Marineleitung und politische Führung 1931—1935

I Der deutsch-englisdie Flottenvertrag vom 18. Juni 1935 ist von der deutschen Marineleitung als entscheidender Einschnitt in ihrer Entwicklung bezeichnet worden, und audi die politische Führung scheint ihn als wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem deutsch-englischen Bündnis betrachtet zu haben. Im weiteren Verlauf der außenpolitischen Entwicklung wurde der Vertrag jedoch überraschend schnell wieder politisch entwertet, und im April 1939 haben ihn sowohl Hitler als auch das Oberkommando der Marine in vollem Bewußtsein der möglichen Folgen zu kündigen beschlossen1. Von daher stellt sich die Frage, ob das Abkommen nicht doch nur als vorübergehende, taktisch bedingte Episode der deutschen Außenpolitik begriffen werden muß, und Hitler nicht vielmehr von Anfang an entschlossen war, auch Großbritannien in den Kreis der möglichen Gegner Deutschlands einzubeziehen, vielleicht aus der Überle- gung heraus, daß das eigene außenpolitische Programm in keinem Falle von England toleriert werden würde, eine säkulare Auseinandersetzung zwischen den beiden »germanischen Völkern« über die Hegemonie in Europa und die See- herrschaft im Atlantik als notwendiger Voraussetzung zur Weltreichsbildung nicht zu vermeiden sei und daher systematisch vorbereitet werden müsse2. Geht man von dieser Hypothese aus, so wird zu erörtern sein, wann die deut- sche Marinepolitik ihre Wendung gegen England vollzog. Die stellte sich in ihrer operativ-strategischen Planung bekanntlich erst nach dem Mai 1938 auf den Kriegsfall unter Einschluß Englands ein; es ist aber zu fragen, ob es sich hier lediglich um den Abschluß eines viel weiter zurückreichenden Umwandlungsprozesses gehandelt hat, der nicht notwendigerweise innerhalb der Marineführung selbst sich abgespielt haben muß, oder ob die Marine von dieser »Wende gegen England« tatsächlich überrascht wurde. Es wird weiter zu prüfen sein, ob diese Wende einen durch die Hitlersche Poli- tik verursachten »Knidk« in der Gesamtentwicklung der Marine darstellt, oder ob es sich hier um einen Entwicklungsbogen handelt, der sich rückwärts von den Jahren 1935 bis 1931 in die Weimarer Zeit zurückverfolgen läßt. Zur Klärung dieser Frage soll die Betrachtung des Verhältnisses zwischen politischer und militärischer Führungsspitze beitragen; die unmittelbaren Be- ziehungen des Chefs der Marineleitung zu den verantwortlichen Regierungs- chefs bzw. dem »Führer und Reichskanzler» Adolf Hitler können als wichtige Knotenpunkte in dem Geilecht aus politischen und militärischen Faktoren ange- sehen werden, die das Gesamtbild der deutschen Außenpolitik der Jahre 1931 bis 1935 bestimmen.

1 Zur Frage, welche Rolle der deutsch-englisdie Flottenvertrag in Hitlers Außenpolitik gespielt hat, nehmen alle Arbeiten über die Außenpolitik des Dritten Reiches Stellung. Als neueste Darstellung ist zu nennen: A. Kuhn: Hitlers außenpolitisches Programm, Stuttgart 1970, hier vor allem S. 141 ff. (zit. Kuhn). Zur Kündigung vgl. M. Salewski: Die deutsche Seekriegs- leitung 1935—1945, Bd I, Frankfurt/M 1970, S. 60 u. 80 (zit. Salewski). 8 Diese hier sehr vereinfacht vorgetragene These wird in den großen Arbeiten von H. A. Jacob- it-ίΛ sen: Nationalsozialistische Außenpolitik 1933—1938, Frankfurt/M 1968 u. K. Hildebrand: 113 MGM 2/71 Vom Reich zum Weltreich, München 1969, näher erörtert. Dabei sind allerdings schwerwiegende Einschränkungen zu madien, die sich aus der unbefriedigenden Aktenlage ergeben3. Es haben sich im Verlaufe langjähriger Aktenstudien für die hier interessierende Zeit nur 5 Dokumente finden lassen, die sidi auf Gespräche zwischen Brüning bzw. Hitler mit Raeder beziehen. Sollen sie zutreffend interpretiert werden, müssen sie tunlichst in den Gesamtzusammenhang der übrigen verfügbaren Quellen gestellt werden. Den- noch erscheint eine allgemein verbindliche Interpretation vor allem der Doku- mente 2, 4, 5 und 6 derart schwierig, daß die hier vorgelegte Dokumentation viel eher als Denkanstoß denn als Denkergebnis verstanden werden will. Aus Raumgründen muß sich unsere Untersuchung zudem nur auf einige wenige Punkte beschränken. Aus diesen Gründen schien es notwendig, wenigstens eines dieser problematischen Stücke dem Leser in Faksimilewiedergaben darzubie- ten 4. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich aus der Selbstverständlichkeit, daß zahl- reiche mündliche Erörterungen zwischen Regierungs- und Marinedief wahr- scheinlich überhaupt keinen schriftlichen Niederschlag gefunden haben. In Ber- lin war die Möglichkeit zu mündlichen persönlichen oder telefonischen Aus- sprachen ohne weiteres gegeben; daß « bei Schiffsbesudien Hitlers, wie 1933 auf der »Köln« und der »Deutschland«, bei Feierlichkeiten und Empfängen immer wieder zu wichtigen Erörterungen zwischen Hitler und Raeder gekommen ist, die nicht aufgezeichnet wurden, ist anzunehmen. Der Historiker ist somit weitge- hend auf »Indizienbeweise« angewiesen; freilich gibt ihm die historische Me- thode eine gewisse Garantie für die Hieb- und Stichfestigkeit seiner so gewon- nenen Erkenntnisse.

II Die weit verbreitete und von Raeder selbst gepflegte These von der völlig apo- litischen Einstellung des Chefs der Marineleitung ist schon bei der Betrachtung der Kriegsjahre in Frage gestellt worden5; nach Erkenntnissen, wie sie sich beispielsweise aus dem Nachlaß des Admirals v. Levetzow und den Erinne- rungen von Brüning ergeben e, wird sie auch für die Zeit von 1928 bis 1939 kaum noch zu halten sein. Wenn Raeder im Zusammenhang mit im Mai 1932

