeo Austria 2010, Leoben (eingeladen); 15.09.2010 - 19.09.2010; in: "Journal of Alpine Geology", (2010), ISSN: 1563-0846; S. 211

Wiederverwertung von Tunnelausbruchmaterial

Vortrag: Österreichischen Bergbautages, Leoben; 10.05.2010; in: "Österreichischen Bergbautages 2010", Leoben (2010), S. 1 - 26

Verwertung von Tunnelausbruchmaterial

Vortrag: 21. AssistentInnentreffen, Wien; 07.04.2010

8.1.8 Univ.Ass. Dipl.-Ing. Christoph Müller

Design And Planning Process For Enrgy Efficient Buildings - Client's Perspective

10th International Conference: Organization, Technology and Management in Con- struction, Sibenik, Kroatien; 07.09.2011 - 10.09.2011; in: "10th International Confer- ence Oragnization, Technology and Management in Construction", M. Radujkovic (Hrg.); Croatian Association for Organization in Construction, Zagreb (2011), ISBN: 978-953-7686-01-7; 15 S

8.2 Bücher

8.2.1 O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Hans Georg Jodl

Handwörterbuch der Bauwirtschaft

3.völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Austrian Standards plus Publishing, Wien 2010, ISBN 978-3-85402-219-0, 270 S, gemeinsam mit Oberndorfer

140 Ibpm - Institutsbericht 2012 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

8.2.2 Univ.ǦProf. Dipl.ǦIng. Dr.techn. Andreas Kropik

Generalunternehmer - Subunternehmer in der Bauwirtschaft

Austrian Standards plus GmbH, Wien, 2012, ISBN: 978-3-85402-258-9; 240 S, ge- meinsam mit Wiesinger

Das Vergaberecht in Österreich Kurzkommentar und Gesetzestext

"Das Vergaberecht in Österreich", Wirtschaftskammer Österreich (Hrg.); herausge- geben von: Wirtschaftskammer Österreich; Wirtschaftskammer Österreich, Wien, 2012, ISBN: 978-3-902110-84-8, S. 1 – 520, gemeinsam mit Mille und Sachs

Mittellohnpreiskalkulation – Übungs- und Schulungsheft

Wirtschaftskammer Österreich – Geschäftsstelle Bau, (jährliche Neuauflage)

8.2.3 Univ.Prof. Arch. Dipl.-Ing. Christoph Achammer

Refurbished Future / Werte, Ressourcen und Strukturen - ergänzen statt ersetzen

Neuer Wissenschaftlicher Verlag, Wien, 2011, ISBN: 978-3-7083-0798-5; 285 S.

8.2.4 o.Univ.Prof. i.R. Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Oberndorfer

Handwörterbuch der Bauwirtschaft

3.völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Austrian Standards plus Publishing, Wien 2010, ISBN 978-3-85402-219-0, 270 S, gemeinsam mit Jodl

Claim Management und alternative Streitbeilegung im Bau- und Anlagenvertrag. Teil 1: Grundlagen und Methoden

2.Auflage, Verlag Manz, Wien 2010, ISBN: 978-3-214-00546-7, 236 S

Baupreisbildung und Baupreisanpassung“, in „Handbuch des Bauvertrags- und Bau- haftungsrechtes, Teil 2

Ibpm - Institutsbericht 2012 141 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

4.Aktualisierung, Verlag Manz, Wien 2010 (Koautor: Wolkerstorfer)

Claim Management und alternative Streitbeilegung im Bau- und Anlagenvertrag. Teil 2: Praktische Anwendung

2.Auflage, Verlag Manz, Wien 2010, ISBN : 978-3-214-00547-4, 210 S

8.3 Gastvorlesungen

8.3.1 O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Hans Georg Jodl

Gastprofessur an der Universität für Architektur, Bauingenieurwesen und Geodäsie in Sofia

Wie bereits seit September 2001 kam Prof. Jodl auch in den Jahren 2010 bis 2012 seiner Lehrverpflichtung an der Universität für Architektur, Bauingenieurwesen und Geodäsie in Sofia nach und unterrichtete in dem 1999 gegründeten deutschsprachig geführten Studienzweig „Wasserbau“ und seit 2004 auch „Verkehrsbau „folgende Fächer die Grundvorlesung „Bauverfahrenstechnik“ bzw. mit der Bulgarischen Be- zeichnung „Технология на строителството и строителни машини“ (Bauverfahrens- technik und Baumaschinen). Im jeweils zweiwöchigen Aufenthalt ist auch eine Ex- kursion zu aktuellen Baustellen eingeschlossen. Der deutliche Rückgang der Teil- nehmer ist im Wesentlichen auf geburtenschwache Jahrgänge zurück zu führen.

x 2010: Vorlesung Bauverfahrenstechnik vom 20.9. bis 01.10.2010 mit 28 Studie- renden. x 2011: Vorlesung Bauverfahrenstechnik vom 19.9. bis 30.9.2011 mit 17 Studie- renden. In diesem Jahr jährte sich die Gastvorlesung zum zehnten mal. x 2012: Vorlesung Bauverfahrenstechnik vom 17.9. bis 28.09.2012 mit 6 Studie- renden.

142 Ibpm - Institutsbericht 2012 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

Bild 1 Auf Exkursion U-Bahn Baustelle Bild 2 Prüfungsatmosphäre Bauverfahrenstechnik

Bild 3 Im U-Bahn Vortrieb nach NATM Bild 4 Universitätsgebäude

8.3.2 Univ.ǦProf. Dipl.ǦIng. Dr.techn. Andreas Kropik

Bauwirtschaftliche und baurechtliche Aspekte des Nachtragsmanagements

Vorlesung, UNIVERSITÄT WIEN, Juridicum, Institut für Zivilrecht; SS 2009, SS 2010, SS 2011

8.3.3 O.Univ.Prof. i.R. Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Oberndorfer

Claim Management im österreichischen Recht

Postgraduate Lehrgang International Construction Law, UNIVERSITÄT WIEN, WS 2011

Ibpm - Institutsbericht 2012 143 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

8.4 Sonstige Publikationen

8.4.1 O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Hans Georg Jodl

NÖT und TBM - eine baubetriebliche Gegenüberstellung

Geomechanik und Tunnelbau, 4 (2011), 4; S. 337 - 345

Lebenszykluskosten von Fenstern im kommunalen Wohnbau

Festschrift anlässlich des 60. Geburtstages von Univ.Prof.Dr.Ing.Rainer Schach", herausgegeben von: Technische Universität Dresden; Technische Universität Dres- den, Dresden, 2011, ISBN: 978-3-86780-224-6, S. 219 - 228

Toleranzen im Tunnelbau kleine Ursache mit großer Wirkung

Geomechanics and Tunnelling (eingeladen), 6 (2010), 6; S. 751 - 761

Glasfaserausbau Giganetz-City Wien

BBB, 11/12 (2010), 11/12; S. 52 - 55.

Lebenszykluskosten von Brücken Teil 1 und 2

Bauingenieur, 85 (2010), S. 221 - 240

8.4.2 Univ.ǦProf. Dipl.ǦIng. Dr.techn. Andreas Kropik

Normkonforme Ermittlung der Außergewöhnlichkeit von Witterungsverhältnissen gemäß ÖNORM B 2110

Zeitschrift für Vergabe und Baurecht (ZVB), 06 (2012), ZVB 2012/76; S. 256 – 259, gemeinsam mit Heegemann

Die Baustellengemeinkosten

Zeitschrift für Vergabe und Baurecht (ZVB), 04 (2012), ZVB 2012/49; S. 168 - 170

144 Ibpm - Institutsbericht 2012 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

Der Mittellohnpreis

Zeitschrift für Vergabe und Baurecht (ZVB), 03 (2012), ZVB 2012/36; S. 122 – 127, gemeinsam mit Niebauer

Störung des Bauablaufes - Auswirkungen auf Bauzeit und Kosten

Sachverständige, 2 (2012), 2; S. 79 - 81

Der Einfluss funktionaler Leistungsbeschreibungen auf den Wettbewerb

Zeitschrift für Vergabe und Baurecht (ZVB), 01 (2012), ZVB 2012/11; S. 36 – 38 ge- meinsam mit Gmoser

Zur Frage der Preisangemessenheit von Baupreisen am Beispiel der österreichischen Vergabejudikatur

"Festschrift anlässlich des 60. Geburtstages von Univ.Prof.Dr.Ing.Rainer Schach", herausgegeben von: Technische Universität Dresden; Technische Universität Dres- den, Dresden, 2011, ISBN: 978-3-86780-224-6, S. 275 - 281.

Risikotragung bei der Bauausführung nach RVS 10.01.11

Straße und Autobahn, 11 (2010), 11; S. 843 - 844

Bau-Soll versus Kalkulationsannahmen

"Die wirtschaftliche Seite des Bauens", herausgegeben von: Institut für Bauwirtschaft und Baubetrieb TU Braunschweig; Institut für Bauwirtschaft und Baubetrieb TU Braunschweig, Braunschweig, 2010, ISBN: 978-3-936214-18-5, S. 401 - 413

Önorm B 2110

"VOK-Fachgespräch 2010", herausgegeben von: Verband österreichischer Korrosi- onsschutzunternehmen; Eigenverlag, 2010, S. 1 - 16

Die bauwirtschaftlichen Folgen von Schlechtwetter

Vergaberecht und Bauvertragsrecht, 01 (2010), 01; S. 5 - 9

Ibpm - Institutsbericht 2012 145 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

Preisumrechnung nach ÖNORM B 2111 und nicht repräsentierte Kostenarten

bau aktuell, 1 (2010), 1; S. 16 - 18

8.4.3 Univ.Prof. Arch. Dipl.-Ing. Christoph M. Achammer

Gegen den Strom

Industriemagazin (eingeladen), 04/10 (2010), 4; S. 44 – 47. Mit D. Pohselt, C. Dorn, I. Kovacic, F. Bleicher

Energie sparen im großen Stil

Hi!Tech, 3/2010 (2010). Mit C. Dorn, I. Kovacic, F. Bleicher, M. Honsig

Sustainable Shopping Centers

German Council Magazin (eingeladen), 01 (2010), S. 41 - 43.

8.4.4 O.Univ.Prof. i.R. Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Oberndorfer

Storno und Teilstorno von Bauverträgen – Bauwirtschaftliche Überlegungen

bau aktuell 2012

Entgangene Deckungsbeiträge zur Zentralregie,

Zeitschrift für Vergabe und Baurecht (ZVB), 2012/09

Wann ist ein Bauzeitplan über den Haufen geworfen?

Zeitschrift für Vergabe und Baurecht (ZVB), 2011/07

Ein Beitrag zu den Grundlagen der Baupreisbildung

bau aktuell 2010/5

Entgangene Deckung zeitgebundener Kosten bei Leistungsverdünnung

Zeitschrift für Vergabe und Baurecht (ZVB), 2010/3

146 Ibpm - Institutsbericht 2012 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

Claim Management in Großprojekten

Seminar, VIW/VKW, Schruns ,März 2011

Einführung in das Claim Management

Seminar, Fa. Perchtold, Wiener Neudorf März 2012

8.4.5 Univ.Ass. Dipl.-Ing. Bogner Bettina

Kooperative Projektabwicklung

Vortrag: 6.PM-Bau Symposium, Wien (eingeladen); 14.06.2012; in: "Miteinander statt Gegeneinander", Fachzeitschrift für Baumanagement und Bauwirtschaft, 16-012 (2012), ISSN: 1817-7980; S. 64 - 72

Komplexität und die Rolle des Menschen für deren Reduktion

bau aktuell, 4 (2011) S.142-144

8.4.6 Univ.Ass. Dipl.-Ing. Ehgartner Jörg

Toleranzen im Hochbau

bau aktuell 2 (2011) S.50-55

Toleranzen im Tunnelbau kleine Ursache mit großer Wirkung

Geomechanics and Tunnelling (eingeladen), 6 (2010), 6; S. 751 - 761

Wissenschaftsnachwuchs in Wien

Österreichische Bauzeitung, 24 (2010), 24; S. 20, gemeinsam mit Steinbauer und Gmoser

Ibpm - Institutsbericht 2012 147 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

8.4.7 Univ.Ass. Dipl.-Ing. Gmoser Markus

Der Einfluss funktionaler Leistungsbeschreibungen auf den Wettbewerb

Zeitschrift für Vergabe und Baurecht (ZVB), 01 (2012), ZVB 2012/11; S. 36 – 38, ge- meinsam mit Kropik

Wissenschaftsnachwuchs in Wien

Österreichische Bauzeitung, 24 (2010), 24; S. 20, gemeinsam mit Steinbauer und Ehgartner

8.4.8 Univ.Ass. Dipl.-Ing. Resch Daniel

Abfall oder Rohstoff? Rechtsgrundlagen für die Wiederverwertung von Tunnelaus- bruchmaterial

Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft, 63 (2011), 7-8; S. 162 - 165

NÖT und TBM - eine baubetriebliche Gegenüberstellung

Geomechanik und Tunnelbau, 4 (2011), 4; S. 337 - 345.

8.4.9 Univ.Ass. DDipl.-Ing. Steinbauer Magdalena

Wissenschaftsnachwuchs in Wien

Österreichische Bauzeitung, 24 (2010), 24; S. 20, gemeinsam mit Ehgartner und Gmoser

Flächengründungen, Pfahlgründungen

"Eurocode 7-1 - Praxisbeispiele Teil 2", herausgegeben von: Austrian Standards In- stitute(ASI) Österreichische Gesellschaft für Geotechnik (ÖGG); Austrian Standards plus GmbH, Wien, 2011, ISBN: 978-3-85402-175-9, S. 1 - 131

148 Ibpm - Institutsbericht 2012 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

8.4.10 Univ.Ass. Dipl.-Ing. Dr.techn. Iva Kovacic

Büro- und Gewerbe-Immobilien eine für Post-Carbon-Gesellschaft

Facility Management, ein Spezial vom TGA (eingeladen), 05/1A 2012 (2012), 05; S. 12 - 13.

Holistischer Ansatz für die energieeffiziente Produktion

Journal für Facility Management, 3/2011 (2011), S. 39 - 50.

Budynki niskoenergetycne (Niedrigenergiehäuser)

Energia i Budynek, 04 (2011), 47; S. 11 - 15. Mit D. Wojewodka.

Research project cost-benefits of integrated planning: first experiment results

Organization Technology and Management in Construction, 3 (2011), 1; S. 254 – 263. Mit M. Filzmoser, S. Faatz, S. Koeszegi.

Energieschleudern sind nicht mehr attraktiv

Der Standard (eingeladen), 27/28.11.2010 (2010), 27/28.11.2010; S. 12. Mit W. Czaja

Der Zyklus ist das Ziel

Der Standard, 17/18. April 2010 (2010), 17/18. 4 2010. Mit W. Czaja.

Abwärme ist ein Überschuss das vemieden werden sollte!

UmweltJournal (eingeladen), Oktober 2010 (2010), S. 4. Mit A. Kohl, H. Seibel.

Gegen den Strom

Industriemagazin (eingeladen), 04/10 (2010), 4; S. 44 - 47. Mit D. Pohselt, C. Dorn, C. Achammer, F. Bleicher

Energieeffizienz im Industriebau - Aspekte für eine lebenszyklusorientierte Planung

Facility Management, ein Spezial vom TGA (eingeladen), 5/1A (2010), S. 24 - 25.

Ibpm - Institutsbericht 2012 149 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

Energie sparen im großen Stil

Hi!Tech, 3/2010 (2010). Mit C. Dorn, F. Bleicher, C. Achammer, M. Honsig.

8.5 Mitwirkung in Fachorganisationen

8.5.1 O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Hans Georg Jodl

Technische Universität Wien

x Mitglied des Senats der Technischen Universität Wien 2000-2011 x Vorsitzender des Fakultätsrates Bauingenieurwesen seit 1/2004 x Kommissionsmitglied für kurzfristige wissenschaftliche Arbeiten im Ausland 1995- 2012 x Kuratoriumsmitglied im Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds seit 2002 x TU Wien Alumni Club

Österreichischer Ingenieur- und Architektenverein (ÖIAV)

x Mitglied seit 1979 x Mitglied des Verwaltungsrates seit 1994 x Mitglied der Fachgruppe "Bauwesen" seit 1993 x Mitglied der Fachgruppe "Verfahrenstechnik und Umweltschutz" seit 1994

Österreichisches Nationalkomitee der International Tunnelling Association (ITA)

x Mitglied seit 1995

Österreichische Bautechnik Vereinigung

x Mitglied seit 1983 x Mitglied des Vorstandes seit 2003 x Mitglied der Arbeitskreise "Beton im Tunnelbau, Innenschalenbeton, Spritzbeton- seit 2003 x Mitglied des Arbeitskreises „Dauerhaftigkeit von Brücken“ seit 2005 x Mitglied des Arbeitskreises „Kooperative Projektabwicklung“ seit 2012

150 Ibpm - Institutsbericht 2012 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

Österreichische Gesellschaft für Geomechanik (ÖGG)

x Mitglied seit 1990 x Mitglied der Sektion Hohlraumbau seit 1995

Österreichische Vereinigung für grabenloses Bauen und Instandhalten von Leitungen (ÖGL)

x Mitglied seit 1990 x Mitglied des Vorstandes seit 1994

Austrian Standards Institute ON

x Austrian Standards plus Publishing Herausgeber „Handwörterbuch der Bauwirt- schaft x Mitglied im ON „Bauschiedsgericht“

8.5.2 Univ.ǦProf. Dipl.ǦIng. Dr.techn. Andreas Kropik

Austrian Standards Institute ON

x Mitarbeiter und stv. Vorsitzender (bis Sep. 2012) des ON-K 015 „Verdingungswe- sen“ x div. Arbeitsgruppen

Österreichische Forschungsgesellschaft Straße, Schiene, Verkehr (FSV)

x Vorsitzender Arbeitsgruppe „Technisches Verdingungswesen“ x Leiter des Arbeitsausschusses „TV04 Vergabewesen und Vertragsbedingungen“

Mitglied des Verbandes der beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Delegierter des Landesverbandes in den Hauptverband

Mitglied der Österreichischen Gesellschaft für Baurecht

Schiedsrichter und Schlichter am ON-Bauschiedsgericht

Mitglied des Redaktionsbeirates und Co-Herausgeber der Zeitschrift für Vergabe und Baurecht (ZVB)

Ibpm - Institutsbericht 2012 151 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

Mitglied des Fachbeirates Baukosten- und Baupreisindex (Statistik Austria)

8.5.3 Univ.Prof. Arch. Dipl.-Ing. Christoph M. Achammer

Arbeitsgemeinschaft Industrie e.V.

x Mitglied seit 1992 x Leiter der Arbeitsgruppe – Garantierter Maximalpreis

Agenda 4 e.V.

x Mitglied seit 2001

American Institute of Architects

x Associate Member seit 1993

Mitglied der Architektenkammern Österreich, Bayern und Hessen

Austrian, German und International Council of Shopping Centers

x Mitglied seit 1994

Forumsleiter Architektur 2006 – 2012

Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (ATP)

Österreichische Gesellschaft für nachhaltige Immobilienwirtschaft

IG Lebenszyklus Hochbau, Arbeitsgruppe Planung

8.5.4 o.Univ.Prof. i.R. Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Oberndorfer

Mitglied des Verbandes der beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen

152 Ibpm - Institutsbericht 2012 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

8.5.5 Univ.Ass. DDipl.-Ing. Steinbauer Magdalena

Mitglied der Fachgruppe Bauwesen des ÖIAV

Mitglied der Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr,

x Arbeitsgruppe „Technisches Verdingungswesen“, Arbeitsausschüsse „Vergabe- wesen - Vertragsbedingungen“ und „Preis- und Kostenindex

8.5.6 Univ.Ass. Dipl.-Ing. Dr.techn. Iva Kovacic

Bayrische Architektenkammer

Österreichische Gesellschaft für nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI)

Member of International Centre for of Energy, Water and Environment Systems - SDEWES Centre

Member of EPOS - The Engineering Project Organization Society

Member of OTMC Editorial board: Organization, Technology and Management in Construction International Journal

8.5.7 Univ.Ass. Dipl.-Ing. Christoph Müller

IALCCE – International Association for Life-Cycle Civil Engineering

Ibpm - Institutsbericht 2012 153 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

8.6 BBB Assistenten-Treffen in Wien

Das 21. BBB (Baubetrieb, Bauverfah- renstechnik und Bauwirtschaft) Assis- tentInnentreffen fand vom 07.04. bis 09.04.2010 auf Einladung des Institu- tes interdisziplinäres Bauprozessma- nagement (Prof Jodl, Prof Kropik) in Wien statt. Wien sowie die Technische Universität bildeten einen hervorragen- den Rahmen für die diesjährige Ta- Begrüßung und Vorstellung des IBPM Instituts durch gung, die von 11 deutschsprachigen den Institutsvorstand Prof. Jodl Universitäten besucht wurde.

Maßgeblich am Gelingen der Veranstaltung trugen die Sponsoren Wiener Linien, Hintereg- ger & Söhne, PORR, Habau und Pittel+Brausewetter bei.

Fachvorträge:

Der wissenschaftliche Austausch zwi- schen verwandten Forschungsberei- chen stellt eine wichtige Aktivität in der universitären Landschaft dar. Genauso wichtig sind aber auch das informelle Gespräch und der persönliche Aus- tausch unter den TeilnehmerInnen. Im Laufe der Tagung referierten 13 teil- nehmende AssistentInnen zu den Das Auditorium verfolgte die Fachvorträge an der TU Fachbereichen – Baubetrieb, Bauver- Wien mit großem Interesse fahrenstechnik und Bauwirtschaft, wo- bei stellvertretend vier Vorträge hier vorgestellt werden:

Daniel Resch, Institut Interdisziplinäres Bauprozessmanagement – TU-Wien berichtete vom Forschungsprojekt „Verwertung von Tunnelausbruchmaterial“, das sich ua die Bestimmung der maximalen Verwertung des Ausbruchmaterials, der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Materialaufbereitung und der Minimierung der Umweltbelastung zum Ziel gesetzt hat.

154 Ibpm - Institutsbericht 2012 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

Eine Entscheidungsmatrix für die Verwendung von Tunnelausbruchmaterial als Betonzu- schlagsstoff, mineralischer Rohstoff für Spezialanwendungen oder Schüttmaterial soll das Ergebnis des Projektes sein.

Selcuk Nisancioglu aus Wuppertal referierte über das „Energiemanagement auf Baustellen“ . Zu den wesentlichen Herausforderungen der Gegenwart gehören die Reduzierung von Treibhausgasemissionen und gleichzeitig die effiziente und sparsame Verwendung von Res- sourcen. Während den Potenzialen zur Steigerung der Energieeffizienz und Energieeinspa- rung von Gebäuden in der Nutzungsphase die notwendige Beachtung geschenkt wird, bleibt der Prozess der Bauwerkserstellung bislang unberücksichtigt. Erstmals werden baubran- chenspezifische Konzepte und Maßnahmen für die Nutzung dieser Potenziale entwickelt und so die Lücke in der energetischen Lebenszyklusbetrachtung von Immobilien geschlossen. Durch Stromsonderverträge, neue Technologien, Vermeidung von Leerlaufzeiten, die richtige Auswahl von Baumaschinen, gedämmte Baucontainern mit Flüssiggasheizung und vieles mehr lassen sich deutliche Einsparungen erlangen sowie ein Wettbewerbsvorteil und Mar- keting- /Imagevorteil erzielen.

Steffi Wagner aus Dresden sprach über die in Österreich noch nicht so verbreitete RFID Technologie (Radio Frequency Identification) in der Nutzungsphase von Gebäuden.

Die Einsatzmöglichkeiten der RFID-Technologie im Bauwesen sind seit 2005 ein For- schungsschwerpunkt am Institut für Baubetriebswesen der TU Dresden. Durch die Kenn- zeichnung aller Bauteile eines Bauwerkes und die damit verbundene dezentrale Datenhal- tung direkt am Bauteil werden die realen Objekte mit der digitalen Welt verknüpft. Dies er- möglicht die Automatisierung von Geschäftsprozessen im Bauablauf, eine medienbruchfreie Prozesssteuerung und die durchgängige Qualitätssicherung. Ein lückenloser Informations- fluss in allen Lebenszyklen eines Bauwerks steigert die Bau- und Nutzungsqualität und wirkt somit nachhaltig auf die Wertbeständigkeit.

Alexander Krohs aus Aachen stellte das Projekt „Neuartige Sanitärsysteme für Schwellen- und Entwicklungsländer - Alternative Technologien und wirtschaftliche Betrachtungen“ vor. Um wirksame und erfolgreiche Konzepte zu entwickeln bedarf es einer Gesamtstrategie, die neuartige und angepasste Technologien auf neue wirtschaftliche Ziele hin ausrichtet: die Finanzierbarkeit und Funktion der Betriebsabläufe. Um das zu erreichen, sind neuartige Technologien, die Senkung der Abwasserkosten und die Erschließung von Wertschöpfungs- ketten erforderlich. Zusätzlich sind Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen, die Planungsprozesse integrativ begleiten und bereits während der Konzeptentwicklung Aussagen über die Wirt-

Ibpm - Institutsbericht 2012 155 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

schaftlichkeit der Anlagen in der Betriebsphase machen, notwendig. Hauptziele sind dabei die Sicherstellung des wirtschaftlichen Erfolges, die Sicherstellung der Akzeptanz, die Ver- besserung der Hygiene und Umweltqualität und die Förderung der Regionalentwicklung.

Weiters referierten folgende Teilnehmer: Hans Christian Jünger (Stuttgart) „Gesamtprojekt- kosten öffentlich-privater Partnerschaften“, Marco Wach (Dresden) „GUTE Koordination nach Baustellenverordnung“, Dieter Schlagbauer (Graz) „Arbeitsbelastung und Arbeitsleistungs- kurven“, Andreas Ledl (Graz) „Der Bürgermeister, der Amtsleiter, der Schuldirektor und die Bedarfszuweisung“, Erik Boska (Darmstadt) „Sichtbeton“, Max Kersting (Zürich) „Schalungs- spezifisches, prozessorientiertes Weg-Zeit-Analyse Modell“ und Martin Federowski (Kassel) „Analyse projektbezogener Kooperationsmodelle für Bau- und Wohnungsunternehmen bei Baumaßnahmen im bewohnten Bestand“. Zu den Vorträgen wurde ein Tagungsband her- ausgegeben, in dem zusätzlich folgende Beiträge abgedruckt wurden: Daniel Burtscher (In- nsbruck) „Abhandlung des Maximalpreis bei Abänderungen während der Bauphase“, Lars Gonschorek (Braunschweig), „Mängel beim Nachweis der Wirtschaftlichkeit bei Öffentlichen Bauaufträgen“, Agnes Kelm / Laußat (Wuppertal) „Erweiterte digitale Zutritts- und PSA- Kontrolle (PSA=Persönliche Schutzausrüstung) auf Baustellen“ und Christian Flemming (Dresden) „Durchgängigkeit des Informationsflusses zwischen Auftraggeber und Auftrag- nehmer in einem 5D – Modell“.

Abgerundet wurde die Tagung durch ein Kulturprogramm mit Stadtführung und einem Be- such des Musikvereins, sowie durch zwei Baustellenexkursionen. Nach einem Einführungs- vortrag über das Projekt „Hauptbahnhof“ durch Hr Hartig, ÖBB und Hr Schwab, Stadt Wien wurden die Teilnehmer über das Baugelände - 109 ha werden verbaut – geführt.

Die ARGE Wien Mitte, vertreten durch Hr Hitschmann, brachte den Besuchern mit einem Vortrag und einer Führung den multifunktionalen Gebäudekomplex Wien Mitte näher, der durch seine Ausführung im Stadtgebiet unter sechsgleisigen Vollbetrieb (U-Bahn und S- Bahn) großes Feingefühl und Anstrengung verlangt.

156 Ibpm - Institutsbericht 2012 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

8.7 Vorbereitungskurs Befähigungsprüfung Baumeister, Modul 3 an der TU Wien

Die Bedeutung des Baumeisters ist in der österreichischen Bauwirtschaft unumstritten. Die umfangreiche Ausbildung setzt auf interdisziplinäres Wissen und legt den Grundstein für vernetztes Planen und Bauen. Nachdem zunächst zwei Assistenten des IBPM Insti- tuts die Prüfung absolvierten, legten Jörg Ehgartner, Ingo Heegemann, Andreas Jurecka, Christian Maier und Daniel Resch im Jahr 2008 gemeinsam die Befä- higungsprüfung erfolgreich ab. Um sich gezielt auf die Prüfung vorzubereiten, zogen sich die fünf Assistenten auch zu einem gemeinsamen Lernwochenende in die

Steiermark zurück. Neben dem Lernen stand auch Wanderung auf den Zirbitzkogel eine kleine Wanderung auf den Zirbitzkogel auf dem Programm (siehe Foto).

Im Laufe der gemeinsamen Vorbereitung entstand die Idee, einen Vorbereitungskurs für das Modul 3 der Befähigungsprüfung in Kooperation mit dem bif (BauIngenieur Fortbildung) der Fakultät für Bauingenieurwesen abzuhalten.

Die Erfahrung durch Vortragstätigkeit am Institut, der Absolvierung der Prüfung und die Er- stellung von kompakten und übersichtlichen Skripten mit ansprechendem Layout und didak- tischem Aufbau sowie der Kompetenz in Lehre und Forschung der TU Wien garantieren Qualität und Erfolg des Kurses. Im Jahr 2012 fand der Kurs unter großem Zuspruch bereits zum dritten Mal statt. Das Vortragsteam wird durch Arch. Christian Sonntag komplettiert, der die Teilnehmer für das Prüfungsgebiet Hochbau vorbereitet.

Der angebotene Vorbereitungskurs für das Modul 3, der Befähigungsprüfung Baumeister, bildet eine solide Basis zur berufsbegleitenden Prüfungsvorbereitung. Eine intensive Ausei- nandersetzung, u.a. mit den Bereichen Bauordnung, Baurecht, einschlägigen Normen, Ar- beitssicherheit, Bauwirtschaft und Baumanagement ist gewährleistet.

Als Zielgruppe hat sich der Kurs v.a. Akademiker (BauingenieurInnen, ArchitektInnen, Kultur- technikerInnen) mit dem Wunsch zur Weiterbildung gesetzt. Gerade diese Gruppe erscheint für einen berufsbegleitenden Kurs mit knapper Lernzeit, mit dem notwendigen Maß an Selbstorganisation und Disziplin ausgestattet. Die Teilnehmer der ersten Jahrgänge setzten

Ibpm - Institutsbericht 2012 157 Öffentlichkeitsarbeit 2010 – 2012

sich zu ungefähr gleichen Anteilen aus Berufseinsteigern und Absolventen mit mehrjähriger Berufserfahrung zusammen.

Der im Sommer/Herbst (Anfang/Mitte August bis Ende Oktober) stattfindende Vorbereitungs- kurs wird in geblockter Form abgehalten (Mittwoch Abend, Freitag Nachmittag und Samstag) und geht speziell auf die Bedürfnisse des berufsbegleitenden Lernens ein und ermöglicht damit eine zeitnahe Prüfungsvorbereitung. Die Kosten betragen € 2.190 bzw. € 1.990 für AbsolventInnen der TU Wien. Die mündliche Prüfung findet zwischen Anfang Oktober und Ende November bei der Wirtschaftskammer Wien statt.

Kontakt, Information und Anmeldung: x Email: [email protected] x Tel: +43/1/58801-20010 (Fr. Schneider-Lauscher) x Web: www.bauwesen.tuwien.ac.at/fortbildung

Von Prof. Jodl und Prof. Kropik empfohlen und unterstützt, absolvierten Markus Gmoser und Andreas Makovec im Jahr 2011 die Befähigungsprüfung Baumeister in Wien erfolgreich und erhielten im feierlichem Rahmen die Urkunden überreicht.

Markus Gmoser bei der Überreichung der Andreas Makovec bei der Überreichung der Urkunde Urkunde

158 Ibpm - Institutsbericht 2012 Seitenblicke

9 Seitenblicke

9.1 Hochzeiten

Sabine Wimmer (Univ.Ass von 2003 bis 2007) Eva Ehgartner-Ruprecht und Jörg Ehgartner und Alexander Wimmer ließen sich am 5. Juni (Univ.Ass von 2008 bis 2011) gaben sich am 10. 2010 trauen. Juli 2010 das Ja-Wort.

Magdalena Steinbauer (Univ.Ass von 2009 bis Katharina Gmoser und Markus Gmoser dato) und Wolfgang Steinbauer schlossen am 16. (Univ.Ass von 2010 bis dato) heirateten am 1. Juli 2011 den Bund der Ehe. September 2012.

Ibpm - Institutsbericht 2012 159 Seitenblicke

Wir wünschen den frisch Vermählten eine glückliche und fruchtbare Ehe und nur das Beste für den gemeinsamen Lebensweg!

9.2 Geburten

Folgender Familienzuwachs erblickte in den letzten drei Jahren das Licht der Welt:

Sabine Wimmer (Univ.Ass von 2003 bis 2007) ist Ingo Heegemann (Univ.Ass von 2005 bis 2009) die glückliche Mutter von Caroline geb. freut sich über die Geburt seines zweiten 28 Jänner 2011 Sohnes Ferdinand am 29. Juni 2011

Gernot Altinger (Univ.Ass von 2003 bis 2007) Christian Maier (Univ.Ass von 2006 bis 2010) präsentiert mit Stolz den Stammhalter Jakob geb. darf gleich zwei Töchter auf einmal vorstellen: am 17. Juni 2011 Amelie Therese geb. 12. Juni 2010 und Mirella Helene geb. 22. Jänner 2012

160 Ibpm - Institutsbericht 2012 Seitenblicke

Andreas Jurecka (Univ.Ass von 2005 bis 2010) als glücklicher Vater von Töchterchen Margit geb. 7. Juli 2012

Wir gratulieren den Eltern von ganzem Herzen zum prächtigen Nachwuchs und wünschen alles Gute für die Zukunft!

Ibpm - Institutsbericht 2012 161 Seitenblicke

9.3 Sportliches

9.3.1 Österreichische dm Frauenlauf

Um zu zeigen, dass nicht nur die Männer des Instituts zu sportlichen Leistungen befähigt sind, zeigten die Damen des Instituts Bein und lebten dabei ihre Sportbegeisterung so- wohl durch ihre Teilnahme beim Österreichi- schen dm Frauenlauf aus. 2010 und 2011 war das IBPM - Frauenteam am Start, 2012 war aufgrund des übergroßen Andrangs ein Start leider verwehrt geblieben. Gemeinsam mit mehr als 21.000 laufbegeisterten Frauen ...„geballte IBPM-Frauenpower“ nahmen am 30. Mai 2010 beim 23. Österrei- chischen dm Frauenlauf die „Powerfrauen“ des IBPM an dieser internationalen Laufveran- staltung im Wiener Prater teil. Beim 5 km Lauf unter den Teams Firmen belegten die Damen Waltraud Weigel, Gabriele Vrbatka, Iva Kovacic, Magdalena Steinbauer und Bettina Bogner den durchaus respektablen 79 Rang mit einer Zeit von 02:41:18,3. Erwähnungswert die tolle Einzelzeit von Sportskanone Bettina Bogner, die mit 4:22 min pro Kilometer als 45. in der Gesamtwertung durchs Ziel lief.

Am 22. Mai 2011, beim 24. Österreichischen dm Frauenlauf mit mehr als 25.000 Teilneh- merinnen konnte leider keine Teamwertung erfolgen. Dies konnte aber die Lauffreude der Damen Gabriele Vrbatka, Magdalena Steinbauer, Iva Kovacic und Bogner Bettina (nicht im Bild) keineswegs trüben.

Bettina Bogner konnte mit 4:21 min pro Ki- lometer ihre Zeit vom Vorjahr nochmals top- … „erschöpft aber glücklich“ pen lief damit als 47. in der Gesamtwertung über die Ziellinie, ein fabelhaftes Ergebnis im Hinblick auf die Teilnahme von mehr als 25.000 Läuferinnen.

162 Ibpm - Institutsbericht 2012 Seitenblicke

9.3.2 Staffel Marathon

Im Jahr 2010 und 2011 nahm das IPBM-Team wieder am Wien Marathon an der Staffel teil. 2010 erreichten Bettina Bogner, Ingo Heegemann, Andreas Jurecka und Jörg Ehgartner mit einer Nettozeit von 3:30:03 den 118 Platz im Mixed Bewerb.

Diese Leistung konnte im Jahr 2011 durch Jörg Ehgartner, Andreas Makovec, Markus Gmoser und Ingo Heegemann, trotz eines katastrophalen Missgeschickes von Herrn – nennen wir Ihn einfach Mr. X - (ohne Zeit- messgerät an der Übergabestelle) auf eine Nettozeit von 3:29:58 verbessert werden. Mit dieser Durchlaufzeit konnte der 308 Gesamt- rang erreicht werden.

Die Staffelmannschaft 2011 9.3.3 Business Run

Der Tradition verpflichtet, nahm das IBPM-Team auch 2010 und 2011 am Wien Energie Bu- siness Run teil. Dieser Event zählt mit rund 20.000 Läufern (Stand 2011) zu den größten Laufveranstaltungen in Wien.

Natürlich darf bei solchen Veranstaltungen das sportbegeisterte IBPM – Team nicht fehlen. Im Jahr 2010 traten zwei Teams des Institutes im Staffelbewerb an. Daniel Resch, Jörg Ehgartner und Markus Gmoser bildeten das Institutsteam 1, sowie Gabriele Vrbatka, Alexander Polansky und Alois Schrei (ausgeborgt) das Institutsteam 2. Es konnten durchaus ein respektables Ergeb- nis erzielt werden Die „Institutsvertreter“ beim Buisnessrun 2010

Ibpm - Institutsbericht 2012 163 Seitenblicke

2011 waren abermals zwei Institutsteams bei der Staffelwertung vertreten. Team 1 mit Daniel Resch, Markus Gmoser und Neuzu- gang Andreas Makovec und Team 2 in der gleichen Besetzung wie das Jahr zuvor.

Die „Institutsvertreter“ beim Buisnessrun 2011

Auch 2012 war das IBPM beim Wien Ener- gie Businessrun mit einem reinem Herren und Damen Team vertreten. Das Herren Team bestand aus Andreas Makovec, Thomas Hirm, Alexander Polansky. Das Damenteam in der Traumbesetzung Bettina Bogner, Iva Kovacic und Magdalena Stein- bauer.

Die „Institutsvertreter“ beim Buisnessrun 2012

9.3.4 Vienna Night Row 2012

Sieger in einer unvergesslichen Nacht

Am 30. Juni 2012 wurde das Team des ibpm wie so oft an seiner Kompetenz gemessen. Nur beim Firmenevent der vom Ersten Wiener Ruderclub LIA veranstalteten Regatta VIEN- NA NIGHTROW 2012 waren die Schwerpunkte ein wenig anders gelagert:

Gleichmäßigkeit, Geduld, Ausdauer, ein wenig Sitzfleisch, besondere „Durchschlags“kraft und natürlich höchste Konzentration von Geist und Körper wurden den vier AssistentInnen und ihrem Institutsvorstand abverlangt.

164 Ibpm - Institutsbericht 2012 Seitenblicke

Wir, Prof. Hans Georg Jodl als stimmgewaltig motivierender Steuermann sowie Magdalena Steinbauer, Arthur Schönwälder, Andreas Ma- kovec und Thomas Hirm an den Skulls, konn- ten bereits unseren Vorlauf sehr knapp für uns entscheiden, um dann im A-Finale vor 800 Zusehern und gegenüber 13 Konkurrenzboo- ten souverän als Sieger hervorzugehen. Die After-Party gab uns die Gelegenheit, den Sie- gerpokal gebührend zu feiern.

Das Siegerteam

9.4 Nachruf Charlotte Jurecka

Am 14. Dezember 2011 verstarb nach einem erfüllten Leben im 93. Lebensjahr Frau Charlot- te Jurecka, geb. Loimann. Frau Jurecka war die Gattin des 1994 verstorbenen Institutsgrün- ders, Herrn O.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Walter Jurecka. Frau Jurecka war für ihren Gat- ten während seines Schaffens an der TU-Wien und am Institut stets eine große Stütze und blieb auch nach seinem Ableben dem Institut freundschaftlich verbunden. Wir werden ihr Andenken bewahren.

Ibpm - Institutsbericht 2012 165

TEIL 2

FACHBEITRÄGE VON INSTITUTSMITGLIEDERN

Bewältigung von Komplexität und Ungewissheit im Projektgeschäft – Herausforderungen für internationale Baukonzerne im 21. Jahrhundert

Bewältigung von Komplexität und Ungewissheit im Pro- jektgeschäft – Herausforderungen für internationale Bau- konzerne im 21. Jahrhundert

Peter Fischer (Univ.Ass. 1984 bis 1991) Frank Lulei

1 Vorbemerkungen

Zunehmende Komplexität und Ungewissheit im Projektgeschäft bei gleichzeitiger Beschleu- nigung aller Geschäftsabläufe und steigendem Kostendruck zählen heute zu den größten Herausforderungen für Baukonzerne. Im Folgenden wird untersucht, welche Mechanismen der Komplexität und Ungewissheit das Projektgeschäft bestimmen und welche Möglichkeiten zu ihrer Bewältigung denkbar sind. In diesem Zusammenhang zentral ist die Unterscheidung von Fehlern und Risiken, für deren Verständnis eine praktikable Definition herausgearbeitet wird.

Dabei wurde besonders darauf geachtet, dass die eingeführten Begriffe und ihre Zusam- menhänge sprachlich zwar exakt, dabei aber trotzdem möglichst klar und anwendbar blei- ben. Ganz im Verständnis des Philosophen Sir Karl Popper, der stets fordert, „dass ein Stre- ben nach größerer Exaktheit – besonders nach sprachlicher Exaktheit – um ihrer selbst wil- len niemals wünschenswert ist, denn die Folge ist gewöhnlich ein Verlust an Klarheit. […] Man soll nie versuchen, exakter zu sein, als es die Problemsituation erfordert“ [1].

2 Komplexität und Ungewissheit

Komplexität ist einer der Begriffe, die täglich am häufigsten verwendet werden, wenn es um die Charakterisierung der gegenwärtigen und zukünftigen Situation geht. Für die IBM „Global CEO Study“ von 2009 wurden mehr als 1500 Chief Executive Officers von Unternehmen weltweit interviewt. Resultat war, dass die Komplexität im Geschäftsumfeld weiter zunehmen wird und dass mehr als die Hälfte der CEOs Zweifel hat, ob sie diese Komplexität beherr- schen können [2].

Was genau ist Komplexität? Bereits die Begriffsabgrenzung erweist sich als schwierig: schließlich soll eine Definition einfach, knapp und präzise sein, also genau das Gegenteil dessen, was Komplexität gerade ausmacht. Vermutlich wird eine einfache Definition daher

Festschrift 40 Jahre Ibpm 167 Bewältigung von Komplexität und Ungewissheit im Projektgeschäft – Herausforderungen für internationale Baukonzerne im 21. Jahrhundert

nie gefunden werden. In Anlehnung an den Linguisten H. Härtl lassen sich komplexe Syste- me jedoch durch folgende wesentliche Eigenschaft charakterisieren [3]:

„Komplexität bezeichnet die Eigenschaft eines Systems, dass man dessen Gesamtverhalten selbst dann nicht genau vorhersagen kann, wenn man vollständige Informationen über seine Einzelkomponenten und ihre Wechselwirkungen besitzt.“

Dieser Problematik steht man auch in den Naturwissenschaften gegenüber. Etwa wenn man aus dem Verhalten der Gase Wasserstoff und Sauerstoff die physikalisch-chemischen Ei- genschaften von Wasser oder gar die exakte Form einer Schneeflocke vorhersagen soll. Erst komplexe Systeme zeigen dieses Phänomen der Emergenz: das spontane Herausbilden von neuen Systemeigenschaften oder Strukturen infolge des Zusammenspiels der einzelnen Elemente. Dabei lassen sich die emergenten Phänomene des Systems nicht allein auf Ei- genschaften der Elemente zurückführen, die diese isoliert aufweisen: das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Systemeingriffe bedeuten im Umkehrschluss daher immer eine Än- derung aller Beziehungen der Komponenten zueinander.

Bei komplexen Systemen spielen zudem meist ihre Geschichte und Veränderung in der Zeit eine wesentliche Rolle für das aktuell beobachtete Verhalten. Ursache und Wirkungen liegen zeitlich und räumlich unter Umständen weit auseinander und können daher nicht notwendi- gerweise durch Beobachtung in Beziehung zueinander gesetzt werden. Auch zeigt sich oft nichtlineares Verhalten. Kleine Ursachen können große Wirkungen haben und umgekehrt: großangelegte Eingriffe erzielen manchmal nur mäßigen Erfolg. Auch muss man aufgrund der dynamischen Interaktion stets mit Verzögerungseffekten, Aufschaukelungen und unvor- hergesehenen Nebenwirkungen geplanter und erwarteter Abläufe rechnen.

Zur Illustration eines komplexen Systems wird oft das Schachspiel herangezogen. Obwohl hier die Regeln eindeutig, unveränderlich und vergleichsweise einfach sind und auch über die aktuelle Situation sowie auch die Vergangenheit des laufenden Spiels vollständige Infor- mation vorliegt, kann im ersten Spieldrittel niemand voraussagen, wo sich das Spiel zehn Züge weiter befindet. Selbst dann nicht, wenn man maximal rationales Verhalten unterstellt, etwa wenn zwei Schachcomputer gegeneinander spielen. Kleinste Veränderungen, vielleicht eine durch Zufall ausgewählte Variante zweier, momentan als gleichgut eingestufter Spielzü- ge verändern die Verzweigungen des weiteren Spielverlaufs maßgeblich.

Die wirkliche Situation unternehmerischen Handelns im Wettbewerbsumfeld ist allerdings noch weitaus schwieriger, da man nie vollständige Information darüber hat, welche Aspekte

168 Festschrift 40 Jahre Ibpm Bewältigung von Komplexität und Ungewissheit im Projektgeschäft – Herausforderungen für internationale Baukonzerne im 21. Jahrhundert

für die gegebene Entscheidungssituation überhaupt relevant sind und welche Regeln ihr Zu- sammenwirken momentan genau bestimmen. So ist im Geschäftsumfeld nur eine verhält- nismäßig kleine Anzahl von „Regeln“ bekannt, zB rechtliche Rahmenbedingungen oder ver- einfachte betriebswirtschaftliche Lehrbuchmodelle. Der Großteil der Regeln jedoch basiert weitgehend auf Vermutungen und kann sich außerdem im Verlauf der Interaktion der betei- ligten Parteien verändern. Auch ist nicht gewährleistet, dass sich die beteiligten Parteien an Regeln halten, noch nicht einmal an vorher gemeinsam vereinbarte, etwa durch Verträge. Hinzu kommen unvorhersehbare externe Einflüsse, welche unbeeinflussbar sind und in der Wahrnehmung schlicht Zufallscharakter besitzen. Dieser gesamte Mangel an Information wird unter der Bezeichnung Ungewissheit zusammengefasst. Wäre die reale Geschäftssitua- tion dem Schachspiel vergleichbar, wäre sie bereits als hochgradig komplex einzustufen. Als Schwierigkeit hinzu jedoch kommt noch der prinzipielle Mangel an verfügbarer Information, weshalb Entscheidungen stets unter fundamentaler Ungewissheit getroffen werden müssen.

Komplexität und Ungewissheit steigen in drei wesentlichen Dimensionen explosionsartig an: mit dem Zeithorizont, mit der Menge zu berücksichtigender Komponenten im Umfeld und mit der Anzahl beteiligter Menschen. Diese drei Dimensionen oder Ausprägungen sind nicht unabhängig voneinander, sondern vielfach ineinander verwoben und ergeben gemeinsam die zeitlichen, technisch-ökonomischen und sozialen Problemstellungen des Projektge- schäfts.

3 Ausprägungen von Komplexität und Ungewissheit

3.1 Zeithorizont

Von jeher ist man bestrebt, Zukunftsentwicklungen auf Basis von Vergangenheitsdaten und erkannten Erfahrungsmustern zu prognostizieren und darauf aufbauend Handlungsmöglich- keiten zu planen. Die Zukunft als zeitliche Dimension von Komplexität und Ungewissheit je- doch ist prinzipiell unbekannt und unvorhersehbar. Die Unmöglichkeit, aus der Vergangen- heit verlässliche Schlüsse über die Zukunft zu ziehen, wird nach dem Philosoph David Hume als Induktionsproblem bezeichnet, welches er in seinem Werk „A Treatise of Human Nature“ um 1740 herum vorgestellt hat.

Illustriert wird diese grundlegende Problematik an einer auf den Philosoph Bertrand Russell zurückgehenden Geschichte: ein Truthahn, der über lange Zeit täglich von freundlichen Menschen gefüttert und umsorgt wird, kann allein auf dieser Informationsbasis nicht vorher-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 169 Bewältigung von Komplexität und Ungewissheit im Projektgeschäft – Herausforderungen für internationale Baukonzerne im 21. Jahrhundert

sehen, dass ihm kurz vor dem Erntedankfest eine einschneidende Überraschung bevor- steht… [4]

Erfahrungen der Vergangenheit sind daher stets nur eingeschränkt auf zukünftige Situatio- nen extrapolierbar. Prognosen als Entscheidungsbasis sind sicher nützlich, wenn man sich ihrer begrenzten Reichweite und Aussagekraft bewusst ist. Augenscheinlich über längere Zeit stabile Trends können tatsächlich kurzfristige Extrapolationen ermöglichen, sonst wäre ja überhaupt nichts planbar. Diese stabilen Phasen werden jedoch unterbrochen von uner- warteten Ereignissen bis hin zu teilweise fundamentalen Umwälzungen. Diese Überraschun- gen sind nicht etwa die Ausnahme von der Regel der Stabilität, sie müssen im zeitlichen Zu- sammenwirken komplexer Systemkomponenten, also auch im Projektgeschäft, erwartet und in die Planungsüberlegungen mit einbezogen werden. Je weiter der betrachtete Zeithorizont in die Zukunft reicht, desto höher sind Komplexität und Ungewissheit zum gegenwärtigen Planungszeitpunkt und mit umso mehr späteren Abweichungen von der aktuellen Erwartung ist zu rechnen.

3.2 Umfeld

Die Gesamtheit aller relevanten zusammenwirkenden Komponenten eines Projekts bezeich- net das Projekt-Umfeld. Die Festlegung, welche Komponenten in Planung und Ausführung Berücksichtigung finden sollen (also zum unmittelbaren Umfeld gehören) und welche nicht, definiert entsprechend die Systemgrenzen zum Rest der Welt. Umfeld und Systemgrenzen kann man sich zB nach Steuerungseinfluss geordnet zwiebelartig aufgebaut denken. Ganz innen sind diejenigen Prozesse und Beteiligten, auf die man den größten Steuerungseinfluss hat, etwa Mitarbeiter des eigenen Unternehmens, verwendete Technik und den Ort der Bau- stelle selbst. Darum herum liegt der Bereich, mit dem man im direkten Austausch steht, aber bereits weniger Einfluss hat wie zB Bauherr, Arge-Partner, Lieferanten und Nachunter- nehmer, aber auch die großräumige geographische und logistische Situation. Noch weiter außen liegen Bereiche, die das Projekt zwar mitbestimmen, die man jedoch nur minimal bis gar nicht beeinflussen kann: Staat, Gesetzgebung, Medien, volkswirtschaftliche Entwicklun- gen und Konjunktur, globale Rohstoffketten, etc.

Über dieses geographische, technisch-ökonomische, rechtlich-politische und sozial-kulturelle Umfeld eines Projekts liegen stets nur Teilinformationen vor. Komplexität und Ungewissheit steigen mit der Wahl der Systemgrenzen explosionsartig an, dh mit der Anzahl zu berück-

170 Festschrift 40 Jahre Ibpm Bewältigung von Komplexität und Ungewissheit im Projektgeschäft – Herausforderungen für internationale Baukonzerne im 21. Jahrhundert

sichtigender Komponenten und besonders mit dem Grad derer wechselseitigen Vernetzun- gen und Abhängigkeiten.

3.3 Beteiligte

Weiters sind es die an einem Projekt beteiligten Menschen selbst, die durch ihre mehr oder weniger freien Entscheidungen, ihre Interaktionen und ihre Kreativität die Zukunft maßgeb- lich gestalten. Das Verhalten von Menschen in ihren sozialen und informellen Netzwerken wird sowohl durch ihr Wissen, ihre Fähigkeit, Beziehungen zu unterhalten als auch ihre Er- wartungen an das Umfeld und an die Zukunft bestimmt [5]. Zu diesem Zweck bilden Men- schen sogenannte mentale Modelle aus. Diese sind tief verwurzelte Annahmen und Verall- gemeinerungen, die großen Einfluss darauf haben, wie Menschen die Welt als Grundlage ihrer Entscheidungen und Handlungen wahrnehmen [6].

Jede Beobachtung von Menschen in ihren sozialen Netzwerken ist daher von Ungewissheit und Überraschungen geprägt, die alleine aus der Komplexität der Interpretationsvorgänge der handelnden Personen resultieren [5]. Jeder kennt zB die oft vorgebrachte „Chemie“ zwi- schen einzelnen Projektbeteiligten, welche manchmal von Anfang an „nicht stimmt“ oder sich in unvorhersehbarer Weise im Zeitverlauf verschlechtern kann, manchmal aufgrund

– aus der Distanz betrachtet – bloßer Nichtigkeiten.

Mit steigender Anzahl von Beteiligten erhöhen sich die Komplexität und das Potenzial der Ungewissheiten drastisch. Das Verhalten und die Interaktion der am Projekt Beteiligten las- sen sich entsprechend zunehmend ungenauer einschätzen und schwieriger steuern. Auch zusätzlicher Führungs- und Koordinationsaufwand kann dies nur teilweise kompensieren.

4 Lebensfähigkeit in komplexen veränderlichen Umfeldern

Entscheidend ist nun die Frage: wie ist es möglich, dass man unter der Voraussetzung hoher Komplexität und Ungewissheit überhaupt Projekte erfolgreich abwickeln kann?

Die Wissenschaft der Steuerung und Regelung komplexer Systeme ist die Kybernetik. Einer ihrer berühmten Pioniere war William Ross Ashby, der im Rahmen seiner Forschungen sein bekanntes Law of Requisite Variety formuliert und mathematisch bewiesen hat [7]. Dessen exakte Fassung lautet: je größer die Varietät (etwa: „Handlungsvielfalt“) eines Systems (zB eines Unternehmens) ist, desto mehr kann dieses die Varietät seines Umfelds durch Steue-

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rung vermindern, um gewünschte Resultate zu erzielen. Ashby’s Gesetz präzisiert die All- tagserfahrung, dass zur gezielten Beeinflussung komplexer Umfelder ein möglichst hohes Maß an Komplexität seitens des Beeinflussers notwendig ist. Mit nur einem Finger kann man eben keine Beethoven Klaviersonate spielen. Es gilt daher, im Unternehmen durch die Aus- wahl, Förderung und Organisation von Mitarbeitern einerseits und geeigneten Prozessen andererseits eine ausreichend hohe interne Komplexität zur Problemlösung aufzubauen, um der Komplexität des Projektgeschäfts zu begegnen. Eine Vielzahl von Menschen kann dabei durch entsprechende Vernetzung eine um Größenordnungen höhere Steuerungskomplexität generieren als Einzelpersonen. Dies ist ein Grund, warum Unternehmen überhaupt erst ent- stehen. Wettbewerb von Unternehmen bedeutet genauer Wettbewerb von Systemen, beste- hend aus zum Zweck der Produktivität organisierten und vernetzten Menschen.

Die wahrscheinlich wirksamste Strategie überhaupt, in komplexen veränderlichen Umfeldern mit hoher Ungewissheit nachhaltig erfolgreich zu operieren, wird von der Natur eindrucksvoll demonstriert: die Evolution. Diese ist als universelles Prinzip zu verstehen, welches nicht nur in der Biologie wirksam ist. Zahlreiche Experimente und Simulationen aus den verschiedens- ten Anwendungsgebieten der Mathematik, Natur- und Wirtschaftswissenschaften können dies bestätigen. Charles Darwin selbst wurde, wie er in seiner Autobiographie schreibt, für seine Evolutionstheorie von Ideen des Ökonomen T. R. Malthus inspiriert, welcher die Wirt- schaft als Überlebenskampf und Wettrennen des Menschen zwischen Bevölkerungswachs- tum und Produktionssteigerung charakterisierte [8].

Entsprechend ist seit ca 1980 die sog. Evolutionsökonomik ein rapide wachsendes For- schungsgebiet der Wirtschaftswissenschaften. Die Evolutionsökonomik geht von Ungewiss- heit als wirtschaftliches Grundproblem aus und versucht, die Anpassung der Wirtschaft an sich stets wandelnde Bedingungen eines komplexen Umfelds zu erklären [5]. Dabei werden Schwächen der traditionellen Wirtschaftslehre überwunden, welche stark idealisierte aber realitätsfremde Annahmen trifft wie etwa den maximal rational handelnden Homo Oekonomi- cus, der vollständige Information über ein Marktumfeld besitzt, in welchem sich Gleichge- wichte ohne Zeitverzögerung einstellen. Hingegen ermöglicht und erklärt erst das Evoluti- onsprinzip die dynamische Stabilität und Lebensfähigkeit von Unternehmen in einem in der Wirklichkeit komplexen, sich permanent wandelnden und ungewissen Wettbewerbs-Umfeld durch gerichtete Anpassung. Evolution wird dann wirksam, wenn drei Mechanismen perma- nent zyklisch durchlaufen werden [5], [8]:

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4.1 Variation

Wirtschaftliche Aktivität, auch jedes Projekt, ist in Planung wie auch Umsetzung durch im- mer neue Konstellationen von Anforderungen im zeitlichen Wechselwirken zwischen Beteilig- ten und Umfeld gekennzeichnet. Die zeitliche, technisch-ökonomische und soziale Komplexi- tät wirtschaftlicher Unternehmung generiert daher eine enorme Vielfalt an Problemstellungen in immer neuen Kombinationen, die permanent neue Lösungsansätze erfordern. Durch Aus- tausch von Information, Kommunikation und auch durch Fluktuation von Mitarbeitern, sowohl unternehmensintern als auch zwischen Unternehmen, wird über die Zeit eine Vielfalt kreati- ver Ideen zur Komplexitätsbewältigung erzeugt. Im Gegensatz zur Biologie brauchen Lö- sungsansätze nicht nur zufällig durch „Mutation“ zustande kommen, sondern können durch bewusste Anstrengung gezielt und strukturiert angegangen werden.

4.2 Selektion

Im Zeitverlauf zeigen sich Muster von erfolgreichen und auch von weniger erfolgverspre- chenden Lösungsansätzen. Entscheidend hierbei ist, dass beide zum Erfahrungsschatz der direkt Beteiligten beitragen. Durch Kommunikation und Nachahmung anderer setzen sich die erfolgreichen Prozesse zunehmend durch, erfolglose werden verworfen: Selektion findet statt. Hierbei bringt die Mischung von laufender Verbesserung bekannter Lösungen einer- seits und gelegentlichem Testen ganz neuer Lösungsansätze andererseits die insgesamt besten Anpassungsleistungen an ein sich ständig wandelndes Umfeld hervor. Dies lässt sich sowohl in der Natur und Geschichte beobachten, als auch mit mathematischen Simulations- modellen bestätigen [8].

4.3 Bewahrung

Manche der Erkenntnisse und Prozesse werden mehrheitlich gar als so erfolgreich einge- stuft, dass sie schließlich zu Standards des eigenen Unternehmens und längerfristig der ge- samten Branche werden. Diese Standards werden teilweise schriftlich dokumentiert (zB Ge- setze, Normen, Firmenrichtlinien, Fachliteratur), zwischen den Beteiligten als Erfahrungswis- sen weitergegeben oder werden als Verhaltensregeln Teil der Unternehmenskultur.

Das Ziel für ein Unternehmen – insbesondere im Kontext des Projektgeschäfts – muss es daher sein, eine Umgebung zu schaffen sowie entsprechende Strukturen und Prozesse zu

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etablieren, damit Variation, Selektion und Bewahrung (eben Evolution) bestmöglich und zeit- nah wirksam werden können.

5 Fehler und Risiken

In jedem von Wettbewerbern umkämpften Marktumfeld wird sich nach einiger Zeit im Zwi- schenfeld von minimal möglichen Herstellkosten und marktgesetzten Preisen durch Angebot und Nachfrage ein mittleres Projektergebnis einstellen. Aufgrund der genannten zahlreichen Ungewissheiten bildet sich um diesen mittleren Wert herum eine Häufigkeits-verteilung der Projektergebnisse heraus. Die meisten Projekte haben Ergebnisse, welche eng um diesen mittleren Wert streuen. Aber es gibt immer auch Projekte mit unerwartet positiven, wie auch andere mit entsprechend stark negativen Ergebnissen.

Jedoch nicht immer, wenn man mit solchen Misserfolgen konfrontiert ist, sind automatisch Fehler passiert. Als Konsequenz von Komplexität und Ungewissheit ist im Projektgeschäft immer zu erwarten, dass auch Risiken schlagend werden. Dies ist das fundamentale Dilem- ma unternehmerischen Handelns: bei vollständiger Ungewissheit kann man überhaupt kein Projekt planen und umsetzen, bei vollständiger Information ohne jede Komplexität hingegen wären die Projekte so einfach bewältigbar, dass aufgrund des sich einstellenden Wettbe- werbs auch nichts verdient werden könnte. Risiken und Gewinn gehen immer Hand in Hand; ein Zusammenhang, den bereits der Wirtschaftswissenschaftler F. Knight in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eingehend untersucht hat [9].

Wie bereits ausführlich erläutert, sind Komplexität und zusätzlich Ungewissheit die beiden Hauptfaktoren, welche die Planbarkeit und Steuerbarkeit eines Projekts bestimmen. Sowohl Komplexität als auch Ungewissheit steigen mit dem betrachteten Zeithorizont, dem Umfeld als Menge zu berücksichtigender Komponenten und der Anzahl der am Projekt beteiligten Menschen überproportional stark an.

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Im Bereich geringer Komplexität und Ungewissheit (also hoher Vorhersagbarkeit) können noch Standards etabliert werden. Es schließt sich ein abschätzbarer Bereich an, in welchem auf Erfahrungsbasis in gewissem Umfang Aussagen über das Eintreten und die Auswirkun- gen von Ereignissen möglich sind. Übrig bleibt der unbekannte Bereich höchster Komplexität und Ungewissheit: auf Grundlage bisheriger Erfahrung und im Rahmen gegebener Ressour- cen können darüber prinzipiell keine Aussagen getroffen werden. Die Bereiche gehen flie- ßend ineinander über (Wellenlinien als symbolische Grenzen). Das Diagramm versinnbild- licht auch die Erfahrung, dass die drei Bereiche von den Standards über das Abschätzbare bis hin zum Unbekannten immer umfangreicher werden. Um der Komplexität und Ungewiss- heit im Projektgeschäft zu begegnen, wird man sich – wann immer möglich – an bewährte Standards halten, darüber hinaus ist man stets gezwungen, Risiken einzugehen.

Die Norm ISO 31000 „Risikomanagement“ führt Risiko im Gegensatz zur Alltagssprache als neutralen Oberbegriff ein. Risiko bezeichnet die Gesamtheit der Auswirkungen von Unge- wissheit auf erwartete Ziele. Mögliche positive Zielabweichungen werden üblicherweise als Chancen, negative als Wagnisse oder Gefahren bezeichnet. Darauf aufbauend schlagen wir folgende Begriffsabgrenzungen zwischen Fehlern und Risiken vor:

5.1 Fehler

Abweichung von etablierten, gegenwärtig als bewährt eingestuften Standards.

Der Bereich der Standards basiert auf denjenigen – positiven wie negativen – Erfahrungen, die die Baubranche und das eigene Unternehmen bereits gesammelt haben. Bewahrt und dokumentiert sind diese Erfahrungen zB in Gesetzes-, Normen- und Regelwerken, auch in Firmenrichtlinien. Ferner gehören dazu bewährte Prozesse zB des Qualitätsmanagements

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und Controllings und auch die Kultur, welche den Rahmen für das Verhalten der Beteiligten setzt. All diese Standards dienen dazu, Ungewissheit und Komplexität zu reduzieren und somit Zukunft, Umfeld und Beteiligte in ihrem Zusammenwirken berechenbarer und steuer- barer zu machen.

Nur aufgrund der Tatsache, dass es bereits Standards, also richtige Verhaltensweisen gibt, kann man bei Abweichungen davon überhaupt von Fehlern sprechen. Diese sind in ihren Auswirkungen definitionsgemäß negativ und müssen vermieden oder – im Rahmen mensch- licher Fehlbarkeit – zumindest reduziert werden. Eine Null-Fehler-Strategie ist im komplexen Projektgeschäft nicht möglich.

Andererseits ist der Neigung zu Überregulierung entgegenzuwirken, dh auf Basis einzelner Erfahrungen aus Risiken und Fehlern allzu rasch neue, allgemein verbindliche Standards einzuführen. Die mit neuen Regelungen verbundenen Transaktionskosten (zB für deren Do- kumentation, Kommunikation und Kontrolle) drohen sonst leicht den erwarteten Nutzen zu übersteigen. Außerdem ist beim Etablieren neuer Standards stets mit einer ganzheitlichen Sicht zu hinterfragen, ob diese neuen Regelungen nicht an anderen Stellen des Unterneh- mens oder der täglichen Projektpraxis notwendigen Handlungsspielraum beeinträchtigen. Ähnlich Verkehrsschildern, die an gefährlichen Stellen die Unfallzahlen durch zB Vorfahrts- regeln senken, zeichnen sich gute Standards dadurch aus, dass bei deren flächenhafter An- wendung im Aufwand-Nutzen-Verhältnis eine optimale Reduktion der zugehörigen Fehlerfol- gekosten erreicht wird.

In diesem Zusammenhang ist von Zeit zu Zeit auch eine Inventur anzuraten um zu prüfen, ob vorhandene Standards der aktuellen Zielstellung noch entsprechen und ob sie in ihrer Gesamtheit konsistent sind, also widerspruchsfrei zusammenwirken. Schließlich werden Standards oft aufgrund verschiedener, räumlich und zeitlich voneinander getrennter Erfah- rungen mit jeweils unterschiedlichen Zielstellungen etabliert. Schon aus Gründen der Hand- habbarkeit ist daher turnusmäßig eine Anpassung an neue Gegebenheiten, verbunden mit einer Schärfung und Verschlankung aller geltenden Standards notwendig. Auch Standards unterliegen mithin einer notwendigen Evolution.

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5.2 Bewusstes Risiko („Risiko 1“)

Bewusst eingegangenes Risiko des Eintretens von Ereignissen (positiv oder negativ), welche basierend auf vergangener Erfahrung in ihrer Möglichkeit und Wirkungsbandbreite einge- schätzt werden können.

Aufgrund der Komplexität und Ungewissheit werden für jedes Projekt von Anfang an unzäh- lige Annahmen notwendig, um Informationslücken zu schließen. Dies bezeichnet den ab- schätzbaren Bereich. Die Annahmen beinhalten Erwartungen sowohl hinsichtlich der Mög- lichkeit des Eintretens von Ereignissen als auch des Ausmaßes ihrer Wirkungen. Explizit oder implizit verbunden ist stets auch die Vorstellung einer Bandbreite der Abweichung von dieser Erwartung, sowohl in negativer als auch in positiver Richtung. Beispielsweise geht man mit jedem Kalkulationsansatz bereits ein bewusstes Risiko ein. Die Festlegung von Mengen und Kosten basiert auf der Information zum Umfeld des Projekts und den zur Verfü- gung stehenden Ressourcen sowie auf Basis vergangener Erfahrung. Man kann jedoch nie genau wissen sondern stets nur vermuten, dass das aktuell zu realisierende Projekt den bis- herigen in punkto Zusammenspiel zwischen Beteiligten und Umfeld vergleichbar ist. ZB sind Bauzeitenplanung und Kostenkalkulation, da die Zukunft betreffend, in jedem Detail und be- sonders im Zusammenwirken der Komponenten immer mit Risiken behaftet. Auch in der Umsetzung kann man bei jeder Entscheidung und jeder Aktion nur annehmen, dass sie das gewünschte Ergebnis hervorbringen wird. Vor Überraschungen ist man nie sicher, so sehr die aktuelle Problemstellung auch immer vergangenen Situationen zu ähneln scheint (vgl oben: Induktionsproblem nach Hume).

Schlagend werdende Risiken werden allerdings meist nur dann als schmerzlich wahrge- nommen, wenn die zugehörigen Konsequenzen das Projektergebnis verschlechtern. Unvor- hergesehene positive Abweichungen von der Erwartung sind zwar in gleicher Weise zufalls- basiert, trotzdem schreiben Projektverantwortliche diese gerne dem eigenen Einfluss zu. Dieser menschliche Effekt wird in der Sozialpsychologie als kognitive Verzerrung bezeichnet. Wagnisse und Chancen als die zwei Seiten von Risiko sind in gesättigten Märkten jedoch auf längere Sicht weitgehend symmetrisch. Diese wichtige Erkenntnis muss in der Analyse von Projekten sowie der Fremd- und Eigeneinschätzung der daran Beteiligten stets berücksich- tigt werden.

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5.3 Unbekanntes Risiko („Risiko 2“)

Risiko des Eintretens von Ereignissen (positiv oder negativ), mit denen vernünftigerweise niemand vorher rechnen musste.

Risiken, welche im unbekannten Bereich ihre Ursache haben, lassen sich (mit Überschnei- dungen) in zwei Ausprägungen einteilen. Erstens treten immer wieder exogene singuläre Ereignisse – Überraschungen – ein, welche außerhalb des möglichen Einflussbereichs (zB Höhere Gewalt) oder auch des bisherigen Erfahrungsbereichs liegen. Zweitens gibt es im komplexen Wechselwirken der zahllosen Projektkomponenten stets neue, einzigartige Kons- tellationen von Problemstellungen, Umfeld und Beteiligten. Jedes der Einzelprobleme für sich wäre vielleicht handhabbar. Erst ihr Zusammenwirken führt zur Emergenz von unerwar- tet kritischen Situationen. Dazu gehören manchmal auch jene Fälle, die sich scheinbar ganz plausibel erklären lassen, allerdings nur im Nachhinein – ein weiteres Beispiel für eine be- stimmte kognitive Verzerrung die als „Hindsight Bias“ bekannt ist.

Ereignisse aus unbekanntem Risiko sind prinzipiell unvorhersehbar und damit unvermeidbar. In der Wahrnehmung haben solche Ereignisse meist den Charakter reiner Zufälligkeit. Ein gewisser Prozentsatz von Verlusten aus diesem unbekanntem Risiko muss im komplexen Projektgeschäft daher immer erwartet und in die Planungsüberlegungen mit einkalkuliert werden.

Die bisherigen Überlegungen eignen sich weiters zur Beschreibbarkeit einer zukünftig zu erbringenden Bauleistung aus vergaberechtlicher Sicht und werden in folgender Graphik zusammengefasst:

Je nachdem, welchem der drei Bereiche eine Bauleistung primär zuzuordnen ist, sind unter- schiedliche Vergabeverfahren sinnvoll. Im ersten Bereich möglicher Standards wird die Leis- tung in der Regel eindeutig beschreibbar sein und ist daher für ein Vergabeverfahren nach dem Billigstbieterprinzip prädestiniert. Im zweiten Bereich wird das Umsetzen des vergabe- rechtlich Geforderten („wenn sich eine Leistung nach Art und Güte genau, nach Umfang zu-

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mindest annähernd bestimmen lässt“ [BVergG 2006, §24]) nur mehr teilweise möglich. Es empfiehlt sich daher, neben dem Preis noch weitere, vor allem technische Kriterien heranzu- ziehen und nach dem Bestbieterprinzip zu vergeben. Dies kann aber weiterhin zum in Öster- reich beliebten Einheitspreismodell erfolgen. Im dritten, unbekannten Bereich hoher Komple- xität und Ungewissheit handelt es sich um Bauleistungen, „die ihrer Natur nach oder wegen der mit der Leistungserbringung verbundenen Risiken eine vorherige globale Preisgestaltung nicht zulassen“ [BVergG 2006, §28] und daher nach dem Verhandlungsverfahren zu verge- ben sind.

Fehler, bewusste Risiken und unbekannte Risiken sind ein Modell zur Klassifizierung von einzelnen, isolierten Ereignissen hinsichtlich des Ausmaßes ihrer Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit. Alle drei treten jedoch fast immer in Verflechtung auf und lassen sich meist nicht scharf trennen. Jede Art der Klassifizierung von komplexen Systemen muss eine Restunschärfe enthalten. Das Wesen von Komplexität ist gerade, dass es auf kein einfache- res Modell oder Kategoriensystem eindeutig reduzierbar ist. Wird zB ein bewusst eingegan- genes Risiko 1 schlagend, allerdings mit einer beträchtlich höheren Auswirkung als ange- nommen, würde man dies zutreffender als Risiko 2 werten. Auch zwischen Risiken und Feh- lern gibt es Überschneidungen: übersehene Risiken 1, die jedoch im Rahmen bisheriger Er- fahrungen hätten entdeckt und berücksichtigt werden können, sind als Fehler einzustufen. Wenn darüber hinaus das bewusst eingegangene Risiko 1 Grenzen weit überschreitet, wel- che durch bisherige Standards und Erfahrungen gesteckt sind, muss man diese Risikoent- scheidung ebenfalls als Fehler werten. Freilich wird in der Praxis das Eingehen übergroßer Risiken meist nur dann kritisiert, wenn sich daraus Misserfolge ergeben. Hingegen werden im Erfolgsfall – obwohl in gleichem Maß zufallsbasiert – dem betreffenden Entscheidungs- träger oft gar noch besondere Weitsicht und Tatkraft attestiert. Kognitive Verzerrung beim Wahrnehmen und Urteilen scheint nur schwer vermeidbar.

6 Bewältigung von Komplexität und Ungewissheit

Unter Berücksichtigung der bisherigen Überlegungen werden nun einige wichtige Ansätze näher beleuchtet, welche sich zur Verminderung von Ungewissheit sowie der Bewältigung von Komplexität im Projektgeschäft bewährt haben. Hierbei finden sich die oben genannten Aus-prägungen Zukunft, Umfeld und am Projekt beteiligte Menschen wieder, welche ihrer- seits in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen und stets im gesamtheitli- chen Zusammenwirken zu verstehen sind.

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Gemäß Ashby’s Law of Requisite Variety muss ein Unternehmen genügend interne Komple- xität aufbauen, um der externen Komplexität des Projektgeschäfts zu begegnen. Die im Un- ternehmen verfügbare (und stets begrenzte) Komplexität ist daher zu optimieren, dh sie ist dort zu reduzieren, wo sie unnötig Aufwand zur Bewältigung verursacht und dort zu erhöhen, wo sie zur Steuerung des Projektumfelds dringend benötigt wird.

6.1 Zukunft: Stabilisierung durch Verträge

Es ist das Ziel von Verträgen, Handlungen der Vertragsparteien festzulegen und die Zukunft für beide berechenbarer zu gestalten. Verträge koordinieren und stabilisieren das soziale Verhalten von Menschen durch gegenseitige freiwillige Selbstverpflichtung der Vertragspar- teien [nach Wikipedia]. Die verbleibende Ungewissheit muss daher mit Bindung an den Ver- trag für beide Vertragspartner geringer sein als ohne. Gute Verträge reduzieren demnach gezielt Ungewissheit und Komplexität. Als Resultat wird durch Bindung an die Vertragsver- einbarungen eine spezifische verbleibende Risikoverteilung zwischen den Parteien festge- legt.

Grundlegendes Problem der Gestaltung von Verträgen ist, die mit ihrer Anbahnung und Um- setzung verbundenen Transaktionskosten, wie etwa Aufwendungen für Informationsbeschaf- fung, Verhandlung, Prüfung und Kontrolle für beide Parteien so gering wie möglich zu halten. Hierzu werden Rechte und Pflichten im Idealfall jenen Parteien zugewiesen, die sie selbst zu den geringsten Kosten ausüben können mit der Folge, dass auch die laufenden Transakti- onskosten insgesamt verringert werden [5]. Ein Vertrag, der die ÖNorm B 2110 bzw B 2118 unverändert anwendet, erfüllt in hohem Maße diese Forderung.

Klassische Vertragsmodelle können der Komplexität des Projektgeschäfts jedoch oft nicht mehr optimal Rechnung tragen. Schließlich ist der exakte Umfang der Leistungserbringung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aufgrund der in der Natur von Bauprojekten liegen- den Komplexität und Ungewissheit meist nicht ausreichend genau bekannt. Allzu enge und unflexible gegenseitige Vorgaben verringern zwar die Unvollständigkeit des Vertrags, erhö- hen jedoch die Transaktionskosten, zB für Prüfung, Kontrolle und Claim-Management. Neue Partnering-Ansätze wie das „STRABAG teamconcept“ werden der Komplexität des heutigen Projektgeschäfts besser gerecht. Diese favorisieren die Definition gemeinsamer Ziele, die Vereinbarung von Methoden zur zeitnahen Problemlösung und Entscheidungsfindung sowie das Streben nach kontinuierlicher Verbesserung. Partnering-Ansätze greifen somit das Evo- lutionsprinzip aktiv auf. Durch wechselseitig transparente Prozesse wird das Vertrauen zwi-

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schen den Vertragsparteien gestärkt. Opportunismus, dh das Bestreben, durch List und Tü- cke den eigenen Nutzen auf Kosten der anderen Partei zu maximieren, wird verringert. Als Konsequenz werden Transaktions- und auch Konfliktkosten vermindert und dadurch die Ef- fektivität und Effizienz der Projektabwicklung zu beiderseitigem Vorteil gesteigert.

6.2 Projektumfeld: Modelle als Basis erfolgreicher Steuerung

Modelle dienen dazu, komplexe Sachverhalte zu vereinfachen und der Anschauung zugäng- lich zu machen. Kurz, Modelle als Entscheidungsgrundlage reduzieren gezielt Komplexität. Aufgrund der Idealisierung werden jedoch nie alle Attribute der Realität erfasst, sondern nur diejenigen, die dem Modellnutzer für seine spezielle Fragestellung relevant erscheinen.

Erneut war es W. R. Ashby, der zusammen mit seinem Kybernetikerkollegen R. C. Conant durch streng mathematische Argumentation zeigte, dass zur Steuerung eines komplexen Systems die Entwicklung eines diesem hinreichend ähnlichen (und nicht zu simplen) Modells nicht etwa eine bloße Möglichkeit, sondern ohne Ausnahme stets eine zwingende Notwen- digkeit ist. Ob bei alltäglichen Entscheidungen von Privatpersonen oder im komplexen Pro- jektgeschäft, immer liegt ein (implizites oder explizites) Modell vor. Je ähnlicher dieses der Realität ist, desto besser eignet es sich als Basis erfolgreicher Steuerung [10].

Modelle finden sich daher überall, wo Entscheidungen zu treffen sind, zB auch die bereits erwähnten mentalen Modelle einzelner Personen. Das berühmte „Bauchgefühl“ erfahrener Kollegen ist eine umgangssprachliche Würdigung der Tatsache, dass jene im Lauf der Zeit zur Einschätzung und Steuerung des Umfelds durch permanente Anpassung immer erfolg- reichere mentale Modelle der Wirklichkeit herausgebildet haben. Auch Modelle durchlaufen somit eine innere (im Kopf eines einzelnen Akteurs) und äußere (durch Kommunikation der Akteure) Evolution: diejenigen Modelle, welche sich zur Steuerung des Umfelds bewähren, werden schließlich selektiert und bewahrt.

Gute Modelle sind umgekehrt die Voraussetzung dafür, das Umfeld und seine Komplexität als Basis von Entscheidungen entsprechend wahrzunehmen. Zwei der erfolgreichsten Mo- delle im Projektgeschäft sind die Kostenkalkulation und der Bauzeitenplan. Solche erfolgrei- chen Modelle tendieren allerdings oft auch dazu, eine Art Eigenleben zu entwickeln. Man ist dann geneigt, diese Modelle für die Wirklichkeit selbst zu nehmen oder geht gar davon aus, dass die Realität sich eher dem Modell anzupassen habe als umgekehrt. Modelle zur Steue- rung eines komplexen Umfelds haben jedoch stets nur temporäre Gültigkeit und begrenzte

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Reichweite. Sie müssen daher laufend auf ihre Validität und Übereinstimmung mit der Reali- tät geprüft, angepasst und möglicherweise auch verworfen und durch bessere Modelle er- setzt werden. Dies wird an der Projektsteuerung mittels Soll-Ist-Vergleichen deutlich. Dem Plan-Soll liegt ein auf einem bestimmten Informationsstand der Vergangenheit basierendes Modell zugrunde, welches ebenfalls von Zeit zu Zeit an neue Gegebenheiten angepasst werden muss, damit es steuerungsrelevant bleibt.

Als Basis unternehmerischen Handelns ist es nach dem Conant-Ashby-Theorem von ent- scheidender Bedeutung, in die Entwicklung und Verbesserung geeigneter Modelle zu inves- tieren. Komplexen Problemstellungen des Projektgeschäfts müssen immer entsprechend adäquate Analyse-, Steuerungs- und Controllingmodelle gegenüberstehen.

6.3 Beteiligte: Vertrauen zur Reduktion sozialer Komplexität

Nur Menschen können genügend Wissen und Handlungsvarietät aufbauen, um der Komple- xität des Projektgeschäfts wirksam zu begegnen. Trotz aller Unterstützung zB durch Mo- delle und Informationstechnologie sind es am Ende immer die Menschen, welche Komplexi- tät bewältigen und Entscheidungen unter hoher Ungewissheit treffen müssen. Organisati- onsstruktur, Kultur, Prozesse, Modelle, etc müssen daher so ausgelegt sein, dass Netzwerke von Menschen in die Lage versetzt werden, Komplexität unter Ungewissheit optimal zu be- wältigen.

Die Kapazität eines Netzwerks von Menschen zur Bewältigung von Komplexität ist weitaus höher als das von Einzelnen. Andererseits entsteht ein anderer beträchtlicher Teil der Kom- plexität gerade durch das Zusammenwirken und die Interaktion der beteiligten Menschen. Um möglichst viel Kapazität zur Lösung externer Problemstellungen bereitzustellen, muss demzufolge die interne Komplexität sozialer Systeme auf ein Minimum reduziert werden. Der leistungsstärkste Mechanismus zur Reduktion von Komplexität zwischen Menschen ist Ver- trauen.

Wie der Begründer der soziologischen Systemtheorie Niklas Luhmann herausstellte,

„wird man damit rechnen müssen, dass Vertrauen als sozialer Mechanismus zunehmend in Anspruch genommen werden muss, damit die technisch erzeugte Komplexität beherrschbar bleibt.“ Vertrauen „stärkt die Gegenwart in ihrem Potenzial, Komplexität zu erfassen und zu reduzieren […] und ermöglicht es daher, mit größerer Komplexität in Bezug auf Ereignisse zu leben und zu handeln. […] In dem Maße, als der Bedarf für Komplexität wächst und der an-

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dere Mensch […] als Mitverursacher dieser Komplexität und ihrer Reduktion in den Blick kommt, muss das Vertrauen erweitert werden“. [11]

Vertrauen ist deshalb mitnichten eine bloße Forderung arglosen Gutmenschentums, sondern unbedingte Voraussetzung für rasche Anpassungsleistungen sozialer Systeme an komplexe Umfelder und damit für Erfolg und Lebensfähigkeit von Unternehmen im Projektgeschäft. Aufwendungen zur Stärkung von Vertrauen, zB teambildende Workshops bei Projektstart, zahlen sich daher aus.

7 Eine Unternehmenskultur der Evolution

Bei der Interaktion von Menschen sind es deren mentale Modelle, welche ihre Wahrneh- mungen, Urteile, Entscheidungen und Handlungen maßgeblich bestimmen. Mehrheitlich an- genommene mentale Modelle innerhalb der Randbedingungen des Unternehmens bestim- men die Unternehmenskultur. Der Umgang und die Bewältigung von Fehlern und Risiken sind untrennbar mit dem komplexen Projektgeschäft verbunden, gehören somit zur Kern- kompetenz der Baubranche. Daher sind die Rahmenbedingungen für eine konstruktive Risi- ko- und Fehlerkultur zu schaffen, welche die bestmögliche Nutzung von Erfahrung aus Feh- lern und Risiken in Sinne von Weiterentwicklung durch das Evolutionsprinzip ermöglicht. Vielleicht sollte man umfassend von einer notwendigen Evolutionskultur sprechen.

Für Führungskräfte stellt sich immer das Problem, wie sie konstruktiv auf Misserfolge reagie- ren können, ohne gleichzeitig ein zu liberales Arbeitsumfeld zu schaffen, innerhalb dessen mit Fehlern zu leichtfertig umgegangen wird. Gemäß obiger Unterscheidung von Risiken und Fehlern gibt es jedoch im Sinne evolutorischer Verbesserung keinen Widerspruch. Misser- folge aus Risiken sind im komplexen Projektgeschäft unvermeidbar und stets die Chance auf Erfahrungsgewinn. Jedoch nur, wenn sie auch konsequent kommuniziert und dokumentiert werden. Etablierte Standards ihrerseits müssen von Zeit zu Zeit auf Relevanz überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Fehler durch Abweichung von gegenwärtig als bewährt eingestuften Standards jedoch sind dann soweit als möglich zu vermeiden.

Allerdings geben selbst Fehler Hinweise auf mögliches Verbesserungspotenzial. Unterstellt man nicht gerade vorsätzliches Abweichen von Standards, verbleiben Unachtsamkeit, feh- lendes Wissen oder auch unklar formulierte Regelungen. In diesen Fällen können die Ver- antwortlichen die Ursachen relativ leicht aufdecken und beheben. Besonders wertvoll wären

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darüber hinaus Meldungen über potenzielle Misserfolge, die gerade eben nicht eingetreten sind oder die vielleicht gerade noch (mit welchen Maßnahmen?) verhindert werden konnten.

Ziel ist daher, die Bedingungen für eine Evolutionskultur zu schaffen, welche diesen kontinu- ierlichen Verbesserungsprozess ermöglicht und deren zentrales Element Vertrauen ist. Dann erst sind Mitarbeiter ermutigt, über Misserfolge, Fehler, Risiken und mögliche Lösungsvor- schläge zu sprechen. Umgekehrt sind beim Vorgesetzten das Interesse und die Würdigung entsprechenden Engagements von Mitarbeitern vorauszusetzen. Die in unserer europäi- schen Kultur bei Misserfolgen verbreitete reflexartige Zuweisung von Schuld liegt zum Teil im Festhalten an naiven, zu stark vereinfachten, linearen Ursache-Wirkungsbeziehungen be- gründet und führt als Konsequenz stets zu höheren Transaktionskosten durch übermäßiges Absicherungsverhalten. Dazu gehört auch die mehrfache Glättung wertvoller Daten auf jeder Stufe bis hin zur Unbrauchbarkeit für strategische Planungen auf höchster Ebene. Die Füh- rung ihrerseits reagiert mit verstärkter Kontrolle und Bürokratie. All dies bindet unnötig Zeit und Ressourcen. Variation und Selektion werden gehemmt, Anpassung als Grundlage der Lebensfähigkeit des Unternehmens findet nur unzureichend statt. Gute Erfahrungen werden lokal als Wissensvorsprung gehütet, Information über Misserfolge und Fehler so lange als möglich zurück gehalten. Oft jedoch führt erst die Vertuschung von kleinen Fehlern bei ihrer Verkettung mit weiteren Umständen in der Folge zu unangenehmen Überraschungen in Form von Risiko 2. Die in sämtlichen Industriezweigen gut dokumentierte Zehnerregel be- legt, dass sich die Kosten für die Beseitigung von Fehlern mit jedem Prozessschritt zum nächsten (Vorplanung, Planung, die einzelnen Phasen der Ausführung bis zur Gewährleis- tungsperiode) jeweils verzehnfachen [12]. Bereits eine frühe(re) Meldung und Berücksichti- gung von Fehlern birgt daher beträchtliches Kosteneinsparungspotenzial.

Erst in einer adäquaten Evolutionskultur können sich auch die mentalen Modelle der Füh- rungskräfte und Mitarbeiter permanent weiterentwickeln und an die Erfordernisse der ra- schen Bewältigung von Komplexität und Entscheidung unter Ungewissheit anpassen.

8 Zusammenfassung

Unternehmerisches Handeln und besonders das Projektgeschäft sind von hoher Komplexität und Entscheidungsfindung unter Ungewissheit geprägt. Nur das Prinzip der Evolution durch Variation, Selektion und Bewahrung ermöglicht längerfristige dynamische Stabilität und damit dauerhafte Lebensfähigkeit des Unternehmens. Ziel muss es daher sein, geeignete Rah- menbedingungen zu schaffen, damit das Evolutionsprinzip bestmöglich wirken kann. Der

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bewusste und differenzierte Umgang mit Standards, Fehlern und Risiken sowie die Kommu- nikation und Dokumentation der gewonnenen Erfahrungen tragen entscheidend zu diesem Prozess kontinuierlicher Anpassung und Verbesserung bei.

Letztendlich sind es immer die Menschen, welche Komplexität und Ungewissheit bewältigen müssen. Strategie, Organisation, Kultur und Führung des Unternehmens sind so auszurich- ten, dass die Mitarbeiter hierzu bestmöglich in die Lage versetzt werden. Eine derartige Evo- lutionskultur stellt im 21. Jahrhundert einen der wichtigsten, gegenüber der Konkurrenz ver- teidigungsfähigen Wettbewerbsvorteile dar.

Entscheidend für eine Evolutionskultur wird sein, Vertrauen unter allen Mitarbeitern über sämtliche Hierarchiestufen und Unternehmensbereiche hinweg permanent auszubauen.

Dipl.-Ing. Peter Fischer, Chief Contract Manager Dr.-Ing. Frank Lulei, Contract Management, Bereichsleiter Risikomanagement Beide STRABAG SE, Donau-City-Strasse 9, 1220 Wien

9 Literaturverzeichnis

[1] K. R. Popper: „Ausgangspunkte“, 2. Auflage, Pipers Verlag [2006]

[2] „Unternehmensführung in einer komplexen Welt“, IBM Global CEO Study [2009]

[3] H. Härtl: „Implizite Informationen: Sprachliche Ökonomie und interpretative Komplexi- tät bei Verben (=studia grammatica 68)“, Berlin: Akademie-Verlag [2008]

[4] N. N. Taleb: „Der schwarze Schwan“, dtv Verlag [2010]

[5] C. Hermann-Pillath: „Grundriss der Evolutionsökonomik“, Online-Version: http://web.dmz.uni-wh.de/wiwi/hp/evooek/

[6] P. M. Senge: „Die fünfte Disziplin“, Schäffer-Poeschel Verlag, [2008]

[7] W. R. Ashby: „Requisite variety and its implications for the control of complex sys- tems“, Cybernetica (Namur) Vol 1, No2 [1958]

[8] E. D. Beinhocker: „Die Entstehung des Wohlstands“, mi-Fachverlag [2007]

[9] F. Knight: “Risk, Uncertainty and Profit”, Houghton Mifflin Company [1921]

Festschrift 40 Jahre Ibpm 185 Bewältigung von Komplexität und Ungewissheit im Projektgeschäft – Herausforderungen für internationale Baukonzerne im 21. Jahrhundert

[10] R. C. Conant, W. R. Ashby: “Every good regulator of a system must be a model of that system”, Int. J. Systems Sci. [1970], vol. 1, No. 2 89-97

[11] N. Luhmann: „Vertrauen – Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität“, 4. Auflage, Lucius & Lucius [2000]

[12] T. Tietjen, D. H. Müller: “FMEA Praxis“, Carl Hanser Verlag [2003]

186 Festschrift 40 Jahre Ibpm Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

Umsetzungsstrategie eines Bauindustrieunternehmens im Umfeld erweiterter Anforderungen

Peter Krammer (Univ.Ass. 1991 bis 1995) Christian Gromer Norbert Pralle

1 Nachhaltigkeit und Gebäude

1.1 Der Treiber öffentliche Wahrnehmung

In den letzten Jahren nimmt innerhalb der Gesellschaft die Sensibilisierung bzgl. der Themen Umwelt und Klimawandel zu. Auch die Verantwortlichen von Politik und Wirtschaft werden sich zunehmend über die Auswirkungen auf die Umwelt durch das wirtschaftliche und indust- rielle Handeln bewusst. Es wird erkannt, dass die Ausbeutung der Natur nicht wie bisher unkontrolliert fortgesetzt werden kann. Dabei stehen derzeit der Klimawandel und die be- grenzte Ressourcenverfügbarkeit im Zentrum des gesellschaftlichen Diskurses.

Dies ist nicht zuletzt zurückzuführen auf Veröffentlichungen, wie den Stern Report1 sowie dem Bericht des Weltklimarates (IPCC)2 im Jahr 2007 zum Stand der Klimaforschung und der daraus abzuleitenden Folgen, oder auch der populärwissenschaftlichen Dokumentation „Eine unbequeme Wahrheit“ des ehemaligen amerikanischen Vizepräsidenten Al Gore. Nachrichten über Indikatoren dieses Wandels, dem Schmelzen der Gletscher, dem Tauen des Permafrostbodens in Sibirien und Nordamerika oder der Zunahme von Extremwetterver- hältnissen, sind nur ein Ausschnitt der täglichen Berichterstattung.

Dieser regional unterschiedlich ausgeprägte Bewusstseinswandel ist auf unterschiedliche Treiber, die sogenannten Megatrends zurückzuführen. Dies sind neben den bereits genann- ten Treibern der Nachhaltigkeit3 der Süßwassermangel und der demographische Wandel sowie die allgemeinen Trends, wozu zB die Globalisierung, Urbanisierung, Mobilität und die Digitalisierung der Gesellschaft gehören. Diese Entwicklung kann in zahlreichen Gesell-

1 Der Stern Bericht, bzw im Original „Stern Review on the Economics of Climate Change“, wurde im Jahr 2006 im Auftrag der britischen Regierung von Nicholas Stern erstellt. Der Bericht thematisiert die wirtschaftlichen Aspekte und Folgen des Klimawandels. 2 Das Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC) wurde gemeinsam vom United Nation En- vironment Programme (UNEP) und der World Meteorological Organization (WMO) im Jahr 1998 ge- gründet. 3 Vgl BMU, 2008, S. 7ff.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 187 Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

schaftsbereichen beobachtetet werden. Inzwischen erkennt auch die Bau- und Immobilien- wirtschaft, dass zu diesen Themen eine verantwortungsvolle Position einzunehmen ist.

1.2 Nachhaltige Immobilie - was ist das?

Speziell der hohe Endenergieverbrauch von 42% und der Anteil von 35% der CO2- Emissionen am Gesamtverbrauch bzw den Gesamtemissionen, die auf den Bau, Betrieb und Rückbau von Bauwerken entfallen, führten zu einer „grünen Welle“ in der Branche.4 Der Bau von „Passivhäusern“ oder zumindest Energiesparhäusern bzw Green Buildings nahm konti- nuierlich zu und mündete schließlich in der Entwicklung des Produkts „Nachhaltige Immobi- lie“.

Der inzwischen strapazierte und omnipräsente Begriff Nachhaltigkeit, der ursprünglich aus der Forstwirtschaft stammt5 erlangte im Jahr 1987 durch den Brundtland-Bericht der Kom- mission für Umwelt und Entwicklung, einer unabhängigen Sachverständigenkommission, weltweit Bekanntheit. Das Leitbild dieser Sachverständigenkommission der Vereinten Natio- nen wurde 1992 von Staats- und Regierungschefs von ca 180 Ländern zur Maxime politi- schen Handels erhoben. Der Bericht definiert die nachhaltige Entwicklung, als eine

„Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“.6

Diese Ausrichtung auf die Generationengerechtigkeit wurde im Jahr 19927 um die zwei Ge- rechtigkeitsdimensionen intra- und intergenerative Gerechtigkeit bereichert.8 Hierdurch kommt es zu einer wachsenden Integration sozialer Aspekte.9 Somit wird heute von einem Konzept der Nachhaltigkeit ausgegangen, das zu gleichen Teilen auf der ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimension basiert.10 Deshalb wird auch von der Triade der Nach-

4 Vgl Commission of the European Communities, 2007, S. 5. 5 Ursprünglich stammt der Begriff der Nachhaltigkeit aus der Forstwirtschaft und bezeichnet eine Waldnutzung, bei der nur so viel Holz entnommen werden darf, wie nachwachsen kann. Die erstmali- ge Verwendung des Begriffs Nachhaltigkeit erfolgte 1713 durch Hanns Carl von Carlowitz in seinem Buch „Sylvicultura Oeconomica - hausswirthliche Nachricht und naturgemäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht“ Vgl Di Giulio, 2004, S. 17f. u. Speidel, 1984, S. 43ff. 6 Hauff, 1987, S. 43. 7 Auf der Konferenz über Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro. 8 Die intragenerative Gerechtigkeitsdimension bezieht sich auf die Gerechtigkeit innerhalb einer Gene- ration, insbesondere zwischen erster und dritter Welt, während es sich bei der intergenerativen Ge- rechtigkeitsdimension um die Gerechtigkeit zwischen der heutigen und aller zukünftigen Generationen handelt. Vgl Schäfer/Preller, 2003, S. 24. 9 Vgl Schäfer u.a., 2006, S. 9 u. Schäfer/Langer, 2007, S. 6. 10 Vgl Rauschenberger, 2002, S. 6. „Eine Politik in Richtung Nachhaltigkeit soll danach ökologische, ökonomische und soziale Belange gleichrangig und gleichzeitig beachten und befolgen. Als nachhaltig

188 Festschrift 40 Jahre Ibpm Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

haltigkeit, dem Triple-Bottom-Line-Konzept oder vom „Nachhaltigkeitsdreieck“ (vgl Abbildung 1) gesprochen. Bezogen auf den Immobilienbereich lassen sich damit sog. nachhaltige Im- mobilien durch eine ausgeprägte und gleichmäßige Berücksichtigung ökonomischer, ökolo- gischer und sozialer Belange von konventionellen Immobilien abgrenzen. Im Zuge der Ent- wicklung von planerischen, architektonischen oder bautechnischen Lösungsansätzen zur Realisierung von Nachhaltigkeit im Bau wurden neue Standards und Gebäudelabel entwi- ckelt, von denen inzwischen weltweit 30 Label existieren.11 Die folgende Abbildung gibt einen Überblick der geografischen Verortung dieser stark national geprägten Zertifikate.

Abbildung 1: Bedeutende Nachhaltigkeitszertifikate für Gebäude – weltweit [Reed, u.a., 2009]

Diese zeichnen sich vor allem durch Gebäudeeigenschaften aus, deren Vorteile während der Nutzungsphase zum Tragen kommen, wie z. B. Energieeffizienz, Wohnkomfort, Innenluft- qualität und Barrierefreiheit. Wenngleich auch Bauprozesse wie die Recyclingquote oder der Transportweg des Baumaterials bei der Zertifizierung berücksichtigt werden, hat dies nur geringe organisatorische bzw strategische Auswirkungen auf die beteiligten Unternehmen. Die Entscheidung zur Beauftragung und zum Bau einer solchen nachhaltigen Immobilie liegt - derzeit - noch allein beim Kunden und kann seitens des ausführenden Bauunternehmens nur begrenzt beeinflusst werden. Für die Bauwirtschaft, die zumeist typische Baudienstleis- tungen erbringt, handelt es sich damit vielmehr zunächst um eine Erweiterung des Service- angebots. wird eine Entwicklung bezeichnet, die zugleich ökologie-, ökonomie- und sozialverträglich ist“ Maier- Rigaud, 1997, S. 331. 11 Vgl Schäfer u.a., 2008, S. 15 u. Koch, 2010, S. 158.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 189 Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

2 Vom Produkt zum Unternehmen

2.1 Klimawandel – vorteilhafter Treiber für die Bauwirtschaft?

Vor dem Hintergrund, den Klimawandel eingrenzen zu müssen, hat auch die Politik das enorme Energieeinsparpotenzial des Immobilienbereichs erkannt. Auf europäischer Ebene wurde deshalb u.a. die Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (GEEG) zwecks Umsetzung in den Mitgliedsstaaten definiert. Hierdurch wurden für die jeweiligen Staaten vor allem für Neubauten und Modernisierungsmaßnahmen die Mindeststandards für die energe- tischen Anforderungen der Gebäude erhöht und Subventionsprogramme zur Erhöhung der Modernisierungsquote des Bestands auf den Weg gebracht, was für die Bau- und Baustoff- industrie zu zusätzlichen Aufträgen führt.

Abbildung 2: Gewinner und Verlierer des Klimawandels [Heymann, 2007]

Unabhängig von den regulatorischen Rahmenbedingungen entsteht für die Bauwirtschaft auch durch die natürlichen Veränderungen ein Nachfrageimpuls. So sind bspw. Uferanlagen oder Dämme wegen dem Meeresspiegelanstieg zu erneuern bzw neu zu errichten. Auch durch Extremwettersituationen, wie Stürme oder Flutwellen, die sowohl Gebäude wie auch die Infrastruktur beschädigen oder zerstören erhöht sich der Bedarf für Baudienstleistungen. So entstanden beim Elbehochwasser im Jahr 2002 rund 10 Mrd. Euro Schäden an Infra- struktur und Gebäuden, durch den Hurrikan Katrina wurden allein 275.000 Wohnimmobilien

190 Festschrift 40 Jahre Ibpm Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

beschädigt oder zerstört.12 Weshalb die Baubranche, wie in Abbildung dargestellt, zyni- scherweise als doppelter Gewinner angesehen werden kann. Allerdings können die politi- schen Rahmenbedingungen jederzeit aufgrund erneuter Anforderungen geändert werden.

2.2 Nach Produktqualität nun auch Transparenz der Organisation gefordert

Abseits der eher theoretischen Diskussion erheben Stakeholder bzw Interessengruppen zu- nehmend den Anspruch an die Unternehmen, zum Wohle der ganzen Gesellschaft hinsicht- lich zukünftiger Entwicklungen vorausschauend zu agieren. Diese Gruppen hinterfragen im- mer öfter die Wirkungen der gesamten Wertschöpfungskette von Unternehmen und ver- schieben damit das bisherige Koordinatensystem der Wertschöpfungskette (Abbildung).

Kunde

Bauherr Staat Mitarbeiter

Behörde Produkt Planer Unternehmen

Investor Zulieferer Bauunter- nehmen

NGOs

Abbildung 3: Erweiterung des Verständnisses von Produktqualität. Von Produkteigenschaften zur gesamten Wertschöpfungskette (vereinfacht)

Jeder Stakeholder verfolgt hierbei seine eigenen, oft sehr unterschiedlichen, Interessen. So sind Investoren vor allem nach der Subprime-Krise und der daraus resultierenden Finanzkri- se an sicheren Investitionsmöglichkeiten, einer langfristigen Wertsteigerung der Einlagen und damit zunehmend an der strategischen Ausrichtung des Unternehmens interessiert. Kunden hingegen erwarten zunehmend – und regional stark unterschiedlich - über die unmit- telbare Produkt- bzw Dienstleistungsqualität hinaus eine transparente Darstellung der Wert- schöpfungskette, die nun auch für die Entscheidung für oder gegen eine Produkt bzw eine Dienstleistung heranzogen wird. Faktoren, zB welche Auswirkungen die Produktherstellung auf die Umwelt (ökologischer Fußabdruck) und auf die am Produktionsprozess beteiligten

12 Vgl Auer, 2009, S. 18 u. Johnson, 2006, S. 1.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 191 Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

Menschen haben, spielen damit auch eine Rolle für die Entscheidungsfindung der Kunden. Nichtregierungsorganisationen, sog. NGOs, kommt in der globalisierten Welt zunehmend eine grenzüberschreitende Kontrollfunktion zu. Dies betrifft vor allem NGOs mit dem The- menschwerpunkt Ethik/Menschenrechte und Umwelt, wie Human Right Watch, Amnesty In- ternational oder dem Carbon Disclosure Project (CDP). Diese Beispiele zeigen, dass von Unternehmen über das ökonomische Streben hinaus eine umfassende ethische Verantwor- tung verlangt wird, die auch als Corporate Social Responsibility (CSR) bezeichnet wird.

2.3 Corporate Social Responsibility

Der Begriff Corporate Social Responsibility hat seine Wurzeln in den USA und wird häufig mit dem im betriebswirtschaftlichen Sinn verwendeten Begriff der Nachhaltigkeit in Verbin- dung gebracht. Ursprünglich durch die wissenschaftliche Literatur geprägt, ist CSR ein zu- nehmend durch die Politik vorangetriebenes Prinzip, bei dem sich Unternehmen zu ihrer ge- sellschaftlichen Verantwortung bekennen.13 So wird der Begriff CSR in Europa maßgeblich durch die Europäische Kommission wie folgt definiert: „Sozial verantwortlich handeln heißt nicht nur, die gesetzlichen Bestimmungen einhalten, sondern über die bloße Gesetzeskon- formität hinaus „mehr“ investieren in Humankapital, in die Umwelt und in die Beziehung zu anderen Stakeholdern“14. Hierzu stellt die Kommission fest:

„Obwohl die primäre Aufgabe eines Unternehmens darin besteht, Gewinne zu erzielen, kön- nen Unternehmen gleichzeitig einen Beitrag zur Erreichung sozialer und ökologischer Ziele leisten, indem sie die soziale Verantwortung in ihre grundsätzliche Unternehmensstrategie, ihre Managementinstrumente und ihre Unternehmensaktivitäten einbeziehen“.15

Basierend auf der Definition der Europäischen Union beinhaltet die gesellschaftliche Verant- wortung der Unternehmen damit soziale und ökologische Herausforderungen gleicherma- ßen.16 Ergänzt durch die ökonomische Dimension, ergibt sich damit das zuvor angesproche- ne Nachhaltigkeitsdreieck (Abbildung 4). Entgegen den Praktiken in der Vergangenheit, bei denen die ökonomische in der Regel dominierte (hier grau dargestellt), werden Unternehmen nun zu einem nachhaltigen Verhalten angehalten.

13 Vgl Clausen/Loew, 2009, S. 18. 14 Kommission der Europäischen Union, 2001, S. 7. 15 Kommission der Europäischen Union, 2001, S. 4f. 16 Vgl Loew, u.a., 2004, S. 26.

192 Festschrift 40 Jahre Ibpm Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

ökologische Dimension

soziale ökonomische Dimension Dimension

Abbildung 4: Dreieck der Nachhaltigkeit. In Grau: Konventionelle Verteilung der Schwerpunkte unternehmerischen Handelns (schematisch)

2.4 CSR und die Bauwirtschaft

Aktivitäten, die über die ökonomische Dimension hinausgehen werden im Regelfall separat in einem Nachhaltigkeitsbericht, der auch im Geschäftsbericht integriert sein kann, dokumen- tiert. Von der Nachhaltigkeitsberichterstattung ausgehend, ist das Thema CSR in Branchen wie der Chemie-, Finanz-, Automobilindustrie und unter den Baustoffherstellern bereits etab- liert (Abbildung 5).

100% 250

80% 200

60% 150

40% 100

20% 50

0% 0

1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 19991999 20012001 20032003 20052005 20072007 2009 2009 2011 Chemie Bauindustrie Finanzwesen Automobil Baustoffhersteller Abbildung 5: Entwicklung der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach Branchen17 [GRI Reports List, 2011]

17 Grundlage dieser Abbildung stellt die Datenbank der Global Reporting Initiative (GRI) dar. Im linken Diagramm ist dargestellt wann die einzelnen Unternehmen in der Branche begonnen haben CSR- Berichte bei GRI anzumelden. 100% stellt die Gesamtanzahl aller berichtenden Unternehmen einer

Festschrift 40 Jahre Ibpm 193 Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

Im Vergleich zu den genannten Branchen besaß das Thema CSR, gemessen an den publi- zierenden Unternehmen, zu Beginn des Jahrtausends in der Bauindustrie noch eine eher geringe Relevanz. Dies hat sich in den letzten drei Jahren allerdings maßgeblich verändert. So hat sich die Anzahl der Nachhaltigkeitsberichte innerhalb dieses Zeitraums in diesem Sektor verdoppelt, was auf einen neuen Trend in der Bauindustrie schließen lässt.18 Beispie- le hierfür finden sich derzeit v. a. in den Niederlanden mit dem CO2-Zertifikat nach SKAO.

Abhängig von der Ausführlichkeit der veröffentlichten CO2-Bilanz sowie den geplanten Maß- nahmen und Reduzierungszielen werden dem Bieter Wettbewerbsvorteile von bis zu 10% gewährt. Analog dazu werden derzeit bei niederländischen Straßenbauprojekten umfassen- de Bemühungen zu CSR in die Bewertung der Auftragsvergabe mit einbezogen. Des Weite- ren verpflichten sich Kunden aufgrund ihrer eigenen CSR-Agenda oder im Rahmen einer Branchenverpflichtung (wie zB im Nachhaltigkeitskodex der Immobilienwirtschaft des Zentra- len Immobilien Ausschuss e.V. (ZIA))19 bei der Wahl von Geschäftspartnern nachhaltige Prinzipien zu berücksichtigen. Eine umfassende, konzernweite CSR-Agenda ist daher inzwi- schen in einigen Märkten für die Wettbewerbsfähigkeit von Bedeutung.

3 STRABAGs Weg / Ansatz zur Nachhaltigkeit

Der Strabag-Konzern sieht sich in der Verantwortung, die neuen Ziele mit großem Engage- ment zu verfolgen und zu vertreten. Allerdings ohne einem Aktionismus zu verfallen, da in einem ressourcenintensiven Sektor eine schnelle Fokussierung auf die Nachhaltigkeit kont- raproduktiv wäre. Das liegt vor allem an den begrenzten Kapazitäten hinsichtlich alternativer Energieträger und modernerer Produktionsanlagen. Zudem ist die Wertschöpfungskette in der Baubranche höchst komplex, vielschichtig und geographisch weit gestreut.

3.1 Die CSR-Agenda

Basis der CSR Umsetzungsstrategie der Strabag ist eine in sechs Themenfelder gegliederte Agenda. Konzipiert als Plattform, die dem bisherigen Engagement ebenso ein Forum bietet wie sich auch neuen Aufgaben öffnet, stellen diese Themenfelder als Puzzle illustriert (Abbil- dung 6) einerseits den Umfang von CSR dar, andererseits zeigen sie auch dessen ganzheit-

Branche dar. Rechts wird die absolute Anzahl der Nachhaltigkeitsberichte in den ausgewählten Bran- chen gezeigt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Unternehmen Berichte ohne die Kenntnis von GRI veröffentlichen. Allerdings stellt GRI weltweit einen renommierten Standard dar, sodass ein Trend basierend auf der Datenbank angenommen werden kann. 18 Die Untersuchung bezieht sich auf 34 ausgewählte Länder und die 100 größten Unternehmen in diesen Ländern. Vgl KPMG, 2011, S. 6. 19 Vgl ZIA (Hrsg.), 2011, S. 23.

194 Festschrift 40 Jahre Ibpm Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

lichen Ansatz. Die ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Verantwortung sind dabei die drei klassischen Säulen der Nachhaltigkeit. Mit den drei gesonderten Themenfeldern „Mission und Vision“, „Werte und Compliance“ sowie „Mitarbeiter und Arbeitsplatz“ soll den Besonderheiten der Konzernaktivitäten Rechnung getragen werden.20

Abbildung 6: Die ganzheitliche Nachhaltigkeitsagenda des STRABAG-Konzerns

Die jeweiligen Themenfelder sind zusammenhängend zu betrachten.

Mission und Vision beschreibt die strategische Ausrichtung und Weiterentwicklung des übergeordneten Themas CSR/Nachhaltigkeit im Konzern. So bekennen sich die Mitglieder des Vorstands sowie alle Führungskräfte im Einklang mit dem Leitbild zu nachhaltigem Handeln.

Ökonomische Verantwortung bietet die maßgebende wirtschaftliche Grundlage. Der langfristige wirtschaftliche Erfolg ist aufgrund der Verantwortung gegenüber den Eigentümern, Kunden, Mitarbeitern, Lieferanten, Subunternehmen und der Gesellschaft das vorrangige Unternehmensziel des STRABAG- Konzerns.21

Ökologische Verantwortung

20 So spielen bspw. Gesundheits- und Sicherheitsfragen durch die besonderen Umfeldfaktoren und Abläufen auf der Baustelle eine besondere Rolle im Bauwesen. Vgl Europäische Kommission (Hrsg.), 2011, S. 3. 21 Vgl STRABAG SE, 2011, S. 20.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 195 Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

Ist das Forum für sämtliche umweltrelevanten Aktivitäten. Von Maßnahmen für eine detail- lierte Bestandsaufnahme von Umweltwirkungen und dem Energieverbrauch infolge der Akti- vitäten des Konzerns bis zur Reduzierung dieser über die Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen für zukünftige Märkte, zB für Erneuerbare Energien..

Gesellschaftliche Verantwortung bezieht sich sowohl auf soziale wie auch auf kulturelle Projekte. Der Konzern ist zugleich Teil wie auch Dienstleister der Gesellschaft. Durch sein Handeln wird die bebaute Umwelt maß- geblich gestaltet und geprägt. Gerade diese sehr komplexe Wechselwirkung zwischen Bau- en und Gesellschaft begründet die Verantwortung. Nur in einer funktionierenden Gesellschaft kann der Konzern erfolgreich sein.

Mitarbeiter und Arbeitsplatz bilden das Fundament für eine qualitativ hochwertige Leistung zur Zufriedenheit aller Inte- ressensgruppen (Stakeholder). Dank des hohen Einsatzes sowie der Kompetenz der Mitar- beiter kann der Konzern auf eine positive Geschäftsentwicklung zurückblicken. Eine wesent- liche Voraussetzung hierfür ist auch das wirksame und sichere Umfeld der Mitarbeiter.

