DAS TEPPICHMAGAZIN

Shahsavan, 2/99 die Nomaden des Nordwest- EDITORIAL Neue Beiträge im Teppichmagazin «torba»

Seit dem April 1993 erscheint nun das Teppichmagazin «torba». In 14 Folgen berichteten wir im Gefäss «Auf den Spuren der Nomaden» über das Leben, die Sitten, die Bräuche, die Nöte und Sorgen der Nomaden. Wir begleiteten die Nomaden von der Geburt bis zum Tod. In verschiedenen Ausgaben präsentierten wir die verschiedenen Zeltformen mit ihren Inneneinrichtungen. Sicher gäbe es noch viel Interessantes und Nennenswertes über diese Hirtenvölker zu berichten. Trotzdem verlassen wir dieses Thema und berichten ab der Ausgabe 1/2000 auf den Seiten 22 und 23 über «orientalische Basare und Märkte». Wir wollen einen Einblick in das fremdartige, geheimnisvolle Leben des Geschäftsalltags im Morgenland, in die exotisch bunte Verkaufswelt vermitteln. Das farbige Bild der Basare bestimmen die Händler, die Kunsthandwerker und ihre Waren. Jeder Basar hat seine Eigenart, seine Spezialität, die wir erläutern. Wir möchten Ihnen Geräusche, Farben und Gerüche aufzeigen. Ich freue mich darauf.

Die Mitglieder des Verbandes hatten die Gelegenheit, in der «Galerie» spezielle Stücke zu präsentieren. Leider wurde diese Möglichkeit zu wenig genutzt. Ab dieser Ausgabe finden Sie das neue Gefäss «Schaufenster».

Der Orientteppichmarkt ist im steten Wandel. Die Hersteller sind bemüht, sich dem Markt zu stellen. Neue Qualitäten und Muster erwarten uns an den internationalen Messen. Kaum ist ein neuer und guter Teppich auf dem Markt, wird er auch schon von Nachknüpfländern oder Mitkonkurrenten in minderer Qualität kopiert. Wir als Vermittler sind gefordert und versuchen das Beste vom grossen Angebot auszulesen. Mit der neuen zweiseitigen Reportage präsentieren wir Ihnen das aktuell Neue und Gute.

Edi Kistler

2 I N H A L T

DAS TEPPICHMAGAZIN 2/99 7. Jahrgang Eine Publikation der SOV (Schweizerische Orientteppich- händler Vereinigung/Association suisse des commerçants en tapis d'orient) Herausgeberin: SOV Erscheint zweimal jährlich in deutscher und französischer Sprache. Erhältlich in allen SOV- Fachgeschäften oder über die Redaktion im Abonnement. PC Konto 80-28167-7 (Fr. 20.– für vier Ausgaben) Redaktionsadresse: Postfach 361, 3250 Lyss e-mail: [email protected] Redaktionsteam: R. J. Gans, M. Fischer, E. Kistler, A. König, J. Linsi, R. Nicole Redaktionelle Beratung RUBRIKEN ARCHITEKTUR und Lektorat: 4 Werkstatt 17 Chehel Sotun-Palast in Isfahan Alice Baumann, Journalistin BR, 14 Schaufenster Bern 16 Ausstellungen Gestaltung: 18 Geschichte Oliver Salchli, Biel 18 Gericht Lithografie: 21 Service Ruma Foto und Litho AG, Biel GEGENSTAND Druck: Farbendruck Weber AG, Biel 5 Der unersetzbare Zählrahmen Autoren «Chortgeh» und Fotografen dieser Ausgabe: J. Gans, E. Kistler, A. König, torba REPORT F O K U S R. Nicole 6 Shahsavan 19 Ein Heriz von der besten Sorte (die dem Schah dienen) INTERIEUR Das Copyright der Texte und 20 Attika-Wohnung Fotos liegt bei den Autoren und auf dem Gipfel eines Hügels Fotografen. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mit deren REPORTAGE Genehmigung gestattet (Kontakt über die Redaktion).

«torba» bedeutet im Türkischen «Tasche». Im möbellosen Haus- halt der Nomaden enthält sie Vorräte und Gebrauchsgegenstän- de; sie wird im Zelt aufgehängt und ist auf der Vorderseite kunst- 22 Auf den Spuren der Nomaden: voll geknüpft oder gewebt. Das halbkugelförmige «Die Hand der Fatima», das Signet Filzzelt «Alachiq» der SOV, ist ein Schutz- und der Shahsavan Nomaden Glücksymbol mit magischen Kräf- ten: Es soll Böses abwenden und seinem Besitzer Glück bringen. Titelbild: Moghan Chanteh, 25 x 25 cm. torba 2/99 3 WERKSTATT

Die Welt der Teppichherstellung (Teil 14) Farben und Färben

die Bedeutung des natürlichen Pro- und Oxidationsverfahren gewann dukts sehr schnell abnahm. man den Küpenfarbstoff Indigo, oder man legte die zu färbenden Garne Färberwaid einfach in einen Blätterbrei, bis die Der Färberwaid, ein Kreuzblütler, ist natürlichen Reduktions- und Oxida- eine zweijährige Pflanze, die im ersten tionsprozesse zu einer Ausfällung Farbstoffe in Blau Jahr nur eine Blattrosette bildet und des blauen Farbstoffes Indigo auf der Alle Blaufärbungen enthalten entwe- im zweiten einen etwa zwei Meter Faser führten. der Indigo oder ein Derivat des Indi- hohen Stengel entwickelt. Zum go, die Indigo-Disulfonsäure. Sie Färben wurden die Blätter verwendet, Indigostrauch entsteht durch Behandlung des Indi- die den nicht färbenden Stoff Indican Die in Indien seit mehr als 4000 Jah- go mit konzentrierter Schwefelsäure enthalten. In komplizierten Gärungs- ren kultivierte Pflanze Indigotera und ist im Gegensatz zum Indigo tinctoria ist ein Schmetterlingsblüt- ein wasserlöslicher Farbstoff, der auf ler, der 30 mal mehr Indigo liefert als Alaunbeize auch direkt blau färbt; der Färberwaid. Der blaue Farbstoff dabei werden allerdings nur hellblaue aus Indien war schon im alten Ägyp- bis mittelblaue Töne erreicht. Diese ten bekannt. Die Römer nannten ihn Blaufärbungen haben den Nachteil, indicum, die Araber anil (Chemiker nicht immer waschecht zu sein. Die nannten dann l826 einen aus Indigo tiefblauen Färbungen sind dagegen hergestellten chemischen Stoff Ani- stets Indigofärbungen. lin). Die Araber versuchten l320 bei Der Färberwaid «Isatis tinctoria» Jericho Indigofera tinctoria anzubau- wurde in Europa bis ins 17. Jh. en, aber ohne Erfolg: Die Pflanze kultiviert. Dann wurde er jedoch braucht ein tropisches Klima. durch importiertes Indigo namens Wir können annehmen, dass in den «Indigofera tinctoria» verdrängt, osmanischen Manufakturen der teure da Indigofera-Arten bis zu 30 mal Indigo aus Indien verwendet wurde. mehr Indigo enthalten. Im dörflichen Bereich dürfte sich aber Die technische Synthese des Indigo – wie in Mitteleuropa – der Färber- durch Bayer 1897 erlaubte eine wirt- waid noch bis ins l9. Jahrhundert schaftlichere Herstellung, so dass behauptet haben.

Färbeversuch Deren gelbe bis bräunliche Färbung Wolle ca. 5 Min. in der «Küpe» 2 g feingepulvertes Indigo, 4 g NaOH- ist die des Indigophenolats. In die- lassen (Bild 4). Plätzchen (Natronhydroxid) und 4 g se «Leikoindigo»-Lösung zusätzlich Die Wolle nimmt beim Herausneh- Natriumdithionit und etwa 2 dl Was- ca. 1 l warmes Wasser geben. Diese men an der Luft rasch eine Blau- ser auf etwa 70° erwärmen (Bild 1). «Küpe» ca. 100° erhitzen (Bild 2). färbung an, die im Verlauf des Das wasserunlösliche Indigopulver, Die «Küpe» ist nun bereit zur «Verhängens» zunehmend intensi- die Plätzchen, lösen sich allmählich Aufnahme der zur färbenden Wolle ver wird (Bild 5). auf zu einer klaren Flüssigkeit. (Bild 3).