* Für die Kriegsjahre besitzen wir in der Sammlung der Lagevorträge des Oberbefehlshabers der Marine bei Hitler eine ganz vorzügliche Quelle für das Verhältnis zwischen politischer und militärischer Führung. Die zahlreichen Vorträge Raeders bei den Reichskanzlern Müller, Brüning, Papen, Sdileicher und Hitler, d. h. in der Zeit von 1928—1939 sind aktenmäßig nicht erfaßt. Es mag sein, daß sich eine entsprechende Sammlung von Niederschriften in den Akten des Stabes des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine (M) befunden hat oder befindet. Diese Akten sind bisher trotz jahrelanger intensiver Nadiforschungen nidit aufgefunden worden, so daß mit ihrem endgültigen Verlust geredinet werden muß. Desgleichen fehlen alle Unterlagen über die Lagevorträge des Chefs der Marineleitung auch in den einschlägigen Aktenbeständen der Reichskanzlei; die Akten des Reichswehrministeriums, in denen ebenfalls Kopien dieser Niederschriften zu vermuten wären, sind bekanntlich den Flammen zum Opfer gefallen. Aus diesem Grunde ist audi die wichtige Frage nadi den Reaktionen des Reichs- wehrministers auf die Besprechungen zwischen Reichskanzler und Chef der Marineleitung nicht zu beantworten; es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß Raeder über seine Bespre- chungen dem jeweiligen Reichswehrminister schriftlich Mitteilung gemacht hat. Die Lage- vorträge werden ediert von G. Wagner und erscheinen demnächst. 4 Ich habe für die Bereitstellung des Aktenmaterials dem Militärarchiv in Freiburg, dem Bun- desarchiv in Koblenz und dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amts in Bonn herzlich zu danken (zit. BA-MA, BA, PA AA). 9 Das ergibt sich aus Salewski. 1 Der Nachlaß Levetzow ist im Militärarchiv Freiburg zugänglich. H.Brüning: Memoiren 1918—1934, Stuttgart 1970, S. 584 (zit. Brüning). umlaufenden Geriiditen, er solle Nadifolger Groeners als Reichswehrminister werden, stolz schrieb, das Gute an diesem Gerücht sei, »daß eigentlich keine Partei dagegen gemeckert hat, woraus sich ergibt, daß idi die Marine völlig überparteilich geführt habe« 7, und wenn er bei anderer Gelegenheit darauf hinwies, daß »gewisse Kreise« — gemeint war Schleicher — versuchten, ihn, Raeder, zum »Nachteil auch in den politischen Streit einzubeziehen, aus dem [er sidi] — sehr zum Ärger mancher Leute, aber zum Nutzen der Marine — bis- her mit Erfolg herausgehalten habe«, so war dies keineswegs Ausdrude einer unpolitischen Haltung, sondern im Gegenteil der gesdiiekte Versuch, sidi eine politisch besonders starke Stellung dem Kabinett gegenüber zu schaffen und zu erhalten8. Schon bei seinem Amtsantritt im Oktober 1928 hatte Raeder in gewissermaßen programmatischer Form die Ziele seiner Marinepolitik festgehalten: Hauptsache ist, schrieb er an seinen ehemaligen Vorgesetzten v. Levetzow, »daß die Sache, die Marine, gefördert wird«. Zunächst müsse er dafür sorgen, daß das Bild der Marine, das auch bei »durchaus wohlgesinnten Kreisen wie ein rotes Tuch« wirke, sich bessere unci die Marine wieder »Vertrauen erringe«. Dann müsse »das Kabinett... vom Minister auf die Notwendigkeit des Ersatzes der Linien- sdiiffe der >Elsaß<-Klasse in den nächsten Jahren schon jetzt eingestellt« wer- den®. »Natürlich« müsse er dabei »sdiarf aufpassen, daß die Armee nidit zu stark in den Vordergrund rückt10.« Wir haben damit schon zu diesem Zeitpunkt alle wesentlichen Elemente der späteren Raederschen Politik vor uns: Nadidem das Panzerschiff »A« endlich die politischen und parlamentarischen Hürden genommen hatte, drängte der Chef der Marineleitung sofort massiv nach; bedeutete die Absicht, alle Schiffe der »Elsaß«-Klasse zu ersetzen, und das »in den nädisten Jahren«, doch nichts weniger, als die Planung des Baues von 6 bzw. 8 modernen Panzerschiffen, die mindestens dem Typ »A«, der späteren »Deutsdiland«, entsprechen sollten. Raeder war sidierlich bewußt, hiermit einen ganz unverhältnismäßig hohen An- spruch an die finanziellen aber auch an die außenpolitischen Möglichkeiten des Reiches zu stellen, und sein Hinweis auf die Armee deutet an, daß er sein Bau- programm nur gegen das Heer, damit aber audi gegen die kontinentale Grund- einstellung der Reichsregierung verwirklidien zu können glaubte. Drei Jahre später waren diese Träume verflogen. Zwar hatte Raeder den 1. Schiffbauersatzplan durchgesetzt und konnte hoffen, in die Phase einer ruhige- ren, von parlamentarischen Gefährdungen unabhängigeren Baupolitik zu kom- men, doch sah der Ersatzplan »bis zum Jahre 1936 nur die Indienststellung von 3 Ersatzpanzerschiffen und den Beginn des Baus eines 4. Panzerschiffes vor«, wie es in einer Aufzeichnung aus dem Auswärtigen Amt von 14. Juli 1931 hieß u.

' Raeder an Levetzow, 15. 5. 1932, BA-MA/N 239/37. Vgl. audi Raeders eigene Darstellung: E. Raeder: Mein Leben, Bd I, Tübingen 1956, S. 271 f. (zit. Raeder). 8 Schleidler, so schrieb Raeder an Levetzow, versuche ihn in ein »geflicktes Kabinett Brüning«, d. h. auf »ein sinkendes Schiff« zu locken, »nadidem er vielleidit gesehen hat, daß idi eine redit starke Stellung habe«. Dennoch sei er bereit, in ein starkes Rechtskabinett als Reichs- wehrminister einzutreten, dann aber habe er seine »ganz bestimmten Personal- und sadilidien Forderungen, u. zwar keine leiditen«. BA-MA/N 239/37. Vgl. aber audi Brüning, S. 493. • Vgl. Raeder, I, S. 246. 10 Raeder an Levetzow, 10.11.1928, BA-MA/N 239/33. Vgl. auch Raeder, I, S. 235. 11 E. o. II F Abr. 1244 v. 14. 7. 1931 — PA AA/Panzerkreuzerneubau Bd 2. »Danach würden ersetzt werden das Panzerschiff >Preußen< im Alter von 29 Jahren, ... das Panzerschiff >Lothringen< mit 30 Jahren, das Panzerschiff >Braunsdiweig< mit 34 Jahren; der Ersatz des Panzerschiffs >EIsaß< würde erst im Jahre 1938 erfolgen, wenn dieses Schiff 35 Jahre alt ist.« Demgegenüber besaß Frankreich 9 Linienschiffe mit 194 544 t, 2 Flugzeugträger mit 32 045 t Sichergestellt war zu diesem Zeitpunkt aber nur der Bau des Panzerschiffes »B«; für das 3. Schiff waren im Haushalt 1931 noch keinerlei Mittel ausgeworfen. Gerade dieser Umstand aber erbitterte die Marineleitung; betrugen dodi die Jahresraten für ein Panzerschiff nur so viel, wie «zwei bis drei Tage Arbeitslo- senunterstützung«, d. h. etwa 5—6 Millionen Mark. Doch der schleppende Fortgang der Ersatzbauten lag nicht in erster Linie in der völlig unzureichenden Zuweisung der Finanzmittel begründet, sondern in den Baubesdiränkungen, die sidi aus dem sog. »Hoover-Feierjahr« ergaben. Im Juli 1931 erklärte Brüning dem amerikanisdien Botschafter, Deutschland wolle sei- nen Beitrag zum Abrüstungsgedanken mit dem Verzicht auf die Kiellegung des Panzerschiffes »C« während des Hoover-Jahres demonstrieren; das Schiff sollte demnach nicht wie geplant 1932, sondern frühestens am 1. Januar 1933 auf Stapel gelegt werden12. Gleichzeitig erhielt Brüning Kenntnis von weiter- gehenden amerikanisdien Erwägungen, die eine Baufeierzeit sogar bis zum 1. Januar 1934 vorsahen, und der Kanzler beeilte sich, anläßlich seines Besudis in Rom im August 1931 zu versichern, Deutschland sei bereit, einem solchen Plan zuzustimmen, falls der Bau des Schiffes »B« dadurch nicht behindert würde1S. Die Marineleitung wurde vor vollendete Tatsachen gestellt; sie konnte froh sein, daß es ihr gestattet wurde, anstelle des Panzerschiffes »andere kleinere Ersatzbauten« in den Etat 1932/33 aufzunehmen14. Gewiß nicht zufällig übermittelte die Völkerbundgruppe Marine (VGM) zur gleichen Zeit dem Aus- wärtigen Amt eine Aufstellung, aus der hervorging, daß Deutsdiland 3, Frank- reich aber innerhalb des gleichen Zeitraumes 81 Einheiten baue1S. Raeders Enttäuschung über diese Entwicklung, die seine langfristigen Pläne ad infinitum zu vertagen drohte, kam in seiner Aussprache mit Brüning am 21. September 1931 zum Ausdruck (Dok. 1). Der Kanzler machte einen unsicheren Eindruck und suchte Raeder mit der Behauptung zu besdiwiditigen, er hätte Hoover das Schiff »C« nicht angeboten, wenn zu »übersehen gewesen [wäre], daß aus Zollunion [mit Österreich] doch nichts würde«. Das war zweifellos eine Ausrede, da Brüning bekanntlich selbst von Anfang an nicht an den Erfolg des Unionsplans geglaubt hatte1β. Raeder ergriff die Gelegenheit, um dem Reichskanzler in großen Zügen seine Marinepolitik auseinanderzusetzen, wobei er von den nadkten Zahlen ausging — «statt 16 Schiffen werden bis 46 nur 8 gebaut — nur 4 bis 37« — und den militärischen und politischen Wert der Pan- zerschiffsbauten unterstrich. Sein wichtigstes Argument war dabei auch das älte- ste und traditionsbeladenste: »Unsere Bündnisfähigkeit«, setzte er dem Kanzler auseinander, »wird durch bescheidene Flottenerneuerung erheblich gesteigert.« Es ist nicht überliefert, was Brüning auf diese Behauptung entgegnete; es scheint, als habe er Raeders Argument, die Panzerschiffe seien »kein Selbstzweck und