Werte und Compliance bedeutet Standards vorgeben und einhalten. Der Konzern legt Wert auf ein ethisch einwand- freies Verhalten der eigenen Mitarbeiter wie auch der Lieferanten. Diese Verhaltensvorgaben sind im Ethik-Kodex, der jedem Mitarbeiter zugesendet wird und zusätzlich jederzeit frei zu- gängig ist, definiert.

Diese umfassende Agenda gilt es zu kommunizieren und umzusetzen. Der Kommunikation der CSR-Aktivitäten kommt eine besondere Bedeutung zu, da infolge einer noch nie dage- wesenen Bereitschaft zur Transparenz die Kontrolle über den Umsetzungserfolg von nach- haltigem Handeln auch öffentlich verfolgt wird. Für die Aktivitäten, die infolge der Treiber Nachhaltigkeit bzw CSR durchgeführt werden, ist von Bedeutung, dass ein aufrichtiger Wille hinter den freiwillig zur Verfügung gestellten Informationen erkennbar ist. Nachhaltiges Wirt- schaften muss für einen neuen und ernstgemeinten Qualitätsbegriff stehen und darf kein Lippenbekenntnis sein. Dem pauschalen Verdacht des Greenwashings, dem zunächst jedes Unternehmen mit freiwilligen Aktivitäten ausgesetzt ist,22 gilt es entgegenzutreten, weil er der Reputation des Unternehmens erheblich schaden kann. Deshalb ist eine glaubwürdige, seri-

22 Vgl Web/Mohr, 1998, S. 234.

196 Festschrift 40 Jahre Ibpm Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

öse und korrekte Berichterstattung gegenüber den Stakeholdern wesentlich für den Erfolg der Nachhaltigkeitsagenda. Hierfür stehen im STRABAG Konzern verschiedene externe und interne Kommunikationskanäle zur Verfügung, dazu zählen u.a.:

x der CSR-Abschnitt auf der Konzernwebseite (www.csr.strabag.com), x der Geschäftsbericht, x das Mitarbeitermagazin „inform“, x das Intranet „STRANET“, x sowie Publikationen und Vorträge.

Einen weiteren Kommunikationskanal stellt auch der Stakeholderdialog dar. So wurde die STRABAG im Rahmen des Carbon Disclosure Projects nach dem Kriterium der Vollständig- keit der Berichterstattung zur CO2-Emission, bei denen er zu den Top 30 Unternehmen mit den höchsten Punktezahlen in Deutschland und Österreich zählt, in den Carbon Disclosure Leadership Index 2011 aufgenommen und kann damit das Engagement des Konzerns für diese Thematik nach Außen dokumentieren.

3.2 Die Umsetzung

Aufgrund der Komplexität von CSR ist für eine erfolgreiche konzernweite Umsetzung eine enge Zusammenarbeit zwischen Operativen und den zentralen Serviceeinheiten erforderlich. Hierzu sind Informationen und Maßnahmen speziell aus dem Umweltmanagement mit dem internen Rechnungswesen, der Revision, der Personalverwaltung dem Vertrags-, Baupro- zess-, Baumaschinen- und Fahrzeugmanagement sowie der Konzernkommunikation abzu- stimmen und eine entsprechende Organisationsstruktur dafür bereitzustellen (Abbildung 7).

Festschrift 40 Jahre Ibpm 197 Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

Abbildung 7: Organisationsstruktur zur konzernweiten Umsetzung von CSR in der STRABAG SE

Das CSR-Management, Drehscheibe für CSR-Aktivitäten im gesamten Konzern, berichtet direkt dem STRABAG SE Vorstand. Durch ein CSR Steering Committee, dem sowohl Vertre- ter der zentralen Servicebetriebe wie auch aus operativen Einheiten angehören, wird die CSR-Agenda entsprechend den strategischen Vorgaben des Vorstands im Konzern schritt- weise gesteuert.

4 Fazit

Die Erkenntnis, dass wirtschaftliches Handeln ohne Rücksicht auf die Auswirkungen auf Le- bens- und Sozialräume sowie auf die Lebensgrundlage zukünftiger Generationen nicht mehr langfristig erfolgreich sein kann, setzt sich zunehmend bei Entscheidungsträgern des westli- chen Wirtschaftsraumes durch. Anlässlich der Herausforderung Verbesserungen rasch um- zusetzen, ist ein komplexes Wechselspiel zwischen den zahlreichen beteiligten Interessens- gruppen entstanden. Kunden, Verbraucher bzw Nutzer, politische Gruppierungen, Standar- disierungs- und Nichtregierungsorganisationen, wie das World Resources Institute (WRI) oder Carbon Disclosure Project, Investoren und Rating Agenturen erarbeiten Mechanismen, um die Umweltzerstörung zu reduzieren, die Menschenrechtseinhaltung zu gewährleisten und die Gewerbe zur Herstellung von höherwertigen Produkte anzuhalten. Infolge dessen

198 Festschrift 40 Jahre Ibpm Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

hat sich parallel dazu eine mächtige Beratungs- und Zertifizierungsindustrie gebildet. Eine schematische Übersicht dieser Gemengelage ist in Abbildung 8 dargestellt.

Klimawandel Ressourcenverknappung Miniaturisierung Globalisierung Süsswassermangel Demographischer Wandel Individualisierung Mobilität

Treiber Gesundheit Finanzkrise Digitalisierung Gesellschaft

P o l i t i k Öffentliche Verwaltung NGOs Lebensmittelindustrie Wirtschaftsprüfer Automobilindustrie Bauwirtschaft Energiewirtschaft Finanzwesen Berater Groß- und Einzelhandel Immobilienwirtschaft Ratingagenturen Maschinenbauindustrie Gesellschaft Elektroindustrie Zertifizierer private Haushalte/Bürger

Atmosphäre Städte Gebäude Biotope Ressourcen

Lebensräume natürliche Ökosysteme Kunden Kontrollorgane

Abbildung 8: Wechselwirkung von Treibern (mit unterschiedlichen Zyklen) mit Reaktionen von Gesellschaftsgruppen infolge Änderungen von Lebensräumen.

Mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ wurde ein weiterer wettbewerbsrelevanter Parameter ge- schaffen der sich zunächst in den Anforderungen zur Berichterstattung niederschlägt. Abge- sehen davon, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung das Wirken einer Organisation auf die durch die Nachhaltigkeit definierten Themen umfassend darstellen und eine jeweilige Verbesserung voranbringen soll, muss jeder Sektor diesen Wandel mit den jeweiligen sek- torspezifischen Gegebenheiten vereinbaren. Darüber hinaus muss jede Organisation für sich prüfen, mit welchen Mitteln und Wegen Verbesserungen in Sachen Umweltschutz und sozia- les Miteinander wirksam eingeführt, umgesetzt und kontrolliert werden können, ohne dabei die ökonomische Verantwortung zu vernachlässigen.

Der STRABAG-Konzern stellt sich der Verantwortung, die aus einem global operierenden Bauunternehmen resultiert. Die umfassende STRABAG CSR-Agenda ist so konzipiert, dass sie einerseits Herausforderungen für die bestehenden Geschäftsfelder sowie bauspezifische

Festschrift 40 Jahre Ibpm 199 Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

Anforderungen berücksichtigt, andererseits Chancen für höhere Qualitätsanforderungen sei- tens der Kunden wie auch für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle bietet.

Dipl.-Ing. Dr. Peter Krammer Vorstand, Dipl.-Ing. Dr. Christian Gromer MBA, CSR-Management, Dr. Norbert Pralle CSR-Management, alle Strabag SE Donau-City-Straße 9, 1220 Wien

5 Literaturverzeichnis

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200 Festschrift 40 Jahre Ibpm Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

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[15] Rauschenberger, R., 2002, Nachhaltiger Shareholder Value – Integration ökologi- scher und sozialer Kriterien in die Unternehmensanalyse und in das Portfolioma- nagement, (Bank- und finanzwirtschaftliche Forschungen, Hrsg. von Geiger, H., et al., 333), Bern u.a.

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Festschrift 40 Jahre Ibpm 201 Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility

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[22] Speidel, G., 1984, Forstliche Betriebswirtschaftslehre, 2. völlig neubearbeitete Aufl., Hamburg u. Berlin.

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[25] ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V. (Hrsg.), 2011, Nachhaltigkeit in der Immobi- lienwirtschaft – Kodex, Berichte und Compliance, Berlin.

202 Festschrift 40 Jahre Ibpm Erfolgsfaktoren im Bauprojektmanagement, einmal anders

Erfolgsfaktoren im Bauprojektmanagement, einmal anders

Wilhelm Reismann (Hon.Prof. seit 2011)

Mit diesem nicht ganz ernsten Beitrag zum Bauprojektmanagement BPM ist es uns sehr ernst. Die Theorie zum Bauprojektmanagement hören und lesen wir oft und gut, auch an dieser Universität. Die Praxis erleben wir bei vielen Projekten, im In- und Ausland, oft und gut und schlecht. Wie wir Menschen halt so sind: schnell, genial, nicht immer ganz genau, zuver- lässig, fair, stur, empfindlich, …

Das Bindeglied zwischen Theorie und Praxis ist oft der Humor. Nämlich immer dann, wenn er uns nicht ausgehen darf, weil es sonst ganz schief geht. Mit Humor geht es besser zwi- schen Menschen. Und hinter dem Humor kommt sie zutage, die nackte, brachiale Wahrheit. Aber man hält sie leichter aus.

Und genau so ist dieser Beitrag gemeint. Folgen Sie uns durch den Alltag des Bauprojekt- managements. Sie haben das alles schon erlebt. Unsere Beispiele kommen alle aus der Praxis. Nichts wurde erfunden.

Eine sehr ernst gemeinte persönliche Feststellung noch zu Beginn: In Wahrheit gibt es nur zwei Risiken im Baugeschäft: Natur und Mensch, Das natürliche Risiko haben wir im Laufe der Jahrtausende immer mehr zu beherrschen gelernt, das menschliche Risiko nicht. Die meisten Probleme im Bauprojektmanagement sind nicht primär technisch, wirtschaftlich, rechtlich, sondern menschlich. Diese These steht zur Diskussion.

Eine herzliche Bitte an die Leserinnen vorweg: Frauen sind perfekte Projektleiterinnen, Ex- pertinnen, aber die männlichen Sprachformen sind kürzer und daher hier verwendet worden. Bitte um Verständnis, der Einfachheit und Klarheit wegen. Es ist ganz sicher keine Wertung.

1 Vorher überlegen macht nachher überlegen

Erstinvestition in geistige Leistung macht sich bezahlt

In der Projektentwicklung geht alles auf Risiko. Wie bringt man eine vage Vorstellung mit wenig Geld zu Papier, zur Entscheidung? Man investiert wenig, diskutiert oft lange und un- strukturiert. Auch das kostet, aber nicht evident, transparent, sondern vielen Parteien viele kleine Beträge in vielen langen Stunden. Nutzer, Betroffene, Politiker, „Stakeholder“ werden einbezogen, aber nicht immer, nicht alle, nicht in der gebotenen Informationstiefe. Studien

Festschrift 40 Jahre Ibpm 203 Erfolgsfaktoren im Bauprojektmanagement, einmal anders

werden gemacht, Planungen begonnen, Entscheidungen getroffen, Konsequenzen nicht zu Ende überlegt. Zuletzt machen wir noch einen ganz optimistischen Terminplan und ein ganz bescheidenes Budget, damit ja alle zustimmen können. Und los geht’s …

2 Die Wahrheit und nur die Wahrheit

Kosten und Termine nicht unterschätzen und schönreden

Viele „Kostenüberschreitungen“ sind in Wirklichkeit „Budgetunterschreitungen“. Dasselbe gilt für Terminverzug. Zu lange gebaut heißt oft, zu kurz geplant. Es gibt zahlreiche Gründe, das Budget zu nieder und die Termine zu kurz darzustellen; aber keinen einzigen guten. Wir brauchen eine Entscheidung der Politik, des Aufsichtsrates. Wir haben in drei Jahren eine wichtige Wahl. Unsere Amtsperiode geht zu Ende. Wenn wir das jetzt schon ehrlich sagen, kriegen wir ja den Beschluss nie durch. Und dann gibt es ja noch die unabsichtlichen Ursa- chen der Unterschätzung: wir vergessen was zu kalkulieren, wir unterschätzen das Risiko, das örtliche Klima, die politischen Einflüsse auf das Projekt, die Proteste der Bürger, die Ge- nehmigungsverfahren, die Nutzerwünsche in aller Vielfalt. Der Preis für all das ist hoch: Ver- lust der Glaubwürdigkeit, der Reputation, Verlust von Geld und Zeit, Verlust des Amtes, der Wahl oder der Freiheit. Es zahlt sich nicht aus.

3 Kiss! Keep It Simple, Stupid

Struktur, Organisation und Routinen einfach aber effizient

Ratlos grübeln wir vor dem Organigramm. Wer hat hier wem was zu sagen? Wer muss wem berichten? Kann eine Kommission effektiv Projektleiterin sein? Brauchen wir die alle im Pro- jekt? Und wer ist letztlich verantwortlich. Niemand. Verwirrt versuchen wir einen Freigabelauf nachzuvollziehen. 25 Unterschriften braucht jedes Dokument. Und wer denkt über die Kon- sequenzen seiner Unterschrift nach, bei 24 „Mittätern“? Niemand. Und wer ist am Ende schuld, wenn das Projekt so kompliziert organisiert war, dass es schief gehen musste? Nie- mand.

4 Wie der Herr, so das G’scherr

Nur gute Bauherren haben gute Projekte

Wir haben den besten Planer im Land. Und den besten Planungsleiter. Die beste Projekt- steuerung dazu. Die beste ÖBA sowieso. Und eine perfekte Begleitende Kontrolle. Bloß der

204 Festschrift 40 Jahre Ibpm Erfolgsfaktoren im Bauprojektmanagement, einmal anders

Bauherr weiß nicht ganz genau was er will. Sein Projektleiter ist schwach. In der Bauherren- besprechung sitzen 23 Bauherrenvertreter aus 9 Bauherrenorganisationen, sind sich aber fast nie einig. Das Gros der künftigen Nutzer kann man nicht einbeziehen, denn „die sind so kompliziert“. Daher können wir auch nicht viel entscheiden, denn „es ist noch nicht ausdisku- tiert“. Gestalterische Details legen wir gleich fest, weil die Frau unseres Generaldirektors Designerin ist. Da bekommen wir viel Rückenwind für das Projekt im Vorstand. Eilig haben wir es sowieso, denn in 3 Jahren muss alles fertig sein. Und weil eigentlich nichts weitergeht, wechseln wir den Bauherren-Projektleiter. Das dritte Mal schon. Da wird dann gleich alles besser werden.

5 … wenn es dem lieben Nachbarn nicht gefällt

Angemessene Bürgerinformation für Ihr Projekt

Die beiden großen Parteien im Parlament sind dafür. Der Bürgermeister ist dafür. Das Geld liegt bereit. Ein ideales Grundstück haben wir gefunden. Es ist sogar schon umgewidmet. Die künftigen Nutzer sind begeistert vom Vorentwurf. Mit den Behörden ist alles vorabge- stimmt. Und dann kommt plötzlich ein Nachbar und behauptet, das Projekt störe ihn. Subjek- tives Recht, oder nicht einmal Recht. Nur subjektives Empfinden. Und dann wiegelt der auch noch die anderen Nachbarn auf. Lauter solche empfindliche subjektive Subjekte, die sich durch alles gestört fühlen. Da hört sich doch alles auf. Tatsächlich. Es wurde nie gebaut.

6 Wenn der Nutzer mehr schadet als nutzt

Bauherrenanforderungen rechtzeitig und vollständig?

Der Nutzer heißt ja nicht Nutzer, weil er dem Projekt nutzt, sondern das Projekt nutzt. Des- sen mögen sich alle Planer und Steuerer immer bewusst sein. Wir planen unsere Projekte für Nutzer. Wir schwierig sie auch immer sein mögen, wir müssen sie rechtzeitig einbezie- hen, fragen was sie wollen. Je schwieriger sie sind, desto eher. Desto klüger müssen unsere Fragestellungen und Antworten sein. Dass Nutzer widersprüchliche Interessen haben kön- nen, ist legitim. Dass wir daraus ein allen genügendes, besser noch gut gefallendes Projekt machen müssen, liegt an uns. Dafür zahlen sie uns. Denn am Ende zahlen immer die Nut- zer.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 205 Erfolgsfaktoren im Bauprojektmanagement, einmal anders

7 Projekte scheitern am scheinbar Einfachen

Am Hausverstand und an der Menschenkenntnis

Ja woran denn? An einer übergangenen wichtigen Person in einer wichtigen Entscheidung. An einer Genehmigung, die man nicht in geeigneter Form zur geeigneten Zeit eingeholt hat. Am Baugrund, den man nicht ausreichend untersucht hat. Das ist zwar nichts Einfaches, aber einfach rechtzeitig zu beachten. An zwei leitenden Personen im Projektteam, die einan- der nicht leiden können, aber von niemandem zur Räson gebracht oder ausgetauscht wer- den. Das klingt einfach unglaublich, ist aber unglaublich häufig. Am politischen Willen (den gibt es auch bei Privaten) der zu schwach ist, klar „ja“ oder „nein“ zu sagen, so lange, bis es zu spät, zu teuer oder zu skandalös geworden ist.

8 Ordnung von Anfang an

Nicht starr, nicht pedantisch, nicht unflexibel, aber wohl durchdacht und fest geschrieben

Die pedantischen Ordnungsfetischisten organisieren jedes Detail in jedem Detail, so dass alles in perfekt geordneten Bahnen läuft, bis gar nichts mehr läuft. Die kreativen Chaoten vertrauen darauf, dass alle wissen, wie es laufen soll, alles irgendwie laufen wird, wenn man es nur nicht überreguliert und das Ziel einigermaßen klar ist. Dann gibt’s noch die Ordentli- chen, die die Ordnung klar vorgeben, dann aber auf deren Einhaltung nicht achten. Zuletzt gibt es noch die Gefährlichsten, die ihre Ordnung selber immer wieder durchbrechen, alle anderen aber strikt daran erinnern. Dabei setzen wir voraus, dass die vorgegebene Ordnung wohl durchdacht ist. Ist sie das nicht, ist sie selbstzerstörend. Wie soll man da Ordnung im Projekt halten?

9 Kick off, cool down, keep calm

Oder chaotisch beginnen, irrsinnig aufregen und hektisch bleiben, bis es schief gegangen ist

Eigentlich ist die Überschrift selbsterklärend. Zu Beginn alles durchdenken, andere miteinbe- ziehen, vorabstimmen, in einem „Kick off“ mitteilen, zum (gemeinsamen) Leben erwecken, und wenn es Probleme gibt (wo nicht?) ruhig bleiben, nicht allzu oft aufregen (manchmal ist es erzieherisch notwendig!) und in konsequenter Ruhe die Probleme (gemeinsam) lösen, bis zum (erfolgreichen) Schluss. Und weil das gar nicht so leicht ist, sind gute Projektleiter gar nicht so häufig.

206 Festschrift 40 Jahre Ibpm Erfolgsfaktoren im Bauprojektmanagement, einmal anders

10 Entscheidend sind nur die Menschen

Wenn nicht die richtigen Menschen am richtigen Platz sind, hat das Projekt keine Chance

Der eine ist ein perfekter Techniker, ruhig, durchdacht, kompetent, ehrlich, in keiner Weise durchtrieben, analytisch, konsequent, nur halt ein Einzelgänger, eher schüchtern, nicht kommunikativ. Der andere ist technisch nicht ganz so gut, dafür vertraglich versiert, wirt- schaftlich orientiert, durchschaut Probleme, kommt auf den Punkt, ist kommunikativ, rheto- risch perfekt, menschlich in Ordnung, in keiner Weise naiv. Nun hat die Firma des einen den Auftrag für Projektsteuerung und die Firma des anderen den Auftrag der statisch- konstruktiven Planung. Beides geht schief. Logisch. Das ist vollkommen überspitzt darge- stellt, kommt so nicht vor. Stimmt. Aber in Ansätzen immer wieder. Und nur das Extreme schärft Geist und Reaktion.

11 Team ja, aber nicht kopflos

Denn: Viele Köpfe verderben den Bau

Die Management-Theorie schlägt uns die Matrix-Organisation vor. Durchwegs reife Men- schen in einer idealtypischen Organisationsform. Jeder weiß, zu wem er in welcher Situation, mit welcher Fragestellung gehen muss. Es gibt keinen Chef und funktioniert wunderbar. So- weit die Theorie. Die Praxis sagt: Matrix ist gut, als Gedankenmodell, für den Hinterkopf. Für den Vorderkopf (Augen, Ohren, Mund, von der Nase einmal abgesehen, außer auf sehr schlecht geführten Baustellen) ist es wichtig, zu erkennen, wo oben und unten, vorne und hinten ist. Das klingt sehr kompliziert, heißt aber im Klartext: Jeder braucht seinen Chef, alle brauchen einen Chef und der sorgt für sein Team, wenn er ein guter Chef ist.

12 Jedes Projekt ist ein Seiltanz

Der Projektleiter braucht Balance und muss immer aufs Ziel schauen

Haben Sie schon einmal einen Seiltänzer beobachtet, der ununterbrochen gebannt in den Abgrund starrt, in den er stürzen könnte? Ja, aber nicht lange. Nur bis zum Sturz. Haben Sie beobachtet, mit wie kleinen, ruhigen Bewegungen ein guter Seiltänzer seine Balance immer wieder neu austariert? Ja. Dann könnten sie eigentlich sofort ins Projektmanagement gehen, vorausgesetzt, sie haben es nicht nur gesehen, sondern können das auch. Denn darauf kommt es an.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 207 Erfolgsfaktoren im Bauprojektmanagement, einmal anders

13 Vorbereiten, diskutieren, entscheiden, umsetzen

Oder: Reden, reden, reden, reden

Das kennen Sie sicher. Wir haben ein Problem. Wir erkennen es nicht genau, weder Ursa- che noch Auswirkung, also reden wir mit möglichst vielen Menschen mit möglichst vielen, unterschiedlichen Ansichten. Zuerst in Einzelgesprächen, dann in immer größer werdenden Sitzungen, Arbeitsgruppen, Kommissionen. Wir kommen nicht wirklich zu einer klaren Ent- scheidung, denn alles wird immer komplizierter. Um das Ärgste zu verhindern, setzen wir Ad- hoc Maßnahmen, schaffen wir lindernde Provisorien, starten wir eine Informations- und Ent- lastungsoffensive. Die wird rigoros umgesetzt. Ansonsten wird es immer ärger, und unserem Ärger machen wir in einem handfesten Streit Luft, mit dem wir erst recht an die Öffentlichkeit gehen. Denn wir lassen das nicht auf uns sitzen. Was eigentlich?

14 Form follows function, informell vor formell

Eine ewig gültige Design-Regel auf BPM transponiert

Was will er mit diesem weit hergeholten Wortspiel? Möglichst viele „f“ in die Überschrift brin- gen. Einen Stabreim schaffen? Die Regel sagt uns, dass die Form der Funktion folgen soll. Man möge sich also vorher gut überlegen, was man erreichen möchte. Welche Funktion er- füllt werden soll? Und welche Form dafür die richtige ist. Genau das gilt im BPM, im täglichen Leben. Man braucht eine heikle Entscheidung. In welcher Form holt man sie am besten ein? Informelle Vorabstimmung unter vier Augen? Großes Gremium mit vorherigem Lobbying? Druck aufbauen, Crash-Kurs? Erzwingen? Abpressen? Oder doch besser Gesichtsverlust vermeiden. Also doch ein zulässiger Vergleich.

15 Vergabe kommt von vergeben

Denn alle Chancen werden mit der Vergabe vergeben

Die Sprache ist oft ein kluger Wegweiser. In Jahrtausenden entwickelt, hält sie uns den Spiegel vor. Was vergeben wir bei der Vergabe? Ganz einfach: die Umsetzung des Werkes, oder zumindest eines wesentlichen Teils davon. Jenes Werkes, das zu errichten wir uns vor- genommen haben oder zu dem wir uns verpflichtet haben. Also ist die Vergabe ein Angel- punkt unseres Wirkens, um den sich alles dreht. Das gilt für Auftraggeber und Auftragneh- mer. Und diesen Angelpunkt lassen wir verkommen, in dem wir ihn formalisieren oder igno-

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rieren oder verkomplizieren oder verschlampen. Was wir in der Vergabe vergeben, können wir nie wieder gut machen. Vergib uns …

16 Vergütung kommt von gut

Und daran sollte man denken, wenn man sie vereinbart

Das ist weit hergeholt. Man kann ja Bezahlung sagen, dann ist der Vergleich weg. Hie Geld, hie Ware. Oder Honorierung, noch besser. So als ob es nur um die Ehre ginge. Faktum ist, dass es immer um einen Wertetausch geht. Ist der eine Wert nicht angemessen, wird der andere Wert dem angepasst. Ein-zwei-Mal kann gelingen, was wir „über den Tisch ziehen“ nennen. Den einen oder anderen können wir sogar in den Ruin treiben, ganze Branchen im eigenen Land gefährden. Ob das auf die Dauer gut ist, mögen sich jene fragen, die über Vergütungen zu entscheiden haben. Der Markt hat immer Recht, aber jeder Markt muss faire Regeln haben. Früher hieß das „Marktrichter“.

17 Vertrag kommt von vertragen

Der beste Vertrag kann Ihr Projekt nicht retten. Der dickste schon gar nicht.

Verträge heißen ja auch Vereinbarungen. Das ist noch deutlicher. Warum halten wir uns nicht dran? Wir wollen vereinbaren, wie wir uns im Projekt verhalten. Wir wollen uns Regeln geben, die Streit verhindern, im Ernstfall schlichten helfen. Unsere Verträge werden immer umfangreicher. Es ist schon eine gängige Haltung, den Vertrag zu ignorieren, denn einhalten könne man ihn ohnehin nicht. „Unterschreiben wir einmal, wir brauchen den Job. Den Rest machen wir dann schon irgendwie. Man wird sich mit den anderen schon zusammenreden können, trotz Vertrag“. Da krankt doch das System. Oder sehen wir das ganz falsch?

18 Das Recht darf nicht zur Reibung werden

Denn dass Reibung Energie in sinnlose Überhitzung verwandelt, lernen wir schon in der Physik

Das soll jetzt kein Plädoyer für Unrecht sein. Aber in internationalen Projekten mit vielen Be- teiligten stehen Rechtsfragen im Vordergrund und bestimmen Rechtsprobleme Ablauf und Kosten der Projekte. Die technische Lösung zum Wohl der Nutzer gerät ins Hintertreffen, wird zum Nebenschauplatz. Was bedeutet das? Wohin führt es? Immer weiter? BPM kann

Festschrift 40 Jahre Ibpm 209 Erfolgsfaktoren im Bauprojektmanagement, einmal anders

dazu keine Lösungen haben: Politik und Gesellschaft, internationale Gemeinschaften sind gefordert. Aber die haben wohl gerade andere Sorgen.

19 Das EU-Vergabe-Recht-Traum-Team

Oder Projekt-Management im Zufallsgenerator

Herr Zipfelzauer aus Kiel hat jüngst erfolgreich ein Spitalsprojekt geleitet. Madame Troispois aus Marseille kann auf hervorragende Referenzen in der Medizintechnik verweisen. Mrs Plunderhead aus Manchester ist Spezialistin für integrierte Gebäudelüftung in Hochhygiene- anstalten. Señor Manchego-Cajon aus Guadalajara war Bauleiter bei einem dem ausge- schriebenen Projekt sehr ähnlichen Projekt in Mexiko. Ideale Voraussetzungen, bei der EU- weiten Ausschreibung 100 Punkte zu bekommen. Und billig sind sie auch, das Angebot kommt von einer weltweit aktiven Consulting Firma, die ihre Ressourcen zu optimieren ge- lernt hat. Glücklich der Auftraggeber, dem dieser Zuschlag gelingt. Er hat ausgesorgt. Für immer.

20 Kostenverfolgung ist Ingenieurarbeit

Denn wer die Sache nicht versteht, kann die Kosten nicht verfolgen

Am Ende geht’s immer ums Geld, um die Kosten. Und daher haben Kostenplanung (Budge- tierung) und Kostenverfolgung zentrale Bedeutung für den Projekterfolg. Und um die Kosten zu verstehen, braucht es Fachkenntnis und Erfahrung. Und ohne die Kosten und ihre Hinter- gründe, Randbedingungen, Zusammensetzung und Entwicklung zu verstehen, kann man sie nicht planen, prognostizieren. Die Horizonte werden immer weiter, PPP-Modelle und andere Vertragsformen bringen die Lebenszykluskosten ins Spiel. Zu Recht machen Bauherren ihre Entscheidungen immer mehr von diesen langfristigen Erfolgsfaktoren ab. Immer mehr sind die Ingenieure gefordert, ihre Werke zu analysieren, ihre Prozesse zu schärfen und ihre Prognosemethoden zu verfeinern. Ein weites Feld …

21 Wir haben tolle Tools, die machen das schon

Und dann wundern wir uns, wenn wir nichts mehr zu tun haben

Der Computer macht einen Terminplan. Unser Projektserver verwaltet unsere Dokumente. Die Kostenverfolgung läuft in der EDV. Für die Protokollierung haben wir ein Programm. Die Rechnungslegung erfolgt elektronisch. Für die Mängelbehebung haben wir eine Datenbank.

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Und wo bleibt der Mensch. Denkt hier noch wer mit? Zwei Aspekte dazu: Erstens sind es am Ende immer wir, die Menschen, die den Erfolg bestimmen. Shit-in, Shit-out. Oder eben nicht. Zweitens liegt es an uns als teure Bürger eines teuren Landes, dass wir unsere teuren, meist geistigen Produkte immer weiter entwickeln, so dass wir am Weltmarkt unseren Vorsprung erhalten, von dem wir leben. So einfach funktioniert die Welt. Aber einfach ist das leider nicht.

22 Wenn die Kontrolle die Kontrolle kontrolliert kann es vorkommen, dass wir am Ende vor lauter Kontrolle nur mehr Papier, aber kein Bau- werk mehr haben

Es gibt so viele mögliche Fehlentwicklungen am Bau, dass man gar nicht oft genug kontrol- lieren kann. Und so legt sich eine Kontrollschicht nach der anderen wie eine Serie von Ne- beldecken über unsere Projekte. Die Kontrolleure lösen nichts, sie berichten aber über die Nicht-Lösungen. Und je länger die Nicht-Lösungen andauern, desto öfter und ausführlicher müssen sie berichten. Das ist ja ihr Job. Und zuletzt stellt die ex-post Kontrolle fest, dass alles außer Kontrolle war, nur Probleme und kein Erfolg zu berichten ist. Da könne man aber jetzt auch nichts mehr dran ändern.

23 Kopf oder Bauch

Was soll diese dumme Frage an dieser Stelle in dieser feierlichen Festschrift?

Beides! Das ist die Antwort auf diese dumme Frage. Sie kennen ihn, den hyper-intelligenten super-merkfähigen Über-Projektleiter, den Kopf-Menschen, der alles kann und alles weiß und alles berechnet und auf dieser Basis alles entscheidet. Sie kennen ihn auch, den erfah- renen Praktiker, der alles schon erlebt hat, alle Menschen richtig einschätzt, den Bauch- Menschen, der alle Situationen im „G’spür“ hat, feinste Schwingungen frühzeitig fühlt und mit allen emotional eine extrem gute Basis hat. Sie suchen seit langem nach dem Hybrid- Projektleiter zum Umschalten, je nach augenblicklicher Anforderung? Suchen Sie weiter. Oder nehmen Sie zwei und schauen Sie, dass sie gut miteinander auskommen, jeder in sei- ner Funktion.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 211 Erfolgsfaktoren im Bauprojektmanagement, einmal anders

24 Projekterfahrung kann man weitergeben

Auch wenn es nicht danach aussieht

Man kann ja sowohl die Theorie lehren, als auch die Praxis als Erfahrung weitergeben. Wir können den Studierenden die Methoden, Werkzeuge, Richtlinien und Checklisten vorstellen, ihnen das theoretische Rüstzeug für BPM mitgeben. Und wir können ihnen aus unserem Leben erzählen, was erfolgreich war, was zum Flop wurde. „How to learn from Project Disas- ters“ ist ein Lieblingsbuch dazu. Seit Kindertagen lernen wir hauptsächlich aus den negativen Erfahrungen. Über negative Projekterfahrungen frei reden zu können, ohne Reputationsver- lust oder Sanktionen fürchten zu müssen, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Weitergabe von Erfahrungen. Und zuletzt bleibt uns ja immer noch das „Learn- ing by Doing“, aber das mögen Unternehmer nicht so gerne. Wie engstirnig, geizig und klein- lich von ihnen.

25 Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende

Volle Konzentration auf einen konzentrierten Projektabschluss

Auch das haben Sie schon erlebt. Das Projekt geht zu Ende, die große Eröffnungsfeier ist vorüber. Es wird langweilig. Mängelbehebung steht noch an, Projektdokumentation, Abrech- nung, ein paar unspektakuläre Streitereien, und jede Menge Listen, Bescheide, Manuals, Anleitungen, Papierkram. Jeder will weg, zu neuen Herausforderungen. Auf die Meisten war- ten überall schon die neuen Projekte, man braucht sie dringend. Auf die Verbliebenen wartet nichts, außer Demotivation, Fadesse, Vergessen. Der Druck lässt nach, nichts passiert, Wo- chen und Monate vergehen, hie und da droht jemand, eine Bankgarantie zu ziehen, aber selbst das ist zu viel Aufwand … bis irgendwem der Faden reißt. Und das tut dann weh, wie alle wissen, die ein Gummiringerl überdehnt und nicht rechtzeitig ausgelassen haben.

26 Nichts wie weg. Spurlos verschwunden

Beim nächsten Projekt beginnen wir ja sowieso wieder von Null

Wir könnten aber auch bei 20 beginnen. Was immer das bedeutet. Wenn wir die Erkenntnis- se des gerade abgeschlossenen Projektes sammeln, dokumentieren, weitergeben, ersparen wir uns viel beim neuen Projektbeginn. Dann hätten wir eine Ist-Kosten-Dokumentation, eine Sammlung von Problemen und Lösungen, eine umfassende Projektdokumentation, mit Mus- terdokumenten für das nächste Mal, geordnet und bezeichnet, fast so wie gute Vorlesungs-

212 Festschrift 40 Jahre Ibpm Erfolgsfaktoren im Bauprojektmanagement, einmal anders

unterlagen, liebevoll vorbereitet, studentengerecht aufbereitet. Gerade Ihre jüngeren, noch weniger erfahrenen Mitarbeiter würden profitieren. Schön wär´s, aber ist es so? Und drum heißt‘s immer, jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen. Weil die anderen ihre nicht hergeben.

27 Fragen zum Abschluss dieser Aufzählung, ohne Antworten, zur Selbstreflexion:

x Fallen die angeführten Beispiele primär in die Kategorie technisches, wirtschaftliches, rechtliches oder menschliches Risiko? x War das Meiste an den Haaren herbeigezogen, oder doch nicht ganz daneben? x War es zu ernst oder zu unernst? x Was können und müssen wir konkret tun, um unsere Erfahrungen an die Studierenden weiter zu geben? x Haben Sie sich angegriffen gefühlt? Das täte uns leid, denn niemand war gemeint. Die meisten Fehler macht man ja immer selber; also ist der Autor schuld.

28 Der Floh im Ohr

Als kleine Hilfe zur Selbsthilfe setzen wir Ihnen noch einen völlig unwissenschaftlichen Be- griff als Floh ins Ohr, auf dass er Ihnen immer dann einfallen möge, wenn Sie darüber nach- denken, ob bei Ihrem Projekt die richtigen Menschen in den richtigen Funktionen sind, ob die Chemie im Team stimmt, egal ob Sie selber davon betroffen sind oder über andere zu dis- ponieren haben: das Projekt-Menschenment. Er soll Ihnen künftig helfen, das menschliche Risiko im Bauprojektmanagement zu minimieren. Gehen Sie nach der mathematisch einfa- chen Formel vor:

Projekt-Management = Projekt-Menschenment.

Hon. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Wilhelm Reismann, Partner iC consulenten Ziviltechniker GesmbH Schönbrunner Straße 297, 1120 Wien

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FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

Peter Petri (Uni.Lekor 2004 bis 2012)

Einleitend wird kurz erläutert, wie es überhaupt zum „Bauarbeitenkoordinationsgesetz - BauKG“ gekommen ist.

Das BauKG, das im Jahr 1999 in Kraft getreten ist, geht zurück auf eine Richtlinie der Euro- päischen Union, die Baustellen-Richtlinie. Diese Richtlinie beruht auf den Ergebnissen einer umfassenden Studie der EU.

In der Studie wurde festgestellt, dass zwei Drittel der Baustellenunfälle ihre Ursache in vor dem Baubeginn getroffenen Entscheidungen haben.

Eine detaillierte Untersuchung einer Reihe von tödlichen Arbeitsunfällen hat konkret erge- ben, dass diese zu 35% auf Fehler bei der Bauplanung und zu 28% auf die mangelnde Baustellenorganisation und Koordinierung der beteiligten Unternehmen zurückzuführen wa- ren, dass also 63 % der tödlichen Arbeitsunfälle auf Fehler, auf Versäumnisse zurückzufüh- ren sind, die vor Baubeginn gemacht wurden.

Dazu ein weiteres Detail: Die Gesamtkosten für kollektive Schutzmaßnahmen, umgelegt auf den Umsatz der einzelnen Tätigkeitsbereiche, liegen im Durchschnitt bei 1,5% des Umsatzes der gesamten Baubranche. Hingegen werden die Kosten der Arbeitsunfälle im Bauwesen auf 3% des Bauumsatzes geschätzt.

Um dieser Situation zu begegnen wurde die Baustellen-Richtlinie der EU ins Leben gerufen. Die Richtlinie spricht die Gesamtverantwortung des Bauherrn als Verursacher des Bauvor- habens an und schafft ein neues Konzept durch die Einrichtung der Aufgabenbereiche eines Planungskoordinators und eines Baustellenkoordinators.

Die Baustellen-Richtlinie integriert die Verhütung berufsbedingter Gefahren in die drei Ent- wicklungsphasen eines Bauwerkes,

x in die Entwurfsphase (Zeichenbrett, CAD) x bei der Baustellenplanung (Vergabe von Aufträgen) x bei der anschließenden Ausführung der Arbeiten, sowie bei späteren Arbeiten am Bauwerk.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 215 FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

Die Baustellen-Richtlinie nimmt sämtliche Akteure des Bauvorhabens in die Verantwortung, beginnend beim Bauherrn über den Projektleiter, die Planer, die Koordinatoren und die aus- führenden Unternehmen.

Im Jahr 1999 wurde die Baustellen-Richtlinie in Österreich durch das Bauarbeitenkoordinati- onsgesetz ins nationale Recht umgesetzt, im Jahr 2007 erschien die ÖNORM B 2107, die die praktische Umsetzung des BauKG zum Inhalt hat.

In den vergangenen zwölf Jahren, in denen in Österreich das BauKG in Kraft ist, wurden und werden zur richtigen und praxisgerechten Umsetzung des BauKG immer wieder Detailfragen gestellt.

Im Folgenden werden die am häufigsten gestellten Fragen wiedergegeben und unter Be- rücksichtigung der Inhalte des BauKG und der ÖNORM B 2107 sowie der Erfahrungen aus der Praxis beantwortet.

Einleitend die Übersicht über die gestellten Fragen:

Allgemeines

x Für welche Arbeiten gilt das BauKG? Gilt das BauKG auch bei Revisions- und Repara- turarbeiten? x Welche Pflichten haben die Planer?

Bauherr

x Woher soll ein „normaler“ Bauherr von seiner Verantwortung nach dem BauKG wis- sen? x Wie kann sich der Bauherr aller Verantwortung nach BauKG entledigen? x Kann die „Bauherreneigenschaft“ auf den Generalunternehmer übertragen werden? x Trägt der Bauherr noch Verantwortung, wenn er zwar keinen Projektleiter, aber einen Planungs- und einen Baustellenkoordinator eingesetzt hat? x Trägt der Bauherr noch Verantwortung, auch wenn er rechtswirksam einen qualifizier- ten Projektleiter für ein Bauvorhaben eingesetzt hat?

216 Festschrift 40 Jahre Ibpm FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

Bauherr/Projektleiter

x Welche Pflichten hat der Bauherr/Projektleiter, der in seinem Betrieb Um- oder Zubau- arbeiten plant? x Wie geht der Bauherr/Projektleiter bei funktionaler Ausschreibung vor? x Wie geht der Bauherr/Projektleiter bei Alternativvorschlägen vor, die von anbietenden Unternehmen in der Anbotsphase eingebracht werden?

Koordinatoren

x Ab welcher Baustellengröße müssen Koordinatoren bestellt werden? x Müssen Koordinatoren auch bei Beauftragung eines Generalunternehmers bestellt werden? x Müssen Koordinatoren bestellt werden, wenn nur ein Unternehmen und dessen Leih- arbeiter auf der Baustelle tätig werden? x Müssen Koordinatoren bestellt werden, wenn nur ein Unternehmen auf der Baustelle tätig ist, aber Lieferanten bzw die Bauaufsicht, Eisenbeschau etc auf die Baustelle kommen? x Müssen Koordinatoren auch bestellt werden, wenn Arbeitnehmer verschiedener Ar- beitgeber nicht gleichzeitig tätig werden? x Welche Qualifikation muss ein Koordinator haben? x Kann die als Koordinator bestellte juristische Person nur einen Betriebsangehörigen zur Wahrnehmung der Koordinationsaufgaben benennen?

Planungskoordinator

x Hat der Planungskoordinator auch noch in der Ausführungsphase Aufgaben? x Wie kann der Planungskoordinator einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (Si- GePlan) und eine Unterlage für spätere Arbeiten bei funktionaler oder teilfunktionaler Ausschreibung erstellen? x Wie soll der Planungskoordinator mit Alternativvorschlägen der anbietenden Unter- nehmen zum SiGePlan bzw zur Unterlage umgehen?

Baustellenkoordinator

x Ab wann und bis wann ist der Baustellenkoordinator tätig? x Muss der Baustellenkoordinator die Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente („Evaluierung“) der ausführenden Unternehmen einfordern? x Wie häufig muss der Baustellenkoordinator eine Baustelle besuchen?

Festschrift 40 Jahre Ibpm 217 FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

x Muss der Baustellenkoordinator seine Tätigkeit dokumentieren? x Was hat der Baustellenkoordinator zu tun, wenn er unmittelbar drohende Gefahr für Leben und Gesundheit feststellt?

Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (SiGePlan)

x Wann muss ein SiGePlan erstellt werden? x Unterlag für spätere Arbeiten x Für welche Bauvorhaben muss eine Unterlage erstellt werden? x Wie wird die Unterlage bei späteren Arbeiten genützt?

Ausführende Unternehmen

x Welche Pflichten haben die ausführenden Unternehmen?

1 Allgemeines

1.1 Für welche Arbeiten gilt das BauKG? Gilt das BauKG auch bei Revisions- und Reparaturarbeiten?

Das BauKG gilt nur für Baustellen und gemäß § 2 Abs. 3 BauKG sind Baustellen zeitlich be- grenzte oder ortsveränderliche Baustellen, an denen Hoch- und Tiefbauarbeiten durchge- führt werden.

Vom Zentral-Arbeitsinspektorat wurde der Baustellenbegriff im Erlass BMWA-461.317/0001- III/3/2006 vom 20.07.2006 näher erläutert: Renovierungsarbeiten, Reparaturarbeiten usw. ohne Hoch- und Tiefbauarbeiten sind keine "Bauarbeiten" bzw Arbeiten auf Baustellen, son- dern Arbeiten auf "auswärtigen Arbeitsstellen". Das BauKG gilt dann mangels Vorliegen ei- ner "Baustelle" nicht.

Arbeiten des Bauhilfs- und -nebengewerbes, zB Installations- oder Malerarbeiten im Hausin- neren, fallen nur unter das BauKG, wenn sie gemeinsam oder aufeinander folgend mit Hoch- und Tiefbauarbeiten durchgeführt werden. Dh Malerarbeiten, Parkett-, Fliesenverlegungstä- tigkeiten, Malerei- oder Tapezierarbeiten sind keine Bauarbeiten; Installationsarbeiten sind nur dann Bauarbeiten, wenn es im Zuge dieser Arbeiten auch zu „nicht nur geringfügigen Eingriffen in die Bausubstanz“ kommt; nur dann kann von Hoch- und Tiefbauarbeiten ge- sprochen werden, nur dann gelten BauKG bzw BauV. Somit liegt zB dann eine „Baustelle“

218 Festschrift 40 Jahre Ibpm FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

vor, wenn es zu nicht unerheblichen Stemmarbeiten im Zuge eines Wohnungsumbaus kommt, hingegen sind dann keine „Bauarbeiten“ gegeben bzw liegt dann keine „Baustelle“ vor, wenn es im Zuge der Installationsarbeiten nur zu einfachen Stemmarbeiten in geringem Umfang kommt.

Für den nicht unter das BauKG fallenden Bereich, zB der Renovierungs- und Reparaturar- beiten an Maschinen und Elektroreparaturarbeiten an Schaltfeldern, gilt § 8 Abs.1 und 2 des ASchG, wo speziell Pflichten des für die Arbeitsstätte verantwortlichen Arbeitgebers, also des Anlagenbetreibers genannt werden:

x Erforderlichenfalls für die Information der betriebsfremden Arbeitnehmer über die in der Arbeitsstätte bestehenden Gefahren und für eine entsprechende Unterweisung zu sor- gen, x den Arbeitgebern der Fremdfirmen im erforderlichen Ausmaß Zugang zu den Sicher- heit- und Gesundheitsschutzdokumenten zu gewähren, x die für die betriebsfremden Arbeitnehmer wegen Gefahren in der Arbeitsstätte erforder- lichen Schutzmaßnahmen im Einvernehmen mit deren Arbeitgebern festzulegen und x für deren Durchführung zu sorgen, ausgenommen die Beaufsichtigung der betriebs- fremden Personen.

Für die oben genannten Reparaturarbeiten ist also die Koordinierungspflicht nicht über das BauKG, sondern durch § 8 ASchG als Verpflichtung des Anlagenbetreibers geregelt.

1.2 Welche Pflichten haben die Planer?

Im BauKG sind keine Pflichten der Planer formuliert, wohl aber in der ÖNORM B 2107: Die Planer haben gemäß Pkt. 4.4 der ÖNORM B 2107-1

x die Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß ASchG zu berücksichtigen, x die sicherheitstechnischen Hinweise des Planungskoordinators zu berücksichtigen, x sämtliche sicherheitstechnisch relevanten Informationen und Unterlagen an ihre Sub- planer weiter zu geben und sie zu deren Berücksichtigung zu verpflichten.

Weiters hat gemäß Pkt. 4.2.3 der ÖNORM B 2107-1 der Bauherr/Projektleiter die Planer zu beauftragen, die Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß ASchG sowie gegebenenfalls die Hinweise des Planungskoordinators zu berücksichtigen. Darüber hinaus hat er die Planer zu veranlassen, die notwendigen Unterlagen dem Planungskoordinator zu übermitteln.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 219 FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

Des weiteren sind entsprechend den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und den geltenden Berufsausübungsregelungen die vom Bauherrn beauftragten Planer u.a. verpflichtet, einen über das BauKG offensichtlich nicht informierten Bauherrn auf die Verpflichtung zur Bestel- lung von Koordinatoren und die sonstigen Pflichten nach dem BauKG hinzuweisen (Warn- und Hinweispflicht).

2 Bauherr

2.1 Woher soll ein „normaler“ Bauherr von seiner Verantwortung nach dem BauKG wissen?

Entsprechend den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und der für sie geltenden Berufsaus- übungsregelungen sind vom Bauherrn beauftragte Baumeister, Ziviltechniker, Technische Büros u.a. verpflichtet, einen über das BauKG offensichtlich nicht informierten Bauherrn auf die Pflichten nach dem BauKG hinzuweisen (Warn- und Hinweispflicht).

2.2 Wie kann sich der Bauherr aller Verantwortung nach BauKG entledigen?

Die einzige Möglichkeit, sich aller Verantwortung zu entledigen, besteht für den Bauherrn in der Einsetzung eines externen „Projektleiters gemäß BauKG“, eines Baufachmanns seines Vertrauens, dem er all seine Pflichten nach BauKG überträgt; der Projektleiter muss dieser Pflichtenübertragung – die Schriftlichkeit wird empfohlen - zustimmen.

Wer als Projektleiter bestellt wird, liegt einzig und allein in der Entscheidung des Bauherrn. Der Gesetzgeber macht diesbezüglich keinerlei Einschränkungen. Somit kann eine natürli- che Person, eine juristische Person oder eine sonstige Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit als Projektleiter bestellt werden.

Wenn kein Projektleiter rechtswirksam eingesetzt wird, verbleiben alle unter 3. angeführten Pflichten beim Bauherrn.

2.3 Kann die „Bauherrneigenschaft“ auf den Generalunternehmer übertragen werden?

Nein, eine derartige Übertragung ist nicht möglich. Jene Person, in deren Auftrag das Bau- werk ausgeführt wird, bleibt Bauherr im Sinne des § 2 Abs. 1 BauKG. Bauherr ist daher stets

220 Festschrift 40 Jahre Ibpm FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

die erste Person in der Kette allfälliger weiterer Aufträge. Nicht entscheidend für die Bau- herrneigenschaft ist, wer das wirtschaftliche Risiko der Bauführung trägt.

2.4 Trägt der Bauherr noch Verantwortung, wenn er zwar keinen Projektleiter, aber einen Planungs- und einen Baustellenkoordinator eingesetzt hat?

Ja, folgende Pflichten verbleiben trotz Bestellung der Koordinatoren:

x In der Planungsphase ist es Aufgabe des Planungskoordinators darauf zu achten, dass der erstellte SiGePlan und die Unterlage zur Anwendung kommen, dh gegebenenfalls den Bauherrn darauf aufmerksam machen. Dann ist es die Verantwortung des somit informierten Bauherrn, für die Umsetzung von SiGePlan und Unterlage durch vertragli- che Vereinbarung mit den ausführenden Firmen zu sorgen. x Wenn dem Bauherrn vom Baustellenkoordinator von erforderlichen Änderungen des SiGePlans oder der Unterlage berichtet wird, dann liegt es in seiner Verantwortung, für die Umsetzung des geänderten SiGePlans bzw der geänderten Unterlage zu sorgen. x Wenn der Bauherr vom Baustellenkoordinator auf Gefahren für Arbeitnehmer aufmerk- sam gemacht wird, dann liegt es in seiner Verantwortung, für die Beseitigung dieser Gefahren durch die ausführenden Unternehmen zu sorgen und dies auch kontrollieren zu lassen.

2.5 Trägt der Bauherr noch Verantwortung, auch wenn er rechtswirksam einen qualifizierten Projektleiter für ein Bauvorhaben eingesetzt hat?

Ja, folgende Verpflichtungen in der Nutzungsphase, die die Anwendung der Unterlage für spätere Arbeiten betreffen und die in der ÖNORM B 2107 formuliert sind, verbleiben beim Bauherrn, nämlich:

x Der Bauherr hat gemäß Pkt. 6 der ÖNORM B 2107-1 dafür zu sorgen dass die Unter- lage für spätere Arbeiten für die Dauer des Bestandes des Bauwerkes in geeigneter Weise aufbewahrt wird. Bei Wohnungseigentum und gemeinsamen Eigentum an ei- nem Bauwerk sollte die Aufbewahrung durch eine zentrale Stelle erfolgen. Der Zugriff für die jeweiligen Eigentümer und die Anpassung bei weiteren Baumaßnahem ist si- cherzustellen (zB Hausverwaltung, Facility Management). x Wird das Bauwerk vom Bauherrn verkauft oder übergeben, hat der Rechtsnachfolger für die Aufbewahrung der Unterlage für spätere Arbeiten zu sorgen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 221 FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

x Wenn in der Nutzungsphase Arbeiten am Bauwerk geplant sind, hat der Auftraggeber – also im Regelfall der Bauherr – gemäß Pkt. 6 der ÖNORM B 2107-1 folgende Aufga- ben: x Sind spätere Arbeiten am Bauwerk geplant, zB Nutzungs-, Wartungs-, Instandhal- tungs-, Umbau- oder Abbrucharbeiten, so hat der Auftraggeber dieser Arbeiten jenen Teil der Unterlage, der sich auf die jeweiligen Arbeiten bezieht, zeitgerecht dem Pla- nungskoordinator (falls einer bestellt wird) oder den anbietenden Unternehmen zu- gänglich zu machen. x Der Auftraggeber dieser Arbeiten, der Planungskoordinator, die anbietenden Unter- nehmen haben bei der Vorbereitung und Durchführung der späteren Arbeiten den In- halt der Unterlage für spätere Arbeiten zu berücksichtigen.

3 Bauherr/Projektleiter

Wenn der Bauherr keinen externen „Projektleiter gemäß BauKG“ eingesetzt hat, verbleiben alle im Folgenden genannten Aufgaben und Pflichten beim Bauherrn.

Hat der Bauherr als Projektleiter einen Betriebsangehörigen eingesetzt, verbleibt die verwal- tungsstrafrechtliche Verantwortung beim Bauherrn.

Um auf die Möglichkeit der Pflichtenübertragung durchgängig aufmerksam zu machen, wird im folgenden - analog der ÖNORM B 2107 - bei allen Bauherrnpflichten, die einem „Projekt- leiter gemäß BauKG“ übertragen werden können, die Bezeichnung Bauherr/Projektleiter ge- wählt.

3.1 Welche Pflichten hat der Bauherr/Projektleiter, der in seinem Betrieb Um- oder Zubauarbeiten plant?

Gemäß Pkt. 4.2.1 der ÖNORM B 2107-1 hat der Bauherr/Projektleiter dafür zu sorgen, dass

x erforderlichenfalls die betriebsfremden Arbeitnehmer (dh die Bauarbeiter) über die im Betrieb bestehenden Gefahren informiert und unterwiesen werden, x die betriebsfremden Unternehmen im erforderlichen Umfang Zugang zu den Sicher- heits- und Gesundheitsschutzdokumenten des Betriebes haben (dh den Baufirmen wird Einblick in die durchgeführte Gefahrenermittlung und die festgelegten Schutz- maßnahmen des Betriebes gewährt), x die sich aus dem Betrieb bzw der Nutzung ergebenden erforderlichen Schutzmaßnah- men für die dem Betrieb zugehörigen Personen und nicht zugehörigen Personen (zB

222 Festschrift 40 Jahre Ibpm FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

Besucher und betriebsfremde Arbeitnehmer) im Einvernehmen mit deren Unternehmen festgelegt und umgesetzt werden (dh der Betriebsinhaber legt die sich aus den betrieb- lichen Gefahren ergebenden Schutzmaßnahmen fest, die sich für die Bauarbeiter er- geben – im Einvernehmen mit deren Arbeitgebern – sowie die sich für Kunden, Besu- cher, ergeben), x erforderlichenfalls Maßnahmen zum Schutz von sonstigen Personen (zB Passanten, Mieter, Pächter) festgelegt und umgesetzt werden.

Somit wurden im Pkt. 4.2.1 der ÖNORM B 2107-1 nicht nur die sich aus dem Arbeitnehmer- Innenschutzgesetz ergebenden Pflichten des Betriebsinhabers für die betriebsfremden Ar- beitnehmer aufgenommen, sondern auch der Schutz von Betriebsbesuchern und Kunden sowie der Schutz von fremden Personen (Anrainer, Passanten etc) geregelt.

3.2 Wie geht der Bauherr/Projektleiter bei funktionaler Ausschreibung vor?

Gemäß Pkt. 4.2.6 der ÖNORM B 2107-1 hat der Bauherr/Projektleiter bei funktionaler Aus- schreibung folgende Pflichten:

Werden in der Vorbereitungsphase von den anbietenden Unternehmen funktionale (oder teilfunktionale) Ausschreibungen konkretisiert, zieht der Bauherr/Projektleiter den Planungs- koordinator zur Beurteilung der Belange der Gefahrenverhütung und zur gegebenenfalls notwendigen Adaptierung des SiGePlans und der Unterlage bei. Der Bauherr/Projektleiter sorgt dafür, dass der adaptierte SiGePlan und die adaptierte Unterlage zur Anwendung kommen. Dabei spricht die Norm die Empfehlung aus, die sich aus dem SiGePlan ergeben- den Maßnahmen zur Gefahrenverhütung im Leistungsverzeichnis aufzunehmen. Im Leis- tungsverzeichnis/Bauzeitplan u. dgl. nicht geregelte organisatorische Maßnahmen sind in der Baustellenordnung vertraglich zu vereinbaren.

3.3 Wie geht der Bauherr/Projektleiter bei Alternativvorschlägen vor, die von anbietenden Unternehmen in der Anbotsphase eingebracht werden?

Gemäß Pkt. 4.2.6 der ÖNORM B 2107-1 hat der Bauherr/Projektleiter bei Alternativvorschlä- ge folgende Pflichten:

Werden in der Vorbereitungsphase von den anbietenden Unternehmen Alternativvorschläge vorgebracht, zieht der Bauherr/Projektleiter den Planungskoordinator zur Beurteilung der

Festschrift 40 Jahre Ibpm 223 FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

Belange der Gefahrenverhütung und zur gegebenenfalls notwendigen Adaptierung des Si- GePlans und der Unterlage bei. Der Bauherr/Projektleiter sorgt dafür, dass der adaptierte SiGePlan und die adaptierte Unterlage zur Anwendung kommen. Dabei spricht die Norm die Empfehlung aus, die sich aus dem SiGePlan ergebenden Maßnahmen zur Gefahrenverhü- tung im Leistungsverzeichnis aufzunehmen. Im Leistungs-verzeichnis/Bauzeitplan u. dgl. nicht geregelte organisatorische Maßnahmen sind in der Baustellenordnung vertraglich zu vereinbaren.

4 Koordinatoren

4.1 Ab welcher Baustellengröße müssen Koordinatoren bestellt werden?

Vom Zentral-Arbeitsinspektorat wurde bereits vor Jahren eine gleich lautende Anfrage an die Kommission der Europäischen Union gestellt. Die Antwort der EU war und ist eindeutig:

Die Bestellung von Koordinatoren ist an keine Baustellengröße gebunden, es gibt also keine „Kleinheitsschranke“ für ein Bauvorhaben, ab der erst Koordinatoren bestellt werden müs- sen. Einziges Kriterium ist die gleichzeitige oder aufeinander folgende Beschäftigung von Arbeitnehmern mehrerer Arbeitgeber auf einer Baustelle gemäß § 2 Abs. 3 BauKG.

4.2 Müssen Koordinatoren auch bei Beauftragung eines Generalunternehmers bestellt werden?

Ja, im § 3 Abs. 1 BauKG wird nicht auf die Art der Beauftragung der Unternehmen einge- gangen, Kriterium für die Bestellung von Koordinatoren ist die Zahl der beschäftigten Unter- nehmen. Wenn es für den Bauherrn absehbar ist, dass der Generalunternehmer nicht alle Arbeiten mit eigenen Arbeitnehmern durchführen wird, sondern Subunternehmen beschäfti- gen wird - und das ist der Regelfall -, dann hat er auch Koordinatoren zu bestellen.

4.3 Müssen Koordinatoren bestellt werden, wenn nur ein Unternehmen und dessen Leiharbeiter auf der Baustelle tätig werden?

Nein. Werden Arbeitnehmer eines Unternehmens einem anderen Unternehmen überlassen, so ist nicht von zwei Unternehmen auszugehen. Wenn also zB im Zuge einer Kanalherstel- lung ein Bauunternehmen einen Bagger mit Baggerfahrer anmietet, und dieser Baggerfahrer

224 Festschrift 40 Jahre Ibpm FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

kein eigenständiges Werk herstellt, sondern ausschließlich nach den Weisungen von Polier und Bauleiter des Bauunternehmens tätig wird, so liegt Überlassung gemäß § 9 ASchG vor. In diesem Fall wird also nur ein Unternehmen tätig, es müssen Koordinatoren nicht bestellt werden.

4.4 Müssen Koordinatoren bestellt werden, wenn nur ein Unternehmen auf der Baustelle tätig ist, aber Lieferanten bzw Bauaufsicht, Eisenbeschau etc auf die Baustelle kommen?

Nein. Da Lieferanten lediglich ihre Materialien abladen bzw Bauaufsicht und Eisenbeschau keine eigentlichen Bauarbeiten auf der Baustelle ausführen, müssen Koordinatoren nicht bestellt werden.

4.5 Müssen Koordinatoren auch bestellt werden, wenn Arbeitnehmer verschiedener Arbeitgeber nicht gleichzeitig tätig werden?

Grundsätzlich müssen Koordinatoren bestellt werden, wenn Arbeitnehmer mehrerer Arbeit- geber gleichzeitig oder aufeinander folgend beschäftigt werden.

Sinngemäß ist aber das Wort „aufeinander folgend“ im § 3 Abs. 1 BauKG zu ergänzen durch „einander beeinflussend“ bzw durch „gemeinsame Gefährdungen“. Wenn zB in einem Bade- zimmer die Baufirma an einem Tag Umbauarbeiten durchführt, am zweiten Tag ein Elektriker eine Leitung verlegt und am nächsten Tag der Maler mit Anstricharbeiten beginnt, liegt übli- cherweise keine gegenseitige Beeinträchtigung vor, es gibt keine erforderlichen gemeinsa- men Einrichtungen, sodass Koordinatoren nicht notwendig sind. Hingegen sind zB bei einer Dachumdeckung, bei der nacheinander Zimmerer, Dachdecker und Spengler tätig werden, sehr wohl gemeinsame Einrichtungen und Schutzmaßnahmen erforderlich, wie ein gemein- sames Dachfanggerüst, gemeinsame Zugänge etc. Für diesen Fall ist also die Bestellung von Koordinatoren vorgesehen.

4.6 Welche Qualifikation muss ein Koordinator haben?

Jeder Koordinator muss über eine für die jeweilige Bauwerksplanung oder Bauwerksausfüh- rung einschlägige Ausbildung und – unabdingbar - eine mindestens dreijährige einschlägige Berufserfahrung verfügen.

In der ÖNORM B 2107 ist darüber hinaus näher ausgeführt, dass

Festschrift 40 Jahre Ibpm 225 FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

x als Planungskoordinator ebenso wie als Baustellenkoordinator nur eine Person bestellt werden darf, die – neben der fachlichen Qualifikation – über Kenntnisse über die in Be- tracht kommenden Arbeitnehmerschutzvorschriften verfügt (Pkt. 4.2.2 ÖNORM B 2107-1), x der Baustellenkoordinator über eine für die jeweilige Bauwerksausführung oder Über- wachung der Ausführung einschlägige Ausbildung verfügen muss (Pkt. 5.1.1 ÖNORM B 2107-1).

Planungs- und Baustellenkoordinator haben ihre Qualifikation durch Eignungsnachweise (zB Referenzliste, Ausbildungsnachweise) nachzuweisen.

4.7 Muss ein Koordinator unbedingt eine Bauausbildung haben oder genügt eine Maschinenbauausbildung?

Auch hier gilt der Grundsatz: Jeder Koordinator muss über eine für die jeweilige Bauwerks- planung oder Bauwerksausführung einschlägige Ausbildung und eine mindestens dreijährige einschlägige Berufserfahrung verfügen.

Es muss also der Koordinator eine einschlägige Bauausbildung haben, es wird aber nir- gendwo fixiert, dass die Ausbildung unbedingt eine schulische Ausbildung sein muss. Die Ausbildung kann auch im Rahmen der beruflichen Tätigkeit erfolgen, zB ein Sicherheitstech- niker, der von der schulischen Ausbildung her ein Maschinenbauer ist, aber bei dem Bauun- ternehmen, für das er tätig ist, innerbetrieblich eine Ausbildung in gewissen Baubereichen erfährt; oder ein Maschinenbauer, der in einem technischen Büro oder einem Ziviltechniker- büro arbeitet und so eine gewisse Bauausbildung erfährt. Klar ist, dass ein derartiger Ma- schinenbauer dann nur bei jenen Bauvorhaben als Koordinator eingesetzt werden kann, für die er innerbetrieblich eine entsprechende Ausbildung erfahren hat und über eine entspre- chende Berufserfahrung verfügt.

4.8 Kann die als Koordinator bestellte juristische Person nur einen Betriebsangehörigen zur Wahrnehmung der Koordinationsaufgaben benennen?

Nein. Im Regelfall wird als natürliche Person wohl ein Betriebsangehöriger benannt werden, allerdings ist die Benennung eines externen Fachkundigen per Werkvertrag nicht dezidiert ausgeschlossen. Für die Einhaltung der in § 4 Abs. 2 bzw § 5 genannten Pflichten des Koor- dinators ist allerdings in jedem der beiden Fälle - auch im Falle der Benennung per Werkver-

226 Festschrift 40 Jahre Ibpm FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

trag - die juristische Person bzw die sonstige Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit verwal- tungsstrafrechtlich verantwortlich (§ 10 Abs. 1 Z. 2 und 3). Eine Zustimmungs-erklärung der so benannten natürlichen Person ist nicht notwendig.

5 Planungskoordinator

5.1 Hat der Planungskoordinator auch noch in der Ausführungsphase Aufgaben?

Das BauKG sagt darüber nichts aus, wohl aber die ÖNORM B 2107:

x Im Pkt. 3.18 der ÖNORM B 2107-1 wurde klargestellt, dass die Vorbereitungsphase - und damit die Tätigkeit des Planungskoordinators - mit den Arbeiten zur Einreichpla- nung oder Genehmigungsplanung beginnt und mit der letzten Vergabe eines Auftrags durch den Bauherrn/Projektleiter an ein Unternehmen endet. x Nach wie vor zuständig in der Ausführungsphase ist der Planungskoordinator für alle Gewerke, die noch nicht vergeben sind. Und so hat er gemäß Pkt. 5.2 der ÖNORM B 2107-1, falls dies zum Schutz der Arbeitnehmer erforderlich ist, den SiGePlan und die Unterlage für jene Gewerke anzupassen, die noch nicht vergeben sind. Dabei ist das Einvernehmen mit dem Baustellenkoordinator herzustellen.

5.2 Wie kann der Planungskoordinator einen SiGePlan und eine Unterlage bei funktionaler oder teilfunktionaler Ausschreibung erstellen?

Wenn vom Planungskoordinator die erforderlichen Schutzmaßnahmen nicht von vornherein im SiGePlan und der Unterlage festgelegt werden können, da die Arbeitsweise den anbie- tenden Unternehmen überlassen wird, ist gemäß Pkt. 4.2.6 der ÖNORM B 2107-1 folgen- dermaßen vorzugehen:

x In einem ersten Schritt legt der Planungskoordinator die jeweiligen Schutzziele für die Arbeitsdurchführung und für spätere Arbeiten fest und fordert die anbietenden Unter- nehmen auf, in ihrem Anbot zu konkretisieren, durch welche Schutzmaßnahmen diese Schutzziele in Abhängigkeit der gewählten Arbeitsdurchführung erreicht werden sollen. x Nach Abgabe der Anbote beurteilt der Planungskoordinator die angebotenen Schutz- maßnahmen, beurteilt ob die Schutzziele erreicht sind. x Nach der Auftragsvergabe an ein Unternehmen übernimmt er die konkreten Schutz- maßnahmen dieses Unternehmens und adaptiert den SiGePlan und die Unterlage.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 227 FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

x Er achtet dann darauf, dass der so adaptierte SiGePlan bzw die adaptierte Unterlage vom Bauherrn/Projektleiter vertraglich vereinbart werden.

5.3 Wie soll der Planungskoordinator mit Alternativvorschlägen der anbietenden Unternehmen zum SiGePlan bzw zur Unterlage umgehen?

Wenn von anbietenden Unternehmen im Anbot Alternativvorschläge zu im SiGePlan oder in der Unterlage festgelegten Schutzmaßnahmen oder –einrichtungen gemacht werden, ist gemäß Pkt. 4.2.6 der ÖNORM B 2107-1 folgendermaßen vorzugehen:

Nach Abgabe der Anbote beurteilt der Planungskoordinator die angebotenen alternativen Schutzmaßnahmen, beurteilt ob die Schutzziele erreicht sind, und adaptiert den SiGePlan und die Unterlage, in dem er die alternativen Schutzmaßnahmen des Unternehmens über- nimmt, das den Zuschlag bekommen hat.

Er achtet dann darauf, dass der adaptierte SiGePlan bzw die adaptierte Unterlage vom Bau- herrn/Projektleiter vertraglich vereinbart werden.

6 Baustellenkoordinator

6.1 Ab wann und bis wann ist der Baustellenkoordinator tätig?

Im Pkt. 3.1 der ÖNORM B 2107 wurde zur Klarstellung definiert, dass die Ausführungsphase mit der ersten Vergabe an einen Arbeitgeber oder Selbständigen beginnt und mit der Über- gabe des Bauwerks endet.

6.2 Muss der Baustellenkoordinator die Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente („Evaluierung“) der ausführenden Unternehmen einfordern?

Konkret wird weder im BauKG noch in der ÖNORM B 2107 darüber etwas ausgesagt. Ob der Baustellenkoordinator von einem Unternehmen Evaluierungsdokumente einfordert oder nicht, hängt ausschließlich davon ab, wie gefährlich die Arbeiten des jeweiligen Unterneh- mens sind – gefährlich für die eigenen und für die anderen Arbeitnehmer.

228 Festschrift 40 Jahre Ibpm FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

Jedenfalls sollte der Baustellenkoordinator das Evaluierungsdokument für jene Arbeiten ein- fordern, die der Gesetzgeber als besonders gefährliche Arbeiten einstuft, speziell für jene Arbeiten, bei denen der Gesetzgeber dezidiert spezielle Evaluierungsdokumente fordert.

Arbeiten, bei denen Evaluierungsdokumente gesetzlich gefordert sind

x Montagearbeiten und Bauen mit Fertigteilen - gemäß § 85 BauV wird als Evaluie- rungsdokument eine sogenannte Montageanweisung gefordert, die nur entfallen kann, wenn keine besonderen Sicherheitsmaßnahmen erforderlich sind oder für die Montage die Kenntnis besonderer sicherheitstechnischer Angaben nicht erforderlich ist; x Abbrucharbeiten - gemäß § 110 BauV wird als Evaluierungsdokument eine sogenannte Abbruchanweisung gefordert, die nur bei jenen Abbrucharbeiten entfallen kann, für die keine besonderen Sicherungsmaßnamen oder Anweisungen notwendig sind; x Arbeiten in oder an Behältern, Silos, Schächten, Gruben, Gräben, Künetten, Kanälen und Rohrleitungen - gemäß § 120 BauV wird als Evaluierungsdokument eine von der Aufsichtsperson schriftlich zu verfassende Anordnung der notwendigen Schutzmaß- nahmen gefordert, die nur entfallen können, wenn sichergestellt ist, dass weder Sauer- stoffmangel noch gesundheitsgefährdende oder brandgefährliche Stoffe auftreten kön- nen; x Arbeiten in explosionsgefährdeten Bereichen - gemäß § 5 VEXAT wird als Evaluie- rungsdokument ein sogenanntes Explosionsschutzdokument gefordert, x Arbeiten, bei denen die Arbeitnehmer Asbeststaub oder Staub von asbesthältigen Ma- terialien ausgesetzt sind – gemäß § 23 GKV 2006 ist hiefür ein Arbeitsplan zu erstel- len.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 229 FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

Gefährliche Arbeiten gemäß BauV

Mit Arbeiten, die mit besonderen Gefahren verbunden sind, dürfen gemäß § 5 Abs. 4 BauV nur Arbeitnehmer beschäftigt werden, die mit diesen Arbeiten vertraut, körperlich und fach- lich geeignet sowie besonders unterwiesen worden sind. Zu diesen Arbeiten zählen:

x Das Einbringen von Künettenverbauen - gemäß § 51 BauV; x das Aufstellen oder Abtragen von Gerüsten - gemäß § 60 BauV; x Arbeiten auf Dächern, wobei die Arbeitnehmer mit PSA gesichert sind - gemäß § 87 BauV; x Untertagebauarbeiten - gemäß 13. Abschnitt BauV; x Wasserbauarbeiten - gemäß § 106 BauV; x Arbeiten im Gleisbereich - gemäß § 108 BauV; x Arbeiten im Bereich von Deponien unter Niveau - gemäß § 123 BauV; x Arbeiten, bei denen Bleistaub frei wird - gemäß § 125 BauV; x Sandstrahlen - gemäß § 126 BauV; x Arbeiten mit Flüssiggas unter Erdgleiche - gemäß § 130 BauV.

Für all diese unter A. und B. angeführten Arbeiten wird der Baustellenkoordinator vom jewei- ligen Unternehmen das Evaluierungsdokument einfordern.

Es muss sich der Baustellenkoordinator klar sein, dass er es dabei nicht bewenden lassen kann, diese Evaluierungsdokumente der Unternehmen einzusammeln und aufzubewahren. Zu seinen Aufgaben gehört es im Sinne des § 5 Abs. 1 BauKG zweifellos, diese Evaluie- rungsdokumente entsprechend seinen Fachkenntnissen darauf zu überprüfen, ob die Grundsätze der Gefahrenverhütung auch entsprechend berücksichtigt sind.

Der Baustellenkoordinator sollte sich daher nicht mit den in der Praxis oft als sogenannte „Evaluierung“ kursierenden umfangreichen EDV-Ausdrucken, die bestenfalls als Sicherheits- handbuch geeignet sind, zufrieden geben, sondern eine kurze konkrete Handlungsanwei- sung, eine Art Checkliste nach dem Grundsatz „Weniger ist mehr“ einfordern, die von den auf der Baustelle tätigen Arbeitnehmern des ausführenden Unternehmens auch umgesetzt werden können.

Gefährliche Arbeiten gemäß BauKG

Für die gemäß BauKG als „mit besonderen Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der Ar- beitnehmer verbunden sind“ eingestuften Arbeiten (§ 7 Abs. 2 und 3 BauKG) müssen bereits

230 Festschrift 40 Jahre Ibpm FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

im SiGePlan die erforderlichen Maßnahmen vorgesehen werden. Für diese Arbeiten ist keine „Evaluierung“ durch die ausführenden Unternehmen mehr notwendig, die ausführenden Un- ternehmen haben lediglich die über den SiGePlan vereinbarten Maßnahmen zur Gefahren- beseitigung durchzuführen.

Sollte der Baustellenkoordinator in Erfahrung bringen, dass von einem Unternehmen derarti- ge gefährliche Arbeiten gemäß BauKG vorgesehen sind, obwohl dies im SiGePlan nicht vermerkt ist, wird er natürlich umgehend die Evaluierungsdokument einfordern.

6.3 Wie häufig muss der Baustellenkoordinator eine Baustelle besuchen?

Darüber wird im BauKG nichts konkret ausgesagt, es ist aber klar, dass er die Intervalle sei- ner Baustellenbesuche so wählen muss, dass er seinen Job, dh seine Pflichten gemäß § 5 BauKG erfüllen kann. In der ÖNORM B 2107-1 ist dies konkretisiert:

Der Baustellenkoordinator besichtigt in entsprechenden Intervallen die Baustelle

x abgestimmt auf die Gefahrensituation auf der Baustelle, x auf die Art und Intensität der Arbeiten sowie x auf die Anzahl der ausführenden Unternehmen und x die Anzahl der tätigen Arbeitnehmer;

Diese Formulierung geht auf das Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 233/03a zu- rück. In diesem Erkenntnis sind allgemein gültige Pflichten des Baustellenkoordinators klar formuliert:

x Mit der Verpflichtung, dass die Arbeitgeber die allgemeinen Grundsätze der Gefahren- verhütung gemäß § 7 ASchG anwenden, hat der Baustellenkoordinator einen „über ei- ne bloße Koordinationstätigkeit weit hinausgehenden Pflichtenkreis“. Es hat der Baustellenkoordinator die Pflicht, die ausführenden Unternehmen im notwendigen Um- fang in arbeitsschutztechnischen Belangen zu überwachen. x Daraus ergibt sich, dass die in § 5 Abs. 4 BauKG genannte Pflicht, die Beseitigung festgestellter Missstände zu verlangen, nicht auf bloße Zufallsbefunde reduziert wer- den kann. Zwar ist im Allgemeinen die ständige Anwesenheit des Baustellenkoordina- tors nicht erforderlich, es müssen die Intervalle der Baustellenbesuche aber, je nach Beschaffenheit der Baustelle, nach Art und Intensität der Tätigkeiten, eine effektive Ge- fahrenverhütung ermöglichen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 231 FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

x „Aufgabe des Baustellenkoordinators ist es, auf Veränderungen auf der Baustelle oder bei Baustelleneinrichtungen zu reagieren, um sicher zu stellen, dass auch bei einer wesentlichen Änderung der Arbeitsabläufe oder der Änderung oder Neuerstellung von Baustelleneinrichtungen die relevanten Arbeitnehmerschutzvorschriften eingehalten werden.“ x Aus der obigen Argumentation wird klar, dass es keine genormten Intervalle für Bau- stellenbesuche geben kann. Auf keinen Fall kann und darf der Baustellenkoordinator argumentieren, „ich kann nicht öfter auf die Baustelle als alle 2 Wochen kommen, weil mir der Bauherr nicht mehr zahlt“; unabhängig davon, auf welche geringe Bezahlung sich der Baustellenkoordinator eingelassen hat, muss er die Intervalle seiner Baustel- lenbesuche gemäß den in der ÖNORM B 2107-1 genannten Kriterien wählen. x Als Anhaltspunkt wird im folgenden Beispiel für eine Wohnhausanlage eine Abschät- zung über die Häufigkeit der Baustellenbesuche des Baustellenkoordinators wiederge- geben (Diese Abschätzung ist dem Buch „Baukoordination“ - Autoren Pet- ri/Steinmaurer -, S. 66 entnommen): x Baustellenbesuche 1 x pro Woche: eigentliche Baumeisterarbeiten, wenige Unterneh- men gleichzeitig; x Baustellenbesuche 2 x pro Woche: bei Beginn der Arbeiten, über weite Bereiche der Professionistenleistungen; x Baustellenbesuche 3 x pro Woche: Fertigstellungsphase und bei gefährlichen Arbeiten, wie Dacharbeiten.

Diese Werte sind als Anhaltspunkte – auch für die Honorarabschätzung des Baustellenkoor- dinators – zu sehen, die sich je nach Baustellensituation noch ändern wird. ZB wird der Baustellenkoordinator häufiger die Baustelle besuchen müssen, wenn er feststellt, dass die ausführenden Unternehmen „schlampig“ arbeiten, sich nur mangelhaft an die Arbeitsschutz- bestimmungen und die Inhalte des SiGePlans halten und dadurch Gefahrensituationen auf- treten. Genauso kann er das Intervall der Baustellenbesichtigungen vergrößern, wenn er feststellt, dass die ausführenden Unternehmen gewissenhaft arbeiten, keine Gefahrensitua- tionen auftreten und die Arbeitsschutzbestimmungen sowie den SiGePlan auch befolgen. In jedem Fall aber muss dies in den Aufzeichnungen des Baustellenkoordinators, seinen Bege- hungsprotokollen dokumentiert sein.

232 Festschrift 40 Jahre Ibpm FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

6.4 Muss der Baustellenkoordinator seine Tätigkeit dokumentieren?

Vorweg: Weder im BauKG noch in der ÖNORM B 2107 gibt es Verpflichtungen für den Baustellenkoordinator zum Führen von Aufzeichnungen über seine Tätigkeit.

Allerdings führt der Oberste Gerichtshof in seinem Entscheid 1 Ob 233/03a die Beweis- lastumkehr an. Der OGH argumentiert:

x Aus dem § 1 Abs. 1 BauKG geht unzweifelhaft hervor: Das BauKG ist ein Schutzge- setz zugunsten der Arbeitnehmer. Kommt ein Arbeitnehmer infolge fehlender Sicher- heitsvorkehrungen zu Schaden, liegt eine Schutzgesetzverletzung vor, auf die gemäß § 1298 ABGB Beweislastumkehr zur Anwendung kommt. Dh ein Arbeitnehmer, der durch eine Übertretung der BauV verletzt wird und der behauptet, der Unfall wäre ver- meidbar gewesen, wenn der Baustellenkoordinator seinen Job ordnungsgemäß ge- macht hätte, kann vom Baustellenkoordinator Schmerzengeld verlangen. Der Verletzte muss dem Koordinator nicht dessen Verschulden nachweisen, es liegt dann am Baustellenkoordinator sich frei zu beweisen. x Der Baustellenkoordinator ist Sachverständiger im Sinne des § 1299 ABGB und haftet daher für die inhaltliche Fachgerechtheit seiner Leistungen.

Aus dem heraus ergibt sich, dass jeder Baustellenkoordinator gut daran tut, wenn er seine Tätigkeit auch dokumentieren und sich so ggf. frei beweisen kann. In Anbetracht der hohen Beweiskraft eines Aktenvermerkes vor Gericht kann jedem Baustellenkoordinator nur emp- fohlen werden, seine Tätigkeit auch durch entsprechende Aufzeichnungen nachweisen zu können.

Es wird dem Baustellenkoordinator angeraten, seine Beratung und Koordination der ausfüh- renden Unternehmen und Selbständigen, seine Koordination der Überwachung der ausfüh- renden Unternehmen, seine Organisation der Zusammenarbeit durch entsprechende Akten- vermerk belegen zu können.

Der Baustellenkoordinator sollte ferner seine Baustellenbesichtigungen belegen können, vor allem seine damit verbundene Kontrolltätigkeit, dass die ausführenden Unternehmen und Selbständigen den SiGePlan, die Grundsätze der Gefahrenverhütung und die maßgebenden Arbeitsschutzbestimmungen anwenden.

Vor allem aber sollte er nachweisen können, dass er seinen Informationspflichten gegenüber Bauherrn/Projektleiter und den ausführenden Unternehmen nachgekommen ist: Die Informa- tion über vom Baustellenkoordinator vorgenommene Änderungen des SiGePlans und der

Festschrift 40 Jahre Ibpm 233 FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

Unterlage bzw die unverzügliche Information bei festgestellten und nicht unverzüglich beho- benen Gefahren für die Arbeitnehmer.

6.5 Was hat der Baustellenkoordinator zu tun, wenn er unmittelbar drohende Gefahr für Leben und Gesundheit feststellt?

Darüber sagt weder das BauKG noch die ÖNORM B 2107 etwas aus. Die Antwort lässt sich aus dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch ableiten: Bei unmittelbar drohender Gefahr hat der Baustellenkoordinator sofort zu reagieren und alles ihm Zumutbare zu unternehmen, damit die gefährdeten Arbeitnehmer den Gefahrenbereich verlassen.

x Bei unmittelbar drohender Gefahr für Leben und Gesundheit wird der Baustellenkoor- dinator als erstes durch Zureden versuchen, die gefährdeten Arbeitnehmer zum sofor- tigen Verlassen des Gefahrenbereichs zu veranlassen - wohl wissend, dass er kein Weisungsrecht gegenüber diesen Arbeitnehmern hat. x Hat dies keinen Erfolg, wird er den zuständigen Vorgesetzten der gefährdeten Arbeit- nehmer aufsuchen und diesen eindringlich auffordern, seine Arbeitnehmer sofort zum Verlassen des Gefahrenbereiches zu veranlassen. x Verlassen daraufhin die Arbeitnehmer den Gefahrenbereich, kann der Baustellenkoor- dinator gemäß BauKG vorgehen: Verständigung der zuständigen Arbeitgeber sowie des Bauherrn/Projektleiters. x Wenn hingegen die gefährdeten Arbeitnehmer den Gefahrenbereich nicht verlassen, ist der Baustellenkoordinator entsprechend seiner Fachkunde und in Anbetracht der akuten Gefährdung verpflichtet, unverzüglich die Polizei zu verständigen und die Ent- fernung der gefährdeten Arbeitnehmer aus dem Gefahrenbereich zu veranlassen.

7 Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (SiGePlan).

7.1 Wann muss ein SiGePlan erstellt werden?

Bei allen „größeren Bauvorhaben“, bei denen eine Vorankündigung an das Arbeitsinspekto- rat übersendet werden muss (Dauer der gesamten Bauarbeiten über 500 Personentage), oder wenn Arbeiten, die mit besonderen Gefahren für Sicherheit und Gesundheit der Arbeit- nehmer verbunden sind (zB Untertagebauarbeiten, Sprengarbeiten, Druckluftarbeiten, Arbei- ten mit schweren Fertigbauelementen, Arbeiten in der Nähe von Hochspannungsleitungen etc) durchgeführt werden, muss ein SiGePlan erstellt werden.

234 Festschrift 40 Jahre Ibpm FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

8 Unterlage für spätere Arbeiten

8.1 Für welche Bauvorhaben muss eine Unterlage erstellt werden?

Es muss für jedes Bauvorhaben eine Unterlage für spätere Arbeiten erstellt werden, aus der in konkreter Weise die vorgesehenen Maßnahmen und Einrichtungen für die spätere Nut- zung, Instandhaltung, Umbau bis hin zum Abbruch entnommen werden können. Bei Umbau eines bestehenden Bauwerks ist eine Unterlage nur für jene Bauwerksteile zu erstellen, die von den Umbauarbeiten betroffen sind.

8.2 Wie wird die Unterlage bei späteren Arbeiten genützt?

Gemäß § 8 BauKG und auch Pkt. 6 der ÖNORM B 2107-1 hat der Bauherr dafür zu sorgen, dass die Unterlage für die Dauer des Bestandes Bauwerkes in geeigneter Weise aufbewahrt wird.

Bei Wohnungseigentum und gemeinsamen Eigentum an einem Bauwerk sollte die Aufbe- wahrung durch eine zentrale Stelle erfolgen. Der Zugriff für die jeweiligen Eigentümer und die Anpassung bei weiteren Baumaßnahmen ist sicherzustellen (zB Hausverwaltung, Facility Management).

Für die Nutzungsphase gibt Pkt. 6 der ÖNORM B 2107-1 Auskunft:

Wird das Bauwerk vom Bauherrn verkauft oder übergeben, hat der Rechtsnachfolger für die Aufbewahrung der Unterlage zu sorgen.

Sind dann spätere Arbeiten am Bauwerk geplant, zB Nutzungs-, Wartungs-, Instandhal- tungs -, Umbau- oder Abbrucharbeiten, so hat der Auftraggeber dieser Arbeiten jenen Teil der Unterlage, der sich auf die jeweiligen Arbeiten bezieht, zeitgerecht dem Planungskoordi- nator oder den anbietenden Unternehmen zugänglich zu machen. Dh muss für diese Arbei- ten ein Planungskoordinator bestellt werden, dann genügt es dem Planungskoordinator die Unterlage zu übergeben; dessen Aufgabe ist es, dass die Inhalte der Unterlage bei den spä- teren Arbeiten von den Unternehmen berücksichtigt werden. Ist kein Planungskoordinator notwendig, hat der Bauherr den anbietenden Unternehmen direkt die Unterlage zugänglich zu machen.

Bauherr/Projektleiter, Planungskoordinator, anbietende Firmen haben dann bei der Vorberei- tung und Durchführung der späteren Arbeiten den Inhalt der Unterlage zu berücksichtigen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 235 FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

Damit soll sichergestellt werden, dass der eigentliche Sinn der Unterlage auch zur Anwen- dung kommt. Wann immer spätere Arbeiten am Bauwerk anfallen, soll primär in der Unterla- ge nachgesehen werden, was an Schutzmaßnahmen und –einrichtungen für diese Arbeiten vorgesehen ist. Es ist dann Aufgabe des Bauherrn/Projektleiters, des Planungskoordinators und der diese späteren Arbeiten anbietenden Firmen, den Inhalt der Unterlage zu berück- sichtigen, dh entweder die darin festgelegten Einrichtungen zu benutzen und die festgeleg- ten Schutzmaßnahmen zu ergreifen oder für einen mindestens gleichwertigen Schutz zu sorgen.

9 Ausführende Unternehmen

Welche Pflichten haben die ausführenden Unternehmen?

Entsprechend den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und den geltenden Berufsausübungsre- gelungen sind vom Bauherrn beauftragte Baumeister, Ziviltechniker, Technische Büros u.a. verpflichtet, einen über das BauKG offensichtlich nicht informierten Bauherrn auf die Ver- pflichtung zur Bestellung von Koordinatoren und die sonstigen Pflichten nach dem BauKG hinzuweisen (Warn- und Hinweispflicht).

Im § 8 ASchG sind – ebenso wie in der ÖNORM B 2107-1 - folgende Pflichten für die Aus- führenden verankert:

x Bei der Bauausführung haben die Unternehmen die für die Bauarbeiten zutreffenden Arbeitnehmerschutzvorschriften (ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, Arbeitsmittel- verordnung, insbesondere Bauarbeiterschutzverordnung etc) einzuhalten. x Die ausführenden Unternehmen setzen die im SiGePlan und in der Unterlage festge- setzten und vertraglich vereinbarten Maßnahmen um. x Die Unternehmen arbeiten mit den anderen Unternehmen auf der Baustelle zusam- men, sie koordinieren ihre Arbeiten und Schutzmaßnahmen und vermeiden so die Ge- fährdung von eigenen Arbeitnehmern durch die Tätigkeit der anderen Unternehmen. x Die ausführenden Unternehmen berücksichtigen die Hinweise des Baustellenkoordina- tors.

Im BauKG sind keine Pflichten für die Ausführenden formuliert, wohl aber im § 8 ASchG und darüber hinaus in Pkt. 5.4 der ÖNORM B 2107-1:

Jedes ausführende Unternehmen/jeder Selbständige

x ist zur Zusammenarbeit mit den anderen Unternehmen und Selbständigen verpflichtet,

236 Festschrift 40 Jahre Ibpm FAQ - Die häufigsten Fragen zur Baukoordination

x koordiniert seine Tätigkeit auf dem Gebiet der Gefahrenverhütung mit den anderen Un- ternehmen und Selbständigen, x informiert seine Arbeitnehmer und erforderlichenfalls die betroffenen anderen Unter- nehmen und Selbständigen über die spezifischen Gefahren seiner Tätigkeit auf der Baustelle, x sorgt durch eine entsprechende Koordination der Arbeiten dafür, dass Gefahren für die auf er Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer und ggf. Betriebsangehörigen sowie Nut- zer vermieden werden, x berücksichtigt die Hinweise des Baustellenkoordinators und ggf. der örtlichen Bauauf- sicht und beseitigt die aufgezeigten Gefahren, x erstattet dem Baustellenkoordinator zeitgerecht nachweislich Meldung über geplante inhaltliche Abweichungen von SiGePlan oder Unterlage.

Hon.Prof. HR. Dipl.-Ing. Dr.techn. Peter Petri Ehem. Leiter des Arbeitsinspektorats für Bauarbeiten in Wien

Festschrift 40 Jahre Ibpm 237

„Sicherheit und Umweltschutz auf Baustellen“

„Sicherheit und Umweltschutz auf Baustellen“

Norbert Ritschl (Uni.Lekor 1998 bis dato) Johann Baresch (Uni.Lekor 1198 bis 2011)

1 Die Zielsetzung

Seit mehr als dreieinhalb Jahrzehnten wird am Institut für Interdisziplinäres Bauprozessma- nagement „Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen“ vorgetragen. Entsprechend der Zielsetzung des Institutes wird der Inhalt dieser Lehrveranstaltung aus verschiedenen Perspektiven zielgerecht „interdisziplinär“ vermittelt. Seit etwa zwei Jahrzehnten wird der damit in enger Verbindung stehende Themenbereich Umweltschutz verstärkt berücksichtigt.

Für die künftigen Führungskräfte auf Baustellen werden im Rahmen der Lehrveranstaltung die notwendigen Grundkenntnisse und weiterführende Informationsquellen zu diesen Berei- chen nähergebracht.

Neben der reinen Wissensvermittlung der Schutzmaßnahmen am Bau ist es ein großes An- liegen der Vortragenden die Hörer mit den Zielsetzungen der Arbeitsinspektion und der All- gemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) vertraut zu machen.

Dabei werden die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzes in Öster- reich sowie die relevanten Richtlinien der Europäischen Union (EU) aus der Sicht der Ar- beitsinspektion erläutert.

Aus der Sicht der AUVA werden die Gedanken der Prävention und die Serviceeinrichtungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorgestellt.

2 Der Rückblick

2.1 Gesetzliche Bestimmungen betreffend Arbeitnehmerschutz im Bauwesen

Die speziellen Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer auf Baustellen waren jeweils über einen sehr langen Zeitraum in Kraft.

Die erste gesetzliche Regelung für Schutzbestimmungen bei Hochbauarbeiten wurde im Jahre 1907 veröffentlicht. Der Titel lautete:

Festschrift 40 Jahre Ibpm 239 „Sicherheit und Umweltschutz auf Baustellen“

Verordnung des Handelsministers im Einvernehmen mit dem Minister des Inneren vom 7. Februar 1907, mit welcher Vorschriften zur Verhütung von Unfällen und zum Schutz der Ge- sundheit der Arbeiter bei der gewerblichen Ausführung von Hochbauten erlassen werden (RGBl. 24/1907).

Diese Hochbauverordnung blieb mehr als vier Jahrzehnte bis zum Inkrafttreten der Bauarbei- terschutzverordnung im Jahre 1954 in Kraft.

Die Verordnung des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung vom 10. November 1954 über Vorschriften zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei der Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten, wurde am 30.Dezember 1954 unter BGBl. Nr. 267/1954 kundgemacht.

Diese Bauarbeiterschutzverordnung berücksichtigte alle Bauarbeiten und war bis zum 1.1.1995, dem Eintritt Österreichs zur Europäischen Union, somit insgesamt rund vier Jahr- zehnte in Kraft. Sie war die wesentliche Grundlage für den Inhalt der Vorlesungen ab dem Jahr 1977.

2.2 Die Vortragenden

Ab den Jahren 1977/78 bis 1991/92 hat Herr Dipl.- Ing. Othmar HEUBECK, Mitarbeiter der AUVA, die Lehrveranstaltung mit der Nr. 234.212 und dem Titel "Unfallverhütung im Baube- trieb" gelesen.

Seit dem Jahr 1992/93 hielt Herr Dipl.- Ing. Karl GREGORICH, ebenfalls Mitarbeiter der AU- VA, die Vorlesung unter gleichem Titel ab.

Ab dem Jahr 1993/94 lautete der Name der Vorlesung "Sicherheit und Umweltschutz auf Baustellen" und hatte die LVA-Nr. 234.840. Sie wurde bis ins Studienjahr 1997/98 von Herrn Dipl.- Ing. GREGORICH gehalten.

Ab dem Studienjahr 1998/99 wird das heutige Seminar im Bereich des Arbeitnehmerschut- zes gemeinsam von Vertretern der Arbeitsinspektion und der AUVA gestaltet.

Herr Dipl.- Ing. Norbert RITSCHL, ehemaliger Mitarbeiter der Sektion Arbeitsrecht und Ar- beitsinspektion des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bzw des Bundesministeri- ums für Wirtschaft und Arbeit und Herr Ing. Johann BARESCH, Mitarbeiter der AUVA, halten das Seminar ab.

240 Festschrift 40 Jahre Ibpm „Sicherheit und Umweltschutz auf Baustellen“

Nach der Pensionierung von Herrn Ing. Johann BARESCH übernahm ab dem Studienjahr 2011/12 Herr Dipl.- Ing. Erich BATA, ebenfalls Mitarbeiter in der AUVA, diese Aufgabe.

Seit einigen Jahren bereichert Herr Dipl.- Ing. Martin CAR, Geschäftsführer des Baustoff- Recycling- Verband, mit seinem Fachwissen im Bereich Umweltschutz als dritter Vortragen- der das Seminar

2.3 Unfallzahlen der Wirtschaftsklasse Bauwesen in Österreich

Im Seminar wird besonders auf die fallenden Unfallzahlen in der Wirtschaftsklasse Bauwe- sen hingewiesen.

Die Zahl der Unfallereignisse bezogen auf 10.000 beschäftigte Arbeitnehmer ging innerhalb von 16 Jahren (1995 auf 2010) um 41 % zurück.

Laut Unfallstatistik der AUVA ereigneten sich im Jahre 1995 in der Wirtschaftsklasse Bau 33.037 Arbeitsunfälle der Arbeiter und Angestellten (ohne Wegunfälle). Bezogen auf 10.000 Versicherte ergab dies eine Unfallrate von 1.234 Personen.

Die Anzahl der Arbeitsunfälle verringerte sich auf 17.527 bis zum Jahre 2010. Bezogen auf 10.000 Versicherte ergab das eine Unfallrate von 725 Personen.

Das Jahr 1995 wurde als Vergleichsjahr für die Unfallstatistik herangezogen, da hier der Bei- tritt Österreichs zur EU erfolgte und das Arbeitnehmer-Innenschutzgesetz (ASchG) und die neue Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) in Kraft getreten sind. Zu berücksichtigen wäre noch, dass ab dem Jahr 1999 das Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG) rechtsgültig wurde, welches den Bauherren in Fragen der Arbeitssicherheit in die Pflicht nimmt.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 241 „Sicherheit und Umweltschutz auf Baustellen“

2.4 Unfallzahlen im Bauwesen im europäischen Vergleich

Die vergleichbaren Unfallzahlen der europäischen Kernländer (EU 15) ergeben, dass die standardisierte Inzidenzrate der Bauarbeitsunfälle im Zeitraum vom Jahre 1995 von 9080 auf 5013 im Jahre 2007 reduziert wurde (Angaben nach EUROSTAT). Dadurch ist eine Verbes- serung der Unfallrate um 41% eingetreten.

242 Festschrift 40 Jahre Ibpm „Sicherheit und Umweltschutz auf Baustellen“

3 Das Seminar

3.1 Gesetzliche Grundlagen des Lehrstoffes

Eine signifikante Neuausrichtung im Bereich des Arbeitnehmerschutzes ergab sich durch den Beitritt Österreichs zur EU mit 1. Jänner 1995.

Durch die Mitgliedschaft war es notwendig geworden, die bestehenden Gesetze und Verord- nungen des Arbeitnehmerschutzes entsprechend den Bestimmungen der Europäischen Richtlinien zu ergänzen.

Mit BGBl. Nr. 450/1994 vom 25. Mai 1994 wurde das Bundesgesetz über Sicherheit und Ge- sundheitsschutz bei der Arbeit, das Arbeitnehmer-Innenschutzgesetz – ASchG. beschlossen. Es trat mit 1. Jänner 1995 in Kraft. Dabei wurden die Arbeitnehmerschutz–Rahmenrichtlinie (89/391/EWG) sowie eine Anzahl von Einzelrichtlinien umgesetzt. Im AschG sind die grund- legenden Bestimmungen für den Schutz der Arbeitnehmer auf Baustellen enthalten.

Auf Baustellen zusätzlich maßgebend ist die Baustellenrichtlinie 92/57/EWG mit den Min- destvorschriften für Arbeitnehmer die auf zeitlich begrenzten oder ortsveränderlichen Bau- stellen tätig sind.

Zu deren Umsetzung wurde die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen und auf auswär- tigen Arbeitsstellen (Bauarbeiterschutzverordnung - BauV) am 5. Mai 1994 ausgegeben. Sie ist mit 1. Jänner 1995 in Kraft getreten.

In dieser Verordnung sind die detaillierten Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer auf Baustellen enthalten. Damit wurden jene Teile der Baustellenrichtlinie umgesetzt, welche die Aufgaben des Arbeitgebers betreffen.

Durch das Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG), BGBl. I Nr. 37/ 1999 konnten wesentli- che Regelungen der Baustellenrichtlinie 92/57/EWG die den Bauherren betreffen, umgesetzt werden.

Es wendet sich nach dem Verursacherprinzip an den Bauherrn und bezieht diesen in die Verantwortung für Sicherheit und Gesundheitsschutz für jene Arbeitnehmer ein, die das Bauwerk errichten, es später nützen, es instand halten und umbauen sowie abtragen wer- den.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 243 „Sicherheit und Umweltschutz auf Baustellen“

Ständig werden Gesetze und Verordnungen in denen Regelungen für Baustellen enthalten sind, novelliert beziehungsweise neu herausgegeben, um den Anforderungen der EU zu entsprechen und den Mindeststandard der EU zu erfüllen.

Diese Bestimmungen werden den Hörern ebenfalls näher gebracht.

Aufbauend auf das Seminar „Sicherheit und Umweltschutz auf Baustellen“ wird den Hörern empfohlen, die Vorlesung „Baukoordination“ zu besuchen, welche von Herrn Hon. Prof. Hof- rat Dipl.- Ing. Dr. techn. Peter PETRI (ehemaliger Leiter des Arbeitsinspektorates für Bauar- beiten in Wien) zusammen mit Herrn. Dipl.- Ing. STEINMAURER (Sicherheitsexperte im Bauwesen) und Herrn Dipl.- Ing. Erich BATA (AUVA) jeweils anschließend abgehalten wird.

3.2 Unterlagen, Infomaterial und Exkursionen

Es wurde von den Vortragenden Herrn Dipl.-Ing. RITSCHL und Herrn Ing. Johann BA- RESCH ein Skriptum zum Seminar erstellt. Bedingt durch oftmalige Änderungen der gesetz- lichen Grundlagen sowie durch Weiterentwicklung des Standes der Technik wird das Skrip- tum regelmäßig überarbeitet.

Die Unterlagen sind eine Momentaufnahme der technischen Regelungen bzw der gesetzli- chen Bestimmungen. Sie sind als Hinweis auf Informationsquellen und als Nachschlagewer- ke zu sehen.

Zur anschaulichen Unterstützung bei der Vermittlung der gesetzlichen Regelungen wird die Mappe „Sicherheit am Bau“ kostenlos zur Verfügung gestellt. Herausgeber sind die Bundes- innung Bau, die AUVA und die BUAG (Bauarbeiter- Urlaubs-& Abfertigungskasse).

In dieser Mappe werden die Sicherheitsbestimmungen und Regeln am Bau anschaulich mit Bildern dargestellt. Sie wird auf Baustellen verwendet und ist eine praktische Vorbereitung für die spätere Führungstätigkeit in der Baubranche.

Zusätzlich wird ein Nachschlagewerk und Leitfaden zum BauKG eingesetzt. Herausgeber sind die Vortragenden Herren Dipl.- Ing. Dr. techn. Peter Petri und Dipl.- Ing. Reinhold Steinmaurer.

Checklisten, Merkblätter, Folder und Broschüren der Arbeitsinspektion und der AUVA vertie- fen die Information über ausgewählte Themen und Schwerpunkte.

244 Festschrift 40 Jahre Ibpm „Sicherheit und Umweltschutz auf Baustellen“

Seit 1998 werden Baustellenexkursionen zur näheren Erläuterung von Arbeitsmethoden und Schutzmaßnahmen auf Baustellen durchgeführt. Die Themenverknüpfung von Sicherheit und Umweltschutz wird bei der Sanierung und Entsorgung von schwachgebunden asbesthal- tigen Bauteilen besonders offensichtlich. Durch Herrn Ziv.- Ing. Dipl.-Ing. Heinz KROPIUNIK von der aetas Ziviltechniker GmbH, der als Planer und Bauaufsicht bei der Sanierung der UNO City in Kagran tätig ist, wurden praxisnahe Führungen ermöglicht.

3.3 Europäischer Rahmen der Arbeitssicherheit

Durch die persönlichen und institutionellen Kontakte der Vortragenden mit den europäischen Partnern für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz werden internationale Entwicklungen frühzeitig in die Vorlesung aufgenommen.

Besonders wichtig erscheint es, auf die internationale Verknüpfung der Arbeitssicherheit im Rahmen der Europäischen Union hinzuweisen. Die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (European Agency for Safety Health at Work) mit Sitz in Bilbao ist ein Anlaufstelle dafür.

Im Hinblick auf eine künftige Tätigkeit der Hörer im benachbarten Ausland wird besonders auf die Vorschriften und den technischen Stand der Arbeitnehmerschutzmaßnahmen in der Schweiz (Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, SUVA) und auf die Regeln der Deut- schen Bauberufsgenossenschaft (BG BAU) das Augenmerk gelenkt.

4 Ausblick und Ziele

Das ambitionierte Projekt der Europäischen Gemeinschaft „ Arbeitsschutzstrategie 2007 bis 2012“ wurde in der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament veröffentlicht. Es sieht unter anderem die Reduktion der Arbeitsunfälle auf Ebene der EU 27 um 25 % je 100 000 Arbeitnehmer vor. Zusätzlich soll die Zahl der arbeitsbedingten Erkrankungen und der Berufskrankheiten gesenkt werden.

Bei der nationalen österreichischen Strategie wird dabei darauf hingewiesen, dass die Schu- lung von Führungskräften und Arbeitern bei Klein- und Mittelunternehmen (KMU) sowie in Hochrisikosektoren, wie dem Baugewerbe ein wichtiger Bestandteil dieses Konzeptes ist.

Die Umsetzung dieser Aktion erfolgt in Österreich durch die Sozialpartner, der Landwirt- schaftskammer, allen Trägern der Unfallversicherung, des Ministeriums für Verkehr, Innova-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 245 „Sicherheit und Umweltschutz auf Baustellen“

tion und Technologie, sowie des Bundesministeriums Arbeit, Soziales und Konsumenten- schutz.

Im Seminar „Sicherheit und Umweltschutz auf Baustellen“ wird seit dem Jahr 1977, also seit 35 Jahren das Thema Arbeitssicherheit am Bau unterrichtet. Das Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement trägt hiermit langfristig dazu bei, eine Bewusstseinsbildung der zukünftigen Führungskräfte auf diesem Gebiet zu erreichen und hilft damit, die Ziele der EU auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit zu verwirklichen.

Die Reduzierung menschlichen Leids durch Vermeidung von Unfällen ist wichtig. Zusätzlich sind die betriebswirtschaftliche wie auch die volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Erfolge nicht hoch genug einzuschätzen. Das bringt insbesondere die interdisziplinäre Ausrichtung des Institutes in ihren Vorlesungen zum Ausdruck.

MR Dipl.-Ing. Norbert Ritschl Ehem. Mitarbeiter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit Ing.Johann Baresch Ehem. Mitarbeiter der Hauptstelle AUVA, Bauprävention

246 Festschrift 40 Jahre Ibpm Fünf methodische Bausteine für erfolgreiches Management von Infrastrukturprojekten

Fünf methodische Bausteine für erfolgreiches Management von Infrastrukturprojekten

Hubert Hager (Univ.Ass. 1989 bis 1996) Martin Pfanner (Univ.Ass. 2000 bis 2004)

1 Einleitung

Großprojekte der öffentlichen Infrastruktur zählen zu den komplexesten Aufgaben, welche unsere Gesellschaft umsetzt. Egal ob Wasserversorgungsanlagen, Straßenverkehrswege oder Eisenbahnen, immer sind zahlreiche Menschen und Organisationen beteiligt. Die ein- zelnen Phasen wie Planung, Umsetzung und Nutzung können einen Zeitraum von mehreren Generationen umfassen. Kennzeichnend ist hoher Ressourceneinsatz und Finanzmittelbe- darf.

Aus der langjährigen Erfahrung des Projektmanagements und Projektcontrollings haben sich methodische Bausteine herauskristallisiert, die für ein erfolgreiches Management der Infra- strukturprojekte wesentlich sind. Einzelne diesbezügliche Aspekte sollen in diesem Beitrag überblicksmäßig dargelegt werden.

Infrastrukturprojekte sind einmalig und einzigartig, also keine Massenprodukte, mit viel- schichtigen interdisziplinären Verflechtungen im jeweils spezifischen Projektumfeld. Sie be- schäftigen beispielsweise Ingenieure verschiedener Fachrichtungen, Betriebswirte, Juristen oder Publizisten. Ein gemeinsames Begriffsverständnis zählt hierbei zu den Grundvoraus- setzungen der Zusammenarbeit (siehe dazu "Baustein Begriffsverständnis").

Die Komplexität und Langfristigkeit der gestellten Aufgaben erfordert bewusst gesteckte Zie- le mit definiertem Projektinhalt. In organisatorischer Hinsicht sind entsprechende Projektrol- len vorzusehen (siehe dazu "Baustein Projektbeauftragung").

Der hohe Einsatz an Ressourcen verbunden mit deren beschränkter Verfügbarkeit führt zu wesentlichem Finanzmittelbedarf. Die Disposition der Finanzmittel zwischen konkurrierenden Handlungsalternativen erfordert eine verlässliche Ermittlung der voraussichtlichen Projekt- kosten (siehe dazu "Baustein Kostenermittlung").

Festschrift 40 Jahre Ibpm 247 Fünf methodische Bausteine für erfolgreiches Management von Infrastrukturprojekten

Die Langfristigkeit der Infrastrukturprojekte bedingt die regelmäßige Gegenüberstellung von Erwartung (Vorgabe) und aktuellem Status nach dem Regelkreisprinzip. Controlling bietet das dafür geeignete Werkzeug (siehe dazu "Baustein Kostencontrolling").

Sowohl die ursprünglichen Projektannahmen, als auch die Randbedingungen der Projek- tumsetzung unterliegen Veränderungen. Transparenz im Projektgeschehen erfordert die langfristige Nachvollziehbarkeit der Projektentwicklung (siehe dazu "Baustein Änderungswe- sen").

Der vorliegende Artikel stützt sich auf Erfahrungen im zentralen Management und Controlling von Großprojekten. Als Quellen werden die ÖGG-Richtlinie Kostenermittlung für Projekte der Verkehrsinfrastruktur [1], das Handbuch zur Kostenermittlung der ÖBB-Infrastruktur AG [2], das Handbuch zum Projektkostencontrolling der ÖBB-Infrastruktur AG [3] und das FSV- Merkblatt Kostenermittlung [5] genannt, die unter Federführung oder durch Mitarbeit der bei- den Autoren entstandenen sind.

2 Baustein Begriffsverständnis

Nachdem Infrastrukturprojekte definitionsgemäß mehrere Fachdisziplinen umfassen und im Interesse der Öffentlichkeit stehen, beugt eine gemeinsame Sprachregelung Missverständ- nissen vor. Dazu sind einheitliche Begriffsdefinitionen erforderlich, die den Beteiligten zu- gänglich zu machen sind. Dies kann beispielweise an Hand von Wörterbüchern des Nor- mungswesens, wie dem Handwörterbuch der Bauwirtschaft [6] und dem FSV Wörterbuch Verkehrswesen [7] oder an Hand von Regelungen, wie im FSV-Merkblatt zur Ermittlung von Projektkosten [5], erfolgen.

Das Begriffsverständnis ist sowohl für projektspezifische Themen (zB Projektdefinition, Pro- jekttypen, Projektphasen), als auch für kostenspezifische Themen (zB Kostendefinition, Kos- tenbestandteile und Kostenstrukturierung) erforderlich.

Einige Begriffe, die wir für das Verständnis von Infrastrukturprojekten als wesentlich erach- ten, führen wir im Folgenden an:

Projekt:

Das Wort "Projekt" wird in der Praxis für schwierige Aufgaben, für zukünftige Vorhaben, für Planungen oder auch für Planungsergebnisse verwendet. Zur Schärfung des Verständnisses bei Infrastrukturprojekten sollte der Begriff immer im Kontext von Erwartungen an die Zu-

248 Festschrift 40 Jahre Ibpm Fünf methodische Bausteine für erfolgreiches Management von Infrastrukturprojekten

kunft, die durch menschliche Handlungen erreicht werden sollen, gesehen werden. Wesent- lich sind definierter Anfang und Ende, wonach die Abgrenzung von dauerhaften Prozessen erfolgt.

Ein Projekt kann in diesem Sinne als Maßnahmenbündel zur Erreichung von vorgegebenen Zielen mit definiertem Anfangs- und Endtermin verstanden werden [vgl 5].

Projekttypen:

Im Management von Projektportfolios, in der wirtschaftlichen Bewertung und in der Abwick- lung von Infrastrukturprojekten erweist sich eine Unterscheidung von Projekttypen nach ihrer Beziehung zu bereits vorhandenen Infrastrukturanlagen als nützlich:

Gegenstand der Neu- und Erweiterungsinvestitionen ist die Errichtung bisher nicht vorhan- dener Anlagen bzw der Ausbau bestehender Anlagen der Infrastruktur. Die Leistungsfähig- keit des bestehenden Netzes soll dadurch vergrößert werden. Die wirtschaftliche Betrach- tung wird sowohl auf volkswirtschaftlicher, als auch auf betriebswirtschaftlicher Ebene erfol- gen. Bei größeren Veränderungen ist der Projektleiter oft mit umfangreichen Genehmigungs- verfahren (zB Umweltverträglichkeitsprüfung) konfrontiert.

Gegenstand der Reinvestitionen ist der Ersatz von bestehenden Anlagen der Infrastruktur mit dem Zweck der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Infrastrukturbetreibers. Vergrößerung der Leistungsfähigkeit kann ein Nebeneffekt sein, da der Stand der Technik seit der ursprünglichen Investition zumeist fortgeschritten ist. Bei Re- investitionen hat der Projektleiter oft die Herausforderungen einer Errichtung unter Aufrecht- erhaltung des Betriebes zu meistern.

Gegenstand der Instandhaltung ist die Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustandes bestehender Anlagen der Infrastruktur. Instandhaltung ist erforderlich, um den Nutzwert und die technische Anlagennutzungsdauer sicherzustellen.