4 torba 2/99 GEGENSTAND Der unersetzbare Zählrahmen Beim Einkauf bei einem meiner Flachgewebe- Händler im Teheraner Teppichbasar staunte «Chortgeh» ich nicht schlecht. Denn als ich den Händler fragte, ob sich der Preis dieser Stücke wohl noch etwas reduzieren liesse, nahm er seinen «Chortgeh» Zählrahmen, obschon auf dem kleinen Schreibtisch ein Taschenrechner lag.

Er schob kurze Zeit die Holzperlen hin Ebenfalls von Chi- und her, nickte mit dem Kopf und na aus dürfte das nannte mir die neue Gesamtsumme. Rechenbrett nach Mein Interesse war geweckt, ich wollte Russland und in mehr über diesen Zählrahmen wissen: den Fernen Osten gekommen sein. Die Entstehung von Zahlzeichen Russlands Abakus und Zahlsystemen mit dem Namen Über Jahrhunderte hinweg bediente «Stschoty» wurde Chortgeh Zahlen auf null. Hier die Zahl 257 646. sich der Mensch zum Zählen und Rech- noch im 20. Jh. nen seiner zehn Finger. Dies erklärt erfolgreich verwendet. Mein Teppichhändler rechnete nur auch, warum alle frühgeschichtlichen Der Aufbau des «Chortgeh» unter- noch mit den rechtsliegenden 8 Reihen, Zahlensysteme die Anzahl Finger oder scheidet sich von dem des Abakus: Der und das geht immerhin bis 99 999 999 ein Vielfaches davon verwendeten. Abakus hat 13 Zahlenreihen mit einem Tuman (10 Rial), das entspricht etwa Die einfachste Rechenmaschine war Querstab. Die 5 Kugeln unterhalb des 160 000 $. der vermutlich um 3000 v. Chr. von Querstabes zählen Einheit 1 (also 1, 10, Geübte Benutzer des Zählrahmens den Babyloniern erfundene «Abakus», 100... je nach Stange), die 2 Kugeln sind bei den Grundrechenarten gleich der, von mehreren Kulturkreisen oberhalb des Querstabes zählen 5 Ein- schnell wie jemand mit dem Taschen- übernommen, als Rechenhilfe für die heiten (also 5, 50, 500...). rechner! Zwei sechsstellige Zahlen sind vier Grundrechnungsarten benutzt Der Chortgeh und der Stschoty aber sogar schneller miteinander multipli- wurde. bestehen aus 12 Reihen mit unter- ziert als wir es mit der schriftlichen Ursprünglich handelte es sich um ein schiedlicher Kugelzahl, dezimal für Methode können. Bei der schriftlichen mit Sand bestreutes Holzbrett, auf dem Tuman, Rial und Sanari und quartal für Multiplikation wird jede Ziffer des die Zahlzeichen geschrieben wurden. Abasi und Dashai: Die Reihe rechts Multiplikanden als Zwischenresultat Dann aber entwickelte sich der Abakus aussen zählt 4 Kugeln, wovon 1 weisse, hingeschrieben. Mit dem Zählrahmen zum hölzernen Rechenbrett mit frei 2 schwarze und 1 weisse. Die nächsten wird die Zwischensumme sofort zur beweglichen oder in Rillen verschieb- zwei Reihen bestehen aus je 10 Kugeln Endsumme hinzuadiert. baren Rechensteinen, von deren mit 4 weissen, 2 schwarzen und wie- Der «Chortgeh» wird trotz des Compu- Stellung ihr Zahlenwert abhing. derum 4 weissen. Die vierte Reihe terzeitalters noch einige Zeit in den ori- Von den Römern wurde das Rechen- umfasst 1 weisse, 2 schwarze und entalischen Basaren des Irans anzutref- brett um 300 v. Chr. zu einem kleinen 1 weisse Kugel. Die restlichen Reihen fen sein – dies nicht nur als Dekoration. handlichen Gerät («Handabakus») wei- haben alle 10 Kugeln wie die zweite terentwickelt. Die Chinesen rechneten Reihe. Das Rechnungssystem bleibt in Text und Foto: Edi Kistler seit dem 11. Jh. v. Chr. mit dem Abakus. sich etwa das gleiche. Von dessen verschiedenen Systemen Als der Rial noch etwas galt, kannte war der «Suan-pan» am weitesten Persien kleinere Münzen, so wie wir. verbreitet. Im 10. Jh. n. Chr. gab es Der «Dashai» = 1/4 Rial das chinesische Rechenbrett mit Der «Pangshai» = 1/2 Rial durchbohrten, auf Stangen aufgefä- Der «Abasi» = 1/5 Rial delten Rechenkugeln. Der «Sanari» = 1/10 Rial Der chinesische Suan-pan gelangte im Der «Shahi» = 1/20 Rial 16. Jh. nach Japan, wurde nur wenig ab- Der Rechnende benützte also den geändert und hiess hier «Soroban». ganzen Zählrahmen. torba 2/99 5 torba REPORT

Shahsavan (die dem Shah dienen) Die Nomaden des Nordwest-Iran mit ihrem halbkugelförmigen Filzzelt «Alachiq»

Die Geschichte der Shahsavan safawidischen Herrscher die rückhalt- und forderte alle auf, eine neue Stam- Die Shahsavan waren den Herrschern lose Unterstützung aller Gruppen meskonföderation unter dem Namen der Safaviden-Dynastie (1501 –1732) erhalten. Die dem König Ergebenen «Shahsavan» zu bilden. Mit dieser treu ergeben. Ihr Name erhielt mit versammelten sich um den Herrscher, Massnahme wurde die Macht der der Zeit eine mystische Bedeutung, der auch ihr geistiges Oberhaupt war, Qizilbasch stark beschnitten, denn die ein geistiges Band zwischen König um seine Befehle auszuführen. die neue militärische Einheit war nur und Volk darstellte. Mit dem Sammel- Die loyalsten waren die «Qizilbasch» ihm gegenüber loyal. aufruf «Shahi sivani» konnten die (Rotköpfe). Sie setzten sich aus turk- Mit der Aufnahme einer grossen sprachigen Clanen zusammen. Sie Gruppe aus Kleinasien eingewander- trugen eine signifikant rote Kopfbe- ter Stämme vergrösserte er die Kon- deckung. föderation. Die Unterdrückung durch Nachdem sich die Dynastie der Safa- die osmanischen Sultane hatte diese viden etabliert hatte, wuchsen Macht 30 000 Familien bewogen, bei Shah und der Einfluss der «Qizilbasch». Als Abbas um Asyl zu bitten. Der Shah Shah Abbas der Grosse (1588 –1629) stimmte einer Niederlassung zu und im Alter von 17 Jahren die Thronfol- bot ihnen Land in der Umgebung von ge antrat, machte er vom Samm- Ardebil an. Diese Stämme erhielten lungsaufruf «Shahi Sivani» Gebrauch ebenfalls den Namen Shahsavan.

6 torba 2/99 Khamseh, 174 x 328 cm. Hashtrud, 162 x 303 cm. Bidjar, 160 x 325 cm.

Die Gründung der Shahsavan-Organi- Die textilen Arbeiten der Shasavan: Die dominierenden Dimensionen sation fällt auf das Ende des 16. Jahr- Die Kelims der Hauptmotive ziehen zuerst die hunderts, in die Regierungszeit von Shah Die Shahsavan produzierten eine Aufmerksamkeit auf sich. Kleinere Abbas I. Im frühen 18. Jahrhundert beträchtliche Zahl von Kelims Motive ergänzen die grösseren in wetteiferte das russische Zahrenreich unterschiedlicher Qualität. Mit den Nebenborten. mit den Osmanen in der Eroberung von Ausnahme der letzten Jahrzehnte Das Hauptfeld ist selten mit klei- Teilen des nördlichen Iran. haben sie kaum Florteppiche her- nen Mustern bedeckt. gestellt. Der Kelim ist heute noch Typisch sind die Borten mit rezi- Unterworfen und vertrieben die allgemeine übliche Bodenbe- proken Mustern wie z.B. das «Laleh Peter der Grosse nutzte den Iranischen deckung. Abbasi» (Laleh = Tulpe) Motiv. Krieg gegen die Afghanen 1722 mit dem Fall von Isfahan und besetzte weite Teile von Azerbeidjan und Teile des Kaukasus. Dabei zwang er einige Shahsavan zur Unterwerfung. Nadir Shah trieb die Russen 1730 zurück und befreite die besetzten Territorien. Die Kriege zwischen Iran und Russ- land in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts brachten die Shahsavan zusätzlich in Bedrängnis. Im Vertrag von Golestan (1813) wurden Derbend, Baku, Schirvan, Schaki und Teile von Talesch, im Vertrag von Turkamanchai Meschkin, 145 x 405 cm. (1828) Erivan, Nakhdjava und das heu- tige Azerbeidjan an Russland abgetre- ten. Die Shahsavan verloren dadurch weite Flächen ihres Stammesgebietes. torba 2/99 7 Mianeh, 202 x 290 cm.