und 21 Kreuzer mit 178 154 t. Raeder behauptet allerdings in seinen Memoiren, daß er »alle zwei bis drei Jahre« einen Ersatzbau in Auftrag zu geben wünschte; demnach wäre der Bau der Panzerschiffe von 1927—1938 völlig »planmäßig« verlaufen. Raeder, I, S. 251. " Aufzeichnung II F Abr. 3149 v. 16.9.1932 — PA AA/Panzerkreuzerneubau Bd 2. " Telegramm-Erlaß (ET) e. o. II F Abr. 1504 v. 15. 8. 1931 — PA AA/II F Abr. 7, Allgemeine Seeabrüstung Bd 26. In einer persönlidien Richtlinie für Schleicher vom 9. 9. 1931 hieß es: »Deutsdiland nimmt in der Abrüstungsfrage eine Sonderstellung ein. Es hat ... außerdem aus finanziellen Gründen und auf Grund der Vereinbarung mit den Vereinigten Staaten über die Abrüstungsverpflichtungen hinaus darauf verziditet, daß Panzersdiiff C in den Etat für 1932 einzustellen.« ET Deutsche Del. Genf Nr. 59 v. 9. 9. 1931, ebd. " ET Deutsche Del. Genf Nr. 100 v. 17. 9. 1931, ebd. 15 Aufzeichnung VGM v. 31. 8. 1931, ebd. 116 i« Vgl. Brüning, S. 263 ff. keine Marotte von uns«, akzeptiert. Neben dem Kerngedanken der Bündnis- fähigkeit, den Raeder hier ins Spiel brachte, waren es die militärischen Gesichts- punkte Ostsee, Uberalterung, Vertrauen der Front, Rückhalt der kleinen Ein- heiten, die in das von Raeder entworfene Gesamtbild gehörten. So deutlich Raeder Brüning sein Mißfallen über diese Alleingänge der politischen Führung hinsiditlich der deutschen Marine ausgedrückt hatte, so wenig ließ er sich allerdings dazu hinreißen, nun mit Brüning auf Kollisionskurs zu gehen 17. Er verstand es vielmehr, das Auswärtige Amt und den Kanzler auf seine Seite zu ziehen. So ist einer Aktennotiz des Legationsrats Frohwein, des zuständigen Referenten der Abteilung II F, zu entnehmen, Brüning habe Raeder zugesagt, »daß die erste Rate für das Panzerschiff C (5 Millionen Reichsmark) in das am 1. Juli 1932 beginnende neue Etatsjahr eingestellt werden solle. Dies solle audi dann gelten, wenn das Hooverfeierjahr verlängert werde« 18. Tatsächlich be- schloß der Völkerbund am 29. September 1931 eine Verlängerung des Rü- stungsstillstandes bis zum 1. November 1932. Raeder versprach seinerseits, den Bau von »C« so vorzunehmen, »daß die Arbeiten wieder zerstört werden könn- ten, ohne daß hiermit große Kosten entständen, falls der Verlauf der Abrüstungs- konferenz dies notwendig madie«. Er versicherte ferner, in den Haushaltsplan des Jahres 1932/33 zwei »Fußnoten« aufzunehmen, deren erste »dahin lauten [solle], daß der Bau nicht vor dem 1. Januar 1933 in Angriff genommen wer- den soll«. Freilich lassen weder die Aufzeichnung vom 21. September (Dok. 1) nodi die vom 15. Oktober10 den genauen Verlauf des Gespräches zwischen Raeder und Brüning erkennen. Nun haben sich jedoch in den Handakten Raeders20 zwei undatierte, handbeschriebene Blätter mit Blaustiftnotizen Raeders gefun- den, die unschwer als Konzept seines Vortrages bei Brüning zu deuten sind (Dok. 2). Alle in den Aufzeichnungen vom 21. September und 15. Oktober zur Sprache gekommenen Fragen finden sich — z. T. wörtlich — in diesen Notizen wieder Wir müssen es uns aus Raumgründen versagen, diese höchst interessante Quelle näher zu interpretieren; sie wird allerdings in einem ganz anderen Zusammen- hang nochmals zur Sprache gebracht werden müssen 22. Das Auswärtige Amt war mit der von Raeder vorgeschlagenen Lösung zufrieden und hielt sie »als außenpolitisch zweckmäßig und tragbar« M, der Chef der Marineleitung hatte dafür die bindende Zusage des Reichskanzlers erhalten, das 3. Schiff überhaupt zu bauen. Als aber der Marinehaushalt 1932/33 veröffent- licht wurde, mußte das Auswärtige Amt bestürzt feststellen, daß die erste Fuß- note fehlte. Raeder hatte sein Wort gebrochen, Brüning freilich war zu diesem Zeitpunkt nidit mehr Kanzler 24 !