Projektphasen:

Vor der Verwirklichung schwieriger Aufgaben ist eine gründliche Planung der einzelnen Um- setzungsschritte wesentlich. Dies gilt ganz besonders für Infrastrukturprojekte. Im Hinblick auf deren Dimensionen und den großen Ressourceneinsatz ist im Vorfeld der Planung dar- über hinaus auch die Definition der Aufgabe selbst systematisch vorzunehmen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 249 Fünf methodische Bausteine für erfolgreiches Management von Infrastrukturprojekten

Im Hinblick auf diese Überlegungen hat sich eine zumindest dreistufige Phasengliederung zur Projektrealisierung als sinnvoll erwiesen:

x Konzeptionsphase:

Vor einem allfälligen Einstieg in die Projektplanung oder in die Umsetzung ist zunächst ein erkannter Bedarf zu präzisieren und zu formulieren. Dabei ist im Hinblick auf die strategische Ausrichtung des Infrastrukturbetreibers zu untersuchen, ob dieser Bedarf erfüllt werden soll. Erste Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen dienen dabei als Entscheidungshilfe. Hierbei sollten verschiedene Handlungsalternativen zur Erfüllung der Anforderung definiert und bewertet werden. Als Ergebnis der Konzeptionsphase (zB Infrastrukturentwicklung), gehen schließlich die weiter zu verfolgenden Lösungswege hervor, die in einer Weiterführung des Projekts im Zuge der Projektplanung liegen können.

Die Beeinflussbarkeit der Projektkosten ist in der Konzeptionsphase am höchsten, sodass Maßnahmen zur Optimierung von Effektivität und Effizienz vordringlich hier anzusetzen sind.

x Planungsphase:

Da der Planungsphase bei großen Infrastrukturprojekten bereits eine Konzeptionsphase vo- rangegangen sein sollte, kann die Planung auf deren Ergebnissen aufbauen. Der Nutzerbe- darf und die grundsätzliche Lösungswahl wurden bereits ausformuliert, der Lösungsweg ist nunmehr in der Planungsphase zu konkretisieren: Hauptaufgaben der Planungsphase sind die Projektierung der Lösung und die Abwicklung der wesentlichen Behördenverfahren. Als Ergebnis der Planungsphase geht ein (behördlich) genehmigtes und umsetzungsfähiges Projekt hervor, das bei Realisierung im Zuge der Umsetzungsphase weitergeführt wird.

Die Beeinflussbarkeit der Projektkosten ist in der Planungsphase deutlich geringer als noch in der Konzeptionsphase, sodass den Maßnahmen zur Optimierung der Effizienz bereits ein enger Spielraum von wenigen Prozentpunkten gesetzt ist. Sollten sich die Vorgaben aus der ursprünglichen Konzeptionsphase als nicht haltbar erweisen, ist eine Rückführung zu einer neuerlichen Konzeptionsphase empfehlenswert.

x Umsetzungsphase:

In der Umsetzungsphase werden die Ergebnisse aus der Planungsphase übernommen und realisiert. Hauptaufgaben sind einerseits die Ausarbeitung der Ausschreibungs- bzw Ausfüh- rungsplanung und andererseits die bauliche Umsetzung selbst. Da der Übergang zur Nut-

250 Festschrift 40 Jahre Ibpm Fünf methodische Bausteine für erfolgreiches Management von Infrastrukturprojekten

zungsphase fließend sein kann, endet die Umsetzungsphase mit einem formalen Projektab- schluss.

Eine Beeinflussbarkeit der Projektkosten in der Umsetzungsphase ist nur in einem geringen Ausmaß gegeben. Effizienz wird durch eine möglichst ungestörte Projektabwicklung sicher- gestellt.

Für kostenspezifische Begriffe verweisen wir auf die Bausteine "Kostenermittlung", "Kosten- controlling" und "Änderungswesen".

3 Baustein Projektbeauftragung

Im Hinblick auf die Komplexität und Langfristigkeit großer Infrastrukturprojekte ist es wichtig, mit klaren Projektaufträgen und einem darauf abgestimmten organisatorischen Rollenver- ständnis von Projektauftraggeber und Projektauftragnehmer zu arbeiten. Da zumeist nicht nur ein isoliertes Projekt beauftragt wird, sondern umfangreiche Projektportfolios, sind für das Projektauftragswesen einheitliche Systeme erforderlich.

Projektauftrag:

Mit dem Projektauftrag legt der Projektauftraggeber seine zu diesem Zeitpunkt bekannten Zielvorstellungen zum Inhalt und Umfang des Projektes, zu den Projektkosten und zu den Projektterminen fest und drückt damit seine Erwartungen aus. Er beschreibt ferner die an den Projektauftragnehmer übertragenen Aufgaben und Zielsetzungen und leitet eine Pro- jektphase ein. Der Projektinhalt beschreibt die umzusetzenden Maßnahmen zur Erreichung der Projektziele sowie die angenommenen Rahmenbedingungen. Dieser kann beispielswei- se textlich oder in Plänen dokumentiert werden und auf Funktionen (funktionale Beschrei- bung) oder auf technische Angaben (konstruktive Beschreibung) bezogen sein.

Wichtig ist dabei eine klare Projektabgrenzung in örtlicher Hinsicht (zB zu Nachbarprojekten), hinsichtlich beinhalteter Gewerke (zB technische Ausrüstung der Infrastruktur) und zwischen Projektphasen (Konzeption, Planung, Umsetzung).

Die Beschreibung der Projektziele kann unterschiedliche Abstraktionsebenen aufweisen. Hierbei werden in der Zukunft liegende Zustände beschrieben, die durch menschliche Hand- lungen erreicht werden sollen. Die Zielbeschreibung soll zwar die Messbarkeit der Ergebnis- se an den Zielen erlauben, jedoch den Lösungsweg weitgehend offen lassen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 251 Fünf methodische Bausteine für erfolgreiches Management von Infrastrukturprojekten

Der Projektauftrag samt Beschreibung der Projektziele bildet die Basis für das projektbeglei- tende Änderungswesen.

Die Umsetzung von Infrastrukturprojekten anhand von Projektaufträgen erfordert ein definier- tes Rollenverhältnis von Projektauftraggeber und Projektauftragnehmer, damit ein unabhän- giges Vier-Augen-Prinzip gewährleistet ist. Die Verantwortung für die Freigabe des Projek- tauftrags sollte klar von der Verantwortung für dessen Umsetzung getrennt werden. Bei Großprojekten der Infrastruktur sollte jede einzelne Projektphase vom Projektauftraggeber gesondert abgerufen werden: Zuerst erfolgt nur der Auftrag für die Konzeptionsphase. Auf Grundlage deren Ergebnisse wird dann die Planung beauftragt. Schließlich kann die Umset- zung anhand der Planungsergebnisse beauftragt werden.

Besteller Organisationen mit Infrastrukturnetzen in ihrem Verantwortungsbereich sind oft mit einer Vielzahl von Infrastrukturprojekten (Projektportfolios) konfrontiert. In diesen Fällen sind einheitliche Systeme für das Projektauftragswesen, für das Projektcontrolling und für das Projektänderungswesen erforderlich. Projektaufträge weisen dann immer dieselbe Gliede- rung auf und sind für Projektauftraggeber und Projektauftragnehmer zugänglich.

4 Baustein Kostenermittlung

Infrastrukturprojekte erfordern oft den Einsatz hoher öffentlicher Finanzmittel. Zudem stehen sie in medialem Interesse, das sich insbesondere auch auf die Kosten und deren Entwick- lung fokussiert. Rasch ist von "Kostenüberschreitungen" die Rede. Auch sollte die Entschei- dung für ein Projekt auf fundierten Kostenangaben beruhen. Der methodische Baustein zur Erfüllung dieser Anforderungen liegt in klaren Kostenbegriffen und einer optimierten Syste- matik zur Kostenermittlung. Im Folgenden stellen wir diese in Anlehnung an die ÖGG- Richtlinie Kostenermittlung [1] und das FSV-Merkblatt Kostenermittlung [5] dar.

Begriff der Projektkosten:

Die Projektkosten von Infrastrukturprojekten sind der monetär bewertete Einsatz von Leis- tungen, Lieferungen und Gütern inklusive Abgaben zur Projektumsetzung.

Projektkosten umfassen die zur Erreichung der Projektziele erforderlichen Kosten, wie bei- spielsweise Projektmanagement, Controlling, Buchhaltung, Projektinformationsmanagement, Planung, projektbezogene Verfahrenskosten, Gutachten, Bauausführung, örtliche Bauauf- sicht, Freimachung und Grundeinlösen sowie Kostenansätze für Risiken und die valorisie- rungsbedingten Kosten.

252 Festschrift 40 Jahre Ibpm Fünf methodische Bausteine für erfolgreiches Management von Infrastrukturprojekten

Systematik der Kostenermittlung:

Infrastrukturprojekte weisen einerseits hohe Risiken und andererseits ausgeprägte Langfris- tigkeit in der Projektabwicklung auf. Erst durch eine geeignete Gliederung in Kostenbestand- teile können treffsichere Analysen, eine Kostenverfolgung und zielgerichtete Steuerungs- maßnahmen durchgeführt werden.

In der Praxis hat sich folgendes Schema bewährt: Basiskosten (B) + Kostenansätze für Wertanpassung und Gleitung (G) + Kostenansätze für Risiken (R) ------= BGR: Projektkosten auf Preisbasis des definierten Bezugszeitpunktes + Kostenansätze für Vorausvalorisierung (V) ------= BGRV: Projektkosten vorausvalorisiert

Basiskosten (B) sind dabei die Plankosten zu einer definierten Preisbasis (= Datum für Marktsituation) unter definierter Annahme von bekanntem Projektinhalt, Projektterminen, ohne Kostenansätze für Wertanpassung und Gleitung, Risiken und Vorausvalorisierung.

Als Basiskosten in der Planungsphase werden diejenigen Kosten verstanden, die sich mittels verschiedener Methoden (Kennwertmethode, Elementmethode, Positionsmethode abhängig vom Projektkenntnisstand und der Planungstiefe) aus dem jeweiligen Planungs-/Projektstand ermitteln lassen.

Die Basiskosten in der Ausführungsphase setzen sich zusammen aus der Auftragssumme der bereits vergebenen Leistungen, Mehr-/Minderkosten von bekannten Massenmehrungen/- minderungen, den Kosten der bereits vergebenen Zusatzaufträge, prognostizierte Zusatzleis- tungen sowie den Kosten für jene Leistungen (= Leistungsbereiche), welche noch nicht ver- geben sind oder als Eigenleistungen (zB Projektmanagement und Projektservices) erbracht werden.

Kostenansätze für Wertanpassung und Gleitung (G) sind der methodische Ansatz zur Be- rücksichtigung der bis zu einem Bezugszeitpunkt (Preisbasis) bereits eingetretenen Markt- preisentwicklung. Kostenansätze für Wertanpassung nehmen auf Projektteile vor Vertrags- abschluss Bezug. Kostenansätze für Gleitung finden bei vergebenen Projektteilen (nach Ver- tragsabschluss) Anwendung.

Die Abwicklung von Infrastrukturprojekten ist Risikoeinflüssen ausgesetzt, welche Abwei- chungen vom Soll bewirken. Eine methodische Behandlung erfolgt im Zuge des Risikoma-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 253 Fünf methodische Bausteine für erfolgreiches Management von Infrastrukturprojekten

nagements. Kostenansätze für Risiken (R) sind der methodische Ansatz zur monetären Be- rücksichtigung von unvorhersehbaren Einflüssen auf die Kosten des Projektes.

Projektkosten auf Preisbasis eines Bezugszeitpunktes sind die Summe aus Basiskosten, Kostenansätzen für Wertanpassung und Gleitung sowie Kostenansätzen für Risiken (BGR). Eine Anwendung erfolgt im Management von Projekten sowie von Projektportfolios mit peri- odisierten Kostenplänen. Bei zeitlicher Verschiebung von Projekten bzw Projektteilen bleiben die Projektkosten auf Preisbasis eines Bezugszeitpunktes unverändert.

Kostenansätze für Vorausvalorisierung (V) sind der methodische Ansatz zur Berücksichti- gung der angenommenen zukünftigen Marktentwicklung ab einem Bezugszeitpunkt (Datum der Preisbasis) über die einzelnen Umsetzungsperioden bis zum Projektende. Zur Ermittlung ist ein zeitlicher Plan der Leistungserbringung nach Perioden erforderlich, wobei die zukünf- tige Marktsituation je Periode einzuschätzen ist.

Im Zuge der Kostenermittlung bereits laufender Projekte steht man einerseits bereits einge- tretenen Kosten und andererseits noch offenen Prognosen gegenüber. Systematisch gilt für die oben erwähnten Kostenbestandteile folgende Gliederung auf der Zeitachse:

Istkosten + Prognosekosten = Plankosten (Erwartungsplan)

Diese Darstellung des Erwartungsplans kann für Perioden (zB Geschäftsjahre) oder für die gesamte Dauer der Projektabwicklung erfolgen. Zur Gewährleistung der Nachvollziehbarkeit ist bei Plankostenangaben stets die Preisbasis anzuführen.

5 Baustein Kostencontrolling

Die Langfristigkeit der Infrastrukturprojekte erfordert die regelmäßige Gegenüberstellung von Erwartung (Vorgabe) und aktuellem Status nach der Methodik des Kostencontrollings. Grundannahme des Kostencontrollings ist das Denken in Regelkreisen im Sinne periodisch wiederholter Tätigkeiten.

Elemente des Kostencontrollings:

Der Regelkreis des Kostencontrollings nimmt seinen Ausgang in einer Kostenplanung (Soll- Vorgabe für die Zukunft) setzt sich in der Realisierung (Verwirklichung der Soll-Vorgabe) fort, geht weiter über die Kostenkontrolle (Vergleich des aktuellen Kostenstatus mit der Kosten- planung) und wird schließlich durch die Kostensteuerung (Steuerungsanweisung zur Anpas-

254 Festschrift 40 Jahre Ibpm Fünf methodische Bausteine für erfolgreiches Management von Infrastrukturprojekten

sung der Realisierung oder der Kostenplanung) geschlossen. An die Kostensteuerung schließt jeweils ein erneuter Regelkreis-Durchlauf mit weiteren Realisierungsschritten samt Kontrolle und Steuerung an.

Zur Ermittlung des Kostenstatus sind periodisch oder nach Abschluss bestimmter Pro- jektphasen (zB Trassenauswahlverfahren, Einreichprojekt) Kostenermittlungen durchzufüh- ren. Da der Projektinhalt mit Fortschritt des Projekts zunehmend konkreter wird, steigt auch der Detaillierungsgrad der Kostenermittlung und deren Aussagekraft, die als Kostenstabilität definiert ist:

x Anschätzungen sind Kostenermittlungen vor Beginn der Konzeptionsphase. Diese wei- sen noch keine Kostenstabilität auf. x Grobe Kostenannahmen sind Kostenermittlungen während der laufenden Konzeption bis zum Ende der Konzeptionsphase. Diese können als grober Kostenrahmen dienen. Deren Kostenstabilität ist im Regelfall gering. x Kostenschätzungen sind Kostenermittlungen während der Planungsphase. Deren Kos- tenstabilität ist höher als in der Konzeptionsphase ("mittel"), da die Projektinhalte be- reits detaillierter sind. x Kostenberechnungen werden schließlich auf Grundlage der Planungsergebnisse durchgeführt. Nachdem das durchgeplante Projekt bekannt ist und die wesentlichen Genehmigungen vorliegen, sind größere Projektänderungen nicht mehr zu erwarten. Die Kostenstabilität ist im Regelfall hoch. x Kostenfeststellungen sind Kostenermittlungen am Ende der Bauphase als Zusam- menstellung der tatsächlich entstandenen Kosten.

Kostencontrolling als Grundlage des Änderungswesens:

Die Ergebnisse des Kostencontrollings können in ein systematisches Änderungswesen ein- fließen, das die langfristige Nachvollziehbarkeit der Veränderungen und damit eine transpa- rente Dokumentation des Projekts gewährleistet.

6 Baustein Änderungswesen

Bei Infrastrukturprojekten treten im Zuge der Umsetzung oftmals Änderungen gegenüber den ursprünglichen Annahmen auf. Die Ursachen hierfür liegen in Einflüssen aus dem Projekt selbst, wie aus vertieften Erkenntnissen aus der Projektabwicklung, oder liegen in Bereichen, die von außen das Projekt beeinflussen, wie bei Vorliegen von geänderten rechtlichen Rah-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 255 Fünf methodische Bausteine für erfolgreiches Management von Infrastrukturprojekten

menbedingungen. Nachdem der Projektinhalt in jeder Projektphase konkretisiert wird, ist die Projektänderung von der laufenden Konkretisierung zu unterscheiden.

Das Änderungswesen soll eine langfristige Übersicht der Vorgaben des Projektauftrags, der Änderungsentscheidungen und der Ergebnisse des Kostencontrollings bieten. Es dient damit der Projekttransparenz.

Ablauf des Änderungswesens:

Die im Änderungswesen erfassten Sachverhalte sind ihrer Ursache nach zu klassifizieren. In der Erfassung und Dokumentation der Änderungen können folgende Kategorien unterschie- den werden:

x Inhaltsänderungen als Änderung von Inhalten bzw Qualitäten:

Bei genehmigtem Projektauftrag zur Umsetzung liegen "Bestelländerungen" vor. Falls die Umsetzung des Projekts noch nicht beauftragt ist, sind dies "Projektänderungen", wie bei- spielsweise für ein Bauprojekt während der Konzeptionsphase.

x Kostenänderungen als Änderung der Kosten ohne Änderung der Inhalte bzw Qualitä- ten:

Diese können auf Einflüsse der Valorisierung oder auf valorisierungsunabhängige Ursachen (zB bei gleicher Preisbasis vertiefte Kostenermittlung, aktualisierte Risikoeinschätzungen) zurückgeführt werden. Bei Änderung der Preisbasis des Bezugszeitpunkts treten als Sonder- fall der Kostenänderungen "Preisbasishebungen" auf. "Kostenänderungen" im engeren Sin- ne haben valorisierungsunabhängige Ursachen.

x Vorausvalorisierungsänderungen:

Änderung der Kosten zufolge einer reinen zeitlichen Verschiebung des Projekts oder zufolge Anpassung der Indices für die Vorausvalorisierung werden als "Vorausvalorisierungsände- rungen" bezeichnet.

Im Management von Projektportfolios sollte die Änderungsdokumentation für alle behandel- ten Projekte nach gleicher Systematik erfolgen. Die abgestimmten Kostenplanungen werden als Basisplan bezeichnet, der als Bezug für künftige Änderungen gilt.

256 Festschrift 40 Jahre Ibpm Fünf methodische Bausteine für erfolgreiches Management von Infrastrukturprojekten

7 Resümee

Der gegenständliche Beitrag behandelt einzelne Bausteine, die für ein erfolgreiches Ma- nagement von Infrastrukturprojekten wesentlich sind. Sie sind Grundlage für ein professio- nelles Projektmanagement, um im institutionellen Sinn zielorientierte Projektorganisationen zu ermöglichen. Zudem ergänzen diese Bausteine das Projektmanagement im methodi- schen Sinn, um projektorientierte Managementtätigkeiten erfolgreich ausüben zu können. Sie bilden einen Teil von Methoden zur Handhabung der komplexen Aufgabenstellungen im Rahmen der Abwicklung von Infrastrukturprojekten.

Dipl.-Ing. Dr. Hubert Hager, kfm. Geschäftsbereichsleiter, Dipl.-Ing. Dr. Martin Pfanner, Zentrales Assetmanagement - Projektchallenging / Leiter, Beide ÖBB Infrastruktur Praterstern 3 1020 Wien

8 Literaturverzeichnis

[1] ÖGG-Richtlinie Kostenermittlung für Projekte der Verkehrsinfrastruktur unter Berück- sichtigung relevanter Projektrisiken. Salzburg, 2005

[2] Handbuch zur Kostenermittlung der ÖBB-Infrastruktur AG. Wien, 2011 (unveröffent- licht)

[3] Handbuch zum Projektkostencontrolling der ÖBB-Infrastruktur AG. Wien, 2009 (un- veröffentlicht)

[4] Hager, Pfanner in Oberndorfer (Hrsg.): Organisation & Kostencontrolling von Baupro- jekten. Wien, 2007

[5] FSV-Merkblatt Kostenermittlung. Wien, 2012 (Veröffentlichung im Sommer 2012 ge- plant)

[6] Oberndorfer, Jodl (Hrsg.): Handwörterbuch der Bauwirtschaft – Interdisziplinäre Be- griffswelt des Bauens. Wien, 2010

[7] FSV Wörterbuch Verkehrswesen - Begriffsbestimmungen der RVS. Wien, 2011

Festschrift 40 Jahre Ibpm 257

Der Bau-Sachverständige in der Praxis

Der Bau-Sachverständige in der Praxis

Anmerkungen zu Sachverstand & Hausverstand bei der Sachverständigentätigkeit in Zivil- prozessen

Rainer Kolator (Univ.Ass 1994 bis 1998).

„Wenn der Mensch so viel Vernunft hätte wie Verstand, wäre vieles einfacher.“

Linus Pauling

Vorbemerkungen

Der folgende Beitrag zum Jubiläums-Institutsbericht 2012 des Instituts für interdisziplinäres Bauprozessmanagement (IBPM) behandelt in der alltäglichen Praxis gewonnene Erfahrun- gen und Einsichten zur Tätigkeit des Bau-Sachverständigen bei Zivilprozessen.

Das wesentliche Kompetenzrepertoire für die Ausübung der Sachverständigentätigkeit hat der Verfasser als Mitarbeiter des Instituts für Baubetrieb und Bauwirtschaft in den Jahren 1994 bis 1999 erwerben können. Noch heute zehrt er von der damals vermittelten, umfas- senden und wohlüberlegt durchstrukturierten bauwirtschaftlichen Systematik.

Die überwiegende Anzahl von Gerichtsverfahren im Bauwesen sind die in diesem Beitrag behandelten Zivilprozesse, wobei die wesentlichen Streitpunkte naturgemäß im Fragen- komplex „Leistungsänderung/Behinderung“ und/oder einer nicht ordnungsgemäßen Leis- tungserbringung/Mangelhaftigkeit liegen. Die behandelten Streitthemen haben entweder ei- nen bauwirtschaftlichen Kerninhalt oder berühren zumindest die am IBPM vermittelten Inhal- te zu Bauvertrag, Kalkulation und Kostenermittlung. Um rein bautechnische Probleme han- delt es sich nur selten.

Der Beitrag soll weniger umfassenden theoretischen Betrachtungen gewidmet bleiben, son- dern wesentlichen systemischen Mechanismen nachspüren und Erfahrungen aus der Praxis vermitteln. Die im Beitrag verwendeten Beispiele haben alle einen realen Hintergrund, wur- den allerdings soweit anonymisiert, dass eine Wiedererkennung ausgeschlossen ist.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 259 Der Bau-Sachverständige in der Praxis

1 Vor Gericht und auf hoher See….

Der gerichtlich bestellte Sachverständige steht im Verlauf von bauwirtschaftlichen Streit- fragen am Endpunkt einer Eskalationskette, die mit einer oder mehreren Meinungsverschie- denheiten zur Auslegung des abgeschlossenen Bauvertrags begonnen haben. Andere Lö- sungsmöglichkeiten haben dann entweder versagt oder wurden von den Beteiligten gar nicht erst in Betracht gezogen.

Die Anzahl von Zivilprozessen nach Bauvorhaben nimmt den Aussagen von Richtern nach tendenziell immer weiter zu. Was von den Klägern zumeist vergessen wird, ist der Umstand, dass die beiden Vertragspartner sich mit dem Gang zum Gericht einer erhöhten Fremd- bestimmung und rasch anwachsenden Verfahrenskosten aussetzen. So führt beispielsweise [OBE] drei grundsätzliche Risken im Rahmen eines Bauprozesses an, die auch bei objektiv günstigen Aussichten, im Rechtsstreit zu obsiegen, bestehen:

ƒ 1. Der oder die Sachverständigen können mehr oder minder kompetent sein und dies im Falle der fehlenden Kompetenz nicht eingestehen. ƒ 2. Der Richter kann den Prozess mehr oder weniger straff führen. Zweiteres führt in der Regel zu längeren Verfahren und damit zu steigenden Verfahrenskosten. Er kann zudem mit der Rechtsproblematik von Bauverträgen mehr oder weniger ver- traut sein. ƒ 3. Und zusätzlich besteht das Risiko des eigenen Anwalts – er kann mehr oder we- niger routiniert agieren und ebenfalls mehr oder weniger von Bauverträgen verste- hen.

Die antik-römische Juristenweisheit: „Coram iudice et in alto mari sumus in manu Dei.“ ist zeitlos und hat noch immer Gültigkeit. Denn häufig ergeht es dem Rechtssuchenden ähnlich wie einstens Homers Odysseus. Zuerst forsch aufgebrochen, jedoch schon bald nach dem ersehnten Strand lechzend, wird der (Recht-)Suchende immer wieder durch Winkelgriffe fremder, missgünstiger Mächte von der schon zum Greifen nahen Küste abgetrieben. Dann gibt es da noch die Untiefen und Riffe (der Zivilprozessordnung), die dafür sorgen können, dass das ganze wunderbare (Argumentations-)Schiff in den Fluten versinkt. Und natürlich bleibt die zeitlich wohl überwiegende Spanne – die Flaute (u.a. der prozessualen Fristenläufe oder der Dauern von Gutachtenserstellungen). Man liegt auf glatter See, kein Lüftlein bewegt sich, die Sonne brennt und zehrt stetig an den begrenzten Ressourcen, ob am Trinkwasser oder an Mitteln zeitlicher und finanzieller Natur. Zu guter Letzt gibt dann noch ein launischer Halbgott seinen Wahrspruch (bzw Gutachten) ab, der vorentscheidend für den Ausgang der Schiffsreise sein kann. Und wenn der Strand dann endlich nach vielen Mühen (und Kosten)

260 Festschrift 40 Jahre Ibpm Der Bau-Sachverständige in der Praxis

erreicht wird - wer weiß, ob es das erhoffte gelobte Land ist oder doch nur derselbe distel- überzogene, staubige Streifen, den man sich geschworen hat nie wieder zu betreten.

Aber verlassen wir jetzt das Bild vom Schiffsreisenden und kehren in die Realität zurück.

Tatsächlich gibt es immer wieder Gerichtsverfahren, die bei Streitwerten von wenigen 100.000 EUR durch den gegnerischen Anwalt mittels wiederholter Vorlage „neuer“ Mangel- einreden geschickt verzögert werden und bei denen die Prozessführung durch den befassten Richter eben nicht allzu straff gehandhabt wird. Solche Rechtsstreitigkeiten erreichen, ob- wohl von der Substanz ihres rechtlich-technischen Inhalts keineswegs unüberschaubar, in der Realität durchaus Verfahrensdauern von über 10 Jahren und überschreiten damit die Zeitspanne der Irrfahrten des Odysseus.

2 Der Bau-Sachverständige

2.1 Wer ist der Sachverständige und wie wird man einer?

Sachverständige sind Personen, die dem Gericht aufgrund ihrer besonderen Sachkunde Erfahrungssätze vermitteln, aus diesen Erfahrungssätzen Schlussfolgerungen ziehen oder für das Gericht Tatsachen ermitteln und feststellen [KR1]. Der Sachverständige ist in erster Linie Helfer des Gerichtes, dem er Fachwissen verschafft, das es selbst nicht besitzt [OGH], durch seine Feststellung von Tatsachen allerdings auch selbst Beweismittel (Sachverständi- genbeweis). Neben der besonderen Fachkunde des Sachverständigen werden naturgemäß an die Objektivität, die Unparteilichkeit und die Unabhängigkeit hohe Anforderungen gestellt.

Die wesentlichen Bestimmungen zur Bestellung von Sachverständigen sind in der Zivilpro- zessordnung [ZPO] in den §§ 351 bis 367 (Beweis durch Sachverständige) enthalten. In der Regel werden die in Gerichtsverfahren bestellten Sachverständigen in Österreich aus der Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen ausgewählt. In Ausnahmefällen können allerdings auch andere Personen, welche die fachlichen Voraus- setzungen erfüllen, zu Sachverständigen in Gerichtsverfahren bestellt werden. Das Sach- verständigen- und Dolmetschergesetz [SDG] regelt das Eintragungsverfahren für die allge- meine Beeidigung und gerichtliche Zertifizierung von Sachverständigen sowie seit 2003 die Erfassung in elektronischen Listen (www.sdgliste.justiz.gv.at). Die fachliche Einteilung der Sachverständigen erfolgt nach so genannten Fachgruppen. Die Fachgruppen gliedern sich jeweils in eine Reihe von Fachgebieten. Die Fachgruppe Bauwesen (Nr. 72 nach Nomenkla- tur der Sachverständigenliste) umfasst beispielsweise 25 Fachgebiete (u.a. 72.01 Hoch-bau,

Festschrift 40 Jahre Ibpm 261 Der Bau-Sachverständige in der Praxis

72.15 Eisenbahnanlagen oder 72.86 Schwimmbädertechnik). Die Eintragung erfolgt nach den Fachgebieten.

Für die Eintragung in die Sachverständigenliste ist die besondere Sachkunde über Aus- bildungs- und Berufserfahrungsnachweise zu belegen und es muss eine kommissionelle Prüfung bestanden werden. Aufgrund dieser strengen Voraussetzungen für die Eintragung kann von einem insgesamt hohen fachlichen Standard der eingetragenen Sachverständigen ausgegangen werden.

2.2 Wann betreten Sachverständige vor Gericht „die Bühne“?

Grundsätzlich werden Sachverständige dann herangezogen, wenn die zu beurteilenden Streitfragen dies aufgrund des speziellen erforderlichen Fachwissens notwendig machen. Der Zeitpunkt, zu dem Sachverständige im Prozessverlauf „die Bühne“ betreten, ist aller- dings recht unterschiedlich. Nach der Erfahrung des Verfassers gibt es für Bauprozesse fol- gende logische Tendenzen:

x Bau-Sachverständige werden bei Bauprozessen, bei denen eine eventuelle mangelhaf- te Leistung Hauptthema ist, gerne relativ früh eingebunden, da die grundsätzliche Be- urteilung der Mangeleinreden großen Einfluss auf die weitere Dauer und den Umfang des Prozesses haben kann. x In Bauprozessen, bei denen es vornehmlich um vertragliche Auslegungsdifferenzen (zB um die Höhe einer strittigen Preisumrechnung) und nicht um Baumängel geht, werden Sachverständige zumeist nicht von Beginn an, sondern erst im Verlauf des Prozesses eingebunden. In solchen Fällen geht das Gericht häufig den Weg, durch Parteivorbringen und Zeugenaussagen, eine möglichst umfassende Darstellung des Sachverhalts zu gewährleisten. Aus der sich bietenden Sachverhaltsdarstellung wird dann in der Regel der Gerichtsauftrag an den Sachverständigen formuliert.

Der Zeitpunkt der Bestellung spielt besonders dann eine Rolle, wenn bei einer rechtzeitigen Einbeziehung und einer deshalb zwischen dem Gericht und dem Sachverständigen abge- stimmten schlanken Fragestellung im Gerichtsauftrag sowohl der Aufwand des Sachverstän- digen wie auch der Prozessaufwand vermindert werden kann.

Beispiel: Bei einem Prozess zwischen dem Masseverwalter eines insolventen Bauunter- nehmers und einem Bauträger liegen mehr als 40 strittige Abrechnungspositionen und zahl- reiche eingewendete Mängel vor. Der Sachverständige schlägt vor, in einem ersten Schritt nur jene 8 Streitpositionen zu beurteilen, welche ca 90 % des Streitwertes ausmachen. Nach

262 Festschrift 40 Jahre Ibpm Der Bau-Sachverständige in der Praxis

Vorliegen einer grundsätzlichen Beurteilung zu diesen Positionen durch den Sachverständi- gen wird ein Vergleich geschlossen.

2.3 Die Stellung des Sachverständigen im Bauprozess

In der Praxis bilden die gutachterlichen Tatsachenfeststellungen des Sachverständigen in aller Regel weit mehr als nur ein weiteres von mehreren vorhandenen Beweismitteln. Sie haben zumeist vorentscheidende Bedeutung für den Ausgang des Gerichtsverfahrens. Damit fällt dem Sachverständigen ein hohes Maß an Mitverantwortung für ein sinnvolles und an- gemessenes Ergebnis im Sinne der Rechtssprechung sowie der beteiligten Parteien zu.

Eine inhaltliche Kontrolle des Sachverständigengutachtens ist für das Gericht und die Partei- en zum Teil nicht oder nur schwer möglich. Im Bauwesen trifft das insbesondere für komple- xe technische Feststellungen des Sachverständigen zu, beispielsweise zu Mangelursachen an Gewerkeschnittstellen oder bei einer komplizierten statischen Berechnung.

Außer bei besonders grob ins Auge fallenden Unstimmigkeiten wird die durch den möglichen Fehler des Sachverständigen benachteiligte Partei daher das Gericht erst von der Problema- tik des vorliegenden Gutachtens zu überzeugen haben, beispielsweise durch ein qualitativ besseres Privatgutachten, denn in der Regel kann nur ein Experte aus dem jeweiligen Fach- gebiet einem Sachverständigen etwaige Fehler aufzeigen. Bleibt der Erst-Sachverständige bei seiner Interpretation, kann das Gericht eine Oberbegutachtung durch einen weiteren Sachverständigen durchführen lassen.

Fehlinterpretationen des gerichtlich bestellten Erst-Sachverständigen sind daher einerseits zum Teil sehr schwer zu erkennen und andererseits beinahe noch schwerer zu beseitigen.

3 Der Bauprozess - wer gegen wen, wie oft und warum

3.1 Wer gegen wen – die Beteiligten

Praxiserfahrungen zeigen, dass sich ein grober Zusammenhang zwischen den Streitwerten und dem Grad der bauwirtschaftlichen Kompetenz der Streitparteien abzeichnet. Abbildung 3.1 zeigt schematisch drei Streitwert- bzw Kompetenzzonen mit den üblichen, dort agier- enden Beteiligten.

In der Regel treffen vor Gericht Baubeteiligte mit ähnlichem Kompetenzgrad aufeinander, wobei natürlich auch die Einzelprojektgrößen eine Rolle spielen und von Fall zu Fall auch

Festschrift 40 Jahre Ibpm 263 Der Bau-Sachverständige in der Praxis

„die Ausnahme die Regel bestätigt“. Der Zusammenhang zwischen Streitwert und bau- wirtschaftlicher Kompetenz ergibt sich schon daraus, dass größere mit dem Bauen befasste Organisationen regelmäßige Marktteilnehmer bei Bauprojekten mit höheren Gesamtkosten und damit auch bei potenziell höheren Streitwerten sind.

Die bauwirtschaftlichen „Meinungsverschiedenheiten“ werden tendenziell ähnlich wie im Ballsport in den abgestuften Spielklassen mit unterschiedlichen technischen Fähigkeiten ausgetragen. In der „Oberliga“ (Bereich 1 in Abbildung 3.1) findet das eben auf einer höher aggregierten Ebene statt, da die Beteiligten hinreichend über Kompetenz verfügen und die Bauprojekte mit höheren Organisationsstandards (Dokumentation, Planung, Steuerung, Con- trolling) ablaufen.

Übliche Beteiligte

i.d.R. hohe bauwirtschaftliche Kompetenz Große Gebietskörperschaften, institutionelle Infrastrukturerrichter, Zone Bauindustrie Konstellationen ü blicher

mittlere bauwirtschaftliche Kompetenz Mittlere und kleine Gebietskörperschaften, Bauträger, Immobilienentwickler, größere private Bauherrn, mittelständische Bauunternehmen Bauwirtschaftliche Kompetenz der Beteiligten Kompetenz Bauwirtschaftliche

geringere bauwirtschaftliche Kompetenz

Private Kleinbauherren (Häuslbauer), Handwerksbetriebe, Baukleingewerbe

Streitwert

Abbildung 3.1: Relation zwischen Streitwert und bauwirtschaftlicher Kompetenz der Beteiligten, übliche Konstellationen und Beteiligte

3.2 Wie oft – zur Häufigkeit von Zivilprozessen im Bauwesen

Bauprozesse zwischen Baubeteiligten mit höherer Kompetenz im bauwirtschaftlichen Wis- sensfeld, dh Gerichtsverfahren, in denen „in der Oberliga“ bauwirtschaftlich „mit der feinen Klinge gefochten“ wird, sind nach der bisherigen Erfahrung des Verfassers eher selten.

264 Festschrift 40 Jahre Ibpm Der Bau-Sachverständige in der Praxis

Bauwirtschaftlich kompetenten Beteiligten gelingt es offensichtlich häufiger, Meinungs- verschiedenheiten vor Einbeziehung ordentlicher Gerichte zu bereinigen.

Von einer eher geringen Basis über die letzten Jahre anwachsend ist die Anzahl der Ge- richtsverfahren im Bereich der „Unterliga“ (Bereich 3 in Abbildung 3.1). Hier zeigt sich der Einfluss der immer weiter verbreiteten Rechtsschutzversicherungen, der es auch bei kleine- ren Projekten verlockenswert erscheinen lässt, vor Gericht zu ziehen.

Beispiel: Ein kleiner Bauträger baut ein Mehrfamilienhaus zu Ferienwohnungen im Eigentum aus. Ein Wohnungskäufer zieht nach Abschluss des Kaufvertrags einen Privatgutachter bei und klagt u.a. eine Reihe Mängeln von jeweils wenigen 100 EUR vor Gericht ein.

Im Bereich 2 der Abbildung 3.1 - bzw um beim Bild des Mannschafts-Ballsports zu bleiben: in der zweiten Liga - ist der vorhandene bauwirtschaftliche Kompetenzgrad der Beteiligten z.T. sehr heterogen. Zu beachten ist, dass in der „zweiten Liga“ auf Auftraggeberseite sehr oft Unternehmen aus der Bauträger-/Immobilienentwicklungsbranche mitspielen und es relativ häufig zu Gerichtsverfahren kommt.

Beispielzitate:

Richterzitat: „Wenn ich eine Baustelle mit (…) sehe, weiß ich schon, was in ein oder zwei Jahren zu uns ans Gericht kommt.“

Anwaltszitat (sich für die verspätete Beantwortung einer Anfrage des Sachverständigen ent- schuldigend): „(…) war es mir bei der kaum übersehbaren Anzahl an Rechtsstreitigkeiten meiner Mandantin nicht möglich (…).

Zusätzlich ist für die „zweite Liga“ charakteristisch, dass bei vielen vor Gericht behandelten Streitfällen fundamentale Grundlagen bzw Dokumentationen nicht adäquat vorliegen. Be- sonders aus der Perspektive des Bauvertrags ergeben immer wieder unklare, mitunter auch skurril anmutende Situationen.

Beispiel: Eine mittelgroße Baufirma erhält den Auftrag für den Abbruch eines Bestands- gebäudes und der Errichtung eines Neuobjekts. Nach erfolgtem Baubeginn (Abbruch- arbeiten) werden die Arbeiten nach kurzer Zeit eingestellt, da der Auftraggeber das Bestand- sobjekt noch nicht rechtskräftig erworben hatte. Das Gerichtsverfahren zwischen Auftragge- ber und Baufirma behandelte dann die Fragen, ob ein Werkvertrag überhaupt abgeschlossen wurde, sowie welche die korrekte preisliche Bewertung der erbrachten Teilleistungen sei.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 265 Der Bau-Sachverständige in der Praxis

3.3 Warum - Zur Motivation der Parteien für den Rechtsstreit

Die pragmatische Begründung für den Beginn eines Gerichtsverfahrens ist die nicht anders mögliche Durchsetzung der eigenen Ansprüche. Manchmal gelingt es den Beteiligten trotz der verhärteten Fronten im Falle eines Rechtsstreits, das Gerichtsverfahren wertfrei als Fort- setzung der nicht gelösten Meinungsverschiedenheit zu interpretieren. Zum Teil werden al- lerdings auch Emotionen frei bzw von den Parteien und deren Vertretern auch willentlich oder unwillentlich geschürt.

Einige Beispiele, die sich beliebig fortsetzen ließen.

Auszüge aus Schriftsätzen von Rechtsvertretern: “XY war einmal ein guter Baumeister, der dann leider (...).“ oder „Der Kläger YZ wurde bei dem erfolglosen Vergleichstermin von seiner Ehefrau selbst als Dummkopf bezeichnet.“

Aussagen vor Gericht bzw gegenüber dem Sachverständigen beim Lokalaugenschein: „Eine solcher Pfuscherfirma (…).“ oder „Dieser Vollkoffer (gemeint ist der Rechtsvertreter der Ge- genpartei) ist ja völlig ahnungslos, eine Zumutung, dass ich mich mit dem hier abgeben muss.“

Neben diesen, zumeist wohl aus einer gewissen Emotionalität geborenen Singulärbeiträgen, lassen sich weitere Verhaltensformen erkennen, die man ähnlich normieren könnte, wie klassische Bühnenrollen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sich der Charakter des Verhaltens meist immanent über das ganze Verfahren hinzieht. In manchen Fällen ist die Motivation dafür eher im Emotionalen zu suchen, teilweise hat das Verhalten allerdings auch strategi- sche Hintergründe.

x Der streitbare Rechtssuchende

Diese Verhaltensform wird hauptsächlich von privaten Kleinbauherren (mit Rechtsschutz- versicherung) angenommen. Die Grenze zwischen der gerechtfertigten Nicht-Akzeptanz von unternehmerischen Fehlleistungen und einem überzogenen, ins Querulantentum neigenden Qualitätsverständnis ist fließend. Leider kann Zweiteres dazu führen, dass der Aufwand für die Beurteilung von einzelnen aufgeworfenen technischen Streitpunkten über dem damit verbundenen Streitwert zu liegen kommt. Dieser Fall tritt sehr schnell ein, wenn zB Baustoff- analysen erfolgen müssten, um an Gewerkeschnittstellen komplexe Schadensbilder mit ge- ringer Kostenwirkung aufzuklären. Aus Sicht des Verfassers sollte jedem produktiv denken- den Sachverständigen die im Sinne des gerichtlichen Auftrags selbstverständlich sorgsame

266 Festschrift 40 Jahre Ibpm Der Bau-Sachverständige in der Praxis

und untadelige Bearbeitung solcher Fragestellungen zumindest eine kurze Nachdenkpause über deren Sinn und Unsinn verursachen.

x Der enttäuschte Kleinbauherr

Nicht fachlich versierte Kleinbauherren gehen gerechtfertigt davon aus, dass sie ein funktio- nierendes und qualitativ entsprechendes Bauwerk bestellt haben. Leider kommt es in der Praxis auch bei Einfamilienhäusern zu technischen Schadensbildern, bei denen die Verursa- chung nicht einem Unternehmer alleine zugeordnet werden kann. Ein solches unheilvolles Zusammenspiel zB von Planer sowie einem oder zwei vom Bauherrn unabhängig beauftrag- ten Unternehmen kann zwar durch den Sachverständigen in vielen Fällen kostenanteilsmä- ßig den Verursachern zugeordnet werden. Bei einem Prozess zB gegen das ausführende Baumeisterunternehmen wird technisch korrekt nur ein Teil des Schadens dem Baumeister zugeordnet und der Kleinbauherr bleibt enttäuscht zumindest auf einem Teil des Schadens sitzen, will er seine Ansprüche nicht auch gegenüber den anderen Mitverursachern durch- kämpfen.

x Der Gerichtsprofi - Prozessführung als Projektbestandteil

Leider führen die grundsätzlich segensreichen, umfassenden Mitwirkungs- und Kontroll- rechte, die die Rechtsordnung den Parteien einräumt, auch dazu, dass diese durch „profes- sionelle“ Streitparteien zur Verschleppung und Verzögerung von Prozessen genutzt werden können.

In manchen Fällen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Prozess-führung als integraler Bestandteil der Projektabwicklung angesehen wird.

Das strategische Ziel dahinter ist schlicht Kostenreduktion. Die Vorgangsweise ist von meist ähnlich: Einstellung oder massive Kürzung der Teilzahlungen noch während der Bauausfüh- rung zufolge geltend gemachter Mangelhaftigkeiten oder Schäden. Auch nach Schlussrech- nungslegung und ev. durchgeführten Mangelbehebungen werden massive Abstriche auf- rechterhalten. Dies führt bei Unternehmen mit genügend großer Aversion gegen einen Ge- richtsstreit zu einem Anspruchsverzicht. Bei Unternehmen, die vor Gericht ziehen, kann auch der Fall ihrer Insolvenz zu einer Einstellung des Verfahrens führen. Bei jenen, die den Rechtsstreit zumeist über mehrere Jahre durchfechten, besteht immer noch die Möglichkeit einer finanziell günstigen gerichtlichen Entscheidung für den Gerichtsprofi.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 267 Der Bau-Sachverständige in der Praxis

Zu dieser Verhaltensform abschließend das freie Zitat des Geschäftsführers eines der öster- reichischen Top 10-Bauunternehmen: „Für die (…) bauen wir nur, wenn wir müssen, die ge- hen ja davon aus, dass sie nicht alles bezahlen müssen.“

x Der Unzuständige

Eine weitere Verhaltensform, die neben Unternehmen aus der Bauträgerbranche aller-dings auch teilweise öffentliche Bauherren ausüben, ist der sogenannte Unzuständige für alle Un- billen der Projektabwicklung. Das ausführende Unternehmen und/oder der Planer sind für alle Risiken zuständig, die zu Mehrkosten führen können. Um im Gerichtsverfahren gerecht- fertigte Ansprüche gegen „Unzuständige“ durchsetzen zu können, ist eine umfassende Do- kumentation des Bauablaufs besonders wichtig, da „Unzuständige“ als Erstargument neben ihrer eigenen Unzuständigkeit die grundsätzliche fehlenden Nachvollziehbarkeit des geltende gemachten Anspruchs ins Treffen führen. Mit dieser Argumentation sind naturgemäß Planer und Unternehmen der Ausbaugewerke verwundbar, da hier häufig keine ausreichende Do- kumentation vorliegt (zB Ursachenprotokolle zu Umplanungen oder Bautagesberichte).

Als Beispiel für den Unzuständigen sei ein Bauherr angeführt, der trotz fehlender Genehmi- gungsfähigkeit der von ihm beigestellten Planung auf dem ebenfalls von ihm beigestellten Grundstück mit der alleinigen Verantwortung des Totalunternehmers für Verzögerungen im baubehördlichen Genehmigungsverfahren argumentierte.

4 Problemfelder der Sachverständigenarbeit

Der Problemfelder bei der Arbeit des Sachverständigen gibt es viele, im Anschluss sollen einige Ausgewählte andiskutiert werden.

4.1 Schuster, bleib bei deinen Leisten I – das eigene Fachwissen

Prozesse nach größeren Hochbauvorhaben, erreichen sehr rasch eine Vielzahl von komple- xen technischen Problemstellungen aus verschiedenen Gewerken. Ein durch das Gericht bestellter Sachverständiger sieht sich daher häufig vor der Entscheidung, ob er die eine oder andere der lt. Gerichtsauftrag zu beurteilenden Fragen ordnungsgemäß beantworten kann. Zu beachten ist hierbei natürlich in erster Linie das dem Sachverständigen zur Verfügung stehende Fachwissen (allerdings auch der Umfang des eingetragenen Fachgebiets – siehe Abschnitt 4.2).

268 Festschrift 40 Jahre Ibpm Der Bau-Sachverständige in der Praxis

Grundsätzlich muss verlangt werden, dass der Sachverständige über ausreichendes Fach- wissen verfügt, die an ihn herangetragenen Fragestellungen sicher zu beherrschen. Dieses Fachwissen sollte konkrete praktische Erfahrungsinhalte aufweisen, da die Recherche von Richtlinientexten im Normalfall nicht ausreicht, Sachverhalte im rechtsstrittigen Einzelfall ab- gesichert beurteilen zu können.

Insgesamt ergibt sich, dass überall, wo sich systemische Lücken im eigenen Fachwissen auftun, das Gericht darauf hingewiesen werden sollte, damit entweder ein Zweitgutachter vom Gericht bestellt wird, oder der Sachverständige selbst einen Hilfsgutachter heranziehen kann. Die Frage der für die jeweilige Einzelfrage ausreichenden Fachkenntnis wird sich auch der versierte Sachverständige gerade im weiten Wissensfeld des Bauingenieurwesens im- mer wieder stellen müssen. Frei nach Goethe ist man sich üblicherweise „(…) des rechten Weges wohl bewusst“ und verhilft der Gedanke an eine sachlich hart geführte Gutachten- serörterung vor Gericht in der Regel zu einer realistischen Sicht.

4.2 Schuster bleib bei deinen Leisten II - Fachgebietsproblematik

Auf der einen Seite weisen Richter immer wieder darauf hin, dass die Abgabe von gutachter- lichen Feststellungen außerhalb des eigenen Fachgebiets von Seiten der Gerichte als sehr problematisch angesehen wird. Diesem Ansatz ist aus rechtlicher Sicht vom Grundsätzlichen her zuzustimmen.

Allerdings muss aus praktischer Sicht festgestellt werden, dass im Bauwesen der Sachver- ständige häufig in einen gewissen Fachgebiets-Graubereich agiert. So sind normalerweise konstruktiv-bautechnische Beurteilungen mit der technisch-wirtschaftlichen Interpretation des abgeschlossenen Vertragsinhalts zu verbinden oder es sind miteinander verbundene Teil- fragestellungen aus verschiedenen Roh- und Ausbaugewerken bzw aus Spezialfachgebieten zu bewältigen.

Der Hauptverband der Gerichtssachverständigen führt daher exemplarisch aus [HVS]:

“Da in der Regel nicht nur ein einzelnes, unabhängiges Bausegment, ein losgelöster Bauteil zu beurteilen ist, sind – zumindest in dem Umfang, der für die sachverständi- ge Beurteilung des eigenen Kompetenzbereichs (bzw dessen Grenzen) notwendig ist - über das vorliegende Fachgebiet hinaus auch entsprechende erweiterte Kenntnisse notwendig.“

Festschrift 40 Jahre Ibpm 269 Der Bau-Sachverständige in der Praxis

Daraus leitet sich für die Praxis eine gewisse Ermessensfrage ab, als wie weit gehend der Umfang des Fachgebiets zu interpretieren ist. Aus Sicht des Verfassers bildet einerseits die Nähe der eingetragenen Fachgebiete zum erforderlichen Fachwissen einen Gradmesser, andererseits die Sicherheit, mit welcher der Sachverständige die objektiv richtige Feststel- lung treffen kann.

Beispiele: Es wird sich vermutlich kaum jemand daran stoßen, wenn ein versierter Sachverständiger aus dem Bauwesen gleich welchen Fachgebiets das nicht der Bauordnung entsprechende Steigungsmaß einer Stiege feststellt. Allerdings werden möglicherweise berechtigte Hinterfragungen auftreten, wenn sich ein Sachverständi- ger aus dem Fachgebiet „Sportanlagen und Spielstätten“ zu einem komplexen bo- denmechanischen Problem äußert.

4.3 Zum Umgang mit den Parteien

Der Sachverständige ist bei der Beantwortung der durch das Gericht gestellten fachlichen Fragen zu größtmöglicher Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtet. Es ist daher selbst- redend, dass vorhandene Unvereinbarkeiten dazu führen müssen, den Gerichtsauftrag mit Verweis darauf abzulehnen. Bei der Unvereinbarkeit gehen zwar vorhandene rechtlichen Interpretationen mit der Praxis nur bedingt konform, so wird ein bereits „länger dienender“ Sachverständiger im Fachgebiet Tunnelbau mit den meisten Auftraggebern und ausführend- en Unternehmen dieses Spezialgebiets in seinem Berufsleben schon zusammengearbeitet haben. Daraus grundsätzlich eine Unvereinbarkeit abzuleiten erscheint wenig praxisrelevant, dafür ist Österreich nicht groß genug. Auf jeden Fall hat sich aber bewährt, das Gericht vorab über einen Umstand zu informieren, der geeignet sein könnte, die Unparteilichkeit in Frage zu stellen.

Weiter ist es klar, dass der Sachverständige die technische Fragestellung und damit aus- schließlich „Hard Facts“ zu beurteilen hat. In diesem Sinne ist auch der Umgang des Sach- verständigen mit den Parteien zu gestalten. Eine Einschätzung der Parteien nach den oben beschriebenen Motivationen für den Rechtsstreit hilft dem Sachverständigen lediglich für die Strukturierung bzw Organisation seiner Arbeit. Präferenzen für die Motivationen einer Partei sollten weder geäußert noch gehegt werden.

Im Laufe des Verfahrens versuchen Parteien manchmal, den Sachverständigen (möglicher- weise unbewusst) durch Äußerungen zu beeinflussen. Diese „Beeinflussungsversuche“ kön- nen in der Regel der subjektiven Problemsicht der jeweiligen Streitpartei zugeschrieben wer-

270 Festschrift 40 Jahre Ibpm Der Bau-Sachverständige in der Praxis

den. Die Spannweite reicht von Hinweisen über die glasklare Unzulänglichkeit zB einer tech- nischen Leistung bis zur Beschreibung des völlig inadäquaten Verhaltens der Gegenpartei während der gesamten Auftragsabwicklung („… die waren dauernd im Verzug, nie jemand auf der Baustelle …“ oder „Das war Bauen auf Zuruf, keine Pläne und wenn, dann un- brauchbar …“). Aus der bisherigen Erfahrung des Verfassers lassen solche Äußerungen hauptsächlich auf den Grad der Zerrüttung zwischen den Streitparteien schließen, sie sind für die Arbeit des Sachverständigen irrelevant und gehören quasi zum „Ritual“.

4.4 Zu Kosten und Terminen

Der Gerichtsauftrag enthält bei Zivilprozessen im Allgemeinen die Höhe des von den Partei- en erlegten Kostenvorschusses und eine Fristsetzung, bis wann das Gericht mit dem Ab- schluss der Sachverständigentätigkeit rechnet. Bei den durch das Gericht gesetzten Fristen werden nach der Aussage von Richtern die Gutachtensqualität und die Verlässlichkeit der Fristeinhaltung als wesentlicher beurteilt, als ein möglichst rasch vorliegendes Gutachten.

Wenn allerdings mehrere Sachverständige verschiedener Fachgebiete an einem Gerichts- auftrag nacheinander in Serie arbeiten, kann sich für die Erstellung eines (Erst-)Gutachtens ohne weiteres ein Zeitraum ergeben, der die Jahresfrist deutlich überschreitet. Aus Sicht der Prozessökonomie ist die Heranziehung einer geringeren Anzahl an Sachverständigen daher dann wirtschaftlicher, wenn die prozessentscheidenden Antworten an das Gericht auch so in ausreichender Qualität gegeben werden können. Aus Sicht des Verfassers sollte der bestell- te Sachverständige daher im Dreieck „eigenes Fachwissen/Fachgebiet“ – „Bedeutung der Einzelfragestellung für den Prozessausgang“ – „Sicherheit der korrekten Tatsachen- feststellung“ bemüht sein, einen optimalen Weg im Sinne des Gesamten zu finden und mit dem Gericht abzustimmen.

Hin und wieder ergeben sich bei der Termingestaltung für die Befundaufnahme sowie durch lange dauernde Unterlagenübermittlungen der Parteien Verzögerungen, die der Sach- verständige nicht zu vertreten hat. Hier ist eine Rückkopplung/Information an den zuständi- gen Richter absolut sinnvoll.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 271 Der Bau-Sachverständige in der Praxis

4.5 Schuster, bleib bei deinen Leisten III

- was darf ein Sachverständiger alles sehen?

Von den Gerichten wird es nicht gern gesehen, wenn Sachverständige gemäß Gerichts- auftrag fünf Fragestellungen beurteilen sollen und nach dem Lokalaugenschein zehn oder mehr bearbeitet werden, weil dem Sachverständigen weitere potenzielle Unzulänglichkeiten aufgefallen sind und er diese bereits vor Ort mit den Parteien diskutiert hat.

Dies führt im Gegensatz zum Bemühen um eine Verschlankung der Verfahren zu einer Aus- dehnung und ist aus Sicht der geforderten Unparteilichkeit des Sachverständigen ein zumin- dest problematisches Verhalten. Denn wenn der Sachverständige selbständig zusätzliche Mängel aufzeigt, unterstützt er jene Partei, welche die Mangeleinrede führt. Eigenständiges Aufzeigen möglicher zusätzlicher Mängel sollte daher unterlassen werden, außer es ist durch den Gerichtsauftrag gedeckt oder es handelt sich um einen Sonderfall (zB Gefahr im Ver- zug). Die Zügel, die dem sprudelnden Fachwissen angelegt werden müssen, sind zwar nicht leicht zu handhaben, werden aber von den Sachverständigen-Pflichten Unparteilichkeit und Objektivität gefordert.

4.6 Zu guter Letzt - über so etwas wie die Angst beim Elfmeter

Das Gericht stellt eine klare Frage und erhält eine klare Antwort durch den Sachverständigen - so der Idealfall. Obwohl ersteres nicht immer ganz gewährleistet ist, u.a. auch, weil die Richter ja keine Fachleute sind, muss die Forderung an den Sachverständigen nach einer eindeutigen und klaren Antwort weiterhin bestehen bleiben. Denn ist der Gerichtsauftrag aus Sicht des Sachverständigen nicht klar ausformuliert, sollte sich der Sachverständige um eine Präzisierung bemühen und diese mit dem Gericht akkordieren.

Konkret hat der Sachverständige die Aufgabe, in seinen Möglichkeiten den Sachverhalt so- weit zu erheben, dass er mit seinen Tatsachenfeststellungen ein klares technisches Bild wiedergeben kann und damit sowohl für die Parteien wie auch für das Gericht eindeutige Schlussfolgerungen zu ziehen sind. Ein Sachverständiger, der zB auf einen Überblick ver- schaffenden Lokalaugenschein verzichtet und sich dadurch der Problematik aussetzt, dass er bedeutende Fakten nicht kennt, oder sein Gutachten u.a. mit Formulierungen wie: „Falls eine ÖBA beauftragt war gilt (…), falls nicht, gilt (…).“ beschließt, erweist den in ihn gesetz- ten Erwartungen eine schlechten Dienst.

272 Festschrift 40 Jahre Ibpm Der Bau-Sachverständige in der Praxis

Das Gericht erwartet vom Sachverständigen insbesondere dann, wenn der Sachverhalt im Prozess bereits weitgehend aufgearbeitet ist, in der Regel ein Gutachten, das „gut für ein Urteil zu verwenden ist“ bzw das ein Ende des Verfahrens herbeiführen kann. Daher muss sich der Sachverständige zu eindeutiger Schlussfolgerung durchringen, wie der Schütze beim Elfmeter zum platzierten Schuss.

Ein ordentliches Gutachten verlangt neben einer gründlichen inhaltlichen Abhandlung auch eine gewisse Standhaftigkeit in seiner Argumentationslinie, denn im „Endspiel“ versuchen die Rechtsvertreter beider Parteien häufig noch einmal, Terrain gutzumachen. Gutachtens- erörterungen bei wackeligem Gutachten sind für den Sachverständigen klarerweise alles andere als ein Honiglecken und können manchmal auch zu Entkräftung von Gutachtenstei- len führen. Auch von den Gerichten werden solche prekären Situationen wenig geschätzt: „Besonders unangenehm ist es, wenn dann der Sachverständige bei der Gutachtenserörte- rung umfällt (…).“

5 Schlussfolgerungen

Die Sachverständigentätigkeit bei Gericht erfordert ein hohes Maß an fachlicher Qualifikation sowie an Eigenschaften, die der Sachverständige als „verlängerter Arm des Gerichts“ auf- zuweisen hat: Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit.

Für die Auftragsabwicklung des Gerichtssachverständigen ergeben sich in der Praxis ähnli- che Forderungen, wie sie auch für ein ordnungsgemäßes Projektmanagement zu gelten ha- ben. Einhaltung von Terminen und ein aufmerksames Auge auf die entstehenden Kosten sind Grundqualitäten. Die Forderung an die fachliche Treffsicherheit der Tatsachenfeststel- lungen des Sachverständigen ist im Gerichtsverfahren naturgemäß besonders hoch.

Das Gutachten des Sachverständigen sollte eindeutig und soweit für Nichtfachleute les- und verstehbar sein, dass eine Nachvollziehbarkeit der Schlussfolgerungen gewährleistet ist. Der Zugewinn an Klarheit zu den Streitfragen sollte einen deutlichen Schritt hin zum Ende des Gerichtsstreites darstellen.

In vielen Streitfällen, die der Verfasser als bestellter Sachverständiger begleiten durfte, hat sich gezeigt, dass eine außergerichtliche Beilegung der Meinungsverschiedenheiten die wohl effizientere Lösung für beide Parteien gewesen wäre („… das haben wir ja vor zwei Jahren vorgeschlagen, und jetzt sind wir wieder dort…“).

Dipl.-Ing. Dr. Rainer Kolator

Festschrift 40 Jahre Ibpm 273 Der Bau-Sachverständige in der Praxis

6 Literaturverzeichnis

[1] [HVS] HAUPTVERBAND DER GERICHTSSACHVERSTÄNDIGEN: Prüfungsstan- dards für die Zertifizierungsprüfung nach § 4a SDG, Fachgruppe/Fachgebiet: 72.01 Hochbau und Architektur, Fassung: Oktober 2009

[2] [KR1] KRAMMER Harald, Ernst SCHÖDL und Alexander SCHMIDT: Sachverständi- genrecht, Wien 2007

[3] [KR2] KRAMMER Harald und Alexander SCHMIDT: Sachverständigen- und Dolmet- schergesetz, Gebührenanspruchsgesetz 1975, Manz, Wien 2001

[4] [OBE] OBERNDORFER Wolfgang: Claim Management und alternative Streitbeile- gung im Bau- und Anlagenvertrag, Teil 1, Manz, Wien 2010

[5] [OGH] OBERSTER GERICHTSHOF: Die Rolle des Gutachters im Obsorge- und Be- suchsrechtsstreit - Vorschlag des Arbeitskreises: „Best Practice Manual“, Skriptum 2009

[6] [ZPO] Zivilprozessordnung, Stand: 1. Februar 2012

274 Festschrift 40 Jahre Ibpm Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau- investitionsprojekten

Ein gesamtheitlicher Ansatz aus Sicht des Bauprozessmanagement

Konrad Gornik

1 Themenstellung

In einer Dissertation an diesem Institut versucht der Autor das viel diskutierte Thema Le- benszykluskosten (LZK) von der bauwirtschaftlichen Seite zu erschließen. So wie es gelun- gen ist – nicht zuletzt durch intensive Forschung und praktische Erprobung unter Mitwirkung von „Generationen“ von Institutsangehörigen, allen voran Professor Oberndorfer – die Errich- tungskosten in Kostenplanung und Kostenverfolgung bauwirtschaftlich zu beherrschen, soll ein analoger Weg für LZK aufgezeigt werden.

Dabei ist von Beginn an klar, dass im Rahmen einer Dissertation nur ein allgemeines System erarbeitet werden kann, ohne in die Programmierung von „Tools“ oder in praktische Anwen- dung zu gehen. Ziel der im Sommer 2011 begonnenen Arbeit ist jedoch, das System allge- mein (also für verschiedene Typen von Projekten des Hoch- und Tiefbaues) und praktisch anwendbar zu machen. Dazu werden „Lebenszykluskosten-Elemente“ (LZKE) entwickelt, die am Ende der Projektlaufzeit über eine Kostenstatistik erfasst werden und die Grundlage der LZK-Planung bilden. Ein Regelkreis wird aufgebaut, der in den verschiedenen Projektphasen immer wieder einzupflegen ist.

Um dieses System aufbauen zu können, wird intensiv mit Projektbetreibern, Unternehmens- beratern und Facility Managern zusammengearbeitet. Die Erarbeitung und Eichung des Sys- tems erfolgt exemplarisch in den Bereichen Straßenbau und Hochbau. Auch wenn weder die Projektphasengliederung noch die Normung in Österreich, Deutschland und EU/ISO exakt den Anforderungen eines gesamtheitlichen Ansatzes genügen – weil die einschlägigen Nor- men nicht länderübergreifend, gesamtheitlich und einheitlich gegliedert sind – soll durch Ein- führung eigenständiger, aber kompatibler Gliederungsvorschriften ein praktikabler Weg ge- funden werden

Festschrift 40 Jahre Ibpm 275 Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

Grafik 1 zeigt die Einordnung der Arbeit in das systematische Umfeld

In der Arbeit werden häufig folgende Abkürzungen verwendet:

LZK LebensZyklusKosten LCC Life Cycle Cost

LZKO Lebens Zyklus Kosten Optimierung LCCO Life Cycle Cost Optimization

LZKE Lebens Zyklus Kosten Elemente LCCE Life Cycle Cost Elements

CAFM Computer Aided Facility Management

2 Lebenszykluskosten-Optimierung

Erst wenn es gelingt, die Erkenntnisse aus Betrieb und Erhaltung systematisch in die Frühphase der Projekte, Entwicklung und Planung, einzuspeisen, wird der Bauprozess so optimiert werden können, dass er dieses „schmückende Beiwort“ verdient. Diese „Revoluti- on“ im Bauprozessmanagement ist gerade voll im Gange, mit vielen unterschiedlichen An- sätzen und in unterschiedlichen Stadien.

276 Festschrift 40 Jahre Ibpm Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

Grafik 2 zeigt diesen systematischen Kreislauf in Form der 3 Regelkreise:

Kern der Problemstellung zu Beginn der Bearbeitung war, eine einheitliche Systematik zu schaffen, wie Lebenszykluskosten von Bauinvestitionsprojekten bauwirtschaftlich korrekt und praktisch umsetzbar abgehandelt werden können.

Es galt, eine Methode zu schaffen, wie statistische Daten aus dem Betrieb (Folgekosten) so erfasst und aufbereitet werden können, dass sie in die Kostenplanung während Projektent- wicklung, Planung und Ausführung einfließen können.

Dies gelingt durch die Schaffung einer durchgängigen Systematik von „Lebenszykluskosten- Elementen“ LZKE. An einigen charakteristischen Beispielen soll demonstriert werden, dass der Lebenszykluskosten-Kreislauf - Kostenplanung-Kostenverfolgung-Kostenstatistik - prak- tisch organisiert werden kann, so dass die Lebenszykluskosten neu begonnener Projekte konsequent optimiert werden können.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 277 Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

Das Problem der Ausgangslage war, dass bis dato in der Praxis fast keine Verknüpfung zwi- schen dem Kostenmanagement in Planung und Errichtung (PE/PS/PM) einerseits und in Betrieb und Instandhaltung (FM) andererseits erfolgt. Daher gibt es zwar einige Initiativen in frühen Entwicklungsstadien, jedoch kaum praktische Daten, um die Arbeit aufzusetzen.

Die Grundsätze der Nachhaltigkeitstheorie dienen der Arbeit als Rahmen; es werden neben rein monetären Faktoren auch nicht-monetäre Faktoren in die Überlegungen mit einbezogen, wobei dies aber in später zu entwickelnde Algorithmen zur Optimierung der LZK nicht direkt eingehen kann.

3 Impulse und Konsequenzen

Wesentliche Impulse zum Thema „Lebenszykluskosten-Management“ und „Nachhaltiges Bauen“ kamen bisher aus folgenden Bereichen bzw Teilprozessen

x Nachhaltigkeit als Grundhaltung, ausgedrückt durch zahlreiche Initiativen zu „“ und Gebäudezertifizierung in der Immobilienwirtschaft x Energieeffizienz im Sinne von Energiekosteneinsparung durch optimierte/neue Heiz/Kühlsyteme und Bauweisen x Facility Management im Sinne von verstärkter, aber in der Regel noch nicht systemati- sierter Rückkopplung aus Erhaltung und Betrieb in die Planung x Planung im Sinne von interdisziplinärer Gesamtplanung, integraler Planung, General- planung mit dem Ziel, dass durch das Zusammenfassen des Planungsprozesses in ei- ner Hand Optimierung erfolgt x innovative Vergabeformen wie PPP, BOT, DBFO, die die verantwortlichen Unterneh- mer bereits im Vergabeprozess dazu zwingen, die LZK zu optimieren, weil sie sonst im Wettbewerb nicht erfolgreich sein können x IT im zunehmend intensiven Bemühen, die unterschiedlichen Impulse in systematische Abläufe zu fassen und die angestrebte Optimierung über IT-basierte Algorithmen bere- chenbar und damit effizient umsetzbar zu machen.

Aus zahlreichen Fallbeispielen der Praxis ist belegt und kommuniziert, dass die Folgekosten (Erhaltung, Betrieb, …) ca 70-80% der Gesamtkosten eines Bauinvestitionsprojektes aus- machen. Diese Anteile mögen zwischen unterschiedlichen Projekttypen schwanken, grund- sätzlich stimmen diese Annahmen und sollen daher den weiteren Ausführungen als Denk- und Rechenmodell zugrunde liegen.

278 Festschrift 40 Jahre Ibpm Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

Es gilt die These, dass durch eine Mehrinvestition in der Entwicklungs- und Planungsphase von nur 1-2 % ein Optimierungspotential in den Lebenszykluskosten von 5-15 % möglich ist. Dies betrifft vor allem auch die erforderlichen Neuinvestitionen, die je nach Standard früher oder später erforderlich werden und daher eine wesentliche Rolle im Bereich der ganzheitli- chen Betrachtung der Lebenszykluskosten spielen.

Grafik 3 zeigt diesen Zusammenhang (ein viel verwendetes Schaubild):

Um die LZK auch tatsächlich beeinflussen zu können, sind gezielte und abgestimmte Maß- nahmen in vielen Fachbereichen erforderlich. Eine große Zahl von unterschiedlichen Fach- experten hat entsprechend zusammenzuwirken. Wo früher der Architekt im Mittelpunkt von Immobilien stand, ist die entscheidende Rolle der Ingenieurkonsulenten heute unbestritten. Architektur, Statik und Konstruktion, Bauphysik, Gebäudetechnik (Heizung, Klima, Lüftung, Sanitär- und Elektrotechnik, Energie), Geologie, Facility Management, Umwelt, Naturraum, Wirtschaft, Recht und viele andere Disziplinen müssen schnittstellenübergreifend zusam- menwirken. Sie alle bestimmen die Lebenszykluskosten eines Bauinvestitionsprojektes. Die Berechnung von Lebenszykluskosten ist daher eine komplexe Aufgabe mit unterschiedlichs- ten Einflussfaktoren und oft widersprüchlichen Interessenslagen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 279 Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

4 Bauwirtschaftliche Systematik

Aus einer Analyse der unterschiedlichen Definitionen von Projektphasen in den Regelwerken des deutschsprachigen Raumes folgte die Festlegung auf folgende Systematik zum Zwecke dieser Arbeit:

x Projektphase 0 – Projektentwicklung x Projektphase 1 – Projektvorbereitung x Projektphase 2 – Planung, gegliedert in

ƒ Projektphase 2a Planung Vorentwurf ƒ Projektphase 2b Planung Entwurf ƒ Projektphase 2c Planung Einreichung

x Projektphase 3 – Ausführungsvorbereitung, Ausschreibung und Vergabe Hauptgewer- ke x Projektphase 4 – Ausführung x Projektphase 5 –Projektabschluss inkl. Projektauswertung/Projektstatistik für die Er- richtung x Projektphase 6 – Betrieb x Projektphase 7 – Abbruch+Entsorgung oder Neunutzung x Projektphase 8 – Projektauswertung/Projektstatistik für den Lebenszyklus

Eine weitere Systematik ist die Kostengliederung. Die ÖNORM B1801 definiert den Begriff der Lebenszykluskosten als Summe der Errichtungs- und Folgekosten. Sie wurde für Hoch- bau und Tiefbau entwickelt, wird in der Praxis jedoch hauptsächlich für den Hochbau heran- gezogen.

In Deutschland liegt der Betrachtung der Errichtungskosten die DIN 276 „Kosten für den Hochbau“ zugrunde. Die Kostengliederung erfolgt in 7 Kostengruppen. Für die Nutzungskos- ten (entspricht den Folgekosten) gilt die DIN 18960. Die Kostengliederung erfolgt in 4 Kos- tengruppen.

Über die „GEFMA 220-1 Lebenszyklusberechnung im FM“ werden in Deutschland die Kos- ten im Hochbau (Projektkosten, Nutzungskosten und Leerstandskosten) definiert.

Die ISO 15686 „Building and Constructed Assets – Service Life Planning – Whole Life Costing“ strukturiert die Lebenszykluskosten in Errichtungskosten, Betriebsführungskosten und Instandhaltungskosten mit Abbruch.

280 Festschrift 40 Jahre Ibpm Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

5 Wesentliche Initiativen und Akteure

Thema der Arbeit ist, alle wesentlichen Teilaspekte und Teilprozesse einer Lebenszykluskos- ten-Optimierung (Life Cycle Cost Optimisation - LCCO) zu betrachten:

x die Einflussfaktoren zu erkennen, die wesentlichen von den unwesentlichen zu trennen x sie zu analysieren, den bisherigen Erkenntnisstand dazu einzubeziehen x sie in ihrer Bedeutung zu beurteilen, Einfluss und Beeinflussbarkeit für die LZK bewer- ten und Prioritäten setzen x Optimierungspotentiale zu erkennen, Ursache, Wirkung und Interdependenzen mit an- deren Faktoren beurteilen, bisher nicht bekannte bzw „unterbelichtete“ Einflussfaktoren beleuchten x die Einbettung der bisher praktizierten und künftig erforderlichen (vorgeschlagenen) Methoden und Prozesse in Gesetzeslage, Normung und internationale Standardisie- rung darlegen x Methoden und Prozesse der Optimierung einzelner Faktoren und ihr Zusammenwirken analysieren, das auch gegensätzlich sein kann x vorliegende praktische Erfahrungswerte dazu verfügbar machen und auswerten, zB Kostenkennwerte von Immobilienbetreibern, Facility-Managern x Algorithmen zu den einzelnen Methoden und Prozesse analysieren (soweit vorhanden) und erarbeiten, weiterentwickeln, optimieren (zumindest im Denkansatz) so dass die Praxis darauf aufbauen kann x IT-gestützte Tools am Markt in ihren derzeitigen Stärken und Schwächen betrachten, einschließlich der von den Proponenten offen gelegten kommenden Entwicklungsvor- haben x einen Vorschlag zur harmonisierten Optimierung der involvierten Prozesse ausarbeiten x das Zusammenspiel aller betrachteten Faktoren zu einem innovativen, gesamtheitli- chen Ansatz aus Sicht des Bauprozessmanagement darstellen

Dieses Zusammenspiel stellt eine Herausforderung dar. Die Einflussfaktoren sind vielfältig, oft widersprüchlich, und entziehen sich derzeit, soweit in der Recherche bisher überblickbar, einer praktisch (einfach) brauchbaren, systematischen Berechenbarkeit.

In diesem Sinne ist das Ziel der Arbeit ehrgeizig und in der vollständigen Erreichung nicht abgesichert.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 281 Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

6 LZK-Optimierung als Aufgabe des Bauprozessmangement

Viele Initiativen zum LZK-Management konzentrieren sich auf Aspekte der Energie- Optimierung, der Nachhaltigkeit, Gebäudezertifizierung etc. All das sind nach Auffassung des Autors wichtige Teilaspekte der LZK-Optimierung, aber nicht ihr Kern. Vom Wesen der Aufgabe her muß die Optimierung der Lebenszykluskosten im Wege des BPM erfolgen, denn zu seinen Aufgaben gehört die übergreifende und umfassende Analyse und Optimie- rung von Organisation und Ablauf eines Bauinvestitionsprojektes. BPM ist auch dafür ver- antwortlich, dass Prozesse so allgemein formuliert werden, dass ihre Anwendung nicht auf wenige Bereiche oder Aspekte eingeschränkt ist.

Es geht also im Sinne der Phasen und Handlungsbereiche von Projektsteuerung bzw Pro- jektmanagement um Optimierungsaufgaben

x in allen Projektphasen, insbesondere in den Frühphasen Projektentwicklung und Pla- nung, x in allen Handlungsbereichen: Qualität, Termine, Kosten und Organisation/Information, x für verschiedene Arten von Bauwerken wie Hochbau, Tiefbau, Anlagenbau, praktisch anwendbar als Methoden und Tools des BPM, als Steuerungselemente primär in der Hand der Bauherren. Das bedeutet nicht, dass nicht auch alle anderen Projektbeteiligten LZK-Optimierung aktiv betreiben sollen, aber gerade dieses Thema ist so umfassend und so sehr an grundsätzliche Entscheidungen in der Frühphase gebunden, dass Erfolg oder Miss- erfolg primär vom Bauherrn und sekundär von seinen in der Frühphase Beauftragten abhän- gen.

Zwei Themen werden in diesem Zusammenhang besonders angesprochen, weil sie speziel- le Anforderungen an die Standardisierung der LZK-Optimierung stellen und, soweit über- blickbar, in der Literatur und bei den anderen Initiativen kaum behandelt werden.

x der Zusammenhang zwischen Kosten und Organisation von Bauinvestitionsprojekten x die Spezifika von Hochbau und Tiefbau in Zusammenhang mit Lebenszykluskosten

Nicht Teil dieser Arbeit sind andere wesentliche Einflussfaktoren auf die LZK wie zB Finan- zierungskosten, „nicht-technische“ Folgekosten (die nicht von Bauwerk und Bauprozess ab- hängen, wie reine Organisationskosten im Betrieb), weil sie das Thema sprengen würden und nicht als Teil von BPM im engeren Sinn gesehen werden.

282 Festschrift 40 Jahre Ibpm Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

7 Zusammenhang Kosten und Organisation

Ein Aspekt, der bisher in der Literatur nur wenig aufscheint, ist der Zusammenhang zwischen Baukosten und Bauorganisation. Dabei ist dieser Aspekt wahrscheinlich als ein sehr wesent- licher zu sehen.

Die zunehmende Zersplitterung des Bauprozesses, die Einfügung zahlreicher Kontrollinstan- zen, der Ersatz des Vier-Augen-Prinzips durch das „Vierzig-Augen-Prinzip“ sind kostenrele- vante Beispiele aus der gängigen Baupraxis.

Die immer wiederkehrenden Bemühungen, den Bauprozess wieder zu konzentrieren, zu vereinfachen (aus unterschiedlichsten Motiven) sind daher ebenfalls kostenrelevant.

Auch wenn anders motiviert, hat der internationale Trend zu PPP, BOT, DBFO zu einer Um- kehr des Denk- und Planungsprozesses in diesen Bauinvestitionsprojekten geführt. Gesamt- heitliche Kostenbetrachtung ist bei diesen Vergabe- und Vertragsmodellen erfolgsentschei- dend.

Die Totalunternehmervergabe (Design&Build) ist zwar international auf dem Vormarsch, un- terstützt als Organisationsform die LZK-Optimierung per se jedoch nicht, weil sie das FM nicht umfasst.

Um eine Optimierung der Lebenszykluskosten zu erreichen, sind folgende Vorgaben an die Organisation und den Prozess einzuhalten:

x Der Prozess ist von vorneherein auf LZK-Optimierung einzurichten; Expertise aus Er- haltung und Betrieb sind von Beginn weg einzubeziehen x Die Organisation muss von Beginn weg interdisziplinär aufgestellt werden; die Optimie- rungen einzelner Bereiche sind ständig miteinander abzustimmen x Die Ziele des Prozesses sind von allen Prozessbeteiligten mitzutragen; der Prozess muss also integrativ auf LZK-Optimierung ausgerichtet und geführt werden; Claim- und Anti-Claim-Management haben hier nichts verloren, Streit ist immer das teuerste im Bauprozess

Das klingt wie „Utopia“ im BPM. Es ist aber Aufgabe dieser Arbeit, Wege zur Optimierung aufzuzeigen und nur wenn das Ziel hoch genug ist, wird die Praxis nach allen sich ergeben- den Abstrichen noch Wert haben. Ziel der Arbeit ist also, einen Bauprozess (oder zumindest die bestimmenden Elemente davon) zu konzipieren, der LZK-Optimierung ermöglicht. Ziel

Festschrift 40 Jahre Ibpm 283 Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

der Arbeit ist auch, Hindernisse bei der praktischen Umsetzung dieses Zieles aufzuzeigen, ebenso wie Möglichkeiten, die Abstriche praktisch so gering wie möglich zu halten.

Die kostenmäßigen Auswirkungen unterschiedlicher Bau-Organisationsformen zu quantifizie- ren wird praktisch nicht leicht möglich sein. Nur die Auswertung einer sehr großen Datenba- sis aus der Praxis könnte Anhaltspunkte für eine statistische Auswertung bieten. Grundsätz- liche Überlegungen dazu sind vorhanden, werden in der Arbeit prinzipiell dargestellt, aber nicht weiter ausgeführt. Sie werden Gegenstand kommender wissenschaftlicher Arbeit sein müssen, vorausgesetzt große Bauherrenorganisationen öffnen ihre Archive und Statistiken als Grundlage einer solchen Analyse.

8 Lebenszykluskosten in Hochbau und Tiefbau

Die meisten bisherigen Initiativen zur LZK-Optimierung stammen aus der Immobilienwirt- schaft, also aus dem Hochbau. Green Building, Immobilienzertifizierung, Normen und Richt- linien zu den Lebenszykluskosten betreffen den Hochbau. Wo immer die IT Programme zur Berücksichtigung von LZK im Bauprozess vorantreibt oder anbietet, handelt es sich um Im- mobilien, also Hochbau.

Die Vielfalt der Prozessbeteiligten im Hochbau (vor allem im privaten) mit ihren unterschied- lichen Involvierungen und Interessenslagen hat eine Situation geschaffen, in der Anbieter, Käufer, Wissenschaftler und Praktiker Zugang zu Daten und Systemen haben, die öffentlich zugängliche Entwicklungen zulässt bzw fördert. Die private Immobilienwirtschaft und die meist scharfe Trennung des Prozesses von Planung+Bau (PM) einerseits sowie von Be- trieb/Erhaltung (FM) andererseits ergibt und erzwingt die Chance auf Optimierung.

Anders ist es im Tiefbau. Hier sind Planung, Errichtung, Betrieb und Erhaltung meist in einer Hand (so wie im öffentlichen Hochbau, bei Krankenhäusern, Schulen, Universitäten). Ob es sich nun um öffentliche Unternehmen handelt (Straße, Schiene) oder private bzw privatwirt- schaftlich agierende (Sondergesellschaften, Kraftwerksgesellschaften, Energie- oder Was- serversorger) so ist ihnen gemeinsam, dass Ihre Daten und Erfahrungen aus Planung, Er- richtung und Betrieb zu Recht ihr „Betriebsgeheimnis“ darstellen. Ihre Optimierungen erfolgen betriebsintern. Eine Aufgabe wissenschaftlicher Arbeit wäre, zu versuchen, Einblicke in solche Unternehmen zu gewinnen und die LZK-Optimierung im Tief- bau ähnlich „öffentlich“ zu machen, wie dies im Hochbau zunehmend der Fall ist. Dies wird (ähnlich wie im öffentlichen Hochbau) maßgeblich von der Mitwirkung der „Tiefbau- Bauherren“ anhängen, in wie weit sie daran Interesse haben und ihre Mitwirkung anbieten.

284 Festschrift 40 Jahre Ibpm Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

Ähnlich ist es bei PPP und BOT Projekten. Hier kann zwar der Vergabevorgang mit seiner teilweisen Offenlegung der Vergleichsparameter eine Chance auf Einblick bieten, anderer- seits entzieht sich die tatsächliche Praxis ab Vergabe der Betrachtung. Damit sind auch hier die Daten und Erfahrungen aus Detailplanung, Errichtung und Betrieb/Erhaltung im Wesent- lichen Betriebsgeheimnisse der Errichter- und Betreiberkonsortien. Der Verfasser hat sich auch hier die Aufgabe gestellt, in persönlichen Gesprächen zumindest grundsätzlich auszu- loten, ob und wie diese Projekte künftig einer Analyse und Darstellung zugeführt werden könnten.

9 Lebenszykluskosten-Optimierung als System

Eine kurze Begriffsdiskussion soll die systematische Herangehensweise darstellen:

Das System ist der Zusammenhang zwischen Kostenplanung, Kostenverfolgung, Kosten- prognose und Kostenstatistik in Form eines Regelkreises. Nur wenn das Kostenmanagement (Summe aus Kostenplanung, Kostenverfolgung und Kostenstatistik) systematisch in Form eines Regelkreises aufgebaut und abgewickelt wird, besteht die Chance, die Lebenszyklus- kosten durch Anwendung von entsprechenden Modellen und Methoden zu optimieren.

Das Modell beschreibt theoretisch die Funktion, wie Lebenszykluskosten optimiert werden können. Im Falle dieser Arbeit besteht das Modell aus

x einer Kostenstatistik am Ende des Projektlebenszyklus (Projektphase 8) nach genau- en, in dieser Arbeit neu entwickelten Gliederungsvorschriften in der Struktur von Le- benszykluskostenelementen unterschiedlicher Detaillierung und x der Beschreibung wie diese LZKE in den verschiedenen Phasen der Kostenplanung einzusetzen sind.

Die Methode beschreibt eine praktische Umsetzung des Modells für verschiedene Arten von Projekten bzw Einsatzformen eines Modells. In diesem Sinne gibt es unterschiedliche Me- thoden für unterschiedliche Projekte und Einsatzformen eines Modells.

Am Beispiel des Kostenmanagements für die Errichtungskosten kann die Auffassung des Verfassers von System - Modell - Methode gut erläutert werden.

Das System ist die Planung und Verfolgung der Errichtungskosten, also nicht der Folgekos- ten (Kreis 1). Das Modell ist das bauwirtschaftliche Modell, das in den letzten Jahrzehnten entwickelt und bis zur Perfektion verfeinert wurde. Es berücksichtigt die Entwicklung der

Festschrift 40 Jahre Ibpm 285 Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

Plankosten nach dem Kostentrichter, Unvorhergesehenes/Unbekanntes und bezieht Preis- gleitung und Vorausvalorisierung mit ein. Die Methoden bestehen einerseits aus IT Tools, die bereits im hohen Maße dem bauwirtschaftlichen Modell folgen und andererseits aus den Methoden der Experten in der Praxis.

Modell und Methoden sind also im Kreis 1 – Errichtungskosten – weitestgehend ausgereift. Dennoch sind wir weit entfernt von einer Optimierung der Lebenszykluskosten, weil das Sys- tem die Folgekosten (Kreis 3) nicht umfasst.

Es ist Aufgabe der Dissertation, System, Modell und Methode für die Lebenszykluskosten- optimierung, also umfassend Kreis 1 + Kreis 2 = Kreis 3 zu erarbeiten.

Kurz zusammengefasst ist das Ziel, einen Prozess darzustellen, der die gesamtheitliche Op- timierung der Lebenszykluskosten von Bauprozessen ermöglicht.

Dies muss ein Kreislaufprozess sein, weil ab Projektbeginn Daten und Erfahrungen aus allen Projektphasen bis zum Nutzungsende, bis zu Abbruch oder Wiederverwertung, einzubezie- hen und aus jedem Projekt wieder neue/verbesserte Daten zu generieren sind.

Alle bisher in Wissenschaft und Praxis betrachteten Aspekte/Teilprozesse sind so weit mög- lich einzubeziehen

Der Prozess wird gesamtheitlich sein und in praktisch umsetzbaren Methoden/Algorithmen münden, so dass daraus IT-gestützte Tools entwickelt bzw weiter entwickelt werden können.

Die praktische Erarbeitung erfolgt über Lebenszykluskostenelemente (LZKE, LCCE), die eine durchgängige Planung und Verfolgung von Investitions- und Folgekosten erlauben.

Diese LCCE werden zunächst theoretisch entwickelt, einschließlich Nummerierungs- und Bezeichnungsvorschlägen, um die Methode und mögliche Algorithmen allgemein erkennen zu kennen. Dabei ist auf den phasenabhängigen, systematischen Umbruch zwischen bau- teilbezogenen, auftragsbezogenen und erhaltungsbezogenen Elemente zu achten.

Elemente die der Anforderung der Durchgängigkeit genügen, also in gleicher Weise bauteil- bezogen, auftragsbezogen und erhaltungsbezogen anwendbar sind, stellen LCCE dar. Sie ermöglichen die durchgängige Planung und Verfolgung der LCC. Solche Elemente werden exemplarisch erarbeitet und verifiziert.

286 Festschrift 40 Jahre Ibpm Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

Die folgende Grafik 4 zeigt vereinfacht die grundsätzliche Problematik bei der Erarbeitung der LZKE aus unterschiedlichen, bestehenden Gliederungsvorschlägen (-vorschriften) und Gliederungs-erfordernissen.

Mögliche/sinnvolle LCCE für Hochbau und Tiefbau (zB Straße) werden exemplarisch erar- beitet. An ihrem Beispiel kann eine Kostenstatistik vereinfacht dargestellt und geeicht wer- den. Durch Verifizierung des Gesamtsystems sind gegenseitige Abhängigkeiten und Beein- flussungen sowie allfällige Widersprüche zu erkennen.

10 Modell für die LZK-Optimierung, Gesamtdarstellung

Die beiden folgenden Grafiken zeigen das Modell für die Optimierung der Lebenszykluskos- ten von Bauinvestitionsprojekten. Es geht davon aus, dass in der Kostenplanung und Kos- tenverfolgung auf ein durchgängiges Gesamtsystem über alle Projektphasen zugegriffen werden kann. Wesentlich ist, dass am Ende des Projektlebenszyklus eine umfassende Kos- tenstatistik über die angefallenen LZK erstellt wird. Dies hat für jedes Projekt zu erfolgen und ist in einer projektübergreifenden Statistik für eine ausreichend große Zahl von Projekten durchzuführen, gegliedert nach gleichartigen Projekten, sodass eine entsprechende Aussa- gekraft gegeben ist.

Für die Errichtungskosten gibt es solche Statistiken wie zB BKI Baukostenindex und viele private Statistiken in Unternehmen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 287 Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

Grafik 5 zeigt das Modell: Kostenstatistik-Kostenplanung-Kostenverfolgung auf Basis der LZKE

Die Kostenstatistik ist positionsweise nach standardisierten Lebenszykluskosten-Positionen durchzuführen. Aus diesen Lebenszykluskosten-Positionen können Lebenszykluskosten- Elemente in Form von Feinelementen und Grobelementen ebenso wie Kennwerte über ge- samte Anlagen gebildet werden. Mit zunehmender Genauigkeit der Planung in den Pro- jektphasen 0-2 erfolgt die Kostenplanung über zunehmend detaillierte Elemente.

11 Anwendung des Modells im Regelkreis

Ebenso wie das gesamte System einen Regelkreis darstellt, stellen auch die einzelnen Schritte der Kostenplanung Regelkreise dar. Nur wenn sichergestellt ist, dass in jeder Phase der Kostenplanung der Regelkreis durchlaufen wird, ist gewährleistet dass der Prognose (dem Ziel der Kostenplanung) alle erforderlichen Informationen zu Grunde liegen. So wird die Prognose von Phase zur Phase genauer.

Die folgende Grafik 6 beschreibt den Weg zu Erstellung einer Lebenszykluskostenprognose in einer bestimmten Planungsphase. Zunächst ist im ersten Schritt die Basis der vorange- gangen Prognosen zu verifizieren. Der/die mit der Prognose beauftragte Experte/in hat si- cherzustellen, dass er/sie die vorangegangen Prognose und ihre Basis gut versteht und all- fällige Schwächen damit im nächsten Iterationsschritt ausgleichen kann.

288 Festschrift 40 Jahre Ibpm Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

3. Neue Prognose auf 2. Neues und Verändertes berücksichtigen neuer/angepassterBasis neue Ziele, Projektänderungen, neue Randbedingungen, Kostenfaktoren

1. Basis verifizieren (am letzten Durchgang)

Dabei ist Neues und Verändertes zu berücksichtigen. Neu können sein:

x Projektziele, die in der letzten Phase noch nicht Teil der Zielvorgabe waren, x Randbedingungen und andere Einflussfaktoren.

Verändert kann sich jeder Parameter haben, der Gegenstand der letzten Prognose war. All das ist im Schritt 2 zu verifizieren und zu dokumentieren.

Erst dann kann der dritte Schritt gesetzt werden, nämlich eine neue Lebenszykluskosten- prognose.

12 Anforderung an die Modellbildung

Im Wesentlichen werden an die Modellbildung folgende Anforderungen gestellt.

x durchgängige Anwendbarkeit in allen Phasen eines Projektes x Eindeutigkeit in der Kostengliederung, x praktische Umsetzbarkeit durch Eingrenzung von Kosteneinflussfaktoren, von Elemen- ten x Vollständigkeit als Baustein der Kostenermittlung / der bauwirtschaftlichen Kostenver- folgung x Schaffung von einheitlichen und nachvollziehbaren Kostenelementen auf Basis gege- bener Standards (Leistungsbeschreibungen) x Tauglichkeit für die Umsetzung in Softwaretools, IT-Kompatibilität

Festschrift 40 Jahre Ibpm 289 Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

x hohe Anwenderfreundlichkeit zur Sicherung der Akzeptanz x Eignung im Kreislaufmodell, von der Kostenstatistik zur Kalkulationsgrundlage

Modellabhängige Kosteneinflussfaktoren sind von Randbedingungen bestimmt, welche di- rekten oder indirekten Einfluss auf die Lebenszykluskosten haben.

x Direkt wirken beispielsweise erschwerte Bedingungen bei der Herstellung von Fundie- rungen wie schlechte Untergrundverhältnisse oder die Errichtung von Bauten in star- ken Hanglagen. Nicht zu vernachlässigen sind im internationalen Bereich gesetzliche Vorschriften und Vorgaben. Beispielsweise können dies Regelungen beim Baugrundri- siko sein. x Indirekte Einflüsse sind beispielsweise konjunkturelle Markteinflüsse (Baupreisindizes, Preissteigerungen), regionale Markteinflüsse (ortgebundenes Preisniveau, Monopol- stellungen, Konkurrenzsituation), Größe und Art des Bauvorhabens (abhängig von der Marktfrage), Verfahrensarten (öffentlich oder privat).

13 Modellbildung – Phasen und Elemente

Mit der folgenden Übersicht – Grafiken 7 und 8 - wird dargestellt, wie sich aus dem Modell für die Optimierung der Lebenszykluskosten konkrete Methoden in Abhängigkeit von einzel- nen Projektarten entwickeln lassen.

290 Festschrift 40 Jahre Ibpm Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

Projektphasen / Bezeichnung PPH 0 PPH 1 PPH 3 PPH 4 PPH 5 PPH 6 PPH 7 PPH 8 PPH PPH 2aPPH 2cPPH PPH 2bPPH

Dissertation den LZ Betrieb Planung Entwurf Planung Planung Abbruch + Abbruch Vorentwurf Ausführung Einreichung Neunutzung inkl. Projekt- inkl. auswertung / / auswertung Ausführungs- vorbereitung Entsorgung oder Entsorgung Projektabschluss Projektstatistik für für Projektstatistik Projektentwicklung Projektvorbereitung Projektauswertung / / Projektauswertung

ÖN B1801-1 Abbruch Entwurfsphase Abschlussphase Vorentwurfsphase Ausführungsphase Entwicklungsphase Vorbereitungsphase Objektnutzungsphase

Honorarordnung für Projektsteuerung Planung Planung Planung Ausführung Ausführungs- vorbereitung Projektabschluß Projektvorbereitung

Honorarordnung für Architekten Entwurf Vorentwurf Einreichung Ausführungsplanung, Ausführungsplanung, Ausführungsplanung und Ausführungsplanung geschäftliche Oberleitung Oberleitung geschäftliche künstlerische, technische und Kostenermittlungsgrundlagen

Ebenso wie die Projektphasen gliedern sich die Projekte in Kostenphasen. Hier richtet sich der Verfasser nach der ÖNORM B1801-1 und stellt die Kompatibilität mit DIN 276 und ande- ren Regelwerken dar.

Das Modell sieht vor, dass die Optimierung der Lebenszykluskosten Phase für Phase ge- schieht. Die Lebenszykluskosten-Elemente die in der Phase 8 als Kostenstatistik erarbeitet worden sind, werden mit zunehmender Genauigkeit der Planung Grundlage der Lebenszyk- luskosten-Prognose. Die folgende Auflistung zeigt eine sinnvolle Gliederungstiefe der LZKE in den einzelnen Kostenphasen, gegliedert nach den Projekt- bzw Kostenphasen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 291 Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

Kostenphasen / Bezeichnung KPH 3 KPH 4 KPH 5 KPH 6 KPH 7 KPH 8 KPH 0 KPH 1 KPH 2a KPH 2c KPH 2b

Dissertation Kostenziel schreibung Kostenfort- Folgekosten Kostenrahmen Kostenstatistik Kostenanschlag Nutzungskosten Kostenschätzung Kostenermittlung Kostenberechnung Kostenfeststellung

Dissertation / zugehörige Kostengliederung Statistik 1. Ebene 1. 2. Ebene / Varianten Varianten Varianten 3. Ebene / 3. Ebene / Varianten Varianten Varianten Varianten - - Varianten Feinelemente Grobelemente Baugliederung Baugliederung Baugliederung Baugliederung Baugliederung Baugliederung (Positionsweise) (Positionsweise) (Positionsweise) (Positionsweise) Feinelemente FE (Positionsweise) Feinelemente mit Feinelemente mit Feinelemente mit mit mit Varianten mit mit Varianten Elementkategorien Anlagengliederung Anlagengliederung mit FE / Elementtyp mit FE / Elementtyp

ÖNORM B1801 Kostenziel Folgekosten Kostenrahmen Kostenanschlag Nutzungskosten Kostenschätzung Kostenfeststellung Kostenberechnung

ÖNORM B1801 / zugehörige Kostengliederung 1. Ebene 1. Ebene 2. Ebene 3. Ebene 3. Elementtyp Elementtyp Baugliederung Baugliederung Baugliederung Baugliederung Baugliederung

Die Lebenszykluskostenplanung basiert auf einem Modellansatz, der Kostenelemente hie- rarchisch strukturiert und letztendlich auf standardisierte Referenzpositionen eines Einheits- preisspeichers zurückführt. Der Einheitspreisspeicher ist durch Marktpreise belegt, welche Errichtungskosten und Folgekosten abdecken.

Das Modell erfolgt auf Basis der Anforderungen eines abgestimmten Geometriemodells mit freien Mengenansätzen. Die hierarchisch oberste Einheit stellt die „Anlage“, entsprechend einem Bauinvestitionsprojekt dar.

Im Straßenbau zB kann sich die Anlage „Straßenkategorie Autobahn“ aus einem oder meh- reren „Straßenabschnitten" bestimmter Länge zusammensetzen, denen jeweils ein charakte- ristischer „Abschnittsquerschnitt" (Elementkategorien, Grobelemente) sowie weitere Bestim- mungsparameter (Feinelemente ggf. positionsweise, zB Angaben zur Querschnittsgeomet- rie) zugeordnet sind. Ähnliche Strukturierungen gelten für den gesamten Tiefbaubereich, wo vom Projekt her erforderlich mit „Anleihen“ aus der Systematik für Gebäude (Hochbau), in Summe jedoch wesentlich mehr differenziert für die verschiedenen Projekttypen.

Im Hochbau kann sich die Anlage „Gebäudekategorie Bürogebäude“ aus einem oder mehre- ren „Bauteilen“ (Außenwände, Dach) mit bestimmten Dicken, Höhen und Breiten zusam-

292 Festschrift 40 Jahre Ibpm Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

mensetzen, denen jeweils ein charakteristisches „Konstruktionselement“ (Elementkategorien, Grobelemente) sowie weitere Bestimmungsparameter (Feinelemente ggf. positionsweise, zB Angaben Ausstattung des Wandelements, Pfosten-Riegelfassade, Glasfassade, Vollwärme- schutz Außenwand) zugeordnet sind.

14 Kostengliederung in den Phasen

Folgende Kostengliederungen sollen im Modell abgebildet werden, wobei die Kostengliede- rungen abhängig von den Projektphasen sind (exemplarisch angeführt):

In den Projektphasen Projektentwicklung 0 und Projektvorbereitung 1 wird die Kosten- planung (Kostenziel, Kostenrahmen) auf die gesamte Anlage bzw das gesamte Objekt bezo- gen. Die Ermittlung erfolgt auf Basis vorliegender Flächenangaben (BGF, NGF, NF, bauteil- bezogene Flächen).

In der Projektphase Planung Vorentwurf 2a wird die Kostenplanung (Kostenschätzung) über Konstruktionselemente ermittelt, und zwar im Wege einer Gebäudekategorisierung nach Grundflächen (BGF, NGF, NF, bauteilbezogene Flächen) und Rauminhalten (BRI, NRI, bauteilbezogene Kubaturen).

Im Zuge der Entwurfsphase 2b erfolgt eine Betrachtung der Kostenplanung (Kostenberech- nung) auf Basis von Grobelementen (=Konstruktionselemente in weiterer Detaillierung mit Feinelementen). Die Berechnung kann über Mengenansätze bezogen auf die Grobelemente und Feinelemente ermittelt werden.

In der Ausführungsvorbereitungsphase 3 werden anhand von Leistungsbeschreibungen bzw Leistungsverzeichnissen Feinelemente gebildet, welche im Detail bereits zugeordnete Leistungspositionen aufweisen. Für diese Betrachtung sind bereits vertiefte Planungsunter- lagen erforderlich, mit denen eine Ermittlung bis auf Positionsebene erfolgen kann.

In der Ausführungsphase 4 wird die Kostenplanung bzw Kostenfortschreibung auf Basis der in den früheren Projektphasen definierten Kostenstruktur fortgesetzt. Die Detaillie- rungstiefe bleibt somit (soweit möglich bis auf Positionsebene) bestehen.

In der Abschlussphase 5 wird die Kostenplanung bzw Kostenfeststellung mit derselben Systematik wie die Kostenfortschreibung durchgeführt. Die IST-Daten für die Errichtungskos- ten sind nun ermittelt. Die Folgekosten werden auf Grundlage der vorliegenden Bestands- planung nachgeführt.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 293 Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

In den Phasen 6 bis 8, Betrieb, Abbruch oder Neunutzung und Kostenstatistik wird die Kostenplanung der Folgekosten grundsätzlich mit derselben Systematik wie die Kostenfest- stellung geführt. Inwieweit die laufende Fortschreibung der Folgekosten möglich ist bzw wird, insbesondere in Bezug auf die praktische Umsetzbarkeit, wird Thema dieser Arbeit sein.

15 Methode der Elementenbildung

Für die Modellbildungen gibt es unterschiedliche bauwirtschaftliche Methoden:

Die Richtwertmethode / Kennwertmethode wird auf Basis von vorliegenden Kennwerten (zB NGF m² Bürofläche, BGF m² Schulbauten, lfm Tunnel) insbesondere bei frühen Pro- jektphasen angewendet, da noch keine hinreichenden Detaillierungen vorhanden sind und Elemente noch nicht gebildet werden können.

Die Elementenmethode kommt zur Anwendung, wenn eine ausreichende Planungstiefe vorhanden ist, sodass entsprechende Elemente gebildet und kostenmäßig erfasst werden können. Dies kann bereits zwischen der Projektphase Vorentwurf und Entwurf angesetzt werden. Dabei bildet die Gesamtheit der Kosten aller Elemente eines Objektes die Gesamt- kosten.

Man unterscheidet grundsätzlich und durch Literatur belegt zwei wesentliche Typen von Elementen:

x konstruktive oder funktionale Elemente:

Bestandteile eines Objektes, die eine bestimmte Funktion innerhalb eines Objektes zu erfül- len haben, definiert über eine Konstruktionsmenge wie eine Bohrpfahlwand, eine Stahlbe- tondecke, eine Fassade, etc

x fiktive Elemente:

Bestandteile eines Projektes, die über das Gesamtprojekt kostenwirksam sind und daher dem Element nur anteilsmäßig zugeordnet werden können wie Planungskosten, Reserven, Verwaltung, etc.

Grundlage für die zuvor angeführten Methoden bildet die Komponenten-, Positions- oder LV-Methode. Diese Methode kann einerseits für projektspezifische Betrachtungen in den späteren Planungsphasen (Ausführungsvorbereitung, Ausführung) oder andererseits zur Schaffung von einheitlichen und standardisierten Elementen mit unterschiedlichen Detaillie-

294 Festschrift 40 Jahre Ibpm Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

rungstiefen herangezogen werden. Letztere ermöglichen eine Lebenszykluskostenbetrach- tung sowie deren Optimierung über alle Projektphasen.

16 Ausblick

Mit diesen Ausführungen wurden Ziel und Inhalt der Arbeit umrissen. Entscheidend für die praktische Umsetzbarkeit eines Systems zur Lebenszykluskosten-Optimierung ist dessen Tauglichkeit für die Wirtschaft. Die Wissenschaft in angewandten Fächern wie BPM hat sich immer an der Praxis zu orientieren. Zwischen der gesamtheitlichen Darstellung des Systems und der wirtschaftlichen Umsetzung stehen das Modell und die Methoden.

Ein Modell, das praktische Umsetzungsmethoden zulässt, muss umfassend und einfach zu- gleich sein. Das ist die eigentliche Herausforderung der Arbeit und der Grund für ihren (der- zeit noch) unsicheren Ausgang. In diesem Ausblick werden einige der sich abzeichnenden komplexen Fragestellungen angerissen.

Die Folgekosten werden von sehr unterschiedlichen Bereichen bestimmt, wie Ver- und Ent- sorgung (insb. Energieverbrauch), technischen Gebäudebetrieb (Wartungen, Instandsetzun- gen), Reinigung und Pflege (insb. Fassadenreinigungen, Bodenpflege), Instandhaltung und Re-Investition (Umbauten, Abbruch). Um die Kostenstatistik aussagekräftig zu machen, muss sie in Jahrestranchen erfasst werden. Nur so können Anomalien wie atypische Schä- den zufolge Unwetter, Maschinenschaden, Betriebsführungsfehler, etc und Kostensprünge wie planmäßige oder außerplanmäßige Re-Investitionen (zB bei Eigentümerwechsel, Funkti- onswechsel) erfasst und richtig gewertet werden.

Die Folgekosten von Grobelementen der Bautechnik wie Fassade, Boden/Decke, Dach, Gründung können idR in m² als Grundeinheit für die Kostenplanung in der Frühphase erfasst werden. Systeme und Anlagen aus den Bereichen Haustechnik, Elektrotechnik und IT wer- den über zentrale Anlagen (Heizung, Lüftung, Energieversorgung, IT-Server) und Systeme (Heizsystem, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Energieverteilung, IT-Netzwerk) zu erfassen sein. Ob die Verteilsysteme den bautechnischen Grobelementen zugeordnet wer- den können (Kostenanteil elektrische Leitung je m² eines Grobelementes Fassade) und sol- len, wird gerade geprüft. Allein dafür sind zahlreiche Diskussionen mit M&E&IT-Experten erforderlich.

Die nächste Komplexitätsstufe erreicht das Modell, wenn es die gegenseitigen Abhängigkei- ten darstellen soll, zB die kostenmäßige Interaktion zwischen

Festschrift 40 Jahre Ibpm 295 Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

x Energieversorgung: Öl, Solarthermie, Tiefenwärme x Haustechnik: Fußbodenheizung oder Radiatoren, Bauteilaktivierung x Bautechnik: Deckenaufbau, Dachaufbau, Parkett- oder Steinboden, Fassadenaufbau, Fensterqualität

Soll man, um diese Modellbildung in den Griff zu bekommen, mit Echtdaten von Betreibern agieren (stehen sie in ausreichender Detaillierung und Zeitreihe zur Verfügung) oder soll man eher ein simplifiziertes, fiktives Projekt zu Zwecken dieser Arbeit schaffen und an Hand dessen die Zusammenhänge erkennen und stark vereinfacht) berechenbar machen?

Wie wird die Eichung des Modells erfolgen? Was wird die Sensitivitätsanalyse bei Variation unterschiedlicher Eingangsparameter ergeben? Wird sich das Modell letztendlich als stabil und plausibel herzustellen?

Wie sehr kann die heute bei der energetischen Gebäudeoptimierung angewandte Gebäu- desimulierung helfen, Erkenntnisse zu gewinnen oder zu eichen?

Wie weit können bereits in Entwicklung befindliche Programme eine Rolle spielen?

Wie sehr wird BIM – Building Integrated Modelling – den Planungsprozess revolutionieren und auch die LZK-Optimierung über ihre mächtigen IT- Tools „mitnehmen“. Die Beobachtung aus dem Investitionskosten-Management (siehe Grafik 2 - Kreis 1) spricht dagegen: auch hier ist spezialisierten Programmen der Vorzug zu geben und können große Hybride, die alles können (Termine, Ressourcen, Kosten) den praktischen Bedarf nicht abdecken. Aber auch wenn es keine voll integrierten Systeme sein werden/sollen, müssen die jeweiligen Mo- delle und Methoden (Planung, Terminplanung, Kostenplanung) miteinander kompatibel sein, um wirtschaftlich eingesetzt werden zu können.

Nicht zuletzt muss eine Arbeit, die den Anspruch erhebt, Grundlagen für einen praktischen Einsatz des erarbeiteten Systems zu liefern, sehr konkrete Ausblicke in die Modelle und Me- thoden der Umsetzung bieten.

Sind sie umfassend genug, verschiedene Projekttypen grundsätzlich abzudecken?

Sind sie offen genug, jederzeit durch neue Elemente und Teilprozesse weiter entwickelt zu werden?

Sind sie einfach genug, so dass mit vertretbarem Aufwand praktisch einsatzfähige Pro- gramme geschrieben werden können?

296 Festschrift 40 Jahre Ibpm Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

Sind sie einfach genug, dass die Praxis die Daten liefern kann, um die Kostenstatistik aufzu- bauen?

Sind sie einfach genug, dass der Praktiker vor Ort (Bauherr, Plauer, Projektsteuerung, ÖBA) die vorgeschlagenen Methoden auch anwenden wird?

Um Antworten auf all diese Fragen zu erhalten, hält der Verfasser intensiven Kontakt mit nationalen und internationalen Experten im Rahmen des LCCO Netzwerkes und der ICPMA, International Project Management Association.

Dipl.-Ing. Dr. Konrad Gornik, iC consulenten ZT GesmbH iC consulenten ZT GesmbH Schönbrunner Straße 297 A-1120 Wien,

17 Literaturverzeichnis

[1] Höninger, G.; „Kostenplanung und Kostencontrolling bei Tiefbauprojek- ten“Dissertation Technische Universität Wien 1994

[2] Stempkowski; „Life Cycle Management bei Bauprojekten“ 5. PM – Bau Symposium, Netzwerk Bau, Fachzeitschrift für Baumanagement und Bauwirtschaft 9. Juni 2011 Wien

[3] Mathoi ;„Durchgängiges Baukostenmanagement“; Books on Demand GmbH, Nor- derstadt; März 2005

[4] Schmidt Heinrich; „Baukostenrichtwerte – Anforderungen und Aussagewert“; Verlag für Wirtschaft und Verwaltung Hubert Wingen, Essen 1992

[7] Normungsinstitut AT; ÖNORM B 1801-1, Bau- und Objektmanagement, Teil 1: Ob- jekterrichtung, 01.07.2009

[8] Normungsinstitut AT; ÖNORM B 1801-2, Bau- und Objektmanagement, Teil 2: Ob- jekt-Folgekosten, 01.04.2011

[19] Höninger G.; Kostenplanung und Kosten-Controlling bei Tiefbauprojekten, , Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft; Fakultät für Bauingenieurwesen; Technische Universi- tät Wien, 1994

Festschrift 40 Jahre Ibpm 297 Die Optimierung der Lebenszykluskosten von Bau-investitionsprojekten

[20] Fürst Gerald Management-Tools der Bauprojektsteuerung und deren Einsatz in der Praxis, , Technische Universität Wien, Fakultät für Bauingenieurwesen, Institut für in- terdisziplinäres Bauprozessmanagement, 2009

[21] Peter Greiner, Peter Mayer, Karlhans Stark; Nachhaltiges Management von Gebäu- den , Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig / Wiesbaden 2000

[22] Gert Wolfgang Riegel ; Ein softwaregestütztes Berechnungsverfahren zur Prognose und Beurteilung der Nutzungskosten von Bürogebäuden.

[23] Kati Herzog; Lebenszykluskosten von Baukonstruktionen – Entwicklung eines Mo- dells u. einer Softwarekomponenten zur ökonomischen Analyse u. Nachhaltigkeitsbe- urteilung von Gebäuden.

[26] Bosch, R.; Anforderungen und Risiken bei der Erstellung von TCO Verträgen. Herbst- tagung 2006, Life-Cycle-Performance – Aktuelle Entwicklungen, Karlsruhe, 2006.

[28] Lang, H.; TCO-Verträge Kostenberechnung und Kennwertbestimmung. Herbsttagung 2006, Life-Cycle-Performance – Aktuelle Entwicklungen, Karlsruhe, 2006.

[30] Stocker E., Gollner W. et al; Lebenszyklusbetrachtung im Hochbau, Tagungsband 4. PM-BAU Symposium

298 Festschrift 40 Jahre Ibpm Das Bau-SOLL bei Bewehrungsarbeiten

Das Bau-SOLL bei Bewehrungsarbeiten

Eine Spielwiese für Spekulationen?

Ingo Heegemann (Univ.Ass. 2005 bis 2009)

1 Einleitung

Das Bau-SOLL – also das, was der Auftragnehmer (AN) dem Auftraggeber (AG) vertraglich schuldet – ist bei Bewehrungsarbeiten in Ausschreibungen oftmals unvollständig beschrie- ben. Daher ist es um die aus den Vertragsbestandteilen abzuleitenden, objektiv erwartbaren Umstände der Leistungserbringung zu ergänzen.

Der folgende Aufsatz beschäftigt sich mit den Gepflogenheiten des AG bei der Ausschrei- bung und den Möglichkeiten des AN im Zuge der Anbotslegung. Es soll die Frage beantwor- tet werden, ob bzw inwieweit eine Ergänzung des Bau-SOLL durch den AN vertragliche De- ckung findet.

2 Definition des Bau-SOLL

In der ÖNORM B 2110 (2011) wird das Bau-SOLL mit dem Begriff „Leistungsumfang“ gleichgesetzt und in Punkt 3.8 folgendermaßen definiert:

3.8 Leistungsumfang; Bau-Soll

Alle Leistungen des Auftragnehmers (AN), die durch den Vertrag, zB bestehend aus Leistungsverzeichnis, Plänen, Baubeschreibung, technischen und rechtlichen Ver- tragsbestimmungen, unter den daraus abzuleitenden, objektiv zu erwartenden Um- ständen der Leistungserbringung, festgelegt werden.