Bis 1884 verbrachten dennoch einige Herkunft und Abstammung Clane die Wintermonate in der russi- Die Shahsavan sind nicht alle türki- schen Moghan-Ebene. In diesem scher Abstammung. Ein grosser Jahr schlossen die Russen die Grenze Prozentsatz von ihnen ist iranischer, endgültig. kurdischer, tadjikischer sowie geor- Die Shahsavan waren von nun an gischer Herkunft. Die Shahsavan Geächtete. Angesichts der Unfähigkeit wurden ja von Shah Abbas als Konfö- der Qadjar-Könige griffen die Russen deration geschaffen und schlossen und Briten offen in die innere Ange- Bevölkerungsgruppen verschiedensten legenheit des Iran ein. Die Russen Ursprungs mit ein. versuchten die Shahsavan auszurotten Viele Gebiete waren vor der Einwande- und verfügten im Einvernehmen mit rung der diversen Stämme ursprünglich Bidjar, 110 x 336 cm. dem Iran viele Strafmassnahmen wie Stammland der Kurden. Noch heute Enteignung aller materiellen Güter betrachten sich einige der wichtigsten (zum Beispiel Herde, Zelte und sogar Clane von Moghan, zum Beispiel die Die Djadjim Kleider). Moghanlu, als ursprünglich kurdischer Der Begriff ist im Iran, Zentral- asien, der Türkei und dem Kauka- Vom Land in Städte und Dörfer sus weit verbreitet. Er bezieht 1930 erliess Reza Shah eine Verord- sich auf eine Gruppe Textilien, die nung, mit der alle nomadischen Wan- eine spezielle Webstruktur haben. derungen verboten wurden. Er befahl, Bei dieser sind die Kettfäden sicht- dass alle Nomaden sesshaft werden bar und bestimmen das Grund- sollten. muster (Kettreps). Am häufigsten Nach der Abdankung von Reza Shah wird dieses Gewebe als Decke, im Jahr 1941 kehrten viele wieder zu Ofendecke, Bettzeugbehälter oder ihrer althergebrachten Lebensform als Packtuch verwendet. zurück. Die Industrialisierung des Um einen Djadjim herzustellen, Landes unter Shah Mohammed Reza wird ein langes, schmales Band ge- und die damit einhergehende Urbani- webt, das man auf die gewünschte sierung übte einen massiven Einfluss Länge zuschneidet und zusammen- auf die Lebensweise der Nomaden aus. näht. Die Streifen sind 15– 20 cm Nach der iranischen Revolution von breit. Zusammengenäht ergeben 1979 verlangsamte sich die industriel- sich in der Regel die Masse von le Entwicklung merklich. Plötzlich 150 x 160 cm bis 250 x 250 cm. ermutigte die Regierung Stammes- Kette und Schuss bestehen mei- angehörige, sich wieder vermehrt stens aus Wolle. der Viehzucht zuzuwenden.

8 torba 2/99 Bidjar Djadjim, 200 x 209 cm.

Khamseh, 213 x 313 cm.

Abkunft. Tatsächlich ist es der gemein- same Gebrauch der türkischen Sprache, der die Shahsavan trotz ethnischer Unterschiede zusammenhielt. Interessant ist auch, dass zur Zeit der Gründung der Safaviden-Dynastie Azerbeidjan-Türkisch die offizielle Sprache des Hofes wurde.

Der Lebensraum der Shahsavan Das heute von den Shahsavan be- wohnte Gebiet liegt im Nordwesten des Iran. Im Norden grenzt es an Asserbeidjan und Armenistan, im Süden dehnt es sich bis in die Gegend von Qom. Tee serviert auf einem Verneh.

Verneh Merkmale eines Verneh aufweisen. Verneh ist eine dritte Gruppe von Eines der Kennzeichen ist die Web- Flachgeweben und eine Besonder- struktur: umschlingendes Wickeln heit der Moghan-Shahsavan. auf einem leinwandbindigen Grund- Ausser ihnen und einigen Bevölke- gewebe. Der neuere Verneh-Typ rungsgruppen im Kaukasus hat ist lang und schmal und aus einem kein anderer iranischer Stamm Stück gewoben. Das übliche Format Bodendecken, die alle speziellen beträgt 100 x 300 cm. Neuer Verneh am Boden eines Alachig. torba 2/99 9 Bidjar Mafrasch, 60 x 100 cm. Moghan Mafrasch, 105 x 40 cm.

Mafrasch (Truhe) in Wirktechnik oder in einer Kombi- Mafrasch, bei den Shahsavan oft als nation dieser beiden hergestellt sein. «Farmasch» ausgesprochen, ist eine Auch geknüpfte Arbeiten sind mög- gewebte oder geknüpfte Tasche; sie lich. erfüllt die gleiche Funktion wie eine Der Mafrasch wird in der Regel aus Truhe. zwei Teilen gefertigt. Die beiden Die Ähnlichkeit ist nicht nur in der Längsseiten von 80 –120 cm Breite Art der Verwendung, sondern auch und 40 – 60 cm Höhe werden mit in deren Konstruktion zu finden. dem Boden aus einem Stück gewoben Detail aus einem Mafrasch Wie die Holz- und die Metalltruhe oder geknüpft, ebenso die Schmalsei- mit der Jahreszahl 1357 (1938). hat ein Mafrasch eine dreidimensio- ten mit einer Breite von 40 – 60 cm, nale Form. Ungefüllt fällt ein Ma- die man dann auseinanderschneidet Die Shahsavan leben verstreut in frasch in sich zusammen und bean- und an den Hauptteil annäht. Die einem Gebiet, das sich als langer sprucht dadurch wenig Platz. verbundenen Teile werden danach und schmaler Streifen von ungefähr Shahsavan-Mafrasch können in der zusätzlich mit dicken Wollfäden kor- 750 km Länge und 100 km Breite Technik des umschlingenden Wickelns, delartig umwickelt (siehe Torba 1/98). parallel zum Südwestufer des Kaspi- schen Meeres erstreckt. Von den zahl- reichen Clanen und Stämmen der Shahsavan-Konföderation leben eini- ge schon seit Jahrhunderten in diesem Gebiet, andere erst seit neuerer Zeit. In geographischer Hinsicht können die Shahsavan in vier grosse Gruppen unterteilt werden: - von Moghan - von Hashtrud und Mianeh - von Khamseh und Bidjar - von Qazvin, Saveh und Veramin Moghan Mafrasch Front, 95 x 40 cm.

Einige Clane leben ausserhalb dieser grossen Lokalgruppen, als Beispiel die Inanlu, die in der Khamse-Region in der Provinz Fars siedeln. Aber auch in der Region von Chorasan wohnen Shasavan Stämme.

Die Shahsavan von Moghan Die Moghan-Ebene im nordwestli- chen Iran ist das ursprüngliche Stamm- land und das «Qeshlag» (Winterquar- tier) der Shahsavan. Es ist bis heute ihr wichtigstes Zentrum geblieben. Mianeh Mafrasch Front, 115 x 55 cm.

10 torba 2/99 Minaeh Khordjin, 118 x 44 cm. Moghan Khordjin, 121 x 47 cm. Bidjar Khordjin, 128 x 51 cm.