17 Vgl. dazu Aufzeichnung e. o. II F Abr. 1954, Ges. Rat Feine i. V. v. 24. 9. 1931 — PA AA/II F Abr. 7 Nr. 2, Deutsche Panzerschiffe. 18 Vermerke e. o. II F Abr. 2147 v. 15. 10. 1931, ebd. » Ebd. 20 BA-MA, MA/Sammlung Großadmiral Raeder 5. " Z.B.: Panzerschiffe »keine Marotte der Marine«; »Bündnisfähigkeit Osten«. Vgl. Dok. 1 Anm. 200: »bringen uns Beherrschung der Ostsee«, hier: »Bündnisfähigkeit: Osten 4 Schiffe«. Die Notizen betr. den Etat von »C« im Jahre 1932 und die beiden »Fußnoten« sind mit dem Inhalt der Aufzeichnung v. 15.10. identisch. " S. S. 126. Ein weiteres Gespräch Brüning-Raeder am 6. 5. 1932, vgl. Brüning, S. 584. " Aufzeichnung Min.Dir. Köpke II F Abr. 2498 v. 11. 11. 1931 — PA AA/II F Abr. 7 Nr. 2, Deutsche Panzerschiffe. u Aufzeichnung e.o. Abr. 3149 v. 16. 9.1932, ebd. Diese Episode aus dem Jahr 1931 zeigt, daß Raeder nicht nur zäh an seinem Kurs festzuhalten verstand, sondern daß er auch nicht vor ungewöhnlichen Wegen zurückscheute, wenn er sein Ziel anders nicht erreichen zu können glaubte. Es sollte dies nicht das einzige Beispiel bleiben. Gewiß hatte er mit der Behauptung, er besitze eine politisch »starke Stellung«, redit. Daß die Beziehun- gen zwischen Brüning und Raeder jedoch keineswegs freundschaftlicher Art waren, geht nidit nur aus Raeders zynischen Bemerkungen über das »geflickte Kabinett Brüning«, »das sinkende Schiff« hervor25, sondern audi aus der Begeisterung, mit der der Chef der Marineleitung den Amtsantritt Papens be- grüßte: »Alles was man bisher von der nationalen Regierung hört und sieht«, sdirieb er am 9. Juni 1932 an Levetzow 2e, »macht einen so ausgezeichneten Eindruck, daß ich doch darauf hinweisen möchte, daß es mir dringend notwen- dig erscheint, daß alle national eingestellten Kreise sie bei ihrem sehr schweren Werke energisch unterstützen sollten. Nur so werden wir wieder hochkommen. Ich hoffe, daß auch Ihre Freunde sich dieser Notwendigkeit nicht verschließen werden.« Diese Freunde aber waren die Nationalsozialisten. Daß die deutsche Marineleitung den internationalen Abrüstungsbemühungen in den Jahren 1931 und 1932 27 mit unverhohlener Abneigung gegenüber- stand, war eine Folge des merkwürdigen Umstandes, daß der doch sonst so ein- mütig bekämpfte Versailler Vertrag der Marine auf dem Sektor des Groß- schiffbaues quantitativ weitere Grenzen steckte, als die Abrüstungsvereinbarun- gen für Deutschland auf längere Sicht erwarten ließen. Seit dem Washingtoner Flottenvertrag von 1922 hatten sich die Hauptseemächte sozusagen daran »ge- wöhnt«, ihre Flottenstärken in bestimmten Relationen zueinander aufrechtzu- erhalten 2e; der Londoner Vertrag von 1930 hatte diese Tendenzen weiter ausgebaut, und es war vor allem das Anliegen von Amerikanern und Englän- dern, ihre günstige Verhältniszahl zu Japan, Frankreich und Italien (5:5:3:1,75: 1,75) gegen alle Ansprüche zu verteidigen. Sollte Deutschland mit in die Flotten- verträge aufgenommen werden, so war mit dem Versuch vor allem der beiden kleinen Mächte zu rechnen, ihm eine niedrigere Verhältniszahl — maximal 1,25 — zuzuweisen; es gehörte aber zu den unumstößlichen Forderungen der Marine- führung, mindestens die Parität mit Frankreich, d. h. eine Ziffer von 1,75 zu erhalten. Die grundsätzliche deutsche Forderung nach militärischer Gleichbe- rechtigung drohte mit der vertraglich geregelten Ungleichgewichtigkeit in den Flottenrüstungen der Seemächte zu kollidieren; so wenig es sich die deutsche Außen- und Marinepolitik leisten konnte, sich den bisher gültigen und den zu erwartenden internationalen Vereinbarungen hinsichtlich der Quantitäten und Qualitäten zu entziehen, so sehr kam es ihr darauf an, den vertragspolitischen Schwebezustand des Jahres 1932 auszunutzen. Dieser ergab sich aus der Vereinbarung vom 29. September 1931, bis zum 1. November 1932 eine Baupause einzulegen, vor allem aber aus dem deutschen Entschluß vom 22. Juli 1932, die Mitarbeit an der Abrüstungskonferenz nur u Vgl. Brüning, S. 614. Brüning berichtet, Admiral Raeder habe ihm anläßlidi seines Rücktritts vom Amt des Reichskanzlers ein Sdireiben zugeschickt, »in dem er den dauernden Dank der Marine aussprach«. Vgl. audi ebd., S. 584. Audi Raeder versucht in seinen Erinnerungen — Raeder, I, S. 271(. — den Eindruck zu erwecken, daß er mit Brüning sehr gut zuredit kam. " Raeder an Levetzow v. 9. 6. 1932, BA—MA/N 239/60. tT Zu den Abrüstungsverhandlungen im Jahre 1932 vgl. W. Deist: Sdileidier und die deutsche Abrüstungspolitik im Juni/Juli 1932. In: VJHZG 1959. 18 Allerdings nur theoretisch; in der Praxis war ζ. B. Frankreich Italien wesentlich überlegen, und die Forderung nach der »parità navale« gehörte zum täglidien Vokabular der itallenisdien Außenpolitik. bei Gewährung völliger Gleichberechtigung, und zwar innerhalb der nächsten drei Monate, wieder aufzunehmen29. Es war wohl diese Entscheidung, die Raeder das »nationale Kabinett« begrüßen ließ, denn sie weitete seine Ent- scheidungsfreiheit jetzt in der Tat wesentlich aus. Hatte sich die gesamte Planung bisher immer zwischen der Scylla der Einengungen des Versailler Vertrags und der Charybdis einer erneuten Fesselung durch Abrüstungsvereinbarungen be- wegen müssen, so schien nunmehr sichergestellt, daß Deutschland keine Bin- dung eingehen würde, die es schlechter als der Versailler Vertrag stellte; daß der Friedensvertrag aber kein noli me tangere mehr war, empfand die Marinelei- tung zu diesem Zeitpunkt bereits als selbstverständlich. Das zeigte sich in dem Entschluß Raeders, 1932 nicht, wie ursprünglich vorge- sehen, als Ersatz für den verschobenen Baubeginn des Panzerschiffes »C« nur »einige Torpedoboote« und »kleinere Einheiten« zu bauenso, sondern vier Zerstörer, die auf alle Fälle entschieden größer als die vorgeschriebenen 800 t Isein sollten81, und das zeigte sich vor allem in dem Entschluß, die Panzer- schiffe »C« und »D« nicht als 10 000 t-Schiffe, sondern größer zu bauen, schon im Hinblick auf die zukünftigen Vertrags-»Capital-Ships«32. Raeder han- delte selbständig: Ungeachtet aller Versprechungen aus früherer Zeit entschied er am 16. August 1932, das Panzerschiff »C« sofort in Auftrag zu geben, das Einverständnis des Reichswehrministers versprach er nachträglich einzuholen, den Außenminister informierte er erst zwei Monate später3i. Zwar sollte das Schiff »C« noch wie Typ »B«, also als 10 000 t-Schiff gebaut werden, doch »gegen eine gewisse Aufblähung des Deplacements zu Gunsten militärisch wich- tiger Teile« bestanden »keine Bedenken«. Am 1. Oktober 1932 sollte das Schiff auf Kiel gelegtdie bisher gültige Tarnung aller verbotenen Rüstungsmaßnah- men allerdings nach einer Weisung Schleichers bis zur Entscheidung in Genf noch aufrechterhalten werdenS5. Freilich nicht ad infinitum: »Entweder wird Abrüstungskonferenz uns größere Freiheiten hinsichtlich Schifftypen bringen, oder wir werden uns von Bindun- gen V. V. selbst frei machen«, hieß es in einer Aufzeichnung der Marinelei- tung3®. Nicht weniger deutlich äußerte sich Staatssekretär v. Bülow am 22. September dem englischen Botschafter gegenüber: »Das Ziel unser ganzen Be- mühungen dieses Sommers und dieses Herbstes sei ja gewesen, durch Verein- barungen den Teil V des Versailler Vertrags gewissermaßen geräuschlos auf- zuheben 37.«