Das Bau-SOLL umfasst also nicht nur das, was im Bauvertrag dezidiert vereinbart ist, son- dern auch die aus den Vertragsbestandteilen hervorgehenden Umstände der Leistungser- bringung, die objektiv zu erwarten sind. Umstände der Leistungserbringung sind – etwa ge- mäß Kropik1

1 Kropik, Der Bauvertrag und die ÖNORM B 2110 Ausgabe 2009, 58.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 299 Das Bau-SOLL bei Bewehrungsarbeiten

technische, organisatorische und zeitliche Randbedingungen, unter denen die Leis- tung zu erbringen ist.

Die Randbedingungen haben Einfluss auf den Herstellvorgang und manifestieren sich daher auch in der Kalkulation des AN.

Umstände der Leistungserbringung, die der AG nicht mittels der Vertragsbestandteile festzu- legen vermag oder festzulegen verabsäumt, können also durch den AN (in den Grenzen des BVergG, sofern anwendbar) insofern abgeleitet und ergänzt werden, als sich diese im Rah- men der objektiven Erwartbarkeit bewegen. Subjektive Ansätze sind nicht berücksichti- gungswürdig, jedoch bewegen sich objektiv erwartbare Umstände naturgemäß innerhalb einer gewissen Bandbreite, innerhalb der sich der AN mit seiner Kalkulation bewegen kann.

Einfluss auf die Umstände der Leistungserbringung und somit auf das Bau-SOLL haben bei Bewehrungsarbeiten beispielsweise die Bewehrungsdichte, Kaliberverteilung, Bauteilart oder Bauteilabmessungen. Manche dieser Randbedingungen sind für den Bieter sowohl bei Ge- neralunternehmer-/Baumeisterausschreibungen wie auch Subunternehmerausschreibungen häufig nicht eindeutig definiert und werden vom Bieter auch nicht ergänzt. In vielen Fällen ist es daher im Zuge der Bauabwicklung – konkret zur Feststellung, ob Leistungsabweichungen vorliegen –erforderlich, die Umstände der Leistungserbringung, die aus den Vertragsunterla- gen abzuleiten und objektiv zu erwarten waren, zu bestimmen.

3 Abriss zur Theorie über Aufwandswerte bei der Bewehrungsverlegung

Die Bewehrungsdichte ist der Quotient aus Bewehrungsgewicht und Betonkubatur und trägt daher die Einheit [kg/m³] bzw [to/m³]. In der gängigen Fachliteratur2 wird von mehreren Auto- ren die Ansicht vertreten, dass – ausgehend von einem Optimum einer Bewehrungsdichte von größenordnungsmäßig 100 kg/m³ – mit steigender Bewehrungsdichte der Aufwandswert für die Bewehrungsverlegung pro Gewichtseinheit ansteigt. Dieser Anstieg stellt einen pro- gressiven steigenden Verlauf dar. Andere Autoren wieder gehen davon aus, dass bereits ab einem erheblich geringeren Bewehrungsgrad als den erwähnten 100 kg/m³ der Aufwands- wert mit steigender Bewehrungsdichte ansteigt.

2 Vgl etwa Toffel/Klein/Bötzkes, Ein Bewehrungs-Leistungs-Nomogramm, Lehre, 2001; Kropik/Krammer, Mehrkostenforderungen beim Bauvertrag, Wien, 1999, 353ff verweisend auf Eber/Platz; Fritsche/Blasy, Bewehrungsatlas, St. Margarethen/Lungau, 2009; Hofstadler/Franzl, Be- wehrungsarbeiten im Baubetrieb, 2011, 165ff.

300 Festschrift 40 Jahre Ibpm Das Bau-SOLL bei Bewehrungsarbeiten

Ein weiterer für die Aufwandswerte der Stabstahlverlegung relevanter Parameter ist das Ka- liber der Bewehrung (der Bewehrungsdurchmesser in [mm]) bzw – nachdem das Beweh- rungsnetz praktisch immer unterschiedliche Bewehrungskaliber aufweist – die Kalibervertei- lung eines Bauteiles oder der daraus resultierende durchschnittliche Bewehrungsdurchmes- ser. Diesbezüglich wird in der Literatur die einheitliche Ansicht vertreten, dass der Auf- wandswert pro Gewichtseinheit bei kleinen Stabdurchmessern groß und sich mit steigenden Stabdurchmessern verringert. So ist es evident, dass der Aufwandswert für das Verlegen von Stabstahl mit einem Durchmesser von 10 mm oder 12 mm ein Vielfaches des Auf- wandswertes für Stabdurchmesser von 26 mm oder 30 mm beträgt.

Neben den beiden Hauptparametern Bewehrungsdichte und Bewehrungsdurchmesser fin- den sich in der Literatur eine Vielzahl weiterer Faktoren, welche ebenfalls Einfluss auf den Aufwandswert haben. Dabei handelt es sich beispielsweise um Schalungsanteil, Schwierig- keit der Bewehrungsführung, Geometrie des Bauteiles bzw Bauteilart sowie allgemeine Bau- stellen- und Betriebsbedingungen. Im Unterschied zu Bewehrungsdichte und Kalibervertei- lung spielen die übrigen Faktoren jedoch nur selten eine Rolle bei der Feststellung von Leis- tungsabweichungen, da diese im Bau-IST üblicherweise nicht oder nur in untergeordnetem Ausmaß vom Bau-SOLL abweichen.

4 Bewehrungsarbeiten in standardisierten Leistungsbeschreibungen (stLB)

Bewehrungsarbeiten werden oft nach standardisierten Leistungsbeschreibungen ausge- schrieben und die vorgegebenen Positionstexte (etwa mittels Z-Positionen) selten signifikant abgeändert. Daher lohnt sich ein Überblick über die gängigen stLB, auch um aufzuzeigen, inwieweit die Umstände der Leistungserbringung objektiv zu ergänzen sind.

In diesem Zusammenhang ist es unerlässlich darauf hinzuweisen, dass das Gewerk der Be- wehrungsarbeiten in vielen Verträgen in allen anderen Vertragsbestandteilen mit Ausnahme des Leistungsverzeichnisses (LV) – wenn überhaupt – sehr knapp behandelt werden. Aus- schreibungen, welche Bewehrungspläne beinhalten, sind eine Seltenheit. Allenfalls kann mit vorvertraglichen Massenermittlungen des mit der Ausschreibungserstellung betrauten Pla- ners – die den Bietern meistens nur zur Einsicht beim AG aufliegen – das Bau-SOLL ergänzt bzw eingegrenzt werden.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 301 Das Bau-SOLL bei Bewehrungsarbeiten

Fazit: Die Leistungsbeschreibung bzw das Leistungsverzeichnis beinhalt bei den meisten Ausschreibungen den Großteil der Informationen im Hinblick auf das Bau- SOLL von Bewehrungsarbeiten.

4.1 Leistungsbeschreibung Hochbau (LB-HB)

Die LB-HB in der aktuellen Version 19 (gleich die Vorgängerversion Nr 18, ähnlich auch die Versionen ab Nr 12) charakterisiert die Standardbewehrung in den Vorbemerkungen zur LG 07 „Beton- und Stahlbetonarbeiten“ folgendermaßen:

Als Standardbewehrung gelten alle Stabstahl-Positionen ohne Unterschied der Durchmesser von 12 bis 30 mm und Bewehrungsmatten mit einem Flächengewicht über 3,2 kg/m².

In ihren Positionen sieht die LB-HB ausschließlich eine solcherart definierte Standardbeweh- rung vor, ohne diese in unterschiedliche Kalibergruppen aufzuteilen. Eine Kaliberverteilung innerhalb der Bandbreite von 12 bis 30 mm Durchmesser ist also gemäß der LB-HB nicht vorgesehen.3

Im Kommentar4 zu LG 07 der LB-HB wird der Begriff Standardbewehrung noch weiter präzi- siert:

Für alle Positionen der LB-HB kommt eine "Standardbewehrung" zur Ausführung, die eine möglichst wirtschaftliche Dimensionierung durch den Statiker annimmt (Matten sind bevorzugt auszuschreiben).

Jedoch ist diese Bestimmung – zumal nicht LV-Text, sondern nur Kommentar – aus den fol- genden Gründe „zahnlos“ und hilft kaum, dass Bau-SOLL zu präzisieren:

x Es geht nicht hervor, ob es sich um eine für den AG oder für den AN wirtschaftliche Dimensionierung handeln soll. Eine wirtschaftliche Dimensionierung für den AG bedeu- tet, ein möglichst geringes Gesamtgewicht an Bewehrung zu planen, hingegen heißt dies für den AN – weil dieser ja (möglicherweise bauteilspezifisch) für kleine wie für große Kaliber den selben Einheitspreis vereinbart – tendenziell große Kaliber, welche

3 Immerhin wurde die Bandbreite vergleichsweise mit den Vorgängerversionen (Nr 12 bis 17) von 10 bis 30 mm auf nun 12 bis 30 mm eingeschränkt. 4 Gemeint sind die mit „Kommentar“ übertitelten Vorbemerkungen der LB-HB, die im LV nicht abge- druckt werden.

302 Festschrift 40 Jahre Ibpm Das Bau-SOLL bei Bewehrungsarbeiten

zum vereinbarten Mischpreis pro Gewichtseinheit rasch und dadurch kostengünstiger einzubauen sind. x Die Beurteilung, ob eine „möglichst wirtschaftliche Dimensionierung“ vorliegt, unterliegt auch unter Experten einer erheblichen Bandbreite. Die Forderung eines AN nach Mehrkosten wegen unwirtschaftlicher Dimensionierung durch den Statiker ist daher praktisch nicht durchsetzbar.

Weitere Bestimmungen finden sich im Kommentar unter dem Titel „Frei zu formulieren“:

Frei zu formulieren (zB):

- […] - ein besonders hohes Ausmaß an kleinen Dimensionen anstelle von weniger größe- ren, wie es etwa bei besonders dünnen oder schlanken Bauteilen oder zur Erzielung einer geringeren Rissbildung nötig sein kann (zB mit einer projektspezifischen genauen Beschrei- bung)

- […]

Auch diese Bestimmung ist wenig präzise und kaum geeignet, das Bau-SOLL näher zu defi- nieren. Allenfalls lässt sich mit Referenz auf diese Bestimmung jedoch ein Begehren auf Preisanpassung des AN, falls in den genannten Fällen keine eigenen Positionen vorgesehen waren, begründen. Doch auch hier bleibt offen, was ein „hohes Ausmaß an kleinen Dimensi- onen“, oder etwa „besonders dünne oder schlanke Bauteile“ sind.

Die LB-HB präzisiert also das Bau-SOLL in Bezug auf die Kaliberverteilung de facto nicht.

Demgegenüber sind aus einer Ausschreibung gemäß LB-HB die einzelnen Bewehrungsgra- de für unterschiedliche Bauteile gut nachvollziehbar. Dies deshalb, da in jeder ULG zugeord- net zu verschiedenen Bauteilarten jeweils eigene Bewehrungspositionen vorgesehen sind. Es ist dadurch klar nachvollziehbar, welches Bewehrungsgewicht welcher Kubatur an Beton zuordenbar ist. Daraus lässt sich zB. für die Fundamentplatten, Wände bis 3,2 m, Säulen etc – jeweils in ihrer Gesamtheit – für das Bau-SOLL ein Bewehrungsgrad ermitteln. Freilich ist dabei das Wesen des Einheitspreisvertrages beachtlich, wonach die ausgeschriebenen Mengen gewissen Schwankungen unterliegen (dürfen). Den als Quotienten aus Beweh- rungsgewicht und Betonkubatur „auf Punkt und Beistrich“ aus den LV-Mengen ermittelten Bewehrungsgrad als unumstößliches Bau-SOLL zu postulieren, ist daher wohl nur unter Nachweis, dass tatsächlich so kalkuliert wurde, zulässig.

Eine Ermittlung der Bewehrungsdichte bezogen auf die Bauteilart ist nach LB-HB möglich.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 303 Das Bau-SOLL bei Bewehrungsarbeiten

Im Gegensatz zur LB-HB seit Version 12 sahen frühere Versionen der LB-HB (etwa LB-HB Version 11 (1995)) zwar eine Gliederung nach unterschiedlichen Kalibergruppen (getrennt 8 bis 10 mm, 12 bis 16 mm, 20 bis 30 mm, 36 bis 40 mm) vor, demgegenüber jedoch keine bauteilbezogene Zuordnung, sondern jeweils eine Position für sämtliche Stahlbeton-Bauteile.

4.2 Leistungsbeschreibung Siedlungswasserbau (LB-SW)

In der LB-SW (Version 05) ist die Bewehrung in ULG 11.19 beschrieben. Nennenswerte Vorbemerkungen finden sich weder in LG 11 noch ULG 11.19. Stabstahl wird nach der LB- SW in den Positionen 11.19 02A bis 11.19 02D ausgeschrieben und in die Kaliber „bis 10 mm, „größer 10 bis 16 mm“, „größer 16 bis 30 mm“ sowie „größer 30 bis 40 mm“ unterteilt.

Eine Zuordnung der Bewehrung zu einzelnen Bauteilen zwecks Präzisierung des jeweiligen Bewehrungsgrades ist nach der LB-SW nicht möglich.

4.3 Leistungsbeschreibung Verkehrsinfrastruktur (LB-VI)

Die LB-VI (Version 2) beschreibt die Bewehrung in ULG 0602. Die vorhandenen Positionen sehen überhaupt keine Einschränkung auf gewisse Kaliber vor, ergänzend heißt es dazu in den Vorbemerkungen, dass der Einheitspreis ohne Unterschied der Durchmesser gelte.

Aufgrund dessen, dass die Bewehrung in einer eigenen ULG (getrennt von den Betonpositi- onen) vorgesehen ist, ist auch eine bauteilbezogene Zuordnung zur detaillierteren Ermittlung eines bauteilspezifischen Bewehrungsgrades nicht möglich.

4.4 Leistungsbeschreibung U-Bahnbau (LB-U)

Die LB-U (Version 080) sieht die Stabbewehrung in ULG 3251 vor. Zusätzlich dazu – etwa für Schlitzwände oder Tunnelbau – befinden sich diverse andere Positionen in anderen Leis- tungsgruppen.

Für Stabstahl findet sich nur eine Grundposition, wobei keine Angaben hinsichtlich allfälliger Einschränkungen der Kaliber gemacht werden. Nachdem die Bewehrung in einer eigenen ULG (getrennt von den Betonpositionen) ausgeschrieben ist, ist auch hier eine bauteilbezo- gene Zuordnung zur Ermittlung der jeweiligen Bewehrungsgrade nicht möglich.

304 Festschrift 40 Jahre Ibpm Das Bau-SOLL bei Bewehrungsarbeiten

4.5 Übersicht standardisierte Leistungsbeschreibungen

Im Folgenden sind die Charakteristika hinsichtlich Angaben über Kaliberverteilung sowie der möglichen bauteilspezifischen Rückschlüsse auf den Bewehrungsgrad der unterschiedlichen stLB übersichtlich zusammengefasst: stLB / Version Angaben bzgl Kaliberverteilung Rückschlüsse auf Bewehrungsgrad

LB-HB 18 und 19 Keine in der Bandbreite von 12 bis 30 mm Ja, bauteilbezogen

LB-HB 12 bis 17 Keine in der Bandbreite von 10 bis 30 mm Ja, bauteilbezogen

LB-HB 11 und davor Ja, gestaffelt in vier Gruppen Nur bezogen auf das gesamte BVH

LB-SW 05 Ja, gestaffelt in vier Gruppen Nur bezogen auf das gesamte BVH

LB-VI 02 Keine Nur bezogen auf das gesamte BVH

LB-U 080 Keine Nur bezogen auf das gesamte BVH

Abbildung 4.1: Übersicht stLB

5 ÖNORM B 2211

Die ÖNORM B 2111 „Beton-, Stahlbeton- und Spannbetonarbeiten – Werkvertragsnorm“ (2009) behandelt das Gewerk Bewehrung „stiefmütterlich“. So finden sich etwa in Kapitel 4 „Verfahrensbestimmungen“ kaum zweckdienliche Hinweise für die Ausschreibung und die Erstellung von Angeboten. Auch gehen die Regeln zur Prüf- und Warnpflicht in 5.3.2 auf Be- wehrungsarbeiten überhaupt nicht ein. Schließlich ist in 5.5.2.4 beschrieben, wie die Beweh- rungsleistungen abzurechnen sind. Auch hier finden sich kaum brauchbare Bestimmungen, welche einer Präzisierung des Bau-SOLL sachdienlich wären.

6 Mögliche Ergänzungen des Bau-SOLL in der Ausschreibung

Wie durch die Ausführungen über die stLB gezeigt werden konnte, ist ein hauptsächlich über das LV definiertes Bau-SOLL bei Bewehrungsarbeiten durchaus ergänzungswürdig. Solche Ergänzungen können insbesondere dazu dienen, um einerseits mögliche Spekulationen der Bieter einzudämmen und andererseits – auch ohne Spekulation – Streitigkeiten im Zuge der Bauführung über allfällige Leistungsänderungen – deren Grundlage wiederum das Bau- SOLL darstellt – zu vermeiden.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 305 Das Bau-SOLL bei Bewehrungsarbeiten

6.1 Angaben zum Bewehrungsgrad

Eine einfache und zweckmäßige Methode, die im Übrigen von Ausschreibenden manchmal angewandt wird, sind Angaben zum Bewehrungsgrad. Solche Angaben sind natürlich bau- teilgruppenbezogen vorzunehmen, denn Angaben zum durchschnittlichen Bewehrungsgrad eines ganzen Bauvorhabens sind weder besonders aufschlussreich noch überhaupt notwen- dig, da sich ein solcher ohnedies aus den Ausschreibungsmengen für Bewehrung einerseits und Stahlbeton andererseits ergibt.

Bei Angaben zum Bewehrungsgrad muss und kann es sich gar nicht um präzise Angaben handeln, sondern es reicht die jeweilige Angabe einer zu erwartenden Bandbreite aus. Denn wüsste der Ausschreibende bereits zum Zeitpunkt der Ausschreibung den exakten Beweh- rungsgrad, so könnte er ohnedies die fertigen Ausführungs-Bewehrungspläne der Aus- schreibung beilegen, wodurch sich Angaben zum Bewehrungsgrad ohnehin erübrigen wür- den.

Aus Sicht des AG Voraussetzung, um den Bewehrungsgrad in der Ausschreibung darlegen zu können, ist es freilich, dass Planung und statische Berechnungen eine gewisse Detail- liertheit aufweisen und die darauf basierenden Ausschreibungsangaben in der Ausführung auch eingehalten werden können.

6.2 Massenermittlung

Jeder seriösen Ausschreibung mittels konstruktivem Leistungsverzeichnis liegt eine Mas- senermittlung auf Grundlage der Ausschreibungsplanung zugrunde. Eine Massenermittlung lässt zumeist bessere Rückschlüsse auf das Mengengerüst, insbesondere die Aufteilung auf verschiedene Bauteile, zu und ist daher grundsätzlich geeignet, die Mengenangaben im Leistungsverzeichnis zu präzisieren.

Nur selten ist jedoch eine Massenermittlung Gegenstand der Ausschreibungsunterlagen, vermutlich deshalb, da sich der Auftraggeber nicht in die Karten blicken lassen möchte und mögliches Nachtragspotential darin ortet. Ein solches Nachtragspotential erscheint jedoch nur in jenen Fällen wirklich vorzuliegen, in denen die Massenermittlung oberflächlich oder falsch erstellt wurde bzw schlicht nachträgliche Änderungen am Bauwerk vorgenommen werden. Dies ist jedoch für sämtliche Ausschreibungsgrundlagen zutreffend.

Wenn also der Ausschreibende eine solide Massenermittlung erarbeitet und die Wahrschein- lichkeit für künftige (nachvertragliche) Änderungen gering ist, erscheint auch eine Mas-

306 Festschrift 40 Jahre Ibpm Das Bau-SOLL bei Bewehrungsarbeiten

senermittlung als probates Mittel zur Ergänzung des Bau-SOLL im speziellen von Beweh- rungsarbeiten, da solche im Ausschreibungsstadium – im Gegensatz zu vielen anderen Leis- tungen – meist planlich nicht erfasst sind.

6.3 Vorstatik

Häufiger als eine Massenermittlung wird der Ausschreibung die Vorstatik beigelegt bzw dem Bieter zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt. Bei einem solchen Dokument handelt es sich üblicherweise um ein umfangreiches Konvolut an EDV-gestützten Berechnungen. Sel- ten finden sich darin für den Kalkulanten des Bieters verwertbare Angaben über Beweh- rungsgrad, Kaliberverteilung, Bewehrungsführung oder ähnliche Parameter, die den Auf- wandswert für die Bewehrungsverlegung entscheidend bestimmen. Nicht zumutbar ist es einem Bieter üblicherweise, aus dem normalerweise überbordenden Zahlenmaterial einer Vorstatik in gleichsam detektivischer Kleinarbeit nach diesbezüglichen Hinweisen zu for- schen.

Nur in seltenen Fällen – nämlich dann, wenn die Überlegungen des Ausschreibenden hin- sichtlich der oa Eigenschaften für den Bieter klar ersichtlich gemacht werden – kann die Vor- statik daher das Bau-SOLL ergänzen.

6.4 Bewehrungspläne

Bewehrungspläne, auch wenn diese nur beispielhaft für einige repräsentative Bauteile vor- liegen, sind wohl am besten geeignet, das Bau-SOLL zu präzisieren. Jedoch können natür- lich aus einer unvollständigen Bewehrungsplanung nur bedingt Rückschlüsse auf Parameter für das gesamte Bauvorhaben gezogen werden.

Wehrmutstropfen ist jedoch, dass Bewehrungspläne – nicht einmal Bewehrungsskizzen – höchst selten Gegenstand der Ausschreibung sind.

7 Kann der AN das Bau-SOLL präzisieren?

Wie in der ÖNORM B 2110 definiert und oben in Abschnitt 2 ausgeführt, ergibt sich das Bau- SOLL nicht nur durch die Festlegungen im Vertrag, sondern besteht darüber hinaus aus den aus dem Vertrag abzuleitenden, objektiv zu erwartenden Umständen der Leistungserbrin- gung. Gerade bei Bewehrungsarbeiten, bei denen – wie aufgezeigt – die Vertragsbestandtei-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 307 Das Bau-SOLL bei Bewehrungsarbeiten

le für den Bieter einiges offen lassen, ist daher den objektiv zu erwartenden Umständen der Leistungserbringung eine nicht unerhebliche Bedeutung zuzumessen.

Wie bereits ausgeführt, bewegen sich solche objektiv erwartbaren Umstände naturgemäß innerhalb einer gewissen Bandbreite. Solange sich der AN also in seiner Kalkulation inner- halb dieser Bandbreite bewegt – und natürlich vorausgesetzt, dass die Kalkulation des AN in irgendeiner Art und Weise die Preisgrundlagen des Vertrages repräsentiert – kann er das Bau-SOLL damit präzisieren.

Ein Beispiel: Die Ausschreibung erfolgte auf Basis der LB-VI, welche für sämtliche Stahlbe- tonarbeiten de facto nur eine einzige Position für die Stabbewehrung vorsieht. Der Bieter könnte in seiner Angebotskalkulation, die für die Bewehrung also eine Mischkalkulation dar- stellt, nun etwa für unterschiedliche Bauteile (zB. Fundamente, Wände, Decken, Tragwerke usw.) unterschiedliche – jedoch plausible – Bewehrungsgrade annehmen. In ihrer Gesamt- heit, unter Miteinbeziehung der ausgeschriebenen Betonkubaturen für diese Bauteile, muss als durchschnittlicher Bewehrungsgrad natürlich der sich aus den LV-Mengen ergebende zugrunde gelegt werden. Parallel dazu kann für die unterschiedlichen Bauteile auch eine plausible Annahme über eine Kaliberverteilung vorgenommen werden. Wichtig ist es, in der Kalkulation zu dokumentieren, inwieweit sich die Aufwandswerte sowie auch die Material- preise zwischen den Kalibergruppen unterscheiden. In Summe ergibt sich daraus wiederum ein Mischpreis, welcher den Angebotspreis wiederspiegelt.

Es sei betont, dass die Kalkulation des Bieters, sofern sie von diesem später als Grundlage für allfällige Mehrkostenforderungen dienen soll, einer sachverständigen Prüfung hinsichtlich der objektiv erwartbaren Umstände standhalten muss. Zur Beurteilung, was objektiv erwart- bar ist, dient ua. die oben in Abschnitt 3 angeführte Literatur. In jenen Fällen, in denen die Kalkulation des AN der Ausschreibung des AG widerspricht, geht idR natürlich die Aus- schreibung des AG vor.

Im Falle „üblicher“ Ausschreibungen, in denen die Bewehrungsarbeiten praktisch nur im Zuge des auf stLB basierenden LV beschrieben werden, kann das Bau-SOLL durch den AN daher in der Angebotskalkulation präzisiert werden. Wichtig dabei ist jedoch, dass die Angebotskalkulation – wenn sie schon nicht zum Vertragsbestandteil erklärt wird – dem AG zumindest vorvertraglich offen gelegt wird.

308 Festschrift 40 Jahre Ibpm Das Bau-SOLL bei Bewehrungsarbeiten

8 Zusammenfassung

Bewehrungsarbeiten sind in Ausschreibungen oftmals nur über (standardisierte) Positionen im LV definiert, wodurch der Bieter zu einer Mischpreiskalkulation gezwungen wird. Dem Bieter ist es in solchen Fällen unbenommen, die Leistungsbeschreibung des AG in seiner Angebotskalkulation zu ergänzen. Dafür steht dem Bieter ein Handlungsspielraum zur Verfü- gung, denn die das Bau-SOLL ergänzenden objektiv erwartbaren Umstände der Leistungs- erbringung bewegen sich innerhalb gewisser Bandbreiten. Dass der Bieter diese Bandbrei- ten zu seinen Gunsten ausschöpft ist legitim und ermöglicht eine vom AG üblicherweise ver- absäumte Präzisierung des Bau-SOLL. Eine Spekulation im herkömmlichen Sinn – dass der Bieter auf Leistungs- bzw Mengenänderungen hofft – ist dies jedoch nicht.

Dipl.-Ing. Mag.iur. Ingo Heegemann, Bauwirtschaftliche Beratung GmbH Salitergasse 26/2/2 2380 Perchtoldsdorf

Festschrift 40 Jahre Ibpm 309

Der Kunde ist immer König

Der Kunde ist immer König

Eine Reflexion über den Infrastrukturbau in Südosteuropa aus der Perspektive österreichi- scher Bauunternehmen

Walter Reckerzügl (Univ.Ass. 1996 bis 2001) Wolfgang Wiesner

Für jede Unternehmensstrategie können wir typische Vorteile und Grenzen herausfiltern und beschreiben.

Vor allem wissen wir, dass die Erfolgschancen einer Unternehmensstrategie umso größer sind, je stärker sie die Anwender in den Mittelpunkt rückt, ihre Bedürfnisse und ihre Realität. Eine wirkliche Innovation führt zu einer Veränderung in einem Markt oder in einer Gesell- schaft.

[Peter Drucker. Management (2008): Bd. 2, 205f]

I have nothing to offer, but blood, toil, tears and sweat.

[Winston Churchill (1940) in seiner ersten Rede als Premierminister von England]

1 Einleitung

Planen und Bauen in anderen Kulturkreisen sind besondere Herausforderungen, die weit über die rein technische Komponente hinausgehen. Der technische Projekterfolg und vor allem der wirtschaftliche Erfolg der beteiligten Bauunternehmen sind zu einem überwiegen- den Anteil davon abhängig, inwieweit bei der Projektrealisierung auf die Besonderheiten des fremden und in vielerlei Hinsicht unbekannten kulturellen Umfeldes eingegangen werden kann. [vgl Purrer (2009): 1]

Die Autoren gründen die vorliegende Reflexion auf eigener Erfahrung mit dem Schwerpunkt in Südosteuropa sowie der Beobachtung von Aktivitäten und Ergebnissen österreichischer Bauunternehmen in dieser Region.

Das kritische Aufzeigen von Problemfeldern soll dabei nicht als grundsätzliche Ablehnung einer Strategie missverstanden werden, die von praktisch allen großen industriellen Bauun- ternehmungen Österreichs seit Jahren mit hohem Engagement verfolgt wird. Im Gegenteil

Festschrift 40 Jahre Ibpm 311 Der Kunde ist immer König

geht es den Autoren darum, aus den Beobachtungen möglichst rationale Schlüsse zu ziehen und eine erfolgreiche Entwicklung des österreichischen Auslandsengagements zu fördern.

2 Rahmenbedingungen der öffentlichen Auftragsvergabe

In den Ländern Südosteuropas besteht ein starker Bedarf nach Ausbau der gesamten Infra- struktur, insbesondere von Verkehrswegen wie Straße und Bahn, Wasserver- und – entsorgung, sowie im Abfallmanagement. Dieser Bedarf ist objektiv aus dem Vergleich mit dem Ausbaugrad der westlichen Länder erklärbar. Der Ausbau kann jedoch nur durch ent- sprechende internationale Förderungen finanziert werden, da die eigenen finanziellen Mittel nur unzureichend vorhanden sind.

Da der Ausbau der maßgeblichen Infrastruktur in der Region von gesamteuropäischem stra- tegischem Interesse ist, werden die für österreichische Unternehmen interessanten Bauvor- haben in der Regel vorrangig durch Geldmittel der Europäischen Union finanziert.

Diese europäischen Geldmittel werden durch International Financing Institutes (IFI´s) verwal- tet. IFI´s haben formalisierte und standardisierte Vergabeprozedere entwickelt, um die Grundsätze des europäischen Vergaberechts - den freien, fairen und lauteren Wettbewerb - sicherzustellen. In der Praxis wird dabei fast ausschließlich das Billigstbieterprinzip ange- wandt, was auf der europäischen Ebene mit der erforderlichen Transparenz von Ausschrei- bungen und Vergleichbarkeit von Angeboten begründet wird.

Wie weiter unten noch ausführlicher erläutert werden wird, bringt dieses Vergabesystem je- doch auch signifikante Nachteile, nämlich dann, wenn Projekte zu unangemessen niedrigen Preisen vergeben werden und in der Folge nur mit beträchtlichen Bauzeitverzügen, Mehrkos- ten und Streitigkeiten realisiert werden können.

Neben dem objektiven, innerhalb der Europäischen Union anerkannten und abgestimmten Interesse an der Entwicklung dieser Region ist auch der gesellschaftliche Rahmen bei der Vergabe und Abwicklung von Bauprojekten relevant.

Es wäre ein schwerer strategischer Fehler, aufgrund der räumlichen Nähe und den teilweise gemeinsamen historischen Wurzeln anzunehmen, dass die wirtschaftlichen Spielregeln in Südosteuropa jenen in Österreich sehr ähnlich sind. Tatsächlich unterscheidet sich die Wirt- schaftskultur in der Region nicht nur grundsätzlich beträchtlich von unserer, auch zwischen den einzelnen Ländern und Regionen dieses – global gesehen relativ kleinen - Gebiets be- stehen zusätzlich wesentliche Unterschiede.

312 Festschrift 40 Jahre Ibpm Der Kunde ist immer König

Die Autoren orten in den Bevölkerungen der Region eine – aufgrund der Historie durchaus nachvollziehbare - große Sehnsucht nach möglichst unbeschränkten Konsummöglichkeiten und materiellem Status. Der individuelle und kollektive Vergleich - mit dem Nachbarn, der Kollegin, der Nachbarregion, dem Nachbarstaat, der „Wirklichkeit“ des neuesten Hollywood- films – spielen eine maßgebliche Rolle. Ein quantifizierbares Merkmal der regionalen Wert- vorstellungen stellen die Gehaltspfändungen in einer den Autoren bekannten südosteuropäi- schen Auslandsniederlassung eines österreichischen Bauunternehmens dar. In dieser Nie- derlassung werden bei etwa 70% der über 200 lokalen Mitarbeiter quer durch alle Hierar- chieebenen monatlich beträchtliche Gehaltsanteile gepfändet. In diesem Land werden Kredi- te häufig für Urlaubsreisen, den Kauf von Mobiltelefonen sowie - mit bis zu zwanzigjähriger Laufzeit! - für den Kauf von Privat-PKWs aufgenommen.

Damit unterscheidet sich das Wertesystem in der Region ganz wesentlich von jener kol- lektiven Anstrengung „das Land aufzubauen, damit unsere Kinder es einmal besser haben“, die bei ähnlicher Ausgangslage etwa die österreichische Wiederaufbau- und Wirtschafts- wundergeneration charakterisiert hat.

Der Ausbau der Infrastruktur wird aus der beschriebenen Einstellung heraus ungeduldiger begonnen als es in Westeuropa üblich ist. Die daraus entstehenden inhaltlichen Probleme bei der Projektvorbereitung werden jedoch leider weder im formalen Rahmen der europäi- schen Mittelverwaltung (IFI’s) noch von den - teilweise rasch wechselnden - Verantwortungs- trägern in Politik und Verwaltung ausreichend berücksichtigt.

Die europäischen Vergaberichtlinien fordern, dass die Anforderungen in den Ausschrei- bungsunterlagen so genau gefasst werden, dass sie den Bietern ein klares Bild vom Auf- tragsgegenstand vermitteln und dem Auftraggeber die Erteilung des Zuschlags ermöglichen [vgl Richtlinie 2004/18/EG Artikel 23 (3) b) bzw Richtlinie 2004/17/EG Artikel 34 (3) b)]

Die geforderte Ausschreibungsqualität ist jedoch bei zahlreichen wesentlichen Infrastruktur- Bauprojekten in der Region nicht gegeben. Die häufigsten Probleme umfassen beispielswei- se unvollständige oder fehlerhafte Generalplanungen, fehlende Genehmigungen oder un- vollständige Grundeinlösen.

Aufgrund dieses Spannungsfeldes zwischen formalem Vergaberecht, auf dessen Grundlage die IFI´s agieren und der vorherrschenden Grundeinstellung werden realistisch betrachtet eigentlich unkalkulierbare Projekte mit beträchtlichen Risiken im Billigstbieterverfahren aus- geschrieben, zu unauskömmlichen Preisen angeboten und letztlich auch vergeben. Häufig bekommt jenes Unternehmen oder jene Gruppe den Zuschlag, deren Ergebnisverantwortli-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 313 Der Kunde ist immer König

che die unkalkulierbaren Risiken bei der Preisbildung am konsequentesten ignoriert hatten. Es liegt auf der Hand, dass derartige Voraussetzungen regelmäßig zu einer äußerst konfron- tativen Bauabwicklung führen. Derartige „Baustellenkriege“ lassen dann wiederum das Ver- trauen der regionalen Auftraggeber und der IFI´s in die Seriosität der Bauunternehmen schwinden und erschweren das Verständnis für kooperative Abwicklungsformen.

Österreichische Baumanager und Meinungsbildner sind daher gut beraten, die beschriebe- nen Nachteile aus dem Zusammenhang zwischen mangelhaft vorbereiteten Projekten und Billigstbietervergaben sowohl auf europäischer Ebene als auch vor regionalen Auftraggebern unermüdlich vorzutragen und verbesserte Wege der Bestbietervergabe im allseitigen Inte- resse vorzuschlagen.1

3 Vertragsmanagement bei der Bauabwicklung

Bei der Bauabwicklung begegnen die Vertreter österreichischer Bauunternehmen dem glei- chen Spannungsfeld zwischen einer formal orientierten Projektadministration europäischer Fördergeber und der hinsichtlich Motiven und Methoden individuell differenzierten Manage- mentkultur regionaler Auftraggeber.

Formal werden für europäisch finanzierte Großprojekte regelmäßig die international aner- kannten FIDIC-Vertragsbedingungen2 vorgeschrieben. Diese Vertragsformen gehen von einer angelsächsischen Projektkultur aus, welche durchaus als formal, rational und emoti- onslos beschrieben werden kann. Aus der Sicht der Ausführenden ist die Verpflichtung zur unverzüglichen Anmeldung sämtlicher Forderungen aus dem Vertrag bei sonstigem An- spruchsverlust besonders relevant.

Persönlich stehen den Bauunternehmen aber Auftraggebervertreter aus der Region, fallwei- se auch südosteuropäische Engineers3 gegenüber. Deren Managementstil ist häufig hierar- chisch, emotional und impulsiv. Wichtige Entscheidungen werden noch häufiger als in West- europa vermieden und meist hohen Ebenen vorbehalten. Rechtliche und administratorische Vorschriften werden von lokalen Entscheidungsträgern häufig nicht als beidseitig bindende Leitlinien sondern als Machtmittel zur Durchsetzung der eigenen Interessen verstanden.

1 Vgl unten „Arbeiten am System 2 Vertragsbedingungen der International Federation of Consulting Engineers (FIDIC), vgl http://www1.fidic.org/bookshop/default_contracts.asp#collection 3 Die üblicherweise verwendeten FIDIC-Vertragsbedingungen „Construction Contract 1st Ed (1999 Red Book)” oder “Plant and Design-Build Contract 1st Ed (1999 Yellow Book)” sehen jeweils die Ein- richtung eines sog. Engineers vor, welcher den Vertrag im Auftrag des Bauherrn abwickelt.

314 Festschrift 40 Jahre Ibpm Der Kunde ist immer König

Interessant sind hier wieder jene großen Infrastrukturprojekte, die von IFI´s finanziert wer- den. In den Regelwerken der IFI’s ist vorgesehen, dass internationale Consultingbüros den Engineer im Sinne des FIDIC stellen. Damit sieht sich der internationale Baumanager unter- schiedlichen Kulturen mit teilweise dramatischen Widersprüchen gegenüber. Einerseits muss mit dem internationalen Consultant, häufig einem angelsächsischen Büro, eine formalisti- sche, kühle Schriftform gepflogen werden. Andererseits verstehen die lokalen Auftraggeber- vertreter häufig nicht, warum laufend formale Schriftstücke ausgetauscht werden und emp- finden die schriftliche Äußerung von Bedenken oder Anmeldung von Behinderungen nicht selten als Provokation und pure Arbeitsverweigerung.

Besonders heikel sind jene Fälle, wo die Regelungen des anzuwendenden FIDIC-Vertrages nicht kompatibel mit dem lokalen Rechtssystem sind. Fallweise gelten einzelne gesetzliche Bestimmungen bevorzugt oder gleichrangig neben ihnen widersprechenden Vertragsbe- stimmungen; entweder aufgrund zwingenden Rechts4, oder aufgrund unharmonisierter Auf- fangbestimmungen in den Verträgen.

Aus solchen Fällen entstehen oft selbst für versierte Juristen formal unlösbare Probleme. Die praktische Lösung derartiger Fälle ohne langwierige und teure Rechtsstreitigkeiten erfordert äußerstes Verhandlungsgeschick und Fingerspitzengefühl. Es geht dabei viel weniger um klassisches Bau–Know-how als um angewandte Psychologie.

Erfolgreiches Vertragsmanagement kann in Südosteuropa nur eine permanente Gratwande- rung zwischen den beiden Extrempositionen sein. Weder ein emotionsloses formal ausge- reiztes (aggressives) Claimmanagement „by the book“, noch die bedingungslose Akzeptanz des Vertragsverständnisses lokaler Auftraggebervertreter führt zum Ziel. Dies liegt unter an- derem auch daran, dass keiner der beiden Proponenten auf Auftraggeberseite – weder der lokale Kunde noch der internationale Finanzierer – gegen den Widerstand des Anderen im Sinne des Bauunternehmens positiv entscheiden kann.

Im Ergebnis wird damit immer nur ein relativ erfolgreiches Vertragsmanagement unter Be- rücksichtigung der individuell-konkreten Umstände des Projekts erreichbar.

4 Kooperation und Kundennutzen

Der St. Galler Wirtschaftswissenschafter Rüegg-Sturm (2003) führt aus, dass eine Unter- nehmung niemals Selbstzweck ist, sondern ihre Geschäftstätigkeit in aktiver Interaktion mit

4 Dem angelsächsischen Rechtsgut ist der beträchtliche Umfang an zwingendem Recht in Kontinen- taleuropa fremd. Dieses wird deshalb in FIDIC-Verträgen fallweise nicht ausreichend bedacht.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 315 Der Kunde ist immer König

verschiedenen Anspruchsgruppen erbringt (ebd.: 29). Als Anspruchsgruppen (Stakeholders) werden Gruppen von Menschen, Organisationen und Institutionen (zB Kunden, Kapitalgeber, Mitarbeitende, Lieferanten) verstanden, die von den unternehmerischen Wert- und Schadschöpfungsaktivitäten betroffen sind (ebd.: 23).

Von Rüegg-Sturm so bezeichnete strategische Anspruchsgruppenkonzepte orientieren sich vor allem an der Wirkmächtigkeit von Anspruchsgruppen im Hinblick auf die Zukunftssiche- rung der Unternehmung.

Als „gemeinsame Schnittmenge“ möglicher Anspruchsgruppenkonzepte im Infrastrukturbau verbleiben jedenfalls (lokale) Kunden und (westliche) Eigentümer bzw Kapitalgeber. Salopp formuliert besteht die Kunst unabhängig von allen anderen Schwierigkeiten darin, Kunden zufrieden zu stellen und dabei eine akzeptierte Rendite zu erzielen (vgl dazu auch das Ein- gangszitat zu diesem Aufsatz von Drucker 2008: Bd. 2, 205f).

Wie gelingt dieser Spagat auf Großbaustellen in Südosteuropa?

Dazu ein Beispiel für die Komplexität der Begleitumstände: In einem südosteuropäischen Staat wurden zeitgleich zwei technisch vergleichbare Infrastrukturprojekte mit hoher ver- kehrstechnischer und politischer Relevanz umgesetzt. Während das eine Projekt außerhalb der Hauptstadt situiert war, lag das zweite Projekt verkehrstechnisch zentral in der Haupt- stadt. Dieses Projekt war zudem architektonisch herausragend gestaltet, als neues Wahrzei- chen der Stadt vorgesehen und das vorgesehene Bauende fiel darüber hinaus mit einem Wahltermin zusammen und konnte politisch perfekt verwendet werden. Im Ergebnis erfuhr das zweite Projekt alle erdenkliche politische Unterstützung; sämtliche Widerstände, wie zum Beispiel durch lokale Genehmigungsverfahren, wurden schnellstens gelöst.

Während nun das erstgenannte Projekt eine gewaltige Bauzeitverlängerung samt enormen Mehrkosten erlitt, konnte das politisch geförderte zweite Projekt planmäßig fertig gestellt werden.

In Südosteuropa sind kompetente und interessierte Entscheidungsträger auf Auftraggeber- seite noch wichtiger als in den etablierten westlichen Staaten, da hier die Strukturen stärker selbsttragend sind. Leider sind aber genau in jener Region solche Personen seltener und das individuelle Kundeninteresse häufiger auf egoistische Motive der Amtsträger bezogen. Darüber hinaus fördern die strikten hierarchischen Systeme und der teilweise geringe Ent- scheidungsspielraum der einzelnen Beamten die „Nichtentscheidungen“ der Auftraggeber.

316 Festschrift 40 Jahre Ibpm Der Kunde ist immer König

Dies verschärft sich auch dadurch, dass in den jungen südosteuropäischen Demokratien politische Wechsel zu dramatischen Folgen führen können. Während in etablierten Demokra- tien nach einem politischer Wechsel in der Administration meist nur einzelne Führungskräfte wechseln, wird in Südosteuropa bei einem Machtwechsel in der Regel nicht nur die politische Führung sondern auch nahezu die gesamte Beamtenebene ausgetauscht. Dies führt dann bei laufenden Bauprojekten zu enormen Zeitverlusten nach jeder Wahl, sowie zu unerfahre- nen Ansprechpartnern und völlig neuen Denkweisen.

Im Ergebnis ist die Kenntnis von regionaler beziehungsweise lokaler Kultur und den spezifi- schen Verhältnissen noch wichtiger als in Westeuropa. Das vertiefteste Wissen über vergan- gene und gegenwärtige Verhältnisse kann jedoch kein Unternehmen vor den Nachteilen un- vorhersehbarer Änderungen und Verwerfungen bewahren. Trotz umfassender Marktkenntnis sind dafür entsprechende Risikoaufschläge zwingend notwendig. Blindes Anbieten bedeutet in dieser Region wirtschaftlichen Selbstmord.

5 Welche „USP“ (Unique Selling Proposition) haben österreichische Bauunternehmen?

In den letzten Jahren war die österreichische Bauindustrie prozentuell auf die Bauleistung bezogen „Exporteuropameister“ und beim Auslandsbau innerhalb Europas sogar in absolu- ten Zahlen knapp nach Frankreich und weit vor wesentlich größeren Nationen wie zB Deutschland, Spanien und Großbritannien „Vizeeuropameister“ [vgl European International Contractors (EIC): Volume of Turnover 2010, http://www.eicontractors.de/media/uploads/attachment/2010_statistics_turnover.pdf].

In der Selbsteinschätzung der österreichischen Bauindustrie werden häufig folgende Vorzü- ge als besonders relevant angesehen:

x In Österreich werden von heimischen Bauunternehmen regelmäßig große und komple- xe Infrastrukturbauvorhaben innerhalb der vorgesehenen Termine und des geplanten Budgets abgewickelt. Am heimischen Markt sind langwierige Streitigkeiten und gericht- liche Auseinandersetzungen nachweislich bisher nahezu unbekannt. x In Österreich besteht eine hohe technische Kompetenz im Verkehrsinfrastruktur-Bau, die sich aufgrund der heimischen Topographie in langer Tradition entwickelt hat. x Generell sehen wir Österreicher uns zumeist bei der Umsetzung als lösungs- und technikorientiert sowie besonders geeignet, die komplexen Bauaufgaben in Südosteu- ropa mit Pioniergeist und Improvisationstalent zu bewältigen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 317 Der Kunde ist immer König

Die enttäuschenden wirtschaftlichen Ergebnisse mancher Bauprojekte in Südosteuropa in den vergangenen Jahren enthüllen leider manche zu optimistische Selbsteinschätzung.

Die gewonnenen Erfahrungen sind jedoch äußerst wertvoll und können zu folgender kriti- scher Reflexion genützt werden:

x Über welches besondere, vom regionalen und internationalen Mitbewerb unterscheid- bare (technische) Know-how verfügt mein Unternehmen? x Wieweit ist unser Know-how überhaupt relevant im wirtschaftlichen Wettbewerb des Zielmarktes? Wie vermeiden wir die Gefahr, von lokalen Strukturen als „nützlicher Idiot“ ausgebeutet zu werden? x Schafft es mein Unternehmen im Auftragsfall realistischerweise überhaupt, Kompeten- zen und Ressourcen innerhalb der extrem kurzen Realisierungszeiträume in den Ziel- markt zu transferieren oder müssen diese in Wahrheit am Einsatzort erst aufgebaut werden? x Wie kann Know-how exportiert werden, ohne in die Arroganzfalle zu tappen? Damit ist die häufig erlebte Situation gemeint, dass sich internationale Baumanager überlegenes Wissen zuschreiben. Die Rache der lokalen Auftraggeber kommt unweigerlich in Form von Rechnungsabstrichen … x Darüber hinaus müssen offen Fragen zum Kunden selbst gestellt und beantwortet werden, der letztlich die Spielregeln wenn schon nicht vorgibt (IFI´s), dann zumindest mitbestimmt:

ƒ Kennen wir die Situation und die Zwänge des Kunden ausreichend? ƒ Passen die Kundenpräferenzen zu unseren Wertvorstellungen? ƒ Schafft es mein Unternehmen, sich an die Mentalität meines Kunden anzupassen?

6 Arbeiten am System

Nachdem der öffentliche Baumarkt in Österreich bekanntermaßen an Überkapazitäten und stagnierenden Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur leidet, führt an einer intensiven Be- schäftigung mit den Perspektiven der Nachbarländer kein Weg vorbei.

Damit österreichische Bauunternehmen in Südosteuropa langfristig erfolgreich sein können, werden wechselseitige Anpassungsleistungen erforderlich.

Österreichische Bauunternehmen werden noch mehr regionale Kompetenz erwerben müs- sen. Ein langfristiges erfolgreiches Verbleiben in einem Markt wird nur möglich sein, wenn

318 Festschrift 40 Jahre Ibpm Der Kunde ist immer König

die lokale Niederlassung so nahe an den Kunden kommt, wie es nur ein lokales Bauunter- nehmen sein kann. Ansonsten sind zwar einzelne Glückstreffer, aber wesentlich wahrschein- licher in Summe wirtschaftliche Flops zu erwarten.

Von südosteuropäischen Kunden wird bei aller Wahrung der Kundenorientierung kalkulierba- res marktwirtschaftliches Handeln auf Basis fairer und verbindlicher Verträge einzufordern sein. Dies erfordert eine zähe und weitgehend unbedankte, trotzdem nicht vernachlässigbare Überzeugungsarbeit. Derzeit ist zum Beispiel in Rumänien sichtbar, dass die Tendenz zur weiteren Verschiebung in Richtung unfairer und unkalkulierbarer Verträge noch nicht zu En- de ist

[vgl EIC: „EIC calls for fair contract conditions in Romania“ http://www.eicontractors.de/news/ eic-calls-fair-contract-conditions-romania/].

Soweit nicht einzelne Staaten vollständig den Anschluss verlieren und damit für österreichi- sche Bauunternehmen uninteressant werden, stehen am Ende des Entwicklungsprozesses Baumärkte, die ebenso entwickelt und preislich ausgereizt sind wie jene in Westeuropa. Sa- genhafte Renditen sind in keiner Phase des Prozesses zu erwarten.

7 Zusammenfassung

Trotz großem Baupotential (gemessen am Vergleich vorhandener Infrastruktur zwischen West und Ost) sind südosteuropäische Märkte keine Schlaraffenländer für Bauunternehmen.

Nach dem teilweise unsanften Ende der Goldgräberstimmung österreichischer Bauunter- nehmen ist eine Konsolidierung und Standortbestimmung erforderlich. Baumanager sind gut beraten, vor weiteren umfangreichen und breit gestreuten Engagements in Süd-Osteuropa die Chancen und Gefahren der angepeilten Märkte sowie die Stärken und Schwächen der von ihnen verantworteten Unternehmungen (selbst-)kritisch zu prüfen.

Erfolgversprechend kann nur eine langfristige Strategie sein, die - im Bewusstsein von blood, toil, tears and sweat im Sinne Winston Churchills - konsequent auf den Bedürfnissen der regionalen Auftraggeber aufbaut, diesen umgekehrt die eigenen Bedürfnisse und Erwartun- gen nachvollziehbar kommuniziert und eine dauerhafte Verwurzelung in der Region anstrebt.

Vorst.Dir. Dipl.-Ing. Dr.Walter Reckerzügl, Porr Technobau und Umwelt Aktiengesellschaft Absberggasse 47

Festschrift 40 Jahre Ibpm 319 Der Kunde ist immer König

1100 Wien Dipl.-Ing.Wolfgang Wiesner, Porr Bau GmbH Absberggasse 47, 1100 Wien

8 Literaturverzeichnis

[1] Drucker, Peter. Management. Campus Frankfurt/New York (2009) ISBN 978-3-593- 39130-4

[2] Purrer, Walter. Tautschnig, Arnold (Hrsg). Andere Länder – Andere Sitten. Bauen in anderen Kulturkreisen. ICC-2009 Tagungsband (2009) ISBN 978-3-902719-35-5

[3] Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste

[4] Richtlinie 2004/18/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lie- feraufträge und Dienstleistungsaufträge,

[5] Rüegg-Stürm, Johannes. Das neue St. Galler Management-Modell. Haupt, Bern. (2003) ISBN 978-3-258-06629-5

320 Festschrift 40 Jahre Ibpm Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

Anforderungen an die Organisationsstruktur internationa- ler Bauunternehmen

Herwig Schwarz1 (Univ.Ass. 1998 bis 2002)

1 Einleitung

Die Finanzkrise und die damit ausgelösten Marktreaktionen haben auch in der europäischen Bauwirtschaft teilweise zu massiven Marktveränderungen geführt, die nach wie vor andau- ern. Dies auch deshalb, da kaum eine andere Branche so massiv von der Finanzkraft der öffentlichen Hand abhängig ist. Insbesondere größere Bauunternehmen sind infolge ihres Engagements in den mittel- und osteuropäischen Ländern von den geänderten Rahmenbe- dingungen in diesen Ländern betroffen. Die Nachfrage in einzelnen regionalen Baumärkten (zB Ungarn, Irland) ist infolge der Finanzkrise massiv zurückgegangen, wobei eine rasche Erholung aus heutiger Sicht unwahrscheinlich ist.

Ein wesentlicher Trend, der in den letzten Jahren erkennbar war, ist die dynamische Verän- derung einzelner Baumärkte und die Schnelligkeit, mit der sich diese Änderungen bzw Transformationen vollzogen haben. Beides bedingt eine hohe Unsicherheit über die zukünf- tige Entwicklung dieser dynamischen Baumärkte. Die „Unsicherheiten über die wirtschaftli- chen Randbedingungen“ werden in einer weltweiten Umfrage von ca 71% der Befragten als größte Sorge angesehen, wobei der Wert für die Region EMEA (Europe, Middle-East, Africa) 82% beträgt.2 Die derzeitige unterschiedliche Situation in den einzelnen europäischen Bau- märkten und die unterschiedlichen Auswirkungen der Wachstumsfaktoren werden lt. Euro- construct für den Zeitraum bis 2014 zu einer divergierenden Entwicklung der einzelnen euro- päischen Märkte führen.3

Generell ist die Bewältigung der Komplexität von (Markt-)Informationen seit langem eine der Herausforderungen im Management. Die Erfassung von Systemen im Allgemeinen sowie der Markt- bzw Umweltmechanismen im Besonderen wird immer aufwendiger und komplexer.

1 Dieser Artikel gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Autors wieder. Der Autor dankt Herrn Dipl.-Ing. Siegfried Wanker, Vorstand STRABAG SE, für seine Anregungen. 2 KPMG International (2012), 10: Die Frage lautete: “Greatest concerns over business conditions in your principal region.” Die Ergebnisse (weltweit) sind, wobei zwei Antworten möglich waren: 71% eco- nomic uncertainty, 31% skill shortage, 30% government deficits/dept, 20% others, 20% new competi- tion, 13% inflation, 11% dealing with regulators changes, 4% unemployment. 3 Euroconstruct, Summary Report, 37.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 321 Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

Dynamische Marktentwicklungen können folglich immer schwerer prognostiziert werden. Daraus folgt u. a. auch eine höhere Unsicherheit in der Planbarkeit der zukünftigen Entwick- lung eines Bauunternehmens. Die zunehmende Komplexität betrifft auch die Bauprojekte selbst, die in den letzten Jahren tendenziell immer größer und risikoreicher wurden. Die Fra- ge ist, wie Bauunternehmen auf diesen Trend reagieren können und welche Anforderungen sich hieraus in Bezug auf die Organisationsstruktur ergeben. Ein erster Ansatzpunkt wäre zu vergleichen, wie Unternehmen anderer Industriebranchen auf diesen (globalen) Trend rea- gieren und welche Folgen dies auf die Organisationsstruktur haben könnte.

Die dynamische Wirtschaftsentwicklung erfordert ein schnelles Reagieren der einzelnen Marktteilnehmer und reduziert gleichzeitig die Prognosegenauigkeit der Ergebnisse. Unbe- stritten ist, dass jenes Bauunternehmen Wettbewerbsvorteile hat, das seine Strategie und Organisationsstruktur, aber auch seine (internen) Prozesse rascher an die neuen Gegeben- heiten anpassen kann als seine Mitbewerber. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es infolge unzureichender Kommunikation und Unklarheiten über Beweggründe und Ziele einer Strategie- und Organisationsänderung zu Verunsicherung und Orientierungslosigkeit inner- halb der Organisation selbst kommen kann.

Der Rückgang der Nachfrage erhöht kurz- bis mittelfristig die Wettbewerbsintensität zwi- schen den Marktteilnehmern. Die Globalisierung, die auch vor der Baubranche keinen Halt macht, erhöht die Wettbewerbsintensität zusätzlich. In diesem Zusammenhang sei beispiel- haft der Straßenbau in Polen im Jahr 2010 erwähnt, wo bei größeren Ausschreibungen im Straßenbau bis zu 20 Konsortien präqualifiziert wurden. Die teilnehmenden Bewerber kamen aus fast allen Ländern Europas, Indien und China. Eine unmittelbare Folge des globalen Wettbewerbes für derartige Bauleistungen ist, dass das Marktpreisniveau sinkt. Insofern ist es nicht überraschend, dass laut einer internationalen Studie von KPMG der effiziente Ein- satz von Ressourcen und damit die Optimierung der Kostenstruktur nach wie vor ein Haupt- fokus in der Bauindustrie bleibt. Das größte Hindernis für eine Verbesserung der Kosteneffi- zienz ist nach KPMG immer noch die Organisationskultur innerhalb eines Bauunterneh- mens.4

Die Gestaltung einer effizienten Organisationsstruktur in ihrer Grundstruktur ist deshalb eine zentrale Aufgabe der ersten Führungsebene eines Bauunternehmens. Infolge der eingangs beschriebenen Zusammenhänge und Trends haben sich die unterschiedlichen Organisati- onsformen noch schneller an die geänderten Rahmen- bzw Marktbedingungen anzupassen. Auf der anderen Seite muss sich die Organisationsstruktur optimal an die spezifischen un-

4 KPMG International (2012), 2.

322 Festschrift 40 Jahre Ibpm Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

ternehmerischen Vorgaben (zB strategische Ziele) und Eigenschaften (insb. Werte, Kern- kompetenzen) anpassen, um zusätzliche Effizienzvorteile und damit Wettbewerbsvorteile generieren zu können.

Die Beantwortung der Frage, was die Anforderungen an eine effiziente Organisationsstruktur eines Bauunternehmens sind, soll hier von zwei Richtungen aus beleuchtet werden. Zum einen aus Sicht der Spezifika des Baumarktes und des Bauproduktes und zum anderen aus Sicht des Zwecks eines Unternehmens, seiner Mission und den sich daraus ergebenden strategischen Zielen.

Aus diesem Grund sollen die wesentlichen bauwirtschaftlichen Einflussfaktoren auf die Or- ganisationsstruktur beschrieben werden (in Kap. 3). Diese Faktoren, die ihre Ursache zum einen im Wesen des Produktes und zum anderen im Baumarkt haben, beschreiben den Ein- fluss auf die Organisation aus Sicht des Produktionsprozesses. Aus Sicht eines Unterneh- mens handelt es sich primär um exogene Einflussfaktoren aus den Marktgegebenheiten und aus den Produktmerkmalen.

Neben diesen Einflussfaktoren hat jedoch die Strategie eines jeden Marktteilnehmers einen wesentlichen Einfluss auf seine Organisationsstruktur. Die Strategie eines Unternehmens leitet sich wiederum aus der Mission und Vision und den vorhandenen Kernkompetenzen des Unternehmens ab. Dieser Zusammenhang soll im nächsten Kapitel näher beschrieben werden.

2 Von der Mission zur Organisation

2.1 Ziel und Zweck eines Unternehmens5

Ausgangspunkt ist lt. Drucker die Frage: Was ist unser Unternehmen und was sollte es sein? Zur Beantwortung dieser Frage muss zuvor jedes Unternehmen eine aussagekräftige Unter- nehmenstheorie, oftmals auch als Geschäftsmodell oder Businesskonzept bezeichnet, for- mulieren.6 Das Geschäftsmodell beschreibt, wie ein Unternehmen Werte für Kunden schaf- fen will; es handelt sich hierbei um eine zukunftsorientierte Aufgabe.

5 Die folgenden Ausführungen in diesem Kapitel basieren im Wesentlichen auf Drucker (2009), Bd. 1, 143ff. 6 In weiterer Folge soll hier der Begriff Geschäftsmodell verwendet werden, da er m. E. den Sinn hinter der zentralen Aufgabe, nämlich die Modellbildung am besten beschreibt.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 323 Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

Jedes Geschäftsmodell eines Unternehmens basiert lt. Drucker auf drei Annahmen:7

1. Annahmen über das Umfeld des Unternehmens, also Annahmen über die Gesell- schaft und ihre Struktur, Märkte, Kunden, Lieferanten, Technologien usw. Diese Annahmen definieren die Rahmenbedingungen in denen ein Unternehmen Geld verdienen möchte. Die Annahmen sollten nicht nur das unmittelbare Umfeld, zB die Baumärkte eines Bauunterneh- mens, betreffen, sondern auch das weitere Umfeld, das zukünftige Märkte darstellen können oder einen Einfluss auf das unmittelbare Umfeld ausüben (zB der Energiemarkt auf den Baumarkt).

2. Annahmen über die spezifische Mission des Unternehmens. Diese Annahmen defi- nieren, wie das Unternehmen etwas für die Gesellschaft bewirken möchte und welche Er- gebnisse von Bedeutung sind (siehe Kap. 2.2).

3. Annahmen über die Kernkompetenzen, die erforderlich sind, um die Mission umzu- setzen. Diese definieren, auf welchen Gebieten das Unternehmen hervorragend sein muss, um die Mission umzusetzen.

Damit ein Geschäftsmodell eines Unternehmens oder einer Abteilung wirksam - im Sinn von Werte schaffend - ist und damit Erfolg hat, ist bei den getroffenen (Modell-)Annahmen fol- gendes zu beachten:8

1. Die drei (Modell-)Annahmen müssen mit der Wirklichkeit übereinstimmen. 2. Die drei (Modell-)Annahmen müssen zusammenpassen. 3. Das Geschäftsmodell muss innerhalb des Unternehmens bekannt sein und verstanden werden. 4. Das Geschäftsmodell muss ein dynamisches Modell sein, da sich auch die Wirklichkeit ständig verändert.

Gerade in großen (Bau-)Unternehmen mit langer Tradition und entsprechend langer Unter- nehmenskultur ist zum Beispiel durch laufendes Infragestellen der angebotenen Leistungen, von Ablaufprozessen, der Aufbauorganisation, von Abteilungen usw. zu prüfen, ob das zu- grunde liegende Geschäftsmodell noch wirksam ist und die damals getroffenen Annahmen noch mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Es besteht eine Gefahr darin, das Warnzeichen nicht frühzeitig wahrgenommen werden. Lt. Drucker sollten beispielsweise unerwartete Er-

7 Drucker (2009), Bd. 1, 148, 156. 8 Drucker (2009), Bd. 1, 149 f.

324 Festschrift 40 Jahre Ibpm Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

folge oder Misserfolge – entweder die eigenen oder die eines Mitbewerbes – aber auch schnelles Wachstum Hinweise für ein derartiges Infragestellen sein.9

Wie oben erwähnt, ist die Bestimmung der Mission und Vision einer der weiteren Ausgangs- punkte für die Beantwortung der Frage, was die Anforderungen an eine effiziente Organisati- onsstruktur sind.

2.2 Mission und Vision

„Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaf- fen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre den Männern die Sehn- sucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ Dieses Zitat von Antoine de Saint-Exupéry 10 be- schreibt anschaulich, warum eine Mission und Vision auch für jedes Unternehmen bedeut- sam sind. Beide Begriffe sollen die Grundlage (Beweggründe) für das Handeln eines jeden Unternehmens und seiner Mitarbeiter ausdrücken. Während die Mission primär darauf ab- zielt, eine Wirkung nach Außen (zB Gesellschaft) zu entfalten, geht es bei der Vision (Was wollen wir sein?) eines Unternehmens darum, einen gemeinsamen Identifikationsrahmen für die Mitarbeiter zu beschreiben. Lt. Gabler11 umfasst die Mission (Unternehmensleitbild) ein Element des normativen Rahmens eines Unternehmens, indem der Zweck seines Daseins in Form von Nutzenversprechen gegenüber seinen Anspruchsgruppen (zB Gesellschaft, Kun- den, Lieferanten) darlegt wird.

Bei der Mission geht es vor allem darum, welchen Platz das Unternehmen innerhalb der Ge- sellschaft einnehmen möchte, sowie wie das Unternehmen von der Gesellschaft und hier vor allem von seinen Kunden gesehen werden möchte und welchen Beitrag das Unternehmen für die Gesellschaft bzw seine Kunden liefern möchte.12 Im Zuge der Beschreibung der Mis- sion geht es um die Beantwortung der beiden zentralen Fragen: Wofür stehen wir? Warum existieren wir? Lt. Drucker13 ist die Mission der „Leim“, der eine Organisation zusammenhält, wenn sie expandiert, dezentralisiert, globalisiert und Vielfältigkeit erlangt.

Zentrale Frage bei der Festlegung der Vision ist, wie sich das Unternehmen in der Gesell- schaft in der Zukunft positionieren möchte, wie es gesehen werden möchte und welche Stel- lung es in seiner Branche einnehmen will. Als Beispiel sei hier die Vision der STRABAG SE

9 Drucker (2009), Bd. 1, 153 f. 10 Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste (1948). 11 Gabler Verlag (Hrsg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Unternehmensleitbild, online im Inter- net: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/16056/unternehmensleitbild-v7.html 12 Vgl Rütten (2010), 6. 13 Drucker (2008).

Festschrift 40 Jahre Ibpm 325 Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

angeführt: „Mit der Kompetenz, Innovationskraft und Motivation unserer Mitarbeiter sowie einer damit einhergehenden straffen, transparenten Organisationsstruktur, sind wir auf dem Weg, Europas führender Baudienstleister zu werden.“14

Die Erfüllung der Vision sollte das übergeordnete, langfristige Ziel eines jeden Unterneh- mens abbilden, also den Zustand, den ein Unternehmen in der Zukunft erreichen möchte. Gerade bei regional diversifizierten Unternehmen mit unterschiedlichen regionalen Kulturen ist eine entsprechend ausformulierte Vision wichtig, um einen gemeinsamen „Nenner“ für das Miteinander im Unternehmen zu haben. Gerade in einem dynamischen Marktumfeld stellen die Mission und Vision sicher, dass die zentralen Merkmale eines Unternehmens langfristig erkennbar und erhalten bleiben. Wesentlich ist, dass die Vision einfach und klar formuliert und über einen längeren Zeitraum gültig ist. Ein Beispiel dafür ist die Zusammen- fassung der Vision der STRABAG SE: „Building Visions – Building Values – Building Euro- pe“.

Oftmals leiten sich Unternehmensgrundsätze bzw -leitlinien aus der Mission und Vision eines Unternehmens ab. Diese dienen als guiding principles für die Erreichung der Vision aber auch der strategischen Ziele des Unternehmens. Sie umfassen vor allem Themen wie sozia- les und umweltgerechtes Handeln, Einhaltung von ethnischen Prinzipien sowie Förderung von Gesundheits- und Arbeitsschutz. Ein Beispiel für eine klare und einfache Beschreibung der guiding principles inkl. Zielvorgabe sind die „five zeros targets“ der Skanska AB:15

x “Zero loss-making projects. Loss makers destroy profitability and customer relation- ships x Zero accidents, whereby the safety of our personnel as well as subcontractors, suppli- ers and general public is ensured at and around our projects x Zero environmental incidents, by which our projects should be executed in a manner that minimizes environmental impact x Zero ethical breaches, meaning that we take a zero tolerance approach to any form of bribery or corruption x Zero defects, with the double aim of improving the bottom line and increasing customer satisfaction”

Die guiding principles entfalten sowohl eine Außenwirkung (Kunde, Partner, Gesellschaft) als auch eine Innenwirkung (Mitarbeiter) und sind oftmals wesentliche Merkmale des Rufs eines

14 STRABAG SE, Managementhandbuch (Juli 2011), 3. 15 http://www.skanska.com/en/About-Us/Our-targets/

326 Festschrift 40 Jahre Ibpm Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

Unternehmens oder seines Images in der Gesellschaft. Aus diesem Grund ist es auch wich- tig, dass die internen Prozesse, Vorgaben und Konsequenzen (bei Nichteinhaltung) konform mit den guiding principles gehen.

Die Leitlinien sind der Kern des Leitbildes. Neben den Leitlinien sind die Mission, Vision und die zentralen Kernwerte und -inhalte in dem Leitbild zusammengefasst. Leitbilder beschrei- ben das Selbstverständnis eines Unternehmens, aber tragen auch zur Weiterentwicklung der Organisation bei. Das Leitbild richtet sich primär nach innen und reflektiert die individuelle Unternehmenskultur und die Unternehmenswerte. Insofern soll es eine orientierende Richt- schnur für das individuelle Mitarbeiterhandeln sein.

2.3 Strategie

Aus dem Leitbild entwickeln sich die langfristigen Ziele, die ein Unternehmen erreichen möchte. In der Unternehmensplanung wird die Strategie als „die grundsätzliche, langfristige Verhaltensweise (Maßnahmenkombination) der Unternehmung und relevanter Teilbereiche gegenüber ihrer Umwelt zur Verwirklichung der langfristigen Ziele“ definiert.16 Dieser klassi- schen Definition liegt das Konzept der Planbarkeit einer Strategie zur Erreichung von Zielen zu Grunde. Insofern wird die klassische Strategie auch von Mintzberg17 prägnant als „a pat- tern in a stream of decisions“ definiert, wonach die geplante Strategie auch vollständig in die Tat umgesetzt wird.

Da der Planbarkeit der Strategie oftmals Grenzen gesetzt sind (zB infolge eines dynami- schen Marktumfeldes), existieren eine Vielzahl von unterschiedlichen Strategiemodellen, die jeweils unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten für den Umgang mit der Nichtplanbarkeit von zukünftigen Entwicklungen anbieten. Nach Mintzberg/Waters18 existieren im Wesentlichen acht unterschiedliche (Grund-)Arten von Strategiemodellen zwischen einer rein bewussten Strategie (pure deliberate strategy) und einer rein sich herausbildenden Strategie (pure emergent strategy).

16 Gabler Verlag (Hrsg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Strategie, online im Internet: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/3172/strategie-v8.html. 17 Mintzberg (1978), 934. 18 Mintzberg/Waters (1985); s auch Mintzberg/Ahlstrand/Lampel, Strategy Safarie (2004), 26.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 327 Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

Abbildung 1: Strategiegrundmodell nach Mintzberg/Waters19

Ein gerade bei jungen Unternehmen, aber auch bei großen Unternehmen mit einer dominan- ten Führungspersönlichkeit, häufig angewandtes Strategiemodelle ist jenes der unternehme- rischen Strategie (the entrepreneurial strategy), das auf einer klar formulierten und kommu- nizierten Vision aufbaut. Alle wesentlichen strategischen Entscheidungen haben sich an die- ser Vision auszurichten. Durch diese Steuerung der strategischen Entscheidungen ist dieses Modell auch sehr flexibel in Bezug auf Umweltveränderungen, da sich die strategischen Ent- scheidungen immer an der (langfristigen) Vision ausrichten.

Abbildung 2: The entrepreneurial strategy nach Mintzberg/Waters

Neben dem unternehmerischen Strategiemodell findet auch häufig die Schirmstrategie (the umbrella strategy) Anwendung. Bei diesem Modell werden die strategischen Entscheidungen durch einen „Schirm“ von Richtlinien, Regeln, Maßgaben usw. gesteuert. Die strategischen Entscheidungen müssen nicht immer exakt in die gleiche Richtung zeigen, vielmehr ist ent- scheidend, dass sie sich in dem vorgegebenen Rahmen bewegen. Auch dieses Modell be- nötigt eine Vision für die Ausrichtung des Schirmes. Insofern erlaubt auch dieses Strate- giemodell eine höhere Flexibilität in einem dynamischen System. Laut Mintzberg/Waters haben Strategiemodelle von fast allen Unternehmen Schirm-Eigenschaften.

19 Mintzberg/Waters (1985), 258.

328 Festschrift 40 Jahre Ibpm Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

Abbildung 3: The umbrella strategy nach Mintzberg/Waters

Ähnlich wie bei der umbrella strategy findet die Prozess-Strategie (process strategy) Anwen- dung, wenn die Umwelt komplex und Änderungen nicht vorhersehbar und steuerbar sind. Statt der Kontrolle der Strategieinhalte durch Vorgabe von Zielen und Randbedingungen wird die Strategie indirekt durch Beeinflussung der Strategieentwicklung kontrolliert. Diese Strate- gieart findet bei divisionalisierten Unternehmen statt, wo die Konzernzentrale Vorgaben bei- spielsweise hinsichtlich der Organisationsstruktur oder des Kontrollsystems macht, jedoch die eigentliche Strategieentwicklung durch die einzelnen Unternehmensbereiche erfolgt.

Abbildung 4: The pocess strategy nach Mintzberg/Waters

Aufgrund der regionalen und divisionalisierten Organisationsstrukturen von internationalen Bauunternehmen sind häufig Kombinationen dieser drei Strategiemodelle anzutreffen. Fer- ner findet aufgrund der organisatorischen Struktur (Konzern- und Länderorganisation mit/ohne Spartentrennung) die Strategieentwicklung auf Konzernebene statt. In einem Land mag es effizienter sein, die Strategie in Anlehnung an die umbrella strategy umzusetzen, in einem anderen Land jedoch, die Strategie in Anlehnung an die process strategy zu entwi- ckeln. In jedem Fall darf aber die langfristige Vision und die damit einhergehende Konzern- strategie nicht aus dem Auge verloren werden. Insofern ist es gerade für international agie- rende Bauunternehmen sinnvoll, eine langfristige und klar definierte Vision festzulegen. Je dynamischer die Wirtschafts- und/oder die Unternehmensentwicklung (zB durch schnelles

Festschrift 40 Jahre Ibpm 329 Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

Wachstum durch Unternehmenskäufe) sind, desto wichtiger ist eine klar definierte Vision für die strategischen Planung.

In diesem Sinn sind beispielsweise bei der STRABAG SE die strategischen Ziele jeder Spar- te bzw jedes Unternehmensbereiches für die jeweilige Planungsperiode ausgehend von der Vision (Konzernziel) zu entwickeln.20 Das übergeordnete Konzernziel der STRABAG SE ist: „Durch Kostenführerschaft, Mitarbeiterqualität und –motivation sowie Innovationskraft die Marktführerschaft in allen definierten Märkten und Sparten zu erreichen bzw zu behalten.“

Der Übergang von der strategischen Planung zur Organisationsstruktur erfolgt über die ope- rative Planung einer Unternehmenseinheit, die die vereinbarten strategischen Ziele in opera- tive Handlungsziele bzw –vorgaben umsetzt. In diesem Zusammenhang kommt den Mitar- beitern einer Organisationsstruktur aber nicht nur die Aufgabe zu, die sich aus der strategi- schen Planung ergebenden Handlungsvorgaben effizient umzusetzen, sondern durch erhal- tene Marktinformationen und Innovationen die notwendigen Informationen für den strategi- schen Planungsprozess liefern. Diese Rückkopplung ist wesentlich, um auch die Umsetzung der strategischen Planung zu kontrollieren und zu steuern. Wie oben bereits ausgeführt, ste- hen mehrere Modellansätze zur Verfügung, um Strategieprozesse zu steuern.

Neben dieser Anforderung ergeben sich noch weitere Anforderungen an die Organisations- struktur, die in Kap. 4.3 behandelt werden.

Unabhängig davon, welches konkrete Strategiemodell angewandt wird, sind jedenfalls zu- nächst die Stärken und Schwäche des Unternehmens sowie die Chancen und Gefahren der jeweiligen Märkte und der Umgebung zu erheben (SWOT-Analyse). Diese Erkenntnisse müssen in den jeweiligen Strategieprozess einfließen. Im Zusammenhang mit den Anforde- rungen an die Organisationsstruktur ergibt sich insbesondere die Frage, wie durch die Ge- staltung der Organisationsstruktur die jeweiligen Stärken eines Unternehmens möglichst optimal zum Tragen kommen.

3 Spezielle bauwirtschaftliche Einflussfaktoren

3.1 Einzelanfertigung

Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen ist, dass jedes Bauwerk infolge der Art und der Umstände der Leistungserbringung (Boden- und Wetterverhältnisse, Auftraggeber, Ver-

20 STRABAG SE, Managementhandbuch (Juli 2011), 4.

330 Festschrift 40 Jahre Ibpm Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

trag, Projektpartner, Produktionsmittel usw.) ein Unikat ist. Dies bedingt, dass bei jedem Pro- jekt die erforderlichen Ressourcen immer wieder von Neuem geplant und organisiert werden müssen. Allein dieser Projektcharakter des Grundgeschäftes verlangt ein hohes Maß an Fle- xibilität innerhalb einer bestehenden Organisationsstruktur.

3.2 Lokale Märkte

Einhergehend damit gilt, dass sich die Baubranche durch variable Betriebsstätten auszeich- net. Die Produktionserstellung erfolgt im Wesentlichen vor Ort auf der Baustelle des Kunden. Insofern sind Baumärkte im Grunde lokale Märkte. Das Wissen um Produktionsbedingungen „vor Ort“ ist wesentlich für das Verständnis des Marktes im Allgemeinen und des Akquisiti- ons- und Produktionsprozesses im Besonderen. Das Wissen um die Produktionsbedingun- gen umfasst neben den weichen Faktoren wie zB lokale Kultur, Sprache, Rechtsverständnis auch harte Faktoren wie zB Rechts- und Normenlage, Vorhandensein von lokalen Personal-, Geräte- und Materialressourcen.21

Im Akquisitionsprozess sind die Umstände vor Ort entsprechend zu berücksichtigen. Die ausreichende Verfügbarkeit und das optimale Zusammenwirken (Organisieren) der erforder- lichen Ressourcen (Personal, Projektpartner, Material, Geräte, Finanzmittel) vor Ort auf der Baustelle ist eine wesentliche Bedingung für den Akquisitions- und Produktionsprozess. Da- neben gilt es, das im Unternehmen vorhandene Know-how (Kernkompetenzen, Erfahrung) so zu organisieren, dass die Projektziele optimal erreicht werden. Auf der anderen Seite ist sicherzustellen, dass das vorhandene Know-how projektübergreifend zur Verfügung steht und so ein optimaler und effizienter Wissenstransfer stattfindet und die Sicherstellung von spezifischen Unternehmensstandards gewährleistet ist. Dies betrifft vor allem kaufmännische Themen. Diese Gradwanderung zwischen „so regional wie möglich“ und „so zentral wie nö- tig“ hat eine effiziente Organisationsstruktur innerhalb eines Bauunternehmens sicher zu stellen.

3.3 Starker Nachfragemarkt – Art der Leistungsbeschreibung

Eine weitere Besonderheit der Baubranche ist die Stärke des Nachfragemarktes. Einer Viel- zahl an Bauunternehmen steht vor allem im (öffentlichen) Infrastrukturbereich eine über- schaubare Anzahl an (öffentlichen) Auftraggeber gegenüber. Im öffentlichen Bereich wird diese Nachfragemacht des Auftraggebers in der Regel durch das (europäische) Vergabe-

21 S dazu den Hinweis unter der FN 31.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 331 Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

recht geregelt. Eine wesentliche Bedingung für einen freien und fairen Wettbewerb und einer Gleichbehandlung aller Bieter ist, dass die Leistungen eindeutig, vollständig und neutral zu beschreiben sind, damit eine Vergleichbarkeit der Angebote sichergestellt ist. Durch die kon- struktive Leistungsbeschreibung finden Innovationen und damit Wettbewerbsvorteile oftmals nur im Bereich der Bauprozesse bestimmter Teilleistungen statt (zB bessere bzw günstigere Baumethoden). Im Gegensatz dazu ist bei dem Einsatz von funktionalen Leistungsbeschrei- bungen bei gleichzeitiger Erweiterung des Leistungsspektrums (zB Planung, Bau, Finanzie- rung, Betrieb und Unterhaltung) eine wesentliche höhere Innovationsbereitschaft seitens der Anbieter notwendig. Die beiden Extrema (auf der einen Seite: konstruktive Leistungsbe- schreibung, geringes Leistungsspektrum, niedrigeres Risikoniveau, auf der anderen Seite: funktionale Leistungsbeschreibung, großes Leistungsspektrum, hohes Risikoniveau) verlan- gen nicht nur ein unterschiedliches Know-how, sondern auch eine unterschiedliche Organi- sation des Know-hows und damit eine andere Organisationsstruktur für eine erfolgreiche Projektakquisition und –realisation.

3.4 Geringe Fixkostenbelastung und Wettbewerbsbeschränkung

Aus der Art der Produktionsherstellung (variablen Produktionsstätten) ergibt sich auch, dass die Fixkostenbelastung für ein Bauunternehmen im Vergleich zu anderen Produktionsbetrie- ben geringer ist. Dies bedingt zum einen, dass kleinere Bauunternehmen auch größere Bau- aufträge akquirieren und abwickeln können, insbesondere, wenn sie sich zu Arbeitsgemein- schaften zusammenschließen und/oder Teile eines Auftrages an Nachunternehmer weiter- geben. Zum anderen ist in der Baubranche die regionale Expansion in andere Märkte hier- durch leichter möglich, da das Hemmnis von großen Vorfinanzierungskosten wegfällt.

Wettbewerbsvorteile infolge Kostenführerschaft sind ab einen gewissen Grad vor allem durch eine weitere Verschiebung von Fixkosten (Personal, Geräte) in Richtung der variablen Kosten (zB durch Einsatz von Mitarbeitern auf Projektbasis22) möglich. Die erhöhte Flexibili- tät in der Kostenstruktur hat jedoch zwei wesentliche Nachteile: Zum einen ist das Know-how nicht mehr in derselben Stärke an ein Unternehmen gebunden, und zum anderen steigt die Abhängigkeit von Dritten (zB Subunternehmern, Lieferanten).

22 Nach der Erfahrung des Autors ist dieser Trend zum Beispiel in den Niederlanden erkennbar, wo viele Fachkräfte Bauunternehmen ihre Leistungen auf Basis von Werkverträgen anbieten.

332 Festschrift 40 Jahre Ibpm Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

4 Anforderungen an die Organisationsstruktur

4.1 Zweck einer Organisationsstruktur

Der wesentliche Zweck einer Organisationsstruktur ist ein dreifacher. Erstens soll das vor- handene Know-how (Wissen, Erfahrung, (Kern-)Kompetenzen usw.) eines Unternehmens so organisiert werden, dass dieses optimal in die einzelnen Prozesse des Bauunternehmens (zB Angebotsphase, Herstellungsphase) einfließen kann („structure follows know-how“). Die Organisation hat sicherzustellen, dass das vorhandene Know-how dort zum Einsatz kommt, wo es benötigt wird. Im Gegenzug müssen bei Projekten die gesammelten Erfahrungen (zB technische Innovationen, Markterfahrungen) wieder in das Unternehmen fließen und sich hieraus evtl. Marktchancen und Wettbewerbsvorteile ergeben. Folglich wird ein Straßenbau- unternehmen, dessen Geschäftsmodell regionalen Charakter hat, eine andere Organisati- onsstruktur aufweisen als ein Spezialtiefbauunternehmen, das zentral technisch anspruchs- volle Leistungen anbietet.

Zweitens muss die Organisationsstruktur ermöglichen, dass durch Koordination der ver- schiedenen Einheiten des Unternehmens die strategischen und operativen Ziele möglichst effizient erreicht werden („structure follows strategy“). Das gewählte Strategiemodell (siehe Kap. 2.3) hat jedoch einen wesentlichen Einfluss auf die Grundstruktur des Organisations- modells.

Drittens muss sich die Organisationsstruktur an den Kunden und an den Marktbedingungen orientieren („structure follows market“). Die marktkonforme Organisation muss gewährleis- ten, dass Kunden jederzeit optimal betreut werden und dass die Informationen über die Marktbedingungen und zukünftige Marktentwicklungen optimal im Unternehmen aufgenom- men werden. Diese Rückkopplung im Sinne des kybernetischen Regelkreises ist entschei- dend, damit Informationen im Unternehmen an den entsprechenden Stellen verarbeitet wer- den können. Die sinnvolle Zuordnung der jeweiligen (Teil-)märkte bzw Geschäftsfelder zu Organisationseinheiten gehört sicher zu den schwierigen Aufgaben bei der Gestaltung einer Organisationsstruktur. Die damit einhergehenden Fragen betreffen vor allem Themen wie die Größe von Organisationseinheiten, Verantwortungen und Vollmachten der einzelnen Mitar- beiter innerhalb einer Organisationseinheit.

Diese drei Ziele, aus welchen sich auch die wesentlichen Anforderungen an eine Organisati- onsstruktur ergeben, sind untereinander verbunden und stehen gleichberechtigt nebenei- nander. Eine effiziente und damit erfolgreiche Organisationsstruktur hat zu gewährleisten,

Festschrift 40 Jahre Ibpm 333 Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

dass diese drei Ziele bestmöglich erfüllt werden. Wesentlich in diesem Zusammenhang ist, dass es keine einzig „richtige“ Organisationsstruktur gibt. Ebenso gibt es auch keine friktions- freie Organisationsform.23 Die Kunst besteht darin, eine Organisationsstruktur zu finden, die am besten zu den jeweiligen (strategischen) Zielen, Eigenschaften und Märkten eines Unter- nehmens passt.

Nichtsdestoweniger können m. E. auch einige allgemein gültige Anforderungen an die Orga- nisationsstruktur eines Bauunternehmens aus den Zielen und zuvor beschriebenen Zusam- menhängen abgeleitet werden (dazu näheres in den Kap. 4.3 und 4.4).

4.2 Symptome einer suboptimalen Organisationsstruktur

Bevor auf die Anforderungen einer bestmöglichen Organisationsstruktur eingegangen wird, sind zunächst die Symptome einer suboptimalen Organisationsstruktur zu beschreiben. De- ren Auswirkungen können generell insofern beschrieben werden, als diese zB zu einem er- höhten Koordinationsaufwand, zu hohen Informationsdefiziten, zu Unklarheiten über Aufga- benzuordnungen führen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass fast jede Organi- sationsstruktur das eine oder andere dieser Merkmale aufweist. Jedoch sind bei annähend optimalen Organisationsstrukturen die Symptome auf ein Minimum beschränkt und führen in der Regel zu keinen unmittelbaren Wettbewerbsnachteilen.

Es stellt sich die Frage, an welchen konkreten Symptomen nun eine suboptimale Organisati- onsstruktur erkannt wird. In Anlehnung an Malik24 können folgende Symptome Hinweise sein:

x Eine Vermehrung von Managementebenen: Zu viele Managementebenen erschweren den Informationsfluss innerhalb der Organisation. Jede Ebene ist eine neue Quelle für Trägheit, Reibung und Kosten. x Eine Vielzahl an bereichsübergreifenden Arbeiten: Nach Malik25 stellt eine bereichs- übergreifende Arbeit eine sehr hohe Anforderung an die Mitarbeiter dar, die jedoch in den seltensten Fälle zufriedenstellend erfüllt wird. Insofern sollte eine Organisation möglichst wenig bereichsübergreifende Arbeiten erfordern. x Viele Sitzungen mit vielen Teilnehmern: Die Notwendigkeit vieler Sitzungen (Koordina- tionsbesprechungen) mit vielen Teilnehmern, um eine Aufgabe zu erfüllen, ist ebenso

23 Malik (2006), 193. 24 Malik (2006), 197 f. 25 Malik (2006), 198.

334 Festschrift 40 Jahre Ibpm Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

ein Indiz für eine falsche Organisationsstruktur. Auch hierfür sollte lt. Malik26 die Not- wendigkeit (nicht die Möglichkeit) von bereichsübergreifenden Arbeiten auf ein Mini- mum reduziert werden. x Personelle Überbesetzung: Aufgaben sollten möglichst einer Person zugeordnet wer- den. Sind mit derselben Aufgabe mehrere Personen betraut, liegt eine schlechte Orga- nisation vor. x Vorhandensein von Koordinatoren und Assistenten: Die Anzahl derartiger Funktionen ist auf das Nötigste zu reduzieren, und sie sollten in einer Organisation die Ausnahme sein. x Organisationsstrukturen, die es den Mitarbeitern nicht ermöglichen, sich auf ihre ei- gentliche Hauptaufgabe zu konzentrieren. Derartige Funktionen zeichnen sich dadurch aus, dass der Mitarbeiter mit „ein bisschen von allem“ beschäftigt ist. Die Folge ist, dass es zu einer Verzettelung und Zersplitterung der „Kräfte“ des Mitarbeiters kommt, was in weiterer Folge zur einer „Flucht aus der Leistung und aus der Verantwortung“ kommt. Das Gegenteil davon ist die Fokussierung auf eine wesentliche Aufgabe, die jedoch eine „große Aufgabe“ für den jeweiligen Mitarbeiter darstellt. x Mitarbeiter, die ihren Beitrag zum Gesamten nicht erkennen können. Dieses Problem fällt oftmals mit dem Umstand zusammen, dass für die konkrete Funktion keine oder eine unklare Stellenbeschreibung vorliegt.

4.3 Anforderungen

Es gibt Organisationsprinzipien und -anforderungen, die universelle Gültigkeit haben. Einige davon klingen aufs Erste trivial; die Praxis zeigt aber, dass in aller Regel dagegen verstoßen wird. Ausgehend von Drucker27 haben Organisationsstrukturen folgende Prinzipien und sich daraus ergebende Anforderungen zu erfüllen:

x Das Prinzip der Transparenz. Aus diesem Prinzip leiten sich zwei wesentliche Anforde- rungen ab. Zum einen muss die gültige Organisationsstruktur im gesamten Unterneh- men bekannt sein und verstanden werden. Das Verständnis kann auch dadurch geför- dert werden, dass der Zusammenhang zur Strategie und zur Vision des Unternehmens kommuniziert wird. Zum anderen muss die Organisationsstruktur auch akzeptiert und „gelebt“ werden. In der Praxis zeigt sich manchmal, dass neben der offiziellen auch ei- ne inoffizielle Organisationsstruktur existiert. Dies betrifft vor allem Fragen in Hinblick

26 Malik (2006), 199. 27 Drucker (2009), Bd.1, 123; Drucker (1988).

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auf die Zuständigkeit von Organisationseinheiten, aber auch Vollmachten und Verant- wortungen von Mitarbeitern innerhalb eines Unternehmens. x Das Prinzip, wonach Autorität mit Verantwortung übereinstimmen muss. Innerhalb je- des Funktionsbereiches (zB Sparte, Abteilung, Stabstelle) muss es eine Person geben, die für bestimmte Bereiche endgültige Entscheidungen trifft. Mit anderen Worten: Die Kompetenzen einer Position müssen mit den Aufgaben, Zielen und Pflichten überein- stimmen. Üblicherweise werden diese Themen in einer Stellenbeschreibung zusam- mengefasst. x Das Prinzip, dass jeder Mitarbeiter nur einen Vorgesetzten haben darf. Bei Matrixorga- nisation und dem Einsatz von Koordinatoren zwischen operativen Einheiten wird die- ses Prinzip oftmals nicht eingehalten. Dieses Prinzip soll Loyalitätskonflikte innerhalb einer Organisation vermeiden. x Das Prinzip flacher Organisationshierarchien. Eine Organisationsstruktur soll so flach wie möglich sein, damit die Anzahl an Schnittstellen so gering wie möglich ist. Mit der Anzahl an Schnittstellen steigt die Gefahr von Informationsverlusten zwischen den handelnden Einheiten bzw Personen. Je flacher einer Organisationsstruktur ist, desto mehr Verantwortung und Vollmachten müssen auf die vorhandenen Ebenen verteilt werden. x Das Prinzip vergleichbarer Organisationseinheiten. Bei der horizontalen Gestaltung der Organisationsstruktur (Aufteilung von Märkten bzw Geschäftsfeldern) ist dieses Prinzip zu berücksichtigen, um einheitliche Standards innerhalb des Unternehmens festlegen zu können. Dies betrifft zum einen das Reporting von den unteren Organisationsebe- nen nach oben und zum anderen die Vorgaben der oberen Organisationseinheiten an die unteren. Daneben begünstigt dieses Prinzip auch die Möglichkeit, dass Mitarbeiter leichter zwischen Organisationseinheiten wechseln können, was wiederum langfristig die Mitarbeiterqualifikation steigert. x Das Prinzip, wonach die oberste Organisationsebene die nicht delegierbare Aufgabe hat, Vision, Strategie und Organisationsstruktur für das Gesamtunternehmen festzule- gen. Hieraus folgt u.a., dass sich die Strategien, Ziele und Organisationen der unteren Organisationsebenen an den übergeordneten Vorgaben zu orientieren haben. Die ge- wählte Organisationsstruktur muss gewährleisten, dass auch relevante Marktinformati- onen für den strategischen Planungsprozess geliefert werden. x Das Prinzip der Flexibilität. Jede Organisationsstruktur muss ein gewisses Maß an Fle- xibilität aufweisen, um Veränderungen im Marktumfeld, aber auch innerhalb des Unter- nehmens verarbeiten zu können. Wie einleitend erläutert, vollziehen sich Marktverän-

336 Festschrift 40 Jahre Ibpm Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

derungen schnell. Je schneller die bestehende Organisationsstruktur an die neuen Ge- gebenheiten angepasst werden kann, desto eher können zukünftige Wettbewerbsvor- teile hieraus gewonnen werden. x Das Prinzip, dass Organisationen Innovationen ermöglichen müssen. Organisations- strukturen haben sicherzustellen, dass Innovationen aktiv gefördert werden. Dies kann insofern geschehen, als sie einen regen Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen einzelnen Unternehmenseinheiten leichter ermöglichen. x Das Prinzip der vollständigen Abbildung des definierten Marktes durch die Organisati- onsstruktur. Gerade die organisatorische Zuordnung von Hoffnungsmärkten zu beste- henden Organisationseinheiten stellt oftmals eine große Herausforderung dar. Zu be- achten ist ferner, dass sich die Aufgabenbereiche der einzelnen Organisationseinhei- ten inhaltlich und regional nicht oder nur so wenig wie möglich überschneiden, um den sich hieraus ergebenden Abstimmungsbedarf so gering wie möglich zu halten. x Das Prinzip der Gewährleistung marktnaher Entscheidungen. Vorraussetzung hierfür ist, dass zunächst der jeweilige Markt in der Organisation abgebildet ist (siehe oben) und dass geeignete Mitarbeiter vor Ort über die erforderlichen Verantwortungen und Vollmachten verfügen, um zeitnah marktnahe Entscheidungen zu treffen. x Das Prinzip der Berücksichtigung der vorhandenen Stärken (u.a. Kernkompetenzen) des Unternehmens bei der Gestaltung der Organisationsstruktur. Sicherzustellen ist, dass die Stärken zum Tragen kommen, also eine effiziente Transformation der Kern- kompetenzen zu den Kernprodukten ermöglichen. Auf der anderen Seite sollen Orga- nisationsstrukturen vorhandene Schwächen mehr oder weniger bedeutungslos ma- chen. Nach Prahalad/Hamel28 liegen in den Kernkompetenzen die Wurzeln für den Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens. Die Kernkompetenzen werden von Praha- lad/Hamel29 als Folge des kollektiven Wissens der Organisation, insbesondere in Be- zug auf die Koordinierung diverser Produktionsfähigkeiten und die Integration ver- schiedener Technologieströme betrachtet. Die Merkmale von Kernkompetenzen sind, dass sie einen wesentlichen Kundennutzen liefern, eine Quelle für den Wettbewerbs- vorteil gegenüber dem Mitbewerber darstellen sowie schwierig zu kopieren sind, da sie in der Regel in einem Unternehmen versteckt sind und sich in der Regel über einen längeren Zeitraum ergeben. Zur Frage, wie Kernkompetenzen in einem Unternehmen identifiziert werden können, wird auf Tampoe30 verwiesen.

28 Prahalad/Hamel (1990). 29 Prahalad/Hamel (1990). 30 Tampoe (1994).

Festschrift 40 Jahre Ibpm 337 Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

4.4 Kulturelle Anforderungen

Neben den allgemeinen müssen auch kulturelle Anforderungen bei der Gestaltung der Orga- nisationsstruktur berücksichtigt werden, da jede Unternehmensaktivität in einem speziellen kulturellen Umfeld stattfindet. Insbesondere überregional agierende Bauunternehmen müs- sen die verschiedenen kulturellen Merkmale eines Landes bzw Kulturraumes bei der Festle- gung der Strategie, aber auch bei der Gestaltung der Organisationsstruktur berücksichtigen. Der Erfolg einer gewählten Organisationsstruktur innerhalb eines regionalen Baumarktes muss nicht automatisch auch in einem anderen regionalen Baumarkt zu einem Erfolg führen. Oftmals werden die einmal festgelegten Organisationsstrukturen zentral festgelegt und in die verschiedenen Länder „exportiert“.

In der einschlägigen Literatur31 werden verschiedene Merkmale herangezogen, um kulturelle Eigenschaften zu beschreiben. Nach Trompenaars/Hampden-Turner32 beschreiben die fol- genden fünf Dimensionen die Beziehung zwischen den einzelnen Mitgliedern einer Kultur:

x Universalität versus Individualismus:33 Diese Dimension beschreibt den Umstand, wie das Verhalten von Menschen beurteilt wird. Im ersten Extrem (Universalität) wird das Verhalten ausschließlich anhand von allgemeinen Regeln beurteilt („rule-based society“). Im zweiten Extrem wird das Verhalten vor allem aufgrund einer persönlichen Beziehung zwischen dem Beurteilten und dem Beurteilenden bewertet. In der Praxis treten beide Arten der Beurteilung auf. In Ländern mit einem hohen Grad an Universali- tät tendiert man, länderübergreifende Themen (zB Marketing) im Headquarters zu zentralisieren und allgemeine Regeln aufzustellen. In Ländern mit einem hohen Grad an Individualismus werden dagegen eher Anweisungen gegeben, lokale Lösungen bzw Handlungsanweisungen vor Ort zu verfassen. x Kollektivismus versus Individualismus:34 Diese Dimension beschreibt die Stellung des Individuums in einer Gruppe. Konkret geht es hier um die Abwägung der Interessen ei- ner Einzelperson zu den Interessen der Gruppe, zu der die Einzelperson gehört. Dies spielt insbesondere bei den Themen Verhandlungsstruktur, Status und Entscheidungs- findung eine Rolle. In Bezug auf die Organisationsstruktur zeichnen sich kollektivisti- sche Kulturen dadurch aus, dass die Organisation eines Unternehmens wie die Orga- nisation einer großen Familie oder Gemeinschaft gesehen wird. Bei einer individualisti- schen Kultur wird die Organisation als Instrument zur Durchsetzung individueller Inte-

31 S dazu u.a. Hofstede (2006); Trompenaars/Hampden-Turner (2008); Hall/Hall (1990). 32 Trompenaars/Hampden-Turner (2008), 29. 33 Trompenaars/Hampden-Turner (2008), 31f. 34 Trompenaars/Hampden-Turner (2008), 50ff.

338 Festschrift 40 Jahre Ibpm Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

ressen gesehen. Die Beziehungen innerhalb der Organisation sind abstrakte Verbin- dungen, die durch Regeln bzw Verträge vorgegeben sind.35 x Neutralität versus Affektivität:36 Diese Dimension beschreibt die Bandbreite, in der Ge- fühle und Emotionen ausgedrückt bzw im Umgang miteinander gezeigt werden. Dies hat Bedeutung im Bereich der Kommunikation innerhalb einer Organisation. x Diffus versus spezifisch:37 Diese Dimension beschreibt, inwieweit sich eine Beziehung nur auf spezifischen Bereichen oder auf mehreren Bereichen einer Person abspielt. Sie beschreibt den Umfang einer Beteiligung. In einer spezifisch orientierten Kultur wird in der Beziehung zwischen dem Vorgesetzen und dem Mitarbeiter, zwischen der aufga- benorientierten und der persönlichen Ebene unterschieden. x Status infolge Leistung versus gesellschaftlich zugewiesenen Status:38 Diese Dimen- sion beschreibt, warum ein bestimmter Status zuerkannt wird. Wird der Status inner- halb einer Kultur primär durch Leistung erreicht, wird von einem „achieved status“ ge- sprochen („achieved status refers to doing“). Im Gegensatz dazu hängt der gesell- schaftlich zugewiesene Status primär von der Zuschreibung ab („ascribed status refers to being“). Diese Dimension ist vor allem bei der Verwendung von Titeln innerhalb ei- ner Organisation, aber auch bei der Zuerkennung von Statussymbolen bedeutsam.

Die ideale Organisation aus rein interkultureller Sicht ist nach Hofstede39 jene, in denen die Mitglieder ihre Fähigkeiten vollständig einsetzen können, auch solche, die aus ihrer kulturel- len Identität (zB sozialer, sprachlicher Art) stammen.

Da alle kulturellen Dimensionen einen mehr oder weniger großen Einfluss auf die Organisa- tionsstruktur haben, soll im Folgenden das Modell von Trompenaars/Hampden-Turner40 her- angezogen werden, um die Zusammenhänge zwischen den kulturellen Merkmalen und der Organisationsformen darzulegen. Nach Trompenaars/Hampden-Turner41 sind folgende kultu- rellen Aspekte bei der Gestaltung der Organisationsstrukturen zu berücksichtigen:

x Die grundlegende Beziehung zwischen Mitarbeitern und ihrer Organisation x Das hierarchische System von Autorität zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern x Die generelle Sichtweise der Mitarbeiter zum Sinn, Zweck und zu den Zielen einer Or- ganisation und zu ihren Positionen innerhalb einer Organisation

35 Trompenaars/Hampden-Turner (2008), 63. 36 Trompenaars/Hampden-Turner (2008), 69ff. 37 Trompenaars/Hampden-Turner (2008), 81ff. 38 Trompenaars/Hampden-Turner (2008), 102ff. 39 Hofstede (2006), 508. 40 Trompenaars/Hampden-Turner (2008), 157f. 41 Trompenaars/Hampden-Turner (2008), 157f.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 339 Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

Ausgehend von den zwei kulturellen Merkmalspaaren „universalism – particularism“ und „in- dividualism – communitarianism“ können die zwei Dimensionen einer Unternehmenskultur „equality – hierarchy“ und „orientation to persons – orientation to the task“ abgeleitet werden. Diese zwei Dimensionen ermöglichen, folgende vier grundsätzliche Arten von Organisations- formen zu definieren.

Abbildung 5: Die vier Arten von Unternehmenskulturen nach Trompenaars/Hampden-Turner42

Die vier Arten dieser Unternehmenskulturen können nun wie folgt beschrieben werden:

x The family culture43: Diese Unternehmenskultur zeichnet sich durch eine stark perso- nenbezogene und hierarchische Kultur aus und gilt als stark machtbetont. Die Bezie- hungen zwischen den einzelnen Mitgliedern sind meistens diffus und die Einsatzbereit- schaft geht oftmals über die vertraglich vereinbarte hinaus. x The Eiffel tower culture:44 In einer stark aufgabenbezogenen Kultur sind Aufgaben und Funktionen klar und im Vorhinein beschrieben. Diese – oftmals in Deutschland und Ös- terreich auftretende – Unternehmenskultur zeichnet sich ferner dadurch aus, dass die Beziehung spezifisch ist und sich der Status der Person vorwiegend aus der Zuschrei- bung ergibt. Die zu erfüllenden Aufgaben ergeben sich vorwiegend aus der Funktion des Mitarbeiters in der Organisation („management by job description“). Der Nachteil ist die oftmals schwierige Anpassung an dynamische Randbedingungen. Änderungen in der Organisationsstruktur ergeben sich vorwiegend durch Änderungen der Unter- nehmensregeln. Die Umsetzung von Änderungen ist in der Regel komplex und zeit- aufwendig.

42 Trompenaars/Hampden-Turner (2008), 159. 43 Trompenaars/Hampden-Turner (2008), 158. 44 Trompenaars/Hampden-Turner (2008), 166f.

340 Festschrift 40 Jahre Ibpm Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

x The guided missile culture:45 Durch klare Aufgabenorientierung und ausgeprägter Teamkultur orientieren sich die Ziele der Mitglieder vorwiegend an dem übergeordne- ten Ziel bzw Strategie des Unternehmens und es gibt kaum Unterschiede in der hierar- chischen Stellung der Mitglieder. In derartigen Unternehmenskulturen werden oftmals Matrixorganisationen eingesetzt. Vorteil dieser Unternehmenskultur ist, dass Organisa- tionsänderungen schneller vollzogen werden können und dass eine klare Verpflichtung gegenüber den zu erreichenden Zielen vorliegt („management by objectives“). Die An- erkennung der Leistung von Mitarbeitern basiert vorwiegend auf der erzielten Leistung. Nachteilig ist, dass die Loyalität gegenüber Projekten oftmals größer ist als gegenüber dem Unternehmen selbst. Insofern überrascht es auch nicht, dass bei derartigen Un- ternehmenskulturen viele externe Projektmitarbeiter (freelancer) zum Einsatz kommen, um Aufgaben innerhalb einer Matrixorganisation zu übernehmen. x The incubator culture:46 Hier wird das Unternehmen als „Brutkasten“ für die persönliche Selbsterfüllung und Selbstdarstellung angesehen. Derartige Unternehmenskulturen zeichnen sich durch ein minimales Maß an Hierarchie und Struktur aus. Das persönli- che Commitment der Mitarbeiter ist sehr hoch, um die unternehmerischen Ziele zu er- reichen („management by enthusiasm“).

In der Praxis treten diese vier beschriebenen Unternehmenskulturen in unterschiedlichen Mischformen auf, wobei in der Regel eine dominiert. Die Unternehmenskultur hängt neben den Ausprägungen der unterschiedlichen Dimensionen der nationalen Kulturen aber auch von anderen Einflussfaktoren (zB Branche, Unternehmensgröße) ab.

4.5 Weiterführende Fragen

Im Zusammenhang mit der oben umrissenen Situation in der Bauwirtschaft ergeben sich einige weiterführende Fragen, deren Beantwortung direkt mit weiteren Anforderungen an die Organisationsstruktur zusammenhängt, die jedoch aus Gründen des Umfanges hier nur angerissen werden können. Diese Fragen lassen sich grob in zwei Themenbereiche zu- sammenfassen:

45 Trompenaars/Hampden-Turner (2008), 172f. 46 Trompenaars/Hampden-Turner (2008), 175f.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 341 Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

1. Fragen im Zusammenhang mit der zunehmenden Komplexität: Der eingangs festge- stellte Trend der Zunahme der Komplexität betrifft zum einen die Bauprojekte (zB General- und Totalunternehmeraufträge und PPP-Projekte) als solche und zum ande- ren die Baumärkte. Die Zunahme der Komplexität geht in der Regel einher mit der Zunahme des Risikos für die Bauunternehmen.

x Auf welcher Organisationsebene soll die zunehmende Komplexität innerhalb eines Bauunternehmens prinzipiell gelöst werden? Ist dies prinzipiell eine zentrale Aufgabe des Top Managements (zB durch Aufstellen von Regeln und/oder Vorgabe von detail- lierten Organisationsstrukturen) oder eher der operativen Ebenen. Mit anderen Worten: Ist es für ein Bauunternehmen effizienter durch Regeln und Richtlinien die Richtungen für die Behandlung der Komplexität vorzugeben oder durch Beistellung von entspre- chenden Personen, die Komplexität und damit das zunehmende Risiko managen kön- nen? x Welche Personalanforderungen ergeben sich hieraus für ein internationales Bauunter- nehmen? Werden in Zukunft mehr Generalisten gefragt sein, die komplexe und risiko- reiche Projekte im Team aktiv managen können, oder werden vermehrt Spezialisten zum Einsatz kommen, die jeder für sich spezielle Aufgaben bzw Risiken lösen? x Welche grundsätzlichen Lösungsmöglichkeiten bestehen, Komplexität beherrschbar zu machen? Sind komplexe Situationen bzw Systeme durch (noch) komplexere Lösungen bzw Strukturen oder durch Vereinfachungen effizienter zu steuern? Kann die weiterge- hende Standardisierung von Bauabläufen bzw Bauprozessen eine mögliche Lösung des Problems sein? Welche Lösungsansätze bieten andere Industriebranchen für den Umgang mit Komplexität? x Kann bei Großprojekten die Komplexität und damit das Risiko effizient behandelt wer- den, indem zB das Gesamtrisiko in mehrere, klar definierte Risikopakete aufgeteilt wird, die von unterschiedlichen Organisationseinheiten behandelt werden, oder die Prozesse eines Projektes in viele standardisierbare (Teil )Prozesse zerlegt werden?

2. Fragen im Zusammenhang mit dem Management von Organisationseinheiten:

x Was ist die optimale Größe einer operativen Organisationseinheit innerhalb eines Bau- unternehmens? Inwieweit hängt die Größe einer Organisationseinheit vom jeweiligen Geschäftsmodell ab?

342 Festschrift 40 Jahre Ibpm Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

x Wie hoch soll der Grad der Unabhängigkeit einzelner Organisationseinheiten sein? Welche Aufgaben müssen auf welcher Organisationsebene inner- und außerhalb einer Organisationseinheit gelöst werden?

5 Zusammenfassung

Ausgehend von dem allgemeinen Zusammenhang zwischen der Strategie und der Organisa- tion eines Unternehmens und den maßgeblichen Einflussfakturen aus bauwirtschaftlicher Sicht wurde versucht, die wesentlichen Anforderungen an die Organisationsstruktur eines internationalen Bauunternehmens unter besonderer Berücksichtigung der kulturellen Ein- flussfaktoren zu beschreiben. Die Frage nach der passenden Organisationsstruktur wird nach der Meinung des Autors in der Zukunft eine immer wichtigere Stellung einnehmen, da gerade internationale Bauunternehmen einem immer dynamischeren Baumarkt ausgesetzt sein werden.

Der Schlüssel zum Erfolg wird in einer marktnahen Organisationsstruktur liegen, die die not- wendige Flexibilität hat, sich zeitnah auf die spezifischen Umstände vor Ort anzupassen, die erforderliche Struktur liefert, damit das Know-how möglichst optimal im Sinne der gewählten Strategie zum Einsatz kommt, und die zu den unter Kap. 4.5 aufgeworfenen Fragen optimale - im Sinn des Geschäftsmodells - Antworten findet.

Dipl.-Ing. Dr. Herwig Schwarz STRABAG SE, Donau-City-Strasse 9, 1220 Wien

6 Literaturverzeichnis

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[4] Drucker, P., Management, Band 1 und 2, Campus Verlag, Frankfurt/Main, 2009.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 343 Anforderungen an die Organisationsstruktur internationaler Bauunternehmen

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[6] Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon, online im Internet: http://wirtschaftslexikon.gabler.de

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[12] Mintzberg H., Ahlstrand B., Lampel J., Strategy Safari: Eine Reise durch die Wildnis des strategischen Managements, Redline Wirtschaft bei Ueberreuter, Frankfurt/Wien, 2004.

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[15] Prahalad, C. K., Hamel G., The Core Competence of the Corporation, Harvard Busi- ness Review, May – June, 1990.

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[18] Trompenaars, F., Hampden-Turner Ch., Riding the waves of culture – Understanding cultural diversity in business, Nicolas Brealey, 2. Aufl., 2008.

344 Festschrift 40 Jahre Ibpm Nachteilsabgeltung

Nachteilsabgeltung

Doris Link (Univ.Ass. 1996 bis 2000)

Die folgenden Ausführungen zum Thema „Nachteilsabgeltung“ gemäß ÖNORM B2110 (2011) focussieren auf in der Baupraxis häufig gestellte Fragen im Zusammenhang mit der praktischen Umsetzung der Nachteilsabgeltungsregelung gem. Pkt. 7.4.5. Die Fragen, wel- che Kostenkomponenten bei Minderung oder Entfall von Leistungen geltend gemacht wer- den können, bezieht sich der 5% Schwellenwert auf die ursprüngliche oder die fortgeschrie- bene Auftragssumme, wer hat die Höhe der Ersparnisse zu behaupten und zu beweisen und wann sind Ansprüche auf die Geltendmachung des Nachteilsausgleiches anzumelden, wer- den aus bauwirtschaftlicher Sicht erörtert.

1 Einführung

Die Bestimmung Pkt. 7.4.5 „Nachteilsabgeltung“ der ÖNORM B 2110, Fassung 01.03.2011 wirf in der baupraktischen Umsetzung immer wieder rechtliche und bauwirtschaftliche Frage- stellungen auf, die es aus bauwirtschaftlicher Sicht zu erörtern gilt.

Fragen:

x Welche Kostenkomponenten können bei Minderung oder Entfall von Leistungen gel- tend gemacht werden? x Bezieht sich der 5% Schwellenwert auf die ursprüngliche oder die fortgeschriebene Auftragssumme? x Wer hat die Höhe der Ersparnisse zu behaupten und zu beweisen bzw den Nachteil zu beziffern? x Wann sind Ansprüche auf die Geltendmachung des Nachteilsausgleiches anzumel- den?

2 Nachteilsabgeltung gem. ÖNORM B 2110 Pkt. 7.4.5

Im Rahmen des Leistungsänderungsrechtes ist der Auftraggeber berechtigt den Leistungs- umfang zu reduzieren bzw die beauftragte Leistung teilweise oder gänzlich abzubestellen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 345 Nachteilsabgeltung

Dem Recht des Auftraggebers den Leistungsumfang zu reduzieren steht der Ausgleichsan- spruch des Auftragnehmers auf Nachteilsabgeltung aus Minderung oder Entfall von Teilen der Leistung gegenüber. Dieser Ausgleichsanspruch besteht verschuldensunabhängig1 .

Pkt. 7.4.5 der ÖNORM B 2110 (2011) bestimmt: „Erwächst dem AN, bei Unterschreitung der Auftragssumme um mehr als 5%, durch Minderung oder Entfall von Teilen der Leistung ein Nachteil, der nicht durch neue Einheitspreise oder durch andere Entgelte abgedeckt ist, hat der AG diesen Nachteil abzugelten.“

Der 5% Schwellenwert wird nicht auf projektbezogene Vorleistungen, die nicht anderweitig verwertbar sind angewendet. Projektbezogene Vorleistungen sind unabhängig von der 5%- Grenze jedenfalls zu vergüten. Projektbezogene Vorleistungen sind beispielweise Planungs- leistungen, Arbeitsvorbereitungsmaßnahmen oder auch Lieferanten- oder Subunternehmer- beauftragungen deren Leistungen aufgrund von Minderung oder Entfall von Teilen der Leis- tung nicht zur Ausführung kommen. Ein Anspruch auf Nachteilsabgeltung für Vorleistungen besteht, falls für deren Erbringung bereits Kosten angefallen sind, die nicht über die verein- barte Einheitspreisabgeltung zur Vergütung kommen.