Der im südlichen Teil dieses Gebietes liegende Savalan, auch unter dem Namen Sabalan bekannt, ist ein Treff- punkt des kulturellen Lebens der Nomaden. Die weite Moghan-Ebene liegt etwa auf Meereshöhe und hat ein gemässigtes Winterklima. Nie- derschläge im Herbst wie im Frühjahr sorgen für genügend Nahrung der Shahsavan-Herden. Ende Mai ziehen die Nomaden auf Mianeh Chanteh, 38 x 43 cm. Khamseh Chanteh, 41 x 36 cm. ihre Sommerwanderung zum Savalan (heute teilweise mit Lastwagen). Der Khordjin (Doppeltasche) Geld, Tabak, Näh- und Flickzeug, 4811 m hohe Savalan bietet an seinen Ein Khordjin besteht aus zwei in Schreibzeug und ähnlichem. Abhängen ein angenehm kühles der Mitte verbundenen identischen Muster und Kompositionen der Klima. Die Shahsavan finden beim Taschen. Die Grösse einer Einzelta- Khordjin verfügen über eine grösse- Savalan genügend Quellen und Bäche, sche kann die eines grossen Boden- re Vielfalt als andere Shahsavan um ihre halbkugelförmigen Filzzelte kissen übertreffen, kann aber auch Textilien. Jeder Khordjin stellt aufzustellen. die Grösse einer Handfläche haben. ein paar kleine Teppiche dar. Die Ein anderes «Yeilag» der Moghan In den grossen Khordjin werden Weberin hat ihre Aufmerksamkeit befindet sich beim Neor-See auf Weizen und Gerste gespeichert oder auf diese reizenden kleinen Stücke den Höhen der Baqrow Berge. Die Kleider und Haushaltgegenstände konzentriert und ihre künstlerische Moghan-Ebene, der Savalan und der aufbewahrt. Die kleinen Formate Fähigkeit hauptsächlich in diesem Neor-See ergänzen einander durch dienen für die Aufbewahrung von Bereich gezeigt. ihre günstige Lage in idealer Weise und bieten den Shahsavan noch torba 2/99 11 Moghan Khordjin, 18 x 55 cm. heute, trotz des Verlustes grosser Teile der Moghan-Ebene, genügend Platz, um ihre kulturelle Identität beizubehalten.

Die Shahsavan von Hashtrud und Mianeh Bidjar Khordjin, 58 x 27 cm. Mianeh Khordjin, 68 x 26 cm. Diese Gruppe lebt in erheblicher Entfernung südlich der Moghan- Shahsavan in einem Gebiet von Täbriz und südöstlich des Urumia-Sees bis Mianeh. Die Clane von Hashtrud und Mianeh lagern an den Hängen des Bozqush- und Sahand Gebirges und schlagen ihre Zelte an den Zuflüssen des Qezel-Owzan Flusses auf. Dieser hat in der Mianeh-Ebene acht Zuflüsse, wovon sich auch der Name «Hashtrud» – acht Flüsse – ab- leitet.

Löffeltasche. Bidjar Khordjin, 64 x 29 cm. Dieser Khordjin wechselt den Besitzer.

Qashoqdan (Löffeltasche) kleinen Chanteh (einteilige Tasche). Nomaden besitzen nur wenig Löffel, Der an der Zeltwand befestigte da sie gewöhnlich mit den Fingern Qashoqdan dient verschiedenarti- essen. Löffel werden aber bei der gen Zwecken: Seine Taschen sind Nahrungszubereitung gebraucht. Um mit Dingen wie Messer, Schere, diese Löffel zu versorgen, kennen die Zündhölzer, Pfeifenoberteil, Medi- Shahsavan die Löffeltasche, eines der kamente und ähnlichem gefüllt. dekorativsten Textilien in ihrem Filz- Gegenstände wie Schöpflöffel, zelt. Die Tasche ist mehrteilig und Spachtel und Fotos hängen am besteht aus einem grossen und zwei Netzgeflecht. Eine Löffeltasche reich verziert.

12 torba 2/99 Die heutige Produktion Leider werden die Frauen der Shahsavan zuwenig von Händlern motiviert, ihr Können in der Web- und Knüpfkunst umzuset- zen. Während der Sommerweide wird fast nichts gewoben noch geknüpft. In der zeitlich längeren Winterweide dagegen fertigen die Frauen für ihren eigenen Bedarf Taschen, Flachgewebe, Mafrasch und Teppich an. Shasavan Shirvan, aus der Region von Ardabil, 197 x 140 cm. Die Teppichhändler von Ardebil, Täbriz und sind es gewohnt, Die noch heute nomadisierenden den Nomaden alte wie auch bei die Clane sind die Hadj-Alilu und die uns nicht gefragten neu angefer- Qodjabeglu, beides Moghan-Shahsa- tigten Stücke abzukaufen. Leider van, die im frühen 20. Jahrhundert fehlt den Teppichein- in dieses Gebiet einwanderten. käufern jede Initiative und Inspiration, in Die Shahsavan Zusammenarbeit mit von Khamseh und Bidjar den Frauen der Shah- Die Clane von Khamseh haben keine savan, deren Können Beziehung zu den Khamseh-Stäm- in der Web- und men von Fars; hier steht «Khamseh» Knüpfkunst umzuset- für die früheren Distrikte von Zand- zen und damit Neues jan, die je nach einem der fünf Flüsse entstehen zu lassen. dieser Region benannt wurden. Heute sind die meisten Khamseh-Shah- savan sesshaft und leben in Dörfern.

Die Shasavan von Qazvin, Saveh und Veramin Das Siedlungsgebiet dieser Gruppe dehnt sich vom Süden Qazvin nach Saveh, Qom und Farahan aus. Einige Clans sind hier schon seit der Zeit sess- haft, da sie in der safawidischen Epo- che in den Iran einwanderten. Zwei Gruppen leben auch heute noch als Halbnomaden: die Baghdadi und die Inanlu. Die Shahsavan von Veramin leben heute alle als Sesshafte in Dörfern. Shasavan, aus Qazrin, 198 x 127 cm. torba 2/99 13 SCHAUFENSTER

Aryana

Durch die russische Invasion und Tradition in der Kunst des Teppich- den daraus resultierenden Bürger- knüpfens haben, waren die meist krieg zur Flucht gezwungen, leben rot gefärbten Produkte der Flücht- hunderttausende von Turkmenen linge nur wenig gefragt. Chris Wal- mehr schlecht als recht und von ter konnte sie davon überzeugen, offizieller Seite lediglich toleriert den Bedürfnissen des Marktes zu in immensen Lagern zwischen Af- folgen und sich auf alte Muster ghanistan und Pakistan. Sie mussten und heute verlangte Farben zu kon- den Norden Afghanistans mit seinen zentrieren. wüstenartigen Steppen und den Aryana heisst diese neue und faszi- Oasen am Fusse des Indukusch nierende Produktion. Sie entsteht verlassen, um in Pakistan Schutz aus handgesponnener Wolle und zu finden. natürlichen Farbstoffen. Unter der Leitung des jungen Ame- rikaners Chris Walter entstand ein kleines, aber bemerkenswertes Pro- möglicht, versucht Walter, diesen jekt, das unsere ganze Aufmerksam- Flüchtlingen ihre Würde und ihre keit verdient. Ein ähnliches Projekt Selbstachtung zurückzugeben. Wie wurde bereits in Nepal realisiert. schon in Nepal, lässt er die Flücht- gesehen bei Forster & Co. AG Indem er ihnen wieder eine gewisse linge Teppiche knüpfen. beim Bellevueplatz in Zürich wirtschaftliche Unabhängigkeit er- Obwohl die Afghanen eine alte

Riesig und unverändert: Die Mongolei

Zwischen dem Altai-Gebirge und in dem die Temperatur von 40° C im Lebensweise im Einklang steht. der Wüste Gobi bilden die auf einer Sommer auf -40° C im Winter Mit Erstaunen begegnen wir den durchschnittlichen Meereshöhe von fällt, ziehen von der Viehzucht ersten dieser in ausdrucksstarken 1500 m liegenden Grassteppen das lebende Nomaden umher. Einge- Motiven geknüpften Teppichen. Sie am niedrigsten bevölkerte Land der klemmt zwischen den zwei mächti- sind komplett verschieden von allem Welt; es ist dreimal so gross wie gen Nachbarn China und Russland uns Bekannten. Diese Teppiche Frankreich. In einem rauhen Klima, blieb die Heimat von Dschingis entlehnen ihre Muster von den Khan lange unerreichbar. Filzteppichen, die traditionell den Wo es Schafe und Nomaden hat, Boden ihrer Jurten bedecken. sollten eigentlich auch Teppiche zu In der Machart sind sie jedoch finden sein. Leider ist die Knüpf- zu kostspielig für die meisten No- kunst in der Mongolei heute prak- maden. tisch verschwunden. Und doch ist An die Liebhaber der Verwirrung alles, das es für eine Wiederaufer- oder der frechen Dekoration: Diese stehung dieses Handwerks braucht, mongolischen Teppiche sind für Sie! dort vorhanden: eine vorzügliche Wolle und eine auf einem riesigen Territorium verteilte, der Tradition verbundene Bevölkerung, für die das Teppichknüpfen eine der weni- gen Betätigungen ist, die mit ihrer gesehen bei Mori & Bodenmann AG, Freie Strasse 89, Basel