" Vgl. dazu den aufschlußreichen Briefwechsel zwischen Neurath und Schleicher 14. u. 15. 7. 1932, aus dem hervorgeht, daß der deutsche Außenminister die deutsche Erklärung v. 22.7. 1932 abzumildern versuchte. Reichsminister des Auswärtigen II F Abr. 2475 v. 14. 7.1932; Der Reithswehrminister Nr. 208/32 geh. VGH IV v. 15. 7. 1932 — BA-MA, MA/Fasz. 5993 Bd 3. M Telegramm-Entzifferung (TE) Deutsche Del. Genf Nr. 100 v. 17. 9.1931 — PA AA/II F Abr. 7, Allgemeine Seeabrüstung Bd 26. » Man kam später auf 1850 ts. VGM gKdos A III a 190/32 ν. 26.1. 32 — BA-MA, MA/Fasz. 5993 Bd 3. SI Vgl. Deutsche Del. Genf. 72 v. 17. 6. 1932, ebd. M Vgl. Chef der Marineleitung v. 14. 10. 1932 — PA AA/II F Abr. 7 Nr. 2, Deutsche Panzer- schiffe. " Weisung Raeders v. 16. 8.1932; A IIa 2179/32 gKdos v. 17. 8.1932 — BA-MA, MA/Fasz. 5993 Bd 3. S5 Weitergabe der Weisung durdi Raeder M 2069/32 gKdos v. 15. 8. 1932, ebd. '· Stichworte für Besprechung mit A betr. Durchführung Schiffbauersatzplan o. D., BA-MA/ Sammlung Raeder 6. " Aufz. v. 22. 9. 1932 — PA AA/Abtlg. III England Pol. 2, Abrüstungsfragen. Die Befristung der deutschen Erklärung vom 22. Juli, die deutlichen, fast drohen- den Äußerungen Schleichers am 26. Juli 1932 38 erhielten im Zusammenhang mit derartigen Äußerungen ultimativen Charakter, es wundert daher nicht, wenn Raeder den gewonnenen Spielraum zu nutzen trachtete3®. Denn zur gleichen Zeit wurden die Weichen für die weitere deutsche Marine- politik gestellt, wobei mit dem sog. Schleicherschen »Umbauplan« vom 15. No- vember 1932 nicht nur Raeders Wünsche aus dem Jahre 1928 berücksichtigt, sondern über diese hinaus eine mittelgroße, wohlausgewogene Flotte geplant wurde40. Diese Bauplanung war die logische Konsequenz aus der Nicht- achtung des Versailler Vertrags und aus der unumstößlichen Forderung, die Parität mit Frankreich anzustreben 41 ; die deutsche Marinerüstung hatte sich sät Mitte 1931 kontinuierlich fortentwickelt und entsprach der Absicht von politi- scher und militärischer Führung, eine Integration der deutschen Flotte in die Abrüstungs- und Flottenvertragsvereinbarungen nicht unmöglich zu machen, sich im Zweifelsfalle jedoch nur nach den eigenen Interessen zu richten. Das erschien Ende 1932 umso risikoloser, als mit dem Ablauf des Hoover-Jahres und der Fünf-Mächte-Erklärung vom 11. Dezember 1932, die Deutschland jetzt offiziell und grundsätzlich Gleichberechtigung zuerkannte, der Flottenbau auch außenpolitisch abgesichert schien. Wie zielstrebig die Marineführung an ihren Grundvorstellungen — der Parität mit Frankreich und zugleich der potentiellen Gegnerschaft dieses Staates festhielt — ergibt sich aus Überlegungen des Marine- kommandoamtes vom 10. Januar 1933: »Der Entschluß, welcher Typ für Pan- zerschiff >D< zu wählen ist«, meinte der Chef des Amtes, Konteradmiral Groos, »wird stark von abrüstungs- und außenpolitischen Faktoren bestimmt wer- den. .. Unabhängig hiervon hält A es aber für richtig, sich auch gedanklich mit dem Bau eines Typs zu beschäftigen, der ewa der französischen >Dunkerque< entspricht.« Das bedeutete nicht nur eine wesentliche Tonnageüberschreitung, sondern auch eine Kalibersteigerung von den erlaubten 28 cm auf 30,5 oder gar 33 cm. Die Konstruktionsabteilung erhielt den Auftrag, ein entsprechendes Schiff durchzurechnen42. Die Frage von Groos: »Welchen Einfluß hat die Wahl des Kalibers und der Turmart auf die Bauzeit?« deutete an, daß es nicht nur darum ging, die Versailler Grenzen zu sprengen und mögliche Ergebnisse der Abrüstungskonferenz zu antizipieren, sondern das Tempo des Baues zu beschleunigen — ein Motiv, das von Mitte 1932 an alle Erwägungen Raeders entscheidend beeinflußte 4S.

,e Vgl. dazu Deist. " Vgl. Chef der Marineleitung v. 14.10.1932 an Köpke: »Im Anschluß an unsere heutige Be- sprechung bestätige ich Ihnen, daß nadi unserer Ubereinstimmenden Auffassung die Grund- lagen unserer Besprechung v. 11.11. 31 (s. Anm. 26) bezüglich Inbaugabe des Panzersdiiffes >C< nidit vor dem 1. Januar 1933, sidi infolge des bisherigen Verlaufes der Abrüstungskonfe- renz völlig geändert haben, so daß die Stapellegung des Schiffes nadi Ablauf der einzigen positiven Bindung, des Hooverjahres, für die Marineleitung äußerst erwünscht wurde.« —PA AA/II F Abr. 7 Nr. 2, Panzerschiffe. 40 Sie sollte aus 6 Panzerschiffen, 1 Flugzeugträger, 6 Kreuzern, 6 Zerstörer- bzw. Torpedo- boots-Halbflottillen, 3 Minensuch-Halbflottillen, 3 Sdinellboots-Halbflottillen, 3U-Boots-Halb- flottillen, 1 Segelschulsdiiff und 1 Sperrverband bestehen. Dazu kamen 9 Marineflieger- Staffeln. Der Reichswehrminister 20120 gKdos v. 15.11.32, Abschrift, BA-MA, MA/Fasz. 5993 Bd 4. Vgl. auch Raeder, I, S. 273f. 41 Vgl. hierzu die ausführliche »Begründung der Notwendigkeit der Parität der deutsdien See- rüstung mit derjenigen Frankreichs bzw. Italiens nadi den deutschen Sidierheitsbedürfnissen« A II 25/32 geh. o.D. BA-MA, MA/Sammlung Raeder 5. 42 A III a 20/33 gKdos v. 10.1.1933 — BA-MA, MA/Fasz. 5993 Bd 3. 4* Das gleiche gilt für die U-Bootfrage. Audi hier forderte Raeder »schnellste Fertigung«. Da sowohl Papen als audi Schleicher, Blomberg und Neurath in ihren militär- und abrüstungspolitischen Vorstellungen die schon von Brüning vorsichtig eingeschlagene Richtung beibehielten und dabei die volle Zustimmung der Marineführung besaßen, sah diese der Eröffnung der zweiten Phase der Ab- rüstungskonferenz am 23. Januar 1933 gelassener denn je entgegen. Umso bedenklicher, ja ausweglos erschien Raeder jedoch die innenpolitische Lage, die das Gesamtprogramm doch erst ermöglichen mußte. Seine Hoffnung vom Juni 1932, daß sich »alle nationalen Kräfte« zusammenschließen würden, wurde grausam enttäuscht; dem unheimlichen innenpolitischen Chaos der letz- ten beiden Monate vor Hitlers Machtergreifung stand er voller Erbitterung, aber verständnislos gegenüber. »Möchte das neue Jahr endlich eine Konsolidierung der inneren Verhältnisse bringen!« hieß es in einem Neujahrsgruß an Admiral v. Levetzow. »Idi verstehe die Politik nicht mehr; ich sehe nur immer, daß das Wohl des Vaterlandes fast keine Rolle in ihr spielt, sondern nur immer der Ehrgeiz einzelner Personen oder womöglich das Geld. Die Kombination Papen —Hitler ist mir völlig schleierhaft; wenn man sidi eben in der unflätigsten Wei- se bis aufs Messer bekämpft hat, kann man sich unmöglich schon wieder an einen Tisch setzen44.« Nein, Raeder verstand die Politik tatsächlich nidit, vor allem aber verstand er den Mann nicht, der wenige Tage später zu seinem und des Reiches Schicksal werden sollte: Raeders fast antik-klassisdi wirkendes Bekenntnis vom 7. Januar 1933, durchaus in Parallele zu seinem Programm von 1928 zu setzen, enthüllt das Dilemma eines in preußischer Tradition erzogenen, deutschnational empfin- denden Offiziers, den die Energie des Emporkömmlings Hitler abstößt und zu- gleich fasziniert; der sidi »dem politischen Treiben« überlegen fühlt und sich moralischen Grundsätzen verpflichtet weiß, zugleidi aber das »Wohl des Vater- landes« mit dem Wohl der Marine identifiziert — und zeitlebens identifizieren sollte — und aus diesem Grunde dem neuen Reichskanzler im Februar 1933 mit äußerstem Mißtrauen, ja Abneigung und Reserviertheit begegnet: Denn Hitlers Ansichten über die Marine, so hatte sich Raeder schon im Oktober 1932 geäußert, seien »mit das Törichste, was er sich bisher geleistet hat« (Dok. 3).