Die ÖNORM B 2110 bestimmt weiters, dass der Nachteil einvernehmlich durch Vergütung des kalkulierten Anteils der Geschäftsgemeinkosten an den entfallenen Leistungen abgegol- ten werden kann. Eine Nachteilsabgeltung durch die Vergütung des kalkulierten Anteils der Geschäftsgemeinkosten setzt einerseits die Überschreitung der 5% Grenze (Minderung um mehr als 5% der Auftragssumme) und andererseits das Einvernehmen zwischen Auftragge- ber und Auftragnehmer voraus. Die Vergütung des kalkulierten Anteils der Geschäftsge- meinkosten an den entfallenen Leistungen ist eine vereinfachte Ermittlung ohne besondere Nachweisführung. Ein darüber hinausgehender Nachteil kann natürlich auch geltend ge- macht werden.

3 Welche Kostenkomponenten können bei Minderung oder Entfall von Leistungen geltend gemacht werden?

Anspruchsvoraussetzungen zur Geltendmachung eines Nachteils sind

x die Minderung oder der Entfall von beauftragten Leistungen und x keine Abdeckung des Nachteils durch neue Einheitspreise oder durch andere Entgelte.

1 Gölles.Link; ÖNORM Bauvertrag – Praxiskommentar, 285, Austrian Standard plus Publishing, 2011

346 Festschrift 40 Jahre Ibpm Nachteilsabgeltung

Liegen diese Anspruchsvoraussetzungen vor und wird der Grenzwert von 5% erreicht, so können beispielsweise folgende Nachteile geltend gemacht werden:

x Änderungen von Umlagekosten: zB Zentralregie, zeitgebundene Baustellengemeinkos- ten falls sie als Umlage kalkuliert wurden, Bauzinsen, etc. x Änderung von Fixkosten x Auswirkungen auf Leistungspositionen: zB Vorhaltezeiten von Leistungsgeräten nicht analog zur Leistung vermindert x Verschlechterung von Einkaufskonditionen / Mietsätzen: zB Rabattkürzungen, Ände- rungen von Zahlungskonditionen zufolge Minderung der Abnahmemenge x Preisausgleich bei Misch-Einheitspreisen bzw Pauschalpositionen: Neuberechnung des infolge nur teilweiser Ausführung höheren Anteils kostenintensiverer „Teil“- Leistungen x Mehrkosten infolge Produktivitätsminderung durch Minderung der Leistung: zB gerin- gere Geräteauslastung oder Geräteproduktivität x Erbrachte Vorleistungen (ohne 5% Schwellenwert): zB Planung, Arbeitsvorbereitung, Materialbeschaffungen (bereits auftragsspezifisch eingekauft, aber nicht mehr zum Einbau gekommen), Subvergaben, Lieferungen (Rücktrittskosten), etc x Etc

4 Bezieht sich der 5% Schwellenwert auf die ursprüngliche oder die fortgeschriebene Auftragssumme?

In der Baupraxis tritt wiederholt die Frage auf, ob sich der 5% Schwellaufwert auf die ur- sprüngliche oder die durch Vertragsanpassungen fortgeschrieben Auftragssumme bezieht.

Karasek2 argumentiert zu dieser Frage, dass die ÖNORM zwischen den Begriffen „Auftrags- summe“ und „ursprüngliche Auftragssumme“ differenziert. Mit ursprünglicher Auftragssumme ist wohl die Auftragssumme zum Zeitpunkt der Vertragsabschlusses (zivilrechtlicher Preis) und mit „Auftragssumme“ die fortgeschriebene Auftragssumme zum jeweiligen Betrach- tungsstichtag gemeint. Nachdem die Nachteilsabgeltungsregelung der ÖNORM B 2110 den Begriff „Auftragssumme“ wählt, ist lt. Karasek „die fortgeschriebene Auftragssumme Basis für die Berechnung der 5% Schwelle“.

2 Karasek, ÖNORM B 2110 Kommentar, 618 f; RZ 1366; Manz, 2.Auflage 2009

Festschrift 40 Jahre Ibpm 347 Nachteilsabgeltung

Eine dazu gegenteilige Meinung vertritt Kurz3, der auch wenn die ÖNORM B 2110 dies nicht ausdrücklich spezifiziert die Auffassung vertritt, dass sich der 5% Schwellwert auf die ur- sprüngliche und nicht auf die fortgeschriebene Auftragssumme bezieht.

Aus bauwirtschaftlicher Betrachtung ist zu argumentieren, dass sich die 5% Grenze der Nachteilsabgeltung auf die fortgeschriebene Auftragssumme bezieht. So sind beispielweise Auftragsakquisitionskosten, wie Kosten der Angebotslegung, Kosten der Vertragsverhand- lungen, der Angebotsadaptierungen, etc, die üblicherweise durch den Zuschlag der Zentral- regie gedeckt sind, bereits für die ursprüngliche Auftragssumme angefallen. Für Auftragser- weiterungen fallen diese Kosten im Rahmen der Ausarbeitung von Nachtragsangeboten, Verhandlung der Nachtragsangebote, Einarbeitung der Verhandlungsergebnisse, etc neuer- lich an. Entfallen jedoch Teile der Leistung, so wird für diese der Nachteil des nicht Einspie- lens von Zentralregieanteilen wie die Ausarbeitung des Angebotes, Verhandlung, Angebots- überarbeitungen etc, nicht ausgeglichen, wenn nicht auf die fortgeschriebene Auftragssum- me Bezug genommen werden würde. Eine Unterschreitung der ursprünglichen Auftrags- summe wird in der bauwirtschaftlichen Praxis selten erreicht, da ein allfälliger Leistungsent- fall zumeist von Leistungsabweichungen (zB zusätzlichen Leistungen, Leistungsänderungen, Störungen der Leistungserbringung) kompensiert wird.

Beispiel:

Auftragsvolumen Regieanteile in % Regieanteile in €

Hauptauftrag 100.000,- € 10% 10.000,- €

ZA 1 10.000,- € 10% 1.000,- €

Leistungsentfall -50.000,- € 10 % -5.000,- €

ZA 2 40.000,- € 10% 4.000,- €

Abrechnungssumme 100.000,- € Eingespielte Regie 10.000,- €

Angefallene Regie 15.000,- €

In gegenständlichen Beispiel wird trotz des beträchtlichen Leistungsentfalles die ursprüngli- che Auftragssumme nicht unterschritten, eine Nachteilsabgeltung wäre unter Bezugnahme des Schwellwertes von 5% auf die ursprüngliche Auftragssumme ausgeschlossen, obwohl

3 Kurz, ÖNORM B 2110 Kommentar, 353, Verlag Österreich, 2012

348 Festschrift 40 Jahre Ibpm Nachteilsabgeltung

dem Auftragsnehmer für den entfallenden Leistungsteil diverse Nachteile (Angebotserstel- lungskosten, etc) entstanden sind. Unter Bezugnahme auf die fortgeschriebene Auftrags- summe hingegen wäre ein Nachteilsausgleich zulässig.

5 Wer hat die Höhe der Ersparnisse zu behaupten und zu beweisen bzw den Nachteil zu beziffern?

Bezüglich der Berechnung der Höhe des Nachteils, sowie der Zuordnung wen die Behaup- tungs- und Beweislast trifft, stößt man in der Literatur bzw der bauwirtschaftlichen Praxis auf zwei Lösungsmodelle.

1. Lösungsmodell in Anlehnung an das ABGB: Top Down – Berechnung:

Die Abgeltungsregelung orientiert sich grundsätzlich an der werkvertraglichen Regelung in § 1168 Abs 1 S 1 ABGB „Unterbleiben die Ausführung des Werkes“. Danach hat der Auftrag- nehmer im Fall der teilweisen oder gänzlichen Abbestellung des Werkes Anspruch auf das Entgelt abzüglich des Ersparten. Die Anrechnung der Ersparnisse muss der AN gemäß ständiger Rechtssprechung nicht von sich aus machen, der Auftraggeber hat den Beweis zu führen, was sich der Auftragnehmer als Ersparnisse anrechnen lassen muss. Die Behaup- tungs- und Beweislast für die Höhe der Ersparnisse trägt der AG4.

Bei der Top-Down Berechnung wird der Nachteil berechnet aus der Differenz zwischen vol- lem vertraglichen Entgeltanspruch abzüglich des aus der Nichtvollendung Ersparten.

2. Lösungsmodell bauwirtschaftliche Praxis: Bottom Up – Berechnung:

Der Abgeltungsanspruch setzt sich aus der Vergütung der erbrachten Leistung über die ver- traglich vereinbarten Einheits- bzw Pauschalpreispositionen zuzüglich des vom Auftragneh- mer geltend gemachten Nachteils aus Minderung bzw Entfall von Leistungen zusammen. Den Nachweis der Höhe des Nachteils hat der Auftragnehmer zu führen. Nachdem bezüglich des Nachteilsnachweises die ÖNORM B 2110 keine Spezifizierungen enthält und der Begriff „Nachteil“ nicht näher erläutert wird, ist davon auszugehen, dass lediglich eine Plausibilisie- rung des Nachteils durch den Auftragnehmer zu erfolgen hat. Eine vereinfachte Ermittlung ohne besondere Nachweisführung stellt auch die Bestimmung in Pkt. 7.4.5 dar, dass der Nachteil einvernehmlich durch Vergütung des kalkulierten Anteils der Geschäftsgemeinkos- ten an den entfallenen Leistungen abgegolten werden kann.

4 Karasek; ÖNORM B 2110 Kommentar, 616ff, Manz, 2. Auflage 2009

Festschrift 40 Jahre Ibpm 349 Nachteilsabgeltung

Die Bottom Up Berechnung stellt im Vergleich zur ABGB-Lösung (Top Down) eine für den Auftragnehmer nachteilige Regelung dar, da einerseits die Nachweisverpflichtung über den entstandenen Nachteil in der Auftragnehmersphäre liegt und andererseits nur tatsächlich angefallene Nachteilskosten zur Abgeltung kommen. Eine Berücksichtigung des durch die Nichtvollendung der Leistung erzielten oder erzielbaren Vorteils erfolgt bei der Bottom Up Berechnung nicht.

6 Wann sind Ansprüche auf die Geltendmachung des Nachteilsausgleiches anzumelden?

Der Zeitpunkt der Erkennbarkeit eines allfälligen Nachteilsausgleiches wird speziell bei sich schleichend einstellenden Minderungen oder Entfall von Leistungen erst gegen Ende der Leistungsfrist gegeben sein. Bei einer einseitigen Anordnung eines Leistungsentfalles durch den Auftraggeber kann die Minderung oder der Entfall von Leistungen u.U. schon früher dem Grunde und der Höhe nach geklärt werden, löst aber keine Verfallsansprüche aus, wenn die Geltendmachung erst mit der Schlussrechnung erfolgt. Eine vorherige Geltendmachung ei- nes Nachteilsanspruches steht dem AN natürlich frei und wird aus baupraktischer Sicht auch empfohlen, stellt aber keine zwingende Verpflichtung dar.

Der Auftragnehmer hat keine Verpflichtung einen allfälligen Nachteil innerhalb einer definier- ten Frist zu melden. Es wird ausreichend sein, wenn die Nachteilsabgeltung bei Abschluss der Bauarbeiten erfolgt und die Höhe des Nachteilsanspruches spätestens in der Schluss- rechnung beziffert wird.

7 Schlusswort

Der Beitrag hat die in der praktischen Umsetzung der Nachteilsabgeltungsbestimmung der ÖNORM B 2110 immer wieder auftretenden Fragen erörtert und kommt zu folgenden Ergeb- nissen:

x der 5% Schwellwert bezieht sich auf die fortgeschriebene Auftragssumme und nicht auf die ursprüngliche Auftragssumme, x bezüglich der Geltendmachung eines Nachteilsausgleiches sind keine konkreten Frist- vorgaben vorgebeben, der Anspruch ist spätestens mit der Schlussrechnung geltend zu machen, x bezüglich der Berechnung des Nachteilsausgleiches wurden differenzierende Meinun- gen recherchiert. Einerseits das Lösungsmodell in Anlehnung an das ABGB (Top

350 Festschrift 40 Jahre Ibpm Nachteilsabgeltung

Down Berechnung) – voller Werklohnanspruch abzüglich der Ersparnisse und anderer- seits das Lösungsmodell der bauwirtschaftlichen Praxis (Botom Up Berechnung) - Ver- gütung der erbrachten Leistung über die vertraglich vereinbarten Einheits- bzw Pau- schalpreispositionen, zuzüglich des vom Auftragnehmer geltend gemachten Nachteils aus Minderung bzw Entfall von Leistungen, x angefallene Kosten für Vorleistungen zu den entfallenen Leistungsteilen sowie diverse Umlagen, Produktivitätsminderungen, etc können als Kostenkomponenten im Sinne der Nachteilsabgeltung geltend gemacht werden.

FH-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Doris Link Departement- und Studiengangsleiterin an der FH Campus Wien Favoritenstraße 226 1100 Wien geschäftsführende Gesellschafterin ECC Bauprozessmanagement GmbH Döblinger Hauptstraße 80/1/3b A 1190 Wien

8 Literaturverzeichnis

[1] Gölles, Link; ÖNORM Bauvertrag – Praxiskommentar, Austrian Standard plus Publi- shing, 2011

[2] Karasek; ÖNORM B 2110 Kommentar, Manz, 2. Auflage 2009

[3] Kurz, ÖNORM 2110 Kommentar, Verlag Österreich 2012

[4] ÖNORM B 2110, Allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen - Werkver- tragsnorm, Fassung 01.03.2011

Festschrift 40 Jahre Ibpm 351

Entwicklung und Abbildung von Kostenkomponenten aus der Preisumrechnung in der Kostenverfolgung aus Sicht des Bauherren

Entwicklung und Abbildung von Kostenkomponenten aus der Preisumrechnung in der Kostenverfolgung aus Sicht des Bauherren

Roland Haring (Univ.Ass. 2002 bis 2005) Andreas Jurecka (Univ.Ass. 2005 bis 2010)

1 Einleitung

Bauprojekte, die umfangreich sind, daher im Blickwinkel der Öffentlichkeit stehen, haben die Eigenschaft ganz besonderem medialen Interesse zu unterliegen. Mittelpunkt des Interesses können einerseits die architektonische Gestaltung, die Notwendigkeit selbst, nicht selten aber auch die Projektkosten sein, denn diese (be)treffen bei Projekten der öffentlichen Hand den Steuerzahler! Projektkosten stellen daher immer ein sensibles Thema dar und die Zeit- spanne von heute bis zurück in die Vergangenheit, innerhalb derer nicht von Kostenexplosi- onen bei Großprojekten die Rede war, stellt sich als eine überschaubare dar.

So ist es nur logisch und konsequent, dass bei der Durchführung derartiger Großprojekte die Basis für eine fundierte Kostenprognose sowie für ein fundiertes Kostencontrolling eingerich- tet wird.

Das diesbezügliche Know-How gibt es und mittlerweile existiert auch entsprechend Software am Markt, die die praktische Umsetzung dieses Know-Hows erleichtert. Letztere ermöglicht es schlussendlich auch umfangreiche Berechnungen vorzunehmen, sich daraus folgend we- niger auf Abschätzungen zurückziehen zu müssen (Es sei allerdings an dieser Stelle er- wähnt, dass ein „gesundes Einschätzen“ bzw Plausibilisieren der Kostenlage auf Seiten der Verantwortlichen für unumgänglich gehalten wird!).

Die Projektkosten setzen sich in einer Projektphase, in der Projektteile sich bereits in Ausfüh- rung befinden, aus mehreren Komponenten zusammen, wobei Kosten, die sich durch bloßen Zeitablauf ergeben, im Fokus dieses Beitrags stehen. Kosten verändern sich im Laufe der Zeit aufgrund von Inflation und/oder durch das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage. Bei Großprojekten, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, stellen genau diese Kostenveränderungen einen nicht mehr zu vernachlässigenden Anteil der Gesamtkosten dar. Somit ist auch dieser Kostenkomponente größte Aufmerksamkeit im Sinne einer ange- strebten Kostensicherheit im Zuge der Kostenprognose angedeihen zu lassen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 353 Entwicklung und Abbildung von Kostenkomponenten aus der Preisumrechnung in der Kostenverfolgung aus Sicht des Bauherren

Dieser Beitrag darf daher als ein Mosaikstein im Abbild der aus so vielen Gründen anzustre- benden Kostensicherheit gesehen werden, insbesondere weil durch eine einhergegangene Neuorientierung von Leistungsbeschreibungen und baumarktspezifischen Indizes in Öster- reich die vertragliche Abwicklung von Bauwerkverträgen hinsichtlich Preisumrechnung sich künftig wohl aufwändiger gestalten wird.

2 Gesamtkosten – Übersicht über die Kostenkomponenten

Der folgende Umriss über ein bereits etabliertes System bezüglich der Ermittlung von Ge- samtkosten eines Projektes gibt nur die Grundlagen wider. Auf ein detailliertes Anführen von Quellen wird in diesem Beitrag aus Gründen der Lesbarkeit verzichtet, wobei hier nicht un- erwähnt bleiben soll, dass die Begriffe auf das System der ÖBB Infrastruktur AG zurückzu- führen sind. Auf Basisliteratur wird daher lediglich im Anhang verwiesen.

Die Gesamtkosten eines Projektes lassen sich als Summe von Basiskosten (B), Kostenan- sätze für Wertanpassung und Gleitung (G), Kostenansätze für Risiko (R) und Kostenansätze für Vorausvalorisierung (V) darstellen. Ziel ist es somit, die mutmaßlichen Endkosten eines Projektes zu prognostizieren. Die Gesamtkosten – kurz und prägnant als „BGRV“ darstellbar – sollen daher alle vergangenen und zukünftigen Preisentwicklungen enthalten und mit Pro- jektfortschritt demgemäß stabil bleiben, sofern die ersten Kostenermittlungen realistisch wa- ren und keine Änderungen einhergehen.

2.1 Basiskosten B

Die Basiskosten stellen unzweifelhaft den größten Anteil der Gesamtkosten dar und bilden die Basis für die folgenden 3 Kostenansätze für Wertanpassung und Gleitung G, für Risiko R und für die Vorausvalorisierung V. Basiskosten beruhen auf einer Einschätzung des Preisni- veaus am Baumarkt für einen definierten Zeitpunkt (Preisbasis). Sie werden für einzelne Vorhabenteile getrennt ermittelt.

In Abhängigkeit des Fortschritts eines jeden Vorhabenteils unterscheiden sich die Basiskos- ten in jene, bei denen noch kein Vertrag geschlossen ist, jedoch Kostenermittlungen zugrun- de liegen, bzw in jene, bei denen ein Vertrag mit Unternehmen bereits geschlossen ist.

Für erstere liegen Kostenermittlungen zugrunde in Abhängigkeit des Fortschrittes des Vor- habenteils eines Projektes, also von der Definition des Kostenziels, über Kostenschätzungen bis hin zu Kostenberechnungen.

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Für zweitere liegen üblicherweise Vertragsleistungsverzeichnisse zugrunde, welche – je Be- stellung – den Hauptauftrag und mögliche Zusatzaufträge umfassen.

Handelt es sich bei den Bestellungen um keine Pauschalverträge, sondern um die weitest- gehend in Österreich üblichen Einheitspreisverträge, so liegt auf der Hand, dass die den Ver- tragsleistungsverzeichnissen zugrunde liegenden Positionsmengen keine endgültigen sind, sondern vielmehr die Vereinbarung gilt, dass die Endabrechnung zufolge der nachgewiese- nen Mengen erfolgt. Letztere können daher von den den Vertragsleistungsverzeichnissen zugrunde liegenden Mengen abweichen. Die Einschätzung dieser Abweichung – positiv wie negativ – bilden einen weiteren Bestandteil der Basiskosten bei Vorhabenteilen nach Ver- tragsschluss.

Einen weiteren Bestandteil der Basiskosten bei Vorhabenteilen nach Vertragsschluss stellen jene Einschätzungen dar, die sich auf potentielle künftige Leistungsabweichungen beziehen, die unweigerlich in weiteren Zusatzaufträgen münden. Als Beispiel hierfür fungieren dem Grunde nach angemeldete Mehrkostenforderungen, deren Anspruchsgrundlagen grundsätz- lich geeignet sind, nicht völlig haltlos zu sein, oder aber auch noch nicht einmal dem Grunde nach angemeldete Mehrkostenforderungen, wenn die Umstände, die geeignet sind, dass diese eines Tages auf den Tisch kommen, so prominent sind, dass eine Negierung dieser nicht mehr dem Prinzip der kaufmännischen Vorsicht entsprechen würden.

Als Übersicht über die Basiskosten von Vorhabenteilen nach Vertragsschluss dient die fol- gende Abbildung:

Abbildung 1: Basiskosten nach Vertragsabschluss

2.2 Kostenansätze für Wertanpassung und Gleitung G

Kostenansätze für Wertanpassung und Gleitung G sind jene Kosten, die die bis zu einem Stichtag bereits eingetretene Marktpreisentwicklung berücksichtigen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 355 Entwicklung und Abbildung von Kostenkomponenten aus der Preisumrechnung in der Kostenverfolgung aus Sicht des Bauherren

Bei Kostenermittlungen (Basiskosten für Vorhabenteile vor Vertragsabschluss) handelt es sich dabei um die Preisentwicklung von Preisen am Baumarkt. Für die Abbildung dieser Preisentwicklung sind Baupreisindizes geeignet, weil noch keine Verträge vergeben sind. Die Berücksichtigung von Kosten, die die bis zu einem Stichtag bereits eingetretene Preisent- wicklung von Preisen am Baumarkt widerspiegelt, wird Wertanpassung genannt.

Für Basiskosten für Vorhabenteile nach Vertragsabschluss ist die bis zu einem Stichtag ein- getretene Kostenentwicklung der Gestehungskosten der Leistungen der vertraglich bereits gebundenen ausführenden Unternehmen von Bedeutung – dies deswegen, weil die übliche Form der Wertsicherungsklausel bei Bauwerkverträgen in Österreich, die ÖNORM B 2111 „Umrechnung veränderlicher Preise von Bauleistungen“, vorsieht, die Preisumrechnung an- hand geeigneter Indizes durchzuführen. Es existieren passende Baukostenindizes und die Berücksichtigung von Kosten, die die bis zu einem Stichtag bereits eingetretene Preisent- wicklung auf Basis der vertraglich bedungenen Preisumrechnung widerspiegelt, wird Glei- tung genannt. (Bei Festpreisverträgen wäre dieser Kostenansatz konsequenterweise mit 0 zu bewerten, da die Kosten für Veränderungen der Gestehungskosten der Unternehmen im Festpreiszuschlag kalkuliert, und somit in der Hauptbestellsumme abgedeckt sind.)

2.3 Kostenansätze für Risiko R

Leistungsabweichungen stellen eine Veränderung des Leistungsumfanges (des definierten Bau-SOLLs) dar, die entweder durch eine Leistungsänderung oder durch eine Störung der Leistungserbringung hervorgerufen werden.

Da Leistungsabweichungen während der Projektphasen systemimmanent nicht vollinhaltlich und lückenlos vorhergesehen werden können (diesfalls wären sie ja schon in der Ausschrei- bung zu berücksichtigen), sind Kostenansätze für Risiko R vorzusehen, die auf die Basiskos- ten B aufgeschlagen werden.

Bei Vorhabenteilen vor Vertragsabschluss werden Risikozuschläge auf die einzelnen Kos- tenermittlungen aufgeschlagen, bei Vorhabenteilen nach Vertragsabschluss auf die oben in Abbildung 1 dargestellte Summe (Basiskosten eines Vorhabenteils nach Vertragsabschluss), wobei bis zum Stichtag erbrachte Leistungen von dieser Summe abzuziehen sind.

Es ist üblich, dass auch auf das Gesamtprojekt als Ganzes ein weiterer eigener Risikoansatz aufgeschlagen wird.

356 Festschrift 40 Jahre Ibpm Entwicklung und Abbildung von Kostenkomponenten aus der Preisumrechnung in der Kostenverfolgung aus Sicht des Bauherren

2.4 Kostenansätze für Vorausvalorisierung V

Im Gegensatz zur Wertanpassung und Gleitung G handelt es sich bei den Kostenansätzen für Vorausvalorisierung V um solche, deren Preis- bzw Kostenänderungen am Baumarkt erst künftig bzgl. eines Stichtags auftreten werden, die also zum Stichtag selbst noch nicht be- kannt sind.

Für Kostenermittlungen (Basiskosten für Vorhabenteile vor Vertragsabschluss) ist die künfti- ge Baumarktpreisentwicklung abzuschätzen. Für diese Bewertung wäre es von Vorteil künf- tige Entwicklungen von Baupreisindizes bestmöglich ermessen zu können.

Für Basiskosten für Vorhabenteile nach Vertragsabschluss ist die künftige Kostenentwick- lung der Gestehungskosten der Leistungen der vertraglich bereits gebundenen Unternehmen abzuschätzen. Diese bezieht sich dann allerdings nur mehr auf die zu einem Stichtag noch nicht erbrachten, künftigen Leistungen. Für diese Bewertung wäre es von Vorteil künftige Entwicklungen von Baukostenindizes bestmöglich ermessen zu können.

3 Neuorientierung von Leistungsbeschreibungen und Indizes

3.1 Standardisierte Leistungsbeschreibung Verkehrsinfrastruktur

Die Standardisierte Leistungsbeschreibung Verkehrsinfrastruktur (LB-VI) stellt eine Zusam- menführung der bisher durch die Forschungsgesellschaft Strasse – Schiene – Verkehr (FSV) herausgegebenen Standardisierten Leistungsbeschreibungen Straßen-, Brücken-, Land- schafts-, Tunnel- sowie Eisenbahnbau dar. Sie vereinheitlicht die bisher festgelegten Num- mernsysteme, kann spartenneutral angewendet werden und reduziert somit die Anzahl an Positionen, damit einhergehend die Anzahl an Standardkalkulationen bzw Richtpreisdateien. Seit ihrer Einführung im Jahr 2008 hat sie sich als praxistaugliches Standardwerk für den Tiefbau etabliert.

3.2 Baukostenindizes

Neben dem Baukostenindex für den Wohnhaus- und Siedlungsbau wurden im Jahr 2010 die Baukostenindizes für den Straßen- und Brückenbau einer Revision (neue Warenkörbe und neue Gewichtungsschemata) unterzogen. Diese berücksichtigt eingetretene Änderungen in den Bautechnologien und Bauweisen, aber auch Änderungen in den Bauleistungsbeschrei- bungen mit dem Ziel, bereits bei der Indexberechnung ein durchgängiges System im Ein-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 357 Entwicklung und Abbildung von Kostenkomponenten aus der Preisumrechnung in der Kostenverfolgung aus Sicht des Bauherren

klang mit den in Österreich gängigen Standardisierten Leistungsbeschreibungen wie etwa der vorhin angeführten LB-VI anzuwenden.

3.3 Ziel

Nur durch die vorhin erwähnte Vorgehensweise kann der Bestimmung der ÖNORM B 2111 (Ausgabe 2007) in Pkt. 4.2.2 lit. 2, nämlich, dass in der Ausschreibung festzulegen ist, ob die Preisumrechnung mit einer für die Gesamtleistung geltenden Preisumrechnungsgrundlage oder getrennt für einzelne Leistungsteile der Gesamtleistung mit der dem jeweiligen Leis- tungsteil zugeordneten Preisumrechnungsgrundlage durchzuführen ist, für zweiteren Fall am besten nachgekommen werden.

Mit der in der aktuellen ÖNORM B 2111 geschaffenen Möglichkeit, die Preisumrechnung getrennt für einzelne Leistungsteile der Gesamtleistung durchzuführen, kann dem Bestreben, die Preisumrechnung einem Objekt angepasster vorzunehmen als beispielsweise über einen „globalen“ Index, entgegengekommen werden, ohne objektbezogene Warenkörbe zur An- wendung bringen zu müssen, bei denen die Durchführung der Preisumrechnung gewiss am aufwändigsten wäre.

Obgleich natürlich festgehalten werden muss, dass durch die Preisumrechnung, die getrennt für einzelne Leistungsteile der Gesamtleistung durchgeführt wird, der Aufwand in der Durch- führung natürlich ebenfalls höher ist als bei einer Preisumrechnung mit einer einzigen Preisumrechnungsgrundlage für die Gesamtleistung. Es wird allerdings gemeinhin ein Mehrwert in der Genauigkeit bei der Preisumrechnung gesehen, der dem einhergehenden Mehraufwand in der Durchführung der Preisumrechnung überwiegt.

4 Kostenkomponente Gleitung bei Bestellungen

Die Kostenkomponente bzw der Kostenansatz für Gleitung G bei Vorhabenteilen nach Ver- tragsabschluss, die nun zum zentralen Thema dieses Beitrags führen, setzen sich aus zwei Werten zusammen: Gist und GPrognose.

Diese sind in der Kostenverfolgung für jede Bestellung, wo gegeben, zu eruieren und be- rücksichtigen – wie bereits oben erwähnt – die bis zu einem Stichtag bekannt eingetretene Marktpreisentwicklung der Gestehungskosten der Auftragnehmer, infolgedessen den daraus abzuleitenden Mehrpreis für den Auftraggeber.

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Für die folgenden Ausführungen ist die Abbildung 2 als Übersicht dienlich. Sie zeigt die Zu- sammenhänge zwischen Indexveränderungen, Schwellenwerte, Preisumrechnung und Leis- tung.

Abbildung 2: Zusammenhang zwischen Indexveränderung, Schwellenwert, Preisumrechnung und Leistung

4.1 Gist

Bei Gist handelt es sich um die bis zu einem Stichtag angefallenen Preisanteile aus Gleitung von erbrachten Leistungen. Die Ermittlung erfolgt üblicherweise automatisch über entspre- chende AVA-Software. Auf vertragsspezifische Bestimmungen, aber auch auf die ÖNORM B 2111 wird hier nicht näher eingegangen. Es wird die Kenntnis der ÖNORM B 2111 voraus- gesetzt, insbesondere die Kenntnis und das Verständnis für die Preisbasis, für die Preisperi- oden, für die Veränderungsprozentsätze und für die Umrechnungsprozentsätze.

4.2 GPrognose

Im Unterschied zu Gist bilden hier nicht die erbrachten Leistungen die Basis für die Preisum- rechnung, sondern die ab einem Stichtag zukünftig zu erbringenden Leistungen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 359 Entwicklung und Abbildung von Kostenkomponenten aus der Preisumrechnung in der Kostenverfolgung aus Sicht des Bauherren

In dieser Kostenkomponente stecken jene Gleitungsanteile für alle künftigen, nach einem Stichtag zu erbringenden Leistungen, die die zum Stichtag bekannte Marktpreisentwicklung der Gestehungskosten der Auftragnehmer berücksichtigt. Dabei handelt es sich konkret um die künftigen Leistungen je Preisanteil sowie um alle Stichtags-Umrechnungsprozentsätze je Preisanteil. Darunter werden jene Umrechnungsprozentsätze je Preisanteil verstanden, die zum Stichtag aktuell Gültigkeit besitzen.

In Worten formuliert heißt das in etwa, dass zu einem Stichtag ein Teil der künftig zu ermit- telnden Umrechnungsprozentsätze bereits bekannt ist, nämlich der Wert aus der Multiplikati- on aller Veränderungsprozentsätze bis Stichtag. Auch alle künftigen Umrechnungsprozent- sätze beinhalten diese Veränderungsprozentsätze bis Stichtag (jedoch kommt dann noch die Multiplikation aller künftigen, noch unbekannten Veränderungsprozentsätze hinzu, die jedoch Bestandteil der Vorausvalorisierung V sind).

Unter Bezugnahme auf die Formel in Pkt. 5.5.2 ÖNORM B 2111 ௏ ௏ ௏ ௏ U =[(1+ ೉ǡ೙)*(1+ ೉ǡ೙షభ)*(1+ ೉ǡ೙షమ)………… (1+ ೉ǡభ)-1]*100 X,n ଵ଴଴ ଵ଴଴ ଵ଴଴ ଵ଴଴

würde das bedeuten, dass die Multiplikation aller Veränderungsprozentsätze bis Stichtag (grau dargestellt) auch einen Anteil aller künftigen Umrechnungsprozentsätze darstellen, zu denen noch die Multiplikation aller künftigen, noch unbekannten Veränderungsprozentsätze hinzukommt.

Dh man kennt einen Anteil der künftigen Umrechnungsprozentsätze der Preisanteile zum Stichtag fix, mit dem die jeweiligen künftigen Leistungen je Preisanteil zu multi- plizieren sind.

Um auf die Unterschiede zwischen den beiden Bestandteilen Gist und GPrognose aufmerksam

zu machen sei an dieser Stelle noch einmal auf die Abbildung 2 verwiesen. GPrognose stellt die erwartete Abrechnung der Gleitung mit den zum Stichtag vorhandenen Umrechnungspro- zentsätzen und den ab Stichtag zu erbringenden Leistungen dar. Nicht berücksichtigt wird eine zukünftig zu erwartende Gleitung aus künftiger Marktpreisentwicklung, da diese im Zu- sammenhang mit der Systematik dieses Beitrages einer Vorausvalorisierung V entspricht.

Um für die Kostenverfolgung herauszufinden, mit welchem Prozentsatz (als gverkettet bezeich- net) nun die gesamte künftige Leistung zu multiplizieren ist, ist es nur mehr nötig, alle künfti- gen Leistungen je Preisanteil mit allen Stichtags-Umrechnungsprozentsätzen je Preisanteil zu gewichten. Ein illustratives Beispiel gibt dafür die folgende Abbildung 3:

360 Festschrift 40 Jahre Ibpm Entwicklung und Abbildung von Kostenkomponenten aus der Preisumrechnung in der Kostenverfolgung aus Sicht des Bauherren

Stichtag Leistungs- abgerechnete zukünftige gruppen- Gesamtleistung Leistung Leistung nummer 02 10% 90% 2.545.924,98

03 80% 20% 3.845.853,40

05 75% 25% 6.722.078,74

06 50% 50% 16.451.363,43

07 10% 90% 2.347.366,59

08 5% 95% 11.611.397,09

10 2% 98% 3.681.893,52

21 98% 2% 1.006.316,82

98 7% 93% 950.000,00

18.540.150,85 30.622.043,71 49.162.194,56 37,7% 62,3% Abbildung 3: Beispielprojekt – monetäre Entwicklung je Preisanteil zu einem Stichtag

4.3 Neuerung

Und genau in dieser Gewichtung liegen die neuen Anforderungen für eine systemgerechte Kostenverfolgung aus Sicht des Bauherren!

Bisweilen war es üblich zwei Preisanteile je Auftrag festzulegen, nämlich die Preisanteile

Lohn und Sonstiges. Dadurch gestaltete sich die Berechnung von GPrognose als simpel, unbü- rokratisch und überschaubar. Vor allem ist die Tatsache zu erwähnen, dass ein Verhältnis von Lohn/Sonstiges bei jedem Projektfortschrittsstichtag in etwa ähnlich zueinander steht. Bei Verträgen mit zwei Preisanteilen für Lohn/Sonstiges ist es für die Darstellung der Kos- tenkomponente Gleitung G aus Sicht der Kostenverfolgung nicht notwendig in erbrachte Leistungen und zukünftige Leistungen je Preisanteil zu unterscheiden.

Nunmehr ist durch die Tatsache, dass die Preisumrechnung getrennt für einzelne Leistungs- teile der Gesamtleistung durchgeführt werden können soll, die Unterteilung nach künftigen Leistungen je Preisanteil für die Kostenverfolgung aus Sicht des Bauherren notwendig, um die Kosten so realistisch wie möglich abbilden zu können. Näherungen oder eine Gewich- tung über Preisanteile eines Gesamtleistungsverzeichnisses würden nunmehr unplausible Werte liefern.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 361 Entwicklung und Abbildung von Kostenkomponenten aus der Preisumrechnung in der Kostenverfolgung aus Sicht des Bauherren

Um dies zu illustrieren wird für ein und dasselbe Beispielprojekt gverkettet errechnet und im Anschluss dazu aufgezeigt, wie hoch die Fehlerquote liegen kann, wenn man mit Näherun- gen, die bisher zu plausiblen Ergebnissen geführt haben, arbeitet:

Die Grundlagen für die Preisgleitung stellen sich (vertraglich bedungen) wie folgt dar:

Leistungs- Indexkategorie Indexkategorie Quelle Kategorie gruppen- Leistungsgruppe Quelle Kategorie Lohn Lohn Sonstiges Sonstiges numme r Subindex Brückenbau LG 2 Subindex Brückenbau LG 2 02 Baustellengemeinkosten BBL2 BBS2 Lohn Sonstiges Vor-, Abtrags- und Subindex Brückenbau LG 3 Subindex Brückenbau LG 3 03 BBL3 BBS3 Erdarbeiten Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 5 Subindex Brückenbau LG 5 05 Gründungsarbeiten BBL5 BBS5 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 6 Subindex Brückenbau LG 6 06 Betonarbeiten BBL6 BBS6 Lohn Sonstiges Oberflächenschutz und Subindex Brückenbau LG 7 Subindex Brückenbau LG 7 07 BBL7 BBS7 Abdichtung von Beton Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 8 Subindex Brückenbau LG 8 08 Stahlbau BBL8 BBS8 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 10 Subindex Brückenbau LG 10 10 Brückenausrüstung BBL10 BBS10 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 21 Subindex Brückenbau LG 21 21 Sondergründungen BBL21 BBS21 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 98 Subindex Brückenbau LG 98 98 Regiearbeiten BBL98 BBS98 Lohn Sonstiges Abbildung 4: Beispielprojekt – Preisgleitgrundlagen

Aus den Positionen des Leistungsverzeichnisses ergeben sich die Preise je Preisanteil, in Summe ergeben sich 49.162.194,56 EUR als Gesamtpreis für das Beispielprojekt:

Leistungs- Indexkategorie Indexkategorie gruppen- Leistungsgruppe Quelle Kategorie Lohn Gesamtleistung Quelle Kategorie Sonstiges Gesamtleistung Lohn Sonstiges numme r Subindex Brückenbau LG 2 Subindex Brückenbau LG 2 02 Baustellengemeinkosten BBL02 2% 1.212.345,23 BBS02 3% 1.333.579,75 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 3 Subindex Brückenbau LG 3 03 Vor-, Abtrags- und Erdarbeiten BBL03 4% 2.136.585,22 BBS03 3% 1.709.268,18 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 5 Subindex Brückenbau LG 5 05 Gründungsarbeiten BBL05 6% 3.126.548,25 BBS05 7% 3.595.530,49 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 6 Subindex Brückenbau LG 6 06 Betonarbeiten BBL06 16% 8.025.055,33 BBS06 17% 8.426.308,10 Lohn Sonstiges Oberflächenschutz und Abdichtung Subindex Brückenbau LG 7 Subindex Brückenbau LG 7 07 BBL07 3% 1.235.456,10 BBS07 2% 1.111.910,49 von Beton Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 8 Subindex Brückenbau LG 8 08 Stahlbau BBL08 12% 5.954.562,61 BBS08 12% 5.656.834,48 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 10 Subindex Brückenbau LG 10 10 Brückenausrüstung BBL10 4% 1.958.454,00 BBS10 4% 1.723.439,52 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 21 Subindex Brückenbau LG 21 21 Sondergründungen BBL21 1% 502.154,10 BBS21 1% 504.162,72 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 98 Subindex Brückenbau LG 98 98 Regiearbeiten BBL98 2% 750.000,00 BBS98 0% 200.000,00 Lohn Sonstiges Summe 51% 24.901.160,84 49% 24.261.033,72 Abbildung 5: Beispielprojekt – Preise je Preisanteil

Zu einem Stichtag liegen die Abrechnungsdaten wie folgt vor (es sind zum Stichtag 18.540.150,85 EUR abgerechnet):

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Leistungs- Indexkategorie abgerechnete Indexkategorie abgerechnete gruppen- Leistungsgruppe Ux Quelle Kategorie Lohn Ux Quelle Kategorie Sonstiges Lohn Leistung Sonstiges Leistung numme r Subindex Brückenbau LG 2 Subindex Brückenbau LG 2 02 Baustellengemeinkosten BBL02 0,0% 10% 121.234,52 BBS02 0,0% 10% 133.357,98 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 3 Subindex Brückenbau LG 3 03 Vor-, Abtrags- und Erdarbeiten BBL03 8,1% 80% 1.709.268,18 BBS03 9,8% 80% 1.367.414,54 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 5 Subindex Brückenbau LG 5 05 Gründungsarbeiten BBL05 10,1% 75% 2.344.911,19 BBS05 8,8% 75% 2.696.647,87 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 6 Subindex Brückenbau LG 6 06 Betonarbeiten BBL06 9,8% 50% 4.012.527,67 BBS06 7,2% 50% 4.213.154,05 Lohn Sonstiges Oberflächenschutz und Abdichtung Subindex Brückenbau LG 7 Subindex Brückenbau LG 7 07 BBL07 3,1% 10% 123.545,61 BBS07 0,0% 10% 111.191,05 von Beton Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 8 Subindex Brückenbau LG 8 08 Stahlbau BBL08 0,0% 5% 297.728,13 BBS08 2,1% 5% 282.841,72 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 10 Subindex Brückenbau LG 10 10 Brückenausrüstung BBL10 2,1% 2% 39.169,08 BBS10 2,2% 2% 34.468,79 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 21 Subindex Brückenbau LG 21 21 Sondergründungen BBL21 9,2% 98% 492.111,02 BBS21 10,2% 98% 494.079,46 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 98 Subindex Brückenbau LG 98 98 Regiearbeiten BBL98 0,0% 7% 52.500,00 BBS98 0,0% 7% 14.000,00 Lohn Sonstiges Summe 9.192.995,39 9.347.155,46 Abbildung 6: Beispielprojekt – Abrechnungsstand zu einem Stichtag

Die Ermittlung von gverkettet, und somit in der Folge von GPrognose, gestaltet sich unter Zugrun- delegung der Mittelung über die künftigen Leistungswerte je Preisanteil wie folgt (die Summe der künftigen Leistungen liegt bei 30.622.043,71 EUR):

Leistungs- Indexkategorie künftige Indexkategorie künftige gruppen- Leistungsgruppe Ux Quelle Kategorie Lohn Ux Quelle Kategorie Sonstiges Lohn Leistung Sonstiges Leistung numme r Subindex Brückenbau LG 2 Subindex Brückenbau LG 2 02 Baustellengemeinkosten BBL02 0,0% 90% 1.091.110,71 BBS02 0,0% 90% 1.200.221,78 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 3 Subindex Brückenbau LG 3 03 Vor-, Abtrags- und Erdarbeiten BBL03 8,1% 20% 427.317,04 BBS03 9,8% 20% 341.853,64 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 5 Subindex Brückenbau LG 5 05 Gründungsarbeiten BBL05 10,1% 25% 781.637,06 BBS05 8,8% 25% 898.882,62 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 6 Subindex Brückenbau LG 6 06 Betonarbeiten BBL06 9,8% 50% 4.012.527,67 BBS06 7,2% 50% 4.213.154,05 Lohn Sonstiges Oberflächenschutz und Abdichtung Subindex Brückenbau LG 7 Subindex Brückenbau LG 7 07 BBL07 3,1% 90% 1.111.910,49 BBS07 0,0% 90% 1.000.719,44 von Beton Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 8 Subindex Brückenbau LG 8 08 Stahlbau BBL08 0,0% 95% 5.656.834,48 BBS08 2,1% 95% 5.373.992,76 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 10 Subindex Brückenbau LG 10 10 Brückenausrüstung BBL10 2,1% 98% 1.919.284,92 BBS10 2,2% 98% 1.688.970,73 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 21 Subindex Brückenbau LG 21 21 Sondergründungen BBL21 9,2% 2% 10.043,08 BBS21 10,2% 2% 10.083,25 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 98 Subindex Brückenbau LG 98 98 Regiearbeiten BBL98 0,0% 93% 697.500,00 BBS98 0,0% 93% 186.000,00 Lohn Sonstiges Summe 15.708.165,45 14.913.878,26

gv erkettet 3,75%

GPrognose 1.149.474,02

Abbildung 7: Beispielprojekt – Ermittlung GPrognose über künftige Leistungswerte je Preisanteil

Eine Ermittlung von gverkettet, und somit in der Folge von GPrognose gestaltet sich unter Zugrun- delegung einer Mittelung über die abgerechneten Leistungswerte je Preisanteil wie folgt:

Festschrift 40 Jahre Ibpm 363 Entwicklung und Abbildung von Kostenkomponenten aus der Preisumrechnung in der Kostenverfolgung aus Sicht des Bauherren

Leistungs- Indexkategorie Indexkategorie gruppen- Leistungsgruppe Ux Quelle Kategorie Lohn abgerechnet Ux Quelle Kategorie Sonstiges abgerechnet Lohn Sonstiges numme r Subindex Brückenbau LG 2 Subindex Brückenbau LG 2 02 Baustellengemeinkosten BBL02 0,0% 2% 121.234,52 BBS02 0,0% 3% 133.357,98 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 3 Subindex Brückenbau LG 3 03 Vor-, Abtrags- und Erdarbeiten BBL03 8,1% 4% 1.709.268,18 BBS03 9,8% 3% 1.367.414,54 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 5 Subindex Brückenbau LG 5 05 Gründungsarbeiten BBL05 10,1% 6% 2.344.911,19 BBS05 8,8% 7% 2.696.647,87 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 6 Subindex Brückenbau LG 6 06 Betonarbeiten BBL06 9,8% 16% 4.012.527,67 BBS06 7,2% 17% 4.213.154,05 Lohn Sonstiges Oberflächenschutz und Abdichtung Subindex Brückenbau LG 7 Subindex Brückenbau LG 7 07 BBL07 3,1% 3% 123.545,61 BBS07 0,0% 2% 111.191,05 von Beton Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 8 Subindex Brückenbau LG 8 08 Stahlbau BBL08 0,0% 12% 297.728,13 BBS08 2,1% 12% 282.841,72 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 10 Subindex Brückenbau LG 10 10 Brückenausrüstung BBL10 2,1% 4% 39.169,08 BBS10 2,2% 4% 34.468,79 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 21 Subindex Brückenbau LG 21 21 Sondergründungen BBL21 9,2% 1% 492.111,02 BBS21 10,2% 1% 494.079,46 Lohn Sonstiges Subindex Brückenbau LG 98 Subindex Brückenbau LG 98 98 Regiearbeiten BBL98 0,0% 2% 52.500,00 BBS98 0,0% 0% 14.000,00 Lohn Sonstiges Summe 9.192.995,39 9.347.155,46

gv erkettet 5,49%

GPrognose 1.681.563,48

Abbildung 8: Beispielprojekt – Ermittlung GPrognose über abgerechnete Leistungswerte je Preisanteil

Dieses Ergebnis bedeutet, dass – bezogen auf das Beispielprojekt – sich bei einem Leis- tungsstand von 37,7% (18,5 Mio EUR / 49,1 Mio EUR) bei näherungsweiser Berechnung der

Kostenkomponente Gleitung GPrognose ein Delta von ca 1,1% (0,532 Mio EUR / 49,162 Mio EUR) der Plankosten ergeben kann im Vergleich zur in diesem Beitrag angeführten Vorge- hensweise bei der Ermittlung der Kostenkomponente Gleitung G. Bei Projekten größeren Umfangs, wie es bei Großinfrastrukturprojekten der Fall ist, können Konstellationen eintre- ten, die dieses Delta zu einem erheblichen Betrag heranwachsen lassen können.

Diese Unterschiede ergeben sich in erster Linie dadurch, dass bei der bisher üblichen nähe- rungsweisen Berechnung des gemittelten Stichtag-Umrechnungsprozentsatzes auf die Ge- wichtung der erbrachten Leistungen je Preisanteil, oder auf die Gewichtung der Gesamtlei- tungen je Preisanteil abgestellt wurde – eine Vorgehensweise, die bei zwei Preisanteilen (Lohn und Sonstiges) durchaus eine Berechtigung hat, weil das Verhältnis von Lohn zu Sonstiges auch bei Projektfortschritt annähernd konstant bleibt.

Für die Ermittlung der in der – ab Stichtag – Zukunft liegenden, auf bis Stichtag bekannten

Indizes beruhenden Gleitung ist es jedoch notwendig gverkettet (entspricht dem gemittelten Stichtag-Umrechnungsprozentsatz) auf zukünftige Leistungen anzuwenden, und nicht etwa auf bereits erbrachte Leistungen oder auf die Gesamtleistung. Dies führt zu einer wesentlich genaueren Abschätzung der in der Zukunft liegenden, auf bis Stichtag bekannten Indizes beruhenden Gleitung, vor allem dann, wenn eine Vielzahl an Preisanteilen – bedingt durch die Neuerungen bei der LB-VI bzw bei den Kostenindizes in Österreich – in Verträgen für die Preisumrechnung vereinbart ist.

364 Festschrift 40 Jahre Ibpm Entwicklung und Abbildung von Kostenkomponenten aus der Preisumrechnung in der Kostenverfolgung aus Sicht des Bauherren

Bei der Preisumrechnung mit mehreren Preisanteilen ist nämlich nicht gewährleistet, dass die Preisanteile über den Projektfortschritt hinweg zueinander in ähnlichen Verhältnissen bestehen, somit annähernd konstant bleiben.

Beim Beispielprojekt geht das insbesondere beim Preisanteil Sondergründungen (LG21) hervor:

Bei der Ermittlung von gverkettet gehen bei der Mittelung über die erbrachten Leistungen bei- nahe die gesamt angefallenen Leistungen dieser Leistungsgruppe mit in die Berechnung ein, jedoch sind aus dieser Leistungsgruppe keine nennenswerten Leistungen mehr zu erwarten. Das bedeutet, dass in diesem Fall der entsprechende Stichtags-Umrechnungsprozentsatz dieser LG21 sehr stark mit einer hohen Gewichtung in die Berechnung eingeht und eine we- sentlich höhere Gesamtgleitung G produziert, als sie realistisch zu erwarten ist. Das Ergeb- nis wird dadurch verfälscht, weil in dieser Leistungsgruppe künftig keine Leistungen mehr zu erwarten sind. Für ein Gewichtung von gverkettet darf daher diese Leistungsgruppe keine we- sentliche Rolle mehr spielen.

5 Zusammenfassung

Im Sinne der Einrichtung einer geeigneten Basis für ein fundiertes Kostencontrolling ist es gerade bei Großprojekten im Infrastrukturbereich durch Neuerungen bei Standardleistungs- beschreibungen (insbesondere bei der LB-VI) und bei Kostenindizes notwendig, auch nicht unmittelbar im Vordergrund stehenden Kostenkomponenten die gehörige Aufmerksamkeit zu schenken.

Dieser Beitrag widmet sich einer dieser Kostenkomponenten, nämlich jener der Gleitung, die in der Gesamtbetrachtung der Plankosten eines Projektes einen nicht unerheblichen Anteil ausmachen kann. Er vermittelt einen Eindruck, welche Auswirkungen eine Vielzahl an Preis- anteilen in der Kostenverfolgung aus Sicht des Bauherren mit sich bringt, einerseits in der bürokratischen Abwicklung, andererseits in einer möglichen Fehlerquote, wenn man den oben beschriebenen Neuerungen bei Standardleistungsbeschreibungen und Indizes in der Kostenverfolgung keine Aufmerksamkeit schenkt, somit die Systematik in der Kostenverfol- gung aus Sicht des Bauherren nicht auf den Stand der Technik bringt.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 365 Entwicklung und Abbildung von Kostenkomponenten aus der Preisumrechnung in der Kostenverfolgung aus Sicht des Bauherren

Dipl.-Ing. Dr. Roland Haring, t.b.w. technik & bauwirtschaft ZT GmbH Dr. G.-H. Neckheimstraße 7 9560 Feldkirchen Zweigniederlassung Wien: Am Europlatz 2 1120 Wien

Dipl.-Ing. Andreas Jurecka, iC consulenten ZT GesmbH Schönbrunner Straße 297, 1120 Wien

6 Literaturverzeichnis

[1] Oberndorfer Wolfgang; Kostencontrolling von Infrastruktur-Großprojekten am Beispiel der österreichischen Eisenbahn-Hochleistungsstrecken (2002)

[2] Vavrovsky Georg-Michael; Kostencontrolling im Verkehrswegebau, Vortragsunterla- gen (2001)

[3] Mathoi Thomas in Oberndorfer, W. (Hrsg.): Organisation und Kostencontrolling von Bauprojekten, MANZ'sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung, Wien, (2007)

[4] ÖBB-Infrastruktur AG: Handbuch zur Kostenermittlung (2011)

[5] Hager Hubert, Pfanner Martin; Projektkostencontrolling in der ÖBB Infrastruktur Bau unter Anwendung der ÖGG Richtlinie "Kostenermittlung für Projekte der Verkehrsinf- rastruktur“, Felsbau, Rock and Soil Engineering, (2006)

366 Festschrift 40 Jahre Ibpm Technische Universität und Waagner-Biro

Technische Universität und Waagner-Biro

Karina Breitwieser (Uni.Lekorin Dipl.-Ing.)

Mit einer bald 200 jährigen Tradition – wie sie die Technische Universität Wien vorweist - kann es die Waagner-Biro nicht aufnehmen, aber auf über 150 Jahre Erfahrung im Stahlbau zurückzusehen ist auch eine respektable Leistung.

Inwieweit der Aufstieg Waagner-Biros zum Marktführer für Eisenkonstruktionen ohne die Nähe der ab 1872 ‚k&k Technischen Hochschule‘ möglich gewesen wäre – es müsste einmal historisch untersucht werden.

1924 - die erste geschweißte Brücke Europas in Weiz; 1933 die Reichsbrücke in Wien – da- mals die drittgrößte ‚Kettenbrücke‘ Europas – diese Meilensteine des Brückenbaus bargen, wie direkt auch immer, an der Technischen Universität Wien vermitteltes oder erforschtes Wissen.

Bis heute prägen immer wieder TU-Abgänger den Geist der Waagner-Biro - gestärkt in ihrem Selbstverständnis durch das profunde Fachwissen und einer breiten, über den technischen Horizont hinausreichenden Ausbildung, die es ihnen erlaubt, sich an die Grenzen der techni- schen Entwicklung und der Abwicklungsrisiken vorzuwagen.

Naturgemäß sind es vor allem Bauingenieure, die in der Stahl-Glas-Technik ein herausfor- derndes Umfeld finden: der Bereichsvorstand, Leiter Projektmanagement, Leiter Stahlbau und mehr als die Hälfte der Mitarbeiter der Statikabteilung haben ihren Abschluss an der TU gemacht.

Insbesondere mit dem Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement gibt es einen regen Austausch in ‚beide Richtungen‘: eine Waagner-Biro Mitarbeiterin vermittelt als Lekto- rin Praxiswissen an der TU und in Vorträgen und Firmenbesuchen präsentieren Waagner- Biro Mitarbeiter Studenten des Institutes ihre Umsetzungserfahrung und berichten von aus- geführten Projekten. Was wiederum Studentinnen und Studenten begeistert und zu deren Mitarbeit in der Waagner-Biro führt: ein sich gegenseitig befruchtender Kreislauf.

Es sind insbesondere gemeinsame Themen wie Abwicklungskompetenz in einem komplexen Umfeld, ein interdisziplinäre Ansatz in der Zusammenarbeit aller am Bau Beteiligter und die Internationalität, welche die Kooperation für beide Seiten interessant macht.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 367 Technische Universität und Waagner-Biro

Und dort, wo intensive Forschungsarbeit die Basis für das effiziente Umsetzen neuartiger Technologien bereitet, gibt es auch eine direkte Zusammenarbeit zwischen der

Waagner-Biro und der TU - so wie bei dem gemeinsamen Forschungsprojekt für Geometrie- entwicklung.

1 Stahl-Glas-Technik als innovativer Player in einer technischen Nische

Neben den im Trend der Zeit liegenden Eisenbrücken kam in den 30iger Jahren des letzten Jahrhunderts noch anderes Know-How in die Firma: Mit der Übernahme der Firma Ignaz Gridl konnte eine weitreichende Erfahrung mit Stahl-Glas Konstruktion in die Waagner-Biro geholt werden, welche Gridl u.a. beim Bau des Palmenhauses in Schönbrunn erworben hat- te.

Nach der neuartigen Anwendung von genieteten Walzeisenträgern statt Gusseisentragwer- ken durch die Fa. Gridl und deren Beitrag zur Umsetzung von ‚kurvilinearer‘ Formen im Ge- wächshausbau dauerte es noch fast hundert Jahre, bis sich die Waagner-Biro wieder mit komplexeren Stahl-Glas-Konstruktionen auseinandersetzte:

Im Zuge entsprechender Architekturtrends wurden erste, derartige Projekte wie das Olym- piadach in München gebaut. Wesentlich war jedoch die Zusammenarbeit mit Lord Norman Foster für die Reichstagskuppel in Berlin. Damit folgte 1999 die Gründung der Stahl-Glas- Technik (SGT), die sich von nun an mit herausfordernden Projekten aus Stahl und Glas aus- einandersetzen sollte.

Zu dieser Zeit waren Architekten in England in der Schaffung transparenter Räume aus Stahl und Glas führend. In weiterer Zusammenarbeit mit dem Büro Foster erwarb sich die SGT mit dem Projekt British Museum den Ruf, das traditionelle Stahlbau-Wissen mit den Erfordernis- sen des sich etablierenden Werkstoffes Glas so zu verbinden, dass die Transparenz und Leichtigkeit derartiger Konstruktionen optimiert werden konnte.

Dem Architekurtrend in ihrer Krümmung organisch wirkender Dächer folgend, entwickelte die SGT in den Folgejahren entsprechende Fachkompetenz für eine konstruktive Optimierung der Kombination beider Werkstoffe, deren logistische und technologische Umsetzung und - nicht zuletzt - die Expertise in der Geometrieentwicklung für Freiformhüllen.

368 Festschrift 40 Jahre Ibpm Technische Universität und Waagner-Biro

Speziell für diesen Bereich war die Zusammenarbeit mit der TU Wien der entscheidende Meilenstein, der zu dem damaligen Zeitpunkt einen Vorsprung zur Konkurrenz brachte.

2 Zusammenarbeit mit der TU im Bereich Geometrie- optimierung

In dem mehrjährigen Forschungsprojekt ‚Computing Multilayer Freeform Structures for Archi- tecture‘ wurde in einer intensiven Kooperation zwischen Universität und dem „Industriepart- ner“ eine prototypische Software entwickelt, welche das interaktive Design und die Optimie- rung von geometrischen Netzen für Freiformflächen ermöglicht.

Daran beteiligt waren von der TU Wien das Institut für diskrete Mathematik & Geometrie und das Institut für Architekturwissenschaften – Digitale Architektur und Planung. Von der TU Graz war das Institut für Geometrie beteiligt.

In einer multidisziplinären Zusammenarbeit zwischen Mathematik, Architektur, Konstruktion und Fertigungs-Know-how-Trägern gelang es die Verknüpfung zwischen Entwurf, Mathema- tik und Konstruktion so auszuloten, dass daraus ein digitales Werkzeug entstanden ist, das es erlaubt, die Randbedingungen einer kostenoptimierten Herstellung und Montage in den Entwurfsprozess miteinzubeziehen.

Entscheidend war dafür eine konsequente Auseinandersetzung mit den zugrunde liegenden Prinzipien der Geometrie, sodass ein konstruktiv logischer Ansatz entwickelt werden konnte, der die Entwurfsform bestmöglich abbildet ohne dabei die produktionstechnischen und logis- tischen Konsequenzen aus den Augen zu verlieren.

3 Freie Geometrien und eine offene Materialwahl

Eine Gebäudehülle, die aus einer Stabstruktur besteht, kann dabei immer nur eine Annähe- rung an die Entwurfsform sein. Um diese in der gebauten Dimension umsetzen zu können, ist eine Zerlegung der Flächen in diskrete Elemente – in einzelne Paneele, Scheiben - erfor- derlich.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 369 Technische Universität und Waagner-Biro

Islamisches Pavillon im Louvre‘ in Paris – Architekten bei der Entwicklung der Entwurfsgeometrie

Diese Grundnetze werden dann durch Analyse der erforderlichen Elemente zur Annäherung an die Entwurfsgeometrie, durch Glättung des Linienverlaufes über mehrere Knoten, durch Optimierung der Staborientierung und Knotenausbildung so überarbeitet, dass daraus bau- bare Einzelteile entstehen.

Dieser Optimierungsprozess von Freiformflächen hat zum Ziel, nach Möglichkeit doppelt ge- krümmte Einzelelemente zu vermeiden, die Anzahl der Elemente, die zur Approximation der Entwurfsgeometrie erforderlich sind, zu reduzieren und – soweit es die ästhetische Intention des Designs gestattet – Dreiecksnetze durch Vierecke zu ersetzen.

Weitere Prinzipien der Netzoptimierung sind die Verschiebung von Singularitäten (Bereiche, in denen sich die zusammentreffenden Elemente verdichten) in weniger sichtbare Bereiche oder die Anpassung der Höhenlage von Knotenpunkten, um einen eleganten Anschluss an die jeweilige Unterkonstruktion zu gestatten.

370 Festschrift 40 Jahre Ibpm Technische Universität und Waagner-Biro

‚Blob‘ in Eindhoven – in Zusammenarbeit mit Massimiliano Fuxas: Ausgangsnetz des Archi- tekten und das verbesserte gebaute Netz.

Das gebaute Objekt wird dann aus mehreren Lagen bestehen: zumeist einer stabförmigen Tragstruktur und einer Eindeckung durch Glas oder Paneelen. Die zuerst noch ‚flache‘ Geo- metrie des Netzes gewinnt damit eine (sich möglicherweise über die Dachausdehnung än- dernde) Höhendimension, die bestimmt wird durch die jeweiligen Achsen der Profile, Lage der Oberkanten der Profile relativ zu den raumbildenden Elementen, etc.

Beim Projekt ‚Islamischer Pavillon im Louv- re‘ wurde diese Komplexität noch erhöht durch eine Deckenuntersicht aus Streckme- tall und eine äußere Streckmetalllage, die sich wie ein ‚fliegender Teppich‘ über das wasserdichte Glasdach legt. Die geometri- sche Optimierung dieser ‚Offsets‘ war ent- scheidend für die Entwicklung von konstruk- tiven Details, welche die Erfordernissen der

Ästhetik und Funktionalität erfüllen und gleichzeitig ökonomische Faktoren berück- sichtigen.

Die beschriebenen Prinzipien der Geomtrieoptimerung sind grundsätzlich unabhängig von den eingesetzten Materialien. Zur Lastabtragung durch das Stabwerk kann Stahl genauso wie Holz eingesetzt werden. Als raumfüllende Elemente für die wasserdichte Hülle eigenen sich Glas-, Aluminium– oder Kunststoffpaneele. Als raumbildendes Element, das nur die Form widerspiegelt, finden sich zurzeit vorwiegend Streckmetalle oder Textilien - wir sind hier offen für alle diesbezüglichen, künftigen Architekturtrends!

Festschrift 40 Jahre Ibpm 371 Technische Universität und Waagner-Biro

Entscheidend ist in jedem Fall die Entwicklung von entsprechenden Knoten und Dichtungs- systemen, die den individuellen Projekterfordernissen entsprechen.

Für eine lösungsorientierte Designentwicklung derartiger Projekte ist das Zusammenspiel der Einzeldisziplinen der wesentliche Erfolgsfaktor: der Bauprozess ist dabei nicht in mehr oder weniger abgegrenzte Kompetenzbereich getrennt. Nach unserer Erfahrung sind Projekte mit komplexer Geometrie dann für alle Beteiligten am erfolgreichsten, wenn ein frühzeitiger In- formationsaustausch erfolgt und eine Einbindung des Know-hows aller Disziplinen in den Entwurfsprozess ‚rund um dem Architekten‘ sichergestellt wird.

Dipl.-Ing. Karina Breitwieser Waagner-Biro Stahlbau AG Leonard-Bernstein-Straße 10 1220 Wien

372 Festschrift 40 Jahre Ibpm Concrete Student Trophy

Concrete Student Trophy

Interdisziplinäres Teamwork als praxisorientierte Lernmöglichkeit

Stefan Faatz (Univ. Lektor seit 2012, Univ.Ass. 2006 bis 2011)

1 Der Wettbewerb

Die Concrete Student Trophy (CST) ist ein österreichweit ausgeschriebener Studentenwett- bewerb, der seit 2006 jährlich innovative Projekte auszeichnet. Dank der Initiative von Prof. Achammer und des Einsatzes der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie (VÖZ) entstand ein außergewöhnlicher Wettbewerb, der durch die hohe Qualität seiner Ergebnisse beeindruckt. Zentrales Ziel des Wettbewerbs ist es, interdisziplinäres Arbeiten zwischen Bau- ingenieurInnen und ArchitektInnen zu fördern und ein integrales Arbeiten bereits während der Ausbildung zu verankern. Die für einen Studentenwettbewerb sehr hohe Dotierung mit 12.000,- Euro wird durch das Sponsoring von Unternehmen der Beton- und Bauindustrie ermöglicht.

In einem 2 stufigen Wettbewerb werden von einer hochkarätigen und ebenfalls interdiszipli- när besetzten Expertenjury die Gewinnerteams, die aus mindestens einem(r) ArchitektIn und einem(r) BauingenieurIn bestehen müssen, ermittelt. Die Bewertungskriterien spannen dabei den Bogen von der architektonischen Idee und dem Gestaltungskonzept, über Nachhaltig- keitsaspekte bis hin zur technischen Innovation und dem materialgerechten Einsatz von Be- ton.

1.1 Bisherige Aufgabenstellungen

Die Aufgabenstellungen des Wettbewerbs wurden stets so ausgewählt, dass sie sowohl An- sprüche an die Gestaltung, als auch an die konstruktive Umsetzung stellen. Dabei wurde darauf geachtet, realistische Rahmenbedingungen zu schaffen. Bei sämtlichen bisherigen Themen handelte es sich daher um Aufgabenstellungen, die einen tatsächlichen Bedarf ha- ben und deren Umsetzung stets als mögliche Option in den Ausschreibungsunterlagen fixiert wurde. Um diesen Praxisbezug sicher zu stellen wurden die Themen vom VÖZ in enger Ko- operation mit entsprechenden Bauherren entwickelt (zB Stadt Wien, Asfinag, Gemeinden usw.). Seit 2006 wurden bereits folgende Themen behandelt:

Festschrift 40 Jahre Ibpm 373 Concrete Student Trophy

CST 2006: Café-Bar in Schwadorf

Der Zentrumsbereich der Gemeinde Schwadorf an der Fischa wurde nach großen Abbruch- maßnahmen einer umfassenden Neuordnung unterzogen. Dabei sollten die StudentInnen zwischen zwei Werkskanälen als „öffentlichen Kristallisationspunkt“ eine Bar / ein Café ent- werfen. Eine experimentell entwickelte Betonschale soll dabei über die Hüllfunktion für das Raumprogramm hinaus, städtebaulichen und ikonographischen Ansprüchen gerecht werden.

Abbildungen 1: Auswahl an Siegerprojekten der CST 2007

CST 2007: Brücke über den Wienfluss

Themenstellung 2007 war der Vorentwurf für eine barrierefreie Fußgänger- und Radbrücke über den Wienfluss, die gleichzeitig eine „Landmark der Wiener Westeinfahrt“ werden sollte.

Abbildungen 2: Auswahl an Siegerprojekten der CST 2007

Das Siegerprojekt der Concrete Trophy 2007 überzeugte die Stadt Wien derartig, dass sie sich entschloss, das Projekt zu realisieren. Die Brücke wurde unter Einbindung des Sieger- teams gebaut und 2010 eröffnet. Als tatsächlich umgesetzte Bauaufgabe steht sie heute für die Erfolgsgeschichte der Concrete Student Trophy.

Abbildungen 1.3: Abbildungen des Baus des Siegerprojekts der CST 2007

374 Festschrift 40 Jahre Ibpm Concrete Student Trophy

CST 2008: Autobahnraststätte im nachhaltigen Kontext

Die im Bau und in der Nutzung betrieblich und energetisch optimierte Betonkonstruktion ei- ner Raststätte, die einen hochrangigen Verkehrsweg (Autobahn) überbrücken sollte, stellte die zentrale Entwurfsaufgabe für die Concrete Student Trophy 2008 dar. Ziel war es dabei, die Baumaßnahmen im nachhaltigen Kontext umzusetzen.

Abbildungen 1.4: Auswahl an Siegerprojekten der CST 2008

CST 2009: Klappbare Fuß- und Radwegbrücke in Betonbauweise

2009 sollten die Studenten eine Fuß- und Radwegbrücke über den Mündungsbereich des Wienflusses planen. Da dies die einzige Schiffswendemöglichkeit im Donaukanal darstellt, war die besondere Herausforderung dabei die Öffnungsmöglichkeit der Brücke, um ein Um- kehren von Passagierschiffen zu ermöglichen.

Abbildungen 1.5: Auswahl an Siegerprojekten der CST 2009

CST 2010: Temporärer Aussichtsturm auf dem Campus der TU Graz

Im Rahmen des 200jährigen Bestehens der TU Graz wurde den StudentInnen die Aufgabe gestellt, eine temporäre und begehbare Aussichts-Struktur für den neuen Campus der Uni- versität zu entwickeln. Die Betonstruktur sollte dabei gleichzeitig die Örtlichkeit des Campus der TU Graz, seine urbane Entwicklung, die Ausbreitung der Infrastruktur, sowie die Raum- entwicklung für Innovation und Visionen vermitteln.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 375 Concrete Student Trophy

Abbildungen 1.6: Auswahl an Siegerprojekten der CST 2010

CST 2011: Schwimmfähiges multifunktionales Brückensystem

Die Aufgabenstellung 2011 wurde wieder in enger Kooperation mit der Stadt Wien erstellt und forderte von den StudentInnen ein schwimmfähiges, barrierefreies multifunktionales Brückensystem über die Neue Donau. Eine zusätzliche Herausforderung stellte dabei die Öffnungsmöglichkeit der Brücke im Hochwasserfall dar.

Abbildungen 1.7: Auswahl an Siegerprojekten der CST 20011

CST 2012: Barrierefreie, multifunktionale und wettkampfadäquate Sportstätte für Bas- ketball

2012 planen die StudentInnen eine barrierefreie Basketball-Wettkampfhalle für den renom- mierten Basketballclub der bk-Dukes in Klosterneuburg. Die Halle soll als attraktive Wett- kampfstätte die Austragung internationaler Spiele ermöglichen und durch seine Außenwir- kung den Standort Klosterneuburg entsprechend aufwerten.

2 Die Lehrveranstaltung

Parallel zum Wettbewerb entwickeln die StudentInnen im Rahmen einer Lehrveranstaltung an der TU Wien über ein Semester die jeweilige Aufgabenstellung. Die ArchitektInnen erhal- ten dabei ein Entwurfszeugnis, den BauingenieurInnen wird ein Zeugnis über die im Stu- dienplan geforderte interdisziplinäre Seminararbeit (ISA) ausgestellt. Das Besondere und Einmalige dabei ist das ebenfalls interdisziplinäre Betreuerteam, das sich aus den Professo- ren und AssistentInnen der folgenden drei Institute zusammensetzt:

x Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement, Forschungsbereich Industriebau und Interdisziplinäre Bauplanung

376 Festschrift 40 Jahre Ibpm Concrete Student Trophy

ƒ Univ.-Prof. Arch. Dipl.-Ing. Christoph M. Achammer

x Institut für Tragkonstruktionen, Forschungsbereich für Stahlbeton- und Massivbau

ƒ Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.-Ing. M.Eng Johann Kollegger

x Institut für Architektur und Entwerfen, Abteilung Hochbau 2 – Konstruktion und Entwer- fen

ƒ Univ.-Prof. Arch. Mag.arch. Gerhard Steixner

Daraus ergibt sich eine umfassende Betreuung, die den StudentInnen die einmalige Mög- lichkeit bietet, Erfahrungen auch jenseits Ihrer gewohnten Arbeitsfelder zu sammeln und sich durch die zahlreichen und vielseitigen Perspektiven inspirieren zu lassen.

Zur Beurteilung gibt es pro Semester vier fixe Meilensteine, zu denen die StudentInnen den Professoren aller 3 Institute ihre Projekte präsentieren. Dazwischen wird der interdisziplinäre Austausch durch zwei bis drei intensive Workshops gefördert. Auch sämtliche Korrekturen, die den StudentInnen während des Semesters zum freiwilligen Einholen von Feedback zur Verfügung stehen, werden stets von mindestens einem(r) AssistentIn der Architektur und der Bauingenieurfakultät gemeinsam abgehalten.

2.1 Statements der betreuenden AssistentInnen

Nachfolgend einige Eindrücke und Erfahrungen von betreuenden AssistentInnen der Concre- te Student Trophy:

Ein wesentlicher Beitrag für die Optimierung der konzeptuellen Performance des Werkstoffs Beton und des Entwurfsprozesses an sich, resultierend aus dem interdisziplinären Einsatz der Studierenden wie der Betreuer gleichermaßen.͒(Iva Kovacic, Industriebau) Die CST stellt für die StundetInnen eine der wenigen Möglichkeiten dar, die unterschiedliche Herangehensweise von ArchitektInnen und BauingenieurInnen zu einer interdisziplinären Aufgabenstellung kennen zu lernen. Es ist für mich immer wieder erstaunlich welch innovati- ve Entwürfe nach dem Ablegen der anfänglich durchaus vorhandenen Berührungsängste entstehen. (Anton Schweighofer, Betonbau)

Aus der Sicht des Betreuers ist es wichtig, den StudentInnen die Bedeutung von Teamwork und Kooperation in der Planung zu vermitteln. Zu Beginn weithin verbreitete Vorurteile, wie „Der/Die ArchitektIn macht alles kompliziert und teuer“ oder „Der/Die IngenieurIn hat keinen Sinn für Ästhetik“ verlieren mehr und mehr an Einfluss. Die ArchitektInnen lernen im Laufe

Festschrift 40 Jahre Ibpm 377 Concrete Student Trophy

des Prozesses immer mehr, den Einsatz von Konstruktion als Chance und nicht als Ein- schränkung von Kreativität zu sehen. Die IngenieurInnen bekommen Einblick in die Arbeits- weise des Architekten und entwickeln eine große Motivation, selbst mitzugestalten. (Christi- an Wittmeir, Hochbau 2)

Interdisziplinäres Teamwork fördert durch das gemeinsame Festlegen von Projektzielen und Arbeitsabläufen maßgeblich das Verständnis der StudentInnen für die psychosozialen Rah- menbedingungen realer fachübergreifender Entwurfsprozesse.(Stephan Rindler, Industrie- bau)

Im interdisziplinären Team - auf gleicher Augenhöhe - zu arbeiten ist nicht einfach und her- ausfordernd, nicht nur für die Studierenden auch für das Betreuerteam.Wenn dies gelingt, folgt Begeisterung!(Sandra Häuplik-Meusburger, Hochbau 2)

2.2 Statements der Studenten

Um auch die Perspektive der StudentInnen sichtbar zu machen, nachfolgend einige Kom- mentare und Erfahrungen von ehemaligen TeilnehmerInnen der Concrete Trophy Lehrver- anstaltung an der TU Wien:

Die Concrete Trophy war für mich die einzige Möglichkeit an der TU Wien, eine interdiszipli- näre Zusammenarbeit im Rahmen eines Projekt zu erleben. Neue Denk- und Sichtweisen kennen zu lernen war und ist für mich wichtiger Bestandteile meiner beruflichen wie auch persönlichen Entwicklung. Die Projektarbeit mit einem Bauingenieur, aber auch die persönli- che Betreuung aus verschiedenen Fachrichtungen im Rahmen der Concrete Trophy, hat meine Ausbildung an der TU Wien nachhaltig bereichert. (Gregor Fasching)

Sehr interessante Lehrveranstaltung. Die Korrekturen waren sehr hilfreich, weil immer Bau- ing. und Arch. anwesend waren - und dann oft auch spannende Diskussionen unter den Pro- fessoren stattfanden. Mehr von dieser Art würde dem Studium gut tun. (Roman Rath)

Eine perfekte und einzigartige Möglichkeit im Team an einem Entwurf zu arbeiten und sich gegenseitig mit Ideen und Fähigkeiten zu bereichern. Nur in einer Gruppe unterschiedlicher Einflüsse und mit der ständigen Unterstützung eines Bauingenieurs kann man einem Entwurf zur nötigen Qualität verhelfen. (Jürgen Schretzmayer)

Für mich war in erster Linie die Zusammenarbeit mit den Architekten interessant, die Heran- gehensweise ist doch in vielerlei Hinsicht unterschiedlich. Aber genau diese Unterschiede

378 Festschrift 40 Jahre Ibpm Concrete Student Trophy

sieht man auch in der Praxis, insofern ist die Trophy eine Möglichkeit frühzeitig den Fokus der anderen Disziplin zu verstehen und die Zusammenarbeit zu fördern. (Philipp Traxler)

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Gruppe an einer solchen Aufgabe scheitert, also nie zur Abgabe kommt, hängt zu 90% von menschlichen Aspekten ab und nur zu 10% von der Fachkenntnis der TeilnehmerInnen. Nichtsdestotrotz sind die Teilnahmen an solchen Wett- bewerben für mich die wertvollsten Erfahrungen, die ich als Bauingenieurstudent im Laufe meines Studiums machen kann. (Christoph Waltl)

3 Erfahrungen aus 6 jähriger Begleitung

Nach 6 jähriger Begleitung, sowohl der Lehrveranstaltung als auch des Wettbewerbs, möch- te ich anschließend einige Erfahrungen zusammenfassen, die sich in der Retrospektive als roter Faden erkennen lassen:

Die Schwierigkeit Bauingenieure zu finden

Eine stetige Herausforderung um die Lehrveranstaltung überhaupt umsetzen zu können ist die Tatsache, dass es äußerst schwierig ist BauingenieurstudentInnen zur Teilnahme zu motivieren. Die Initiativen seitens der Institute reichen von Plakaten über Email-Werbung, bis hin zur regelmäßigen Werbung in diversen Vorlesungen. Dieser Umstand ist auch der Grund dafür, dass ein Team in der Regel aus zwei ArchitektInnen und einem(r) IngenieurIn besteht. Im Durchschnitt wurden, dank entsprechender Marketinginitiativen, von jeweils ca 10 Teams Projekte entwickelt.

Die Gründe für diesen Umstand sind vielschichtig. Viele sind von dem Arbeitsaufwand und der Intensität der Lehrveranstaltung abgeschreckt. Eine weitere Rolle spielt sicher die große Ungewissheit, die mit der Teilnahme verbunden ist. Der Erfolg und die Freude am Arbeiten hängen maßgeblich von den sozialen Faktoren im Team ab und diese sind im vorhinein nicht abschätzbar. Der einfachere und voraussehbarere Weg ist natürlich eine ISA, die mit klar fixiertem Leistungskatalog alleine abzuarbeiten ist.

Unterschiedliche Sprachen und Denkweisen

Für mich ist es unglaublich, dass es StudentInnen nach einer gemeinsamen Grundausbil- dung bis zur Matura, binnen drei bis vier Jahren schaffen, derart unterschiedliche Sprachen und Denkweisen zu entwickeln, dass sie sich oft nicht mehr verständigen können. Die von mir beobachteten Herangehensweisen der Disziplinen an die Aufgabenstellung sind grund-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 379 Concrete Student Trophy

sätzlich unterschiedlich. Die IngenieurInnen nähern sich dem Problem in einem ersten Schritt durch eine Reduktion der Rahmenbedingungen auf die zentralen Parameter. Diese werden dann in einem linearen Prozess, der auf klaren Kausalitätsprinzipien beruht, abgestimmt. In weiterer Folge werden diese Grundannahmen verfeinert, optimiert und um weitere Aspekte ergänzt. Der von mir beobachtete Prozessverlauf der ArchitektInnen entspricht einem iterati- ven Ansatz. Mithilfe eines ersten Entwurfs wird die Erfüllung der Rahmenbedingungen über- prüft. Der Entwurf wird eine Zeitlang optimiert bis zu einer Schwelle, ab der auf Basis der Erfahrungen ein neuer Ansatz entwickelt wird. Bemerkbar werden diese Prozessunterschie- de zum Beispiel durch die wiederkehrenden Beschwerden der BauingenieurInnen, dass sie jetzt zum wiederholten Mal von vorne beginnen müssen.

Diese unterschiedlichen Herangehensweisen machen es in der Betreuung der Studentinnen erforderlich erhöhte Aufmerksamkeit auf die Prozessbegleitung zu legen. Es ist für den Lern- erfolg und für die Qualität der Projekte von zentraler Bedeutung, mit den StudentInnen ge- meinsam in einem Reflexionsprozess die eigenen Arbeitsprozesse sichtbar zu machen.

Ausschlaggebend für den Projekterfolg war stets, wie sehr es dem Team gelingt eine ge- meinsame Sprache zu entwickeln. Also abseits der eingelernten Professionslogik ein ge- meinsames Bild vom dem zu entwickeln, was das Besondere, das Beeindruckende an dem eigenen Entwurf ist. Ist so ein starkes gemeinsames Bild erst einmal vorhanden, ist es leicht, es entsprechend der jeweiligen Disziplin zu „übersetzen“.

Die Wichtigkeit sozialer Beziehung für den Projekterfolg

Ebenfalls erstaunlich ist der enorme Einfluss, den die soziale Beziehung auf den Projekter- folg hat. Die besten Ergebnisse kamen immer von jenen Teams, die sich auch privat gut ver- standen. Teams, die sich bereits vor der Lehrveranstaltung kannten, weil sie zum Beispiel dieselbe Schule besuchten, schnitten überdurchschnittlich gut ab.

Hohes Konfliktpotential

Wenn verschiedene Disziplinen und damit unterschiedliche Gedankenmodelle aufeinander treffen, dann entsteht ein erhöhtes Konfliktpotential. Dies lässt sich an den zahlreichen Kon- flikten ablesen, die es im Laufe der Lehrveranstaltung innerhalb der Teams gab. Während meiner Betreuerzeit habe ich in zahlreichen Konfliktgesprächen versucht, zwischen den Dis- ziplinen zu übersetzen und gegenseitiges Verstehen zu ermöglichen.

380 Festschrift 40 Jahre Ibpm Concrete Student Trophy

4 Resümee

In einer Welt, die geprägt ist von der Ausdifferenzierung von immer mehr unterschiedlichen Disziplinen und Spezialisierungen, ist ein Ansatz wie dieser eine hervorragende Vorbereitung auf das Berufsleben. Die Lernerfahrungen, die die teilnehmenden StudentInnen aus dieser Lehrveranstaltung mitnehmen, stellen eine enorme Bereicherung nicht nur der technischen, sondern vor allem der sozialen Kompetenzen dar. Genau diese sozialen Kompetenzen sind es, die dazu im Stande sind, das Dilemma zwischen Generalismus und Spezialisierung auf- zulösen. Während der/die Einzelne sich zunehmend spezialisiert, behält er/sie also über Netzwerke mit anderen SpezialistInnen unter Zuhilfenahme der sozialen Kompetenzen eine gemeinsame generelle Perspektive. Es bleibt zu hoffen, das Veranstaltungen wie diese es auch zukünftig schaffen, die fakultären Hürden der Bürokratie und der Administration zu überwinden, um so den StudentInnen und den BetreuerInnen die Möglichkeit zum intensiven Austausch und zu wechselseitigem Lernen zu ermöglichen.

Univ.-Lektor Dipl.-Ing. Stefan Faatz Karlsplatz 13/234-2 1040 Wien

Festschrift 40 Jahre Ibpm 381

Ein Golfplatz entsteht

Ein Golfplatz entsteht

Bauen unter technisch und rechtlich schwierigen Grundwasserbedingungen

Diamond Country Club, Atzenbrugg

Andrea Rathmanner (Univ.Ass. 2004-2007) Gottfried Schattovits Hubert Leibl

1 Die Voraussetzungen

1.1 Die Idee

Im südlichen Tullnerfeld im Gemeindegebiet von Zwentendorf (KG Dürnrohr) und Atzenbrugg (KG Moosbierbaum und KG Trasdorf) entstand im Jahr 2000 auf einem ehemaligen Indust- rieareal ein Golf- und Freizeitpark. Nach der Neuübernahme im Jahr 2011 wurde die Anlage vollständig umgebaut und erweitert. Die reizvolle Gestaltung mit zahlreichen zum Teil groß- formatigen offenen Wasserflächen entstammt u. A. der Feder des bekannten Golfplatzarchi- tekten Jeremy Pern. Bei der Konzeptfindung für diesen Platz lag der Schwerpunkt neben den golftechnischen Aspekten auf einem funktionierenden Ökosystem. Jeremy Pern hat die An- lage perfekt in die bestehende Landschaft eingeschmiegt, als wäre sie schon immer ein Teil derselben gewesen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 383 Ein Golfplatz entsteht

Bild 1: Golfplatz Diamond Country Club Atzenbrugg

Was lag näher, als im Grundwasserschongebiet mit extrem hohen Wasserspiegellagen diese in das Konzept zu integrieren und die Gestaltung mit entsprechender Vegetation zu unter- mauern? Zu Beginn war die Anlage von zwei Teichen vorgesehen, wobei der kleinere Teich 1 ca 6.200m² und Teich 2 ca 82.500m² umfasste. Mittlerweile wurde die Anlage um zahlrei- che kleine Wasserflächen in der Form von Biotopen oder Folienteichen erweitert. Die gesam- te Golfplatzanlage erstreckt sich über ca 96 ha. Davon sind zum Zeitpunkt der Teichherstel- lung

x 8,90 ha Wasserflächen x 1,41 ha Tees (Abschlagflächen), x 1,64 ha Greens x 50 ha Fairways (Spielbahnen) und Semi Rough (Übergang Spielbahn zu nicht bespielten Flächen) sowie x 34 ha Roughs (nicht bespielte Flächen, Zwischenflächen).

384 Festschrift 40 Jahre Ibpm Ein Golfplatz entsteht

Bild 2: Wasserflächen als Gestaltungselemente

Die Anlage der beiden Teichanlagen mit ca 8,90 ha in einem sensiblen Grundwassergebiet stellte eine planerische Herausforderung dar. Gemäß dem wasserwirtschaftlichen Konzept zur Sand- und Kiesgewinnung im Tullnerfeld (1) ist das Grundwasservorkommen Tullnerfeld nach der Mitterndorfer Senke das zweitwichtigste Vorkommen Niederösterreichs. Es beste- hen dort zahlreiche Wasserversorgungsanlagen mit lokaler, regionaler und überregionaler Bedeutung im Gesamtausmaß von über 2.500 l/s. Aus diesem Grunde hat in der Region der Grundwasserschutz zentrale Bedeutung.

Aufgrund der vorhandenen Trinkwasserversorgungsanlagen im Grundwasser-Abstrom- bereich des Golfplatzes war die erforderliche Grundwasserfreilegung vom Gesamtgrundwas- serkörper durch umfangreiche Baumaßnahmen zu trennen. Diese Abgrenzung wurde durch eine Dichtwandumschließung der Teichbereiche geschaffen, somit konnte eine qualitative Beeinträchtigung des Grundwassergebietes durch die Nassbaggerungen ausgeschlossen werden. Die beiden Teiche werden als Wasserreservoir für die Golfplatzbewässerung heran- gezogen, wobei von einer maximalen Entnahme von ca 60l/s auszugehen ist.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 385 Ein Golfplatz entsteht

Am südwestlichen Eck des Areals befinden sich das Klubgebäude sowie Parkflächen. Der- zeit wird das Gelände durch einen Hotelbau erweitert. Das neue Gebäude erfordert aufgrund der Lage innerhalb des HW100-Gefährdungsbereiches eine Auflandung.

Die projektierten Teiche sind wesentlicher Teil des Golfplatzes: Von der Driving Range wur- de nach dem Erstkonzept direkt ins Wasser abgeschlagen, mehrere Bahnen beginnen oder enden in den zahlreichen Buchten des Teiches, bzw sind öfters Teichhindernisse zu über- winden.

Die Bewässerung der Rasenflächen erfolgt über eine zentrale Bewässerungsanlage. Um den Wasserspiegel der Teiche konstant zu halten, wurde eine Wasserhaltung zur laufenden Nachspeisung des Teiches aus einem bestehenden und einem neu hergestellten Brunnen vorgesehen. Das Wasser wird dem Teich 2 entnommen und bei Absinken des Wasserspie- gels aus dem Brunnen in Teich 1 nachdotiert. Die beiden Teiche sind miteinander baulich verbunden.

1.2 Geologie

Gemäß Auszug aus dem hydrogeologischen Gutachten von Herrn Ziviltechniker Dr. J. Meyer liegt das Gelände im südlichen Tullnerfeld, etwa 1,8 km südlich der Donau. Geologisch ge- sehen erstreckt sich das Areal über Auen des jüngeren Anteiles des heutigen Talbodens. Es handelt sich dabei um lehmig-sandig-schotterige Ablagerungen der Donau und des Per- schlingbaches postglazialen bis jungpleistozänen Alters. Die Mächtigkeit dieser jüngsten Lockergesteinsablagerung beträgt im Mittel ca 10 m. Etwa 1 km südlich des Geländes, un- mittelbar südlich des Ortsgebietes von Moosbierbaum, erstrecken sich die höheren und älte- ren Fluren. Im Liegenden stehen Tone, Tonmergel sowie Sande (Schlier) tertiären Alters an. Diese Schichten bilden auch den Grundwasserstauer für den obersten Horizont. Die Höhen- lage des Stauers wird gemäß (2) etwa bei 175 m ü. A. angenommen. Zusammen gefasst kann festgehalten werden, dass sich das Golfplatzareal innerhalb der quartären Donauschot- ter des südlichen Tullnerfeldes befindet, welche einen bedeutsamen zusammenhängenden Lockersedimentkörper darstellen.

1.3 Hydrologie

Der Grundwasserspiegel im Tullnerfeld unterliegt sehr starken Schwankungen. Während in manchen Jahren der Grundwasserspiegel deutlich absinkt und Brunnen zeitweise trocken fallen, gibt es ebenso Jahre mit Überschwemmungen. In den letzten 15 Jahren betrug die

386 Festschrift 40 Jahre Ibpm Ein Golfplatz entsteht

Schwankungsbreite bis zu 2,5 m. Grundsätzlich ist im Tullnerfeld der Grundwasserspiegel knapp unter der Geländeoberkante, wodurch sich Schwankungen naturgemäß sehr stark bemerkbar machen. Der erwähnte Lockersedimentkörper ist als wesentliches Grundwasser- reservoir anzusehen, in welchem rund 800 – 1.000 l/s Grundwasser bezogen auf das ge- samte südliche Tullnerfeld durchgesetzt werden. Die Grundwasserströmungsrichtung ver- läuft gemäß (3) bei Mittelgrundwasser (MGW) in etwa von Südsüdwest nach Nordnordost. Das Grundwasserspiegelgefälle beträgt etwa 1-3 ‰. Die Grundwassermächtigkeit wird etwa mit 6-8m bei einem Flurabstand von 1,5 m (HGW) bis 4,5 m (NGW) angegeben. Der maß- gebliche HGW liegt in der Mitte des Geländes etwa bei 182,5 m ü. A. Diese Angaben stam- men aus einem Gutachten des Amtes der NÖ Landesregierung, Hydrologie (3), welches für die nördlich gelegene Liegenschaft (Kraftwerk Dürnrohr) erstellt wurde. Das Gelände liegt zwischen 182,0 und 184,0 m.ü.A..

1.4 Rechtslage

Um ein solches Projekt zu verwirklichen bedarf es umfangreicher Abstimmung mit den zu- ständigen Behörden. Das Areal des geplanten Golfplatzes sowie die nördlich bzw nordöstlich anschließenden Gebiete waren seit 1916 als Industriegebiet genutzt. Verschiedene chemi- sche Produktionsstätten und eine Erdölraffinerie waren auf dem Gelände situiert. Das Areal gilt als Verdachtsfläche und wurde in (2) einer ergänzenden Untersuchung gemäß §13 ALSAG unterzogen. Im Bereich der geplanten Teiche konnten keine Kontaminationen und Ablagerungen festgestellt werden.

Eine Beweissicherung hinsichtlich der Grundwasserströmungen wurde durch Grundwasser- beobachtung oberhalb und unterhalb des Golfplatzareals aus neu hergestellten Beobach- tungssonden vorgesehen. Die aufgezeichneten Daten werden jährlich zu einer Wasserbilanz zusammengefasst und den Behörden übermittelt.

2 Teichherstellung und Wasserbewirtschaftung

2.1 Dichtwandumschließung

Um das Gefahrenpotential für den Grundwasserkörper, welches von einer Grundwasserfrei- legung ausgeht, zu minimieren, wurde eine Umschließung der beiden Teiche mittels einer Dichtwand vorgesehen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 387 Ein Golfplatz entsteht

Bild 3: Herstellung einer Dichtwand

Grundsätzlich wurde die Dichtwand mindestens 0,5m in den Stauer eingebunden und reicht bis über HGW (ca 183,0 m.ü.A.). Die Durchlässigkeit der Dichtwand wurde mit 10-7 m/s vor- gegeben. Die Dicke wurde im anstehenden Material mit mindestens ca 10 cm angenommen, damit ergibt sich der Durchlässigkeitsbeiwert des Dichtwandmaterials mit ca 10-8 m/s. Bei einem Durchlässigkeitsbeiwert der umgebenden Schotterschichte von 5*10-3 m/s entspricht das einer Strömungsverlangsamung um das 50.000-fache in der Dichtwand.

388 Festschrift 40 Jahre Ibpm Ein Golfplatz entsteht

Bild 4: Oberfläche nach Herstellung der Dichtwand

Die Wand hat im Endzustand eine Gesamtlänge von 2.150 m bei einer mittleren Tiefe von 8,5 m, zuzüglich der Einbindung in den Stauer. Dies ergibt eine durchströmungswirksame Gesamtfläche bei HGW von 18.275 m².

Die umschlossene Fläche hat eine Längserstreckung in Grundwasserströmungsrichtung von ca 900m. Bei einem Grundwasserspiegelgefälle von 1-3 ‰ beträgt der Unterschied zwischen Grundwasserspiegel an der angeströmten Seite und der Abstromseite bis zu 2,7m. Nachdem der Teich bei der mittleren Wasserpiegelkote „ausspiegelt“, beträgt der anstehende Gradient maximal 1,35 m verlaufend auf 0 m im An- und auch im Abstrombereich. Damit ist der Zu- und Abfluß durch Leckmengen zum und vom umschlossenen Grundwasserkörper theore- tisch gleich groß. Rechnerisch ergibt sich die Durchströmung mit 0,53 l/s bzw 45 m³/d. Die Unterströmung der Dichtwand wurde aufgrund des geringen Gradienten vernachlässigt.

Der Herstellung der Schmalwandumschließung erfolgte aus Kapazitätsgründen in 2 Bauab- schnitten. Die Hälfte des geplanten Teichareals wurde umschlossen und danach mit den Baggerungen begonnen. Im Anschluss wurde die zweite Kammer hergestellt. Im Baufort-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 389 Ein Golfplatz entsteht

schritt kam es zu keiner Zeit zu einer unkontrollierten Strömung von „innerhalb der Teiche“ nach außen. Die Nassbaggerungen erfolgten immer unter abgesenktem Wasserspiegel, so- mit strömte Wasser von außen nach innen und nie umgekehrt. Der Erhalt der Grundwasser- qualität und das Vermeiden von Einträgen ins Grundwasser über freiliegende Wasserflächen waren bei diesem Projekt die obersten Prioritäten. Durch die Dichtwandumschließung stellt die Grundwasserfreilegung keine qualitative Gefährdung für den Grundwasserkörper des Tullnerfeldes dar.

2.2 Profilierung des Golfplatzes

Die „Profilierung“ des Golfplatzes – die höhenmäßige Gestaltung - erfolgte derart, dass keine optischen Einschnitte im Gesamtbild entstanden. Im Gegenteil, das Areal passt sich in seiner Gestaltung möglichst dem umliegenden Landschaftsbild an. Optisch reizvolle Elemente wur- den in verdichteter Form abgebildet und durch die sorgfältige Pflege entsteht der Eindruck einer ansprechenden Landschaft, die dennoch durch ihre Natürlichkeit besticht. Der anste- hende Humus wurde für die Bauarbeiten zunächst beiseite geschoben, danach erfolgte die Profilierung, sodann wurde der Humus im Bereich der Roughs, Semi-Roughs und Fairways wieder angedeckt.

Für die Profilierung wurde mit Ausnahme kleiner Mengen von Spezialsubstraten für die Be- grünung der Greens und Tees kein Fremdmaterial zugeführt. Die nach den Berechnungen von Jeremy Pern benötigten 150.000 m³ Profilierungsmaterial konnten durch den Aushub der Grundwasserteiche abgedeckt werden. Der tiefste Punkt liegt 1 m unter dem umgebenden Gelände, die höchste Erhebung ragt etwa 4 m darüber hinaus.

2.3 Teichgestaltung

Die Anlage und Form der Teiche orientiert sich in erster Linie an ästhetischen und ökologi- schen Gesichtspunkten. Über die gesamte Uferlänge wurden Flachwasserzonen mit Tiefen bis ca 0,5 m vorgesehen. Die Uferlinie verläuft Großteils gewunden mit zahlreichen Buchten und Uferbänken. Die Böschungen in größeren Tiefen wurden je nach Material mit 1:1,5 – 1:2,5 ausgeführt. Die Teiche wurden bis zum Stauer (vermutete Lage: ca 175 m ü. A.) aus- gehoben, um größtmögliche ökologische Stabilität gewährleisten zu können. Der kleinere Teich (Teich 1) ist darüber hinaus als Badeteich für die Golfplatzbesucher (bzw Mitglieder) vorgesehen. Der größere Teich (Teich 2) dient als Landschaftsteich und Wasserreservoir für die Bewässerung. Die Speisung der Teiche erfolgt aus dem Brunnen über ein naturnahes Gerinne mit ca 40 m Länge mit mehreren Abstürzen, um eine Verbesserung der Wasser-

390 Festschrift 40 Jahre Ibpm Ein Golfplatz entsteht

qualität durch Sauerstoffeintrag und Eliminierung des erhöhten Eisengehaltes zu erreichen. Beide Teiche sind grundsätzlich als Landschaftsteiche bzw Bereicherung des Landschafts- bildes am Golfplatz vorgesehen. Dementsprechend und aus Sicherheitsgründen erfolgt auch die Ufergestaltung mit weitläufigen Flachwasserzonen und entsprechender Bepflanzung. Ein Besatz mit Fischen bzw Fischereinutzung ist behördlich nicht erlaubt.

Behördlich vorgeschrieben sind die Überwachung der Wasserentnahme aus dem Grund- wasser sowie die Qualität des Grundwassers und des Teichwassers. Realisiert wird diese Bilanz durch Wasserzähler und Berechnungen, die die jährliche Bewässerung, die Verduns- tung und die Nachspeisung gegenüberstellt. Diese Wasserbilanz muss den wasserrechtlich eingereichten Konsensmengen entsprechen.

2.4 Eutrophierung

Der größere Teich (Teich 2) weist eine Fläche von 8,2 ha bei einer Wassertiefe von mindes- tens 6,5 m auf. Dies ergibt ein Wasservolumen im Bereich von 420.000 m³. Ein Teich in die- ser Größenordnung ist gemäß den bisherigen Erfahrungen als dauerhaft stabil einzustufen, wenn folgende Bedingungen eingehalten werden:

x kein über das natürliche Maß hinausgehender Nährstoffeintrag x keine intensive Nutzung (Badesee, Fischerei, Wasservögel etc) x Flachwasserzonen zur Bereicherung der Biozönose im Teich bzw Stärkung der ökolo- gischen Funktionsfähigkeit.

Wasseraustausch wirkt sich grundsätzlich positiv auf die Nährstoffbilanz aus.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 391 Ein Golfplatz entsteht

Bild 5: Betrachtung des Teichprofils im Zuge der Teicherstbefüllung

Quellen für Nährstoffeintrag sind üblicherweise Landwirtschaft bzw Gartenbau (Düngemittel), belastetes Grundwasser, Luft und Niederschlag. Im unmittelbaren Umfeld des Golfplatzes sind kaum landwirtschaftlich genutzte Flächen vorhanden, die eingesetzten Düngemengen sind somit um ein Vielfaches geringer als in landwirtschaftlich genutzten Gebieten. Eine großräumige Windverfrachtung wird durch die Baum- bzw Waldbestände auf dem Golfplatz minimiert. Durch die Bewässerung der umliegenden Grünflächen erfolgt eine Entnahme in der Größenordnung von ca 110.000 m³/J, was einen Wasseraustausch alle 4 - 5 Jahre be- wirkt. Zusätzlich erfolgt ein Wasserwechsel aufgrund der Durchströmung der Wand. Eine rasche Eutrophierung des Teiches ist demnach nicht zu erwarten, Messungen zeigen Ge- wässergüteklasse II. Würde es dennoch zu einer Eutrophierung des Teiches kommen, wäre eine Gefährdung des Grundwassers durch die Schutzwirkung der Dichtwand auszuschlie- ßen. Eine übermäßige Eutrophierung wäre ein lokales und rein betriebliches Problem für den Golfplatzbetreiber.

392 Festschrift 40 Jahre Ibpm Ein Golfplatz entsteht

2.5 Bewässerung der Anlage und Wassermengen

Die intensiv genutzten Rasenflächen des Golfplatzes müssen laufend in optimalem Zustand gehalten werden. Die täglichen Bewässerungsgaben sind von Temperatur, Niederschlag, Bodenverhältnissen, Exposition der einzelnen Flächen und Flächen- bzw Rasen Typ abhän- gig. Der Golfplatzbetreiber hat Interesse daran, sparsam Wasser aufzubringen, da die Be- wässerung einen erheblichen Betriebskostenfaktor darstellt. Idealerweise gelangt kein Was- ser in das Substrat unterhalb des Wurzelraumes, wobei diese Optimierung erst im Betrieb erfolgen kann. Die in der nachstehenden Tabelle getroffenen Annahmen für die Bewässe- rungsmengen sind Erfahrungswerte des Golfplatzarchitekten Jeremy Pern bzw aus einem Vergleich von 65 europäischen Golfplätzen. Bewässert werden ausschließlich Greens, Tees und Fairways, wobei Fairways nur in der ariden Periode (Juni – August) bewässert werden. Für den gegenständlichen Golfplatz wurde folgender Wasserbedarf ermittelt:

Flächentyp Max. Bewässerung Fläche Max. Tagesmenge

[-] [mm/d] [m²] [m³/d]

Greens 6 17.200 102

Tees 5 14.500 73

Fairways 4 370.000 1.480

Summe ----- 401.700 1.655

Tabelle 1: Täglicher Wasserbedarf

Der maximale Tagesbedarf von 1.655 m³/d ergibt, abgemindert um den Faktor 0,75, den mittleren Tagesbedarf von ca 1.240 m³/d. Diese Wassermenge muss über Nacht in einem Zeitraum von 8 bis maximal 10 Stunden aufgebracht werden, konkret zwischen 22:00 und 6:00, da in der verbleibenden Zeit wegen Öffnung oder Rasenpflege nicht bewässert werden kann. Dies ergibt eine maximale Sekundenmenge von 57,5 l/s für den Bewässerungsfall.

Tabelle 2 enthält eine Aufstellung zur Ermittlung der maximalen Jahresmenge. Es werden Bewässerungstage pro Monat angegeben, wobei im Frühling und Herbst aufgrund der gerin- geren Evapotranspiration ein Abminderungsfaktor von 0,75 angewendet wird.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 393 Ein Golfplatz entsteht

Anzahl Abminderungs- Monats- Monat Bewässerungstage faktor summe [-] [-] [-] [m³/Monat]

April 5 0,75 4.650

Mai 10 0,75 9.300

Juni 15 1 18.600

Juli 25 1 31.000

August 25 1 31.000

September 15 0,75 13.950

Oktober 5 0,75 4.650

Summe 100 ----- 113.150

Tabelle 2: Monats- und Jahressummen

Die Jahresentnahmemenge wird gemäß Tabelle 2 mit etwa 113.150 m³/Jahr errechnet. In den Monaten von November bis Februar erfolgt keine Bewässerung und somit ist auch keine Wasserentnahme für die Teichspeisung erforderlich. Umgelegt auf die Gesamtfläche des Golfareals, einschließlich der Wasserflächen und nichtbewässerten Flächen (96 ha) ergibt sich daraus eine maximale Bewässerungsmenge von 118 mm/Jahr.

Diese Wassermenge wird dem Teich 2 mit einer Pumpenleistung von ca 160 kW entnom- - Druckrohrsystem in den Druckstufen 10 bar und 6 bar. Die Regnerdüsen werden mit einem Arbeitsdruck von 5 bar beaufschlagt. Die Nachspeisung über den Brunnen erfolgt gleichmä- ßig über 24 Stunden, um die Sekundenmenge gering zu halten. Der Teichwasserspiegel soll über das Jahr konstant gehalten werden, bzw darf die Wasserspiegelschwankung gemäß wasserrechtlichem Bescheid +/- 0,25 m betragen. Aus diesem Grund kann die Nachspeisung nicht gleichmäßig über das ganze Jahr erfolgen, sondern muss an die Bewässerungsperiode angepasst werden. Bei einer Nachspeisung von max. 15 l/s bleibt der Teichspiegel im be- hördlich vorgeschriebenen Schwankungsbereich.

Gemäß (4) beträgt die Verdunstung von freien Wasserflächen im Sommerhalbjahr (April – Oktober) durchschnittlich 650 mm. Stellt man diesem Wert den in diesem Zeitraum durch- schnittlichen Niederschlag von ca 450 mm entgegen, so verbleiben rund 200 mm Verduns- tungsverlust. Dies entspricht einer Wassermenge von 88,9 ha * 0,2 m = 17.800 m³.

394 Festschrift 40 Jahre Ibpm Ein Golfplatz entsteht

2.6 Notüberlauf in die Perschling

Seit dem Jahr 2000 wurde insgesamt viermal ein Anstieg des Grundwasserspiegels bis über die Dichtwandoberkante von 182,4 m.ü.A. verzeichnet, was wiederum zu einem unkontrol- lierbaren Anstieg des Teichwasserspiegels und damit zu einem Wasseraustausch zwischen Teich und dem umgebenden Grundwasserkörper führte. Teilweise hielt dieser Zustand Wo- chen und Monate an. Die hohen Grundwasserstände im Frühsommer 2010 von bis zu 183,30 m.ü.A. waren die bisher höchsten in der 12-jährigen Geschichte des Golfplatzes. Als Sofortmaßnahme wurde damals aus dem Golfplatzteich mit einer mobilen Pumpe Wasser im Ausmaß von max. 450 m3/h abgepumpt und über eine provisorisch verlegte Rohrleitung DN 300 in das ca 1 km vom Teich entfernt gelegene Fließgewässer Perschling abgeleitet. Damit wurde einerseits der Teichwasserspiegel abgesenkt, andererseits konnte aufgrund der gro- ßen Ausdehnung des Teiches auch eine regionale Absenkung des Grundwasserspiegels und damit eine Entlastung der überfluteten Keller in der Nachbarschaft bewirkt werden. Zwi- schenzeitlich hat die Wasserrechtsbehörde die Maßnahme dauerhaft genehmigt. Somit ist es zukünftig möglich, den Teichwasserspiegel in beide Richtungen gezielt zu bewirtschaften.

3 Die Auflandung

3.1 Ein Golfhotel in Gefahrenzone Gelb

Laut dem Gefahrenzonenplan für die Perschling vom September 2002, welcher im Auftrag der Niederösterreichischen Landesregierung erstellt wurde, liegt das Golfplatzareal in der Gefahrenzone Gelb der Perschling. Seitens des Grundstückspächters, der GAM Golfanlagen Management GmbH, besteht das Interesse, die beiden betroffenen Grundstücke hochwas- sersicher zu machen, um die Grundlage zur späteren Umwidmung der Grundstücke in Bau- land zu schaffen, was durch eine Auflandung der Grundstücke bewerkstelligt werden soll. 2012 wurde die Bewilligung zur Durchführung der nachfolgend beschriebenen Auflandung zur Erlangung der Hochwassersicherheit für ein Dammbruchszenario an der Perschling bei einem hundertjährlichen Hochwasserereignis „HQ100“ erwirkt. Auf den beiden Grundstücken wird ein Golfhotel mit Parkplatz und Erholungsbereich errichtet werden. Die Notwendigkeit zur Auflandung der gesamten Fläche liegt in dem Ansinnen begründet den Parkplatz mög- lichst niveaugleich direkt im Anschluss an die Zufahrtsstraße zum Golfplatz anzuordnen. Das Golfhotel selbst würde direkt an den Parkplatz anschließen. Im südlichen Bereich des Grundstücks werden Anlagen des Erholungsbereichs angeordnet, welche aufgrund ihrer Beschaffenheit ebenfalls hochwassersicher auszuführen sind.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 395 Ein Golfplatz entsteht

3.2 Technische Maßnahmen

Im technischen Bericht „PERSCHLING – GEFAHRENZONENPLAN ATZENBRUGG“ Kapitel 10.1 „Marktgemeinde Atzenbrugg“ wird die Situation folgendermaßen geschildert (Auszug, gekürzt):

„Die KG Moosbierbaum ist durch den Bruch des linken Uferdammes bei Profil Nr. 6 gefähr- det. Ein Dammbruch in jenem Bereich würde auch die Flächen unmittelbar unterhalb der ÖBB Trasse gefährden, welche deshalb als Gefahrenzone Gelb ausgewiesen sind, auch wenn die Geländehöhen über dem maximalen Polderwasserspiegel von 184,60mü.A. zu liegen kommen. Im Gelände des Bahnhofes Moosbierbaum - Heiligeneich senkt sich die Eisenbahntrasse ab. Als Ergebnis einer Detailvermessung der Höhenlage des Eisenbahn- dammes wurde festgestellt, dass dieser bei einem Polderwasserspiegel von 184,60mü.A. nicht überströmt wird.

In der Gefahrenzone Gelb kommen hier ca 30 Objekte zu liegen. Zum Teil wurden Objekte auf Anschüttungen errichtet und ragen über den Polderwasserspiegel heraus.“

Ausgehend von der dem Gefahrenzonenplan zugrundeliegenden Luftbildauswertung auf Basis von Luftbildern vor der Errichtung des Golfplatzes wurde das ursprüngliche Retenti- onsvolumen des jetzigen Golfplatzbereichs vor Errichtung des Golfplatzes anhand eines von uns neu erstellten digitalen Geländemodells mit rund 193.000 m3 ermittelt.

Dieses Retentionsvolumen im Polder Moosbierbaum wurde in der Zwischenzeit durch die Errichtung des Golfplatzes und den damit verbundenen Bodenaushub um 295.000 m3 ver- größert. Diesem Plus steht nunmehr die Reduktion des Retentionsvolumens durch die ge- genständliche Auflandung im Ausmaß von 19.050 m3 entgegen.

Die betroffene Fläche zur Hotelerrichtung soll auf ein Niveau von 0,2 m über dem maximalen Polderwasserspiegel aufgehöht werden, was einer Höhe von 184,8 m ü. A. entspricht. Dies soll durch eine Anschüttung erreicht werden, welche mit einer Böschungsneigung von 2:3 ausgeführt werden soll.

Ausgehend von diesem ursprünglichen Retentionsvolumen bleibt aber immer noch ein zu- sätzliches Retentionsvolumen von rund 275.950 m³. Aus diesem Grund kann die Auflandung der beiden Grundstücke als vollkommen unbedenklich im Hinblick auf das Hochwasserge- schehen im Falle eines Bruchs des Perschling-Hochwasserschutzdammes gewertet werden.

396 Festschrift 40 Jahre Ibpm Ein Golfplatz entsteht

Volumen [m3] Differenz [m3]

Retentionsvolumen vor Errichtung Golfplatz 193.000

Retentionsvolumen Golfplatz 2009 488.000 +295.000

Retentionsvolumen nach Auflandung 468.950 -19.050 Tabelle 3: Retensionsvolumina

Was die Strömungsverhältnisse anbelangt, so bleibt festzuhalten, dass die Auflandungsflä- che sich in eine Ecke fügt, die aus Geländeteilen gebildet wird (Bahndamm und Zufahrts- straße zum Golfplatz), welche bereits ein Niveau auf oder über dem maximalen Polderwas- serstand aufweisen und somit schon jetzt im Falle eines HQ100 nicht überströmt werden. Dem abfließenden Hochwasser stellt sich kein neues Hindernis in den Weg, vielmehr beein- flusst die Auflandung das Strömungsgeschehen sogar insofern positiv, als diese Ecke nun- mehr ausgefüllt/-gerundet wurde und abfließendes Wasser nicht mehr in eine „Sackgasse“ läuft.

Die Auflandung wird als Anschüttung bis zu einer Höhe von 184,8 m ü. A. und mit einer Bö- schung der Neigung 2:3 ausgeführt. Nach Abheben der Humusdeckschichte wird die Schüt- tung aus nicht bindigem, gut verdichtbarem Bodenmaterial der Klasse A2-G gemäß Bundes- Abfallwirtschaftsplan lagenweise eingebracht und verdichtet.