14 torba 2/99 Die Rückkehr des Klassikers

Ende des 19. und Anfang des Nach einigen Jahren des Heran- 20. Jahrhunderts wurden in Saruk tastens gelang es Knüpfern in der im Iran prunkvolle Teppiche herge- Region von Benares, diese Stücke stellt. Da sie vorwiegend in die USA perfekt zu reproduzieren. Und dies exportiert wurden, nennt man sie nicht nur in der Musterung, sondern heute Amerikaner-Saruk. Sie sind auch in der Wärme der Farben und wegen ihrer schönen und glänzen- dem Glanz der Wolle. den Wolle, ihrem dichten Flor sowie Dem Detail verpflichtet, tönen ihrem schönen Rostrot oder tiefen die Teppichknüpfer die sehr kurzen Nachtblau gesucht. Üblicherweise Fransen mit Tee. Sind Sie die leb- in grossen Abmessungen (10 – 12 haften Farben der neuen oder die m2) gearbeitet, erzielen gut erhal- faden Töne der verwaschen Teppiche tene Stücke Preise, die sich die leid? Dann ist dies eine «Neuigkeit», meisten Menschen nicht mehr die Sie verführen leisten können. könnte. gesehen bei König Tapis SA, rue Haldimand 4, Lausanne und Place Grenus, Genf

Nahtlose Gaschgai Djadjim

In der Regel wurden die Gaschgai Diese neuen Djadjims eignen sich Djadjims in einer langen schmalen gut als Bettdecke, Tischtuch und Bahn gewoben (ca. 60 x 1200 cm) Raumteiler. Dank der hochwertigen und auf die gewünschte Länge zuge- elastischen Zagroswolle ist es auch schnitten. Die zugeschnittenen Bah- möglich, sie als dekoratives Element nen, meist zwei bis vier, wurden auf den Boden zu legen. anschliessend zusammengenäht. Dank den neuen breiten metallenen Webstühlen ist es nun möglich, diese gesehen bei Galerie Kistler, Djadjim in einem Stück zu weben. Die Bernstrasse 11, 3250 Lyss verwendete Wolle ist handgespon- nen, handgezwirnt und mit natürli- chen Farbstoffen eingefärbt.

Zur Verschönerung des Gaschgai Zeltes, als Abdeckung des Bettzeugs und zum Gebrauch als Decke weben die Gaschgai Nomaden im Süd- westen des Iran seit jeher in einem recht komplizierten Websystem Dja- djims (Decken). Bei dieser Technik sind die Kettfäden sichtbar; sie be- stimmen das Grundmuster (Kett- reps). torba 2/99 15 AUSSTELLUNGEN

Ende Oktober–Ende Dezember Lebensbäume auf Nomadenteppichen Galerie Anne Kaiser, Obere Gasse 24, 7000 Chur. 10.00 –12.00, 14.00 –18.30. 19.10.–27.11. Teppiche aus dem Kaukasus Teppichgalerie Reynold Nicole, Hauptstrasse 41, 4144 Arlesheim. Di –Fr 14.30 –18.30, Sa 10.00 –16.00. 23.10.–7.11. Auserlesene Kaukasen und Türken Kunsthaus RAPP, 9500 Wil. Di –Fr 14.00 –18.30, Sa 9.00 –16.00, So 13.30 –18.30. Peter M. Gmür AG, Gewerbehaus STELZ, 9500 Wil.

29.10.–14.11. Nahtlose Djadjim der Gaschgai und Belutsch Gatschme 081 253 30 70 Luribaf; Auskunft Tel. Galerie Kistler, Bernstrasse 11, 3250 Lyss. Di –So 14.00 –19.00. Galerie Anne Kaiser, Chur Do 28.10.99, 19.30: Vernissage mit Dia Vortrag «Die Shahsavan Nomaden» (Ende Oktober – Ende Dezember) (jeden So 17.00 Wiederholung). 30.10.–20.11. Die Rennaissance des Orientteppichs Brodbeck AG, Zentralstrasse 27, 2502 Biel. Mo –Fr 9.00 –18.30, Do 9.00 –21.00, Sa 9.00 –16.00. 1.11.–31.12. Jubilé (50 ans) des tapis Masserey (1949 –1999) Exposition spéciale de tapis Gabbeh Tapis Massserey SA, Poirtes Rouges 131, 2000 Neuchâtel. 8.30–12.00, 13.30 –18.30.

2.11.–7.11. Die Perlen der Seidenstrasse von Taschkent bis Mesched Teppichgalerie Reynold Nicole, Arlesheim Saalbau Tagerhard, Wetingen. Peter AG, Orienttepiche, 5430 Wettingen. (19.10. – 27.11.) Di –Fr 14.00 –22.00, Sa + So 9.00 –17.00. Mi 3.11. + Fr 5.11.99, jeweils 20.30: Dia Vortrag. 10.11.–1.12. Positive Zeitwende Forster + Co. AG, Theaterstrasse 8, beim Bellevueplatz, 8001 Zürich. 9.00 –18.30, Sa 9.00 –16.00. 21.11.–5.12. Goldschmiede Arbeiten von Urs Bösch und Holzskulpturen aus Holz von Matthias Känel Galerie Kistler, Bernstrasse 11, 3250 Lyss. Di –So 14.00 –19.00. So 21.11.99, 10.00: Eröffnungstrunk. 3.12.–23.12. Nomadenleben + Keramik-Miniaturen von Susanne Dähler Teppichgalerie Reynold Nicole, Hauptstrasse 41, 4144 Arlesheim. Di –Fr 14.30 –18.30, Sa 10.00 –16.00.

Galerie Kistler, Lyss (29.10.–14.11.)

Peter AG, Wettingen (2.11.–7.11.)Galerie Kistler, Lyss (21.11. –5.12.) Teppichgalerie Reynold Nicole, Arlesheim (3.12. –23.12.)

16 torba 2/99 ARCHITEKTUR Chehel Sotun-Palast in Isfahan Der Torpalast Ali Quapu ist der Zugang von der Stadtseite Isfahans zum Palastbezirk und den königlichen Gärten.

Seit frühester Zeit ist in Persien mit der Anlage von Gärten die Vorstellung des Paradieses verbunden. Die weit- läufigen, schön gegliederten Garten- anlagen veranschaulichen zugleich die Herrschermacht des Königtums. Die Einzelgebäude in den verschiedenen Gärten bilden jeweils den Hauptak- zent; auf sie sind die Wasserläufe, Bas- sins und die Bepflanzung ausgerichtet. Der erste Garten, den wir betreten, ist nach seinem Hauptgebäude Chehel Sotun-Garten benannt und in seiner Das Dach der Terrassenhalle an der überreich geschmückt und bemalt; Gestaltung exemplarisch. Drei Alleen Stirnseite des Gebäudes wird von einer bevorzugt wurden Blautöne und gold- hochgewachsener Platanen beschatten dreifachen Reihe achtkantiger Holz- farbene Verzierungen. die Wege des beinahe quadratischen säulen getragen. Der Name Chehel Datum der Bauvollendung zur Zeit Parks und betonen zusammen mit dem Sotun bedeutet Vierzig-Säulen-Palast. Schah Abbas II ist das Jahr 1647. Durch Verlauf der Wasserbecken die Achse Mit der Zahl 40 wird in der persischen einen kleinen Brand nötig gewordene der Palastausrichtung von Westen Sprache eine unbestimmte Vielheit Instandstellungsarbeiten erfolgten un- nach Osten. bezeichnet. In Wirklichkeit ruht das ter Schah Sultan Huseins um 1706. Vordach mit der wunderbar bemalten Beim Sturz der Safawiden verwüsteten Kassettendecke auf 18 vollen Säulen. die Afghanen den Palast. Die Kad- Zählt man die zwei Eingangssäulen zum scharen bedeckten bei ihren lnstand- angrenzenden Thronsaal dazu und stellungsarbeiten blickt aus Distanz über das grosszügige die safawidischen Hauptsaal Wasserbecken auf den Palast, entsteht Malereien mit ein prachtvoller Eindruck. Durch die Mörtel, der erst Spiegelung des Wasser sind jetzt tat- anlässlich einer um- sächlich insgesamt 40 Säulen zu sehen. fassenden Restau-

58 m Das Gebäude ist teils aus gehauenen ration 1965– 1967 Thronsaal Steinen, teils aus Ziegeln gebaut, steht zum Teil wieder auf einem mit geglätteten Steinplatten entfernt werden ausgelegten Platz und wird umsäumt konnte. von einem Wasserlauf mit zahlreichen Springquellen, die aus dem Kanal des Talar Stadtviertels gespiesen werden. Die Decken, Wände, Fenstergitter, Säulen

37 m und Bogennischen der verschiedenen Text: Geschosse und Laubengänge sind Reynold Nicole torba 2/99 17 GESCHICHTE «Ja – wer den Träumen traut…?»