III Raeder hatte für den Parteimann Hitler im Jahre 1932 offenbar keinerlei Sympa- thien; Hitlers innen- und außenpolitische rednerischen Ergüsse nannte er »ver- brecherisch«, in den letzten Monaten, so schrieb er am 23. Oktober 1932 (Dok. 3) habe er aus seinem Munde »keinen politischen, wertvollen Gedanken, ge- schweige denn ein Programm gehört, nur Negatives«. Seine Partei habe Hitler in eine »üble Lage« »hineinmanövriert«, die jungen Offiziere in Armee und Ma- rine. .. [seien] völlig geheilt von ihm«. Und dennoch hoffte Raeder »immer nodi, daß nach den Wahlen [Hitlers]... Beteiligung an der Regierung in Frage kommt« — sonst werde die Partei in ihrem »Gros links abrutschen«. Der in den Kabinetten Papen und Schleicher verbreitete Gedanke einer möglichen »Zäh- mung« Hitlers verband sidi für Raeder mit der immer noch vagen Hoffnung auf die »nationalen«, d. h. »wertvollen« Kräfte, die der Chef der Marineleitung im Nationalsozialismus sah und auf die er setzte — mehr als auf das Haupt der Bewegung: denn daß Hitler alles andere als ein Freund der Marine und der bis- her betriebenen Marinepolitik war, wußte Raeder nur zu genau.

" Raeder an Levetzow v. 7.1.1933 — BA-MA/N 239 Box 18 Bd 3. Schon in seiner Programmsdirift »Mein Kampf« hatte sich Hitler abfällig über die »alte« Marine und die deutsche Flottenpolitik der Vorkriegszeit geäußert und mit seiner Behauptung, »Englands Geneigtheit zu gewinnen, durfte... aber kein Opfer zu groß sein. Es war auf Kolonien und Seegeltung zu verzich- ten« 46 den Widerspruch der traditionsbewußten Admiralität geweckt. Be- denklicher war in Raeders Augen jedoch Hitlers Überzeugung, daß die deut- sche Bündnisfähigkeit keineswegs auf Waffen und »totem Material«, sondern allein auf dem Willen einer großen Volkszahl beruhte4®, widersprach diese Auffassung dodi entschieden Raeders Glauben, daß nur eine starke, langfristig geplante Flotte diesen Bündniswert schaffen konnte. Es war kein Geheimnis, daß Hitler ein Bündnis mit England, das er ja bekanntlich als einen der Kern- punkte einer vernünftigen deutschen Außenpolitik betraditete, durch den Ver- zicht auf eine Flotte ermöglichen wollte47. Wenn Raeder in seinem Brief an v. Levetzow daher schrieb, »die Verhandlungen mit England soll er nur getrost uns überlassen und nicht den Elefanten im Porzellanladen markieren«, so war dies nur ein Ausdruck derartiger Befürchtungen. Sie wurden verstärkt, weil auch die neue deutsche Flotte, die Raeder seit 1928 zu schaffen hoffte, für Hitler eine politisdie Spielerei zu sein schien; sein bekannter Ausspruch anläßlich der Debatten um den Panzerkreuzer »A«, »Das sind Sdiiffchen mit denen wir die Meere nicht beherrschen können... Keine Verstärkung unserer Wehr- macht« 48 mußten einen Mann, der schon in vier soldier »Schiffchen« einen »enormen Machtzuwachs» 49 erblickte, erbittern. Der Kernpunkt der Gegensätze aber lag nicht in der Frage der Größe der Schiffe, sondern in den konträren Ansichten über die kontinentale oder mari- time Grundkomponente der deutsdien Außenpolitik überhaupt. Wenn Hitler, schärfer noch als in »Mein Kampf« in seinem »2. Buch«, das zwar nicht veröf- fentlicht wurde, dessen Thesen er aber bei jeder Gelegenheit vorzutragen pflegte, die Notwendigkeit kontinentaler Ausrichtung verfocht50, die kaiserlidie Flotte eine »romantische Spielerei, ein Paradestück« nannte51 und den Grundsatz Wilhelms II., die Zukunft Deutschlands liege auf dem Wasser, als »verkehrt und unheilvoll« brandmarkte52, so mußten solche »Ketzereien« in der Marine auf helle Empörung stoßen. Das gespannte Verhältnis zwischen Marineführung und dem Parteivorsitzenden der NSDAP wurde im Herbst 1932 durch die programmatischen Äußerungen Hitlers im »Völkischen Beob- achter« vom 21. Oktober 1932, die zwar nichts Neues brachten, jedoch so ge- fährlich wirkten, weil Hitler näher an der Macht zu stehen schien, noch ver-