4 Zusammenfassung

Massive Eingriffe in den Grundwasserhaushalt, insbesondere auf großflächigen Bereichen, sind hinsichtlich ihrer nur schwer abschätzbaren Auswirkungen auf die Umwelt mit großer Sensibilität zu behandeln. Eine genaue Kenntnis des Untergrundes sowie die Betrachtung aller verfügbaren Parameter sind Grundvoraussetzung für ein derartiges Vorhaben. Beim Golfplatz Diamond Country Club Atzenbrugg ist es gelungen, in genauer Abstimmung mit den Behörden und durch eine ausgeklügelte Wasserhaltung ein größtmögliches Gleichge- wicht zu schaffen und somit die Nutzung dieses reizvollen Platzes dauerhaft und möglichst ohne Einschränkung zu ermöglichen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 397 Ein Golfplatz entsteht

Bmst. Dipl.-Ing.Dr.Andrea Rathmanner Dipl.-Ing. Gottfried Schattovits Dipl.-Ing. Hubert Leibl

Dipl.-Ing. Schattovits Ziviltechniker GmbH Staatl. befugter und beeideter Ingenieurkonsulent für Kulturtechnik und Wasserwirtschaft 1170 Wien, Lacknergasse 36/30

5 Literaturverzeichnis

[1] Wasserwirtschaftliches Konzept zur Sand- und Kiesgewinnung im Tullnerfeld, Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Wasserwirtschaft, Februar 1997

[2] Ergänzende Untersuchungen gem. §13 ALSAG 1989 für die Verdachtsfläche „Moos- bierbaum“; Dr. Rietzler & Heidrich Ges.m.b.H im Auftrag der NÖ-Landesregierung, 27.1.1999

[3] Gutachten zu den hydrologischen Gegebenheiten beim Kraftwerk Dürnrohr (Amt der NÖ Landesregierung, Abt. B/3-D (WA5), Zl. III/1-711/46, Bearbeiter: Ing. Washüttl vom 22.7.1982.

[4] Taschenbuch der Wasserwirtschaft, Kap. 6, Ingenieurhydrologie, Verlag Paul Parey, 6.Auflage, 1982

[5] Specifications for Golf Course Construction First Draft, 5/1999, Jeremy Pern, Golf Course Architect, 2 Rue de la Gironde, 31490 Leguevin, France

398 Festschrift 40 Jahre Ibpm Lebenszykluskosten-Modelle und deren Einsatz bei Public-Private-Partnerships

Lebenszykluskosten-Modelle und deren Einsatz bei Public- Private-Partnerships

Stefan Reimoser

1 Hintergrund

Unter Public-Private-Partnership (PPP) versteht man Betreibermodelle, bei denen die öffent- liche Seite die Rolle des Auftraggebers einnimmt. Auf internationaler Ebene gibt es eine Menge an Synonymen hierfür, die alle die Leitidee einer gesamthaften Vergabe von Planen, Bauen, Betreiben und Finanzieren im Wege eines Beschaffungsvorgangs eint: Contracting, BOT (build, operate, transfer), DBFMO (design, build, finance, maintain, operate), ÖPP (öf- fentlich private Partnerschaft) bzw P3, PFI (private finance initiative), aber auch klassische (Bau-) Konzessionen fallen unter diese Kategorie.

Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) sind eine Beschaffungsvariante, eine Vorgehens- strategie, die mit anderen, „konventionellen“ Beschaffungsvarianten wie Einzel- oder GU- Vergabe hinsichtlich Wirtschaftlichkeit konkurriert. Der Unterschied zwischen diesen Varian- ten liegt im Wesentlichen im Zeitpunkt der Vergabe in Bezug auf den Projektfortschritt (bspw. ÖPP-Vergabe über eine funktionale Leistungsbeschreibung auf Basis eines definierten Nut- zerbedarfs vs. Einzelvergabe auf Basis einer Ausführungsplanung inkl. detailliertem Leis- tungsverzeichnis) und dem Ausmaß der Leistungsübertragung an den Privaten (neben der eigentlichen Bauleistung ggf. auch Planung, Betrieb und Finanzierung im Sinne eines Betrei- bermodells). Somit ist auch offensichtlich, dass die Prinzipien eines PPP auch im rein priva- ten Bereich – also zwischen zwei privaten Unternehmen – Anwendung finden können.

Welche Beschaffungsstrategie für ein Projekt günstig ist oder nicht, hängt von den Projekt- rahmenbedingungen ab, also seiner „Eignung“ für die einzelnen Varianten. Anhand welcher Kriterien diese Eignung beurteilt werden kann, ist nicht Gegenstand der vorliegenden Unter- suchung, der Leser sei diesbezüglich an weiterführende Literatur verwiesen (zB Daube, 2011).

Ist die Vergabe des Projekts als PPP grundsätzlich denkbar, so wird im Allgemeinen eine projektspezifische Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchgeführt, im Rahmen derer die Kosteneffizienz der in Betracht gezogenen Beschaffungsvariante mit jener der konventionel- len Eigenbauvariante – dem Public Sector Comparator (PSC) – im Wege einer Barwertbe-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 399 Lebenszykluskosten-Modelle und deren Einsatz bei Public-Private-Partnerships

rechnung verglichen wird. Jene Beschaffungsstrategie, die im Zuge der Untersuchung als die wirtschaftlichste identifiziert wird, kommt zur Anwendung.

2 Defizite bei der Erstellung des PSC

Soweit die Theorie. In der Praxis ist die Vorgehensweise mit technischen und methodischen Herausforderungen konfrontiert, welche die Aussagekraft und Relevanz bisheriger Untersu- chungen in Zweifel ziehen.

Schon 2008 zeigen Beckers et al. bei den gängigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen ei- nerseits mögliche „Fehlanreize bei den beteiligten Akteuren“ auf (Berater, die auf Folgeauf- träge spekulierten; Bauverwaltungen, die Kompetenzen verlören; Politiker, die Projekte durchsetzten, die aufgrund der Haushaltslage eigentlich nicht finanzierbar wären), anderer- seits wird von den Autoren die Problematik der „erheblichen Spielräume“ bei der monetären Bewertung von Risiken bzw deren Transfer auf den Privaten Partner thematisiert.

Der Österreichische Rechnungshof kritisierte im Jahr 2010 im Rahmen seiner Prüfung des Autobahn- PPP–Konzessionsmodells „Ostregion“ insbesondere die „methodischen Schwä- chen des Bewertungsprozesses“ (S. 28), so seien „die Parameter für den Nachweis des wirt- schaftlichen Vorteils anhand der international üblichen PSC–Vergleichsrechnung weder veri- fizierbar noch falsifizierbar“ gewesen. „ Die Schätzungen der Herstellkosten bei konventionel- ler Verwirklichung des Projekts waren aufgrund des frühen Planungsstands mit großen Unsi- cherheiten verbunden.“ (S. 58).

Im Herbst 2011 griffen die Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder unter dem Titel „Gemeinsamer Erfahrungsbericht zur Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten" die o.g. Bedenken auf und identifizierten einen massiven Verbesserungsbe- darf hinsichtlich der Methodik der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im Allgemeinen und der Ermittlung des PSC im Speziellen (vgl Abb. 1).

400 Festschrift 40 Jahre Ibpm Lebenszykluskosten-Modelle und deren Einsatz bei Public-Private-Partnerships

Ansätze für die Baukosten der konventionellen Beschaffung wurden in den Machbarkeitsstudien zu hoch bemessen. Die Bemessungsgrundlage für die Baukosten waren im Allgemeinen nur Flächenkos- tenrichtwerte, die den Anforderungen an einen exakten Vergleich mit der ÖPP-Variante nicht gerecht wurden. Bei den Kosten des laufenden Betriebs wurden häufig pauschale Annahmen getroffen, die aus fachlicher Sicht nicht die notwendige Qualität und Sicherheit erwarten ließen. (S. 11) Bei ihren Untersuchungen deckten die Rechnungshöfe in vielen Fällen methodische oder rechnerische Fehler in den Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen auf. (S. 14)

Entscheidend ist, dass für beide Varianten einheitliche Rahmenbedingungen bzw Planungsgrundlagen gewählt werden. Denn die Qualität und das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden maßgeblich dadurch beeinflusst, wie die Parameter der jeweiligen Beschaffungsvarianten ermittelt wurden. (S. 18)

Die Rechnungshöfe stellten fest, dass die Effizienzvorteile der ÖPP-Varianten häufig zu hoch ermittelt oder nicht schlüssig nachgewiesen wurden. (S. 16)

Die für die Entscheidung der Auftragsvergabe maßgeblichen Wirtschaftlichkeitsberechnungen müssen den Entscheidungsgremien frühzeitig zugänglich sein. Vereinzelt stellten die Rechnungshöfe fest, dass Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen erst nachträglich erstellt wurden. (S. 25)

Abbildung 1: Kritikpunkte der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder an den gängigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen für ÖPP-Projekte (2011).

Die Rechnungshöfe kritisieren in ihrer Analyse die Ermittlung der Kosten der konventionellen Beschaffungsvariante „auf Basis von Kosten- und Flächenkennwerten“ (S. 27f) als nicht aus- reichend und erachten daher eine „weitere Detaillierung und Optimierung des PSC“ für sinn- voll und notwendig. Erreicht werden solle dies durch eine „fundierte Planung“ der Eigenbau- variante, um die „funktionale Leistungsbeschreibung vor Ausschreibungsbeginn auf ihre Plausibilität zu überprüfen“.

Auch auf internationaler Ebene gibt es ähnlich lautende Kritik. Als Konsequenz daraus be- obachten wir gegenwärtig einen Trend in Richtung höherer Tiefe der Eigenplanung vor Aus- schreibung von PPP-Projekten, was jedoch zusätzliche Ressourcen bindet. Es stellt sich somit die Frage, wie in effizienter Form der Notwendigkeit einer weiteren Detaillierung der Kosten Rechnung getragen werden kann, ohne gleichzeitig eine komplette Eigenplanung mit entsprechend großem finanziellen und zeitlichen Aufwand durchführen zu müssen.

3 Lebenszykluskosten-Modelle: Aufbau, Nutzen und Kosten

Eine höchst effiziente Lösung stellen detaillierte Lebenszykluskosten-Modelle (LZK-Modell) dar. Hierbei wird die Querschnittsfunktion der Lebenszykluskosten genutzt (Abbildung 2), um zu einem frühen Zeitpunkt im Projekt ein numerisches LZK-Modell für die Eigenbauvariante zu entwickeln, welches belastbare Aussagen zu Errichtungskosten (gemäß ÖN 1801-1, DIN

Festschrift 40 Jahre Ibpm 401 Lebenszykluskosten-Modelle und deren Einsatz bei Public-Private-Partnerships

276), Nutzungskosten (gemäß ÖN 1801-2, DIN 18960 und GEFMA 200) sowie – bei Bedarf – zur Ökobilanz liefert, und zwar ohne dabei auf eine fertige Entwurfsplanung zurückzugrei- fen.

Abbildung 2: Querschnittsfunktion der Lebenzykluskosten, Fritsch et al., 2011

Grundlage und Voraussetzung ist das Vorhandensein einer konkreten und vollständigen Be- darfsplanung, dh Bedarfsflächen, Ausstattungsqualitäten und Funktionszusammenhänge müssen definiert sein. Somit wird die gleiche Bewertungsgrundlage sowohl für die Aus- schreibung der PPP-Variante als auch die Modellierung verwendet.

Es ist empfehlenswert, diese abstrakte Formulierung des Bedarfs durch eine Analyse der Machbarkeit in Bezug auf städtebauliche und baurechtliche Gesichtspunkte zu ergänzen.

Sodann wird diese Bedarfsplanung hinsichtlich der gewünschten Qualitäten und benötigter Mengen in ein Referenzmodell übertragen, welches den definierten Nutzerbedarf in eine dreidimensionale Darstellung (Blocklayouts) überträgt (vgl Abbildung 3).

402 Festschrift 40 Jahre Ibpm Lebenszykluskosten-Modelle und deren Einsatz bei Public-Private-Partnerships

Abbildung 3: Beispielhafte Umsetzung der Bedarfsplanung in ein Referenzmodell, welches gemeinsam mit der Massenberechnung als Basis für eine elementbasierte LZK-Berechnung dient.

Das Referenzmodell bildet sodann die Grundlage für detaillierte LZK-Modelle über Bauele- mentqualitäten. Es enthält also sämtliche relevanten Kostengrundlagen (zB m2- Nutzungseinheiten, Menge Bauelement, Bauelementqualität) der konventionellen Beschaf- fungsvariante, um einen ggf. vorhandenen Wirtschaftlichkeitsvorteil der ÖPP-Variante auch nachvollziehbar belegen zu können.

Im Zuge des Aufbaus des LZK-Modells werden weitere Festlegungen getroffen und Randbe- dingungen festgelegt, insb. hinsichtlich des Betrachtungszeitraums, der Endschaftsregelung (welchen Zustand soll die Immobilie bzw die Infrastruktur am Ende der Vertragslaufzeit ha- ben? Ist auch der Rückbau einzupreisen?), der vom Privaten Partner zu erbringenden Leis- tungen des Gebäudemanagements, deren Schnittstellen zum Bestand bzw zu anderen Dienstleistern sowie die Güte der Leistungen ausgedrückt in Leistungs- und Verfügbarkeits- standards (Service Level Agreements).

Die Leistungsfähigkeit derartiger bauelementorientierten Modelle speist sich aus der Tatsa- che, dass nicht mit spezifischen Kennzahlen (zB €/m2 oder €/(m2*Jahr)) sondern mit konkre- ten Massen und Qualitäten (erstere gemäß Referenzmodell, letztere gemäß funktionaler Leistungsbeschreibung) operiert wird. Die Modelle sind datenbankgestützt (vgl Abbildung 4) , enthalten sowohl Kosteninformationen als auch die ökologischen Daten (zB CO2), und kön- nen nach Bedarf ausgewertet werden. Für eine detaillierte Darstellung der Methodik siehe Fritsch et al., 2011.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 403 Lebenszykluskosten-Modelle und deren Einsatz bei Public-Private-Partnerships

Abbildung 4: Auszug aus einem elementorientierten LZK-Modell.

In den folgenden Phasen des PPP-Vergabeverfahrens wird das LZK-Modell auf Basis der ständig anwachsenden Planungsfestlegungen fortgeschrieben und aktualisiert. Dadurch werden die Kostenentwicklungen im Projekt permanent an das aktuelle Wissen angepasst. Das LZK-Modell fungiert als primäres Kontroll- und Steuerungswerkzeug im Zuge der Ange- botsauswertung und der Bieterverhandlungen im laufenden Verfahren. Hierzu werden auch die Angebote der Bieter qualitativ in das Modell eingepflegt und dem Referenzmodell gegen- übergestellt – vgl Abbildung 5. Im Ergebnis wird in effizienter Weise eine transparente Ver- gleichsbasis für die Angebotswertung geschaffen und der Wirtschaftlichkeitsvergleich in de- taillierter und nachvollziehbarer Weise geführt.

Abbildung 04: Angebotsauswertung der unterschiedlichen LZK-Modelle im Rahmen eines ÖPP- Verfahrens. Die ersten beiden Säulen bilden die konventionelle Realisierung ab (PSC) – wobei hier ein optimistisches sowie ein pessimistisches Szenario gegenübergestellt wurde.

404 Festschrift 40 Jahre Ibpm Lebenszykluskosten-Modelle und deren Einsatz bei Public-Private-Partnerships

Aufgrund des bauelementorientierten Aufbaus kann das LZK-Modell – neben der reinen Er- mittlung der Lebenszykluskosten und deren Gegenüberstellung mit den Angeboten der priva- ten Bieter im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung - noch folgende, weitergehende Aufgaben erfüllen:

x Basis für Variantenberechnungen (zB Fassadensysteme), x Basis für Nachhaltigkeitszertifizierungen, x Basis für Szenarioberechnungen (zB Generalsanierung vs. Neubau), x Basis für Finanzierungsmodelle.

Des Weiteren wird das LZK-Modell im Zuge des Vertragscontrollings mit dem Privaten Part- ner für die transparente, kostenmäßige Bewertung von Änderungen eingesetzt. Hierdurch wird das Konfliktpotential im Rahmen des Änderungsmanagements wesentlich verringert.

Sollte die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu Ungunsten der PPP-Variante ausgehen, bildet das LZK-Modell die Basis eines leistungsfähigen, phasenübergreifenden Planungs- und Kos- tencontrollings im Zuge der konventionellen Projektplanung und -realisierung.

Der Aufwand für die Erstellung von projektspezifischen LZK-Modellen ist abhängig von Grö- ße, Funktionalität, baulicher und betrieblicher Komplexität des Projekts sowie vom Umfang der mit Hilfe des Modells durchgeführten Planungsoptimierungen und Sensitivitätsuntersu- chungen. Die entsprechende Bandbreite reicht – je nach Anforderung - von 15.000 € bis ca 60.000 €.

4 Fazit

Die Modellierung der konventionellen Beschaffungsvariante mittels LZK-Modellen im Zuge der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung von PPP-Projekten verbessert signifikant die Qualität, Transparenz und Belastbarkeit derartiger Analysen im Vergleich zu bisherigen, auf bloßem Benchmarking basierenden Methoden. Zugleich wird damit der Forderung der Rechnungshö- fe entsprochen, die Subjektivität bei der Erstellung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zu reduzieren, nachvollziehbare Standards zu etablieren, einheitliche Rahmenbedingungen für den Vergleich der Beschaffungsvarianten zu schaffen und die Ergebnisse der Wirtschaftlich- keitsuntersuchungen mit Hilfe von Sensitivitäts- und Szenarioanalysen zu überprüfen.

Die Erfahrung zeigt, dass der Nutzen derartiger LZK-Modelle die Kosten der Modellierung um ein Vielfaches übersteigt. Dies nicht zuletzt auch deswegen, weil – jenseits der Generie- rung belastbarer Kostenprognosen – die Modelle zusätzlich dazu geeignet sind,

Festschrift 40 Jahre Ibpm 405 Lebenszykluskosten-Modelle und deren Einsatz bei Public-Private-Partnerships

x in der Frühphase von Projekten die Klärung des Bedarfs zu unterstützen, x als wesentliches Werkzeug zur technisch-wirtschaftlichen Optimierung des Projekts über den gesamten Lebenszyklus zu dienen (in Bezug auf Dimensionierung, benötigte Fläche, Ausbauqualitäten, Flächeneffizienz, Energieeffizienz und Lebenszykluskosten), x die Vorgehensweise im Projekt zu strukturieren, x eine sehr hohe Transparenz der Entscheidungsfindung zu erreichen, x Wettbewerb im Vergabeverfahren zu stimulieren, da die Vergabestelle über einen sehr hohen und detaillierten Informationsstand hinsichtlich der Kosten der konventionellen Beschaffungsvariante sowie deren Vergleichbarkeit mit den Angeboten der Bieter ver- fügt.

Dr. Stefan Reimoser, PMP® Managing Director Turner & Townsend GmbH St.-Martin-Straße 76 81541 München Germany

5 Literaturverzeichnis

[1] Daube, D., Public Private Partnership (PPP) für Immobilen öffentlicher Krankenhäu- ser – Entwicklung eines PPP-Eignungstests als Entscheidungshilfe für kommunale Krankenhäuser und Universitätsklinika, Verlag der Bauhaus-Universität Weimar, 2011

[2] Beckers, Th., Klatt, J.-P., „Potenziale und Erfolgsfaktoren des PPP-Ansatzes“, Tech- nische Universität Berlin, Forschungs-Centrum Netzindustrien und Infrastruktur (CNI), Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik (WIP)), 2008, S. 26

[3] Der Rechnungshof, Umsetzung des PPP-Konzessionsmodells Ostregion, Paket 1, http://www.rechnungshof.gv.at/berichte/ansicht/detail/umsetzung-des- pppkonzessionsmodells-ostregion-paket-1.html, Wien, 2010

[4] Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder (Hrsg.), "Gemeinsamer Erfahrungsbericht zur Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten", http://www.rechnungshofhessen.de/veroeffentlichungen/veroeffentlichungen_hrh/Ge meinsamer_Erfahrungsbericht_zur_Wirtschaftlichkeit_von_OEPP.pdf , 2011

[5] Fritsch, U., Tritschler, B., Lattke, F., Nachhaltiges Bauen und Sanieren, Grundlagen – Werkzeuge – Anwendungen, WEKA-Verlag, 2011

406 Festschrift 40 Jahre Ibpm Verwendung von Tunnelausbruchmaterial – Entscheidungsgrundlagen

Verwendung von Tunnelausbruchmaterial – Entschei- dungsgrundlagen

Daniel Resch (Univ.Ass. 2008 bis 2012) Robert Galler

Kurzfassung:

Zurzeit befinden sich in Österreich ca 200 km Tunnel in Bau oder Planung. Das dabei anfal- lende Ausbruchmaterial wurde in der Vergangenheit hauptsächlich als Schüttmaterial ver- wendet oder deponiert. Gründe für die Deponierung des Ausbruchmaterials waren die für eine Verwendung ungeeigneten Gesteinseigenschaften, oder ein zu geringer wirtschaftlicher Nutzen.

Aufgrund der Verknappung der natürlichen Vorkommen an mineralischen Rohstoffen sowie aus Umweltschutzgründen (Flächenverbrauch, Deponievolumen, Transportaufkommen) be- steht heute das öffentliche Interesse Ausbruchmaterial einer Verwendung zuzuführen. In diesem Fall sind geologische, technische, wirtschaftliche und rechtliche Randbedingungen zu berücksichtigen.

1 Einleitung

Ausbruchmaterial ist ein Produkt des TunnelǦ, StollenǦ und Kavernenbaus, welches im Zuge des Vortriebs gewonnen wird. Im Falle der Verwendung kann das Ausbruchmaterial der Gruppe der mineralischen Rohstoffe zugeordnet werden.

In Österreich wurden erste Erfahrungen mit der Verwendung des Ausbruchmaterials als mi- neralischer Rohstoff im Zuge von Kraftwerksprojekten im Hochgebirge gesammelt. Aufgrund der meist schwierigen Zugänglichkeit wurde bei diesen Bauvorhaben schon sehr früh das Ausbruchmaterial für die Betonproduktion herangezogen. Beispiele hierfür sind die Kraft- werksprojekte Zemmkraftwerke (Huber 1971) und Maltakraftwerke, welche im Zeitraum von 1966 – 1978 errichtet wurden.

Aufgrund der leichten Verfügbarkeit von Primärrohstoffen wurden diese Erfahrungen in der Folge jedoch nur sehr selten bei der Verwirklichung von Verkehrstunnelprojekten umgesetzt.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 407 Verwendung von Tunnelausbruchmaterial – Entscheidungsgrundlagen

Erst mit der Realisierung der Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) in der Schweiz rückte die Verwendung des Ausbruchmaterials wieder in den Vordergrund und findet in Österreich im Zuge der Herstellung des Koralmtunnels seine Fortsetzung.

2 Randbedingungen der Verwendung von Tunnelausbruchmaterial

Für die Beantwortung der Frage, ob das anfallende Ausbruchmaterial als Rohstoff verwendet werden kann, sind geologische, technische, wirtschaftliche und rechtliche Randbedingungen zu berücksichtigen. Es handelt sich somit um einen interdisziplinären Entscheidungsprozess.

Die Verwendung des Ausbruchmaterials ist wesentlich von den Eigenschaften und damit der Qualität des Ausbruchmaterials abhängig.

Eine erste Abschätzung einer möglichen Verwendung kann nach Beurteilung

x geotechnischer Parameter (zB Bruchspannung, Kohäsion, innerer Reibungswinkel,…), x geochemischer Bestandteile (zB Anteil an CaO, SiO2, MgO, Fe2O3, Al2O3, MnO, SO3,…) und x mineralogischer Zusammensetzung (zB Anteil an Calcit, Feldspat, Dolomit, Quarz, Glimmer,…) erfolgen. Ist daraus abgeleitet eine Verwendung möglich sind weitere technische aber auch rechtliche Rahmenbedingungen zu beurteilen.

Hierbei ist zu beachten, dass durch technische Rahmenbedingungen wie die Lösemethode, die Materialaufbereitung und die Baustellenorganisation (Materialtransport, Zwischenlage- rung) die Eigenschaften des Ausbruchmaterials wie zB Kornform, Korngröße und Geoche- mie beeinflusst werden können.

Bei einer Auswertung von Untersuchungsergebnissen ausgeführter Tunnelprojekte konnte so zB gezeigt werden, dass vor allem die Parameter pHǦWert, Aluminium, elektrische Leitfä- higkeit, Ammonium, Nitrit und Kohlenwasserstoff durch den Einsatz von Spritzbeton und Sprengmittel beeinflussen werden. Werden diese Hilfsstoffe nicht verwendet, ist davon aus- zugehen, dass die chemischen Eigenschaften des Ausbruchmaterials jenen des anstehen- den Bodens entsprechen (Resch 2012).

Aus rechtlicher Sicht sind vor allem die Fragestellungen bezüglich des Abfallrechtes, des Eigentums sowie der Vergabemodelle für die Materialverwendung zu beurteilen.

408 Festschrift 40 Jahre Ibpm Verwendung von Tunnelausbruchmaterial – Entscheidungsgrundlagen

Entspricht das Ausbruchmaterial Anforderungen eines marktgängigen mineralischen Roh- stoffes, ist zusätzlich zu den beschriebenen Randbedingungen auch der baustellenexterne Rohstoffbedarf in die Planung miteinzubeziehen.

Zur Abschätzung der ökologischen Auswirkungen unterschiedlicher Verwendungsszenarien kann die Methode der ÖkoǦBilanz herangezogen werden.

In Abbildung 1 werden die Randbedingungen der Verwendung von Tunnelausbruchmaterial gesamthaft dargestellt.

Abbildung 1: Randbedingungen der Verwendung von Ausbruchmaterial (Resch 2012)

3 Planungsschritte der Materialverwendung

Um die Ziele der Verwendung von Ausbruchmaterial

x maximale Verwendung des anfallenden Ausbruchmaterials, x optimale Wirtschaftlichkeit der gesamten Materialbewirtschaftung sowie x Minimierung der Umweltbelastung durch Materialtransport und -aufbereitung zu erreichen, ist die Berücksichtigung der Verwendung im gesamten Planungsprozess eines Projektes erforderlich. Die Betrachtung der Verwendung sollte somit gleichzeitig mit der Be- stimmung der zukünftigen Trassenführung beginnen und mit der Überprüfung der tatsächli- chen Umsetzung auf der Baustelle enden.

Wie bei einem herkömmlichen Bauprojekt kann auch bei der Umsetzung einer Verwendung des Ausbruchmaterials zwischen den Phasen Entwurfsphase, Planungsphase und Ausfüh- rungsphase unterschieden werden. Auch die zeitlichen Abläufe der einzelnen Phasen des Bauprojektes können mit jenen der Materialverwendung verglichen werden. So wurde zB

Festschrift 40 Jahre Ibpm 409 Verwendung von Tunnelausbruchmaterial – Entscheidungsgrundlagen

beim Koralmtunnel mit Beginn der Grobplanung auch die Verwendung des anfallenden Aus- bruchmaterials untersucht (Harer et al. 2009).

3.1 Entwurfsphase

In der Entwurfsphase kann parallel zur Festlegung der Tunnelachse auf Grundlage von ers- ten geologischen Auswertungen bereits eine grobe Zuordnung einzelner Tunnelabschnitte zu den Lithologien Kristallin, Karbonat und Lockergestein erfolgen. Aus dieser Zuteilung lässt sich in der Folge grob ein mögliches Verwendungspotential abschätzen.

x Im Kristallin-, Karbonat- und Lockergestein ist demnach eine Verwendung des Aus- bruch-materials als Gesteinskörnung für die Betonproduktion denkbar. x Feinkörnige Lockersedimente können eventuell in der Ziegelindustrie eingesetzt wer- den. x Ausbruchmaterial aus Karbonatgestein entspricht zusätzlich unter Umständen den Qualitätsanforderungen von industriellen Rohstoffen.

Das für die Untersuchungen erforderliche Material kann dabei den für die Bauprojektierung ohnehin erforderlichen Erkundungen entnommen werden. Für die Abschätzung des Verwen- dungspotentials sind daher keine zusätzlichen Probebohrungen erforderlich.

Parallel zu dieser ersten Beurteilung des Ausbruchmaterials, sollte bereits in diesem Pla- nungsstadium auch eine Betrachtung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erfolgen.

Für industrielle Rohstoffe kann abhängig von den zu erwartenden Rohstoffpreisen eine wirt- schaftliche Transportlänge ermittelt werden. Besteht die Möglichkeit potentielle Abnehmer innerhalb der wirtschaftlichen Transportlänge zu beliefern, ist es somit sinnvoll eine weitere Untersuchung der Verwendung vorzunehmen.

Soll das Ausbruchmaterial auf der Tunnelbaustelle für Schüttungen oder für die Betonpro- duktion herangezogen werden, sind sowohl zusätzliche Kosten als auch daraus resultieren- de Einsparungen zu berücksichtigen. Kosten entstehen vor allem durch die Materialaufberei- tung und das eventuell aufwendige Materialmanagement. Einsparungen sind durch den Min- derbedarf an Rohstoffen, ferner an Deponieflächen aber auch durch Reduzierung der Trans- porte zu erzielen.

410 Festschrift 40 Jahre Ibpm Verwendung von Tunnelausbruchmaterial – Entscheidungsgrundlagen

3.2 Planungsphase

Um die tatsächliche Eignung des Ausbruchmaterials zu bestimmen sind nach der Festlegung der Verwendungspotentiale verwendungsspezifische Prüfungen durchzuführen. Hierfür sind üblicherweise größere Mengen des zu untersuchenden Ausbruchmaterials erforderlich. Im Idealfall kann zu diesem Zeitpunkt bereits auf Ausbruchmaterial von Erkundungsstollen (mit den gleichen Eigenschaften wie das prognostizierte Ausbruchmaterial) zurückgegriffen wer- den. Ist dies nicht möglich, muss Material mit vergleichbaren Eigenschaften an der Gelände- oberfläche entnommen werden.

Soll das zukünftige Ausbruchmaterial als Gesteinskörnung für die Betonproduktion verwen- det werden, ist es zielführend mithilfe von Brechversuchen auch ein zukünftiges Aufberei- tungsschema zu entwerfen. Gleichzeitig können in diesem Fall bei den verwendungsspezifi- schen Prüfungen bereits die Auswirkungen der Materialaufbereitung mit berücksichtigt wer- den

Die Ergebnisse der Untersuchungen in der Entwurfs- und Planungsphase sind im Anschluss Grundlage der Ausschreibung und der Detailplanung der Materialbewirtschaftung.

3.3 Ausführungsphase

Aufgrund der geforderten Qualitätssicherung ist im Zuge der Verwendung des Ausbruchma- terials eine regelmäßige Überprüfung erforderlich.

Diese Überprüfungen sind ein wesentlicher Bestandteil der Materialbewirtschaftung auf der Baustelle. Wie bei der Überprüfung der Betonqualitäten üblich, muss auch für die Überprü- fung des Ausbruchmaterials sowie der daraus produzierten Rohstoffe ein Prüfplan erstellt werden.

Um lange Wartezeiten auf Prüfergebnisse zu vermeiden, sollte hierfür ein Baustellenlabor mit speziellen Prüfeinrichtungen eingerichtet werden. Parallel zu den Überprüfungen auf der Baustelle ist es jedoch auch erforderlich ergänzende Untersuchungen an Materialversuchs- anstalten weiterzugeben.

Die einzelnen Phasen der Verwendung von Ausbruchmaterial werden in Abbildung 2 darge- stellt.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 411 Verwendung von Tunnelausbruchmaterial – Entscheidungsgrundlagen

Abbildung 2: Phasen der Verwendung von Ausbruchmaterial (Resch 2012)

4 Bewertungsmatrix

Zur Erleichterung der Planung einer Verwendung von Ausbruchmaterial wurden im Zuge der Dissertation „Verwendung von Ausbruchmaterial – Entscheidungsgrundlagen“ (Resch 2012) auch eine Bewertungsmatrix entwickelt, mit welcher ausgehend von ausgewählten Material- untersuchungen schon in der Projektierungs- bzw Planungsphase eines Untertagebauwer- kes das Verwendungspotential des Ausbruchmaterials abgeschätzt werden kann.

Darin werden die technischen, chemischen und mineralogischen Eigenschaften des Aus- bruchmaterials Grenzwerten aus Normen und Richtlinien gegenübergestellt.

412 Festschrift 40 Jahre Ibpm Verwendung von Tunnelausbruchmaterial – Entscheidungsgrundlagen

Um eine Abschätzung des Verwendungspotentials so früh wie möglich zu erreichen, wurden dabei erforderliche Materialuntersuchungen den Projektphasen ProjektierungsǦ und Pla- nungsphase zugeteilt.

Mithilfe der Bewertungsmatrix kann so sehr einfach die Eignung des Ausbruchmaterials für die Verwendung als

x Gesteinskörnung für die Betonproduktion, x Gesteinskörnung für Tragschichten, x Bahnschotter, x Gesteinskörnung für Asphaltmischgut, x Ziegelton und x industrieller Rohstoff (von Kalkstein) bestimmt werden.

Kann das Ausbruchmaterial als mineralischer Rohstoff verwendet werden, muss in einem nächsten Schritt das hierfür erforderliche Massenmanagement geplant werden. Hierbei ist vor allem die Wechselbeziehung zwischen Materialanfall und Materialbedarf (zB Bedarf an Gesteinskörnung) zu berücksichtigen.

Abbildung 3: Massenmanagement – Ergebnisblatt Berechnungsprogramm Massenmanagement (Resch 2012)

5 Rechtliche Rahmenbedingungen

Das Bestreben Tunnelausbruchmaterial nicht zu deponieren sondern einer Verwendung zu- zuführen entspricht auch den österreichischen sowie den europäischen Zielen, Rohstoffe zu sichern bzw einzusparen. Um dieses Ziel zu erreichen wurden sowohl auf nationaler als

Festschrift 40 Jahre Ibpm 413 Verwendung von Tunnelausbruchmaterial – Entscheidungsgrundlagen

auch auf europäischer Ebene Initiativen gestartet. Beispiele hierfür sind der österreichische Ressourceneffizienz Aktionsplan (REAP) sowie die Rohstoffinitiative der Europäischen Kommission.

Im Zusammenhang mit der Verwendung des Ausbruchmaterials sind Bestimmungen des Eigentumsrechts, des Abfallrechts und des Umweltrechts zu berücksichtigen.

In Österreich bleibt das Ausbruchmaterial im Allgemeinen im Eigentum des Grundstücksei- gentümers. Demgemäß sind daher im Bedarfsfall Vereinbarungen über die Nutzung des Ausbruchmaterials zwischen dem Auftraggeber eines Tunnelprojektes und den Grundstück- seigentümern zu treffen.

Betrachtet man die Bestimmungen des Abfallrechts so ist Ausbruchmaterial derzeit dem Ab- fallbegriff zuzuordnen.

Im derzeit gültigen Bundesabfallwirtschaftsplan (BAWP) 2011 wurden erstmals explizit Best- immungen für den Tunnelausbruch aufgenommen. Demnach darf Tunnelausbruch zur Un- tergrundverfüllung und als Recyclingbaustoff verwendet werden. Bezüglich der einzuhalten- den Bestimmungen wird auf jene der Aushubmaterialien und Baurestmassen verwiesen.

Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach der vorliegenden Definition die Verwendung von Tunnelausbruchmaterial nicht dem Begriff Recycling und somit auch nicht den Recyc- ling-Baustoffen zuzuordnen ist. Recycling bezieht sich auf die Nutzung derselben Materialei- genschaften (Metall zu Metall) und nicht auf die (Rück-) Gewinnung von Grundstoffen bzw Rohstoffen. Da es sich bei Tunnelausbruchmaterial um einen Primärrohstoff handelt kann die Verwendung dieses auch nicht unter dem Recycling-Begriff subsumiert werden (Gretz- macher et al. 2010).

Auch bei den Randbedingungen einer Verwendung bestehen wesentliche Unterschiede in Abhängigkeit des Ausgangsmaterials. Das erforderliche Massenmanagement sowie die Qua- litätssicherung einer Tunnelbaustelle unterscheiden sich wesentlich von einer herkömmli- chen Aushubbaustelle.

Aus diesem Grund wäre es sinnvoll für Tunnelausbruchmaterial auf Basis der vorliegenden Erfahrungen eigene Bestimmungen zu verfassen.

Auch die im Altlastensanierungsgesetz festgelegte maximale Zwischenlagerungsdauer von 3 Jahren ist für eine Verwendung von Ausbruchmaterial problematisch (Entacher et al. 2011).

414 Festschrift 40 Jahre Ibpm Verwendung von Tunnelausbruchmaterial – Entscheidungsgrundlagen

Betrachtet man die zeitliche Abfolge des Materialanfalls bzw -bedarfs einer Tunnelbaustelle ist festzustellen, dass aufgrund der dem Vortrieb nachfolgenden Ausbaumaßnahmen das Anlegen von Materialspeichern unbedingt erforderlich ist.

Erstrecken sich die Baumaßnahmen, wie bei einem größeren Tunnelprojekt üblich, über mehrere Jahre so kann es hierbei sehr leicht zu einer Überschreitung der 3 jährigen Zwi- schenlagerungsdauer kommen. Der in diesem Fall fällige ALSAG-Beitrag würde jedoch die Wirtschaftlichkeit der Verwendung stark beeinflussen.

6 Schlussfolgerung

Gem. der europäischen und österreichischen Umweltgesetzgebung ist in Zukunft der Res- sourcenverbrauch einzuschränken. Eine Möglichkeit dieser Forderung bei der Errichtung von Untertagebauwerken nachzukommen stellt die Verwendung von Tunnelausbruchmaterial dar.

So kann durch die Verwendung von Ausbruchmaterial als mineralischer Rohstoff der Ver- brauch von Rohstoffreserven aber auch an Grund und Boden (zB Deponieflächen) wesent- lich verringert werden. Durch die einhergehende Verkürzung der Transportwege sind auch positive Auswirkungen auf die Emissionen (zB Staub, Lärm, CO2) einer Untertagebaustelle zu erwarten.

In Zukunft muss es daher das Ziel sein, dass die Überprüfung bzw Planung einer Nutzung des Ausbruchmaterials bei jedem Tunnelprojekt ein integraler Bestandteil der Projektierungs- und Planungsphase ist und der Projektwerber umgekehrt als heute nachweisen muss, wa- rum sich einzelne Ausbruchmaterialien nicht verwenden lassen und daher deponiert werden müssen.

Dipl.-Ing. Dr.mont. Daniel Resch G. Hinteregger & Söhne Baugesellschaft m.b.H, Salzburg Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.mont. Robert Galler Lehrstuhl für Subsurface Engineering, Montanuniversität-Leoben Leoben

Festschrift 40 Jahre Ibpm 415 Verwendung von Tunnelausbruchmaterial – Entscheidungsgrundlagen

7 Literatur

[1] Entacher M. & Resch D. & Reichel P. & Galler R. (2011) Wiederverwertung von Tun- nelausbruchmaterial, Abfallrecht im Berg- und Tunnelbau. Geomechanics and Tunne- ling (ISSN 1865-7389) Nr. 5.

[2] Gretzmacher G. & Reichel P. & Stanek W. (2010) Forschungsprojekt Recycling von Tunnelausbruchmaterial - Rechtliche Einordnung von Tunnelausbruch.

[3] Harer, G. & Pichler, P. (2009) Lösungen zur nachhaltigen Verringerung des Deponie- erfordernisses beim Koralmtunnel. Geomechanics and Tunneling (ISSN 1865-7389) Nr. 5, S. 627 – 632.

[4] Huber, H. (1991) Dissertation - Der Einfluss von gebrochenen Gneiszuschlagsstoffen auf den Beton der Zemmkraftwerke. Universität Innsbruck; Austria.

[5] Resch, D. (2012) Dissertation - Verwendung von Tunnelausbruchmaterial – Entschei- dungskriterien. Montanuniversität Leoben; Austria.

416 Festschrift 40 Jahre Ibpm TU Wien Bauingenieurstudierende und ihr Kompetenzprofil zu Beginn des Studiums

TU Wien Bauingenieurstudierende und ihr Kompetenzprofil zu Beginn des Studiums

Bettina Bogner (Univ.Ass 2009 bis dato) Önder Kasimlar

Das berufliche Umfeld von BauingenieurInnen und die damit in Verbindung stehenden beruf- lichen Kompetenzanforderungen haben sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Die Bauingenieurin sowie der Bauingenieur befinden sich heute zunehmend in problemhaltigen und komplexen Situationen, die vor allem über die berufliche Qualifikation hinaus Kompeten- zen zur Selbstorganisation erfordern (vgl [6]). Um die Kompetenzen zukünftiger Bauingeni- eurInnen zu analysieren und gezielt weiterzuentwickeln, unterzogen sich mehr als 200 Bau- ingenieurstudierende des ersten Semesters der TU Wien eines Kompetenztestes.

1 Kompetenzen

Im deutschsprachigen Raum setzt sich immer mehr die Vorstellung durch, dass Kompeten- zen Handlungsfähigkeiten sind, die es ermöglichen, in komplexen, problematischen und un- sicheren Umgebungen kreativ, sinnvoll und selbstorganisativ Handeln zu können. Kompe- tenzen sind „individuelle Voraussetzungen, sich in konkreten Situationen an veränderte Be- dingungen anzupassen, eigene Verhaltensstrategien zu ändern und erfolgreich umzusetzen“ ([1], S. XII). Sie schließen Fertigkeiten, Wissen und Qualifikationen mit ein, können aber nicht darauf reduzieren werden.

Denn bei Kompetenzen kommen selbstverantwortete Regeln, Werte und Normen zur Steue- rung des selbstorganisierten Handelns hinzu, die Handlungsfähigkeit in offenen, unsicheren, komplexen Situationen erst ermöglichen (vgl [4]).

Festschrift 40 Jahre Ibpm 417 TU Wien Bauingenieurstudierende und ihr Kompetenzprofil zu Beginn des Studiums

Wissen, Fertigkeiten und Qualifikationen werden oftmals als Kompetenzen angese- hen und benannt. Wissen ist aber keine Handlungsfähigkeit, sondern eine operativ wichtige Voraussetzung für Handlungsfähig- keit. Fertigkeiten und Qualifikationen bein- halten zwar Handlungsfähigkeiten, aber kei- ne im kreativen, selbstorganisativen Sinne.

Das Verhältnis von Wissen, Fertigkeiten, Qualifikation und Kompetenz kann individuell Abbildung 2 Einheit von Wissen, Fertigkeiten, oder in Gruppen sehr unterschiedlich aus- Qualifikationen und Kompetenzen ([3], S.XII) geprägt sein.

Das Soll-Kompetenzprofil ist vom jeweiligen Tätigkeitsbereich, von der Branche und den Erfordernissen der Arbeitseinrichtung abhängig.

Wichtig an dieser Stelle ist klarzustellen, dass eine geringe fachliche Kompetenz nicht gleichzusetzen ist mit wenig Wissen. Kompetenzen zeigen wie eine Person in einer spezifi- schen Situation handelt. Ein Professor mit einer geringeren fachlichen Kompetenz wird sein Wissen eher intuitiv, kreativ, improvisierend vermitteln und neue Ideen fördern. Wobei hinge- gen ein Professor mit einer hohen fachlichen Kompetenz versucht, sein Wissen pragmatisch, systematisch und detailorientiert weiterzugeben.

2 Ausbildung von BauingenieurInnen

Die Ausbildung von BauingenieurInnen richtet sich an Bauingenieuraufgaben, die eng an eine spezifisch technische Qualifikation gekoppelt sind. Es ist gekennzeichnet durch Fak- tenwissen mit hohem Abstraktionsgrad, Wissen, das zeitlos und auch nach Jahrzehnten sei- ne Gültigkeit nicht verliert.

Qualifikationen können standardisiert und lernzielorientiert gelehrt werden. Kompetenzen hingegen sind offener. Sie sind eher qualitativ zu erschließen und informell zu entwickeln. Kompetenzen zeigen und entwickeln sich, wenn der einzelne vor der Herausforderung steht, eine für ihn unerwartete und komplexe Aufgabe selbstorganisiert zu bewältigen. ([5], S.52)

418 Festschrift 40 Jahre Ibpm TU Wien Bauingenieurstudierende und ihr Kompetenzprofil zu Beginn des Studiums

3 Testverfahren

Grundlage der Analyse der IST-Kompetenzausprägungen von BauingenieurInnen bildet das KOmpetenz-Diagnostik- und Entwicklungsmodell KODE®. KODE® ist ein selbstorganisati- ons-theoretisches Modell, das auf einer Vielzahl von theoretischen und empirischen Arbeiten von John Erpenbeck und Volker Heyse basiert. Das Modell leitet sich aus den Auffassungen der Synergetik1 ab, vor allem aus den Arbeiten von Hermann Haken. Zusätzlich integriert es die Theorie der Selbstorganisation von Ilya Prigogine und den Autopoieseansatz von Hum- berto R. Maturana.

Das KODE®-System wird unter anderem für die Personalrekrutierung zur Hilfe gezogen, um offene Stellen effektiv zu besetzen. Gleichzeitig dient KODE® sowohl bei der Begleitung von Personalförderung und Personalentwicklung als auch bei Umschulungsszenarien in Unter- nehmen, in welchen zukünftig Personalfreisetzungen zu erwarten sind. Unabhängig vom Nutzen des KODE® für Personalfragen, ist es auch für den persönlichen Zweck einsetzbar: nämlich als Anregung für selbstorganisiertes Lernen.

KODE® ist kein psychometrischer Test, es werden Dispositionen gemessen und die Ausprä- gungen der Kompetenzen ermittelt. Kompetenzen als entsprechende Dispositionsbestim- mungen sind in erster Linie subjektzentriert. Sie sind nicht direkt prüfbar, sondern nur aus der Realisierung der Dispositionen erschließbar und evaluierbar. (vgl [4], S.XI) KODE® ist ein quantitatives Verfahren mit dem ein Augenblickszustand gemessen werden kann.

Dieser Test wurde mit den Bauingenieurstudierenden des Einstiegssemesters WS 2011 über das Onlineportal der TU Wien durchgeführt. Neben dem Fragebogen mussten die Stu- dierenden ihr Alter, Geschlecht, ihren Schulabschluss sowie ihre Berufsvorstellung angeben. An der Befragung haben insgesamt 212 Studierende teilgenommen.

Mittels KODE® können die Grundkompetenzen einzelner Personen sowie von Teams ermit- telt werden und dies sowohl unter „normalen“ (relativ unkomplizierte Alltagsbedingungen) als auch unter „schwierigen“ Bedingungen wie Stress, Problemdruck, Zeitdruck, Konfliktsi- tuationen etc Als Grundkompetenz werden hier personale, aktivitätsbezogene, fachlich- methodische und sozial-kommunikative Kompetenzen verstanden und analysiert.

1 Die Synergetik ist eine Theorie der Selbstorganisation komplexer makroskopischer Systeme, die sich aus vielen miteinander wechselwirkenden Einzelsystemen und Teilchen zusammensetzen. ([4], S.11)

Festschrift 40 Jahre Ibpm 419 TU Wien Bauingenieurstudierende und ihr Kompetenzprofil zu Beginn des Studiums

3.1 Personale Kompetenz (PK)

Die Personale Kompetenz beinhaltet die ethischen Vorstellungen eines Menschen. Dabei geht es vor allem um die Reflexion und den kritischen Umgang mit sich selbst. Zu den Stär- ken jener, die eine hohe Personale Kompetenz besitzen, zählen unter anderem Hilfsbereit- schaft und Loyalität. Menschen mit zu stark ausgeprägter Personaler Kompetenz neigen zum Idealismus oder sind häufig aufreibend und schnell enttäuscht.

3.2 Aktivitäts- und Handlungskompetenz (AK)

Die Aktivitäts- und Handlungskompetenz beinhaltet Eigenschaften wie Engagement, Neugier und Entscheidungsfreude. Menschen mit hoher Aktivitäts- und Handlungskompetenz sind aktiv handelnd und initiativenreich. Bei zu starker Ausprägung neigen Menschen dazu, zu direkt zu sein, sind häufig starrsinnig und sanktionierend.

3.3 Sozial-kommunikative Kompetenz (SK)

Wesentliche Merkmale der Sozial-kommunikativen Kompetenz sind der Umgang mit Kritik und Konflikten, sowie die Fähigkeit Team- und Einzelgespräche zu führen. In diesem Kom- petenzbereich sind Menschen mit hoher Ausprägung sozial, konsensbereit, kommunikativ und teamorientiert. Eine Übertreibung dieser Kompetenz kann zu Ziellosigkeit und Oberfläch- lichkeit führen.

3.4 Fach- und Methodenkompetenz (FK)

Diese Kompetenz beinhaltet Wissen, Können und Erfahrung. Menschen mit hoher Fach- und Methodenkompetenz verhalten sich eher analytisch und vernünftig. Ist die FK zu stark aus- geprägt, verhalten sich Menschen perfektionistisch, vermeiden Emotionen und sind übervor- sichtig.

4 Auswertung

4.1 Allgemeines

Die Aufschlüsselung der 212 befragten Studierenden nach Geschlecht und Schulabschluss wird in Tabelle 1 dargestellt. Für die Auswertung des Schulabschlusses wird zwischen einer Allgemeinbildenden Höheren Schule (AHS), einer Höheren Technischen Lehranstalt für

420 Festschrift 40 Jahre Ibpm TU Wien Bauingenieurstudierende und ihr Kompetenzprofil zu Beginn des Studiums

Bauwesen (HTL) und anderen Berufsbildenden Höheren Schule (BHS) unterschieden. Jene Studierenden, die einen anderen Schulabschluss vorweisen, werden unter der Gruppe „Sonstige“ zusammengefasst.

Schulabschluss Studierende AHS HTL BHS Sonstige Gesamt männlich 65 50 19 31 165 Geschlecht weiblich 31 7 4 5 47 Studierende Gesamt 96 57 23 36 212 Studierende Gesamt in % 45% 27% 11% 17% 100% Tabelle 1: Teilnehmende geordnet nach Geschlecht und Schulabschluss

Wie in Tabelle 1 zu sehen ist, gehören über drei Viertel der Befragten dem männlichen Ge- schlecht an, lediglich knapp ein Viertel sind Frauen. Bei der Differenzierung nach dem Schulabschluss wird deutlich, dass sowohl die meisten männlichen (40%) als auch weibli- chen Studierenden (66%) eine AHS besucht haben.

4.2 Grundkompetenzen im Überblick

Unabhängig vom Geschlecht, Schulabschluss, Alter oder der Berufsvorstellung wird ein all- gemeiner Überblick über die Ausprägungen der vier Grundkompetenzen gegeben.

In der Tabelle 2 sind die statistischen Werte wie Mittelwert und Standardabweichung und die maximale und minimale Ausprägung der vergebenen Punkte für die Grundkompetenzen auf- gelistet, sowohl unter normalen als auch unter schwierigen Bedingungen. Normale Bedingungen Schwierige Bedingungen Kompetenzen PK AK FK SK PK AK FK SK Gültig 212 212 212 212 212 212 212 212 N Fehlend 0 0 0 0 0 0 0 0 Mittelwert 32,00 27,37 28,43 32,20 30,36 29,01 32,40 28,23 Standardabweichung 5,28 4,49 5,73 6,51 5,00 5,02 5,13 6,07 Minimum 21 15 15 12 18 12 21 13 Maximum 47 38 48 47 47 42 48 48 Spannweite 26 23 33 35 29 30 27 35 Tabelle 2: Grundkompetenzen im Überblick

Der angegebene Mittelwert entspricht dem arithmetischen Mittel, das „als Quotient aus der Summe aller beobachteten Werte und der Anzahl der Werte definiert ist.“[7] Die Stan- dardabweichung ist die „durchschnittliche Abweichung vom Mittelwert in der Maßeinheit der Variablen.“ ([2], S.12) Aus den Maxima und den Minima können die Spannweiten der verge-

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benen Punkte für jede Kompetenz errechnet werden. Statistisch gesehen fließen in die Spannweite ausschließlich Extremwerte ein. Bei der Auswertung der KODE®-Fragebögen können die Spannweiten dann von Interesse sein, wenn Unternehmen auf der Suche nach Fachkräften sind, die eine besonders starke Ausprägung einer Kompetenz aufweisen sollen. Zudem ist ersichtlich, dass die Personale Kompetenz und die Sozial-kommunikative Kompe- tenz unter schwierigen Bedingungen schwächer ausgeprägt sind als unter normalen. Die Fach- und Methodenkompetenz und die Aktivitäts- und Handlungskompetenz hingegen sind unter schwierigen Bedingungen stärker ausgeprägt als unter normalen Bedingungen.

4.3 Kompetenzen im Vergleich

In diesem Kapitel werden die Studierenden nach Geschlecht, Schulabschluss, Alter und Be- rufsvorstellung aufgeteilt, ihre Kompetenzausprägungen gegenübergestellt und interpretiert.

4.3.1 Kompetenzen nach Geschlecht

Die nachstehenden Diagramme zeigen sowohl unter normalen als auch unter schwierigen Bedingungen einen Vergleich der Kompetenzausprägungen der weiblichen und männlichen Studierenden.

Es zeigt sich, dass unter normalen als auch unter schwierigen Bedingungen kaum Unter- schiede zwischen den männlichen und weiblichen Studierenden hinsichtlich der Personalen Kompetenz vorhanden sind. Erkennbar ist jedoch, dass diese bei beiden Geschlechtern unter schwierigen Bedingungen leicht abnimmt. Somit sind bspw. die Hilfsbereitschaft und die Loyalität der Studierenden unter normalen Bedingungen etwas stärker ausgeprägt als unter schwierigen Bedingungen.

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Hinsichtlich der Aktivitäts- und Handlungskompetenz lässt sich sagen, dass diese bei den männli- chen Studierenden sowohl unter normalen als auch unter schwierigen Bedingungen stärker ausgeprägt ist als bei den weiblichen Studierenden. Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen nimmt diese unter schwierigen Bedingungen zu, was Diagramm 1: Kompetenzen unter normalen bedeutet, dass sie dann aktiver han- Bedingungen - Vergleich Männlich/Weiblich deln, eher die Initiative ergreifen und mehr Engagement zeigen.

Die Diagramme zeigen zudem sehr deutlich, dass die Sozial- kommunikative Kompetenz unter den weiblichen Studierenden sowohl unter normalen als auch unter schwierigen Bedingungen deutlich stärker ausgeprägt ist, als unter den männlichen Studierenden. Diagramm 2: Kompetenzen unter schwierigen Bedingungen - Vergleich Männlich/Weiblich

Diese Kompetenz geht jedoch bei beiden Geschlechtern unter schwierigen Bedingungen stark zurück. Der Umgang mit Kritik und Konflikten, sowie die Fähigkeit Team- oder Einzel- gespräche zu führen, beherrschen die weiblichen Studierenden demnach mehr als die männlichen.

Im Bereich der Fach- und Methodenkompetenz ist erkennbar, dass diese bei den männli- chen Studierenden unter normalen und schwierigen Bedingungen stärker ausgeprägt ist als bei den weiblichen Studierenden. Zudem ist ersichtlich, dass die Fach- und Methodenkom- petenz unter schwierigen Bedingungen bei beiden Geschlechtern deutlich zunimmt. Das bedeutet, dass diese in Konfliktsituationen oder in Situationen unter Zeitdruck vernünftiger sind und ihr Wissen und Können stärker einbringen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 423 TU Wien Bauingenieurstudierende und ihr Kompetenzprofil zu Beginn des Studiums

4.3.2 Kompetenzen nach Schulabschluss

Um auf etwaige Kompetenzdifferen- zen zwischen unterschiedlichen Vor- bildungen feststellen zu können, wur- den die Studierenden nach ihrem Schulabschluss in Gruppen aufgeteilt. Es erfolgt ein Vergleich von AHS und HTL, da diese Schultypen am häu- figsten von den Studierenden besucht worden sind (AHS 45% und HTL 27%). Diagramm 3: Kompetenzen unter normalen Bedingungen – Vergleich AHS und HTL Absolventen Die Diagramme zeigen, dass sich die Personale Kompetenz unter norma- len Bedingungen zwischen den AHS- und HTL-AbgängerInnen kaum unter- scheidet. Unter schwierigen Bedin- gungen nimmt diese zwar bei beiden Gruppen ab, die Abnahme unter den AHS-AbgängerInnen fällt jedoch stär- ker aus.

Die Grafiken zeigen zudem, dass im

Diagramm 4: Kompetenzen unter schwierigen Bereich der Aktivitäts- und Hand- Bedingungen – Vergleich AHS und HTL Absolventen lungskompetenz unter normalen

Bedingungen ebenfalls kaum Unter- schiede zwischen den beiden Grup- pen festzustellen sind.

Diese Kompetenz nimmt sowohl bei den AHS-AbgängerInnen als auch bei den HTL- AbgängerInnen unter schwierigen Bedingungen zu, was bedeutet, dass sie in schwierigen Situationen bspw. mehr Engagement zeigen.

Die Sozial-kommunikative Kompetenz ist unter normalen und schwierigen Bedingungen bei ehemaligen Schülern einer AHS deutlich stärker ausgeprägt. Merkmale der Sozial- kommunikativen Kompetenz wie die Konsensbereitschaft oder Teamorientierung nehmen unter schwierigen Bedingungen jedoch bei beiden Gruppen ab.

424 Festschrift 40 Jahre Ibpm TU Wien Bauingenieurstudierende und ihr Kompetenzprofil zu Beginn des Studiums

Im Bereich der Fach- und Methodenkompetenz ist erkennbar, dass diese unter normalen Bedingungen wesentlich stärker bei AHS- als bei den HTL-AbgängerInnen ausgeprägt ist. Unter schwierigen Bedingungen nimmt diese Kompetenz bei beiden Gruppen zu, wobei un- ter den AHS-AbgängerInnen eine deutlich stärkere Zunahme zu erkennen ist, die sogar den Mittelwert der HTL-AbgängerInnen übersteigt. Somit können Studierende mit einem AHS Abschluss unter Zeitdruck oder in konflikthaften Situationen ihr Fachwissen und Methoden- repertoire besser einbringen, als in unkomplizierten Alltagssituationen.

4.3.3 Kompetenzen nach Altersgruppen

Nachfolgend wird ein Vergleich der Kompetenzausprägungen nach Al- tersgruppen durchgeführt. Hierfür wurden die Studierenden in zwei Gruppen geteilt. Die erste Gruppe beinhaltet Studierende bis einschließ- lich ihres 21sten Lebensjahres und die zweite jene mit 22 Jahren und älter. Diese Unterteilung wurde vor- genommen, da davon auszugehen Diagramm 5: Kompetenzen unter normalen Bedingungen –Vergleich nach Altersgruppen ist, dass Studierende bis einschließ- lich ihres 21sten Lebensjahres den in Österreich üblichen Bildungsweg bis zum Studium durchliefen.

Aus den Diagrammen geht hervor, dass hier kaum Unterschiede der einzelnen Kompetenzen zwischen den Altersgruppen vorliegen, sowohl unter normalen als auch unter schwierigen Bedingungen. Diagramm 6: Kompetenzen unter schwierigen Bedingungen – Vergleich nach Altersgruppen

Der Vergleich von normalen und schwierigen Bedingungen zeigt, dass während die Perso- nale Kompetenz und die Sozial-kommunikative Kompetenz unter schwierigen Bedingun- gen in beiden Altersgruppen abnehmen, findet bei der Aktivitäts- und Handlungskompe-

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tenz und der Fach- und Methodenkompetenz unter denselben Bedingungen eine Zunah- me statt.

4.3.4 Kompetenzen nach Berufsvorstellung

Unabhängig vom KODE®-Fragebogen wurde den Studierenden zu Beginn neben dem Alter, dem Geschlecht und dem Schulabschluss auch die Frage gestellt, in welchem Bereich sie sich vorstellen können, nach ihrem Studium zu arbeiten. Zur Auswahl standen die folgenden fünf Möglichkeiten:

x Forschung (Wissenschaftliches Arbeiten, Suche nach Erkenntnissen) x Projektmanagement (Steuerung, Kontrolle und Koordinierung von Kosten und Termi- nen) x Planung (Planung und Vorbereitung von Bauprojekten) x Konstruktion (Statische Berechnung von zB Stahl-, Holz-, Betonbauwerken) x Baustelle (Abwicklung, Kontrolle und Beaufsichtigung von Bautätigkeiten)

Von den insgesamt 212 Studierenden können sich zum Zeitpunkt der Befragung mehr als die Hälfte vorstellen entweder im Bereich der Konstruktion (51 Studierende) oder auf Bau- stellen (72 Studierende) tätig zu sein. Lediglich 5 Studierende sehen ihre berufliche Zukunft in der Forschung, 38 im Projektmanagement und 46 im Bereich der Planung. (siehe Tabelle 3)

Planung Projekt - Baustelle Forschung Forschung management management Konstruktion Studierende 5 38 46 51 72 Gesamt Studierende 2% 18% 22% 24% 34% Gesamt in %

Tabelle 3: Berufsvorstellung der Studierenden

Für den Vergleich der Kompetenzen der Studierenden, abhängig von ihrer Berufsvorstellung, werden die zwei beliebtesten Bereiche herangezogen. In den folgenden Diagrammen wer- den die Kompetenzen der Studierenden, die auf Baustellen tätig sein wollen (Gruppe Bau- stelle) und derjenigen, die sich vorstellen können zukünftig in der Konstruktion zu arbeiten (Gruppe Konstruktion), dargestellt.

426 Festschrift 40 Jahre Ibpm TU Wien Bauingenieurstudierende und ihr Kompetenzprofil zu Beginn des Studiums

Die Personale Kompetenz ist in der Gruppe Baustelle höher als in der Gruppe Konstruktion. Während unter normalen Bedingungen dieser Unter- schied auffallend ist, fällt dieser unter schwierigen Bedingungen trotz Ab- nahme beider geringer aus. Nach der KODE®-Auswertung zeigen Studie- rende mit dem Berufswunsch „Bau- stelle“ insgesamt eine höhere Hilfsbe- Diagramm 7: Kompetenzen unter normalen Bedingungen - Vergleich nach Berufsvorstellung reitschaft und Loyalität als die potenti- ellen zukünftigen KonstrukteurInnen.

Die Aktivitäts- und Handlungskom- petenz zeigt dagegen keine bedeu- tenden Unterschiede zwischen den zwei Gruppen. Sowohl unter normalen als auch unter schwierigen Bedingun- gen fällt diese in der Gruppe Kon- struktion beide Male unbedeutend geringer aus. Im Gegensatz zur Per- sonalen Kompetenz nimmt die Aktivi- Diagramm 8: Kompetenzen unter schwierigen Bedingungen - Vergleich nach Berufsvorstellung täts- und Handlungskompetenz unter schwierigen Bedingungen deutlich zu.

Die Sozial-kommunikative Kompetenz nimmt für beide Gruppen unter schwierigen Bedin- gungen deutlich ab. Es ist sowohl unter normalen als auch unter schwierigen Bedingungen klar ersichtlich, dass diese Kompetenz in der Gruppe Baustelle stärker ausgeprägt ist. Das heißt, sie beherrschen die Fähigkeit Team- und Einzelgespräche eher, als Studierende, die zukünftig in der Konstruktion tätig sein wollen. Zudem sind sie laut KODE® sozialer, kommu- nikativer und teamorientierter.

Im Hinblick auf die Fach- und Methodenkompetenz fällt auf, dass dies die einzige Kompe- tenz ist, die in der Gruppe Konstruktion höher ist, als in der Gruppe Baustelle. Dieser Unter- schied ist unter beiden Bedingungen sehr markant, wobei er unter normalen Bedingungen extremer ist. Außerdem ist eine starke Zunahme der Kompetenz unter schwierigen Bedin-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 427 TU Wien Bauingenieurstudierende und ihr Kompetenzprofil zu Beginn des Studiums

gungen für beide Berufsgruppen herauszulesen. Die Gruppe der KonstrukteurInnen schät- zen sich eher analytischer, vernünftiger und detailorientierter ein als dies jene KollegInnen tun, die zukünftig auf Baustellen tätig sein wollen. Beide Gruppen beherrschen die Merkmale der Fach- und Methodenkompetenz in Situationen, in denen Stress, Zeit- oder Entschei- dungsdruck herrscht, grundsätzlich besser als in relativ unkomplizierten Alltagssituationen.

5 Zusammenfassung

Mit Hilfe der KODE®-Fragebögen, können Ausprägungen der vier Grundkompetenzen (Per- sonale Kompetenz, Aktivitäts- und Handlungskompetenz, Sozial-kommunikative Kompetenz, und Fach- und Methodenkompetenz) ermittelt werden. In dem vorliegenden Beitrag wurden die Kompetenzen von Bauingenieurstudierenden des Einstiegssemesters WS2011 ausge- wertet. Die Studierenden wurden in Gruppen nach Geschlecht, Alter, Maturaabschluss und nach zukünftiger Berufsvorstellung aufgeteilt und diese mit den ausgewerteten Kompetenzen nach KODE® in Zusammenhang gesetzt.

Werden die Kompetenzen unter normalen und schwierigen Bedingungen aller Gruppen gegenüber gestellt, so zeigt sich über alle Gruppen hinweg nahezu ein einheitliches Bild.

Befinden sich die Studierenden in relativ unkomplizierten Alltagssituationen, also unter nor- malen Bedingungen, dann liegen ihre Stärken in der Sozial-kommunikativen und Persona- len Kompetenz. Die Fachliche sowie die Aktivitäts- und Handlungskompetenz sind hingegen unter diesen Bedingungen eher gering ausgeprägt. Das deutet darauf hin, dass die Studie- renden unter normalen Bedingungen gerne mit anderen Personen zusammenwirken und bei Auseinandersetzungen nach gemeinsamen Lösungen suchen. Sie sind kontaktfähig, offen gegenüber Vorschlägen anderer und haben eine positive Einstellung zum Leben. In der Er- reichung von Zielen, in der Entschlossenheit, in der konsequenten Ausführung sowie im Er- gebnisorientierten Handeln gebe es Entwicklungspotenzial. Sie verfolgen ihre Ziele nicht immer willensstark und aktiv und haben Schwierigkeiten aus Entscheidungen die daraus entstehenden Konsequenzen abzuleiten.

Befinden sich die Studierenden in schwierigen Situationen, dann vertrauen sie mehr ihren analytischen als ihren sozialen Fähigkeiten. Insbesondere bei den männlichen Studierenden liegt die Stärke in derartigen Situationen in der Fach- und Methodenkompetenz. Bei den weiblichen Studierenden ist unter schwierigen Bedingungen die Sozial-kommunikative Kom- petenz ebenso stark wie die Fach- und Methodenkompetenz ausgeprägt. Jedoch sinkt auch bei ihnen im Vergleich zu den normalen Bedingungen die Sozial-kommunikative Kompetenz,

428 Festschrift 40 Jahre Ibpm TU Wien Bauingenieurstudierende und ihr Kompetenzprofil zu Beginn des Studiums

während die Fach- und Methodenkompetenz steigt. Die Aktivitäts- und Handlungskompetenz steigt zwar unter schwierigen Bedingungen in allen Gruppen leicht an, ist aber dennoch im Vergleich zu den anderen Kompetenzen relativ gering ausgeprägt. In schwierigen Situatio- nen handeln die Studierenden eher abschätzend, wägend und analytisch. Sie folgen erprob- ten Ansätzen.

In der Gegenüberstellung der weiblichen mit den männlichen Studierenden zeigt sich, dass die weiblichen Studierenden auch in schwierigen Situation versuchen andere zu ver- stehen, dem gemeinsamen Handeln mit anderen Vorzug geben, mit anderen über die schwierige Situation kommunizieren, Konflikte durch Konsenslösungen herbeiführen möch- ten, pflichtbewusst und gewissenhaft handeln. Während ihre männlichen Kollegen unter denselben Bedingungen eher mehr Tatkraft zeigen, unter Widerständen und Belastungen eigene Vorhaben realisieren, unter ungünstigen Bedingungen die Situation als Herausforde- rung wahrnehmen und an ihren Zielen festhalten.

Nennenswerte altersspezifische Kompetenzunterschiede können in dieser Studie keine Festgestellt werden.

Werden die Kompetenzen der Studierenden anhand ihres Schulabschlusses gegenüberge- stellt, so weisen die AHS-Absolventen im Vergleich zu den HTL-Absolventen eine höhere Sozial-kommunikative Kompetenz und eine geringere Fach- und Methodenkompetenz auf. Nach diesem Ergebniss zu urteilen können Studierende aus der AHS kommend ihre Gedan- ken sowie Information besser mündlich sowie schriftlich weitergeben, Arbeiten gerne mit an- deren Menschen über längere Zeit zusammen, können sich auf unsichere Prozesse besser einlassen und besitzen eine höhere Ambiguitätstoleranz. HTL-Absolventen hingegen besit- zen eine höhere Marktkenntnis, sie denken und handeln unternehmerischer, haben bereits eine breite fachliche Vorbildung und gehen Probleme eher analytischer an.

Der Vergleich der vermutlich angehenden KonstrukteurInnen und den IngenieurInnen auf Baustellen ist besonders interessant. Die zukünftigen KonstrukteurInnen weisen eine we- sentlich höhere Fach- und Methodenkompetenz auf, während die zukünftigen Baustellenin- genieurInnen in allen anderen Kompetenzen überlegen sind. Dies ist insofern schlüssig, da IngenieurInnen auf Baustellen viel mehr in Kontakt mit Menschen stehen und öfters kurzfris- tige Entscheidungen treffen müssen. Eine hohe Aktivitäts- und Handlungskompetenz, sowie eine hohe Soziale-kommunikative Kompetenz sind hier sicher von Vorteil. Eine hohe Fach- und Methodenkompetenz ist bei den KonstrukteurInnen bedeutsamer, da Konstruktionen mehrmals durchdacht, auf mögliche Fehler überprüft und optimiert werden müssen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 429 TU Wien Bauingenieurstudierende und ihr Kompetenzprofil zu Beginn des Studiums

Dieser eruierte Unterschied zwischen den einzelnen Berufsgruppen ist dahingehend interes- sant, da die Studierenden immerhin demselben Studiengang zugehörig sind, insgesamt kei- nen hohen Altersunterschied aufweisen und vermutlich hinsichtlich der Berufserfahrung ebenfalls keine allzu großen Differenzen vorliegen. Es zeigt sich, dass ein gewisses Rollen- bild, wie ein KonstrukteurIn oder ein BaustelleningenieurIn zu sein hat, bei den Studierenden vorherrscht, in dieses sich die Studierenden einordnen.

Eine Universität, die selbstorganisationales Verhalten fördern will, muss den Studieren- den möglichst viele Lernsituationen anbieten, die entsprechende Handlungs-, Entschei- dungs- und Gestaltungsspielräume eröffnen. Studierende mit einer hohen Personalen Kompetenz lernen am besten mit Visionen. Sie benötigen nutzenstiftende sowie ihren Wer- ten entsprechende Aufgaben. Ist die Aktivitäts- und Handlungskompetenz stark ausge- prägt, dann hat man es mit Studierenden zu tun die sehr zielorientiert und durch das Infrage stellen von bewährten Abläufen lernen. Bei Aufgaben, bei denen sie eine Lösung für ein Problem finden müssen, entwickeln sie die größte Motivation. Bewährte Ansätze, Steue- rungs- und Regulierungsmechanismen bevorzugen Studierende die eine hohe Fach- und Methodenkompetenz aufweisen. Sie folgen gerne rationalen Prozessen mit hoher Sach- lichkeit. Ihre Stärke liegt vor allem bei Aufgaben, bei denen ein Detail analysiert und optimiert werden soll. Sozial-kommunikative Studierende arbeiten gerne mit anderen Studierenden zusammen. Ihre Stärken kommen vor allem bei Aufgaben die ihre Experimentierfreude för- dern, ihnen Raum zur Improvisation geben und neue Ideen zulassen, zur Geltung.

Univ. Ass. Dipl.-Ing. Bettina Bogner, Technische Universität Wien, Fachbereich Baubetrieb Karlsplatz 13/234, 1040 Wien

Önder Kasimlar, B.Sc. Technische Universität Wien

430 Festschrift 40 Jahre Ibpm TU Wien Bauingenieurstudierende und ihr Kompetenzprofil zu Beginn des Studiums

6 Literaturverzeichnis

[1] Erpenbeck, John; Heyse, Volker: Kompetenztraining. Informations- und Trainingspro- gramme. 2. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschl Verlag, 2009

[2] Fredersdorf, Frederic: SPSS-Skript 2011, 1. Semester SAM, Skriptum der Fachhoch- schule Vorarlberg. - Dornbirn, 2011

[3] John Erpenbeck & Lutz von Rosenstiel (Hrsg.): Handbuch Kompetenzmessung. - Stuttgart, Schäffer-Poeschel Verlag, 2007

[4] John Erpenbeck & Volker Heyse: Die Kompetenzbiographie. - Münster, Waxmann, 2007

[5] Lutz von Rosenstiel: Unternehmerische Werte und personelle Kompetenzen; in: Stra- tegisches Kompetenzmanagement, Hrsg. Walter Jochmann, Sascha Gechter, Sprin- ger Verlag, 2007

[6] Stefan Faatz, Bettina Bogner: Komplexität und die Rolle des Menschen für deren Re- duktion. - Bau aktuell, 2. Jahrgang, Juli 2011/4

[7] Wikipedia – Die freie Enzyklopädie: Arithmetisches Mittel, Online im Internet: URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Arithmetisches_Mittel (Zugriff am: 04.07.2012), 2012

Festschrift 40 Jahre Ibpm 431

Vortriebsunterbrechungen bei zyklischen Vortrieben

Vortriebsunterbrechungen bei zyklischen Vortrieben

Gerald Goger (Univ.Ass. 1998 bis 2002)

1 Einleitung

Zahlreiche Werkverträge für zyklische Tunnelvortriebe in Österreich werden auf der Grund- lage von spezifischen Vertragsbedingungen des jeweiligen Auftraggebers (AG) sowie von ausgewählten Werkvertragsnormen geschlossen. Eine wesentliche Rolle in Tunnelbauver- trägen spielen dabei in Österreich oftmals die nachstehenden Normen:

x ÖNORM B 2110 (2011) „Allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen“ oder x ÖNORM B 2118 (2011) „Allgemeine Vertragsbestimmungen für Bauleistungen unter Anwendung des Partnerschaftsmodells, insbesondere bei Großprojekten“ sowie x ÖNORM B 2203-1 (2001) „Untertagebauarbeiten – Teil 1: Zyklischer Vortrieb“

Im Zuge der bauwirtschaftlichen Betreuung von mehreren Tunnelprojekten hat sich für den Autor gezeigt, dass es bei Abweichungen von ausgeschriebenen Vortriebsklassen im Zuge der Vortriebsarbeiten zu unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten des normierten Be- griffes der „Vortriebsunterbrechung“ kommen kann.

Es soll mit dieser Publikation eine grundsätzliche Diskussion über die Anwendbarkeit der Bestimmungen gemäß ÖNORM B 2203-1 (2001) für „Vortriebsunterbrechungen“ bei Abwei- chungen von ausgeschriebenen Vortriebsklassen angeregt und auf eine missverständliche Begriffsbestimmung hingewiesen werden.

Hierzu werden zunächst relevante Passagen aus der ÖNORM B 2203-1 (2001) auszugswei- se angeführt. Die ÖNORM B 2203-1 (2001) definiert den Begriff der Vortriebsunterbrechung bei zyklischen Vortrieben gemäß Punkt 3.47 wie folgt:

„Zeit, in der im Vortriebsbereich1 Arbeiten durchgeführt werden, die jedoch nicht nach ver- einbarten Vortriebsklassen2 abgerechnet werden können und auch planmäßig nicht vorge- sehen sind.“

1 Punkt 3.42 der ÖNORM B 2203-1 (2001): „Arbeitsbereich im jeweiligen Teilquerschnitt mit definierter Länge, in welchem die Ausbruchsarbeiten und die festgelegten Stützmaßnahmen durchzuführen sind.“

Festschrift 40 Jahre Ibpm 433 Vortriebsunterbrechungen bei zyklischen Vortrieben

Darüber hinaus gilt für den Aufbau der Ausschreibungsunterlagen:

x „Für den zeitbestimmenden Arbeitsvorgang des Vortriebes - das können der Vortrieb des gesamten Querschnittes, der Kalotte allein oder andere Ausbruchsvorgänge sein - sind Bieterangaben zur Vortriebsgeschwindigkeit, getrennt nach Vortriebsklassen vor- zusehen.“3 x „Bei den Ausbrucharbeiten sind technisch erforderliche Lösemethoden (zB Sprengen, mechanisches Lösen), Unterteilung der Teilquerschnitte und Längsentwicklung des Vortriebsablaufes anzugeben.“4 x „Beim Auftreten von Mixed-Face-Bedingungen erfolgt die Vergütung grundsätzlich mit den Vortriebsklassen für Sprengarbeiten. Bei Mixed-Face-Bedingungen, die aus geo- mechanischen Gründen ein Lösen mit Bagger oder TSM und nachfolgender Sprengar- beit erfordern, sind projektspezifisch Positionen zur Vergütung der Mehraufwendungen vorzusehen.“5

Hinsichtlich Ausmaß und Abrechnung von Vortriebsunterbrechungen regelt die ÖNORM B 2203-1 (2001) im Punkt 5.5.2.2 wie folgt:

„Treten im Zuge eines Vortriebes Ereignisse auf, die eine Unterbrechung des Vortriebes ver- ursachen oder Vortriebsarbeiten erfordern, die nicht nach vereinbarten Vortriebsklassen ab- gerechnet werden können, so ist wie folgt vorzugehen:

x Die zeitgebundenen Baustellengemeinkosten der Vortriebsphase werden mit den ent- sprechenden LV-Positionen für die tatsächliche Einsatzdauer weiter vergütet. x Die produktiven Lohnkosten der Vortriebsmannschaft werden über die erforderliche Einsatzdauer weiter vergütet (zB mit den Ansätzen der Urkalkulation, Vortriebsmann- schaft x MLP), soweit sie nicht aus anderen Positionen erlöst werden. x Die mengenabhängigen Kosten für Sonstiges werden primär über die bestehenden LV- Positionen und erst in Folge über geänderte oder zusätzliche Leistungen vergütet.

Innerhalb von 7 Arbeitstagen ist zu überprüfen, inwieweit eine Erhöhung oder Verringerung des Einsatzes der vorhandenen Ressourcen möglich ist. Zeitgebundene Kosten der Baustel- le, Gerätekosten der Baustelle und produktive Lohnkosten sind dementsprechend einver- nehmlich anzupassen (zB über Faktoren und Abrechnungsvereinbarungen).

2 Punkt 3.44 der ÖNORM B 2203-1 (2001): „Einteilung der Vortriebsarbeiten nach den bautechnischen Maßnahmen, welche der Verrechnung des Ausbruches und der Ermittlung der Vortriebsdauer die- nen.“ 3 Punkt 4.3.1.1 (4) der ÖNORM B 2203-1 (2001) 4 Punkt 4.3.2.1 der ÖNORM B 2203-1 (2001) 5 Punkt 4.3.2.2 der ÖNORM B 2203-1 (2001)

434 Festschrift 40 Jahre Ibpm Vortriebsunterbrechungen bei zyklischen Vortrieben

Die erforderliche Bauzeit bis zur Wiederaufnahme des Vortriebes wird der vertraglichen Vor- triebsdauer zugerechnet.“

Entsprechend einer oberstgerichtlichen Entscheidung6 ist die ÖNORM B 2110 nach der Rechtsprechung objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut, also unter Verzicht auf au- ßerhalb des Textes liegende Umstände, auszulegen.

Karasek7 führt diesbezüglich aus, dass ÖNORMEN anders als Gesetze nach der Rechtspre- chung objektiv, unter Beschränkung auf den Wortlaut, das heißt unter Verzicht auf außerhalb des Textes liegende Umstände, auszulegen sind, weil es sich bei der ÖNORM weder um die von einer der Vertragsparteien aufgestellten AGB noch um das Ergebnis von Vertragsver- handlungen der Parteien handelt, sondern um „kollektiv“ gestaltete Vertragsbedingungen, die von dritter Seite – dem Österreichischen Normungsinstitut – herausgegeben werden.

Der Autor geht unter Berücksichtigung dieser oberstgerichtlichen Entscheidung und der In- terpretation durch Karasek davon aus, dass dieser Grundsatz der wörtlichen Auslegung auf sämtliche ÖNORMEN und damit auch auf die ÖNORM B 2203-1 (2001) sinngemäß anzu- wenden ist.

Selbst wenn man der oberstgerichtlichen Vorgabe einer wörtlichen Interpretation von Nor- mentexten folgt, wird es trotzdem bei oftmals konfliktbeladenen Baustellen und nicht immer partnerschaftlich agierenden Vertragspartnern zu strittigen Auslegungen einzelner Bestim- mungen kommen, weil selbst eine wörtliche Interpretation dort und da unterschiedliche Sichtweisen zulässt.

Dieser Umstand kontroverser Vertragsinterpretationsmöglichkeiten ist insbesondere unter dem Aspekt der derzeitigen Realität in der Bauwirtschaft zu sehen8 :

x Das Know-how bei Planern und Baufirmen nimmt aufgrund des überhand nehmenden Preisdrucks immer mehr ab. x Professionelles Projektmanagement auf Bauherrnseite kommt vermehrt unter die Rä- der kostengetriebener Rationalisierungen. x Ausschreibungen sind zunehmend unausgewogen und fehlerhaft. x Termin- und Kostenvorgaben werden immer unrealistischer. x Der preisgetriebene Wettbewerb führt immer öfter zu stark unterdeckten Angeboten.

6 OGH 19.12.2007, 3 Ob 211/07m, ecolex 2008, 418 7 Karasek: Die Preisbasis und die Preisgrundlagen des Vertrages, BauAktuell, Juli 2012, Seite 118ff 8 Vavrovsky: Sachstandsbericht „Systemische Krise am Bau“, Heft 71, April 2012, Schriftenreihe der Österreichischen Bautechnik Vereinigung

Festschrift 40 Jahre Ibpm 435 Vortriebsunterbrechungen bei zyklischen Vortrieben

x Das Nachtragsmanagement boomt und wird immer aufwendiger. x Zwischen den Vertragspartnern herrscht vielfach Misstrauen und latenter Stellungs- krieg. x Die Zahl der unlösbaren Konflikte und Rechtsstreitigkeiten nimmt rapide zu. x Niemand mehr ist mit der Situation zufrieden. x Die eigentlichen Projektziele werden häufig völlig verfehlt.

Die vom Autor vorab zusammengefassten Bestimmungen der ÖNORM B 2203-1 (2001) für „Vortriebsunterbrechungen“ ergeben bei wörtlicher Interpretation ein eindeutiges Bild. Die Bestimmungen für „Vortriebsunterbrechungen“ können gemäß ÖNORM B 2203-1 (2001) bei Abweichungen von vertraglich vereinbarten Vortriebsklassen und bei Auftreten nicht plan- mäßig vorgesehener Leistungen schlüssig angewendet werden, selbst wenn der Vortrieb tatsächlich nicht unterbrochen wird.

Es müssen lediglich die Gründe für die Abweichungen von vertraglich vereinbarten Vor- triebsklassen und die Ausführung von planmäßig nicht vorgesehen Leistungen aus der Sphäre des Auftraggebers (AG) resultieren.

Die vorab getroffene Auswahl von normativen Bestimmungen unterlässt ganz bewusst eine ganzheitliche Betrachtung des Sachverhaltes und drängt sämtliche außerhalb des Nor- mentextes liegende Umstände in den Hintergrund.

Die vom Autor vorgenommene Auslese an Bestimmungen zielt unter wörtlicher Auslegung der ÖNORM B 2203-1 (2001) eindeutig darauf ab, bei Abweichungen von Arbeiten im Vor- triebsbereich und planlich überhaupt nicht vorgesehenen Arbeiten die normativ vorgesehe- nen Abrechnungsmodalitäten für Vortriebsunterbrechungen anstelle der ausgeschriebenen Vortriebsklassen ohne „Wenn und Aber“ anzuwenden.

Bei einer wörtlichen Auslegung wären demnach die Bestimmungen für Vortriebsunterbre- chungen selbst dann anzuwenden, wenn nicht ausgeschriebene und daher planmäßig nicht vorgesehene Stützmittel (zB Swellex-Anker statt SN-Anker) im Zuge der Vortriebsarbeiten eingebaut würden, auch wenn dieser geänderte Stützmitteleinbau weder wesentlichen Ein- fluss auf den Vortriebszyklus noch auf die Vortriebsleistungen hätte.

Eine - über die wörtliche Auslegung hinausgehende und somit rechtlich unzulässige - Inter- pretation mit „baubetrieblichem Hausverstand“ führt zu einem anderen Ergebnis. Unter die- ser Prämisse wäre zu argumentieren, dass die Norm mit den Bestimmungen für „Vortriebs- unterbrechungen“ lediglich das Ziel verfolgt, bei ausgewählten Sonderfällen im Vortrieb und

436 Festschrift 40 Jahre Ibpm Vortriebsunterbrechungen bei zyklischen Vortrieben

bei „wirklichen“ Vortriebsunterbrechungen (zB bei der Aufarbeitung von Verbrüchen oder bei der Umstellung der Vortriebsarbeiten von Vollausbruch auf einen Ulmenstollenvortrieb) einen klar definierten Abrechnungsmodus zu vereinbaren.

2 Fallbeispiel

Die Veranschaulichung der Problematik unterschiedlicher Interpretationsmöglichkeiten der ÖNORM B 2203-1 (2001) betreffend der Bestimmungen zu Vortriebsunterbrechungen erfolgt an einem konkreten Fallbeispiel, frei nach dem Motto von Dürrenmatt: „Der Wissende weiß, dass er glauben muss.“

2.1 Ausgangssituation

Ein Auftragnehmer (AN) wird mit zyklischen Vortriebsarbeiten für die Aufweitung eines Be- standstollens mit einem Ausbruchsquerschnitt von rd. 13,50 m² und einer Vortriebslänge von rd. 100 Meter beauftragt. Die Abbildung 1 zeigt die Regelquerschnitte des Aufweitungs- und des Bestandsstollen sowie eine schematische Stützmittelverteilung.

Abbildung 1: Regelquerschnitt mit Regelstützmittelverteilung [Schematische Darstellung]

Der Werkvertrag basiert beim konkreten Bauvorhaben sowohl auf den spezifischen Ver- tragsbestimmungen des AG, nachrangig sowohl auf der ÖNORM B 2110 (2011) als auch auf der ÖNORM B 2203-1 (2001). Aus dem geotechnischen Bericht zum Bauvertrag können vom AN für das Bau-Soll folgende Randbedingungen für seine Vortriebsarbeiten abgeleitet werden:9

9 Auszüge aus einem unveröffentlichten Gutachten von Dr. Plinninger und Dr. Goger, 2012

Festschrift 40 Jahre Ibpm 437 Vortriebsunterbrechungen bei zyklischen Vortrieben

x Es wird vorherrschend ein Bohr-/Sprengvortrieb erwartet, wobei sich das Vorhanden- sein eines unausgekleideten Bestandsstollens im Sinne einer nutzbaren freien Ober- fläche positiv auf die Sprengbarkeit (dh Bohrlochanzahl und Sprengmittelbedarf) aus- wirken wird. x Der Tunnelvortrieb kann ausschließlich im Vollausbruch erfolgen. x Im vereinbarten Leistungsverzeichnis sind lediglich Positionen für einen Vollausbruch vorgesehen. x Es findet sich in den vertraglichen Unterlagen keinerlei Hinweis auf einen Vortrieb in Teilquerschnitten. x Der Vertrag sieht keine mixed-face-Vortriebsbedingungen vor. x Grundsätzlich kann von einem günstigen Gebirgsverhalten ausgegangen werden, das überwiegend Abschlagslängen von > 1,70 m zulässt und nur untergeordnet den Ein- satz von Ausbaubögen erfordert. x Die Regelstützmittelpläne sehen insgesamt nur einen untergeordneten Stützmittelein- satz vor.

Statt der kalkulatorisch günstig anzusetzenden Erweiterung eines unausgekleideten Be- standsstollens im Vollausbruch in weitgehend „gutem“ Gebirge (SOLL) wird im IST tatsäch- lich ein mit einem massiven Ortbetongewölbe ausgekleideter Stollen angetroffen, der von stark gestörtem und zerlegtem Gebirge umgeben ist. Diese Umstände erfordern den Einsatz umfangreicher Sicherungsmittel und das Öffnen der Ortsbrust in Teilflächen.

Gegenüber dem Bau-Soll treten folgende, geänderte Randbedingungen für die Vortriebsar- beiten auf:

x Aufgrund der Wechselhaftigkeit der Verhältnisse ist eine stetige Anpassung der Aus- bruchsweise erforderlich, wobei das Bohr-/Sprengverfahren sowie mechanischer Aus- bruch stets nebeneinander eingesetzt werden müssen. x Der Abbruch der massiven Betoninnenschale des Bestandstollens beeinträchtigt die Vortriebsleistungen darüber hinaus massiv. x Der geringe Stollenquerschnitt und fehlende Ausweichmöglichkeiten wirken sich durch das mehrfach signifikante Umsetzen verschiedener Geräte ungünstig auf den Vor- triebszyklus und die Vortriebsleistung aus. x Ein Einarbeitungseffekt bei den Vortriebsarbeiten kann auf Grund der kurzen Stollen- länge zu keinem Zeitpunkt erreicht werden.

438 Festschrift 40 Jahre Ibpm Vortriebsunterbrechungen bei zyklischen Vortrieben

Abbildung 2: Schematische Gegenüberstellung der erwarteten (SOLL, links) und angetroffenen (IST, rechts) Verhältnisse bei der Aufweitung eines Zulaufstollens10

Es kann somit nach objektiver Analyse des Sachverhaltes eindeutig festgestellt werden, dass sich die Randbedingungen für die Vortriebsarbeiten beim gegenständlichen Bauvorha- ben vollständig geändert haben. Im Zuge der Vortriebsarbeiten werden vom AN zahlreiche Leistungen erbracht, die eindeutig nicht in den vereinbarten Vortriebsklassen beinhaltet sind und auch planmäßig nie vorgesehen waren. Die erforderlichen Vortriebsleistungen können somit weder nach vereinbarten Vortriebsklassen abgerechnet werden, noch sind zahlreiche dieser Leistungen überhaupt im Vortriebsbereich planmäßig dargestellt.

Der AN konnte (aufgrund dieser geänderten Baustellenrandbedingungen) seine vertraglich garantierten Vortriebsleistungen zu keinem Zeitpunkt erreichen. Daraus resultieren insbe- sondere - auf Grund des ausgeschriebenen Bauzeitmodells - Unterdeckungen bei den zeit- gebundenen Baustellengemeinkosten (zB Bauleitungspersonal, Vorhaltegeräte), bei den produktiven Lohnkosten der Vortriebsmannschaft und den Kosten der Leistungsgeräte.

Bei ausschließlich wörtlicher Interpretation der ÖNORM B 2203-1 (2001) sind somit sämtli- che Kriterien einer „Vortriebsunterbrechung“ im konkreten Fall erfüllt, ohne dass der Vortrieb tatsächlich unterbrochen worden wäre. Es stellt sich die Frage, ob die in der ÖNORM B 2203-1 (2001) vorgesehenen Abrechnungsbestimmungen für Vortriebsunterbrechungen tat- sächlich anzuwenden sind?

10 Abbildung aus einem unveröffentlichten geotechnischen Gutachten von Dr. Plinninger, 2012

Festschrift 40 Jahre Ibpm 439 Vortriebsunterbrechungen bei zyklischen Vortrieben

2.2 Leistungsabweichung oder Vortriebsunterbrechung?

Die gesamten Regelungen der ÖNORM B 2203-1 (2001) gehen davon aus, dass Ausbruch und Stützmitteleinbau sich gegenseitig beeinflussen und daher nur als Ganzes in einer Vor- triebsklasse erfasst werden können. In der jeweiligen Vortriebsklasse sind sowohl die Stütz- mittelmengen, als auch der Ausbruchsquerschnitt erfasst.

Nachdem im konkreten Fall die Ursachen der Leistungsabweichungen eindeutig in der Sphä- re des AG liegen, bestehen für den AN - so ferne die Bestimmungen gemäß Punkt 7.4.1 der ÖNORM B 2110 (2011) eingehalten werden - Anspruchsvoraussetzungen für eine Anpas- sung der Leistungsfrist und / oder des Entgeltes.

Im Zusammenhang mit der Ermittlung der Mehrkosten der Höhe nach bestehen im konkreten Fall - je nach vertraglicher Auslegung (reine Wortinterpretation oder Interpretation mit „bau- betrieblichem Hausverstand“) – nunmehr theoretisch zwei mögliche Zugänge.

Mehrkosten auf Basis „Leistungsabweichung“

Die Variante 1 zur Mehrkostenermittlung entspricht der ÖNORM B 2110 (2011) im Punkt 7.4.2 und würde somit den Grundsätzen einer Vertragsinterpretation mit „baubetrieblichem Hausverstand“ folgen:

„Ist mit einer Leistungsabweichung eine Verzögerung oder Beschleunigung der Ausführung verbunden, ist die Leistungsfrist entsprechend anzupassen, wobei auch die Folgen (zB Aus- fall-Folgezeiten) und jahreszeitliche Umstände zu berücksichtigen sind.

Der fordernde Vertragspartner hat eine MKF in prüffähiger Form vorzulegen. Die Ermittlung der neuen Preise hat auf Preisbasis des Vertrages und – soweit möglich – unter sachgerech- ter Herleitung von Preiskomponenten (Preisgrundlagen des Angebotes) sowie Mengen- und Leistungsansätzen vergleichbarer Positionen des Vertrages zu erfolgen.“

Demnach hätte der AN seine Mehrkostenermittlung auf Basis seiner kalkulatorischen Grund- lagen (zB Mittellohnpreis, Leistungsansätze in den einzelnen Klassen für Vortrieb und Stützmitteleinbau, Geräteeinsatzdauern, Umsetzzeiten) aufzubauen. Die Mehrkosten aus den Leistungsabweichungen wären – soweit möglich durch Inter- oder Extrapolation – aus den vorhandenen Vortriebsklassen und den dortigen Angaben abzuleiten.

440 Festschrift 40 Jahre Ibpm Vortriebsunterbrechungen bei zyklischen Vortrieben

Für Leistungen, die ursprünglich überhaupt nicht vorgesehen waren (zB im konkreten Fall der Abbruch der Betoninnenschale des Bestandstollens), müsste der AN vergleichbare Posi- tionen bei der Preisbildung (zB allfällige Positionen für einen Betonabbruch) heranziehen.

Die kalkulatorische Herleitung von Mehrkosten bei zahlreichen, sich überlagernden und in ihren Auswirkungen vielfältigen Leistungsabweichungen in Verbindung mit ursprünglich gar nicht vorgesehenen Leistungen ermöglicht beiden Vertragspartnern jedoch einen erhebli- chen Beurteilungsspielraum bei der Mehrkostenermittlung. Der AN wird versuchen „aus dem Vollen“ zu schöpfen und ausgefeilte theoretische Modelle zur Bewertung sämtlicher Er- schwernisse auf höchstem bauwirtschaftlichen Niveau vorlegen.

Im Gegenzug wird der AG eben diese theoretischen Ableitungen der Mehrkosten massiv anzweifeln, mit ursprünglich bereits vorhandenen Kalkulationsfehlern und Organisationsfeh- lern argumentieren und Eichungen an Referenzstrecken oder Stunden-Sollte-Ist-Vergleiche zur Plausibilisierung der Mehrkosten verlangen.

Streitfälle über die Höhe eines angemessenen Entgeltes sowie über eine zustehende Ver- längerung der Leistungsfrist sind im Lichte einer oftmals gelebten „Kultur der Nichtpartner- schaft“ auf Baustellen vorprogrammiert.

Die Einschaltung externer Sachverständiger zur Beurteilung diverser Sachverhalte ist in ei- nem solchen Spannungsfeld unausweichlich und erhöht mögliche Interpretationsvarianten von bauvertraglichen und bauwirtschaftlichen Bestimmungen um ein Vielfaches. Wie Kara- sek treffend ausführt11 steht der hierfür getätigte Aufwand vielfach in keiner Relation mehr zu den geltend gemachten Ansprüchen und ist für alle Beteiligten völlig unwirtschaftlich, außer für den Gutachter selbst.

Mehrkosten auf Basis „Vortriebsunterbrechung“

Die Variante 2 der Mehrkostenermittlung baut gemäß der höchstgerichtlichen Entscheidung auf einer wörtlichen Interpretation der Bestimmungen der ÖNORM B 2203-1 (2001) für Vor- triebsunterbrechungen auf und folgt damit einem klar definierten Abrechnungsmodus.

Nachdem im konkreten Fall nicht nach vereinbarten Vortriebsklassen abgerechnet werden kann (zB war ein Ausbruch in Teilquerschnitten überhaupt nicht vereinbart) und darüber hin- aus auch zahlreiche Leistungen planmäßig gar nicht vorgesehen sind (zB Abbruch der Be- toninnenschale im Bestandstollen), ergibt sich bei wörtlicher Interpretation ein eindeutiger

11 Karasek, Editorial, BauAktuell Juli 2012, Seite 113

Festschrift 40 Jahre Ibpm 441 Vortriebsunterbrechungen bei zyklischen Vortrieben

Anwendungsfall für die Bestimmungen für Vortriebsunterbrechungen gemäß Pkt. 5.5.2.2. der ÖNORM B 2203-1 (2001).

Demnach sind für die Ermittlung von Mehrkosten nur teilweise kalkulatorische Grundlagen heranzuziehen, im Wesentlichen stellt dieses Vergütungsmodell auf den tatsächlich benötig- ten Ist-Zeitaufwand ab:

x Die zeitgebundenen Baustellengemeinkosten der Vortriebsphase werden mit den ent- sprechenden LV-Positionen für die tatsächliche Einsatzdauer weitervergütet. Damit löst man sich vertraglich von den vereinbarten Vortriebsleistungen je Vortriebsklasse und stellt auf den tatsächlich benötigten zeitlichen Aufwand ab. x Ebenso werden die produktiven Lohnkosten der Vortriebsmannschaft über die erforder- liche Einsatzdauer weiter vergütet, soweit sie nicht aus anderen Positionen erlöst wer- den. Das tatsächlich eingesetzte Personal im Vortrieb wird somit de facto „in Regie“ vergütet. Ein ursprünglich vertraglich vereinbarter Zusammenhang zwischen garantier- ten Vortriebsleistungen und der Vergütung der produktiven Personalkosten besteht nicht mehr. x Die mengenabhängigen Kosten für Sonstiges werden primär über die bestehenden LV- Positionen und erst in der Folge über geänderte oder zusätzliche Leistungen vergütet.

Die Norm sieht lediglich vor, dass innerhalb von 7 Arbeitstagen zu überprüfen ist, inwieweit eine Erhöhung oder Verringerung des Einsatzes der vorhandenen Ressourcen möglich ist. Zeitgebundene Kosten der Baustelle, Gerätekosten der Baustelle und produktive Lohnkosten sind einvernehmlich anzupassen (zB über Faktoren oder Abrechnungsvereinbarungen).

Bei dieser Art der Mehrkostenermittlung werden die kalkulatorischen Elemente der Preisbil- dung (wie zB MLP oder Einheitspreise in den ZGK) fortgeschrieben. Im Wesentlichen erfolgt eine Vergütung der Aufwendungen in „Regie“. Die zustehende Leistungsfrist orientiert sich am tatsächlich erforderlichen IST-Zeitaufwand, die eingesetzten Kapazitäten (zB Personal- einsatz, Geräteeinsatz) werden an den IST-Zustand angepasst.

Umfangreiche theoretische Ableitungen von Mehrkosten aus kalkulatorischen Ansätzen in den einzelnen Vortriebsklassen, Diskussionen über Kalkulations- und Organisationsfehler sowie Eichungen an Referenzstrecken oder die Vorlage von Stunden-Sollte-Ist-Vergleichen sind nach diesem Berechnungsmodell schlichtweg nicht erforderlich.

442 Festschrift 40 Jahre Ibpm Vortriebsunterbrechungen bei zyklischen Vortrieben

3 Schlussfolgerungen

Die Definition des Begriffes „Vortriebsunterbrechung“ gemäß Pkt. 3.47 der ÖNORM B 2203- 1 (2001) erlaubt - im Sinne einer wörtlichen Interpretation - bei Abweichungen von vereinbar- ten Vortriebsklassen und der Ausführung von nicht planmäßig vorgesehenen Leistungen eine Abrechnung nach den Modalitäten für „Vortriebsunterbrechungen“, selbst wenn die Vor- triebsarbeiten tatsächlich nicht unterbrochen werden.

Eine Bindung an garantierte Vortriebsleistungen und kalkulatorische Preisgrundlagen in den vereinbarten Vortriebsklassen besteht für die Vertragspartner nach den Bestimmungen für „Vortriebsunterbrechungen“ nicht. Die zustehende Leistungsfrist orientiert sich am Ist- Zeitaufwand, die Ressourcen sind einvernehmlich zwischen den Vertragspartnern gemäß dem Ist-Aufwand anzupassen.

In diesem Zusammenhang stellt sich zusätzlich die (zugegeben „spitzfindige“) Frage, ob al- lenfalls im Zuge der Vortriebsarbeiten eingebaute (aber nicht ausgeschriebene und somit planmäßig nicht vorgesehene) Selbstbohrspieße oder Swellex-Anker bereits zur Geltendma- chung einer „Vortriebsunterbrechung“ berechtigen?

Die normierten Kriterien einer Vortriebsunterbrechung (Abweichung von vereinbarten Vor- triebsklassen und Ausführung von planmäßig nicht vorgesehenen Leistungen) wären bei wörtlicher Auslegung jedenfalls erfüllt.

Aus Sicht des Autors ergibt sich in der Beurteilung des Sachverhaltes eine „Grauzone“ in der Interpretation der Norm. Unter Benützung des „baubetrieblichen Hausverstandes“ dürfte die ÖNORM B 2203-1 (2001) mit Vortriebsunterbrechungen grundsätzlich nämlich etwas ganz Anderes „meinen“.

Eine Vortriebsunterbrechung liegt aus dem baupraktischen Verständnis heraus dann vor, wenn aufgrund der Gebirgs- bzw Gebirgswasserverhältnisse ein Vortrieb mit Abrechnung nach Leistungspositionen grundsätzlich nicht mehr möglich ist und der Vortrieb tatsächlich (zumindest kurzfristig) unterbrochen wird.

Gründe für eine solcherart nicht mögliche Abrechnung nach Leistungspositionen sind dann gegeben, wenn die im Vertrag für einen Vortrieb nach einschlägigen Positionen vorgesehe- nen Erschwernisobergrenzen überschritten sind (zB das beschriebene Gebirgsverhalten ist grundlegend verändert, die Menge des Gebirgswasserzutrittes vor Ort überschreitet wesent-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 443 Vortriebsunterbrechungen bei zyklischen Vortrieben

lich die zu erwartende Menge) oder wenn beispielsweise Verbrüche aufzuarbeiten oder Vor- triebsverfahren grundsätzlich abzuändern sind.

Die derzeit vorhandene Begriffsbestimmung für „Vortriebsunterbrechungen“ ist in diesem Zusammenhang jedoch eindeutig entgegen der grundsätzlichen Intention der Norm formu- liert und ermöglicht bei wörtlicher Auslegung bereits bei kleineren Abweichungen von ausge- schriebenen Vortriebsklassen und bei der Ausführung nicht planmäßig vorgesehener Leis- tungen die Anwendung der Bestimmungen.

Ein AG ist damit gezwungen bei Erstellung seiner Ausschreibung sämtliche Eventualitäten (wie zB den Einbau von unterschiedlichen Stützmitteln, das Auftreten von unterschiedlichen Szenarien im Vortrieb: Wechsel von Vollausbruch zu Kalotten-/Strossenvortrieb oder Teilflä- chenausbrüche, Umstellung der Vortriebsart von Spreng- auf Baggervortrieb) zu berücksich- tigen, um eine allfällige Anwendung der normativen Bestimmungen für „Vortriebsunterbre- chungen“ auf die nach „baubetrieblichem Hausverstand“ möglichen Anwendungsfälle zu be- schränken.

In der ÖNORM B 2203-1 (2001) sollte daher eine Präzisierung der Begriffsbestimmungen gemäß Punkt 3.47 für „Vortriebsunterbrechung“ erfolgen, um die Anwendung der Norm in diesem Punkt eindeutig (im Sinne der grundsätzlichen Intention der Norm) zu regeln.

Die derzeit aus Sicht des Autors bestehende Lücke zwischen einer rechtlich zwingend erfor- derlichen „wörtlichen Interpretation“ der Norm und der grundsätzlich nach „baubetrieblichem Hausverstand“ entgegenstehenden „Meinung der Norm“ sollte jedenfalls geschlossen wer- den.

Dipl.-Ing. Dr.Gerald Goger, Swietelsky Baugesellschaft mbH Wiedner Hauptstraße 56/5 1040 Wien

444 Festschrift 40 Jahre Ibpm Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

Jörg Ehgartner (Univ.Ass. 2008 bis 2011)

1 Einleitung

Die geplante Eröffnung des neuen Terminals „Skylink“ am Flughafen Wien sollte vor der Fußball Europameisterschaft, die im Juni 2008 stattfand, vollzogen. Eine Fertigstellung sine tempere (s.t.) gelang jedoch nicht – tatsächlich konnten am 05.06.2012 die ersten offiziellen Passagiere den neuen Terminal „Check-in 3“ benutzen. Einen Nachahmer fand der Flugha- fen Wien in Berlin. Der geplante Eröffnungstermin des „Berlin Brandenburg Airport Willy Brandt“ im November 2011 musste auf den 03.06.2012 verschoben werden. Die für 24.05.2012 angesetzte feierliche Eröffnung in Anwesenheit der deutschen Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel musste kurzfristig abgesagt werden. Ob der nun abermals neu angesetzte Termin im März 2013 gehalten werden kann, ist ungewiss – als wahrscheinlich gilt Sommer 2013.

Flughafenbauten sind keine „normalen“ Bauprojekte. Sie zeigen jedoch anhand des media- len Echos die Konsequenzen von Bauverzögerungen auf. Der online Spiegel spricht sogar von einem Usus, dass große Bauprojekte länger dauern und teurer werden als ihre Bauher- ren es gern hätten.

Ganz zu vermeiden sind Bauverzögerungen nicht, es gilt jedoch das Risiko zu minimieren sowie Vertragsgrundlagen zu schaffen, die eine Einigung bei Bauverzögerungen zulassen. Grundsätzlich ist ein Terminplan ein Plan über die zeitlichen Abläufe eines Vorhabens und für sämtliche produktionstechnische Vorgänge erforderlich. Zumindest einen Fertigstellungs- bzw Übergabetermin sollte der Auftraggeber (AG) mit dem Auftragnehmer (AN) vereinbaren, zB für ein Einkaufszentrum oder Wohnhausanlagen, die an zeitlich festgesetzte Mietverträge geknüpft sind. Darüber hinaus vereinbarte Termine können über einen Terminplan vertrag- lich beschlossen werden.

Für den AG ist ein Terminplan für den Gesamtfertigstellungstermin, für eigene Überlegungen in der Planungsphase, für vertraglich festgesetzte Pönalen für Zwischentermine und als Kon- troll- und Steuerungsmöglichkeit von Bedeutung. Für den AN ist ein Terminplan erforderlich, um die Reihenfolge, Abläufe und Abhängigkeiten der Tätigkeiten darzustellen sowie den Terminplan als Vorgabe für die Ausführung und ebenfalls als Kontroll- und Steuerungsmög-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 445 Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

lichkeit heranzuziehen. Das Bestreben des AN geht dahingehend, dass die Kapazitäten voll ausgenützt und dadurch die Herstellkosten minimiert werden.

Die vereinbarten Termine sind bei Leistungsabweichungen aus der Sphäre des AG die Grundlage für eine Terminplanfortschreibung. Leistungsabweichungen und daraus resultie- rende Bauzeitverlängerungen sind keine Seltenheit und stellen die Vertragspartner vor die Herausforderung einer übereinstimmenden Ermittlung. Da der fortgeschriebene Terminplan die Grundlage für Mehrkostenforderungen ist, die zeitgebundenen Kosten bis zu 12 % betra- gen können und hohe Pönalforderung schlagend werden können, ist der Einigung große Bedeutung zuzumessen. In dem folgenden Beitrag sollen die Grundlagen und Beispiele der Terminplanfortschreibung aufgezeigt werden.

2 Allgemeines

Unter der Bauzeit versteht man den Zeitraum zwischen dem Beginn der Ausführung und der Fertigstellung bzw der Abnahme, dh dem Zeitraum der Durchführung des Bauvorhabens. Die ÖN B 2110:2011 besagt in Pkt. 6.1.1:

Die Leistung ist unter Berücksichtigung der erforderlichen Vorbereitungszeit rechtzeitig zu beginnen und so auszuführen, dass sie zum vereinbarten Termin beendet werden kann.

Nach Jodl/Oberndorfer1 ist die Bauzeit jener Zeitraum, der für die Durchführung des Bau- vorhabens vertraglich vereinbart wird. Wird kein Zeitraum vereinbart, so ist die Bauleistung innerhalb einer angemessenen Frist zu erbringen. Das ABGB regelt in § 904, dass die zuge- sagte Leistung sogleich, nämlich ohne unnötigen Aufschub, gefordert werden kann.

Neben dem vereinbarten Leistungsumfang (Bau-SOLL) und dem vereinbarten Entgelt bildet die Bauzeit eine weitere Grundlage des Bauvertrages. Da im Vertrag in vielen Fällen nur der Fertigstellungstermin vom AG vorgegeben ist und auf baubetriebliche Zusammenhänge so- wie Intensitäten von Einzelleistungen wenig Rücksicht genommen wird, gewinnt das Thema „Bauzeit“ im Claim Management eine immer größere Bedeutung. Fortlaufende SOLL-IST Vergleiche bieten dem AN die Möglichkeit Bauverzögerungen rasch zu erkennen und den AG – sofern nachweislich in seiner Sphäre - damit zu konfrontieren.

Die vertragliche Vereinbarung bezüglich der Bauzeit reicht von der Festlegung des Fertig- stellungstermins über die Bindung an Zwischentermine bis zur Vorgabe der Abwicklung

1 Jodl/Oberndorfer, 2009, Handwörterbuch der Bauwirtschaft, 3., vollständig neu bearbeitete und er- weiterte Auflage, S. 71

446 Festschrift 40 Jahre Ibpm Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

durch einen detaillierten Bauzeitplan, der durch den AG erstellt wird oder durch einen Bau- zeitplan, der vom AN im Rahmen der Auftragsvergabe zu erstellen ist und Vertragsbestand- teil wird.

Für den Bieter ist die Bauzeit in der Kalkulationsphase von Bedeutung, da daraus folgende Kosten und Erkenntnisse resultieren:

x zeitgebundene Kosten und Ressourcenplanung: Angestelltenpersonal (zB Projektleiter, Bauleiter, Polier, Baukaufmann, Techniker, Vermesser), Kran und Kranfahrer, Magazi- ner, Anmietung von Lagerflächen, zeitlich begrenzte Genehmigungen usw. x Leistungsintensität und Einsatzplanung für Geräte und gewerbliches Personal (zB An- zahl der Partien) x Vorgabe der Tätigkeiten in den Winterperioden (zB Abdichtungs- oder Asphaltierungs- arbeiten)

3 Arten von Terminplänen

Dauer- und Ablaufplanung ergeben die Terminplanung. Dabei steht die Einhaltung der vor- gegeben Termine bei Minimierung der Herstellkosten im Vordergrund. Anordnungsbezie- hungen zwischen den Vorgängen, Vorgangsdauern, Pufferzeiten, Kapazitäten, finanzielle Mittel, Randbedingungen und technischen Möglichkeiten sind Grundlage zur Erstellung eines Terminplans. In Bezug auf die Detailgenauigkeit, die vom jeweiligen Zeitpunkt der Betrach- tung abhängt, unterscheidet man folgende Arten von Terminplänen:

x Meilensteinplan (auch Rahmenterminplan genannt): Dabei werden sogenannte Meilen- steine, wie Baubeginn, pönalisierte Zwischentermine für Teilleistungen (zB Fertigstel- lung Gründung oder Rohbau) und Bauende dargestellt, die durch Anordnungsbezie- hungen miteinander verknüpft werden. Vielfach werden Meilensteinpläne zur Projekt- übersicht verwendet, in denen beispielsweise auch Vergaben für Planungs- und Bau- leistungen als Meilensteine aufscheinen. x Übersichtszeitplan: Stellt ein Bauvorhaben in allen Projektphasen dar und soll dem AG einen Anhaltspunkt für Abläufe sowie speziell die Fertigstellung geben. x Ausführungsterminplan (auch Grobzeitplan, Ausführungszeitplan): wird in der Regel vom AN vor oder nach der Angebotsabgabe verfasst; stellt in verfeinerter Art die Aus- führung und auch Teilleistungen dar und ist zumeist Teil des Bauvertrags x Detailbauterminplan: erstreckt sich meist nur über einen Fertigungsabschnitt und dient zur Feinplanung

Festschrift 40 Jahre Ibpm 447 Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

Eine wichtige Information sind Anordnungsbeziehungen zwischen den Vorgängen, dabei unterscheidet man zwischen der klassischen Ende-Anfang Beziehung (zB der Beginn des Betoneinbaus erfolgt mit Fertigstellung des Schalungsvorgangs), Anfang-Anfang Beziehung (zB eine Woche nach dem Beginn der Aushubarbeiten kann mit der Spritzbetonsicherung begonnen werden), Ende-Ende Beziehung (zB zwei Wochen nach dem Ende der Sanitärin- stallation kann die Herstellung des Estrichs abgeschlossen werden) und Anfang-Ende Be- ziehung (zB drei Tage nach dem Beginn der Asphaltierungsarbeiten, kann die Umleitung fertig gestellt werden).