Von glaubwürdigen Menschen wird wachten bei dem Getöse der Räuber Prügel gewesen sein muss, die ihr mir erzählt – aber Allah allein ist allwis- auf und schrien um Hilfe, bis der Haupt- so freigebig gespendet habt. send – dass in EI Cairo ein mit mann der Nachtwächter mit seinen Als der Hauptmann diese Worte Reichtümern gesegneter Mann lebte. Leuten herbeieilte und die Räuber über hörte, lachte er so, dass er seine Er war so grossmütig und freigiebig, die Dachterasse flüchteten. Der Haupt- Weisheitszähne entblösste und sagte: dass er ausser dem Haus seines Vaters mann liess die Moschee durchsuchen. Törichter und leichtgläubiger Mann, alle seine Reichtümer einbüsste und Dabei stiessen sie auf den Mann aus El schon dreimal habe ich von einem sich genötigt sah, zu arbeiten, um sein Cairo. Sie versetzten ihm mit Bambus- Haus in der Stadt EI Cairo geträumt, Brot zu verdienen. Er arbeitete so hart, stöcken so hageldichte Schläge, dass hinter dem ein Garten ist und in dem dass ihn eines Abends unter einem Fei- er mehr tot als lebendig war. Garten eine Sonnenuhr und hinter der genbaum in seinem Garten der Schlaf Im Gefängnis kam er später wieder zur Sonnenuhr ein Feigenbaum und hin- übermannte. Im Traum wurde ihm Besinnung. Da liess ihn der Haupt- ter dem Feigenbaum ein Brunnen und bedeutet, sein Glück in Isfahan in Per- mann holen und fragte ihn: unter dem Brunnen ein Schatz. Dem sien zu suchen. Am folgenden Morgen Wer bist Du, und wo ist Deine Heimat? habe ich nie den geringsten Glauben machte er sich auf, unternahm die Der Mann erklärte: Ich bin aus der geschenkt, Du jedoch bist von Stadt weite Reise und trotzte allen Gefah- berühmten Stadt El Cairo und heisse zu Stadt geirrt, einzig im Vertrauen ren. Er erreichte Isfahan just, als ihn Mohammed El Magrebi. Der Haupt- auf Deinen Traum! Lass Dich in Isfa- die Nacht überraschte. Er streckte sich mann fragte weiter: Was führt Dich han nicht länger blicken, nimm diese im Hof einer Moschee zum Schlaf aus. nach Persien? Der andere antwortete: Geldstücke und scher dich davon! Nach dem Ratschluss Gottes des Ein Mann hiess mich im Traum nach Der Mann nahm die Geldstücke und Allmächtigen durchquerte eine Räu- Isfahan gehen, denn hier sei mein Glück. kehrte in sein Vaterhaus zurück, grub berbande die Moschee und begab sich Nun bin ich da und sehe ein, dass dieses unter dem Brunnen in seinem Garten in das Nebenhaus. Die Leute drinnen Glück, das er mir verhiess, die Tracht den Schatz aus und dankte Gott.

G E R I C H T Nane-e taftun Fladenbrot

Die Hefe in eine Schüssel mit etwa Den Backofen auf 250° vorheizen. 10 ml lauwarmem Wasser bröckeln Den Teig in sechs gleich grosse und verrühren. Das Salz und einen Portionen teilen. Diese zu Kugeln Esslöffel Mehl hineinrühren, den formen und auf einer bemehlten Teig zugedeckt etwa 10 Minuten Arbeitsfläche mit dem Nudelholz auf gehen lassen. einen dünnen Fladen auswalzen Die Butter und die Milch dazugeben (30 cm Durchmesser). Zutaten für etwa 6 Fladen und glattrühren. Das restliche Mehl Einen Fladen auf das Backblech legen, sieben und etwa zwei Drittel davon mit etwas Eigelb bestreichen, mit 20 g frische Hefe nach und nach in die Flüssigkeit Sesam und Kümmel bestreuen und 1 Teelöffel Salz einrühren. Den Teig abdecken und an in den Ofen geben. Beidseitig drei 450 g Mehl einem warmen Ort 1 1/2 Stunden Minuten backen. 50 g weiche Butter gehen lassen. 1/4 l Milch Den Teig etwa 15 Minuten durch- 1 Eigelb kneten und dabei das restliche Mehl 1 Esslöffel Sesamsamen einarbeiten. Abgedeckt noch etwa 1 Esslöffel schwarzen Kümmel 1 Stunde ruhen lassen.

18 torba 2/99 F O K U S

Um sich nach Heriz zu begeben, nimmt man die gute Strasse, die Täbriz mit Ahar verbindet. Nach Ein Heriz Bilverdi biegt man rechts ab. Kurz nach dem Dorf Sooma entdeckt man von der besten Sorte ein anspruchsloses landwirtschaftli- ches Städtchen von etwa 40 000 Ein- Die kleine Stadt Heriz befindet sich 80 km westlich von wohnern. Trotz ihrer Abgeschieden- Täbriz, der Hauptstadt des iranischen Azerbeidjan. heit hat dieses Volk die schönsten Sie liegt am Fuss des Savalan Gebirges auf 1800 m über Meer. Teppiche der Welt hergestellt. Heriz ist ein Sammelname für die Produktion der ganzen Gegend, die unter anderen die folgenden Provenienzen um- schliesst: Ahar, Bakhshayesh, Check- Radjab, Bilverdi, Goravan, Kolvanaq, Merovan und Sooma. Wie im ganzen Azerbeidjan ist die Bevölkerung türkischer Herkunft. Sie benützt folglich den türkischen oder, besser gesagt, den symmetrischen Knoten. Die Feinheit der heutigen Produktion beträgt ungefähr 100 000 Knoten/m2. Die Muster lassen sich an ihrer geradlinigen und geometrischen Musterung leicht erkennen. Sie stellen eine naive und grobe Interpretation der Arabesken der klassischen Perser- teppiche dar. Das hier abgebildete Stück habe ich damals als Saruck gekauft. Es stammt aber eindeutig aus der Stadt Heriz selbst und ist ungefähr 80 Jahre alt. Im Vergleich mit den jetzigen Exemplare derselben Herkunft ist seine Feinheit doppelt so hoch (200 000 Knoten/m2). Die hervorragende Qualität und der Glanz seiner Wolle fallen auf den ersten Blick auf und bilden einen Gegensatz zu den Materialien der modernen Stücke. Das lässt sich wie folgt erklären: Damals haben sich die Knüpferinnen ihre Wol- le bei den Shasavan Nomaden, die ihre Weide führten, beschafft. Leider ist dies persischen Arabesken benützt haben. Herden im angrenzenden Gebirge zur heutzutage nicht mehr der Fall: Die Sie war dann fähig, diese Vorlage in Wolle wird jetzt im Bazar von Täbriz der geometrischen Art von Heriz zu Merkmale: gekauft, wo sie in minderer Qualität interpretieren. Die hochwertige Qua- Herkunft: Heriz Azerbeidjan und billiger zu finden ist. lität ihrer Arbeit deutet auf ein ausser- Dimension: 330 x 223 cm Die typische Bordüre besteht aus ordentliches Können der Knüpferin Alter: um 1920 gebrochenen Wellenranken mit Blu- hin. Feinheit: men auf einem dunkelblauen Grund. Das Muster vom Feld weist kein Me- 4 Knoten/cm in der Breite Diese Ranken werden in den vier Ecken daillon auf – es erinnert eher an Stücke 5 Knoten/cm in der Länge unterbrochen, weil die Knüpferin ohne von Merovan der fünfziger Jahren. Material: Millimeterpapiervorlage gearbeitet hat. Die Struktur weist aber eindeutig auf Flor: Wolle Sie wusste wahrscheinlich das Muster ein Erzeugnis der Stadt Heriz selbst Kette: Baumwolle, ungefärbt auswendig. Sie könnte höchstens ein hin. Schuss: Baumwolle, ungefärbt «Wagireh» (Teppichmusterfragment) oder eine Zeichnung mit traditionellen Text und Foto: Jacques Gans torba 2/99 19 INTERIEUR Attika-Wohnung auf dem Gipfel eines Hügels

Lausanne ist auf Hügeln gebaut. Daher geniessen viele Leute eine schöne Aussicht auf den See und die Berge. Aber nur sehr wenige wohnen auf dem Gipfel solcher Hügel, und noch weniger in einer Attika-Wohnung auf dem Gipfel eines Hügels.