41 A. Hitler: Mein Kampf, München, 1. Aufl. der kart. Ausgabe 1932, S. 154 (zit. Hitler). 44 Ebd., S. 366. 47 Derartige Vorstellungen waren verbreitet und wurden audi an Hitler herangetragen, vgl. z. B. das Schreiben von Albrecht Graf zu Stolberg-Wernigerode v. 19. 5. 1933 — BA/R 43 I: »Meine unmaßgebliche Ansicht geht deshalb dahin, ehe wir auf der Abrüstungskonferenz weiterverhandeln, zu einem festen Abkommen mit England über das Maß unserer Seerüstung zu kommen.« In einem Antwortsdireiben der Reichskanzlei v. 9.6.1933 hieß es: »Der Herr Reichskanzler hat von ihren Ausführungen, die sich in vielen Punkten mit seinen Ansdiauun- gen decken, mit großem Interesse Kenntnis genommen.« Ebd. 48 Völkischer Beobachter v. 12.10.1928. 41 Stichworte für Besprechung mit A betr. Durchführung Schiffbauersatzplan unter Berücksichti- gung Abrüstungskonferenz — BA-MA, MA/Sammlung Raeder 6. 90 »Es war ein Unglück für Deutschland, daß man sidi von dieser Erkenntnis, nämlidi der Not- wendigkeit kontinentaler Ausrichtung, langsam entfernte, die Machtmittel zu Lande ungenü- gend ausbaute und statt dessen zu einer Flottenpolitik überging, die im Endresultat doch audi nur Halbes war.« G. L. Weinberg (Hrsg.): Hitlers zweites Buch, Stuttgart 1961, S. 169. " Ebd., S. 170. 92 Ebd., S. 169. schärft. Alle Ängste, die Raeder in seinem Urlaubsort Bad Brambach am 23. Oktober 1932 empfand, sind in dem verächtlichen Begriff »Küstenmarine« schlagwortartig zusammengefaßt. Es waren dies jedoch nicht die Ängste Raeders allein und sie bezogen sich auch nicht nur auf Hitler. Auch im Auswärtigen Amt gab es Strömungen, weldie die Marineleitung mit Sorgen erfüllten. Das zeigte sich deutlich in den Reaktionen von Admiralstabsoffizieren auf einen außenpolitischen Vortrag des Legations- rats Schwendemann, eines durchaus »national« eingestellten Beamten, als dieser im Dezember 1932 an der Außen- und Flottenpolitik vor 1914 Kritik übte53. Über das erste Zusammentreffen zwischen dem Reichskanzler Hitler und dem Chef der Marineleitung nach dem 30. Januar 1933 wissen wir bisher so gut wie nichts. Raeder selbst behauptete, es habe bereits im Februar 1933 stattgefun- den M, und bei dieser Gelegenheit habe Hitler die politische Richtlinie erteilt, nie mehr gegen England, Japan und Italien kämpfen zu wollen. Das entsprach schon der bisher bekannten Einstellung Hitlers, war für Raeder inhaltlich also keineswegs neu oder überraschend. Fest steht lediglich, daß Raeder bei dem Hitlersdien Vortrag am 3. Februar 1933 im Hause Hammersteins ebenfalls an- wesend war 55. Die erste persönliche Aussprache zwischen beiden Männern aber hat tatsächlich erst nach dem 16. März 1933 stattgefunden, wie sich aus den in der »Sammlung Raeder« aufgefundenen Notizen des Marinechefs über seinen »Ersten Vortrag beim Führer« ergibt (Dok. 4). Allein der Umstand, daß Hitler und Raeder — es ist nicht zu entscheiden, von wem die Initiative zu dem Lage- vortrag ausging — erst mehr als 6 Wochen nach der Machtübernahme zum ersten Mal persönlich über Marinefragen sprachen, ist für die Beurteilung des Verhält- nisses beider Männer zueinander, aber auch für die Lösung des Problems bedeut- sam, ob und wann es in der deutschen Marinepolitik einen durdi Hitler verur- sachten »Knick« gegeben hat. Das Dokument läßt darüber hinaus jedoch vermuten, daß dieser »Erste Vortrag« nicht etwa aus einem grundsätzlichen Bedürfnis zu einer Aussprache heraus zu-

53 In einer Eingabe vom 9. Dezember meinte Kapitän zur See Schuster, der Leiter der Führer- gehilfenausbildung der Marine: »Die ganze Frage ist nicht nur eine historische, sondern eben- so eine zeitgemäße und paßt demgemäß in den Rahmen einer Besprechung über Außenpolitik nadi dem Kriege bzw. in der nächsten Zukunft, weil Deutschland als Weltmacht der Zukunft wieder vor ähnliche Fragen einer Flottenpolitik gestellt werden kann und das Wort von der falschen Flottenpolitik vor 1914 sich so leicht hemmend vor die Zukunft stellen kann. Aus solchen oft wiederholten und nicht bekämpften Ansichten können unter Umständen Psychosen entstehen, die einer nüchternen Betrachtung im Wege stehen (siehe Herrn Hitler!).« Offen- sichtlich bezog sich der letzte Hinweis auf Hitlers Ausführungen v. 21. 10. 1932; er beweist, daß Hitler den Hauptnerv der Marineführung — und ihres Nachwuchses I — getroffen hatte. Schreiben Schusters v. 9. 12. 1932 an Schwendemann — PA AA/II FM, Marineangelegenhei- ten Bd 2. Viel deutlicher drückte Schuster seine Ansichten in einem Vortrag aus, den er am 5. 5. 1933 vor Führern der S.A., S.S., des Stahlhelms sowie »Vertretern der Reichs-, Staats-, pp.-Behörden in Kiel« hielt. Hier hieß es: »Schließlich — nicht zum wenigsten — kleine Ma- rine, wenn nach Organisation und Schiffstypen wohl gegliedert — Kern für spätere Entwick- lung. Für eine Zukunft, in der nach Festigung unserer landstrategischen Lage deutsche See- und Weltgeltung von einer starken Flotte wieder begründet und sicher geschirmt werden kann. Eine See- und Weltgeltung, die Deutschland wieder frei atmen und leben läßt, während es heute nur vegetiert. Eine Sicherheit des neuerstandenen Bismarck-Reiches die — bei starker außen- und innenpolitischer Führung — auch eine dann noch mögliche Koalition von Feinden nicht wieder gefährden kann.« BA-MA/II M 58/3. Bei der Interpretation dieser Quelle wird zu berücksichtigen sein, daß Schuster seit jeher in besonders pointierter Weise sich zu äußern pflegte und Raeder sich immer gehütet hat, ähnliche Gedanken öffentlich zu propagieren. Immerhin tolerierte er sie bei einem Mann, der für die geistige Ausrichtung des Offizier- nachwuchses eine wichtige Funktion besaß. " Raeder, I., S. 281; IMT Bd XIV, S. 29, S. 336. 55 Vgl. Th. Vogelsang (Hrsg.): Neue Dokumente zur Geschichte der 1930—1933. In: VJHZG 1954, S. 434 f.; Raeder, I, S. 280. Stande gekommen ist, sondern lediglich aus einem aktuellen Anlaß, der in den Vorstellungen des englischen Ministerpräsidenten MacDonald zur Abrüstungs- frage zu sehen ist. Damit wird die Frage aufgeworfen, wie sich die Marineleitung in den ersten Wochen nach der Amtsübernahme Hitlers verhielt. Irgendein Wechsel in den Bauplanungen oder in den militärisch-politischen Ansichten ist aus den Akten nicht ersichtlich. Das Interesse der Marineleitung konzentrierte sich im Februar und März 1933 einmal auf den Fortgang der Abrüstungskonferenz5e, zum anderen auf die Vervollständigung der militärischen Planung des 4. Panzerschif- fes. Am 9. März 1933 legte Raeder in einer Besprechung fest, daß das 4. Schiff mit 26 500 t und 33 cm Kaliber, oder »wenn ein Projekt mit 33 cm nicht geht dann [mit] 30,5 cm« durchzukonstruieren sei. Freilich ließ er mögliche Auswirkungen politischer Vereinbarungen noch nicht ganz außer Betracht. Als »Ausweichpro- jekt« war ein SdiifF mit 22 000 t und 28 cm Bewaffnung vorgesehen 57. Wenn sich in der Marineplanung etwas änderte, dann war dies auf die sich viel- leicht eröffnende Möglichkeit größerer Haushaltsmittel und damit einer Beschleu- nigung — nicht einer Ausweitung — des geplanten Bauprogramms zurückzufüh- ren 58, denn schon am 8. Februar 1933 hatte Hitler in einer Kabinettsitzung unterstrichen, »daß für die nächsten 4 bis 5 Jahre der oberste Grundsatz lauten müsse: alles für die . Deutschlands Stellung in der Welt werde aus- schlaggebend bedingt durdi die deutsche Wehrmachtstellung 59.« Das entsprach inhaltlich seinen Äußerungen vom 3. Februar, lag zugleich aber audi ganz auf der schon bisher verfolgten Linie einer Beschleunigung der deutschen Aufrüstung. Freilich war für Raeder damit keineswegs ausgemacht, daß Hitler auch einen entsprechend vergrößerten Marineausbau im Auge hatte. Den bekannten An- sichten Hitlers über das deutsch-englische Verhältnis war eher das Gegenteil zu entnehmen. Daß sich die deutsche Außenpolitik mit Hitlers Machtergreifung zu- nächst aber gerade auf England zu konzentrieren begann, wurde Raeder schon bald klar. Alles wies in diese Richtung: Die Berichte Nadolnys und v. Rhein- babens aus Genf, der große Botschafterbericht von Hoesch vom 6. Februar 1933, in dem der Diplomat eine »Schonung« Englands empfahl und zugleich darauf aufmerksam machte, daß das Inselreich sich anschicke, in Europa die führende Rolle zu übernehmeneo, schließlich der Abrüstungsplan von MacDonald, den dieser am 16. März 1933 im Völkerbund vortrug, und der die Interpretation Hoeschs bestätigte®1. Es scheint nun aber gerade diese englische Initiative ge-