Folgende Darstellungsarten von Terminplänen werden üblicherweise verwendet:

x Terminliste x Netzplan x Balkenplan x Liniendiagramm x Bauphasenplan

3.1 Terminliste

Dabei handelt es sich um die einfachste Darstellungsart, bei der Vorgänge mit Vorgangs- nummer und –bezeichnung sowie dem Anfang und Ende aufgelistet werden. Eine Terminlis- te ist als grobe Übersicht gedacht und eignet sich für Bauvorhaben mit wenigen Teilarbeiten. Zusammenhänge zwischen den Vorgängen sowie eine Übersicht lassen sich nur schwer darstellen.

3.2 Netzplan

Laut DIN 69900: 2009, Pkt. 3.46 wird der Netzplan als grafische oder tabellarische Darstel- lung einer Ablaufstruktur, die aus Vorgängen bzw Ereignissen und Anordnungsbeziehungen besteht, bezeichnet. Laut Oberndorfer, Jodl2 werden die einzelnen Tätigkeiten (Vorgänge) durch Anordnungsbeziehungen verknüpft, mit Vorläufer und Nachläufer in den Gesamtablauf eingebunden und die Abhängigkeit auf einem kritischen Weg festgelegt. Dabei wird in einer Vorwärtsrechnung mit frühestem Anfang und Ende und einer Rückwärtsrechnung mit spätes- tem Anfang und Ende der Netzplan einer zeitlichen Berechnung unterzogen. Der Netzplan

2 Jodl/Oberndorfer, 2009, Handwörterbuch der Bauwirtschaft, 3., vollständig neu bearbeitete und er- weiterte Auflage, S. 171

448 Festschrift 40 Jahre Ibpm Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

findet Anwendung bei Detailplanungen für komplizierte Projektabläufe und ist im Microsoft Project als zweite Darstellungsart neben dem Balkenplan abrufbar.

D...Vorgangsdauer, FAZ…frühester Anfangszeit- punkt, FEZ…frühester Endzeitpunkt, SAZ…spätester Anfangszeitpunkt, SEZ…Frühester Endzeitpunkt, GP……gesamte Pufferzeit

3.3 Balkenplan

Der Balkenplan ist die gängigste Form der Terminplan-Darstellung, bei der die Vorgänge in unterschiedlicher Feinheit aufgetragen werden können. Vertikal: Vorgangsnummer, - bezeichnung, -dauer, Anfang, Ende, Vorgänger, Nachfolger und weitere frei wählbare Infor- mationen; Horizontal: Zeit in Monaten, Wochen, Tagen oder Stunden

Abbildung 1: Ausschnitt eines Balkenplans

3.4 Liniendiagramm

Ein Liniendiagramm ist die Darstellung eines Zeit-Weg, Zeit-Mengen oder Zeit-Leistungs- Diagramm, wobei die Vorgänge als Linien dargestellt werden und die Zeit (zB Arbeitstage oder Monate) i.d.R. auf der vertikalen Achse und der Weg (zB Stationierung in m oder km) auf der horizontalen Achse aufzutragen ist. Punktartige Bauteile (zB Schornsteine, Schächte) werden als senkrecht angeordnete Balken abgebildet. Anwendung findet diese Darstellungs- art bei Linienbaustellen, wie zB Erd-, Straßen oder Tunnelbaustellen. Lt. Müller/ Stemp- kowski3 liegt der große Mehrwert eines Zeit-Weg-Diagramms gegenüber dem Balkenplan bei Linienbaustellen vor allem in folgenden Punkten:

x generell bessere Übersichtlichkeit durch die zwei Dimensionen Zeit und Ort

3 Müller/Stempkowski, 2012, Handbuch Claim-Management, Linde Verlag Wien, S. 239

Festschrift 40 Jahre Ibpm 449 Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

x jeder Vorgang mit seinem aktuellen Leistungsfortschritt steht in direktem Zusammen- hang mit einer Ortsangabe (zB Kilometrierung einer Straße)

Abbildung 2: Ausschnitt eines Weg-Zeit Diagramms

3.5 Bauphasenplan

Mit einem Bauphasenplan kann der logische Ablauf eines Bauvorhabens grafisch gezeigt bzw jeweils ein besonderer Bauzustand einzelner Bauphasen dargestellt werden. Diese Art der Darstellung ist beispielsweise bei Verkehrsphasen oder bei Bauphasen im Brückenbau dienlich. Dabei ist für jede Verkehrsphase bzw für jeden Betonierabschnitt ein eigener Plan anzufertigen.

Abbildung 3: Ausschnitt eines Bauphasenplans

450 Festschrift 40 Jahre Ibpm Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

4 Begriffsdefinitionen aus der Terminplanung

Vorgang: Die DIN 69900: 2009, Pkt. 3.92 beschreibt einen Vorgang als Ablaufelement zur Beschreibung eines bestimmten Geschehens mit definiertem Anfang und Ende. Vorgänge sind mit folgenden Angaben anzugeben: Vorgangsnummer, -beschreibung (zB „Schalung Fundament Achse 1“ oder „Bewehrung und Beton Wände UG“), Anfang, En- de, Dauer, Verknüpfung mit einem Vorgänger (Vorgänger für „Bewehrung und Beton Wände UG“ ist der Vorgang „Schalung Wände UG“) oder einem Nachfolger sowie bei Bedarf Kapa- zitätsangaben (zB vier Mann für den Vorgang „Schalung Wände UG“). Der Detaillierungs- grad des Bauzeitplans wird mit der Definition des Vorgangs vorgegeben (grob: zB „Funda- ment und Stütze Achse 1“ oder „Tragwerk BA 1“; detailliert: zB „Stütze Achse 1 Schalung BA 1“).

Leistungswert: Produktionsmenge / -zeit (zB 30 m3/h Baggeraushub)

Aufwandswert: Produktionszeit / -menge (zB 1,0 h/m2 Herstellung Schalung)

In der Kalkulation werden die Aufwandswerte (h/m2 oder h/m3) zB mit dem Mittellohnpreis €/h und der Kehrwert des Leistungswerts zB mit dem Gerätepreis €/h multipliziert.

Kritischer Weg: Laut DIN 69900: 2009, Pkt. 3.36 ist der kritische Weg jener, der in einem Netzplan für die Gesamtdauer des Projekts maßgebend ist. Würde sich ein Vor- gang am kritischen Weg verschieben, würde sich die Fertigstellung des Bauvorhabens um jene Verschiebung verzögern. Am kritischen Weg befinden sich zwischen den Vorgängen keine Puffer, dh man hat keine Möglichkeit Vorgänge zu verlängern oder zu verzögern, ohne nicht eine verspätete Fertigstellung in Kauf nehmen zu müssen. In einem Bauzeitplan kann es nur einen kritischen Weg geben, dieser kann sich ändern, wenn in einer anderen Vor- gangsabfolge eine Verzögerung auftritt. Befindet sich ein bestimmter Anteil der Vorgänge am kritischen Weg (zB 25 % bis 30 %) ist im Besonderen auf die Überprüfung der Termine zu achten.

Aktivität: sind wiederkehrende Einzelvorgänge, für die eine Produktions- mittelgruppe, eine Menge (zB Asphaltierungspartie: 1 Fertiger, 3 Asphaltmulden, 1 Vibrowal- ze, 5 Gerätefahrer, 3 Asphaltierer) und eine Leistung (zB 20 to/h) festzulegen sind

Pufferzeit: Ein Puffer kann über den geplanten Verbrauch hinaus ver- braucht werden, dh es kann ein Vorgang vor einem Puffer um die Pufferzeit verlängert oder verzögert werden, ohne dass sich die Fertigstellung verzögert. Pufferzeiten können durch

Festschrift 40 Jahre Ibpm 451 Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

eine schnellere Baudurchführung des AN entstehen oder bereits im Vertragsterminplan vor- gesehen sein.

Exkurs Pufferzeit:

Roquette/Viering/Leupertz4 sind der Ansicht, dass ein Bauzeitplan nur dann auf einer realis- tischen Grundlage erarbeitet wurde, wenn er in einem gewissen Umfang auch Pufferzeiten enthält.

Dieser Auffassung sind auch Vygen, Schubert, Lang5, die dem AN anraten Pufferzeiten ein- zuplanen und diese dort anzuordnen, wo erfahrungsgemäß mit Schwierigkeiten zu rechnen ist, damit sich selbst verschuldete Verzögerungen nicht vertragsschädlich auswirken. In der Praxis sind mehrere Verzögerungen von unterschiedlichen Verursachern möglich. Dabei entstünde die Situation, dass der AN Pufferzeiten für schwierige Situationen eingeplant hat, diese auch aufgrund selbst verschuldeter Verzögerungen ausnützt – aber nicht überschreitet – und sich trotzdem mit Pönaleforderungen konfrontiert sieht, da Verzögerungen aus der Sphäre des AG, die unter dem Ausmaß der Pufferzeit liegen, auftreten. Vygen, Schubert, Lang sind der Meinung, dass eine solche rechtliche Würdigung nicht richtig sei.

Prinzipiell gebühren Pufferzeiten dem AN bzw stehen sie dem AN zur freien Verfügung, um Verzögerungen aus der Sphäre des AN abzudecken. Die ÖN B 2110: 2011, Pkt. 7.1 verlangt jedoch vom AN alles Zumutbare zu unternehmen, um Störungen zur vermeiden. Hat der AN eine Pufferzeit bereits in der Vergangenheit aufgrund einer Verzögerung aus seiner Sphäre verbraucht, kann dieser Zeitraum für eine Störung aus der Sphäre des AG nicht herangezo- gen werden. Die Frage, ob der AN die Pufferzeiten für Störungen aus der Sphäre des AG auflösen muss, ist für den Einzelfall zu klären. In den meisten Fällen wird eine Auflösung der Pufferzeiten Mehrkosten verursachen. Werden zukünftige Pufferzeiten aufgrund einer Stö- rung aus der Sphäre des AG aufgelöst und benötigt der AN zu einem späteren Zeitpunkt wieder diese Zeitreserve (vgl Karasek, Duve6 ) ist ihm diese wieder zurückzugeben, da Puf- ferzeiten genau für diese Fälle in Terminplänen vorgesehen werden.

Weiters ist vor der Terminplanfortschreibung zu klären, inwieweit Pufferzeiten aus dem Ver- trag hervorgehen. Wurde ein Terminplan als Vertragsbestandteil vereinbart und sind Puffer- zeiten ersichtlich, gelten diese auch als vereinbart, wobei die Leistungsintensität zu überprü-

4 Roquette/Viering/Leupertz, 2010, Handbuch Bauzeit, Rz 644 5 Vygen, Schubert, Lang, 2008, Bauverzögerungen und Leistungsänderungen, Teil B, Rz 95ff 6Karasek, Duve, 2009, Die Bauzeit im Bauvertrag – die baurechtliche und bauwirtschaftliche Betrach- tung, Tagungsband Bauerecht, 2009, Spezielle Probleme des Bauvertrages und die neue ÖNORM B 2110, TU Graz, S. 39

452 Festschrift 40 Jahre Ibpm Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

fen ist. In allen anderen Fällen hat der AN Pufferzeiten nachzuweisen, das ist jedoch übli- cherweise nur über Leistungswerte (zB 40 m3/h) und einem Geräteeinsatzplan sowie einer objektiven Betrachtung möglich.

5 Grundlage der Terminplanfortschreibung

5.1 Grundlage für Terminpläne

Wer den Terminplan anzufertigen hat, bestimmt der AG. Eine Möglichkeit ist, dass bei- spielsweise die örtliche Bauaufsicht im Auftrag des AG einen Terminplan erstellt und dieser als Teil der Ausschreibung Vertragsbestandteil wird. Eine andere Möglichkeit ist, dass der AN mit Zwischen- und Fertigstellungsterminen aus den Ausschreibungsunterlagen einen Terminplan verfasst. Dieser kann bereits als Teil des Angebots oder mit Beauftragung vom AG gefordert und damit Vertragsbestandteil werden. Fordert der AG keinen Terminplan ein, bleibt es dem AN überlassen, einen anzufertigen. Folgende Informationen dienen als Grund- lagen für die Erstellung eines Terminplans (Vorgabe AN bzw AG):

x Vorgaben aus der Ausschreibung: Leistungsbeschreibung inkl. Leistungsverzeichnis mit Mengenangaben, Fertigstellungs- und Zwischentermine, Terminpläne (AG) x Leistungsumfang - Bau-SOLL lt. Vertrag (AG)

ƒ Wo wird gebaut? zB im Gebirge auf 1.850 m, Salzburg, Südburgenland, grüne Wiese, enge Baulücke im 1. Bezirk in Wien, Südosttangente, Tauernautobahn, Ostautobahn ƒ Wann wird gebaut? zB Sommer- oder Wintermonate; erstreckt sich die Baustelle über einen oder mehrere Winter ƒ Wie wird gebaut? zB Verkehrsphasen - unter Verkehr oder mit Verkehrssperren; schweres oder nur leichtes Gerät aufgrund von Baulärm bzw Erschütterungen; Stahlbeton oder Stahl, DSV oder Bohrpfahlfundierung

x aus der Kalkulation folgen Aufwands- und Leistungswerte (AN) x Ressourcen- und Kapazitätenplanung bzw Anzahl der Geräte und gewerbliches Per- sonal (AN) x Genehmigungen, Verkehrsphasen (AN und AG) x Technische Voraussetzungen (AN und AG) x Abfolgebeziehungen (AN und AG) x Erfahrungswerte (AN und AG)

Festschrift 40 Jahre Ibpm 453 Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

5.2 ÖN B 2110: 2011

Laut Pkt. 4.2.1.3 der ÖNorm B 2110: 2011 sind in der Ausschreibung alle Umstände, die für die Ausführung der Leistung und damit für die Erstellung des Angebots von Bedeutung sind […] zB Terminfestlegungen […] festzulegen. Pkt. 6.1 enthält Bestimmungen zu Beginn und Beendigung der Leistung. Wie bereits in Kapitel 2 zitiert, ist die Leistung so auszuführen, dass sie zum vereinbarten Termin beendet werden kann. Zwischentermine sind nur dann verbindlich, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde.

6.1.2 Wurde für die Beendigung der Leistung kein Termin vereinbart, ist sie innerhalb einer angemessenen Frist zu erbringen.

Pkt. 6.5.1 definiert den Begriff Verzug - Verzug liegt vor, wenn eine Leistung nicht zur gehö- rigen Zeit, am gehörigen Ort oder auf die bedungene Weise erbracht wird.

Pkt. 7.4. trifft Regelungen bezüglich der Anpassung der Leistungsfrist und/oder des Entgelts. Voraussetzungen sind eine Anmeldung der Vertragsanpassung, eine Vorlage einer prüffähi- gen Mehrkostenforderung, die Beschreibung und Darlegung der Leistungsabweichung und der Nachweis, dass diese aus der Sphäre des AG stammt. Zudem ist eine Dokumentation beizulegen und eine Chronologie anzustreben. Die Ermittlung wird in Pkt. 7.4.2 geregelt - Ist mit einer Leistungsabweichung eine Verzögerung oder Beschleunigung der Ausführung ver- bunden, ist die Leistungsfrist entsprechend anzupassen, wobei auch die Folgen (zB Ausfall- Folgezeiten) und jahreszeitliche Umstände zu berücksichtigen sind.

5.3 Die Bedeutung des Terminplans

Für den AG ist der Terminplan von Bedeutung, da dieser den Fertigstellungstermin verein- bart bzw den Zeitpunkt vorgibt, ab dem das Bauwerk nutzbar ist. Für den AN hat der Ter- minplan Einfluss auf die Kosten. Das kommt in weiterer Folge wieder dem AG zu Gute. Der AN hat in der Angebotsphase und in der Arbeitsvorbereitung den Bauablauf so zu optimie- ren, dass die Herstellkosten (Einzelkosten und Baustellengemeinkosten) minimal sind. Da die zeitgebundenen Kosten je nach Gewerk zwischen 2 % und 12 % und die Gerätekosten zwischen 2 % und 15 % liegen, spielt die Bauzeit in der Kalkulationsphase und in der Ar- beitsvorbereitung eine wesentliche Rolle, da es speziell den unteilbaren Gerätanteil (zB ein Hydraulikbagger bei einer Leitungsverlegung) optimal auszunutzen gilt und die zeitgebunde- nen Kosten (zB Angestellte wie Bauleiter, Techniker usw. sowie Containermieten) bei länge- rer Bauzeit jedenfalls anfallen.

454 Festschrift 40 Jahre Ibpm Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

Die größte Bedeutung kommt dem Endtermin zu. Für Bauwerke, die technisch schwierig herzustellen sind (zB separates Betriebsgebäude) und bei der Vergabe verschiedener Ge- werke an verschiedene AN, ist es zum Teil unumgänglich, verbindliche Zwischentermine mit Pönalen zu vereinbaren.

Ein Vertragsterminplan, in dem Arbeitsschritte und ähnliches ersichtlich sind, hat für den AG keine unmittelbare Bedeutung. Wenn der Endtermin vom AN eingehalten wird, sind Dauer und Zeitpunkt der Ausführung der einzelnen Vorgänge für den AG unerheblich. Zum einem bietet dem AG der Terminplan eine Übersicht und gibt vor, wann und für welchen Zeitraum Genehmigungen einzuholen sind sowie wann welche Pläne bereitzustellen sind. Zum ande- ren stellt ein Terminplan ein für den AG praktisches Kontroll- und Steuerungsinstrument dar. Gerät der AN mit einem Vorgang in Verzug, kann mit einem laufenden Vergleich zwischen dem Vertragsterminplan und dem Bau-IST der AN auf Verzögerungen und erforderliche For- cierungen hingewiesen werden.

Spezielle Bedeutung besitzt ein Vertragsterminplan, wenn durch Leistungsstörungen aus der Sphäre des AG Bauverzögerungen entstehen und ein dieser Störungen angepasster Ter- minplan (Bau-SOLLTE) erstellt werden muss. Speziell bei mehreren Störungen mit folgen- den Bauzeitverzögerungen ist ein vorliegender Vertragsterminplan sehr hilfreich und bietet hierfür eine Grundlage. Dabei ist jedoch anzumerken, dass dieser Terminplan zumeist vom AN auf Grundlage des Bau-SOLL (Ausschreibungsunterlagen) erstellt wurde. Wurde hierbei das Bau-SOLL nicht korrekt ausgelegt und der Terminplan dem Bau-SOLL entsprechend nicht korrekt gezeichnet, ist trotzdem aufbauend auf diesem Terminplan das Bau-SOLLTE darzustellen (vgl Kalkulationsrisiko).

Beispiel (vgl Kropik in Wanninger7 ): Der AN hat in der Kalkulationsphase die Ausschrei- bungsunterlagen in einer Weise interpretiert, dass bei einem Baugrubenaushub der Grund mit Bodenklasse 6 zu klassifizieren war. Daraus folgend wurde mit einem Leistungsansatz von 35 m3/h und einer Menge von 1.500 m3 eine Bauzeit für diesen Vorgang von 42 Arbeits- tage (AT) ermittelt. Im Rahmen der Ausführung meldete der AN, aufgrund von Mehraufwen- dungen und einer Bauzeitverlängerung, Mehrkosten an, da sich nach einer Woche heraus- stellte, dass die Arbeiten trotz Aufstockung auf zwei Geräte ca 75 AT dauern würden (Leis- tungswert ca 10 m3/h). Aufgrund der Ausschreibungsunterlagen (zB Bodengutachten) war jedoch davon auszugehen, dass Bodenklasse 7 vorherrscht und daraus folgend mit einem entsprechend niedrigeren Leistungswert zu kalkulieren war. Der Leistungsansatz von 35

7 Kropik, 2010, Die wirtschaftliche Seite des Bauens, Festschrift zum 60. Geburtstag von Rainer Wan- ninger, Beitrag Bau-SOLL versus Kalkulationsannahmen, S. 401

Festschrift 40 Jahre Ibpm 455 Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

m3/h geht aus der offen gelegten Kalkulation hervor. Vergleichbar mit einem Kalkulationsirr- tum oder einer falschen Interpretation der Ausschreibungsunterlagen, liegt auch bei der Er- stellung des Terminplanes das Risiko beim AN.

Da eine Vertragsstrafe aufgrund eines Verzuges vereinbart sein muss - siehe ÖN B 2110: 2011, Pkt. 6.5.3.1 - sind die Einzeltermine in einem Vertragsterminplan für den AN nicht als verbindlich anzusehen.

5.4 Der Terminplan als Teil des Angebotes des AN bzw als Vertragsbestandteil

Bei Vertragsunterlagen ist zwischen einer Vereinbarung eines Endtermins, von Zwischen- terminen und eines gesamten Terminplans mit detaillierten Arbeitsschritten zu unterschei- den. Lt. Müller/Stempkowski8 wird empfohlen, die terminlichen Vorgaben des AG so gering wie möglich und so detailliert wie erforderlich zu machen.

Baubeginn: Gilt kein Baubeginn als vereinbart, besagt § 904 ABGB: Ist keine gewisse Zeit für die Erfüllung des Vertrages bestimmt worden; so kann sie sogleich, nämlich ohne unnöti- gen Aufschub, gefordert werden. Die ÖN B 2110: 2011, Pkt. 6.1.1 schreibt einen rechtzeiti- gen Beginn vor, um eine Beendigung der Leistung zum vereinbarten Termin zu gewährleis- ten. Wann mit der Ausführung zu beginnen ist, ist daher im Grunde baubetrieblich zu klären.

Baudauer: Wurde keine Vereinbarung der Bauzeit im Vertrag getroffen wird auf § 904 ABGB (siehe Baubeginn) und auf die ÖN B 2110: 2011, Pkt. 6.1.2: innerhalb einer ange- messenen Frist verwiesen.

Bauende: Eine vertragliche Vereinbarung des Bauendes ist besonders wichtig. Wurde kein Fertigstellungstermin vereinbart, ist das Bauende über den Baubeginn und die Baudau- er (siehe oberhalb) zu ermitteln. Mit Bauende ist das Bauwerk übergeben und muss zur Nut- zung durch den AG geeignet sein. Zu vereinbaren sind außerdem die Übergabe von Doku- menten (zB Prüfprotokolle, Bedienungsanleitungen usw.) sowie die Durchführung der Rest- arbeiten und der Zeitpunkt der Schlussrechnungslegung.

Zwischentermine: Zwischentermine gelten lt. ÖN B 2110: 2011, Pkt. 6.1.1 nur als verbind- lich, wenn diese auch ausdrücklich vereinbart wurden. Wenn verschiedene Gewerke an ver- schiedene Unternehmen vergeben werden, ist zu empfehlen, Zwischentermine in den Ver- trag aufzunehmen.

8 Müller/Stempkowski, 2012, Handbuch Claim-Management, Linde Verlag Wien, S. 240

456 Festschrift 40 Jahre Ibpm Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

5.5 Mitwirkungspflichten

Mitwirkungspflichten des AG

Alle vom AG zur Verfügung gestellten Unterlagen, verzögerte Auftragserteilung, Stoffe und Anordnungen (Leistungsänderungen) sind lt. ÖN B 2110: 2011, Pkt. 7.2.1 der Sphäre des AG zugeordnet und sind vom AG in einer Weise auszuführen, dass es für den AN möglich ist, die laut Vertrag vorgegeben Termine einzuhalten.

In der Praxis ist vielfach die verspätete Bereitstellung von Ausführungsplänen der Grund für Bauzeitverzögerungen. Die Übergabe von Plänen fällt in die Sphäre des AG, außer es wurde vereinbart, dass der AN die Planung in seinem Leistungsumfang hat. In vielen Fällen sind sich die Vertragsparteien uneinig, wann die Pläne vertraglich bereitzustellen sind.

1. Ist eine Planlieferliste mit Plannummern und Übergabedatum Vertragsbestandteil, liegt eine klare Regelung vor. Der AG hat, wie vertraglich vereinbart, die Ausführungspläne nach der vorgegeben Planlieferliste bereitzustellen.

2. Wenn ein Terminplan vertraglich vereinbart ist, sind vom AG die Pläne nach diesem zu liefern. Zu den Beginnterminen der Vorgänge bzw Abschnitte sind mögliche Vidierungs- fristen sowie nachfolgende Mindest-Vorlauffristen zu berücksichtigen:

a) Allgemeine Ausführungspläne: 3-5 Wochen9 b) Schalungspläne: 1-6 Wochen (je nach Schwierigkeitsgrad der Schalungsausführung)10 c) Bewehrungspläne11 : 2-4 Wochen12 d) Fertigteilpläne13 : 8 Wochen

3. Ist weder eine Planlieferliste noch ein Terminplan vertraglich vereinbart, ist der AG prinzipiell angehalten, entsprechend dem Baufortschritt die Ausführungspläne bereitzustel- len.

Die Vorlauffristen sind als untere Richtwerte zu verstehen und an die tatsächlichen Gege- benheiten anzupassen. Bei Änderungen der Umstände der Leistungserbringung (zB Forcie- rung durch Anordnung AG), die eine Adaptierung des Vertragsbauzeitplans erfordern, sind

9 lt. Kropik, 2009, Der Bauvertrag und die ÖNorm B 2110, Austrian Standard Plus, S. 128: 4-6 Wochen 10 Kropik, 2009, Der Bauvertrag und die ÖNorm B 2110, Austrian Standard Plus, S. 128 11 Kropik, 2009, Der Bauvertrag und die ÖNorm B 2110, Austrian Standard Plus, S. 128 12 lt. Karasek, 2009, Kommentar zur ÖNorm B 2110, Manz Wien, Rz 573: 3 Wochen 13 Karasek, 2009, Kommentar zur ÖNorm B 2110, Manz Wien, Rz 573

Festschrift 40 Jahre Ibpm 457 Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

die Planliefertermine dem Bauzeitplan anzupassen. Frühere Planlieferungen aufgrund einer Forcierung aus Bestreben des AN, können nicht einfach gefordert werden bzw sind mit dem AG abzustimmen. Sind weder Planlieferfristen noch ein Bauzeitplan vereinbart, hat der AG zumindest die Pläne in einer Form zu liefern, dass es dem AN möglich ist, den Fertigstel- lungstermin einzuhalten bzw alle vom AN abgerufenen Pläne zu liefern.

Zudem hat der AG lt. ÖN B 2110:2011, Pkt. 4.2.2 Angaben über Planlauffristen zu machen. Diese sind zur Einhaltung der Bauzeit von Bedeutung, da sowohl für die Lieferung als auch für die Ausführung Dispositions- (zB Einteilung der Bewehrungspartien), Planungs- (zB Ar- beitsvorbereitung für die Ausführung eines Lehrgerüstes) und bzw oder Lieferzeiten (zB fünf Arbeitstage für die Anlieferung von Bewehrungsstahl) zu berücksichtigen sind. Zusätzlich sind mögliche Vidierungsfristen zu beachten.

Der AG ist lt. ÖN B 2110: 2011 Pkt. 6.2.5.1 verpflichtet, für das ordnungsgemäße Zusam- menwirken seiner AN zu sorgen und insbesondere ihren Einsatz zu koordinieren. Dh wurden mehrere Unternehmer für verschiedene Gewerke (zB Fundierung, Erdbau, Baumeister, Fas- sade) vom AG beauftragt, hat der AG Koordinierungspflichten zu übernehmen, um gegensei- tige Behinderungen, die zu Bauzeitverlängerungen und in der Folge zu Mehrkosten führen können, zu vermeiden.

Wird der AG durch den AN beispielsweise auf eine Bauablaufstörung aus seiner Sphäre hin- gewiesen, die eine Bauzeitverzögerung nach sich zieht, ist der AG verpflichtet, in einem an- gemessenen Zeitrahmen eine Entscheidung über eine mögliche Forcierung zu treffen (For- cierung und Forcierungsmehrkosten versus spätere Fertigstellung und Mehrkosten durch die Bauzeitverlängerung).

Vielfach stellt eine vollständige Dokumentation die Grundlage für SOLL-IST Vergleiche und in weiterer Folge für Mehrkostenforderungen dar. Da der AN nachweispflichtig ist, ist eine klare und lückenlose Dokumentation - speziell für den AN - von großer Bedeutung. Der Pkt. 6.2.7.1 der ÖN B 2110: 2011 nimmt jedoch beide Vertragspartner in die Pflicht und besagt: Vorkommnisse (Tatsachen, Anordnungen und getroffene Maßnahmen), welche die Ausfüh- rung der Leistung oder deren Abrechnung wesentlich beeinflussen sowie Feststellungen, die zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr getroffen werden können, sind nachweislich festzu- halten. Weiters sind beide Vertragspartner zur Mitwirkung an einer gemeinsamen Dokumen- tation und der gegenseitigen Übergabe dieser verpflichtet.

458 Festschrift 40 Jahre Ibpm Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

Übersicht der Mitwirkungspflichten des AG

x zeitgerechte Planlieferung x Koordinierungspflicht bei Beauftragung mehrerer AN x Treffen von Entscheidungen x Dokumentation

Mitwirkungspflichten des AN

Der AN hat die Leistungen so auszuführen, dass der Fertigstellungstermin bzw der Vertrags- terminplan eingehalten werden kann.

Prinzipiell hat der AN sämtliche seiner Sphäre zugeteilten Risiken zu vertreten und darauf zu achten, dass daraus keine Verzögerungen entstehen. Dazu zählen lt. ÖN B 2110: 2011, Pkt. 7.2.2 das Kalkulationsrisiko sowie die Disposition der von ihm gewählten Lieferanten und Subunternehmern.

So wie der AG verpflichtet ist, Pläne rechtzeitig nach Planlauflisten oder Terminplänen zu liefern, ist der AN verpflichtet, Planlauflisten in Abstimmung mit dem AG zu erstellen, Ter- minpläne so abzustimmen, dass eine Planlieferung daraus ersichtlich ist und bei Unklarhei- ten oder bei fehlenden Regelungen, Pläne rechtzeitig beim AG abzurufen (inklusive Vorlauf- fristen und mögliche Vidierungsfristen).

Der AN hat lt. ÖN B 2110: 2011, Pkt. 6.2.4.1 ihm übergebene Unterlagen (zB Terminplan als Teil der Ausschreibung) zu prüfen und den AG bei Mängeln zu warnen. Ist dieser Terminplan sehr detailliert und umfangreich, ist diese Prüf- und Warnpflicht jedoch einzuschränken, da es dem Bieter nur schwer möglich ist, eine Terminplan mit mehreren hundert Vorgängen und unzähligen Verknüpfungen in Zusammenhang mit technischen Voraussetzungen zu überprü- fen.

Der AN hat den AG auf mögliche Bauzeitverzögerungen hinzuweisen, um ihm die Möglich- keit zu geben, beispielsweise durch eine Beauftragung einer Forcierung, eine Bauzeitverlän- gerung zu verhindern.

Neben der Koordinierungspflicht des AG bei mehreren beauftragten Unternehmern, haben sich auch die Unternehmer lt. ÖN B 2110: 2011, Pkt. 6.2.5.1 um eine Abstimmung ihrer Tä- tigkeiten zu bemühen und gegenseitige Behinderungen zu vermeiden. Bei unzureichender Koordination, ist der AG rechtzeitig darauf hinzuweisen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 459 Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

Bei der Dokumentation kommt dem AN eine noch wichtigere Rolle als dem AG zu (siehe Kapitel 5.5.1). Es wird jedoch festgehalten, dass eine Dokumentation nicht gleichbedeutend mit einer Mehrkostenforderung ist.

6 Terminplanfortschreibung – Bau-SOLLTE

6.1 Allgemeines und Definition

Das Bau-SOLL ist in der ÖN B 2110: 2011, Pkt. 3.8 wie folgt definiert: alle Leistungen des Auftragnehmers (AN), die durch den Vertrag, […] festgelegt werden. Der Begriff des Bau-IST ist in der ONR 22117: 2003, Pkt. 3.4 definiert: tatsächlich zu erbringende Leistung unter den angetroffenen Umständen der Leistungserbringung. Der Begriff Bau-SOLLTE ist nicht nor- miert. Das Bau-SOLLTE ist das um die Änderungen der Umstände der Leistungserbringung aus der Sphäre des AG erweiterte bzw angepasste Bau-SOLL, dh es beschreibt den Zu- stand, wären dem AN alle Änderungen bereits bei Angebotserstellung bekannt gewesen. Es kann sinngemäß als „störungsmodifizierter Bauablauf“ bezeichnet werden, ist jedoch nur eine theoretische Darstellung. Genschow und Stelter14 beschreiben das Bau-SOLLTE fol- gendermaßen: „Es muss der zeitliche Zustand beschrieben werden, welcher sich eingestellt hätte, wenn dem Auftragnehmer die Störungen zur Angebotsabgabe bzw zum Zeitpunkt der Auftragserteilung bekannt gewesen wären.“

Bau-SOLLTE = Bau-SOLL + Störungen aus der Sphäre des AG

Grundlage der Terminplanfortschreibung ist das Bau-SOLL bzw sofern vorhanden der Ver- tragsterminplan (sogenannte Terminplan-SOLL) bzw der Fertigstellungstermin. Alle Ände- rungen der Umstände der Leistungserbringung aus der Sphäre des AG sind in den SOLL- Terminplan einzuarbeiten → SOLLTE-Terminplan. Das ist ein Terminplan, den der AN inklu- sive Zusatzleistungen, Leistungsänderungen, Leistungsstörungen aus der Sphäre des AG zusätzlich zum Bau-SOLL dem AG schuldet. Es ist jene Bauzeit zu ermitteln, unter Berück- sichtigung der vertraglichen Randbedingungen (Leistungsintensität im Bau-SOLL) inklusive der Anpassungen aufgrund von Änderungen aus der Sphäre des AG, die dem AN zur Durch- führung des Bauvorhabens zusteht. Nur wenn Störungen nachweislich in der Sphäre des AG liegen, hat der AN das Recht auf Anpassung der Leistungsfrist.

Verzögerungen aus der Sphäre des AN sind in der Terminplanfortschreibung nicht zu be- rücksichtigen. Daher muss der SOLLTE-Bauzeitplan nicht mit dem IST-Bauzeitplan überein-

14 Geschnow, Stelter, 2007, Störungen im Bauablauf, Köln, Werner Verlag, S.60

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stimmen, da der AN entweder durch eigenes Verschulden langsamer oder durch eigenes Engagement schneller gearbeitet haben kann.

Wenn sich durch Verschiebungen von Vorgängen der Zustand einstellt, dass Bauabläufe im Bau-SOLLTE parallel auszuführen sind (zB Brückentragwerksherstellung Brücke A und B) ist bezüglich der Kapazitätenplanung die Zumutbarkeit des AN zu beachten. Weiters ist bei der Vertragsanpassung auf Pufferzeiten Rücksicht zu nehmen, da diese prinzipiell dem AN zu- stehen. Hat der AN durch eigenes Verschulden Pufferzeiten aufgebraucht, ist dieser Zeit- raum auf jeden Fall dem AN zuzurechnen. In den meisten Fällen kommen Pufferzeiten erst zum Tragen, wenn durch Umstellungen im Bauablauf eine andere Vorgangsabfolge, die im Bau-SOLL parallel zum kritischen Weg abläuft, zum kritischen Weg wird.

Bei der Terminplanfortschreibung ist prinzipiell in der Darstellung zwischen folgenden Fällen zu unterscheiden:

a) Verschiebung eines Vorganges: Anfang verschiebt sich - Dauer bleibt gleich b) Verlängerung eines Vorganges: Anfang bleicht gleich - Dauer verlängert sich c) Unterbrechung eines Vorganges: Anfang bleibt gleich - Vorgang wird unterbrochen - Ende verschiebt sich um den Zeitraum der Unterbrechung

6.2 Grundlagen der Terminplanfortschreibung x Bau-SOLL x Vertragsterminplan x Ausschreibungsunterlagen:

ƒ Vertragsbestimmungen ƒ Leistungsbeschreibung ƒ Pläne, Gutachten usw.

x Aufwands- und Leistungswerte der angebotenen Einheitspreise bzw Angebotskalkula- tion (Detailkalkulation) x Plananforderungsliste und Planeingangsliste (wenn vorhanden) x Daten aus der Lohnverrechnung

Festschrift 40 Jahre Ibpm 461 Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

x Mehrkostenforderungen x Abrechnung x Dokumentation:

ƒ Schriftverkehr, zB Behinderungsanzeigen ƒ Bautages- und Polierberichte ƒ Baubucheintragungen ƒ Besprechungsprotokolle, Aktenvermerke ƒ Fotodokumentation ƒ E-Mail Korrespondenz

6.3 Mögliche Vorgehensweise bei der Erstellung des Terminplan- SOLLTE x Darstellung Bau-SOLL bzw Terminplan-SOLL x Darstellung IST bzw Terminplan-IST x Vergleich SOLL und IST und Nachweis der Abweichung vom SOLL x Darlegung der Ursache mit Sphärenzuteilung (zB verspätete Planübergabe), der Aus- wirkung auf den Bauablauf (zB verspäteter Anfang eines Vorganges am kritischen Weg mit dem Resultat einer Bauzeitverlängerung) und dem Nachweis des kausalen Zu- sammenhangs zwischen der Ursache und der Auswirkung; dh es ist nachzuweisen, dass die Auswirkung einer Bauzeitverlängerung auch tatsächlich durch eine Ursache aus der Sphäre des AG ausgelöst worden ist. x Hat der AN Verzögerungen zu vertreten, bleiben diese in der Betrachtung unberück- sichtigt. x Leistungsänderungen bzw Leistungsstörungen aus der Sphäre des AG werden als Bauzeitverlängerung in die Betrachtung der Bauzeitfortschreibung miteinbezogen. x Beispiele von Leistungsänderungen bzw Leistungsstörungen aus der Sphäre des AG:

ƒ Vorgänge sind aufgrund von Mehrmengen zu verlängern. Wenn es dem AN zumut- bar ist, sind Mehrmengen durch Ressourcenaufstockungen aufzufangen. ƒ Der Anfang des Vorganges ist bei einer Behinderung (zB verspätete Planübergabe, verzögerte Übergabe des Baufeldes, Verzögerung bei der Fertigstellung eines vor- laufenden Gewerkes durch einen anderen Unternehmer) um die Zeit der Verzöge- rung zu verschieben. ƒ Kann ein Vorgang nicht abgeschlossen werden, ist das Ende entsprechend im Bauzeitplan zu verschieben.

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ƒ Bei Erschwernissen (zB erschwerte Herstellung der Schalung aufgrund einer Leis- tungsänderung) ist der Vorgang zu verlängern.

x Anpassung der Bauzeit aufgrund zusätzlicher Leistungen: Die Basis für die Bauzeiter- mittlung stellen die Kalkulationen lt. Angebot und den beauftragten Mehrkostenforde- rungen dar. Durch zusätzliche Leistungen entstehen dem AN Mehrkosten und zusätzli- che zeitliche Mehraufwendungen. Die Mehrkosten sind dem AN mittels Mehrkostenfor- derungen zu vergüten. Sind diese Vorgänge am kritischen Weg, haben diese auch bauzeitverlängernde Wirkung und sind in die Bauzeitfortschreibung mit zusätzlichen Zeitdauern einzuarbeiten. x Darlegung der monetären Folgen der Bauzeitverlängerung

6.4 Beispiele

6.4.1 Verspätete Planübergabe (Planlauffristen sind vorgegeben)

Ausgangslage: Durch verspätete Planübergaben verzögert sich die Herstellung der Schalung eines Brückenwiderlagers.

Vorgehensweise: Zunächst sind Planlieferfristen lt. einer Planlieferlisten darzulegen. Liegt ein Planlieferdatum für den jeweiligen Plan vor, ist dieses mit dem tatsächlichen Lieferdatum zu vergleichen. Entscheidend für die Ausführung ist dabei immer der Ausführungsplan und nicht der Vorabzugsplan, der noch zu vidieren ist. Der AN würde bei der Ausführung nach den Vorabzugsplänen auf eigenes Risiko arbeiten. Resultiert aus dem Vergleich eine Diffe- renz, ist in weiterer Folge festzustellen, ob die Vorlauffrist für den jeweiligen Vorgang oder Bauabschnitt auch tatsächlich notwendig ist. Die Vertragspartner haben lt. ÖN B 2110:2011, Pkt. 7.1 alles Zumutbare aufzuwenden, um Störungen der Leistungserbringung abzuwenden oder deren Folgen so weit als möglich abzuwehren, sodass keine Mehrkosten entstehen. Ist eine kürzere Vorlauffrist zur Arbeitsvorbereitung, Bestellung, Lieferung oder Einteilung der Arbeitsschritte dem AN zumutbar, ist der ermittelte Zeitraum aus dem Vergleich aus SOLL und IST entsprechend zu verkürzen - Anmerkung: ist auf den jeweiligen Einzelfall anzupas- sen. Zudem ist zu überprüfen, ob der AN nach Überschreiten der Frist - auch schon des Vorabzugsplans - den AG nachweislich darauf hingewiesen hat.

Berechnung: Planübergabe Schalungsplan für das erste Brückenwiderlager lt. Planlieferlis- te: 28.02.2009; Planübergabe lt. Planeingangsstempel im IST: 30.03.2009; Differenz: 30 Kalendertage (KT); Beginn der Arbeiten lt. Vertragsterminplan: 02.04.2009; Vorlauffrist lt.

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SOLL: 4,5 Wo = 32 KT; Vorlauffrist im IST: 3 KT = 3 AT; Verkürzung der Vorlauffrist auf 2,0 Wochen = 14 KT (Annahme: 14 KT sind dem AN zumutbar); Beginn der Arbeiten lt. SOLLTE: 14.04.2009 (30.03.2009 + 14 KT = 14.04.2009); Differenz zum SOLL: 12 KT

6.4.2 Verspätete Planübergabe (Planlauffristen nicht vorgegeben, Vertragsterminplan vorhanden)

Vorgehensweise: Von dem Ausführungszeitpunkt lt. Vertragsterminplan ist anhand einer Vorlaufzeit das Planlieferdatum zu ermitteln, wobei noch zusätzlich mögliche Vidierungsfris- ten zu berücksichtigen sind. Sind keine Vorlauffristen zwischen dem Planeingang und der Ausführung vereinbart, sind dafür Zeiträume lt. Literatur bzw lt. Kapitel 5.5.1 mit Anpassung auf den Einzelfall anzunehmen und anhand dieser das Planlieferdatum zu ermitteln. In der Folge ist nach dem Beispiel „Verspätete Planübergabe (Planlauffristen sind vorgegeben)“ Kapitel 6.4.1 vorzugehen.

6.4.3 Verkleinerung der Abschnittsgrößen (zB Betonfundamente)

Ausgangslage: Laut Ausschreibungsplänen wären 13 Betonierabschnitte mit einer Größe von 10,0 x 12,0 m herzustellen. Tatsächlich gelangten 18 Abschnitte zur Ausführung.

Vorgehensweise: Zunächst ist als Nachweis ein SOLL-IST Vergleich, dh die Umstände der Leistungserbringung lt. Ausschreibung (Ausschreibungspläne) und jene im IST (Ausfüh- rungspläne) darzulegen. Möglicher Nachweis der verlängerten Bauzeit Mehrkosten: Durch vermehrte Arbeitsfugen, längere Ausschalfristen und anderer Taktfolgen wird eine verlänger- te Bauzeit für die Fundamentherstellung von 5 % angenommen. Im Vertragsterminplan wur- den eine durchschnittliche Vorgangsdauer von 1,6 Wochen und eine Gesamtdauer von 20,8 Wochen angegeben. Ein Nachweis der Mehrflächen der Schalungsherstellung (Anm.: die Mehrflächen werden über die Position „Schalung“ vergütet) und der Aufwandswerte sowie der Partiegröße ist beispielsweise anhand der Kalkulation herzuleiten. Zusätzlich ist eine Baudauer für vermehrte Wechsel zwischen den Bewehrungsarbeiten und Schalungsarbeiten und erschwerter Disposition begründet. Die zusätzliche Bauzeit von zB 5 % ergibt sich bei einer Baudauer von 20,8 Wochen mit ca 1,0 Woche. (Anmerkung: Mögliche Mehrkosten auf- grund Mehraufwendungen oder Erschwernisse werden an dieser Stelle nicht behandelt.)

464 Festschrift 40 Jahre Ibpm Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

6.4.4 Verspätete Übergabe des Baufeldes

Ausgangslage: Bei der Errichtung einer Brücke über eine Schnellstraße sollte der Bereich des zweiten Widerlagers 12 Wochen nach der Übergabe des ersten übergeben werden. Tat- sächlich wurde das Baufeld erst 19 Wochen später übergeben. Der Baubeginn erfolgte ver- tragsgemäß.

Vorgehensweise: Als Grundlage ist jener Ausschnitt aus dem Vertrag darzulegen, aus dem hervorgeht, wann das Baufeld laut Vertrag übergeben werden hätte sollen. Dazu dient bei- spielsweise ein Auszug aus dem Vertrag oder sofern nicht vorhanden, ein aus dem Vertrags- terminplan logisch folgender Übergabetermin oder ein Schriftverkehr, wann das Baufeld zu übergeben ist. Aus dem Baubeginn plus 12 Wochen resultiert der Übergabetermin für das Baufeld auf der anderen Seite der Schnellstraße. Als Nachweis kann eine Baubucheintra- gung, ein Verweis im unterfertigten Bautagesbericht oder ähnliches dienen. Demgegenüber ist der tatsächliche Übergabetermin zu stellen. Prinzipiell hat der AN den AG bei dessen Versäumnis darauf hinzuweisen, dass das Baufeld bei sonstiger Bauzeitverzögerung über- geben werden muss. Ist der Übergabetermin gleichbedeutend der Anfang eines Vorgangs zur Ausführung, ist ein Verzögerungsbalken vom SOLL Termin bis zum IST Termin im Ter- minplan einzufügen. Auswirkungen auf die Gesamtbauzeit hat jene Verzögerung jedoch nur, wenn die Vorgänge am kritischen Weg liegen.

6.4.5 Leistungsstörung mit bauzeitverlängernder Wirkung aus der Sphäre des AG und des AN (vgl Krammer, Kropik )15

Ausgangslage: Die Bauzeit beträgt 212 KT. Der AG hat durch einen Planlieferverzug und durch Witterungseinflüsse insgesamt 23 KT Bauzeitverzögerungen zu vertreten. Der AN hat durch eigene Verzüge einer Bauzeitverzögerung von 13 KT zu verantworten.

Vorgehensweise: Es ist jeweils ein Terminplan im SOLLTE mit den Verzögerungen aus der Sphäre des AG, aus der Sphäre des AN und aus der Sphäre des AG und des AN zu zeich- nen. Dabei resultieren im Bau-SOLLTE für den AG (Bau-SOLL + Änderungen aus der Sphä- re des AG) 235 KT, für den AN (Bau-SOLL + Änderungen aus der Sphäre des AN) 225 KT und für den AG und den AN 241 KT Gesamtbauzeit.

15 Krammer, Kropik, 1999, Mehrkostenforderungen im Bauvertrag, Österreichischer Wirtschaftsverlag, S. 393

Festschrift 40 Jahre Ibpm 465 Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

Bauzeitverlängerung Sphäre AN und AG: A = 241 KT – 212 KT = 29 KT (Δ SOLLTE AG und AN– SOLL)

Bauzeitverlängerung Sphäre AG: B = 235 KT – 212 KT = 23 KT (Δ SOLLTE AG – SOLL)

Bauzeitverlängerung Sphäre AN: C = 225 KT – 212 KT = 13 KT (Δ SOLLTE AN – SOLL)

Aus dieser Berechnung kann man eine SOLLTE Bauzeit wie folgt berechnen:

D = A x B / (B + C) = 29 KT x 23 / (23 + 13) = 19 KT

6.4.6 Mögliche Mehrkosten anhand von Beispielen

Mehrkosten aufgrund von Erschwernissen, Forcierungen, Leistungsverdünnung u.ä. sind als Mehrkostenforderung als solches und nicht als Mehrkostenforderung aufgrund von Bauzeit- verzögerungen abzuhandeln.

Zeitgebundene Kosten:

ÖN B 2061: 1999, Pkt. 5.2.3: Zeitgebundene Kosten fallen bei der Leistungserbringung in annähernd gleich bleibender Höhe je Zeiteinheit an und laufen auch bei Bauunterbrechun- gen weiter, bei längerer Dauer der Unterbrechung allenfalls in verringerter Höhe.

x Angestellte: zB Projektleiter, Bauleiter, Baukaufmann, Sekretariat, Techniker, Vermes- ser, Polier, Reinigungskraft x Gewerbliches Personal: zB Polier, Magaziner, Kranfahrer x Miete für die Baustelleneinrichtung: zB Büro-, Magazin-, Werkstatt-, Sanitär- und Mannschaftscontainer x Gerätekosten / Vorhaltegeräte (sind keiner Leistungsposition zugeordnet): zB Hebegrä- te (Montagekran inklusive Ausrüstung), Dumper x Fahrzeuge: zB PKW für Angestellte, Kleinbusse für Arbeiter x Kleingeräte: zB Spannungswandler, Innenvibrator, Trommelmischer, Krankübel, Vibroplatte, Kompressor, Verteilerschränke, Handbohrmaschinen, Kettensäge, Tisch- kreissäge, Nivelliergerät, Theodolith, Aggregate x Versorgungs- und Infrastrukturkosten: zB Strom, Wasser, Gas, Abwasser, Heizung, Telefon, Fax, PCs, Laptops, Server, Kopiergeräte

466 Festschrift 40 Jahre Ibpm Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

x Erhaltungskosten: zB Baustraße, Winterdienst, Erschwernis für Verkehrssicherung, Wasserhaltung x Versicherungskosten x Verbausysteme (wenn diese in den zeitgebundene Kosten kalkuliert wurden): zB Spundbohlen

Anmerkung: nicht zu den zeitgebundene Kosten hinzurechnen sind beispielsweise:

x einmalige Kosten zB Prüfverfahren, Baustelleinrichtung allgemein (Errichtung Contai- ner, Aufbau Kran usw.) x Kleingeräte, die nur für ein Bauvorhaben angeschafft werden x mobile Hebegeräte, die bei durchgehender Unterbrechung von der Baustelle abgezo- gen werden können (wenn das Gerät bei Leistungsverdünnung durchgehend auf der Baustelle verweilt, sind die Kosten jedoch zu berücksichtigen) x Vorhaltegeräte, die von der Bauzeitverlängerung nicht betroffen sind x Arbeitsvorbereitung

Lt. ÖN B 2061: 1999, Pkt. 5.2.3 sind zeitgebundene Kosten in der Regel in eigenen Positio- nen zu kalkulieren.

Berechnungsarten:

x Sind diese auch tatsächlich in einer eigenen Position zB in €/Mo lt. Ausschreibung zu kalkulieren, sind die vergütungsfähigen Kosten (kalkulierte Kosten abzüglich der oben angeführten Aufwendungen) für die Zeit der Bauzeitverlängerung fortzuschreiben: zB 10.512,23 €/Mo; Bauzeitverlängerung 12 KT: 10.512,23 € / 30,42 KT x 12 KT = 4.146,84 € x Sind die zeitgebundenen Kosten in einer eigenen Position als Pauschale zu kalkulie- ren, ist wie folgt vorzugehen: zB 74.297,55 €/PA; Bauzeitverlängerung 12 KT: 74.297,55 € / 215 KT (Gesamtbauzeit) x 12 KT = 4.146,84 € x Ist keine eigene Position für die Kalkulation der zeitgebundenen Kosten vorgesehen und werden die zu kalkulierenden Kosten auf den Mittellohn lt. K3 Blatt umgelegt, sind die zeitgebundenen Kosten aus den Eigenleistungsstunden zu berechnen: zB 1.812.516,84 € Leistungssumme Netto: davon 668.774,82 € Lohn abzüglich Subunter- nehmer; Umlage laut K3 Blatt 12,50 %: 668.774,82 x 11,11 % = 74.297,55 € / 215 KT (Gesamtbauzeit) x 12 KT = 4.146,84 € x Wenn keine eigene Position in der Ausschreibung vorgesehen ist und auch keine Um- lage im Angebot ersichtlich ist, ist eine plausible Umlage der zeitgebundenen Kosten

Festschrift 40 Jahre Ibpm 467 Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

auf die gesamte Leistungssumme sowie als Vergleich eine Aufstellung der tatsächli- chen Kosten auf der Baustelle vorzunehmen. Die zeitgebundenen Kosten liegen im schweren Tiefbau ca zwischen 7 – 12 %, im Hochbau ca zwischen 4 – 8 % und bei Kleinbaustellen ca zwischen 2 – 6 %.

6.4.7 Verminderte Leistungsintensität

Ausgangslage: Abgesehen von den Mehraufwendungen der zeitgebundenen Kosten können auch folgende Mehrkosten durch Bauzeitverzögerungen und einer dadurch möglichen ver- minderten Leistungsintensität entstehen:

x Vorhaltung Schalungsmaterial: durch die verlängerte Bauzeit ist das Scha- lungsmaterial länger als kalkuliert vorzuhalten bzw erreicht das Schalungsmaterial nicht jene Einsatzwerte (zB 2,5 Einsätze je Monat) wie in der Kalkulation laut Bau- SOLL angenommen; durch die verlängerte Vorhaltung steigen allfällige Mietkosten x Vorhaltung Leistungsgeräte:

ƒ Ist ein Leistungsgerät im Einsatz (zB ein Hydraulikbagger bei einer kleinen Künet- tenbaustelle), ist das Gerät bei einer Bauzeitverlängerung bei gleichbleibender Leistungsmenge um den Zeitraum der Bauzeitverlängerung länger auf der Baustel- le. Die Kosten sind jedoch für den Anteil Reparatur und Betriebsstoffe abzumindern (siehe ÖNORM B 2110: 2011, Pkt. 8.2.5.1 „Stillliegezeiten: auf 75 % bei Abschrei- bung und Verzinsung und auf 25 % bei der Reparatur). ƒ Sind Leistungsgeräte teilbar (zB 12 LKW bei einer größeren Straßenbaustelle) be- steht die Möglichkeit die Anzahl der LKW der Leistungsintensität anzupassen. ƒ Sind Spezialgeräte (zB Tunnelgeräte wie ein Tunnelbohrwagen oder eine Tunnel- bohrmaschine, Mulden, Spezialabbruchbagger usw.) betroffen und kann kein adä- quater Einsatz für die Geräte gefunden werden oder ist ein Ab- und Wiederan- transport unverhältnismäßig kostspielig, sind für jene Spezialgeräte Stillstandskos- ten zu vergüten. ƒ Verbausysteme, wenn diese in die Leistungsposition umzulegen sind (zB Spund- bohlen) und die nachweislich nicht gesondert für die Baustelle angeschafft wurden, sind jedenfalls für die verlängerte Vorhaltung zu vergüten.

x Geschäftsgemeinkosten: Dabei handelt es sich um eine Fehlvergütung und nicht um Mehrkosten. Verzögerungen führen zu höheren Geschäftsgemeinkosten, da diese un- abhängig vom Leistungsfortschritt der Baustelle entstehen. Bei einer Bauzeitverlänge- rung sind die zentralen Dienste trotzdem oder teilweise gerade deswegen für die Bau-

468 Festschrift 40 Jahre Ibpm Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

stelle tätig. Da die Angestellten die Hauptumsatzträger sind, können aufgrund der län- geren Beschäftigung der Angestellten die entgangenen Einnahmen durch die Ge- schäftsgemeinkosten nicht erwirtschaftet werden. Sehr oft beruht ein großer Anteil des Umsatzes und der Vergütung der Geschäftsgemeinkosten auf Leistungen von Subun- ternehmern und Leiharbeitern. Es ist anzunehmen, dass bei einem Abbau der Mann- schaft Eigenpersonal behalten und Leihpersonal früher abgebaut wird. Mit Leihperso- nal kann ohne Angestellte kein anderwärtiger Umsatz lukriert werden. Die Angestellten sind jedoch durch das gegenständliche Bauvorhaben länger als vorgesehen gebunden. Lt. Karasek16 führen Verzögerungen zu höheren Geschäftsgemeinkosten, weil Ge- schäftsgemeinkosten unabhängig davon entstehen, ob sich die Bauabwicklung gerade auf einer Baustelle verlangsamt oder nicht. x Preisumrechnung: Wurden lt. Vertrag Festpreise vereinbart, sind vom Bieter die lt. Bau-SOLL zu erwartenden Preissteigerungen in den Angebotspreis einzukalkulieren. Bei einer Bauzeitverlängerung können die Preise stärker steigen als dies der AN in seinem Angebot berücksichtigen konnte. Werden beispielsweise Leistungen aufgrund einer Leistungsstörung aus der Sphäre des AG um 6 Monate später ausgeführt, kann der AN die Differenz zwischen der tatsächlichen Preissteigerung und der von ihm kal- kulierten Preissteigerung fordern: Leistung lt. SOLL im März 2009 (Preissteigerung 2,51 %) – Leistung im IST September 2009 (Preissteigerung 4,87 %); 120.000 € x 4,87 % - 120.000 € x 2,51 % = 2.832,00 €

6.4.8 Ein „über den Haufen geworfener“ Bauzeitplan

In einem Urteil vom 29.03.2012 (9 Ob 63/11x) beurteilte der OGH, dass bei einer Bauzeit von 6 Monaten Verzögerungen aus der Sphäre des AG von 3 Monaten das zeitliche Maß des Üblichen überschreiten und der Zeitplan damit „über den Haufen geworfen“ wird sowie die verbindliche Fertigstellungsfrist nicht gilt. Das Urteil ist eine Bestätigung jenes vom 23.02.1999 (1 Ob 58/98f), bei dem der OGH ebenfalls den Bauzeitplan als „über den Haufen geworfen“ beurteilte. Weitere folgten 2006 (8 Ob 156/06h) und 2008 (6 Ob 95/08a).

Für Oberndorfer17 zeigen sich zwei Grundmuster für Verzögerungen:

x Verzögerungen auf nicht kritischen Wegen, die bewirken, dass der AN immer wieder an unterschiedlichen Angriffsorten seine Kapazitäten einsetzen muss x Verzögerungen auf kritischen Weg mit einem unzumutbaren Ausmaß

16 Karasek, Kommentar zur ÖNorm B 2110, 2009, Manz Wien, Rz 1113 17 Oberndorfer in ZVB 2011/87, Wann ist ein Bauzeitplan „über den Haufen geworfen“?

Festschrift 40 Jahre Ibpm 469 Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

x Zudem sind lt. Oberndorfer in folgenden Fällen Bauzeitpläne „über den Haufen gewor- fen“: x Wenn bei einer Baustelle die Verzögerungen 30 % der Gesamtdauer betragen und damit die unternehmerische Disposition der Kapazitäten des AN gravierend beeinflusst wird. x Wenn zB bei einer Linienbaustelle die Verzögerungen 20 % der Gesamtdauer ausma- chen und immer wieder Behinderungen auf nicht kritischen Wegen auftreten, nicht kri- tische zu kritischen Wegen werden, die Kapazitäten zwischen mehreren Wegen sprin- gen müssen, um Arbeitsstillstände zu minimieren und sich so ein völlig neuer Ablauf- und Bauzeitplan ergibt, der eine Neuberechnung der Fertigstellungsfrist unsicher, wenn nicht unmöglich macht. Dh eine Fortschreibung aus dem Vertragsbauzeitplan, den Verzögerungen und der Kalkulation nicht mehr möglich ist.

7 Resümee

Bauverzögerungen sind in vielen Fällen unvermeidbar. Neben der verspäteten Fertigstellung können auch Mehrkosten entstehen – beispielsweise können alleine die Mehrkosten der zeitgebundenen Kosten bei einem Anteil von 12 %, und einer Gesamtbauzeitverzögerung von 40 % rd 3 % der Gesamtkosten betragen. Die Vertragspartner sind angehalten, bereits im Vorfeld und vor Entstehen der möglichen Bauverzögerungen Voraussetzungen für eine Terminplanfortschreibung zu schaffen.

Die Terminplanfortschreibung bzw das Bau-SOLLTE ist eine Addition des Bau-SOLL und den Störungen aus der Sphäre des AG. Das Bau-SOLLTE kann auch als „modifizierter Bau- ablauf“ bezeichnet werden und muss nicht mit dem Bau-IST übereinstimmen – auch nicht, wenn Störungen der Sphäre des AG zuzurechnen sind. Grundlagen sind u.a. der Terminplan aus dem SOLL, die Kalkulation, Dokumentationen und eine rechtzeitige Mehrkostenanmel- dung. Dem AG muss die Entscheidungsfreiheit obliegen, bei einer Bauzeitverzögerung ent- weder eine Forcierung oder eine Bauzeitverlängerung zu beauftragen. Durch die Nachweis- pflicht des AN, hat dieser darzulegen, ob die Störung in der Sphäre des AG liegt, die Bau- verzögerung in einem kausalen Zusammenhang mit der Störung steht, die Bauverzögerung am kritischen Weg liegt, welche zeitliche Auswirkungen die Bauverzögerung hat und wie hoch die Mehrkosten sind.

470 Festschrift 40 Jahre Ibpm Terminplanung „Anpassung der Leistungsfrist“

Dipl.-Ing. Jörg Ehgartner, Rechnungshof, 4B3 Infrastruktur- und Raumplanung Dampfschiffstraße 2 1030 Wien

8 Literaturverzeichnis

[1] Geschnow, Stelter, 2007, Störungen im Bauablauf, 2. Auflage, Köln, Werner Verlag

[2] Jodl/Oberndorfer, 2009, Handwörterbuch der Bauwirtschaft, 3., vollständig neu bear- beitete und erweiterte Auflage

[3] Karasek, 2009, Kommentar zur ÖNorm B 2110, 2. Auflage, Manz Wien

[4] Karasek, Duve, 2009, Die Bauzeit im Bauvertrag – die baurechtliche und bauwirt- schaftliche Betrachtung, Tagungsband Bauerecht, Spezielle Probleme des Bauver- trages und die neue ÖNORM B 2110, TU Graz

[5] Krammer, Kropik, 1999, Mehrkostenforderungen im Bauvertrag, Österreichischer Wirtschaftsverlag

[6] Kropik, 2009, Der Bauvertrag und die ÖNorm B 2110, Austrian Standard Plus

[7] Kropik, 2010, Die wirtschaftliche Seite des Bauens, Festschrift zum 60. Geburtstag von Rainer Wanninger, Beitrag Bau-SOLL versus Kalkulationsannahmen, Institut für Bauwirtschaft und Baubetrieb der Technischen Universität Braunschweig

[8] Müller/Stempkowski, 2012, Handbuch Claim-Management, Linde Verlag Wien

[9] Oberndorfer in ZVB 2011/87, Wann ist ein Bauzeitplan „über den Haufen geworfen“?

[10] Roquette, Viering, Leupertz, 2010, Handbuch Bauzeit, Werner Verlag Köln

[11] Vygen, Schubert, Lang, 2008, Bauverzögerungen und Leistungsänderungen, Werner Verlag Köln

Festschrift 40 Jahre Ibpm 471

Recycling-Baustoffe: Der Weg vom Abfall zum Qualitätsprodukt

Recycling-Baustoffe: Der Weg vom Abfall zum Qualitäts- produkt

Martin Car (Univ.Ass 1982 bis 1990)

Baustoff-Recycling wird in Österreich seit Jahrzehnten erfolgreich betrieben, seit 1991 nach definierten bautechnischen und umwelttechnischen Regelungen. Rahmenrecht- liche Bestimmungen sind zwischenzeitlich in Kraft getreten (europäische harmonisier- te Normen, Bauprodukteverordnung, finanzrechtliche Gesetze, landesrechtliche Best- immungen, Vorgaben durch den Bundesabfallwirtschaftsplan), die in der jeweiligen Ausgabe der Richtlinie für Recycling-Baustoffe Berücksichtigung fanden. Diese ist wiederum Basis für alle Standardisierten Leistungsbeschreibungen (LB-SW, LB-HB, LB-VI), die nach Bundesvergabegesetz (§ 97(2) BGBl. I Nr. 17/2006) für Öffentliche Auf- traggeber anzuwenden ist. Nach der 2011 veröffentlichten Bauprodukteverordnung sind bei jedem Bauvorhaben zwingend Recycling-Produkte zu verwenden.

1 Europäische Vorgaben

Seitens CEN wurden in den letzten Jahren mehrere harmonisierte Normen herausgegeben, die vom Grundsatz ausgehen, dass die Anforderung an die Anwendung, zB als Gestein, eu- ropaweit einheitlich definiert wird, unabhängig, ob es sich um Primärprodukte oder solche aus der Kreislaufwirtschaft handelt. So spricht die für das Recycling zentrale EN 13242 von Gesteinen als solche, die „natürlich, industriell hergestellt oder rezykliert“ sein können. Somit ist es dem bietenden/ausführenden Unternehmen überlassen, im Falle der Ausschreibung von Gesteinskörnungen Recycling-Baustoffe oder natürliche Gesteine zu verwenden. Weite- re europäische Normen, zB EN 13108-8 für Ausbauasphalt oder EN 12620 für gebundene Anwendung bilden weitere verpflichtende Vorgaben für die Anwendung von Recycling- Baustoffen.

Durch die Aufnahme der siebenten „Grundlegenden Anforderung“ nach der Bauproduktever- ordnung, die die Nachhaltigkeit als Voraussetzung für die Bauprodukteeigenschaft vorsieht, bekommen Recycling-Baustoffe eine zusätzliche Bedeutung. Unter den vielen, die Recyc- ling-Baustoffe betreffenden Regelungen, ist insbesondere Anlage 1, Punkt 7, hervorzuheben: Hier wird einerseits festgelegt, dass Bauprodukte recycling-gerecht produziert werden müs- sen, aber auch, dass zwingend Recycling-Baustoffe zu verwenden sind („Anhang 1, Pkt. 7:

Festschrift 40 Jahre Ibpm 473 Recycling-Baustoffe: Der Weg vom Abfall zum Qualitätsprodukt

“Für das Bauwerk müssen umweltverträgliche Rohstoffe und Sekundärbaustoffe verwendet werden.“). Durch die direkte Wirkung der Bauprodukteverordnung ist dies in Österreich um- zusetzen – national könnte dazu eine konkrete Recyclingquote vorgegeben werden. Überle- gungen dazu werden beispielsweise vom Land Niederösterreich dazu angestellt; in Zürich oder Niederlande werden derartige Mindestquoten schon angewendet.

2 Bautechnische Anforderungen

Obige Anforderungen nach CEN werden durch nationale Umsetzungsnormen (zB: ON B 3132, ON B 3131) für Österreich spezifiziert.

Die bautechnischen Anforderungen an Recycling-Baustoffe sind übersichtlich in der Richtli- nie für Recycling-Baustoffe zusammengefasst. Die bautechnische Klassifizierung erfolgt da- bei in 5 Güteklassen:

x Güteklasse S (frostsicher, frostbeständig, erhöhter Widerstand gegen Zertrümmerung) x Güteklasse I (frostsicher, frostbeständig) x Güteklasse II (frostsicher, frostbeständig, für untere ungebundene Tragschichten) x Güteklasse III (für hydraulisch gebundene Tragschichten, als Schüttmaterial; definier- ter Sieblinienbereich) x Güteklasse IV (wie Güteklasse III, nur definiertes Größtkorn)

Zur Erzielung der einsatzspezifischen Erfordernisse werden folgende Eigenschaften gefor- dert:

x Für die Standfestigkeit ein entsprechender Widerstand gegen Zertrümmerung (LA30, LA40, LANR) x Für die Tragfähigkeit eine entsprechende Bruchflächigkeit (C90/3, C50/30, CNR) x Frostbeständigkeit (F4, FNR) x Kornform (Sl40, SlNR)

Nach Einhaltung dieser Anforderungen sind für die Verwendung weitere relevante (Einbau)- Vorschriften zu beachten. Für den Hauptanwendungsbereich des Infrastrukturbaus ist die RVS, das Richtlinienwerk für das Straßenwesen, zu verwenden. Für die Verwendung im Oberbau ist nach RVS 03.08.63 der Einsatz von Güteklasse S oder I selbst für die obere ungebundene Tragschichte gem. RVS 08.15.01 vorgesehen, Güteklasse II für die untere Tragschichte. Der Anteil an Asphalt ist dabei begrenzt, dafür gibt es für Recycling-Asphalt eine eigene Bauweise, die ab Lastklasse III angewandt werden darf; diesen Fall regelt die

474 Festschrift 40 Jahre Ibpm Recycling-Baustoffe: Der Weg vom Abfall zum Qualitätsprodukt

RVS 08.15.02, diese ist für ungebundene Obere Tragschichten und als ungebundene Trag- schicht bei Rad- und Gehwegen, soferne recycliertes Asphaltgranulat zur Anwendung kommt, anzuwenden.

Die RVS 08.97.05 regelt den Einsatz von Ausbauasphalt für Asphaltmischgut.

Ein gesonderter Nachweis der Gesteinsklasse darf entfallen, wenn die Zugabemenge an Ausbauasphalt nicht mehr als 10 M-% beträgt. Die RVS 11.03.22 gibt dazu eine Entschei- dungshilfe bei der Verwertung von Asphaltgranulat für Asphaltmischgut: Grundsätzlich ist diese hochqualitative Variante zu bevorzugen, da hochwertige Rohstoffe nochmals genutzt werden – damit können die Produktionskosten gesenkt werden! Der Auftraggeber kann durch das Ausschreiben von Mischgut mit Ausbauasphalt einen umweltökologischen Beitrag leisten. Dabei kann ein schichtenweises Fräsen die hochwertige Verwertung von Ausbauas- phalt unterstützen.

In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass die dzt oft im kommunalen Bereich zur Anwendung kommende Verwendung von nicht weiter behandelten Fräsasphalt (Abfall) als Straßenbaustoff geltenden rechtlichen Regelungen (CE-Erfordernis, Altlastenbeitrags- pflicht) widerspricht – ein unlängst erschienenes Merkblatt des Baustoff-Recycling Verban- des gibt dazu Klarheit.

Für den Bereich des Erdbaus (zB Dammbauten) werden Recycling-Baustoffe unter Verweis auf die Richtlinie für Recycling-Baustoffe zugelassen und bilden oft die bautechnisch bessere Alternative. Die RVS 08.03.01 definiert sowohl die Baustoffe, als auch die Anforderungen an die Verdichtungs- und Tragfähigkeitseigenschaften der Erdbauwerke. „In Bezug auf die ver- wendeten Materialien wurden Recycling-Baustoffe entsprechend der Richtlinie des Österr. Baustoff-Recycling Verbandes, … womit insbesondere natürliche Ressourcen geschont und wiederverwendbare, aufbereitete Baustoffe für Erdbauwerke eingesetzt werden können.“ (Univ.Prof. Dr. Adam, FSV-aktuell Straße Oktober 2010).

Folgende Recycling-Baustoffe sind definiert und können gütegeschützt produziert werden:

x RA Recycliertes gebrochenes Asphaltgranulat x RAB Recycliertes gebrochenes Asphalt/Beton-Mischgranulat x RB Recycliertes gebrochenes Betongranulat x RG Recycliertes Granulat aus Gestein (natürliches und/oder recycliertes) mit ei- nem Anteil von mindestens 50 % sowie Beton und/oder AsphaltRMRecycliertes gebro-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 475 Recycling-Baustoffe: Der Weg vom Abfall zum Qualitätsprodukt

chenes Mischgranulat aus Beton und/oder Asphalt und mit einem Anteil von maximal 50 % Gestein (natürliches und/oder recycliertes) x RH Recyclierter Hochbausand; Recyclierter Hochbausplitt x RHZ Recyclierter Hochbauziegelsand; Recyclierter Hochbauziegelsplitt x RMH Recyclierte mineralische Hochbaurestmassen x RS Recycling-Sand x RZ Recyclierter Ziegelsand; Recyclierter Ziegelsplitt

Foto Recyclingmaterial RA 0/32 Foto Recyclingmaterial RB 0/32

Foto Recyclingmaterial RZ 0/32

3 Umwelttechnische Anforderungen

Die umwelttechnischen Anforderungen sind derzeit noch nicht auf europäischer Ebene ein- heitlich festgelegt und sind national zu regeln. Durch die letzte Fassung der ÖNORM B 3132 wurden die umweltrelevanten Punkte der Richtlinie für Recycling-Baustoffe im Rahmen der CE-Kennzeichnung verbindlich vorgeschrieben. Weiters sind diese Bestimmungen ident mit den Anforderungen nach BAWP 2011. Die Richtlinie wurde mit dem Lebensministerium ein- vernehmlich abgestimmt.

Die Umweltverträglichkeit wird zur Wahrung der Schutzinteressen, insbesondere des Grundwasserschutzes, mittels Qualitätsklassen zum Ausdruck gebracht:

476 Festschrift 40 Jahre Ibpm Recycling-Baustoffe: Der Weg vom Abfall zum Qualitätsprodukt

x Qualitätsklasse A+ kann sogar in hydrologisch sensiblen Gebieten zum Einsatz kommen. Der Einsatz ist in Wasserschongebieten und Gebieten mit einer wasserwirt- schaftlichen Rahmenverfügung grundsätzlich zulässig. x Qualitätsklasse A kann ebenso in hydrologisch sensiblen Gebieten eingesetzt wer- den, allerdings dabei nur in gebundener Form. x Qualitätsklasse B ist nur für hydrologisch weniger sensible Gebiete verwendbar, au- ßer es erfolgt eine Verwendung als Gestein für Beton oder Asphalt. x Qualitätsklasse C ist für den Einsatz im Deponiebau vorgesehen.

Ein Einsatz von Recycling-Baustoffen in Wasserschutzgebieten und im Grundwasser (unter- halb des HGW) ist verboten.

Die in den Recycling-Anlagen hergestellten Recycling-Baustoffe werden auf Grund ihrer Zu- sammensetzung unterschiedlichen Qualitätsklassen, die durch eine Parameterliste und die dazugehörigen Grenzwerte charakterisiert werden, zugeordnet.

4 Qualitätssicherung

Zentrales Element für den ökologischen Einsatz von Recycling-Baustoffen ist ein Qualitätssi- cherungssystem. Dies wird zusätzlich durch finanzielle Anreize gestützt: Das Altlastensanie- rungsgesetz sieht im Falle eines zulässigen bautechnischen Einsatzes von qualitätsgesicher- ten Recycling-Baustoffen, die im Mindestausmaß zur Verwendung kommen, die Beitragsfrei- heit vor. Damit können Recycling-Baustoffe in vielen Fällen ökonomisch günstiger zu Einsatz kommen als vergleichbare Naturbaustoffe. Dies nützen auch viele Bauherren, die unter Nut- zung des „erweiterten Marktes“ zusätzlich ökologisch vorteilhafte Beschaffung betreiben.

Der Recycling-Betrieb ist verpflichtet, die Eigenüberwachung (werkseigene Produktionskon- trolle) durchzuführen und für eine kontinuierliche Überwachung der Einhaltung festgelegter Anforderungen selber Sorge zu tragen. Arten und Häufigkeiten sind in der BRV-Richtlinie festgelegt. Im Erlass zum ALSAG ist weiters festgelegt, dass i.a. eine Fremdüberwachung durch ein akkreditiertes Labor – im Regelfall zweimal jährlich - zu erfol- gen hat. Recycling-Baustoffe, die den beschriebenen Anforde- rungen vollinhaltlich entsprechen, können mit dem Gütezei- chen für Recycling-Baustoffe ausgezeichnet werden. Eine ak- tuelle Liste, derzeit Oktober 2012, dieser gütegeschützten Gütezeichen für Recycling- Baustoffe kann beim BRV bezogen werden. Baustoffe

Festschrift 40 Jahre Ibpm 477 Recycling-Baustoffe: Der Weg vom Abfall zum Qualitätsprodukt

Dies entspricht auch den Anforderungen des BMLFUW an das Qualitätssicherungssystem. Eine Liste der gütegeschützten Recycling-Baustoffe wird vom Österreichischen Güteschutz- verband Recycling-Baustoffe herausgegeben und kann über www.brv.at eingesehen werden.

5 Anwendungsgebiete – 2012 zusätzliche Möglichkeiten

Die Hauptanwendungsgebiete für Recycling-Baustoffe lagen und liegen im Bereich der Ver- kehrsinfrastruktur, wie dies oben im Detail dargestellt wurde. Weitere Anwendungsbereiche liegen beispielsweise

x für RZ im Bereich der Dachbegrünung und des Sportplatzbaus x für RS als Bettungsmaterial im Leitungsbau x für die Oberflächenentwässerung sind in einer Mindeststärke von 50 cm sind geeig- nete Materialien aus dem Baurestmassenrecycling zulässig (vgl Deponieverordnung, Anhang 3, Pkt. 4.4) x für qualitätsgesicherte/gütegeschützte Recycling-Baustoffe der Qualitätsklasse A+ und A im notwendigen Deponiebau, auch für Bodenaushubdeponien (vgl Deponiever- ordnung 2008, §29 Abs.5) x für qualitätsgesicherte Recycling-Baustoffe für den Deponiebau von Deponien für nicht gefährliche Abfälle (Baurestmassen-, Massenabfall- und Reststoffdeponien) x für RB im Bereich der Betonherstellung x für RA im Bereich der Asphaltherstellung x für RMH im Bereich der Künettenverfüllung x für RVM (recycliertes, fließfähiges Verfüllmaterial) im städtischen Bereich zur Verfül- lung, wobei eine Selbstverdichtung zur Anwendung kommt

Erfreulich dabei ist, dass ein im Sommer 2011 als Entwurfspapier vorgestellter Entwurf einer ALSAG-Novelle die – derzeit vollkommen überzogene und ökologisch nicht vertretbare Bei- tragspflicht für alle Formen von Recycling-Baustoffen im Deponiebau – weitgehend zurück- nimmt und damit den Einsatz von bis zu 400.000 t Recycling-Baustoffen, vorwiegend aus dem Hochbau kommend, ökonomisch sinnvoll ermöglichen wird. Ein Inkrafttreten ist realisti- scher Weise vor 2013 allerdings nicht zu erwarten.

Mit 1. Jänner 2012 trat die Erhöhung der Altlastenbeiträge für Deponien (Erhöhung um ca 15%) in Kraft treten – damit muss für jede Tonne deponierte Baurestmasse statt 8€ nun 9,20€ an das Zollamt als Finanzabgabe abgeliefert werden! Für Recycling-Baustoffe gilt –

478 Festschrift 40 Jahre Ibpm Recycling-Baustoffe: Der Weg vom Abfall zum Qualitätsprodukt

unter Einhaltung der relevanten Bestimmungen – weiterhin vollkommene Beitragsfreiheit. Ein finanziell gewichtiges Argument pro Recycling!

Auch der Einsatz von Recyclingsand für Fernwärmeleitungen ist derzeit in einem übernatio- nalen Komitee in Ausarbeitung – auch diese Regelung könnte 2012 bis zu 40.000 t zusätzli- che Rezyklate aus Hochbaurestmassen in Österreich zum Einsatz bringen lassen.

Zusätzlich etabliert sich die Verwendung von „Schotterrasen“ für den Parkplatzbau etc (vgl www.schotterrasen.at). Ein Schotterrasen ist eine ökologische wie auch ökonomische Tech- nologie zur Oberflächenbefestigung, insbesondere geeignet für Flächen mit geringer Ver- kehrsbelastung sowie des ruhenden Verkehrs und Freiflächen. Seine Tragschicht wird mit geeigneten Gräsern und Kräutern begrünt und besteht aus Recyclingmaterial/Gestein be- stimmter Kornzusammensetzung, Oberboden bzw Kompost. Im Gegensatz zur Bodenver- siegelung durch Asphalt und Beton, erlaubt er die flächenhafte Versickerung von Nieder- schlägen. Schotterrasen trägt somit zur Entlastung des Kanalsystems und der Grundwas- sererneuerung bei. Er ist eine ästhetische Bereicherung für jedes Stadtbild und beeinflusst durch seinen Pflanzenbewuchs sowie seine offene Bauweise das Mikroklima positiv.

Nicht unerwähnt darf in diesem Zusammenhang die für 2013 erwartete Abfallendeverord- nung für Recycling-Baustoffe sein: Seitens des BMLFUW wird i.S. des AWG, §5 Abs. 2, eine Abfallendeverordnung für aufbereitete, qualitätsgesicherte Baurestmassen vorbereitet, die im Herbst 2012 in Stellungnahme gehen soll. Der Hauptvorteil liegt für Auftraggeber in einer zusätzlichen Rechtssicherheit, da die gesamte abfallwirtschaftliche Gesetzgebung nicht zur Anwendung kommt. Auch die Europäische Kommission möchte dieses Thema vorantrei- ben; Österreich könnte hier Vorbildwirkung erzielen!

6 Nachhaltigkeitsbetrachtung

Im Bauwesen fallen jährlich ca 6,6 Mio. Tonnen (Stand 2009) an mineralischen Baurestmassen an – Tendenz ansteigend. Davon werden 5,5 Mio. Tonnen in Verwertungsanlagen (Abbildung 6) behandelt – nur mehr 0,5 Mio. Tonnen wer- den deponiert, also weniger als 8%. Das Bau- wesen geht damit sehr sorgfältig mit dem quanti- tativ größten Abfallstrom Österreichs (ohne Be- Baustoff-Recycling-Anlage

Festschrift 40 Jahre Ibpm 479 Recycling-Baustoffe: Der Weg vom Abfall zum Qualitätsprodukt

trachtung des Bodenaushubmaterials) um – eine Recyclingquote von über 70% ist gewähr- leistet und bei gewissen Stoffströmen werden bis 95% erreicht!

Ein flächendeckendes Netz an Recycling-Anlagen (www.brv.at) sichert österreichweit die Produktion des hochwertigen Qualitätsbaustoffes (Abbildung 7). Damit wird auch der öko- nomischen Notwendigkeit entsprochen, Transportwege möglichst kurz zu halten, da die Transportkosten intensiv zu Buche schlagen. Parallel damit wird auch der ökologische As- pekt – geringe Transportweiten bedeuten weniger Lärm, Staub und CO2-Ausstoß – insbe- sondere hinsichtlich des Klimaschutzes gewahrt.

Österreichkarte der Baustoff-Recycling-Anlagen

Neben der Schonung an Deponievolumen, welches zunehmend begrenzt ist, ist durch Re- cycling-Baustoffe natürlich eine Ressourcenschonung gegeben. Direkt damit in Verbindung steht der Landschaftsschutz, der durch geringe Nutzung von Ressourcen entsteht.

Neben der rechtlichen Verpflichtung („Recycling vor sonstiger Verwertung und Deponierung“) und der volkswirtschaftlichen Notwendigkeit sprechen somit finanzielle Anreize, jahrzehnte-

480 Festschrift 40 Jahre Ibpm Recycling-Baustoffe: Der Weg vom Abfall zum Qualitätsprodukt

lange gute Erfahrung und die Sicherheit bundeseinheitlicher Regelungen für den Einsatz von qualitätsgesicherten/gütegeschützten Recycling-Baustoffen.

Dipl.-Ing. Martin Car Geschäftsführer Österr. Baustoff-Recycling Verband 1040 Wien, Karlsgasse 5

7 Literaturverzeichnis:

[1] Altlastensanierungsgesetz, BGBl. 299/1989 idgF

[2] Bundesabfallwirtschaftsplan 2011, Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Juni 2011

[3] Bundesvergabegesetz 2006, BGBl. I Nr. 17/2006 idgF

[4] Bauprodukteverordnung, Verordnung (EU) zur Festlegung harmonisierter Bedingun- gen für die Vermarktung von Bauprodukten, Nr. 305/2011

[5] Deponieverordnung 2008, BGBl. II Nr. 39/2008

[6] ÖNORM B 3131 Gesteinskörnungen für Beton - Regeln zur Umsetzung der ÖNORM EN 12620, 1. August 2010

[7] ÖNORM B 3132 Gesteinskörnungen für ungebundene und hydraulisch gebundene Gemische für Ingenieur- und Straßenbau - Regeln zur Umsetzung der ÖNORM EN 13242

[8] ÖNORM EN 12620 Gesteinskörnungen für Beton, 1. September 2008

[9] ÖNORM EN 13242 Gesteinskörnungen für ungebundene und hydraulisch gebundene Gemische zur Verwendung für Ingenieur- und Straßenbau, 1. März 2008

[10] ÖNORM EN 13108-8 Asphaltmischgut – Mischgutanforderungen – Teil 8: Ausbauas- phalt

[11] Liste der gütegeschützten Recycling-Baustoffe, Österreichischer Güteschutzverband Recycling-Baustoffe (GSV), Wien, Oktober 2012

[12] Merkblatt „Verwertung von Ausbauasphalt“, Österreichischer Baustoff-Recycling Ver- band (BRV), Wien, Februar 2011

Festschrift 40 Jahre Ibpm 481 Recycling-Baustoffe: Der Weg vom Abfall zum Qualitätsprodukt

[13] Richtlinie für Recycling-Baustoffe, Österreichischer Baustoff-Recycling Verband (BRV), Wien, 8. Auflage, September 2009

[14] RVS 03.08.63 Straßenplanung – Bautechnische Details - Oberbaubemessung, FSV, 1. April 2008

[15] RVS 08.03.01 Technische Vertragsbedingungen – Erdarbeiten, FSV, 1. Oktober 2010

[16] RVS 08.15.01 Technische Vertragsbedingungen – Ungebundene Tragschichten, Wien, 1. Juli 2010

[17] RVS 08.15.02 Technische Vertragsbedingungen – Unterbauplanum und ungebunde- ne Tragschichten – Ungebundene Tragschichten mit Asphaltgranulat, 1. März 2012

[18] RVS 08.97.05 Technische Vertragsbedingungen – Anforderungen an Asphaltmisch- gut, Wien, 1. Februar 2010

[19] RVS 11.03.22 Qualitätssicherung Bau – Straßenoberbau – Asphalt: Entscheidungs- hilfe bei der Verwertung von Asphaltgranulat für Asphaltmischgut, Wien, 1. August 2012

[20] Standardisierte Leistungsbeschreibung Verkehrsinfrastruktur (LB-VI), Österreichische Forschungsgesellschaft Straße – Schiene – Verkehr (FSV), Wien, Oktober 2010

[21] FSV-aktuell Straße, Beilage zur Zeitschrift „Straße + Autobahn“, Kirschbaum Verlag, Oktober 2010

482 Festschrift 40 Jahre Ibpm BIM-sustain: Building Information Modelling-gestützte Planung für nachhaltige Gebäude

BIM-sustain: Building Information Modelling-gestützte Pla- nung für nachhaltige Gebäude

Iva Kovacic (Post.-Doc 2002 bis dato)

Abstract

In diesem Paper wird das interdisziplinäre Forschungsprojekt „BIM_sustain“ (BIM- unterstützte Planung für nachhaltige Gebäude) vorgestellt. Das primäre Ziel des Projektes ist die Entwicklung der Strategien zur Gestaltung von Zeit- und Kosten-effizienten, BIM- unterstützten Planungsprozessen.

In der Folge wird der State-of-the-Art der BIM-unterstützten Planung analysiert und die Defi- zite und Potentiale der BIM-Werkzeuge bezüglich einer lebenszyklischen Gebäude- Optimierung erörtert.

Durch ein Experiment im Rahmen einer interdisziplinären Lehrveranstaltung mit Studieren- den aus der Architektur und dem Bauingenieurwesen soll die BIM-unterstützte Planung für ein nachhaltiges Gebäude von komplexer Geometrie simuliert und evaluiert werden. So kön- nen für die individuellen BIM-Werkzeuge maßgeschneiderte strategische Optimierungskon- zepte für den interdisziplinären Planungsprozess ausgearbeitet werden.

1 BIM in Planungsprozess

Unter dem Terminus BIM (Building Information Modelling) versteht man eine Objekt- orientierte digitale Repräsentation des Gebäudes, welche Interoperabilität und Datenaus- tausch im digitalen Format ermöglicht (Kviniemi, 2008). BIM ist vor allem als Prozess mit Schwerpunkt auf Modellbildung und Informationsaustausch zu verstehen (Succar, 2010).

Mit den stetig wachsenden technischen Möglichkeiten der verfügbaren BIM-Softwares steigt auch deren Marktanteil im Planungsbereich. Doch trotz des großen Interesses der Hochbau- Branche an dieser Arbeitsweise steht die Entwicklung des Kow-hows zur Gestaltung des Prozesses mit diesen neuen Werkzeugen immer noch stark im Hintergrund. Die steigende Komplexität des Planungs- und Bauprozesses, verursacht durch zunehmende Projektgrö- ßen, komplexere Gebäude-Geometrie, zahlreiche Anforderungen an die Gebäudeperfor- mance im Hinblick auf Energie- und Ressourceneffizienz, Gebäudezertifikate und viele ande-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 483 BIM-sustain: Building Information Modelling-gestützte Planung für nachhaltige Gebäude

re Faktoren, führt zu einer wachsenden Anzahl der am Planungsprozess beteiligten Diszipli- nen. Mit ihr erweitert sich auch das Spektrum der eingesetzten Spezialwerkzeuge, mit Hilfe derer die jeweilige Disziplin ein Bauvorhaben planerisch konzipiert, analysiert und darstellt.

Mit der Marktplatzierung ausgereifter BIM-Softwares kamen verstärkt Wünsche und Hoff- nungen der Praktiker auf, das gesamte Gebäude in einem gemeinsamen digitalen Modell abbilden zu können. Jedoch offenbart sich in der praktischen Anwendung der BIM-Methodik ein breites Spektrum an Problemfeldern: Beispiele für die technologischen Herausforderun- gen bilden dabei die Schnittstellenproblematik im Datentransfer der interdisziplinären Model- le, die heterogenen Datenstrukturen der unterschiedlichen Programme, die Art der Modellbil- dung und -Verwaltung bei immer größeren Datenmengen und vor allem die Gewährleistung einer jederzeitigen Kohärenz sämtlicher Daten durch automatisierte Synchronisation. Eben- falls sind semantische Problemstellungen zu identifizieren – sämtliche Disziplinen benötigen individuelle Informationen, die professionellen Sprachen sind ebenso unterschiedlich wie die Mittel und Methoden ein Gebäude abzubilden. Das Spektrum reicht dabei von den Listen für Projektmanagement und Ausschreibung über die reduzierten Scheibenmodelle der Trag- werksplanung für Erdbebensimulation bis hin zur vollständigen räumlichen Abbildung des Architekturmodells und den geometrisch komplexen Elementen der Gebäudetechnik.

Die optimale Verwaltung, Filterung und verlässliche Synchronisation dieser sehr unterschied- lichen Informationen im Kontext der in der Bauindustrie vorherrschenden, äußerst heteroge- nen Softwarestruktur bedingt ein hohes Maß an organisatorischer Vorarbeit, interdisziplinärer Absprache und technischem Know-how. Eine Musterlösung zur vollständigen Abdeckung dieses großen Aufgabenspektrums existiert bis dato nicht und ebenso fehlt es an unabhän- gigen Leitfäden, was im Regelfall zu einem hohen Kommunikations-, Organisations- und somit Zeitaufwand im Planungsprozess führt und großes Fehlerpotential in sich birgt.

Es ist generell festzuhalten, dass BIM-Werkzeuge sehr viel Potential aufweisen, allerdings sind sie aber durch die Software-Hersteller generell Technologie-getrieben. In einigen Län- dern (wie Skandinavien) wird BIM bereits durch regulative Richtlinien und Vorgaben ange- trieben. BIM weist als Werkzeug hohes Potential auf die gängigen Planungsprozesse grund- sätzlich zu verändern, jedoch ist dieses Potential nur im geringen Masse ausgeschöpft. Dies hat zahlreiche Gründe: Lückenhafte Interoperabilität der unterschiedlichen für die Herstellung der BIM-Modelle notwendigen Software-Pakete, nicht vorhandene Normen und Standardisie- rung und letztlich der bereits gut nachweisbare Widerstand gegenüber Innovationen in der Baubranche. Die Thematik ist auch extrem komplex, Expertenwissen ist notwendig und ein

484 Festschrift 40 Jahre Ibpm BIM-sustain: Building Information Modelling-gestützte Planung für nachhaltige Gebäude

Bewusstsein für das Potential der langfristig nachhaltigen Benefits für Unternehmen, aber auch jenes für die bebaute Umwelt ist noch äußerst mangelhaft (Prins, Owen, 2010).

2 Stand der Technik

Grundsätzlich erfährt BIM eine viel langsamere Akzeptanz in der Baupraxis als einst die 2D- CAD-Werkzeuge (Whyte et al, 2002).

Ganz im Gegensatz zu Europa und insbesondere Österreich ist die BIM-unterstützte Pla- nung in den USA bereits sehr weit verbreitet. Die wichtigste Studie zur BIM-Anwendung im westeuropäischen Raum (Großbritannien, Frankreich, Deutschland), welche den direkten Vergleich zur USA setzt, ist die aus 2010 stammende Studie von McGraw Hill: The Business Value of BIM in Europe (McGraw Hill, 2010). Die Studie identifiziert die BIM- Durchsetzung am US-amerikanischen Markt mit 50%, im westeuropäischen Raum hingegen mit nur 34%, jedoch ist der Erfahrungsgrad mit BIM in den untersuchten EU-Ländern wesentlich höher (24% der Unternehmen haben bereits fünf Jahre Erfahrung mit BIM, in den USA hingegen sind es nur 18%). Die Schlüssel-Frage der Praxis nach dem positiven Return of Investment (ROI) von BIM unterscheidet sich je nach Anwender sehr stark. In der westlichen EU ver- melden nur 40% der Generalunternehmer einen positiven ROI, in den USA sind es 75%, ganz anders bei Ingenieurbüros – 70% der westlichen EU-Ingenieure steigen mit positivem ROI aus, in den USA sind es 46% (McGraw Hill, 2010). Die Problematik der Bewertung (As- sessment) der BIM-Implementierung innerhalb des Unternehmens wird weiterhin angespro- chen – nur 18% der BIM-Einsteiger bewerten tatsächlich den Erfolg, 46% davon melden scheinbar einen ROI, welcher besser ist als ein Break-even.

Die zwei Themen (ROI und Assessment) traten auch durch die Interviews und Beobachtun- gen der Planenden und BIM-Software-Vertreiber hervor und sollten als Schlüsselfragen für die weitere Forschung behandelt werden.

In einem Land wie Österreich, in dem ein Durchschnitts-Architekturbüro aus 2,7 Angestellten besteht (Forlati, Isopp, 2008) und somit die Praxis dominiert, ist natürlich die Frage des ROI wegen der relativ hohen Anschaffungs- und vor allem Folgekosten, wie Schulungskosten für die Mitarbeiter, trotz technologischem Fortschritt und Produktionssteigerungsversprechen eine wesentliche, existentielle Entscheidung. Da die meisten Büros (insbesondere Architek- turbüros) projektorientiert sind, ist die Mitarbeiterfluktuation und damit der Know-how-Verlust sehr hoch. Die wichtige Erkenntnis bei der Implementierung der BIM-gestützten Planungs- methodik im Planungsbüro ist, dass es dabei um mehr als eine andere, neue Planungsme-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 485 BIM-sustain: Building Information Modelling-gestützte Planung für nachhaltige Gebäude

thode geht, es ist gleichzeitig eine Entscheidung, welche Unternehmenskultur und – Management auf mehreren Ebenen betrifft.

Die meisten Software-Hersteller bieten bereits seit längerer Zeit BIM-Software-Lösungen für die Bauplanung an. Die Software-Pakete jedoch, die eine integrale Herangehensweise un- terstützen würden, sind eher selten. Architektur und Tragwerkplanung, Technische Gebäu- deausstattung (TGA), Bauphysikalische Optimierung, Kosten und Lebenszykluskosten sind aus einer Hand nicht erhältlich. Auch auf Grund der unterschiedlichen und meist immer neu- en Projekt-Konstellationen bei neuen Projekten kommen auch neue Kombinationen von Software-Tools auf, daraus resultierend auch die Schnittstellenproblematik. Die meisten Mo- dellierung-Softwares in der Bauindustrie ermöglichen die Verwendung des IFC-Formats (In- dustry Foundation Classes), welche als solche die wichtigste Schnittstelle bildet. In der letz- ten Zeit haben einige Länder (Skandinavien, USA, Holland) in öffentlichen Bauplanungen das IFC-basierte Modell verpflichtend eingeführt. Unterschiedliche Initiativen und meist Web- basierte Plattformen der Software-Hersteller und -Benutzer haben sich dieser Problematik bereits gewidmet und beteiligen sich intensiv an der Weiterentwicklung der IFC- Schnittstellen, so wie z.B. bei der Open BIM-Plattform oder BuildingSmart (2012).

Wichtig ist nochmals festzuhalten, dass es zur Schnittstellen-Problematik bereits einige For- schungsstudien mit Schwerpunkt auf Interoperabilität in der internationalen Gemeinschaft gibt (Kviniemi et al, 2005). Jedoch wurde erst unlängst in der Forschungsgemeinschaft er- kannt, dass nicht nur die Beseitigung der technologischen Probleme, sondern vor allem mehr Verständnis und Wissen für die Arbeitsweise und Unternehmensorganisation grundlegend sind für eine erfolgreiche Implementierung von BIM (Rekola et al, 2010). Nicht nur die In- teroperabilität der Werkzeuge ist notwendig, sondern durchaus auch die der unterschiedli- chen am Planungsprozess beteiligten Unternehmen, sowie eine genaue Rollenzuweisung und Definition der Arbeitsprozeduren innerhalb eines BIM-Prozesses.

3 BIM für lebenszyklische Gebäude-Optimierung

Die derzeit gängige Diskussion im zentraleuropäischen Rahmen über den BIM-Einsatz be- zieht sich vorwiegend auf die Planungspraxis, jedoch liegen die wahren Vorteile von BIM in den späteren Planungsphasen und der Ausführung, wo bereits eine große Menge an unter- schiedlichen Daten vorhanden ist und täglich für unterschiedliche Bedürfnisse gehandhabt werden muss. Hier machen sich die parametrischen Daten besonders nützlich, da sozusa- gen aus jedem Bauteil die relevanten Informationen automatisiert generiert werden können – z.B. die Türlisten. Besonders interessant ist die BIM-orientierte Arbeitsweise für den Betrieb,

486 Festschrift 40 Jahre Ibpm BIM-sustain: Building Information Modelling-gestützte Planung für nachhaltige Gebäude

da dem Facility Management ein Gebäudemodell mit sämtlichen Daten (Floor-Layout, Brandschutz- und Fluchtwegplan, TGA-Planung, bauteilbezoge Daten zu Lebensdauer und Material usw.) übergeben werden kann. Die Informations-Dichte und -Menge kann je nach Bedarf maßgeschneidert vorbereitet werden.

Das Lebenszyklus-orientierte Konzept für Gebäude-Planung, -Herstellung und -Betrieb wird zurzeit mehrfach in der Literatur, Forschung aber auch Öffentlichkeit befürwortet.

Die amerikanische AIA entwickelte das Integrated Project Delivery Prozedere (IPD, 2012) vor, welche einerseits die neuen Technologien, andererseits das Team-Wissen und das maßgeschneiderte Vertragswesen für eine lebenszyklische Wertschöpfung nutzt. CIB (Inter- national Council for Research and Innovation in Building and Construction) schlägt das so- genannte Integrated Design and Delivery Solutions (IDDS) Modell (Prins, Owen, 2010) vor, welches auf einer kollaborativen Arbeitsweise und gesteigerten Kompetenzen der Prozess- beteiligten aufbaut, sowie auf dem integralen Daten-, Informations- und Wissensmanage- ment-Modell, um die Wertschöpfung entlang des Gebäude-Lebenszyklus zu steigern. Dabei unterstützt die BIM-Technologie Planung, Errichtung, Betrieb, Umbau/Umnutzung und letzt- endlich den Abbruch des Gebäudes, wobei der lebenszyklische Gedanke ein Bestandteil jeder Lebensphase ist. In Österreich wird vom IG-Lebenszyklus Hochbau das Modell des Lebenszyklus-Unternehmers als Gesamtverantwortlichen für das legenszyklische Gebäude- performance vorgeschlagen (Heid, Friedl, 2011), die größte Herausforderung liegt hierbei weniger bei der Implementierung der Technologie, als vielmehr bei der Bemühung alle Dis- ziplinen, insbesondere das Facility Management, bereits in den frühen Planungsphasen in eine kollaborative Planung einzubeziehen.

Die BIM-Tools, welche eine ganzheitliche, Lebenszyklus-orientierte Daten-Integration erlau- ben würden, sind zur Zeit noch nicht vorhanden, da diese einen hohen Grad an Standardi- sierung voraussetzen – nicht nur die der Bauelemente und Komponenten (Informationssät- ze) sondern auch der Prozesse. Nach wie vor bleiben die Technologie-bezogenen Probleme die Schnittstellenproblematik und die reibungslose Datenübertragung ohne Informationsver- lust, wobei die Weiterentwicklung des IFC-Standards das größte Potential in sich birgt. Die größten Herausforderungen allerdings bleiben im Bereich der Menschen und des Prozesses selbst– der Prozess der Modellbildung der integralen, interdisziplinären Gebäudemodelle verlangt ein hohes Maß an Wissen und detaillierte Konventionen zwischen allen Planungs- beteiligten (Sachs et al, 2010; Plume, Mitchell 2007; Arayici 2011). Diese Vorgehensweise würde eine enge Kooperation und Abstimmung der Planenden, Errichter, Komponenten-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 487 BIM-sustain: Building Information Modelling-gestützte Planung für nachhaltige Gebäude

Hersteller und Betreiber voraussetzen, welche aus der Autoindustrie bereits längst bekannt ist, jedoch im Bereich Hochbau nach wie vor kaum Anwendung findet.

4 Forschungsprojekt BIM_sustain

Ziel des BIM_sustain: Building Information Modelling-gestützte Planung für nachhaltige Gebäude Projektes ist es, die Strategien zur Gestaltung Zeit- und Kosten-effizienter, BIM- unterstützter Planungsprozesse zu entwickeln. Dabei werden nicht nur Technologie-Fragen (Interoperabilität), sondern durchaus auch Unternehmens-relevante Fragen (Prozesse, Men- schen, Kommunikation) untersucht. Das Projekt wird von FFG im Rahmen des BRIDGE– Programm gefördert und wird in interdisziplinärer Zusammenarbeit der drei TU Institute:

Institut für Interdisziplinäres Bauprojektmanagement, Abteilung für interdisziplinäre Planung und Industriebau (Projektkoordinator), Institut für Architekturwissenschaften, Abteilung für Bauphysik und Bauökologie, und Institut für Managementwissenschaften erarbeitet.

Gemeinsam mit BIM-Software Herstellern und Händlern als Wirtschaftspartner (A Null, Arta- ker, b.i.m. Gasteiger, Nemetschek, Dlubal, Construsoft, Plancal) sollen dabei die unter- schiedlichen Stufen der BIM-Implementierung im Rahmen des Planungsprozesses analysiert und optimiert werden. So können für die individuellen BIM-Werkzeuge maßgeschneiderte strategische Optimierungskonzepte für den interdisziplinären Planungsprozess ausgearbeitet werden.

5 Empirische Forschung durch das Experiment

Zur Untersuchung von BIM-unterstützten Planungsprozessen sowie deren Optimierung, auf der die Entwicklung von Leitfäden für die Implementierung von BIM-Software und BIM- Planungsprozessen basiert, wird die Methode des wissenschaftlichen Experiments ange- wandt.

In den Ingenieurswissenschaften hat experimentelle Forschung eine lange Tradition, erlangt in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften zunehmende Bedeutung und wurde auch schon in der Evaluation von BIM-gestützten Planungsprozessen erfolgreich eingesetzt (Sacks et. al. 2010). Die Literatur verweist zu zwei bereits durchgeführten Experimenten zu den Themen kollaboratives Design und Planung mit BIM in den USA und Australien.

Das australische Experiment (Plume, Mitchell, 2004) wurde mit Studierenden im Rahmen eines Entwurfsstudios durchgeführt, in multidisziplinärer Art (Architektur, Innenarchitektur,

488 Festschrift 40 Jahre Ibpm BIM-sustain: Building Information Modelling-gestützte Planung für nachhaltige Gebäude

Landschaftsplanung, TGA Planung, Ökologie und Bauprojektmanagement) jedoch fehlte die Tragwerksplanende Disziplin. Der Schwerpunkt lag an den Tests der Technologie, und zwar der Interoperabilität der verwendeten Software und Tests der IFC Schnittstelle. Die Experi- mentergebnisse haben die Wichtigkeit der Bildung eines für das kollaborative Design geeig- neten Modells bestätigt, bzw. die Fragestellung, was wirklich modelliert werden soll unter- strichen. Als wesentliche Thematik wurde das Modellmanagement identifiziert.

Das Rosewood Experiment (Sacks et al, 2010) hatte versucht, die traditionelle 2D-CAD- Planung und -Ausführung der vorgefertigten Fassaden mit einer BIM-unterstützten zu ver- gleichen. Der Aufwand für Montagezeichnungen in der BIM-Variante hatte sich dabei um 57% effizienter erwiesen, jedoch wurde der Aufwand für Architekturplanung nicht bewertet. Als inkonsistent erwies sich der Datenaustausch zwischen Architektur und Fabrikation we- gen der mangelhaften BIM-Datenaustausch-Standards.

Die zwei bereits durchgeführten Experimente unterscheiden sich von jenen in diesem Projekt geplanten indem sie den Schwerpunkt auf Technologie: Interoperabilität und Schnittstellen legen, die Kategorien Prozessgestaltung und Mensch (Kommunikation, Expertise) werden dabei weniger analysiert. Das erste Experiment wurde in 2004 durchgeführt, also ist zu er- warten, dass die heutigen BIM-Tools und deren Schnittstellen wesentlich entwickelter sind und neue Möglichkeiten für die Schaffung eines gemeinsamen Modells bieten.

Das Experiment soll im Rahmen einer Interdisziplinären Lehrveranstaltung mit Studierenden aus Architektur, Bauingenieurwesen und Master of Builiding Technology an der TU Wien durchgeführt werden. Im Rahmen des Experiments werden unterschiedliche Produkte (BIM- Tools) der Wirtschaftspartner angewendet: ArchiCAD von Graphisoft, Autodesk Revit, Allplan Nemetschek, RFEM, Tekla, Plancal und Archiphysik.

Im Experiment soll ein nachhaltiges Gebäude von komplexer Geometrie geplant werden, wobei ein Architektur-, Tragwerk- und thermisches Modell erstellt und bauphysikalisch opti- miert wird. Die TeilnehmerInnen nehmen dabei die Rollen der in realen Planungsprozessen ausschlaggebenden Disziplinen Architektur, Tragwerksplanung und Bauphysik ein.

Im Laufe der Lehrveranstaltung werden zwei Planungs-Modelle simuliert und verglichen:

„BIM Zentral“ und „BIM Integral“-Modell (Abb. 1). Beim BIM-Zentral wird mit unterschiedli- chen und für jede Disziplin maßgeschneiderten Software-Lösungen, ausgehend vom zentra- len Architekturmodell, gearbeitet; mittels IFC-Schnittstelle werden die Daten ausgetauscht.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 489 BIM-sustain: Building Information Modelling-gestützte Planung für nachhaltige Gebäude

Beim BIM-Integral wird in einer Software-Plattform gearbeitet: Nemetschek Allplan (2012) oder Autodesk Revit (2012).

Abbildung 1: Experimentmodell : 2D Modell – BIM „zentral“ – BIM „integral“

Im Experiment werden durch kontrollierte Veränderung einiger Einflussfaktoren (Aufgaben- stellung, Zeit, Kommunikationsmedien, etc.) und systematische Veränderung der interessan- ten Einflussfaktoren (zur Verfügung stehende Planungstools) Planungsprozesse beobachtet, aus deren Auswertung Rückschlüsse auf die Forschungsfrage des Projekts erzielt werden können.

Aus der quantitativen und qualitativen Auswertung der Ergebnisse des Pilotexperiments (Planungsentwürfe, Zeichnungen, etc.) sowie der arbeitswissenschaftlichen Auswertung der Planungsprozesse, aus denen diese resultieren (Kommunikation, Meetings, etc.), lassen sich Rückschlüsse über die Effektivität und Effizienz von BIM-gestützten Planungsprozessen, wie sie gegenwärtig in der Praxis vorzufinden sind, erzielen.

Durch die Gegenüberstellung der zentralen und integrierten BIM-Methodik lassen sich Rück- schlüsse über Potentiale zur Optimierung BIM-gestützter Planungsprozesse erzielen. Integ- rale BIM Planungsprozesse sollten insofern effizienter sein, als Überarbeitungen aufgrund von Fehlern wegen Medienbrüchen oder Missverständnissen reduziert werden können im Vergleich zu zentralem BIM. Interessant bleibt, ob sich diese Hypothese bestätigt und wie sich eine etwaige Effizienzsteigerung zu den höheren Investitionskosten verhält.

Während traditionelle 2D-Planungsprozesse mit BIM-gestützten Planungsprozessen nur an- hand üblicher Bewertungskriterien verglichen werden können, gibt es für den Performance- Vergleich von BIM-gestützten Prozessen eine Reihe von Evaluationskriterien (Sebastian und van Berlo, 2010). Diese sind für die Auswertung des Experiments anzupassen und bilden im Weiteren auch eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von Leitfäden für die optimale

490 Festschrift 40 Jahre Ibpm BIM-sustain: Building Information Modelling-gestützte Planung für nachhaltige Gebäude

Implementierung von BIM und entsprechenden BIM-gestützten Planungsprozessen in Unter- nehmen. Einerseits wird dabei der interdisziplinäre Prozess abgebildet und untersucht (durch Teilnahme und Zusammenarbeit der unterschiedlichen Disziplinen) und andererseits die In- teroperabilität und Benutzbarkeit der spezifischen Tools der jeweiligen Disziplinen getestet (Abb. 2).

Abbildung 2: Evaluierungs-Modell für BIM-Implementierung (Rekola, 2010)

6 Geplante Ergebnisse

Ziel des Experiments ist es, die im Planungsprozess für eine effiziente BIM-Implementierung kritischen Punkte zu identifizieren, sowie die Software-Tools derart zu testen, um sie für den Arbeitsprozess der Architekten, Konsulenten (Tragwerksplanung, TGA, Bauphysik) und an- deren Akteuren aufzuzeigen.

Die zu erwartenden Ergebnisse:

x Qualitative und quantitative Auswertung des BIM-gestützten Planungsprozesses – Produktivitätssteigerung, Kommunikationsaufwand, Arbeitsaufteilung x Identifikation der Benefits von BIM: Mehrwert für Unternehmen, Nachhaltige Planungs- erfolge, Lebenszyklische Gebäudeoptimierung x Modell und Leitfaden zur Implementierung von BIM im Planungsbüro, nach unter- schiedlichen Stufen der BIM-Reife x Qualitative Auswertung der technischen Aspekte: Interoperabilität, Usabilität x Beitrag zur Lösung der Schnittstellenproblematik durch Definition der Übergabe von Teilmodellen (Architektur-TWPLA-TGA-BPH) x Empfehlungen und Verbesserungsvorschläge für die Software-Hersteller, um ihre Pro- dukte für einen IPD-Prozess zu optimieren

Festschrift 40 Jahre Ibpm 491 BIM-sustain: Building Information Modelling-gestützte Planung für nachhaltige Gebäude

Letztendlich soll ein BIM-Assessment-Tool für die am Planungsprozess beteiligten Unter- nehmen (Kunden der Wirtschaftspartner, BIM-Nutzer) entwickelt und getestet werden.

Weitere Ziele sind die Interoperabilität und Usabilität der unterschiedlichen Software-Tools, welche in einem interdisziplinären Planungsprozess angewendet werden, in einem In- tegrated Project Delivery Model zu testen.

Ein Leitfaden für ein IPD-Planungsprozess-Modell ist auszuarbeiten, mit Definition der Zu- ständigkeiten, Arbeitsprozeduren und Work-Load-Distribution, Haftungsfragen sowie Hono- rierungsfragen.

Univ.-Ass. Dr. Dipl.-Ing. Arch. Iva Kovacic [email protected] Fachbereich Industriebau und interdisziplinäre Bauplanung, TU Wien Karlsplatz 13/234 1040 Wien

7 Literatur

[1] Arayici Y., Coates P., Kiviniemi A. , Koskela L. and Kagioglou M. (2011) BIM imple- mentation and Adoption Process for an Architectural Practice. FIATECH Conference, USA

[2] Autodesk Revit (2012)http://www.autodesk.de/adsk/servlet/pc/index?id=14644879&siteID=403786, last accessed April 2012

[3] Building Smart, (2012) http://buildingsmart-tech.org/specifications/ifc-overview/ifc- overview-summary, last accessed 28 April 2012

[4] Forlati S., Isopp A. (2008) Wonderland Manual for Emerging Architects , Springer Verlag, Wien, New York

[5] Heid S., Friedl K. (2011) Herangehensweise Prozessmodell, 1. Kongress Le- benszyklus Hochbau, 08.11.2011 in Wien, available at: http://www.ig- lebenszyklus.at/rueckblick-2011/praesentationen.html, last access 11 September 2012

[6] IPD (2012) http://www.aia.org/contractdocs/AIAS077630, last accessed 11 Septem- ber 2012

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[7] Kiviniemi A., Fischer M., Bazjanac V. (2005) Integration of Multiple Product Models: IFC Model Servers as a Potential Solution, In: Proc. of the 22nd CIB-W78 Conference

[8] Kviniemi, A., Tarandi V., Karlshoj .J., Bell H., Karud O. (2008) Review of the Devel- opment and Implementation of IFC Compatible BIM. Erabuild, 128 pp.