Von der Terrasse aus blickt man auf die entstanden Zwischenräume sind wie Dachbalken im Giebel. Als Gegen- Kathedrale hinunter, die ganze Stadt Schmuckkästchen, hier für ein altes stück zu den Gipswänden und um die breitet sich unter den Füssen aus, den Möbel, dort für ein Bild oder ein akustische Qualität des Raums zu Jura sieht man im Hintergrund. Seit- liebevoll gewähltes Erinnerungsstück unterstützen, liegt ein schwerer Gasch- lich guckt man durch ein Rundfenster einer Reise oder eines glücklichen gai-Teppich am Boden. In Krapp auf den See, durch die übrigen Fenster Moments. gefärbt, harmoniert der durch das erblickt man die Alpen. Hat man bei Das Wohnzimmer und der Essraum safrangelbe Medaillon und die vier solchen Bedingungen noch nötig, sind Nomaden: Im Sommer wird der indigoblauen Rauten noch hervorge- sein Interieur zu dekorieren!? Salon zur Terrasse gezügelt, denn er hobene orangerote Fond in perfekter Die Hausherren wussten den zentra- lässt sich durch ein grosses Fenster bis Weise mit den warmen Tönen des len, in die Länge gezogenen und in zum Boden öffnen. Und im Winter Verputzes. der Mitte durch ein Cheminée unter- umrahmen die Sofas das Cheminée. Inmitten der Stadt hat man den brochenen Raum in der Verlängerung Natürlich ziehen die Teppiche jeweils Eindruck, weit von aller Zivilisation der Terrasse optimal zu nutzen. Die mit dem Mobiliar mit, zumal sie ja entfernt in einem Adlerhorst zu abgeschrägten Mauern, die Decke aus nomadischer Tradition stammen. verweilen. und das Cheminée in einem makello- Wenngleich verschiedener Herkunft, sen Weiss spielen mit dem Licht wie bilden sie doch zusammen eine Ein- mit einer modernen Skulptur. Die so heit. Und dies obwohl sie einer nach Alk. dem andern im Lauf der Jahre und ur- sprünglich für eine andere Wohnung gekauft wurden. Sie harmonieren so gut, weil sie alle mit Herz gewählt wurden. Der erste war ein Lori, dann kam ein Kelardasht in handgesponne- ner Wolle dazu. Unter dem Tisch liegt ein Kurdi-Guschan und vor dem Cheminée ein kleiner Luribaf in Pflanzenfarben. Im Korridor findet sich ein Gabbeh-Läufer, ein Vorgän- ger der Gabbeh Art. Als anspruchsvoller Musikfreund hat der Hausherr den Burgfrieden für sein Büro und sein Auditorium reserviert. Im quadratischen Raum mit abge- schrägten getäferten Decken verliert sich der Blick nach oben bis zu den

20 torba 2/99 S E R V I C E Die missbräuchliche Kinderarbeit, ein Verhängnis?

Die Antwort kann nur nein heissen. Im Angesicht der grossen Armut müssen die Handelsbeziehungen mit den Ländern im Süden neu betrachtet werden. Indem den Erwachsenen gerechte Saläre bezahlt werden und durch die Alphabetisie- rung und Einschulung der Kinder, kann die Kinderarbeit besiegt werden. Es wird Zeit, dass die Länder des Westens sich für eine veränderte Politik des Austauschs einsetzen und dass die Konsumation ein Akt von verantwortlichen Bürgern wird.

Seit Anfang der achtziger Jahre hat Was kann der Konsument tun? sich die dominierende Position der In der Schweiz arbeitet die Stiftung Länder des Nordens noch verstärkt. Sie STEP (gegründet von sechs Entwick- wirft viele Bürgerinnen und Bürger lungsorganisationen und einer Organi- des Südens in eine dramatische Situa- sation des Teppichhandels, in der tion. Ihr Lebensstandard hat sich weiter Startphase unterstützt durch die Eid- verschlechtert, was sie zwingt, menschen- genossenschaft) auf der Basis eines Diese Etikette wird beim Knüpfstuhl angebracht. unwürdige Arbeitsbedingungen zu Verhaltenskodex, der die Gesamtheit Die missbräuchliche Kinderarbeit ist akzeptieren oder, noch schlimmer, ihre des Teppiche anbietenden Lizenzneh- nicht unbekannt in unseren Breitengra- Kinder zur Arbeit zu schicken. mers engagiert. Dieser verpflichtet sich, den. Die alten Zivilisationen, die Zünfte den Verhaltenskodex auf jeder Stufe des Mittelalters und schliesslich während Gerechte Löhne und Einschulung, seines Einkaufs anzuwenden. Zusätz- der industriellen Revolution auch die wirksame Abwehr gegen lich meldet er in transparenter Weise Länder des Nordens; alle nutzten diese die missbräuchliche Kinderarbeit alle nützlichen Informationen über billige Handarbeit. In der Schweiz wur- Die Zahlung eines gerechten Lohns an seine Lieferanten. In den Produzen- de erst Ende des letzten Jahrhunderts die Eltern ermöglicht es diesen, die Be- tenländern werden unabhängige Kon- die Arbeit unter 16 Jahren per Gesetz dürfnisse ihrer Familie zu decken und ih- trollen durchgeführt. In Zusammen- verboten... Entgegen gewisser Vorurtei- re Kinder zur Schule zu schicken. Hilfe arbeit mit lokalen und schweizerischen le handelt es sich hierbei nicht um ist nötig um die – gemessen an unserem Hilfsorganisationen unterstützt die Stif- kulturelle Unterschiede. Unsere Vergan- Niveau sehr tiefen – Kosten der Einschu- tung STEP etwa zwanzig Projekte in genheit in dieser Beziehung ist sehr klar: lung zu bezahlen, weil sie oft die Mög- den Teppichproduzierenden Regionen. Missbräuchliche Arbeit ist immer ein lichkeiten der Eltern überschreiten. Um Konsumentinnen und Konsumenten Synonym für grosse Armut. Es sind die diese Situation zu verbessern, sind heute können Händlern, die Träger eines totale Bedürftigkeit und die vielen hung- viele nicht-staatliche Organisationen Labels sind, das ihr Engagement für men- rigen Mäuler, die die Eltern zu diesem aus Europa und Amerika in den Ländern schen- und umweltgerechte Herstel- letzten Schritt zwingen. des Südens aktiv. Sie haben verschiedene lungsbedingungen sowie die Bekämp- Ende der neunziger Jahre haben Beispie- Labels kreiert, die es ermöglichen, gegen fung von missbräuchlicher Kinderarbeit le von angeketteten Kindern den Tep- die missbräuchliche Kinderarbeit zu bestätigt, den Vorzug geben. pichhandel in Europa und in den USA kämpfen und menschenwürdige und ins Wanken gebracht. Dieses Medien- umweltgerechte Arbeitsbedingungen zu Erdbeben hat die nicht-staatlichen Or- fördern. Sie haben auch unabhängige Für weitere Informationen ganisationen dazu gebracht, Initiativen Kontrollen eingesetzt, die vor Ort die Stiftung STEP, zur Bekämpfung dieser Missstände ins Respektierung von Verhaltenskodexes Monbijoustrasse 29, 3001 Bern Leben zu rufen. Kindersklaverei ist durchsetzen. Bei diesem Ansatz ist es die Tel. 031 382 77 88, weit verbreitet in der Landwirtschaft, der primäre Aufgabe der für die Kontrolle Fax 031 382 75 85 Industrie, der Hausarbeit, dem Organ- Verantwortlichen, alle in der Arbeitsket- www.step-foundation.ch handel mit Strassenkindern, der Prosti- te verbundenen Beteiligten über ihre E-mail: [email protected] tution und der Kinder-Pornografie. Rechte und Pflichten zu informieren. torba 2/99 21 REPORTAGE

Auf den Spuren der Nomaden Das halbkugelförmige Filzzelt «Alachiq» der Shahsavan Seit über zwanzig Jahren bereise ich nun Nomaden den Orient von Anatolien bis zum äussersten Zipfel von Afghanistan. Dabei begegne ich vielen Nomaden mit ihren verschiedenen Zeltformen.