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[10] Nemetschek Allplan (2012) available at: www.nemetschek.eu, last accessed 28 April 2012

[11] Plume J., Mitchell J. (2007) Collaborative design using a shared IFC building model— Learning from experience, Automation in Construction, Vol. 16 pp. 28 – 36

[12] Prins M., Owen, R. ( 2010): Integrated Design and Delivery Solutions, Architectural Engineering and Design Management, Vol. 6: 227-231

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[17] Whyte J. et al (2002) IT implementation in the construction organization, Engineering, Construction and Architectural Management, Vol. 9 (5-6), 371-377

Festschrift 40 Jahre Ibpm 493

Planlieferverzug – eine häufige Aufgabenstellung

Planlieferverzug – eine häufige Aufgabenstellung

J. Wolfgang Kriebaum (Univ.Ass. 2000 bis 2004)

1 Einleitung

Planlieferverzug ist eine der Hauptursachen für Bauablaufstörungen1 2. Es handelt sich um eine „Standardaufgabenstellung“. Ein professioneller und systematischer Umgang mit dieser Störung der Leistungserbringung3 ist daher für alle Projektbeteiligten wichtig, um trotz dieser anspruchsvollen Aufgabenstellung das Projekt erfolgreich abwickeln zu können.

Es lassen sich zusammenfassend folgende Ursachen erkennen:

1 Abwicklungsart, Verzahnung von Planung und Ausführung4 2 Zunehmende Komplexität der Bauwerke und dadurch zunehmende Anzahl der Beteilig- ten 3 Abstimmungen von Ausführungsdetails während der Bauabwicklung 4 Umplanungen / Leistungsänderungen

Da ein Einheitspreisvertrag auch dann eine taugliche Vertragsgrundlage schafft, wenn die Planung zum Zeitpunkt der Ausschreibung noch nicht vollständig abgeschlossen ist, ver- schafft die Art der Projektabwicklung dem Auftraggeber zeitliche Vorteile, die den Nachteilen einer ausführungsbegleitenden Planung gegenüber zu stellen sind. 5 Eine Reduktion von Planlieferverzügen erreicht man im Wesentlichen nur durch das „Einfrieren“ 6 des Projektes und einen sehr hohen Detaillierungsgrad der Planung bei der Ausschreibungserstellung und Vergabe7.

1 Bauablaufstörung steht hier für eine negative Beeinträchtigung des Bauablaufes. Es findet also noch keine Zuordnung zur Sphäre des Auftraggebers oder des Auftragnehmers statt. Eine Störung der Leistungserbringung ist gemäß der Definition der ÖNORM B 2110:2011 durch den Auftraggeber zu vertreten. 2 Oberndorfer/Straube: Kommentar zur ÖNORM B 2110, S. 212 3 Der Begriff „Störung der Leistungserbringung“ wird im Sinne der ÖNORM B 2110:2011 verwendet. 4 Vgl. Lechner in Heck/Lechner/Hofstadler: Bauablaufstörungen, Tagungsband 2011, S. 7f 5 Kropik: Der Bauvertrag und die ÖNORM B 2110, 2. Auflage 2009, S. 70f 6 „Einfrieren“ steht hier für eine Deadline im Planungsablauf. Danach werden keine Änderungen mehr zugelassen. 7 Vgl. Lechner in Heck/Lechner/Hofstadler: Bauablaufstörungen, Tagungsband 2011, S. 22

Festschrift 40 Jahre Ibpm 495 Planlieferverzug – eine häufige Aufgabenstellung

2 Grundlagen

Planlieferung

Die Werkvertragsnorm ÖNORM B 2110, Allgemeine Vertragsbestimmungen für Bau- leistungen sieht vor, dass die für die Ausführung erforderlichen Unterlagen dem Auftragneh- mer so rechtzeitig zu übergeben sind, dass dieser sie noch vor Beginn der Ausführung prü- fen und die notwendigen Vorbereitungen treffen kann. 8 Sinnvollerweise vereinbaren die Ver- tragspartner und Projektbeteiligten im Vorfeld zur Leistungserbringung die zugehörigen Vor- laufzeiten.

In der Regel wird im Bauwesen die Planung vom Auftraggeber oder einem seiner Erfüllungs- gehilfen durchgeführt. Werk- und Detailplanungen sind oft an den Auftragnehmer übertragen. In der Haustechnik und im Anlagenbau hat der Auftragnehmer meist auch die Planung in seinem Leistungsumfang. Dort ist ein entsprechendes Freigabesystem für die Planungs- leistungen vertraglich sicherzustellen. In der Folge wird ausschließlich auf Fälle mit Planbei- stellung durch den Auftraggeber eingegangen.

Die terminliche Organisation des gesamten Planungszeitraums wird häufig als Planung der Planung bezeichnet. Sie dient dazu, die richtige und rechtzeitige Lieferung der Planunterla- gen zu gewährleisten.

Für die Bauabwicklung hat sich bewährt, auch die Termine für die Mitwirkungen und Freiga- ben in den Terminplan zu übernehmen. Ausgehend von der Planlieferliste und dem Termin- plan können somit die Planlieferungen während der Bauabwicklung überwacht werden und Abweichungen festgestellt und dokumentiert werden.

Definition Planlieferverzug

Planlieferverzug liegt vor, wenn die für die Ausführung notwendigen Pläne (zB Polier-, Scha- lungs- und Bewehrungspläne) nicht zum vereinbarten Termin vorliegen. Die Pläne haben vollständig und richtig zu sein und müssen, wenn dies vorgesehen ist, einen Freigabe- vermerk tragen. Ein Vorabzugsplan erfüllt diese Kriterien nicht.

Ohne gesonderte Terminvereinbarung gelten die Festlegungen der ÖNORM B 2110, die vorsieht, dass die Pläne mit jenem Vorlauf zur Verfügung zu stellen sind, der für einen be-

8 vlg. ÖNORM B 2110:2011, Abs. 5.5, S. 14

496 Festschrift 40 Jahre Ibpm Planlieferverzug – eine häufige Aufgabenstellung

hinderungsfreien Bauablauf notwendig ist. 9 Dabei ist zu beachten, dass der Auftragnehmer die Unterlagen vor der Ausführung prüfen muss und auch Zeit für die Arbeitsvorbereitung und Personal-, Geräte- und Materialdisposition erforderlich ist.

Vertragliche Auswirkung Planlieferverzug

Planlieferverzug stellt für den Auftragnehmer eine fehlende Vorleistung aus der Sphäre des Auftraggebers dar und berechtigt ihn nach ABGB10 sowie auch nach der branchenüblichen Werkvertragsnorm ÖNORM B 211011 zu einer Verlängerung der Leistungsfrist und Vergü- tung der entstandenen Mehrkosten. Den Auftragnehmer trifft hierzu die Nachweis-pflicht. Planlieferverzug ist in der Systematik der aktuellen ÖNORM B 2110 eine Störung der Leis- tungserbringung. 12

2.1 Auswirkungen auf den Bauablauf und den Baubetrieb

Eine Störung kann, muss sich aber nicht auf den Fertigstellungstermin auswirken. Je nach Dauer, betroffener Leistung, Ausdehnung der Störung und Abhängigkeit der betroffenen Vorgänge kann diese keine bis sehr deutliche Folgen haben und sogar zu einem Baustill- stand oder weitreichenden Bauablaufumstellungen führen. Wie oben bereits erläutert, muss daher in diesem Zusammenhang zunächst ermittelt werden, ob das störende Ereignis tat- sächlich zu einer Behinderung geführt hat. In diesem Zusammenhang ist die Kausalität, d.h. der Ursachenzusammenhang zwischen dem störenden Ereignis und der eingetretenen Be- hinderung, nachzuweisen. Es muss also die Auswirkung des störenden Ereignisses auf den geplanten Bauverlauf dargelegt werden. Im Baubetrieb liegt dieser Ursachenzusammenhang dann vor, wenn die Störung bzw. der hindernde Umstand Einfluss auf Leistungen auf dem kritischen Weg hat.13 14

9 Hier ist ausgehend von üblichen Vorlaufzeiten der Einzelfall zu beurteilen. Für übliche Vorlaufzeiten vgl. z.B. Krammer/Kropik: Mehrkostenforderungen beim Bauvertrag, 2. Auflage, 2013 10 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) 11 ÖNORM B 2110 Allgemeine Vertragbestimmungen für Bauleistungen, aktueller Stand März 2011 12 In der „alten Systematik“ der ÖNORM (bis Ausgabe 2002) wurde Planlieferverzug als Behinderung bezeichnet. Behinderung ist nun eine Form der Störung der Leistungserbringung. Die Begriffe sind nicht vollständig gleichwertig. 13 Durch Kapazitätsgrenzen und Verfügbarkeiten können sich hier Ausnahmesituationen ergeben. 14 Roquette, Viering: Handbuch Bauzeit, S. 195, RZ 602

Festschrift 40 Jahre Ibpm 497 Planlieferverzug – eine häufige Aufgabenstellung

Kritischer Weg

Der kritische Weg15 ist definiert als die Verkettung derjenigen Vorgänge, die über keinen Puf- fer verfügen und bei deren zeitlicher Änderung sich der Endtermin des Netzplanes ver- schiebt. Dies bedeutet, dass die Beginn- und Endtermine dieser Vorgänge fest definiert sind. Er wird in einem Netzplan durch diejenige Kette von Einzel-Aktivitäten bestimmt, welche in der Summe die längste Dauer aufweist. Ein Bauvorhaben hat immer nur einen kritischen Weg. Die Aktivitäten, die auf dem kritischen Weg liegen, bestimmen die Gesamtprojektdauer und sind somit von zentraler Bedeutung für alle Projektsteuerungsaufgaben. Alle anderen Aktivitäten können im Rahmen ihrer Pufferzeiten verschoben oder verlängert werden, ohne die Gesamtprojektdauer zu verändern. 16

Indikativer Überblick über die Störung

Ein rasches Bild von der aktuellen Situation bei einem Planlieferverzug erhält man, indem man den Soll-Planeingang mit dem Ist-Planeingang periodenweise (Monat, Woche, …) ver- gleicht. Hier zeigt sich rasch, ob es deutliche Abweichungen bei der Menge der zu liefernden Unterlagen gibt.

40 Stk. 140 Stk.

35 Stk. 120 Stk.

30 Stk. 100 Stk.

25 Stk. 80 Stk. 20 Stk. 60 Stk. 15 Stk. 40 Stk. 10 Stk.

20 Stk. 5 Stk.

0 Stk. 0 Stk. Sep.11 Okt.11 Nov.11 Dez.11 Jän.12 Feb.12 Mär.12 Sep.11 Okt.11 Nov.11 Dez.11 Jän.12 Feb.12 Mär.12 Planeingang IST Planeingang SOLL IST Sum SOLL Sum

Abbildung 1: Vergleich Soll- und Ist-Planeingang

Eine konkrete Aussage über die Auswirkungen auf den Bauablauf ist so natürlich noch nicht möglich, da sie die Abhängigkeiten des Bauablaufes nicht ausreichend berücksichtigt und im Extremfall auch das Fehlen eines einzigen Plans zu einem Totalstillstand führen kann. Für eine qualitative Aussage ist deshalb eine genaue Analyse der Störungen und der Auswir- kungen auf den Baubetrieb erforderlich.

15 Auch als kritischer Pfad bezeichnet 16 http://de.wikipedia.org/wiki/Netzplantechnik#Kritischer_Pfad_bzw._Kritischer_Weg, 24.06.2012

498 Festschrift 40 Jahre Ibpm Planlieferverzug – eine häufige Aufgabenstellung

2.2 Dokumentation der Störung der Leistungserbringung

Die komplexen Abhängigkeiten des Bauablaufes sind nach der Arbeitsvorbereitung im Mo- ment der Durchführung für die direkt handelnden Bauausführenden (Bauleiter, Polier) klar und eindeutig. Für die anderen Handlungsbeteiligten sind die Abhängigkeiten meist nicht so transparent und mit fortschreitender Zeit gehen diese Detailinformationen wieder verloren. Es empfiehlt sich daher für beide Vertragspartner, möglichst zeitnah die Störungen an sich und ihre Auswirkungen auf die Leistungserbringung zu erfassen.

Bei Planlieferverzug wird der tatsächliche Planeingang und somit auch die Störung in der Planlieferliste17 (Soll/Ist/Verzug) dokumentiert. Ergänzend dazu ist auch die zeitnahe Erfas- sung der direkten Auswirkung der Störung auf den Baubetrieb unabdingbar. Diese „Kausali- tätsliste“ kann in einer einfachen Excelliste erfasst werden und verursacht, wenn dies zeitnah erfolgt, nur einen geringen Mehraufwand. Im Nachhinein sind derartige Daten nur sehr zeit- aufwändig zu erheben.

Da die Nachweisführung für gestörte Bauabläufe aufwendig ist und daher auch entspre- chend Zeit benötigt, gehen oftmals Details der Zusammenhänge verloren, wenn sie nicht unmittelbar aufgezeichnet werden. Normkonform18 ist die Dokumentation – wenn möglich – gemeinsam zu erstellen. Einseitige Dokumentation ist dem Vertragspartner ehestens nach- weislich zu übergeben.

Für die Nachweisführung ist daher folgende Dokumentation sinnvoll:

1 Standarddokumentation (Bautagesberichte, Baubuch, Fotos, …) 2 Liste der Störungen (z.B. Planlieferliste) 3 „Kausalitätsliste“ – Verknüpfung Ursache Æ Auswirkung Bauablauf 4 Liste der Behinderungen mit Auswirkungen im Bauablauf (Anmelden, aufrechte Behin- derungen, Abmelden)

Für einen einvernehmlichen Dokumentationsstand ist die erfolgte Dokumentation zwischen den Vertragspartnern auszutauschen.

17 Die Planlieferliste ist um die entsprechenden Spalten für Soll-Eingang, Ist-Eingang, Verzug, etc. zu erweitern. 18 vlg. ÖNORM B 2110:2011, S. 19, Abs. 6.2.7

Festschrift 40 Jahre Ibpm 499 Planlieferverzug – eine häufige Aufgabenstellung

2.3 Baubetriebliche Ermittlung der verlängerten Ausführungsfrist

Kommt es im Zuge der Projektabwicklung zu zeitrelevanten Leistungsabweichungen19, ist der Auftragnehmer verpflichtet, seinen Anspruch auf Verlängerung der Leistungsfrist nach- zuweisen. Üblicherweise haben jedoch beide Vertragspartner Anteil am Verzug. Außer bei akademischen Beispielen zur Veranschaulichung der vertraglichen Grundprinzipien sind also bei der Bauabwicklung meist der Verzug und die entstandenen Folgewirkungen auf die Ver- tragspartner bzw. auf die Projektbeteiligten aufzuteilen. 20

Für die Ermittlung der Verlängerung der Leistungsfrist ist nun ausgehend von den jeweiligen Störungen zu untersuchen, welche Auswirkung sie auf den Bauablauf haben. Wie in Abbil- dung 2 ersichtlich ist, ist zuerst zu klären, ob durch die Störung eine Tätigkeit am kritischen Weg betroffen ist.

Abbildung 2 Auswirkungen von Leistungsabweichungen auf die Bauzeit

Wenn nicht, ergibt sich in erster Konsequenz keine Bauzeitverlängerung. Bei einer Beein- trächtigung von Aktivitäten am kritischen Weg ist zu hinterfragen, ob die Störung zu einem Totalstillstand geführt hat oder ob die geplante Leistung einer Tätigkeit reduziert wurde. Bei einem Totalstillstand ist die Leistungsfrist um die Dauer der Störung zu verlängern. 21 Bei einer reduzierten Leistung muss ausgehend von diesen Rahmenbedingungen die Fristver-

19 Überbegriff für Leistungsänderungen und Störung der Leistungserbringung gemäß ÖNORM B 2110:2011 und ÖNORM B 2118:2011 20 Weiterführend siehe dazu Kriebaum in Krammer/Kropik: Mehrkostenforderungen beim Bauvertrag, 2. Auflage, 2013, Kapitel 20 – Wer vertritt den Verzug bei der Projektabwicklung 21 In Sonderfällen kann es hier Ausnahmefälle geben!

500 Festschrift 40 Jahre Ibpm Planlieferverzug – eine häufige Aufgabenstellung

längerung anteilig ermittelt werden. Die korrekte Ermittlung des Ausmaßes der Beeinflus- sung kann bei komplexen Baustellen ein zentrales Thema der Nachweisführung sein. Vor allem auf Baustellen, auf denen in anderen Teilbereichen gearbeitet wird, dort aber auch kein völlig ungestörtes Arbeiten, sondern nur ein gewisser Leistungsfortschritt möglich ist, ist die Nachweisführung anspruchsvoll und teilweise nur über Modelle oder Plausibilisierungen möglich.

2.3.1 Bewertung der Behinderung

Wenn die fehlenden Planlieferungen nicht zu einem Totalstillstand der Baustelle, sondern zu einer Leistungsverdünnung führen, also in manchen Teilbereichen noch gearbeitet werden kann, lässt sich die Auswirkung auf den Baubetrieb nicht trivial ermitteln. Will man die Aus- wirkungen einer derartigen Störung auf den Baubetrieb beurteilen, ist es sinnvoll, das Bau- vorhaben in zeitliche22 bzw. örtliche23 Bereiche zu unterteilen. Diese Bereiche sollten sich klar abgrenzen lassen und im Bauzeitplan dargestellt werden. Die Aufgliederung ist ein Kompromiss zwischen der ausreichenden Darstellung von Abhängigkeiten und einer Gliede- rungstiefe mit der die erforderliche Übersichtlichkeit gewahrt bleibt. Vielfach wird es für eine nachvollziehbare und zeitnahe Nachweisführung auch notwendig sein, gewisse Vereinfa- chungen zu treffen. Es ist jedoch darauf zu achten, dass die rechtlichen Rahmenbedingun- gen der Nachweisführung eingehalten werden. Für die Bewertung ist es sinnvoll, die gewähl- ten Bereiche mit Umsätzen bzw. Mannstunden zu hinterlegen.

Für jeden dieser Bereiche ist die Bewertung der Störungsintensität vorzunehmen. Dabei hat sich bewährt, „Klassen von homogener Störungsintensität“ zu bilden, wofür sich das Ampel- system „grün, gelb, rot“ gut eignet. Gesamtheitlich lässt sich somit ein Projekt mit mehreren negativ beeinflussten Tätigkeiten und komplexer Abhängigkeit beurteilen. 24

Die beschriebene Bewertung ist eine vereinfachte Darstellung, um die komplexen Zusam- menhänge eines Bauablaufes und darauf überlagerte Störungen abbilden zu können. Mit den getroffenen Modellannahmen ist dann der Bauzeitplan unter Beachtung seiner Abhän- gigkeiten zu modifizieren und der entsprechende Bauzeitverlängerungsanspruch zu ermit- teln.

22 Zeitlicher Bereich: fehlt eine Genehmigung, sind alle in diesem Zeitabschnitt durchzuführenden Arbeiten betroffen. 23 Örtlicher Bereich: bestimmte betroffene Baustellenbereiche 24 Eine analoge Vorgangsweise ist natürlich auch bei anderen fehlenden Vorleistungen sinnvoll.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 501 Planlieferverzug – eine häufige Aufgabenstellung

2.3.2 Sonderfall – Springen des kritischen Weges

Werden Leistungen beeinflusst, die vorerst nicht am kritischen Weg lagen, kann es bei einer entsprechenden Behinderung auch zum Springen des kritischen Wegs, also einer Beeinflus- sung des Verlaufes des kritischen Weges, kommen. Es kann auch vorkommen, dass stö- rungsbedingte Ablaufumstellungen zur Schadensminderung den kritischen Weg ändern.

Betrachtung für betroffene Tätigkeit /Aktivität / Bereich

kritischer Weg unbekannt nein - Paralleltätigkeit kritischer Weg

ja

<100% Ausmaß der Beeinflussung

=100%

Sonderfälle Kritisches Ablaufsystem Totalstillstand reduzierte Leistung BZV bei Überschreitung von Aufgrund der Komplexität und (bei dieser Aktivität) Leistungsminderung Kapazitätsgrenzen der Störungen ist der kritische Weg sprunghaft bzw. BZV bei Springen des unbekannt Verlängerung der BZ um 100% Bauzeit verlängert sich anteilig kritischen Weges

Abbildung 3 Auswirkungen von Leistungsabweichungen auf die Bauzeit – Sonderfälle

2.3.3 Sonderfall – Kapazitätsüberschreitung

Verschieben sich durch die Behinderung Tätigkeiten und wären im neuen Ablauf zwei Tätig- keiten gleichzeitig vorgesehen, die beide auf die gleiche Ressource zurückgreifen, muss man die Vorgänge derart anordnen, dass dies vermieden wird. Die Ressourcen- überschreitung ist meist aus einem Balkennetzplan alleine nicht erkennbar und erfordert ge- sonderte Überlegungen. Eine derartige Beeinflussung kann auch durch an sich „harmlose“ Paralleltätigkeiten oder Zusatzleistungen entstehen, die vorerst keinerlei Einfluss auf den kritischen Weg hätten.

502 Festschrift 40 Jahre Ibpm Planlieferverzug – eine häufige Aufgabenstellung

Leistungsverdünnung erhöhte Intensität Leistungsverdünnung Intensität Bau-Soll

Verlängerung Verlängerung der originäre, vertragliche Bauzeit der originäre, vertragliche Bauzeit Leistungsfrist Leistungsfrist

Abbildung 4 Bauzeitverlängerung durch Kapazitätsüberschreitung

Zu beachten ist auch, dass eine Erhöhung der entsprechenden Ressource (Kran, Perso- nal, …) üblicherweise nicht der Situation des Bau-Solls entspricht. Vertraglich steht dem Auf- tragnehmer die Verlängerung der Leistungsfrist zu. Eine Beschleunigung der Ausführung, also mit mehr Ressourcen oder unter geänderten Bedingungen (Überstunden, Schichtbe- trieb) die Leistung zu verrichten (verdichtete Ausführung), ist mit dem Auftraggeber geson- dert zu vereinbaren. 25

2.3.4 Sonderfall – Kritisches Ablaufsystem

Gibt es im Bauzeitplan viele parallellaufende Tätigkeiten mit geringen Puffern, ist das System generell sehr anfällig für Verschiebungen des kritischen Weges. Auch derartige Systeme haben jedoch immer nur einen kritischen Weg! Liegen nun für mehrere dieser parallellaufen- den Tätigkeiten Behinderungen vor, kann dies dazu führen, dass der kritische Weg rasch zwischen den Aktivitäten hin und her springt. Eventuell ist der kritische Weg unter diesen Rahmenbedingungen auch gar nicht mehr exakt zu erfassen.

2.4 Produktivitätsverluste

Neben der Ermittlung des Anspruches auf Verlängerung der Leistungsfrist sind auch die zu- gehörigen Mehrkosten nachzuweisen. Aus der Störung der Leistungserbringung können sich unter anderem folgende Effekte ergeben, die zu Produktivitätsverlusten und somit zu Mehr- kosten bei der Leistungserbringung führen:

x Leistungsverdünnung durch nur teilweise Auslastung der vorhandenen Kapazitäten bei Leistungsbereitschaft des Auftragnehmers x Verlust von Einarbeitungseffekten

25 Kropik: Der Bauvertrag und die ÖNORM B 2110, 2. Auflage, S. 274

Festschrift 40 Jahre Ibpm 503 Planlieferverzug – eine häufige Aufgabenstellung

x Stehzeiten zufolge wiederholter Änderungen der Ablaufstruktur x Reduzierte Arbeitsvorbereitung durch verkürzte Vorlaufzeiten und daraus resultierende höhere Lohnaufwandswerte bei der Leistungserbringung

2.5 Zusammenfassung – Nachweisführung

Der Nachweis der Auswirkungen von Planlieferverzügen kann daher in folgenden Schritten erfolgen:

1 Erfassen und Dokumentieren des störendes Ereignisses 2 Zuordnen des Ereignisses zur Sphäre des Auftraggebers 3 Erläutern, auf welche Aktivitäten des Bauablaufes sich das störende Ereignis auswirkt. 4 Aufzeigen der Auswirkungen auf den Bauablauf (kritischer Weg und Parallelaktivitäten) 5 Ermittlung der Fristverlängerung (aus dem störungsmodifizierten Bauzeitplan) 6 Ermittlung der zugehörigen Mehrkosten

Dipl.-Ing. J. Wolfgang Kriebaum Contract Management STRABAG SE, Donau-City-Strasse 9, 1220 Wien

504 Festschrift 40 Jahre Ibpm Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

Forschungsprojekt Co_Be: Cost Benefits of Integrated Planning

Iva Kovacic (Post.-Doc 2002 bis dato) Christoph Müller (Univ.-Ass 2011 bis dato)

Abstract

Planungsprozesse für nachhaltige Gebäude sind vordergründig durch steigende Komplexität gekennzeichnet, welche einerseits in der großen Anzahl der Planungsbeteiligten begründet ist, andererseits durch die Anwendung sophistisierter Werkzeuge wie thermische Gebäude- Simulation, Ökobilanzierung und Gebäudezertifikate. Bis zur wesentlichen Reduktion lebens- zyklischer Kosten (Betrieb, Reinigung, Instandhaltung, Wartung) ist ein Anstieg der Pla- nungskosten zu erwarten, wie auch die damit verbundene Steigerung der ganzheitlichen Ge- bäudequalität. Des Weiteren brauchen diese Prozesse eine andere Planungskultur und ein an-deres Bewusstsein, also einen Paradigmenwechsel von der traditionellen, fragmentierten, se-quentiellen Planung weg hin zu einer integralen, gemeinsamen Kollaboration. Bei einem er-folgreichen gemeinsamen Prozess spielen aber intangible Werte wie Vertrauen, Commit- ment und eine gemeinsame Zielverfolgung eine weitaus größere Rolle, als die bis jetzt gülti- gen Prämissen wie Fokussierung auf Verfolgung der Kosten, Termine und Qualität.

Das Forschungsprojekt Co_Be (Cost Benefits of Integrated Planning) untersucht Planungs- prozesse für nachhaltige Gebäude, und versucht dabei die Vorteile einer integralen Pla- nungs-methodik gegenüber einer traditionellen, sequentiellen Methodik qualitativ und quanti- tativ zu bewerten.

In diesem Paper liegt der Schwerpunkt auf der Untersuchung der Methoden für die Unter- stüt-zung der Entscheidungsbringung innerhalb eines Planungsprozesses für Nachhaltige Gebäude. Letztendlich wurde im Rahmen des Projekts der Leitfaden für Integrale Planung für Bauherrn und Planer sowie für die Public Policy entwickelt, wobei dieses Papier als Grundlage für den Bauherrn und Planer-Leitfaden dient.

Keywords: Integrated Planning, Energy-Efficient Buildings, Planning Tools, Life-Cycle Costs

Festschrift 40 Jahre Ibpm 505 Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

1 Einführung

Die Realisierung von energieeffizienten, sogar energieerzeugenden Gebäuden ist eines der wichtigsten Klimaschutz- und Energieeffizienz-Ziele der EU.

Die interdisziplinäre, integrale Planung gilt wegen der Komplexität der Aufgabe als der rich- tige Weg zu einer nachhaltigen, gebauten Umwelt.

Jedoch ist die praktische Umsetzung der integrale Planung (IP) mit einigen Problemen be- haftet:

Die IP wird zwar oft erwähnt, in der Praxis aber (noch) selten praktiziert, da diesbezüglich im europäischen Raum noch zu wenig Erfahrung, beziehungsweise Know-how zur Prozessge- staltung vorhanden ist. Weiters sind die Bauverantwortlichen immer noch nicht bereit, für die Planung von nachhaltigen Gebäuden höhere Planungskosten bereitzustellen als für die Pla- nung traditioneller Gebäude, obwohl die „green buildings“ wegen der zunehmenden Komple- xität auch viel komplexere Planungsprozesse abverlangen. Die geringfügig höheren Errich- tungskosten (+ 2%) wirken auf die Einsparungen der lebenszyklischen Kosten mit bis zu 40% aus.

Abbildung 1: Lebenszykluskosten bei einem Standard- und Optimierten Gebäude1

Die Klimaschutz-Politik der EU sieht in der Lösung der Energie-Effizienz- und sogar Energie- Produktions-Problematik für Gebäude die Schlüsselrolle: „Buildings as Power Plants“. 2 Die

1 Schwarz, D. (2007): Nachhaltiges Bauen, in: Detail 2007/6, Detail-Verlag 2007 pp. 600-604

506 Festschrift 40 Jahre Ibpm Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

Maßnahmen zur Sicherung der Nachhaltigkeit sind in Folge des Klimawandels und nicht zu- letzt auch der Wirtschaftskrise dringend fällig, die Umsetzung aber wird durch einige es- sentielle Probleme wesentlich erschwert. An erster Stelle ist der längst überfällige Wechsel vom traditionellen, linearen Planungsprozess hin zu einer integralen Planungspraxis zu nen- nen. Der lebenszyklusorientierte, integrale Planungsprozess, der die simultane Mitwirkung der diversen Disziplinen (Architektur, Tragwerksplanung, Haustechnik, Facility- und Energie- Management) schon vom Vorentwurf bis hin zur Abbruchphase voraussetzt, ist für eine nach-haltige Architektur entscheidend.

Interdisziplinäre Planung (IP) verlangt dank der Komplexität der Gebäude-Konstruktion und - Technologie eine frühzeitige Simulation von Energie, Lebenszykluskosten und Lebenszyk- lusanalyse sowie weitere zusätzliche Planungsleistungen, welche jedoch kostenintensiver sind als die traditionelle, konsekutive Planung. Zusätzliche Prozesse wie eine partizipative Planung, welche alle Planungsbeteiligten (Nutzer, Nachbarn, Gemeinde) mit einbezieht, so- wie die Zertifizierung von Gebäuden tragen wesentlich zur Steigerung der lebenszyklischen Gebäude-Qualität bei, bedeuten aber auch gleichzeitig eine Verzögerung/Verteuerung des Pla-nungsprozesses.

Aufgrund der komplexen Anforderungen an die Performance der „Aktiven Gebäude“ stellt die interdisziplinäre, integrale Planung einen wesentlichen Lösungsansatz zur nachhaltigen Er- stellung, Betrieb und Nutzung von energieeffizienten, sogar Energie-produzierenden Bau- werken dar. Diese Hypothese ist eine der grundsätzlichen Forschungsfragen des For- schungs-Projekt Co_Be: „Cost benefits of integrated Planning“.

Das Projekt wird aus Mitteln des Österreichischen Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen des Programms „NEUE ENERGIEN 2020“ durchgeführt.

Der Aufbau des Konsortiums der Forschungspartner repräsentiert die interdisziplinäre Zu- sammenarbeit der Akademie und der Praxis:

Institut für interdisziplinäres Bauprozessmanagement, Forschungsbereich Industriebau und Interdisziplinäre Bauplanung, Fakultät für Bauingenieurwesen, TU Wien als Projektkoordi- nator, mit

2 Da Graca Carvalho, M., Bonifacio M., Dechamps, P. (2009), Building a Low Carbon Society, In: Proceedings of UNESCO sponsored conference, 5th Conference on Sustainable Development of Energy Water and Environment Systems, Faculty of Mechanical Engineering and Naval Architecture Zagreb (Publ.)

Festschrift 40 Jahre Ibpm 507 Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

x Institut für Städtebau, Landschaftsarchitektur und Entwerfen, Fachbereich Projektent- wicklung und – management, Fakultät für Architektur und Raumplanung, TU Wien x ATP Sustain, München und Wien; eine Forschungsgesellschaft innerhalb der ATP- Gruppe, welche ihre Consulting- und Zertifizierungsleistungen sowie innovatives Know- how aus dem Forschungsbereich in die integralen Planungsprozesse implementiert (ATP)

Das Projekt Co_Be soll erstmalig Potentiale der Integralen Planung untersuchen und erfas- sen, und folglich die Schwerpunkte einer interdisziplinäreren Planungsmethodik erarbeiten. Wei-terhin soll insbesondere bei Investoren und Bauherren ein Bewusstsein für die Komple- xität des energieeffizienten Bauens und den damit verbundenen interdisziplinären Planungs- prozess geschaffen werden. Durch das Projekt sollen Veränderungen in den Honorarord- nungen für Architekten und Ingenieure bewirkt werden, damit auch diese den Integralen Pla- nungsprozess aktiv unterstützen. Da die Honorarordnungen auf konsekutiven Prozessen aufbauen, kann sich die IP am Markt derzeit nur schwer durchsetzen.

Ein IP-Leitfaden für Planer und Investoren sowie politische und wirtschaftliche Entschei- dungsträger ist das End-Ergebnis des Forschungsprojekts.

2 Problem Statement

Über die Bedeutung der integralen Planung wurde bereits sehr viel gesprochen und ge- schrieben, jedoch ist diese in der Praxis selten praktiziert oder erwünscht. Obwohl die Zent- raleuropäische Region weltweit in Know-How und Technologie für energieeffiziente Gebäude führend ist – z.B. weist Österreich die höchste Passivhausdichte Europas auf (siehe auch http://www.igpassivhaus.at/) - ist ein empirisches Wissen über die Methodik der effizienten integralen und/oder interdisziplinären Planung kaum vorhanden.

Die Gründe dafür sind vielfach:

Nicht vorhandene Modelle zur Verantwortungsverteilung, mangelnde Mechanismen zur Ge- staltung der Kommunikation und Abläufe, und letztendlich fehlende Unterstützung in den Honorarordnungen (Frage der Honorierung der frühen Einbeziehung).

Die Investoren und Bauherren verlangen zunehmend nach „Nachhaltigen Gebäude“, sind aber selten bereit, höhere Planungshonorare als für die Herstellung konventioneller Gebäude

508 Festschrift 40 Jahre Ibpm Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

zu zahlen. Die Planungsprozesse für nachhaltige Gebäude verlangen zahlreiche Simulatio- nen und zusätzliche Berechnungen, wenngleich sie für die Optimierung und sogar Minimie- rung der Lebenszykluskosten wesentlich sind.

Um die komplexe Zusammenwirkung der unterschiedlichen Faktoren wie z.B. Gebäudegeo- metrie, Gebäudehülle, Solare Erträge, Lebenszykluskosten, Lebensdauer der Bauteile be- rechnen, simulieren und evaluieren zu können, ist Entwicklung der neuen Werkzeuge not- wendig. Diese sollten Planungs- und den Entscheidungsprozess bereits in den frühesten Planungsphasen unterstützen, da gerade diese Phase die zukünftige Gebäude-Performance für das gesamten Lebenszyklus wesentlich bestimmt.

Abbildung 2: Änderungspotential versus Kosten während des Planungsprozesses

Die internationalen Gebäudezertifikate, wie beispielsweise diejenigen der Deutschen Gesell- schaft für Nachhaltiges Bauen, DGNB (2011), Building Research Establishment’s Environ- mental Assessment Method, UK - BREEAM (2011) oder Leadership in Energy and Environ- mental Design‘, U.S. - LEED® (2011); sowie österreichische TQB (Total Quality Bauen) und ÖGNI (Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft) versuchen den Einsatz der Werkzeugen und den integralen Planungsgedanke von Projektbeginn an zu för- dern.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 509 Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

Allen Zertifikaten gemein ist die Bewertung nach Kategorien, welche im Wesentlichen das Nachhaltigkeitsdreieck abbilden: soziale, ökonomische und ökologische Kriterien gemein- sam. Die jeweilige Kategorie ist durch eine Indikatoren-Struktur und die zu erreichenden Benchmarks beschrieben; um den Indikator nachzuweisen sind meist eine Simulation, Be- rechnung oder eine Messung vorzunehmen.

3 Forschungsfrage und Methode

Eine der wesentlichen Forschungsfragen welche dieses Papier verfolgt ist, wie der Entschei- dungsprozess für die Planung der Nachhaltigen Gebäuden, insbesondere in der für die zu- künftige Gebäudeperformance entscheidenden frühen Planungsphase, unterstützt werden kann?

Die Werkzeuge sind zwar vorhanden, aber nicht für den Einsatz in den frühen Planungspha- sen geeignet (zu hohe Komplexität oder Spezialisierung, keine Möglichkeit mit einem Werk- zeug Geometrie, Energie-Performance und Wirtschaftlichkeit auf der Basis der Vorentwurf- Information abzubilden). Die Bauherren sind oft mit der Komplexität und der Menge der In- formation überfordert, da sie selten über genügend technische Ausbildung/Know-How verfü- gen.

Die Entscheidungen werden selten nur rational, anhand ausschließlich tangibler Daten ge- troffen, daher sind neben den „tangiblen“ Werkzeugen (Berechnungsmethoden, Simulation) auch die „intangiblen“ Werkzeuge notwendig: Kommunikationsgestaltung, Team-Building, um das Vertrauen und die Verfolgung eines gemeinsames Ziels zu unterstützen.

Um die Potentiale und Defizite der beiden „tangiblen“ und „intangiblen“ Werkzeuge - welche die Entscheidungsbringung innerhalb eines integralen Planungsprozesses unterstüt- zen - zu identifizieren, wurden quantitative (Test, Evaluierung) und qualitative (Leitfadenin- terview, Beobachtung, Feedbackworkshop) Forschungsmethoden angewendet.

510 Festschrift 40 Jahre Ibpm Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

3.1 Qualitative Untersuchung – Analyse der Leitfadeninterviews

Im Rahmen von Praxis-orientierten Fallstudien der Planungsprozesse von Best-Practice Ge- bäuden3 wurden 19 Leitfadeninterviews4 mit Planungsbeteiligten der Fallstudien durchge- führt, um die multiplen Perspektiven der unterschiedlichen Stakeholder erfassen zu können.

Abbildung 3: Forschungsmethode

Die interviewten Planungsbeteiligten umfassten folgende Planungsbeteiligte:

Bauherrn, Architekten, Tragwerksplaner, TGA Planer, Facility Manager und Konsulenten (Energie-Simulation). Mit der Methode der globalen Inhaltsanalyse wurde die Auswertung der Interviews für folgende Fragestellungen durchgeführt:

x Identifizierung der Kategorien (Kategorien ergeben sich aus den meistgetätigten Aus- sagen der Leitfadeninterviews):

ƒ Erfolgsfaktoren für die Planung von Energie-effizienten Gebäuden, ƒ Verbesserungsvorschläge für die Status-Quo Planung, ƒ Defizite der Status-Quo Planung

x Vergleich der Aussagen nach Berufsgruppe x Auswertung der Aussagen pro Fallstudie (pro Projekt)

Als Projektabschluss wurden im Rahmen eines Feedbackworkshops mit 20 Stakeholder aus der Praxis die Aussagen verifiziert und zusammengefasst.

3 Dul J., Hak T. (2008), Case Study Methodology in Business Research, Amsterdam: Elsevier König H., Kohler N., Kreißig J., Lützkendorf T., (2009), Lebenszyklusanalyse in der Gebäudeplanung, Detail Green Books, München 4 Bogner, A. (2005), Das experten Interview, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

Festschrift 40 Jahre Ibpm 511 Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

3.2 Quantitative Untersuchung - Bewertung der LCC und LCA Tools

Im Rahmen des Forschungsprojekts Co_Be wurden erstmalig im deutschsprachigen Raum die Benefits der Integralen Planung (IP) durch ein Rollenspiel-Experiment empirisch unter- sucht. Das Experiment-Design sah zwei Treatments vor: integrale (IP) und sequentielle (SP) Planung; um diese vergleichen und zu bewerten.

Das Rollenspiel-Experiment simulierte die Planung für eine energieeffiziente, temporäre Smoothie-Bar. Das Experiment wurde mit 160 Studierenden der Studienrichtungen Architek- tur und Bauingenieurwesen durchgeführt. Die Planungsteams wurden aus folgenden Rollen gebildet: Bauherr, Architekt, Ingenieur für Tragwerk und Technische Gebäudeausrüstung, Betriebsexperte. Integrale Teams arbeiteten als Team von Anfang an zusammen, die se- quen-ziellen sind pro Rolle räumlich getrennt, die einzelnen Planungsschritte folgen nachei- nander.

Das Experiment wurde als Studentenwettbewerb abgehalten, um einerseits die Studierenden zu motivieren und andererseits die Vorteile der Methoden in der zu bewertenden Kategorien Entwurf/Corporate Design, Konstruktion/Realisierbarkeit, Erneuerbare Energien, Kosten u. Wirtschaftlichkeit, Gesamteindruck, zu identifizieren.

Für die quantitative Evaluierung wurde eines dieser Rollenspiel-Projekte der Smoothie-Bars hinsichtlich der Berechnung der Lebenszykluskosten und Ökobilanzierung mit dem DGNB- Werkzeug getestet. Dafür wurde der öffentliche Teil der DGNB – das so genannte BNB- System - Bewertungssystem für Bundesgebäude wegen der öffentlichen Zugänglichkeit der Daten ausgewählt.

4 Qualitative Untersuchung – Analyse der Leitfadeninterviews

Der Bauherr/Investor wird in der Literatur wie auch in der Praxis als treibende Kraft für die Verfolgung der Nachhaltigkeitsziele innerhalb eines interdisziplinären Planungsprozesses identifiziert. Daher wurde der Fokus dieser Forschungsarbeit auf die Untersuchung des Pla- nungsprozesses aus der Sicht des Bauherrn und die Unterstützung des Bauherrn bei der Um-setzung seiner nachhaltigen Ziele gelegt.

Der Kern der qualitativen Forschung in Form von Leitfadeninterviews waren drei offene Haupt-Fragen:

1 Beschreiben Sie den für Sie üblichen Planungsprozess, die Rolle die Sie in diesem ein- nehmen sowie die üblicherweise auftretenden Schwierigkeiten

512 Festschrift 40 Jahre Ibpm Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

2 Beschreiben Sie einen für Sie idealen Planungsprozess für die Realisierung nachhaltiger Gebäude 3 Identifizieren Sie die Schlüsselkriterien für den Erfolg Ihres „nachhaltigen Gebäudes“

Durch die Durchführung der Leitfadeninterviews konnten die Defizite dieser praktizierten Planungsprozesse identifiziert, die größten Schwierigkeiten bei der Realisierung von Ener- gie-effizienten Gebäuden erfasst sowie die vorhandenen Potentiale von Planungsprozessen ermittelt werden.

Im Zuge der Befragung konnte rasch festgestellt werden, dass sich das Know-How, die Er- fahrung sowie die Bedürfnisse je nach Typologie des Investors sehr stark unterscheiden:

1 Private Investoren a) Professionelle private Investoren (Immobilienentwickler, Baufirma, etc.)

ƒ Baut selten für den eigenen Bedarf ƒ Baut spekulativ – verkauft bzw. vermietet das Bauwerk

b) Nicht-professionelle private Investoren

ƒ „Baut einmal im Leben“ ƒ Betreibt das Gebäude - für eigene Nutzung ƒ Hat persönliches Interesse und Motivation an Nachhaltigkeit

2 Öffentliche Investoren a) Professionelle öffentliche Investoren

ƒ Vertritt öffentliches Interesse ƒ Ist an Regulierungen gebunden – z.B. Bundesvergabegesetz ƒ Weist hohe Baufrequenz und Erfahrung auf ƒ Nutzt das Gebäude nicht selbst ƒ Betreibt das Gebäude meist selbst ƒ Agiert in einem geschützten Markt

b) Semi-professionelle öffentliche Investoren

ƒ Vertritt öffentliches Interesse ƒ Weist niedrige Baufrequenz und wenig Erfahrung auf ƒ Nutzt das Gebäude meist selbst ƒ Betreibt das Gebäude meist nicht selbst

Festschrift 40 Jahre Ibpm 513 Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

Für alle öffentlichen Investoren gilt: die Wahrung öffentlicher Interessen wie Klimaschutz und die Minimierung des CO2-Ausstosses hat hohe Priorität.

Zu den Interviews wurden drei öffentliche und zwei Repräsentanten der privaten Investoren eingeladen – folgend einige wichtige Kernaussagen.

Die Intention eines der privaten Investoren war „…für eine lange Zeit zu bauen“. Daher wurde ein ge-ladener Wettbewerb durchgeführt, im Zuge dessen aufgedeckt wurde, dass „…der Bauherr seine Aufgabe nicht gemacht hatte.“ Die konkreten Ziele und Anforde- rungen an den Neubau waren unzulänglich ausgearbeitet – diese wurden dann in einem integralen Team aus Gesamtplaner, Konsulenten und Bauherrn gemeinsam ausgearbeitet und formuliert, was als positiver Nebeneffekt auch zu einer „…lang anhaltenden Freund- schaft der Beteiligten“ geführt hat. Durch die Schaffung dieses „Think-Tank“ nahm auch rasch die Schaffung von Nachhaltigkeitszielen konkrete Formen an.

Von Seiten eines öffentlichen Investors wurde die durch das Bundesvergabegesetz ab einer gewissen Auftragssumme geforderte öffentliche Ausschreibungsverfahren als großes Hin- dernis für die integrale und somit nachhaltige Planung identifiziert: „Das Bundesvergabege- setz hindert uns aktuell daran, die Planer zu bekommen die wir tatsächlich möchten.“ und „Das größte Problem in der Kommunikation mit den Planern ist das Bundesverga- begesetz.“

Weitere zu beachtende Punkte im Zusammenhang mit der öffentlichen Ausschreibung sind:

„Die Wettbewerbsphase ist besonders kritisch…“ was den weiteren Planungserfolg an- geht.

„Es ist schwierig, die Architekten dazu zu bringen ihre lt. Ausschreibung geforderten Aufgaben zu erfüllen…“

Die Phase vor dem Wettbewerb, in die Anforderungen und Wünsche für ein Projekt definiert werden müssen, stellt eine große Herausforderung für den Investor dar:

„…um eine Ausschreibung zu machen muss sich der Bauherr bereits sehr genau über sein Raum- und Funktionsprogramm sowie die angestrebte Energieperformance im Klaren sein..“ und „…um diese Planungsziele richtig zu definieren, ist bereits vor Be- ginn der Ausschreibung ein Planungs-Team not-wendig.“ – Das stellt eine Schwierigkeit dar, da die meisten öffentlichen als auch privaten Investoren selten dazu bereit sind, bereits vor der Ausschreibung entsprechend viel Geld in die Hand zu nehmen um diese Aufgaben

514 Festschrift 40 Jahre Ibpm Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

ausführlich zu bearbeiten, die unter dem Begriff „Bedarfsplanung“ zusammen gefasst werden können.

Wenn ein Planungsteam mit der Bedarfsplanung entsprechend beauftragt wurde ergibt sich ein weiteres Problem: das erarbeitete Know-How dieses Teams geht verloren, da nach der Durchführung des Wett-bewerbs das Gewinner-Team mit der Weiterarbeit an dem Projekt beauftragt wird – dies stellt einen Bruch in dem Prozess dar.

Planungsteam: Planungsteam neu: Bauherr Wettbewerb Bauherr Facility Manager 1 Architekt Architekt Nutzer Tragwerksplaner Gebäudetechnik TGA

Abbildung 4: Bruch des Prozesses durch Wettbewerb

Der Wunsch der Interviewpartner ist ein Planungs-Team für den gesamten Planungsprozess zu beauf-tragen oder zumindest im Zuge der Ausschreibung nicht nur einen Architekten son- dern ein vollständi-ges, integrales Planungsteam zu finden.

Alle befragten Bauherrn sind sich einig, dass die Team-Bildung des Planungsteams für den weiteren Er-folg des Projektes entscheidend ist – „…in der Vorentwurfsphase sollten alle Beteiligten bereits festste-hen und idealerweise von nun zusammenarbeiten. Große Schwierigkeiten werden bei einem späteren Beitreten von Planern geortet.“ - „Es ist wichtig, dass das Team bis zum Beginn der Entwurfsphase steht um spätere, kosten- und zeitintensive Planungsänderungen zu vermeiden…“

Zu der Thematik der Kosten und Honorare: „…je höher der Kosten- und Zeitdruck, desto höher ist der Druck innerhalb des Teams und die damit zusammen hängenden Prob- leme. Je geringen die Honorare, desto größer die Schwierigkeiten in der integralen Planung, da eine Reduktion des Aufwandes eines Team-Mitglieds auf Kosten der an- deren Beteiligten geht“.

Für den Entscheidungsbringenden Prozess fordern die Investoren geeignete Tools: „Ent- scheidungen werden meist auf Basis qualitativer Angaben getroffen, welche dann in Quantitäten – unter denen Geld immer noch die Wichtigste ist (am Ende entscheidet immer das Geld) – ausgedrückt werden“. Aber: „…es muss Tools geben, die weiter als bis zum Geld gehen!“

Festschrift 40 Jahre Ibpm 515 Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

Die Komplexität des Planungsprozesses und die Thematik der Nachhaltigkeit sind für Inves- toren oft schwer zu verstehen, daher ist die Frage, „…wie komme ich zu einer Entschei- dung?“ Hier wurde die Simulation mit der Möglichkeit, Variantenvergleiche und Optionen inkl. Folgen darzustellen, als eines der wichtigsten, entscheidungs-unterstützenden Tools genannt.

Beim Feedbackworkshop in welchem die Antworten in Gruppenarbeit gemeinsam ausarbei- tet wurden, wurde Entscheidungsbringung konkret angesprochen bei der Fragestellung:

Wo und wie können die Ergebnisse in die Praxis einfließen bzw. angewendet werden?

x Bestätigung der simultanen/integralen Planung durch praktische Erfahrung bewirkt Verkürzung der Entscheidungswege, qualitätsvollere Entscheidungen x Kontrollmechanismus für IP einbauen (bzw. BIM, Moderator) x Phasenspezifische Planungsentscheidungen treffen - in allen drei Bereichen TGA/Arch/TWPLA Punkte des Scheiterns können in IP verhindert werden

5 Quantitative Auswertung - Test eines Tools

Im Zuge eines Rollenspiel-Experiments waren Studenten der Studienrichtungen Bauinge- nieurwesen und Architektur in gemeinsamer Zusammenarbeit dazu angehalten, eine tem- poräre Smoothie-Bar zu entwerfen. Die Ergebnisse wurden daraufhin von einer Fachjury bewertet und eines der Siegerprojekte herangezogen, um eine Lebenszykluskosten- Berechnung sowie eine Ökobilanzierung zu simulieren und in Hinblick auf den Nutzen für den Bauherrn im Planungsprozess auszuwerten.

Als Methode für die Berechnung wurde jene des Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) 5 herangezogen. Dieses aus dem Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) 6 hervor gehende Steckbriefsystem ermöglicht eine um- fassende Bewertung aus ökologischer und ökonomischer Sicht und stellt gemeinsam mit der Datenbank Ökobau.dat7 eine zuverlässige Berechnungsmethodik dar. Ziel dieser Si-mulation war, die Anwendbarkeit dieser Berechnungs- und Bewertungstools als Entschei-dungshilfe für Bauherren in frühen Projektphasen zu evaluieren.

5 BMVBS/Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2011): http://www.nachhaltigesbauen.de/ bewer- tungssystem-nachhaltiges-bauen-fuer-bundesgebaeude-bnb.html (Zugriff 23.06.2011). 6 DGNB (2009), DGNB Handbuch, Neubau Büro- und Verwaltungsgebäude, Version 2009,German Sustainable Building Council , Stuttgart, Germany 7 Ökobau.dat (2011): http://www.nachhaltigesbauen.de/baustoff-und-gebaeudedaten/oekobaudat.html (Zugriff 20.06.2011).

516 Festschrift 40 Jahre Ibpm Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

Das der Berechnung zugrunde liegende Projekt – die temporäre, mobile Smoothie-Bar – ist zu großen Teilen aus nachwachsenden Rohstoffen (Holz) gebaut und wird überwiegend mit Hilfe erneuerbarer Energien betrieben. Der Planungsfortschritt ist zwischen Vorentwurf und Entwurf zu sehen. Die Smoothie-Bar war für eine Nutzungsdauer von 5 Jahren zu konzipie- ren, wobei sich der Betrieb auf die Frühjahrs- und Sommermonate (März – Oktober) be- schränkt. In den kalten Wintermonaten wird die Bar abgebaut und in einem Lager aufbe- wahrt, was mit Extrakosten verbunden ist.

Abbildung 5 - Smoothie-Bar

5.1 Berechnung der Lebenszyklus-Kosten

Die Lebenszykluskosten-Kosten Berechnung basiert auf den Ergebnissen der Kosten- schätzung, einer der frühesten Phasen der Kostenplanung. 8

8 ÖNORM 1801-1 (2009): Bauprojekt- und Objektmanagement, Teil 1: Objekterrichtung, Österreichisches Normungsinstitut, 2009.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 517 Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

Tabelle 1 – Projektdaten

Für die Berechnung wurde der Steckbrief „2.1.1 Gebäudebezogene Kosten im Lebenszyk- lus“ herangezogen, welcher folgende Kosten berücksichtigt:

x Ausgewählte Herstellungskosten x Ver- und Entsorgung x Energie / Strom und Wasser x Entsorgung Abwasser x Reinigung und Pflege von Gebäuden x Bedienung, Inspektion und Wartung x Instandhaltung der TGA x Instandsetzung der TGA und der Gebäudekonstruktion

Bei den ausgewählten Herstellungskosten werden die Kostengruppen 300 und 400 der DIN 2769 herangezogen, als Basis dient die Kostenermittlung bzw. eine Kostenfeststellung.

Tabelle 2 – Kostenschätzung

9 DIN 276-1 (2008): Kosten im Bauwesen, Beuth Verlag, Deutsches Normungsinstitut, 2008.

518 Festschrift 40 Jahre Ibpm Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

Wie in Steckbrief 2.1.1 vorgegeben wurde die Berechnung der Lebenszykluskosten durch Anwendung der Barwertmethode durchgeführt. Als Kalkulationszinssatz wurde 5,5% ange- nommen, bei einem Zeithorizont von 5 Jahren.

Tabelle 3 - Aufteilung der Lebenszykluskosten

Tabelle 3 - Aufteilung der Lebenszykluskosten zeigt die einzelnen Kostenpositionen bei einer vorgesehenen Lebensdauer von 5 Jahren. Um sich die Entwicklung der Kostentreiber vor Au-gen zu halten und mit einer üblichen Lebenszykluskosten-Rechnung vergleichbar zu ma- chen, wurde das Projekt auch für eine Lebensdauer von 50 Jahren berechnet. Die Verteilung der Kosten (Abbildung 2 - Verteilung der Lebenszykluskosten) hebt sehr deutlich die wesent- lichen Kostentreiber hervor: Energieverbrauch, Reinigung und der Ab-, Aufbau, Transport und Lagerung der Smoothie-Bar. Erwähnenswert ist die Tatsache, dass trotz des offensicht- lich sehr wichtigen Einflusses der Reinigung auf die Lebenszykluskosten in diesem Bereich kaum zuverlässige Daten oder Benchmarks vorliegen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 519 Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

Abbildung 6 - Verteilung der Lebenszykluskosten

Auch zeigt sich bei einer lebenszyklischen Betrachtung der geplanten Photovoltaik-Anlage (14,40 m2, 450 €/m2 Materialkosten), dass sich diese selbst mit einer staatlichen Förderung (0,38 €/kWh) während der 5-jährigen Betriebszeit nicht rentieren würde, da selbst dann das return-of-investment erst nach knapp 11 Jahren erreicht wird (Abbildung 3 - Photovoltaik - Break Even der Investition

Abbildung 7 - Photovoltaik - Break Even der Investition

520 Festschrift 40 Jahre Ibpm Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

5.2 Die Lebenszyklus-Analyse (LZA)

Alle Kriterien des BNB-Zertifikates in Hinblick auf die eine ökologische Bilanzierung zu be- rechnen und zu beschreiben würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, daher wird der Fokus auf die für die Zertifizierung wichtigsten Kriterien und die dazugehörigen Steckbriefe gelegt:

x Treibhauspotential (GWP) x Ozonschichtabbaupotential (ODP) x Ozonbildungspotential (POCP) x Versauerungspotential (AP) x Überdüngungspotential (EP) x Primärenergiebedarf, nicht erneuerbar (PEnr) x Gesamtenergiebedarf (PEtotal) x Trinkwasserbedarf und Abwasseraufkommen

Aufgrund der Tatsache, dass die Smoothie-Bar mit einer hohen Anzahl an elektronischen Geräten (Kühlschrank, Eisürfel-Bereiter, Tiefkühlschrank, etc.) im Vergleich zu ihrer geringen Grundfläche ausgestattet ist und sich die Energieverbrauchswerte auf den m2-Netto-Grund- Fläche (NGF) beziehen, ist die Zusammensetzung des verwendeten Stroms in Hinblick auf die ökologische Bilanzierung entscheidend.

In der Datenbank Ökobau.dat10 finden sich diesbezüglich drei unterschiedliche Angaben:

1. Strom Mix (Allgemein) 2. Strom aus Wasserkraft 3. Strom aus Windkraft

Diese Daten sind für Deutschland gültig. Sie unterscheiden sich um zwei Zehner-Potenzen, womit sich deren Auswirkung erahnen lässt. Bei vorliegender Berechnung wurde der Daten- satz für den Strom Mix (Allgemein) und jener für den Strom aus Wasserkraft verwendet. Die- se setzen sich wie folgt zusammen:

10 Ökobau.dat, 2011: http://www.nachhaltigesbauen.de/baustoff-und-gebaeudedaten /oekobaudat.html, Zugriff Juni 2011

Festschrift 40 Jahre Ibpm 521 Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

Strom-Mix-Allgemein Strom-Mix-Wasserkraft

9,42% 0,11% Braunkohle 0,50% 1,82% Steinkohle Braunkohle, Steinkohle, Erdgas 23,05% Erdgas, Erdöl, Erdöl Uran 30,14% 18,62% Uran Wasserkraft 99,51% Wasserkraft 15,96% Windkraft 0,89% Nicht definiert

Abbildung 8 - Zusammensetzung Strom Mix (Allgemein) und Strom aus Wasserkraft

Die benötigten ökologischen Daten der einzelnen Materialien wurden ebenfalls der Öko- bau.dat entnommen (Tabelle 4).

Tabelle 4 - Ökologische Daten der verwendeten Materialien

Die Ergebnisse der Berechnung sowie die zugehörigen Zielwerte nach BNB können der fol- genden Tabelle entnommen werden. Der Betrachtungszeitraum beträgt 5 Jahre, es wurden sowohl die Ergebnisse mit dem Strom Mix (Allgemein) sowie jene die aus der Berechnung mit dem Storm aus Wasserkraft hervor gehen mit den Zielwerten verglichen.

522 Festschrift 40 Jahre Ibpm Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

Tabelle 5 - Ergebnisse der LZA bezogen auf (m2-NGF*a) für eine Lebensdauer von 5 Jahren

Auf den ersten Blick ist die bereits erwähnte Wichtigkeit des gewählten Strom Mix ersichtlich (siehe auch Abbildung XX). Wie zu erkennen ist, sind die von der BNB vorgegebenen Grenzwerte bei der Berechnung mit dem Strom-Mix_Wasserkraft nahezu immer unterschrit- ten (einzige Ausnahme stellt der Primärenergiebedarf dar).

GWP [kgCO2-Äqu/(m²NGF*a] 422,96 . Zielwert Strom-Mix-Wasser Strom-Mix-Wasser Grenzwert Referenzwert Referenzwert Strom-Mix-Allg

79,80 57,00 39,90 41,19

Abbildung 9 - Vergleich des GWP-Wertes, berechnet mit den unterschiedlichen Strom- Zusammensetzungen

Ein Großteil der Emissionen entsteht während der Nutzungsphase. Dies kann auf das un- günstige Verhältnis von elektrischen Geräten bezogen auf die sehr kleine Netto-Grund- Fläche und den dadurch relativ gesehenen hohen Verbrauch pro m2-NGF zurückgeführt werden.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 523 Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

AP [kgSO2-Äqu/(m²NGF*a)]

Herstellung 26%

Nutzung 74%

Abbildung 10 - Anteil des Ausstosses an SO2-Äqu. während Herstellung und Nutzung (pro Jahr), berechnet mit Strom Mix (Allgemein)

Da sich in dem speziellen Fall der Smoothie-Bar auf sehr kleinem Raum eine große Anzahl an Energieverbrauchern befindet, werden die Ergebnisse verzerrt. Des Weiteren darf nicht vergessen werden, dass das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen für Bundesgebäude für den Neubau von Büro- und Verwaltungsgebäuden konzipiert wurde und die vorgegebe- nen Grenz-, Referenz und Zielwerte daran angepasst sind. Der jährliche Stromverbrauch der Smoothie-Bar beträgt 19.912,032 kWh/a bei einer Nettogrundfläche von 29,96 m², das ergibt einen Stromverbrauch von 664,62 kWh/(m²NGF*a). Sieht man sich im Vergleich dazu den Durchschnittsverbrauch eines belüfteten und klimatisierten Bürogebäudes an (106,39 kWh/(m²*a)) wird einem klar, dass hier von anderen Maßstäben ausgegangen werden muss. Um Immobilien der Gastronomie bewerten zu können, müssten die Referenzwerte also korrigiert werden.

524 Festschrift 40 Jahre Ibpm Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

6 Conclusio

Um die geeignete Unterstützungsmethoden für Entscheidungsprozesse für Planung von Nach-haltigen Gebäuden zu entwickeln, wurde im Rahmen vom Projekt Co_Be qualitative und quantitative Forschung durchgeführt.

Die qualitative Evaluierung der Leitfadeninterviews der Bauherrn der untersuchten Fallstu- dien zeigte auf, dass die Bauherrn sich vorwiegend auf die „harten“, „tangiblen“ Tools in frü- hen Planungsphasen als Abhilfe für Entscheidungsbringung wünschen. Die erfahrene Bau- herrn jedoch zeigen das Bewusstsein über die Notwendigkeit einer gemeinsamen Zielset- zung auf; um dies zu erreichen soll ein Planungsteam bereits vor dem Wettbewerb oder Pro- jektbeginn formiert werden, so die Interviewten.

Alle befragten Bauherrn sehen sich als treibende Kraft für Erreichung der Nachhaltigkeitszie- le; jedoch ist ihnen auch die Notwendigkeit eines auf Vertrauen basierten integralen Teams bewusst. Dieses Vorgehen ist oft durch das gängige Wettbewerbswesen, bzw. Bundesverga- begesetz gehindert; wobei der Bauherr kaum Einfluss auf die Auswahl der Team-Mitglieder hat. Somit sind diese Faktoren als zwei Haupthindernisse für eine Integrale Planung für die institutionellen Bauherrn gesehen.

Der Einsatz und Bewertung der LCC und LCA Werkzeuge als Instrumente für Entschei- dungsunterstützung für die Planung und Bauherrn zeigte auf; dass die Eignung der Daten sowie die ausgewählte Lebensdauer ausschlaggebend für das Ergebnis sind.

Damit LCC und LCA zuverlässige Ergebnisse liefern können, sind EPDs (Environmental Product Declarations) sowie bessere Benchmarks für Folgekosten (insbesondere Reinigung und Instandhaltung) notwendig.

Die Kosten-Benefit Kalkulation der Fotovoltaik-Installation beim Smoothie-Bar Projekt zeig- te, dass um die richtige Entscheidung bringen zu können eine Optionen-Basierte Evaluierung notwendig ist – für welche die gängigen Werkzeuge, wegen den mangelnden Daten nicht ge- eignet sind.

Im Allgemeinen sollten die Werkzeuge der Entwicklung der maßgeschneiderten, Ob- jektspezyphischen Mittel- und Langfristigen Strategien dienen; und nicht als standardisierte auf „Gebäudetyp“ bezogene Bewertungsinstrumente.

Zusammenfassend, sollten die Planungsprozesse für Nachhaltige Gebäude den langgedien- ten Pfad der traditionellen, sequentiellen und segmentierten Planung verlassen und zuneh-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 525 Planungsprozess-Evaluierung aus Bauherrn-Perspektive

mend auf Option- und Szenario-basierten integralen Planung aufbauen. Dabei sind die „intangiblen“ Werkzeuge der Kommunikationsgestaltung, Zieldefinition, Team-Bildung gleichwertig wie die „tangiblen“ Werkzeuge der Simulation, Berechnung und Bilanzierung; da ein Entscheidungsprozess nie ausschließlich auf rationalen Entscheidungen basiert; sondern viel mehr eine Kombination aus Logik und Intuition darstellt.

Univ.-Ass. Dr. Dipl.-Ing. Arch. Iva Kovacic [email protected] Faschbereich Industriebau und interdisziplinäre Bauplanung, TU Wien Karlsplatz 13/234 1040 Wien

Univ.-Ass., Dipl.-Ing. Christoph Müller [email protected] Faschbereich Industriebau und interdisziplinäre Bauplanung, TU Wien Karlsplatz 13/234 1040 Wien

526 Festschrift 40 Jahre Ibpm Lebenszyklusorientiertes Baumanagement

Lebenszyklusorientiertes Baumanagement

Nachhaltige Bauwerke durch professionelles Management

Rainer Stempkowski (Univ.Ass. 1990 bis 1997)

Das Baumanagement durchläuft zurzeit eine Trendwende von der reinen Investitions- betrachtung hin zu einer ganzheitlichen Lebenszyklusbetrachtung von Bauprojekten. Waren herkömmliche Management Methoden hauptsächlich auf kosteneffiziente Abwicklungen von Projekten fokussiert, so setzen moderne Ansprüche an qualifizierte Baumanager viele weite- re Fähigkeiten voraus, um Projekte so umsetzen zu können, dass sie nachhaltig erfolgreich sind. Neben den wirtschaftlichen Faktoren, die stärker auf die Lebenszyklus¬kosten und den gesamten Lebenszyklus fokussieren stellen nun auch Themen wie gesellschaftliche und öko- logische Verantwortung eine Herausforderung aller Projekt¬beteiligten dar. Der bewusste Umgang mit diesen Inhalten ist vor allem in frühen Projektphasen entscheidend dafür, ob ein Objekt die Nachhaltigkeitsaspekte erfüllt oder nicht. Aus diesem Grund sollen in diesem Arti- kel ganzheitliche Lösungsansätze für die Handhabung eines professionellen Managements aufgezeigt und erläutert werden.

1 Spezifizierung der Projektziele unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsaspekte

Um Projektziele nachhaltig spezifizieren zu können müssen neben den ökonomischen As- pekten auch ökologische und gesellschaftliche Gesichtspunkte verstärkt in die Projekt- abwicklung implementiert werden. Lebenszyklusorientiertes und vor allem nachhaltiges Baumanagement berücksichtigt alle Aspekte der Nachhaltigkeit in der Planung und Umset- zung. Dabei ist ein besonderer Focus auf die frühen Phasen der Planung zu legen, denn einerseits werden genau dort die Projektziele schrittweise definiert und andererseits führt eine frühzeitige Diskussion über all diese Aspekte zu einer realistischen Chance diese auch tatsächlich im weiteren Planungsprozess optimal berücksichtigt zu können.

Welche Aspekte sind nun bei der Zieldefinition zu berücksichtigen?

Ausgangspunkt der Nachhaltigkeitsdiskussion waren die ökologischen Aspekte, die primär den Focus auf sogenannte „Green Buildings“ legten. Nachdem in der Praxis aber vor allem

Festschrift 40 Jahre Ibpm 527 Lebenszyklusorientiertes Baumanagement

die wirtschaftlichen Aspekte im Vordergrund stehen, müssen besonders diese im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung berücksichtigt werden. Denn nur wenn sich ein Projekt auch wirtschaftlich rechnet wird es umgesetzt. Dass es dabei aber nicht nur um die Investiti- onskosten geht, sondern unter wirtschaftlichen Aspekten viele weitere Themen berücksich- tigt werden müssen, wird in der Folge noch weiter ausgeführt. Der stärkeren Berücksichti- gung der wirtschaftlichen Aspekte entspricht auch die Entwicklung vom „Green Building“ zum „Blue Building“. Der letzte Schritt ist die stärkere Berücksichtigung der gesellschaftlichen Aspekte. Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen, ob als Nutzer, Kunde, Mitarbeiter oder betroffene Anspruchsgruppe. Denn nur wenn das Objekt auch vom Menschen akzeptiert und geschätzt wird, wird es zum langfristig nachhaltigen Objekt und damit zur Erfolgsstory. 1

Aspekte der Nachhaltigkeit ƒ Umweltschutz ƒ Abfallvermeidung ƒ Emissionen ƒ Verkehr / Transport ƒ Mensch im Mittelpunkt ƒ Ressourceneinsatz ƒ Risiko Notfall ƒ Mitarbeiter & Qualifizierung ƒ Flächenverbrauch ƒ Work Life Balance Beruf<>Familie<>Job Ökologische ƒ Gleichbehandlung Aspekte ƒ Barrierefreiheit

ƒ Nutzer-, Gesellschaftliche Wirtschaftliche Bedarfs- Aspekte & Kunden- Aspekte orientierung ƒ Anspruchs- gruppen ƒ Integrity – Anti-Korruption ƒ volkswirtschaftliche Auswirkungen ƒ Projekt- & Risikomanagement ƒ Lebenszykluskosten ƒ Kostenmanagement (Optimierung ƒ Externe Kosten - Sicherheit – Transparenz) ƒ Finanzierung- Verschuldung ƒ Vertragsfairness

Abbildung 1 Übersicht Aspekte der Nachhaltigkeit für Bauprojekte

In der Folge wird ein Überblick über einige relevante Aspekte von nachhaltigen Gebäuden gegeben, um diese Themen für das Bauwesen greifbarer darzustellen. Dabei soll betont werden, dass die angeführten Kriterien keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Es wird vielmehr ein Focus auf heute noch zu wenig bewertete Aspekte gelegt um Bewusstsein für die gesamte Breite einer gesamtheitlichen Betrachtung zu schaffen.

1 Stempkowski Rainer: Life Cycle Management - Erfolgreiche Umsetzung des ganzheitlichen Ma- nagementansatzes zur Entwicklung nachhaltiger Bauwerke, NWB Nr. 14, 2011

528 Festschrift 40 Jahre Ibpm Lebenszyklusorientiertes Baumanagement

1.1 Ökologische Aspekte

Zu den ökologischen Aspekten zählt neben dem klassischen Umweltschutz (Emissionen und Klimaschutz) vor allem der optimierte und sinnvolle Ressourceneinsatz. Nachhaltige Pro- jekte erfordern die Minimierung der eingesetzten Materialressourcen. Das führt zu Forderung nach Wiederverwertung von Bauteilen, Recycling von Baustoffen und das Vermeiden von Materialdeponierung. Auch die graue Energie für die Gewinnung des Materials muss hin- sichtlich der ökologischen Aspekte reduziert werden.

Weitere Aspekte, die einen hohen ökologischen Fußabdruck erzeugen sind Verkehr und Transport von Materialien. Auch wenn heute die Kosten für Transport noch massiv unter- bewertet werden, sollte man schon heute versuchen das Transportvolumen deutlich zu mi- nimieren. Somit empfiehlt es sich neben der optimierten Bautransportlogistik Materialien zu verwenden, die auch in unmittelbarer Nähe produziert werden.

Auch Notfälle und Unfälle können zu massiven ökologischen Auswirkungen führen. Daher müssen Notfallrisiken (nicht erst seit dem Atomunfall) auch in der Gesamtbetrachtung mit- berücksichtigt werden.

Schließlich zählt auch der Flächenverbrauch zu den derzeit noch deutlich unterbewerteten Aspekten. Betrachtet man die stark ansteigende Entwicklung des Flächenverbrauchs der letzten Jahrzehnte und stellt man langfristige Prognosen an, so wird einem schnell klar, dass das Thema Flächenverbrauch bald ganz anders zu bewerten sein wird, um mit dieser sehr beschränkten Ressource auch in den nächsten Jahrhunderten nachhaltig umzugehen. Der Focus muss somit verstärkt auf Bestandsobjekte und Flächenverdichtung gelegt werden. Bereits versiegelte Flächen sollen, sofern möglich, nicht weiter ausgeweitet werden. Es ist neben dem Rückbau und der Rekultivierung eine Flächennutzung/-optimierung von bereits bebauten Flächen anzustreben. 2

1.2 Ökonomische Aspekte

Vorrangig bei wirtschaftlichen Aspekten sind zweifelsohne die Kosten und deren Minimie- rung. Doch schon bei der Frage, welche Kosten in welchem Zeitraum eigentlich zu betrach- ten sind, beginnen die Meinungen heute sehr stark auseinander zu gehen. Ziel eines profes- sionellen Kostenmanagements sind einerseits die Kostenoptimierung über den gesamten Betrachtungszeitraum bzw. Lebenszyklus des Objekts. Daneben sind aber auch Aspekte der

2 Stempkowski Rainer, Sturm Peter: Due Diligence für Bauprojekte - unter Berücksichtigung ganzheit- licher Bewertungsaspekte, Wing Business, 2011

Festschrift 40 Jahre Ibpm 529 Lebenszyklusorientiertes Baumanagement

Kostensicherheit & -transparenz und eines professionellen Projekt- & Risikomanagements zentrale Forderungen, die heute an einen Projektentwicklungsprozess gestellt werden. Ein faires und möglichst gutes Miteinander ist dabei einer der zentralen Erfolgsfaktoren bei der Planung und Abwicklung von Bauprojekten.

Die Berücksichtigung der Investitionskosten (Errichtungskosten + Finanzierungskosten) in- klusive den Folgekosten sind die Inhalte der immer wichtiger werdenden Lebenszykluskos- ten (LCC). Diese spiegeln die Überlegungen einer ganzheitlichen wirtschaftlichen Betrach- tung wieder und zeigen deutlich, dass über den Lebenszyklus hin gesehen die Folgekosten den Großteil der LCC ausmachen. Das Erkennen von Kostentreibern in der Nutzungsphase ist entscheidend dafür, wie hoch die gesamten Lebenszykluskosten ausfallen. Die Kriterien für die Bewertung der Folgekosten liegen u.a. auch in Aspekten wie der technischen Qualität von Gebäuden im Sinne einer wirtschaftlichen Reinigungsmöglichkeit, der geplanten In- standhaltung und regelmäßigen Instandsetzung, einer Flexibilität für Umnutzungen und na- türlich auch einer Minimierung der Betriebskosten durch entsprechend energiesparende Konstruktion des gesamten Gebäudes und seiner HT- und E-Anlagen. Die Analyse vieler LCC-Berechnungen zeigt, dass bei ausreichend langen Betrachtungszeiträumen der Focus weg von den Investitionskosten hin zur Instandhaltung und Instandsetzung (inkl. Umbau bzw. Umnutzung) als größter Kostenreiber gelegt werden muss. Und dabei sind selbstver- ständlich jene Gewerke mit kürzeren Lebensdauern vorrangig zu betrachten, da diese durch die höheren Instandsetzung- bzw. Austauschkosten in Summe den größten LCC- Kostenanteil ausmachen.

Ein entscheidender Faktor bei der Bewertung der Kosten ist auch die Bewertung der Kosten- unsicherheiten. Mit den Tools des Risikomanagements3 und des Chancenmanagements4 ist es heute bereits gut möglich eine hohe Kostensicherheit und Kostenstabilität zu erreichen, die auch eine zentrale Forderung der Bauherrn und Nutzer darstellt.

Ein weiterer Aspekt einer weit vorausschauenden und ganzheitlichen Betrachtung ist die Berücksichtigung der Externen Kosten, die zwar heute noch kaum korrekt bewertet werden, die aber in Zukunft sicherlich einen höheren Stellenwert bekommen werden. Daher kann nur empfohlen werden sich bereits heute mit Aspekten der Externen Kosten intensiver ausei- nanderzusetzen.

3 Stempkowski Rainer, Waldauer Evelin (Hrsg.): Risikomanagement-Bau, Netzwerk, 2012 4 Mühlbacher Evelin, Stempkowski Rainer: Chancenmanagement - Optimierung der Kosten und Ter- mine bei Bauprojekten, Netzwerk Bau, Fachzeitschrift für Baumanagement & Bauwirtschaft, Nr. 13, 2010

530 Festschrift 40 Jahre Ibpm Lebenszyklusorientiertes Baumanagement

Ein wirtschaftlicher Aspekt mit weitreichenden Folgewirkungen ist die Frage der Finanzierung von Objekten und die damit in Zusammenhang stehende Verschuldung von Bauherrn. Vor allem bei Objekten, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden oder deren Bauherrn die öffentliche Hand oder nahestehende Organisationen sind, ist diese Frage kritisch zu betrach- ten. Alle sind sich grundsätzlich einig, dass die Gestaltungsmöglichkeiten der nächsten Ge- nerationen nicht eingeschränkt werden dürfen, diese Forderung wird jedoch durch einen ho- hen Finanzmittelbedarf für zukünftige Generationen grob missachtet.

1.3 Gesellschaftliche Aspekte

Bei der Berücksichtigung der gesellschaftlichen und sozialen Aspekte bei der Entwicklung und dem Betrieb von Bauprojekten muss wieder verstärkt der Mensch in den Mittelpunkt gerückt werden. Einerseits ist die bereits angesprochene Nutzer-, Bedarfs- & Kundenorien- tierung eine Prämisse für alle Planungsentscheidungen, andererseits sollten auch die An- spruchsgruppen eines Bauprojektes in den Planungsprozess eingebunden werden. Dazu zählen neben den unmittelbaren Anrainern auch Bürgerinitiativen, Medien, Politik, Behörden und andere Interessensgruppen.

Ein Projekt kann nur erfolgreich abgewickelt werden, wenn die daran beteiligten Personen gut als Team zusammenarbeiten (Thema Team Building als notwendige Maßnahme), über die entsprechenden Qualifikationen verfügen (Thema Aus- und Weiterbildung im Sinne des Lebenslangen Lernens) und die einzelnen Mitarbeiter zufrieden und ausgeglichen im Sinne einer Work Life Balance sind, wo Beruf, Familie und Job in einem vernünftigen Verhältnis stehen.

Andere gesellschaftliche Aspekte betreffen die Gleichbehandlung aller Gruppen und ent- sprechende Rücksichtnahme auf Gruppen mit besonderen Bedürfnissen, wie z.B. die Barrie- refreiheit eine Selbstverständlichkeit in einer modernen Planung sein muss.

Schließlich sind auch gesellschaftliche Aspekte mit hohem Bezug zur Wirtschaftlichkeit wie die Integrität der beteiligten Unternehmen und Personen zu berücksichtigen. So sind auf allen Ebenen aktive Maßnahmen zur Vermeidung von Korruption zu treffen.

Bei den relevanten Entscheidungen sollten schließlich auch immer die volkswirtschaftli- chen Auswirkungen mitberücksichtigt werden, da ein einzelnes Projekt bei einer wirtschaft- lichen Betrachtung ev. kein positives Ergebnis bringt, in einem weiteren – eben volkswirt- schaftlichen Kontext das Projekt jedoch sehr wohl ein positives wirtschaftliches Ergebnis und

Festschrift 40 Jahre Ibpm 531 Lebenszyklusorientiertes Baumanagement

damit einen entsprechenden Nutzen für die Gesellschaft ermöglicht. Dies ist besonders dann relevant, wenn das Projekt zumindest zum Teil mit öffentlichen Mitteln finanziert wird.

Bei der Realisierung von Projekten muss wieder verstärkt die Nutzer in den Mittelpunkt rü- cken. Schließlich müssen die aktuellen und auch zukünftigen Bedürfnisse der Objektnutzer erfüllt werden. Das erfordert jedoch auch eine möglichst frühzeitige und konkrete Definition der Ziele und Rahmenbedingungen durch den Bauherrn möglichst unter intensiver Einbin- dung der Nutzer. Doch diese Zieldefinition und Nutzereinbindung ist kein einmaliges Ereignis am Beginn der Projektentwicklung sondern ein kontinuierlicher Prozess, der über die gesam- te Projektentwicklung, Planung und Realisierung fortgeführt und auch noch im Betrieb immer wieder angepasst werden muss. Je flexibler das Gebäude, desto besser wird dieser Anpas- sungsprozess zur Maximierung der Erträge gelingen.

2 Klare Projektstrukturen & Ablaufplanung für den gesamten Lebenszyklus

Gut durchdachte und klar definierte Projektstrukturen stellen die Basis für die erfolgreiche Projektabwicklung dar, weil sie eindeutige Vorgehensweisen für alle Beteiligten vorgeben und somit eine einheitliche Sprache für alle Projektbeteiligten definieren. Oft entwickeln Mit- wirkende eigene Strukturen, die meist von Vorlagen anderer – im besten Fall einigermaßen vergleichbarer - Projekte abgeleitet wurden.

Jede Umstrukturierungen von einzelnen Bereichen kann zu Problemen und einem unnot- wendigen Mehraufwand in der Projektabwicklung führen und auch die Nachvollziehbarkeit z.B. von Kostenschätzungen, Risikobewertungen oder Verantwortlichkeiten ist bei Umstruk- turierungen oft nicht mehr gegeben.

Die in der Abb. 2 dargestellten Zusammenhänge einer Projektstruktur zeigen eine enge Ver- netzung unterschiedlicher Management-Tools, die in sich abgestimmt werden müssen und schrittweise verfeinert bzw. angepasst werden.

532 Festschrift 40 Jahre Ibpm Lebenszyklusorientiertes Baumanagement

Organisation Kostenplanung Organigramm Kostenverfolgung Leistungsbilder Zahlungsplan Risikomanagement Anlagenbuchhaltung Risikoanalyse Maßnahmenplanung Terminplanung PROJEKT- Terminverfolgung Vertragsstruktur STRUKTUR Vergabeeinheiten Planstruktur Gewerke Plan-Nr.-System Abrechnung Infomanagement Objektstruktur Dokumentation Objekte - Bauteile Berichtswesen Funktionsstruktur Archivierung Funktionseinheiten

Abbildung 2 Projektstruktur

Ziel muss es sein, eine einheitliche Projektphasengliederung bei allen Projekten zu verwen- den und die Projektstruktur über alle Phasen durchgängig gleich zu halten bzw. logisch wei- terzuentwickeln. Genau diese Durchgängigkeit stellt eine Herausforderung an die Projektlei- tung dar, die auf Grund von unterschiedlichen Projektbeteiligten (Planer, Baufirma, etc.) viele verschiedene Strukturen auf einen Nenner bringen muss. Daher empfiehlt es sich im Rah- men eines Projekthandbuches bereits von Anfang an die Projektstruktur klar zu definieren. Das Projekthandbuch beinhaltet somit geordnete Vorgaben für alle Beteiligten und erlaubt es auch, neue Teilnehmer schnell und ohne großen Aufwand mit den Strukturen des Projekts vertraut zu machen.

Eine zukünftige Herausforderung stellt die Ablaufplanung für den gesamten Lebenszyklus dar. Die Analyse der Projektstruktur soll nicht nur mehr beim Übergang von Planung zum Bau erfolgen, sondern auch die Schnittstelle zwischen Bau und Betrieb (z.B. Probebetrieb, Inbetriebnahmephase) muss klar definiert werden. Es empfiehlt sich eine ganzheitliche Über- legung über den gesamten Lebenszyklus zu erstellen.

Um einen tatsächlichen Ablauf über den gesamten Lebenszyklus optimal entwickeln zu kön- nen, muss neben den 5 Projektphasen auch die Betriebsphase (Nutzungsphase) betrachtet werden.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 533 Lebenszyklusorientiertes Baumanagement

• PPH 1 Projektvorbereitung

• PPH 2 Planung

• PPH 3 Ausführungsvorbereitung

• PPH 4 Ausführung

• PPH 5 Projektabschluss

• PPH 6 BETRIEB / NUTZUNG

Nachdem die Nutzungsphase über viele Jahrzehnte – im besten Fall sogar über 100 Jahre gehen sollte – kann auch die Betriebsphase wiederum in eine Nutzungsphasen und Phasen des Umbaus bzw. der Umnutzung, in der Instandsetzungsarbeiten und ggf. wertsteigernde Anpassungen durchgeführt werden eingeteilt werden.

PPH 1 PPH 2 PPH 3 PPH 4 PPH 5 PPH 6 Betrieb

Projekt- Planungs- Bau- Betriebs- Betriebs- Betriebs- Nach- entwick- phase phase phase 1 phase 2 phase 3 nutzung lung

Umbau Umbau Umnutzung Umnutzung

Abbildung 3 Möglichkeit der Projektphasen Struktur

Generell ist ein Projekt in planbare, überschaubare und kontrollierbare Teilaufgaben zu glie- dern. Klarerweise stellt die Bedachtnahme an zukünftige Nutzer und sogar etwaigen Nach- nutzer eine große Herausforderung dar, da schon heute Überlegungen von Szenarien durchgeführt werden müssen, die noch in weiter Ferne liegen. Nicht-Ziel ist es, Abläufe und Vorgänge in der Zukunft detailliert darzustellen. Viel wichtiger ist es, die Ablaufplanung da- hingehend zu entwickeln, Prozesse der Nutzung, Umnutzung, Nachnutzung oder Objekt- beseitigung klar und mit ausreichendem Detaillierungsgrad zu entwickeln. Die Darstellung von Ablaufplanungen in möglichen Szenarien erlaubt es, alle relevanten Folgewirkungen aus Entscheidungen festzustellen und zu bewerten und ist damit eine wichtige Entscheidungs-

534 Festschrift 40 Jahre Ibpm Lebenszyklusorientiertes Baumanagement

grundlage. Generell sollte für jedes Gebäude bzw. Objekt ein Erhaltungsprogramm entwi- ckelt werden, der die Instandhaltungs- und Instandsetzungszyklen sowie die Art und den Umfang der Anpassungen berücksichtigt und auf einer Zeitschiene langfristig darstellt.

3 Organisation mit integralem Planerteam

Die grundsätzlich ganz klare Forderung nach optimaler Nutzung der Erfahrungen aus späte- ren Phasen ist in der praktischen Umsetzung eine echte organisatorische Herausforderung. Je nach Organisationsform ist der konkrete Betreiber des Bauobjekts zum Zeitpunkt der Pla- nung in vielen Fällen gar nicht bekannt. Daher wird die Planung meist einem Architekten übergeben, der mit seinem Entwurf alle relevanten Weichen bereits stellt. Die später nach- folgenden Fachplaner können dann nur mehr eine unter diesen Rahmenbedingungen mögli- che Lösungsvariante ausarbeiten.

Somit sind Fachplaner sehr oft in ihren Optimierungsmöglichkeiten stark eingeschränkt und können nur mehr gering positiv in das Projekt eingreifen. Das hat zur Folge das heutzutage erhebliches Optimierungspotenzial nicht erkannt bzw. nicht genutzt werden kann. Gewisse Rahmenbedingungen müssen selbstverständlich schon in frühen Phasen fixiert werden, die- se dürfen jedoch das Optimierungspotential anderer Projektbeteiligter nicht zu sehr reduzie- ren.

PROJEKTLEITUNG

Architekt Projektsteuerung Objektplanung

Haustechnik Örtliche Heizung-Klima-Lüftung-Sanitär Bauaufsicht

Elektrotechnik INTEGRALES Sonderfachgebiete Steuer-Mess-Regel-Lichttechnik PLANERTEAM z.B. ÖGNI-Auditor Gastro, Medizintechnik,… Energietechnik Statik Bauphysik - Akustik FM-Consulting Facilitäre Planung Brandschutz Fassadentechnik Fenster Dach

Abbildung 4 Integrales Planerteam

Festschrift 40 Jahre Ibpm 535 Lebenszyklusorientiertes Baumanagement

Der Lösungsansatz dazu liegt im Integralen Planerteam. Ziel ist es, in frühen Phasen der Projektentwicklung (bzw. Vorentwurfsphase) ein Planungsteam zusammenzustellen, das neben dem Architekten und Statiker auch sämtliche Fachplaner der Bereiche Haustechnik, Elektrotechnik, Energietechnik, Bauphysik, etc. eingebunden hat. Verstärkt müssen Erfah- rungen aus dem Betrieb des Objektes integriert werden. Aus diesem Grund stellt die facilitä- re Planung (FM-Consulting) einen Schwerpunkt für eine nachhaltige Objektplanung dar. Möglich ist dies nur durch die Einbindung des Facility Managements, das nicht erst ab der Inbetriebnahmephase bzw. Nutzungsphase einbezogen werden soll, sondern seine Erfah- rungen schon in der Projektentwicklung einfließen lässt.

Um die Erfahrungen der Bauphase insbesondere der Umsetzung von Bauverträgen (z.B. bei der Abrechnung oder bei Leistungsabweichungen) in der Planung berücksichtigen zu kön- nen, sollte die ÖBA bereits in der Ausführungsvorbereitungsphase bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung und insbesondere des Leistungsverzeichnisses aktiv mitwirken.

Die Forderung nach einer möglichst frühzeitigen Einbindung bedeutet jedoch nicht sämtliche Projektbeteiligte sofort in einer Besprechung zusammenzuführen. Viel wichtiger ist es struk- turierte Überlegungen hinsichtlich der sinnvollen Implementierung von Fachplanern in den Planungsprozess anzustellen. Welche Planer in welchem Prozess optimal ihre Potenziale ausschöpfen können, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, muss von der Projektlei- tung im Vorfeld überlegt, geplant und in den Dienstleistungsverträgen umgesetzt werden.

Weiters sollte die intensive Abstimmung zwischen den Planern (Spezifizierung der Schnitt- stellen) und die Zusatzaufgaben im Zuge der gemeinsamen Projektoptimierung auch in den Leistungsbildern und Honorarermittlungen der Dienstleistungsverträge Berücksichtigung fin- den. Nur wenn der Bauherr bereit ist, für die Planung auch entsprechende Mittel bereit zu stellen, wird er als Ergebnis des integralen Planungsprozesses ein tatsächlich für den Le- benszyklus optimiertes Gebäude erhalten. Ein Sparen bei der Planung führt immer zu Mehr- kosten im Lebenszyklus, da die Planer keine Ressourcen in diese zusätzlichen Aspekte und in eine schrittweise Optimierung investieren können.

536 Festschrift 40 Jahre Ibpm Lebenszyklusorientiertes Baumanagement

Projekt- Um- Planungs- Bau- Betriebs- Nach- entwick- nutzung phase phase phase 1 nutzung lung (Betrieb 2)

Abbildung 5 Erfahrungen aus allen Phasen in der Planung berücksichtigen5

Neben der besseren Honorierung der Planer durch den Bauherrn sind auch die Planer ge- fordert, den tatsächlichen Mehrwert einer integralen Planung dem Bauherrn näher zu brin- gen, darzustellen und den Bauherrn hinsichtlich einer ganzheitlichen Kostenbetrachtung zu sensibilisieren. Der Optimierungsprozess in der Planung hat über den gesamten Lebenszyk- lus gesehen einen hohen positiven Einfluss, da die Beeinflussbarkeit der Lebenszykluskos- ten vor allem in frühen Projektphasen am größten ist. Gut durchdachte Planungen, die in den jeweiligen Phasen die erforderlichen Fachplaner berücksichtigen, erlauben eine Reduzierung der Folgekosten und senken somit die Lebenszykluskosten.

Auch das „Miteinander statt gegeneinander“ 6 ist ein wichtiger Faktor, um Projekte erfolgreich umsetzen zu können. Das Bewusstsein aller Projektbeteiligte kann durch eine starke Integra- tion von beispielsweise Team-Building Maßnahmen gestärkt werden.

Eine Herausforderung für die Entwicklung wirklich nachhaltiger Gebäude ist es schließlich nicht nur die Bedürfnisse der Nutzer von heute sondern auch die Bedürfnisse von Nutzern in der weiteren Zukunft einschätzen zu können. Und solche Lösungen lassen sich am besten in einem fachübergreifenden Team von Spezialisten erarbeiten.

4 Kostensteuerung mit Hilfe von Lebenszykluskosten

Entscheidungsfaktor Nummer 1 für die Realisierung von Bauprojekten bleibt die Frage nach den tatsächlich anfallenden Kosten. Die reine Betrachtung der Investitionskosten entspricht jedoch nur einer kurzfristigen Kostenwahrheit. Eine tatsächliche Kostenwahrheit über den gesamten Lebenszyklus kann nur unter der Berücksichtigung der Folgekosten erfolgen.

5 Stempkowski Rainer, Wallner-Kleindienst Maria: LCM - Life Cycle Management - Integrated man- agement philosophy for building projects, IALCCE Kongress, Wien 2012 6 Stempkowski Rainer: Die 10 Schritte zum sicheren Rechtsstreit - oder doch lieber Miteinander statt Gegeneinander?, NWB Nr. 16, 2012

Festschrift 40 Jahre Ibpm 537 Lebenszyklusorientiertes Baumanagement

Verschiedenste Analysen der Lebenszykluskosten zeigen, dass die Investitionskosten nur einen geringen Teil (zwischen 15 und 50% je nach Objektart, Nutzung und Betrachtungs- zeitraum) der gesamten Lebenszykluskosten ausmachen. Daher muss in der gesamten Kos- tenplanung ein spezieller Focus in Richtung Folgekosten gesetzt werden.

Die Gliederung der Folgekosten ist in der neuen ÖNORM B 1801-27 dargestellt und kann als Standard für alle Lebenszykluskostenberechnungen verwendet werden.

Verwaltung und Management / Gebühren, 1 Verwaltung Steuern und Abgaben / Flächenmanagement Technisches Gebäudemanagement / Inspektionen / 2 Technischer Wartung / Kleine Instandsetzung, Reparaturen / Gebäudebetrieb Inbetriebnahme, Außerbetriebnahme Energie (Wärme, Kälte, Strom) / Wasser und Abwasser / 3 Ver- und Entsorgung Müllentsorgung Unterhaltsreinigung / Fenster- und Glasflächenreinigung / 4 Reinigung und Fassadenreinigung / Sonderreinigungen / Pflege Winterdienste / Reinigung Außenanlagen / Gärtnerdienste 5 Sicherheit Sicherheitsdienste / Brandschutzdienste

Hauspost. / Kommunikations- und Informationstechnik / 6 Gebäudedienste Umzüge / Empfang & interne Bürodienste / Gastroservice 7 Instandsetzung, Große Instandsetzung Umbau Verbesserung und Umnutzung 8 Sonstiges Sonstiges 9 Objektbeseitigung, Planung und Organisation / Abbruch und Entsorgung Abbruch Herstellung des Vertragszustandes (Baurecht, Servitut)

Abbildung 6 Struktur der Folgekosten

Aus Sicht des Verfassers sind bei allen Überlegungen der Lebenszykluskosten auch immer die Finanzierungskosten mit zu berücksichtigen, wenn mit der LCC-Berechnung z.B. ein Fi- nanzmittelbedarf, ein Liquiditätsplan oder ein wirtschaftliches (bzw. steuerliches) Ergebnis über einen gewissen Zeitraum ermittelt werden soll.

Für eine effektive Kostensteuerung mit Hilfe der Lebenszykluskosten ist es unbedingt erfor- derlich, die tatsächlichen Kostentreiber frühzeitig zu erkennen. Je nach Art der Objektnut- zung können diese variieren und müssen daher explizit untersucht werden. Weiters ist auch

7 Austrian Standards: ÖNORM B 1801-2, Bauprojekt- und Objektmanagement, Teil 2: Objekt- Folgekosten, 04/2011.

538 Festschrift 40 Jahre Ibpm Lebenszyklusorientiertes Baumanagement

der richtige Zeitpunkt der Kostenoptimierung maßgebend. Die Beeinflussbarkeit der Kosten ist nur in den ersten Phasen wirksam.

Planungs- Projekt- Planung Bau grundlagen definition

Optimierung projektspezifische Optimierung Rahmenbeding. Details Optimierung Bauablauf Entfall von Materialeinsatz Value Engineering Projektteilen Terminplan Alternativen von AN Variantenunter- Vergleich div. Def. generelle suchungen Ausführungs- Optimierung der Rahmen- varianten auftragsspezifischen bedingungen Rahmenbedingungen Eckdaten für Kostenbeeinflussbarkeit Projekte

Projektfortschritt Abbildung 7 Beeinflussbarkeit der Kosten in Abhängigkeit der Zeit

In der Regel werden in etwa 80% der Folgekosten in der frühen Planung festgelegt. Danach nimmt die Einflussnahme auf die Lebenszykluskosten rapide ab. Somit sind die Steuerungs- instrumente zu Beginn jedes Projektes vorhanden und müssen vor allem erkannt werden. Die Herausforderung liegt darin bereits ab Beginn einen Prozess für die schrittweise Projek- toptimierung zu implementieren.

Die großen Kostenbereiche neben den Investitionskosten und den Finanzierungskosten sind die

x Betriebskosten, die sich wiederum aus dem Technischen Gebäudebetrieb (Wartung und Instandhaltung) und der Ver- und Entsorgung (von Energie, Wasser und Abwasser sowie Müllentsorgung) zusammensetzen, x Reinigungskosten und x Instandsetzungs- und Umbaukosten.

Um die Betriebskosten zu minimieren gibt es zahlreiche Möglichkeiten bei der Gebäudekon- zeption (Energietechnik, Haustechnik, E-Technik, Fassade, Bauphysik, …) die vom Niedrig- energiehaus bis zum Plusenergiehaus reichen.

Festschrift 40 Jahre Ibpm 539 Lebenszyklusorientiertes Baumanagement

Interessant und meist viel weniger beachtet ist die Optimierung der Planung für die Reini- gung. Diese kann je nach Annahme der Lebensdauer in Summe auch fast so viel ausma- chen wie die gesamten Investitionskosten der ersten Errichtung des Gebäudes. Der Aspekt der Reinigung ist jedenfalls bei der Wahl der Oberflächenmaterialien, der Fassaden sowie der Gestaltung der Außenanlagen und Eingangsbereiche zu berücksichtigen.

Um die Instandsetzungs- und etwaige zukünftige Umbaukosten zu minimieren, müssen zukünftige Sanierungs- und mögliche Umbaumaßnahmen bereits in der ersten Planung mit berücksichtigt werden. Durch entsprechend flexible Konstruktionen ist es möglich mit gerin- gem Umbauaufwand und vor allem mit einer geringen Beeinträchtigung des Betriebs (Mini- mierung der Ertragsverluste während des Umbaus) den Wert erhalt sicherzustellen oder eine Werterhöhung zu erreichen.

Weiters führt eine laufende und ordentliche Instandhaltung und eine regelmäßige und im Vorhinein (z.B. im Rahmen eines Erhaltungsprogramms) geplante Instandsetzung i.a. zu niedrigeren Instandsetzungskosten.

Aktive Kostensteuerung bedarf nicht nur einer detaillierten Kostenplanung der Investitions- kosten, die diese möglichst genau prognostizieren, sondern auch einer umfassenden Le- benszykluskostenplanung als Grundlage für einen durch alle Projektphasen laufenden Pro- jektoptimierungsprozess, der zu einer Minimierung der Lebenszykluskosten in der gesamten Lebensdauer führt.

5 Zusammenfassung

Lebenszyklusorientiertes Baumanagement stellt für alle Projektbeteiligte eine immer größer werdende Herausforderung dar. Die hohe Komplexität dieser Thematik verlangt neue und innovative Lösungsansätze, die von Bauherrn, Planern und Bauunternehmen entwickelt und konzipiert werden müssen. Um die Fähigkeiten eines zukunftsfähigen Baumanagers zu er- langen, ist „lebenslanges Lernen“ neben hoher Praxiserfahrung das Erfolgsrezept für die tatsächliche Umsetzung nachhaltiger Bauprojekte. Der Focus muss verstärkt auf die Planung gelegt werden, da in dieser Phase maßgebende Entscheidungen für die ganzheitliche Opti- mierung von Projekten getroffen werden können. Ausschlaggebend dafür ist jedoch ein ge- wisses Basiswissen, dass unabdingbar für eine integrale Planung ist. Die Berück¬sichtigung sämtlicher Nachhaltigkeitsaspekte (ökologische, ökonomische und gesellschaft¬liche) wird gerade in der Baubranche immer mehr verlangt, da Bauprojekte hohe Emissionen sowie einen hohen Verbrauch an Rohstoffen bzw. Ressourcen zu verantworten haben. Der ver-

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antwortungsvolle Umgang mit allen eingesetzten Ressourcen spiegelt die Fähigkeiten eines professionellen Baumanagers wieder. Zielführende Entscheidungen zu den richtigen Zeit- punkten müssen gemeinsam erarbeitet und deren Folgewirkungen analysiert werden. Nur so ist es möglich, über den Tellerrand zu blicken und frühzeitige Steuerungsinstrumente sinnvoll einzusetzen, um nachhaltige Bauprojekte auch für zukünftige Generationen zu entwickeln und umzusetzen.

FH-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Rainer Stempkowski STEMPKOWSKI Baumanagement & Bauwirtschaft Consulting GmbH Wiedner Hauptstraße 39/1/7 A-1040 Wien

6 Literatur / Quellen

[1] Austrian Standards Institute / Österreichisches Normungsinstitut (ON): ON B 1801-2 Bauprojekt- und Objektmanagement, Teil 2: Objekt-Folgekosten, 04/2011, Wien

[2] Mühlbacher Evelin, Stempkowski Rainer: Chancenmanagement - Optimierung der Kosten und Termine bei Bauprojekten, Netzwerk Bau, Fachzeitschrift für Bauma- nagement & Bauwirtschaft, Nr. 13, 2010

[3] Stempkowski Rainer: Life Cycle Management - Erfolgreiche Umsetzung des ganzheit- lichen Managementansatzes zur Entwicklung nachhaltiger Bauwerke, Netzwerk Bau, Fachzeitschrift für Baumanagement und Bauwirtschaft, Nr. 14, 2011

[4] Stempkowski Rainer: Die 10 Schritte zum sicheren Rechtsstreit - oder doch lieber Miteinander statt Gegeneinander?, Netzwerk Bau, Fachzeitschrift für Baumanage- ment und Bauwirtschaft, Nr. 16, 2012

[5] Stempkowski Rainer, Sturm Peter: Due Diligence für Bauprojekte - unter Berücksich- tigung ganzheitlicher Bewertungsaspekte, Wing Business, 2011

[6] Stempkowski Rainer, Waldauer Evelin (Hrsg.): Risikomanagement-Bau, Netzwerk, 2012

[7] Stempkowski Rainer, Wallner-Kleindienst Maria: LCM - Life Cycle Management - In- tegrated management philosophy for building projects, IALCCE Kongress, Wien 2012

Festschrift 40 Jahre Ibpm 541

Von der Netzplantechnik zum Projektmanagement

Von der Netzplantechnik zum Projektmanagement

Sind 40 Jahre Entwicklung spurlos an der österreichischen Bauwirtschaft vorbeigegangen?

Michael Duschel (Univ.Ass. Jän. 1981 bis Aug. 1981)

1 Kurze Geschichte der Netzplantechnik

Bereits Ende der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde unter der Abkürzung PERT Program Evaluation and Review Technique die Netzplantechnik bekannt. Die Buchstaben CPM critical path method standen für die Berechnungsmethode von Netzplänen. Erste Ver- suche Rechenalgorithmen zu entwickeln, die Netzpläne mit Computern berechenbar mach- ten fallen ebenfalls in dieses Jahrzehnt. Die erste Anwendungen erfolgten beim Polaris Ra- keten Programm der USA und im Chemieanlagenbau. Der Haupteinsatz war zu dieser Zeit wohl im militärischen Bereich und nachfolgend in der Raumfahrt. Mit der Durchführung des Apollo Programms der NASA wurde die Entwicklung weiter vorangetrieben.

Die Bedeutung und Brauchbarkeit dieser Methode wurde aber auch für das Bauwesen er- kannt. Das Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft unter der Leitung von Prof. Jurecka war mit seinen Assistenten von Beginn an an vorderster Front tätig, die Studenten mit dem nöti- gen Knowhow auszustatten. Daten für Netzplanberechnungen wurden auf Lochkarten über- tragen und mit diesen der an der TU verfügbare Großrechner gefüttert. Die Ergebnisse ka- men auf seitenlangen Ausdrucken zurück, die Fehlersuche war aufwändig und zeitraubend.

Ähnliche Programme auf Großrechnersystemen kamen auch in der Bauwirtschaft zum Ein- satz. Das bekannteste Programm war wohl SINET, eine Software die Mitte der 70er Jahre von Frau Müller-Ettrich, einer Nachfahrin des berühmten Flugpioniers, im Rahmen Ihrer Tä- tigkeit bei Siemens entwickelt wurde. Schon damals hatte man die Idee, die im Netzplan de- finierten Vorgänge mit zusätzlichen Informationen wie Personaleinsatz oder Kosten zu ver- sehen.

Damit war der erste Schritt in Richtung Projektmanagementsoftware getan. Auch die Firma IBM bot mit dem AS - Application System bereits ein sehr leistungsfähiges Produkt an. Alle Programme auf Großrechnern erwiesen sich für die Baupraxis als zu schwerfällig und waren nur von Spezialisten zu bedienen. Dateneingaben erfolgten immer noch über Lochkarten oder später über monochrome Bildschirme im ASCII-Code. Die Berechnung wurde im Batch-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 543 Von der Netzplantechnik zum Projektmanagement

Betrieb abgearbeitet und die Ergebnisse waren oft erst Stunden später verfügbar. Eine grafi- sche Ausgabe der Ergebnisse war anfänglich nicht möglich.

Erst als man am MIT an der Verbesserung der Schnittstelle zwischen Mensch und Computer zu arbeiten begann und diese die Fenstertechnik hervorbrachte, war der Grundstein für eine weitere Verbreitung von spezialisierter PM-Software gelegt.

2 Projektmanagementsoftware heute

Im Fachgebiet Projektmanagement sind viele verschiedene Software - Produkte verfügbar. Es stehen Standardwerkzeuge wie Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Grafik- programme sowie spezialisierte PM-Applikationen zur Verfügung. Mit Ihnen ist nicht nur der Bereich Termin-u. Ablaufplanung abdeckbar, sondern auch das Ressourcenmanagement, Kostenmanagement, Risikomanagement, die Kommunikation via Internet, Dokumentation, Qualitätsmanagement und Änderungsmanagement.

Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich nur auf die „klassische“ PM-Software deren Basis die Netzplantechnik ist und die die Bereiche Leistung-Termine-Ressourcen/Kosten sowohl in der Planung als auch im Controlling integrativ abdeckt.

Nicht alle zur Verfügung stehen Programme eignen sich für den Einsatz bei Bauprojekten. Das derzeit bekannteste Programm des Marktführers wurde für die Planung bei der Soft- wareentwicklung erstellt und ist für den Einsatz bei Bauprojekten nur bedingt geeignet.

Bauprojekte haben gerade im Bereich der Termin-u. Ablaufplanung hohe Anforderungen deren Erfüllung auch die Qualität der Ergebnisse entscheidend beeinflusst.

In der Leistungsplanung ist dies die Abbildung mehrfacher Strukturen wie Objektstruktur, Projektstruktur, LV-Struktur, Kostenstruktur nach B1801-1 und weitere, die die Ausgabe der Ergebnisse nach verschiedenen Aspekten ermöglichen.

544 Festschrift 40 Jahre Ibpm Von der Netzplantechnik zum Projektmanagement

Abbildung 2.1: Projektstrukturplan

In der Terminplanung ist dies die Verwendung von hierarchischen Kalendern zur Berücksich- tigung der speziellen Arbeitszeiten sowie jahreszeitlichen Bedingungen der Baubranche. In der Ablaufplanung ist die Verwendungsmöglichkeit aller aus der Netzplantechnik bekannten AOB’s unabdingbar. Weitere Anforderungen hinsichtlich Ressourcenplanung - Stichwort Personaleinsatzgebirge – und Kostenverlaufsplanung gehören mittlerweile ebenfalls zum Stand der Technik.

Abbildung 2.2: Personaleinsatz

Festschrift 40 Jahre Ibpm 545 Von der Netzplantechnik zum Projektmanagement

Abbildung 2.3: Kostenverlauf

Der maximale Nutzen beim Einsatz von Projektmanagementsoftware ist jedoch erst erziel- bar, wenn diese auch im Controlling konsequent verwendet wird. Vor allem bei größeren Bauprojekten ist der Projektstatus nicht alleine durch eine Aussage zur Terminsituation beur- teilbar. Es muß ein Zusammenhang zwischen Leistungsstand, Terminen und Kosten herge- stellt werden. Dies kann durch die Earned Value Methode erreicht werden.

Abbildung 2.4: Earned Value

546 Festschrift 40 Jahre Ibpm Von der Netzplantechnik zum Projektmanagement

Die Dynamik von Bauprojekten beinhaltet auch immer Änderungen bei Leistungen, im Ablauf und bei den Kosten. Die Auswirkungen dieser Änderungen auf die Projektziele werden damit ebenfalls berechenbar.

Durch das Angebot an Funktionalität von High-End Software soll jedoch nicht der Eindruck entstehen, daß damit die Planung von Bauprojekten einfacher und ohne entsprechendes Basiswissen möglich geworden ist. Jeder Anwender muß sich die Frage stellen wo seine Kreativität im Planungsprozess erforderlich ist und wie er die unterstützenden Funktionen der eingesetzten PM-Software am besten nutzen kann. Im Controlling sind es die zur Verfügung stehenden Daten die die Qualität der Ergebnisse bestimmen.

3 Diagnose zum Einsatz in der Bauwirtschaft

Auf Grund der langjährigen Beratungstätigkeit in der Bauwirtschaft und der Tätigkeit als Sachverständiger für Bauabwicklung lassen sich zum Einsatz der Netzplantechnik in der Bauwirtschaft folgende Thesen aufstellen:

x Termin-u. Ablaufpläne für ein Objekt werden oft von verschiedenen Beteiligten (Planer, Vertreter des AG, Ausführenden etc.) erstellt und passen daher nicht zusammen. x Eine nach zeitlichen Phasen orientierte Projektstruktur kommt nicht zur Anwendung. Die Gliederungen sind meist zu flach und es werden verschiedenen Kriterien ver- mischt. Damit ist der Terminplan für Zwecke des Controllings begrenzt einsetzbar. x Bei der Erstellung von Terminplänen wird primär mit Fixterminen gearbeitet. Die Netz- plantechnik als Basis für eine Berechnung der Termine wird selten genützt. Die Ver- netzung ist mangelhaft und ist weit vom Verhältnis Anzahl Vorgänge zu Anordnungs- beziehungen von 1:1,5 entfernt. x Der Terminplan wird selten durchgehend über die gesamte Bauzeit als Controlling In- strument verwendet. SOLL-IST Vergleiche beschränken sich auf die Abweichung von Einzelterminen. x Die Möglichkeiten leistungsfähiger PM-Software für integrierte Leistungs-, Termin-u. Kostenplanung und Controlling werden praktisch nicht genützt. x Die Earned Value Methode zur Beurteilung des Projektfortschritts ist den meisten Be- teiligten nicht bekannt.

Die theoretischen Grundlagen für den Einsatz der PM-Methoden liegen vor und werden auch in einschlägigen Lehrveranstaltungen angeboten. Die Anwendung in der Praxis ist jedoch noch immer fast ausschließlich von den handelnden Personen abhängig. Ein Qualitätsstan-

Festschrift 40 Jahre Ibpm 547 Von der Netzplantechnik zum Projektmanagement

dard nach internationalen Maßstäben ist noch nicht spürbar. Individuelle Zertifizierungen als Nachweis zusätzlicher Qualifikation werden angeboten, von den Beteiligten der Bauwirt- schaft jedoch kaum wahrgenommen.

Die Zertifizierung von Projekten scheint überhaupt unbekannt zu sein.

Auf der ausführenden Seite wurde die Arbeitsvorbereitung immer mehr in Richtung Bauleiter und Polier verschoben. Aus Zeitgründen werden vermeintliche wichtigerer Tätigkeiten vor- weg behandelt und die Termin-u. Ablaufplanung verkommt oft zu einer Alibiaktion. Die Po- tenziale der integrierten Termin-u. Kostenplanung werden kaum genützt. Das institutionelle Lernen der Gewinn von Knowhow für das Unternehmen bleibt überhaupt auf der Strecke.

Manchmal hat man den Eindruck, daß in der Bauwirtschaft noch immer bei jedem Projekt das Rad neu erfunden wird. Aktuelle Zeitungsberichte scheinen diesen Eindruck zu bestäti- gen.

Einzelfälle bestätigen jedoch auch, daß die Entwicklungen zum Projektmanagement an der Bauwirtschaft nicht ganz spurlos vorbeigegangen sind.

4 Potenziale und Maßnahmen

Durch eine sorgfältige Planung können Termine eingehalten und die Kosten für alle Projekt- beteiligten reduziert bzw. begrenzt werden. Abweichungen werden frühzeitig erkannt und ein Controlling im Sinne von steuern wird rechtzeitig möglich. Eine professionelle Termin-u. Ab- laufplanung bildet den ersten Schritt dazu. Der dafür erforderliche Aufwand und die damit verbundenen Kosten sind verschwindend im Vergleich zu den Gesamtprojektkosten bzw. den aus mangelhafter Ausführung der Planung entstehenden Folgekosten. Daraus läßt sich unmittelbar der nachstehende Maßnahmenkatalog ableiten

x Erfüllung minimaler Standards in der Leistungsplanung z.B. Erstellung eines Projekt- strukturplans.(z.B.PMI-Standard:„You must have a Work Break Down Structure!“) x Beseitigung von Unterlassungssünden z.B. Erstellung eines leistungsorientierten Mei- lensteinkonzepts x Auswahl und Einsatz des richtigen Tools, der passenden PM-Software für das Baupro- jektmanagement x Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Funktionalität der PM-Software x Nachweis einer individuellen Zertifizierung im speziellen Fachgebiet

548 Festschrift 40 Jahre Ibpm Von der Netzplantechnik zum Projektmanagement

x Zusammenfassung der Planungstätigkeit hinsichtlich Leistung-Termine-Kosten in einer Hand

Die voranstehenden Ausführungen geben den Eindruck aus persönlichen Erfahrungen des Autors wieder, die jedoch auch in Gesprächen mit Bauleitern, Arbeitsvorbereitern Bestäti- gung fanden. Es sind 40 Jahre vergangen, doch wir befinden uns teilweise erst am Anfang des Weges zu einem professionellen Bauprojektmanagement. Vielleicht sind aber auch die Randbedingungen in der Bauwirtschaft in Österreich so, daß die Methoden des Projektma- nagements auch in Zukunft immer nur rudimentär eingesetzt werden, um die Möglichkeiten der Improvisation nicht zu stark einzuschränken.

Prof.Dipl.Ing.Michael DUSCHEL Professor für Baubetriebslehre an der Camillo-Sitte Lehranstalt Zivilingenieur für Bauwesen allg.beeid.gerichtl. zertifizierter Sachverständiger für Bauabwicklung und Bauabrechnung, Certified Schedule Professional nach PMI Standard

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