Eine Zeltart hatte ich nie in natura Wir brauchten ein geländegängiges war überglücklich, als wir ihm in sehen können, das weisse halbkugel- Fahrzeug, einen Fahrer, einen persisch- Ardebil neue Reifen kauften. Dabei förmige Filzzelt «Alachiq» der Shah- englisch sprechenden Übersetzer sowie gingen wir einen Handel ein: Zwei savan-Nomaden im Nordwesten des einen Kenner der Gegend, welcher der Pneus mit Schläuchen für zwei Tage Iran. Diesen Wunsch konnte ich mir türkischen wie der persischen Sprache chauffieren. dieses Jahr erfüllen. Mit Jakob zusam- mächtig ist. Mit Hilfe unseres Teppich- Anderntags starteten wir mit ausrei- men bereiste ich von Ardebil aus händlers konnte aber alles organisiert chend Proviant zu unserer kleinen während einiger Tage die Sommer- werden. Feldforschung. Den ersten Nomaden weiden der Moghan-Shahsavan. Mit Mösen, unserem Übersetzer, begegneten wir auf 2250 m ü. M mit Es war gar nicht so einfach, die Infra- flogen wir nach Ardebil, wo uns unse- ca. zwanzig Zelten. Die meisten der struktur für diese Reise zu organisieren. re Begleiter mit einem älteren Jeep Zelte waren aus Plastik oder stammten bereits erwarteten. Unser Reiseziel aus Militärbeständen. Erst am folgen- konnten wir bereits auf dem Flughafen den Tag hatten wir die Gelegenheit, ein erspähen: den 4811 m hohen Savalan, sehr gut erhaltenes Zelt zu besuchen. ein erloschener kegelförmiger Vulkan, Auf 2770 m ü. M 38°19,500' N und an dessen Abhängen die Shahsavan 47° 50,980' E leben zwölf Familien in ihre «Yeilaq» Sommerweiden haben. ihren Zelten. Das ganze Lager ist auf einer Terrasse aufgebaut mit Blick Arbeit gegen Autoreifen auf die Ebene von Meshgin Sahr. Das Gepäck war schnell im und auf Ich staunte nicht schlecht beim Besuch dem Jeep verstaut. Das Gefährt mach- eines dieser gut erhaltenen Zelte. Der te mir aber einen unzuverlässigen Innenraum ist mit Textilien reich aus- Eindruck. Besonders die Bereifung gestattet: Am Boden ausgebreitet Hatschi Ibrahim in seinem Alachig. gefiel mir nicht. Ali, der Chauffeur, liegen Flachgewebe in Umwicklungs-

22 torba 2/99 technik und Djad- jim. Mit Bettzeug und persönlichen Gegenständen ge- füllte Mafrasch lagen an den Wänden. Eine Löffeltasche «Qashoqdan» und verschiedene Taschen hingen ebenfalls am Zelt- gerüst und verstärk- ten die farbenpräch- tige Erscheinung des Zeltraumes.

Gerüstet für starken Wind Sieben Söhne um sich herum Interessant ist die Konstruktion des Bei einem bescheidenen Mittagessen Zeltes. Das «Alachiq» besteht aus (Yoghurt, Käse, Brot und Tee) erzähl- einem Dachkranz und aus einer te uns Hatschi Ibrahim ein wenig aus Anzahl gebogener Stangen und ist seinem Leben. Alle seine sieben Söh- mit einem weissen Filz bedeckt. Der ne leben hier auf dem Yeilaq. Die drei Dachkranz, «Chambareh» genannt, Töchter sind mit weit verwandten setzt sich aus einem kreisförmigen, Shahsavan verheiratet. Die Zahl der etwa 15 cm hohen Holzrahmen mit Gross- und Urgrosskinder kannte er einem Durchmesser von etwa 100 cm Dachkranz. nicht so genau, dies vorallem, weil oft und sich kreuzenden, halbkugelförmig die Mädchen gar nicht mitgezählt gebogenen Verstrebungen zusammen. wobei das zweite mehr für die Vorräte werden. Eine seiner Aussagen lautete: Die gebogenen Stangen tragen das Ge- und das Kochen gebraucht wird. «Weisst Du Edi, vor drei Jahren wicht des Filzes und trotzen unter Zug In Ardebil und anderen Basarorten gibt verkauften wir die letzten Kamele. den starken Winden. Zur Errichtung es noch heute «Alachiq» Hersteller, Die älteren Grosskinder kommen des Zeltgerüstes werden die Stangen welche auf Bestellung hin ein Zelt an- nicht mehr mit auf die Weide; sie mit dem unteren Ende in den Boden fertigen. Leider ist der Anschaffungs- suchen sich ihr Glück in den Städten. gestossen. Die oberen Enden gehören preis für die Nomaden sehr hoch. Aus Du hattest recht, uns jetzt zu besu- in die Öffnungen des Dachkranzes. diesem Grund kaufen immer mehr chen, denn in zehn Jahren wirst Du Damit das Zelt genügend Stabilität Shahsavan ausrangierte Armeezelte. nur noch ein paar wenige Zelte hier erhält, wird in der Mitte des Dach- Der für mich eindrücklichste Besuch am Savalan antreffen. Sollte Dein kranzes ein schwerer Stein (100 kg geschah am letzten Tag unserer Reise jüngster Sohn uns mal besuchen oder mehr) angehängt, oder der in den Savalan. Unser Jeep hatte wollen, kommt er vergebens.» «Chambareh» wird mittels eines Mühe, den steilen und schmalen Kar- langen Härings und Seilen auf den renweg hochzufahren. Wir bogen um Boden gezogen. Der Basisdurchmesser eine Felskante, und vor uns lag an Text und Foto: Edi Kistler im Zeltinnern beträgt etwa 6 bis 7,5 m. schönster Stelle das «Taschltsche» Die maximale Höhe bis zum unteren (der Platz mit vielen Steinen) ge- Rand des Dachkranzes misst 2 bis nannte «Yeilaq» (Sommerweide). 2,5 m. Der 78jährige Hatschi Ibrahim be- Auf das Zeltgerüst werden dreieckige grüsste uns herzlich und zeigte uns weisse Filzstücke gelegt und mit Bän- den ganzen Yeilaq mit allen 25 Zelten. dern von innen her an den Stangen be- Er war mächtig stolz, uns von den festigt. Ein besonderes Filzstück dient 3000 Schafen und Ziegen zu berich- als Türe und ist meistens mit Sticke- ten, die hier weideten. reien verziert. Damit der Rauch des Einige Frauen buken Brot, andere wa- Feuers abziehen kann, wird auf der Sei- ren mit Hausarbeiten beschäftigt. Die te eine Öffnung belassen. Die meisten vielen Kinder hielten sich aus Ehr- der Familien besitzen zwei Zelte, furcht und Respekt diskret zurück. Reich ausstaffiertes Alachiq. torba 2/99 23 S-Motive S ist ein uraltes Motiv und steht als Symbol für die Ewigkeit, für Weisheit, Schläue, Erkenntnis und Weisheit. Oft wird das S als Sonnen- linie gedeutet, das Göttliche symbolisierend. Das S ist auch ein Symbol für Schlange. «Im Tantrismus erscheint die Lebenskraft im Menschen als Schlangenkraft. Nicht nur die Fähigkeit, sich zu einem Ring zusammenzulegen, sondern auch ihre Eigenschaft, sich durch ihren Hautwechsel zu erneuern, liess dieses Tier zum Bild für den ewigen Kreislauf der Energien in der Welt und im Menschen und damit auch für den Kreislauf der Zeitalter werden.»