M Die Genfer Verhandlungen gingen nur sdhleppend weiter, am 8. Februar 1933 meldete die deutsche Marinedelegation, es sei »zweifelhaft, ob bis Ende der Konferenz eingehende Ma- rinebesprechungen mit Ergebnis fester Abmachungen noch stattfinden werden.« Dagegen sei die Zuziehung Deutsdilands zu der 1935 stattfindenden Seekonferenz nach zugestandener Gleichberechtigung von England als möglich bezeichnet worden. TE Genf Nr. 113 v. 8. 2.1933 — PA AA/II F Abr. 34, Verhandl. über Marine auf der Abrüstungskonferenz 1932 Bd 1. " A III a 1063/33 gKdos. Sitzungsergebnis über Vortrag beim Marinedief am 9. 3.1933 v. 15. 3.1933, BA-MA, MA/Fasz. 5993 Bd 3. ω Vgl. Vorschläge für eine vom R.W. Min. beabsichtigte Rüstungsverbesserung in einem Zeit- raum von 5 Jahren o.D. — A II st. 1181/33 gKdos. Hier war zunächst eine jährliche Er- höhung des Gesamtetats um 160 Mill. Mark eingesetzt, wobei jeweils 50 Mill. Mark für den Schiffbauplan vorgesehen waren; später wurden diese Ansätze auf 90 bis 95 Mill. Mark er- höht. Vgl. audi Raeder, I, S. 285ff. " Kabinettsitzung v. 8. 2.1933 — BA/R 43 1/1459. DGFP Bd 1 Nr. 13, S. 26ff. " Text: League of Nations, Conference for the Reduction and Limitation of Armaments, Con- ference Documents vol. II, S. 470—493 (D 157/1) MacDonalds Rede: DBFP 2.ser. vol. 4 App. IV. wesen zu sein, die Hitler den ersehnten Anknüpfungspunkt zu seinem Gespräch mit England bot, wobei er durchaus gesdiickt und elastisch vorging: Das zeigte sich in seinen Instruktionen für Rheinbaben am 15. März 1933 e2, in denen er, sicher nicht zur Freude Raeders, darauf hinwies, daß »a relative priority of fin- ancial expenditure is to be given to land armament in the immediate future«. In dem Gespräch zwischen Neurath und dem englischen Botschafter Sir Horace Rumbold vom 16. März klang das gleiche Thema an es, und aus Nadolnys Be- richt vom 20. März ging für die Marineleitung deutlich hervor, daß der MacDo- nald-Plan zwar auf dem Sektor der Land- und Luftrüstung unbefriedigend, für die politische Führung, d. h. für Hitler, auf dem Marinegebiet aber — mit Aus- nahme vielleicht der U-Bootfrage — annehmbar schien, und dies umso eher, wenn sich damit eine Verbreiterung der Verhandlungsbasis mit England ergeben konnte ®4. Ob Raeder den Inhalt der programmatischen Ausführungen Neuraths vom 7. April 1933 über die Notwendigkeit einer totalen Revision des Versailler Vertrags, in denen als Voraussetzung dafür ein gutes Verhältnis zu England hervorgeho- ben wird, kannte βδ, wissen wir nidit; daß jedodi die Baupläne der Marine mit der sich abzeichnenden außenpolitischen Entwicklung des deutsch-englischen Verhältnisses prinzipiell gefährdet wurden, wird den Chef der Marineleitung wahrscheinlich nun zu seinem »Ersten Vortrag beim Führer« bewogen haben. Die Sdiwierigkeiten bei der Interpretation der Raederschen Notizen (Dok. 4) beginnen sdion mit der Datierung. Die Tatsache, daß Raeder keinerlei Datum vermerkte und dies auch unterließ, als er — offensichtlich später 68 — seine Noti- zen mit der Uberschrift »Erster Vortrag beim Führer« versah, steht in eklatantem Widerspruch zu der sonst ganz durchgängigen und von Raeder besonders genau beachteten Vorschrift, alle Aktenstücke mit Paraphe und Datum zu versehen. Dazu paßt aber, daß er diese Notizen auf seinem persönlichen Briefpapier fest- hielt. Es handelt sich offensichtlich um rein private, nicht einmal für die Augen der engsten Mitarbeiter seines Stabes bestimmte Aufzeichnungen, d. h. um eines jener Konzepte, die Raeder auch während des Krieges als Vorbereitung auf seine Lagevorträge bei Hitler anzufertigen pflegte, und von denen einige erhalten ge- blieben sind ®7. Die äußerliche Anordnung der Stichworte verrät, daß es sich im vorliegenden Fall offensichtlich zunächst um ein Stichwortgerüst gehandelt hat, das später ergänzt wurde ββ. Es ist ferner zu vermuten, daß sich zumindest die Schlußnotizen, die sich augenscheinlich mit Vertrags- und Bündnisproblemen be- schäftigen, auf Äußerungen Hitlers beziehen. Die merkwürdigen Nachzeichnun- gen zahlreicher Wörter deuten entweder auf die verbreitete Unsitte hin, während des Gesprächs in seinem Konzept »herumzumalen«, oder sind Indizien für inten- sives Nachdenken bei der Niederschrift; sie können zugleich aber auch als An-

62 Hier hieß es: Keine Sabotage. »Work for a positive conclusion is to be preferred to rearma- ment without treaty.« DGFP Bd 1 Nr. 94, S. 175f. M Vgl. Aufzeichnung v. Neurath R.M. 350 v. 16. 3. 1933 — PA AA/Abtlg. III Engl. Pol. 2, Abr. Fragen. " DGFP Bd 1 Nr. 103, S. 186 ff. " 7. 4. 1933: BA/43 R 1/146. — Im Kabinettsprotokoll v. 29. 3. u. 4. 4. 1933 ist vermerkt, der Reidiswehrminister habe über »Wehrmadufragen« gesprochen, doch fehlt jeder genauere Hinweis. e® Die Oberschrift ist mit grünem Stift geschrieben. Vgl. dazu Dok. 4, Anm. 240. " Ein derartiges Konzept ist in Faksimilewiedergabe veröffentlidit worden bei Salewski, I, S. 407—412. 18 Ganz deutlidi S. 4, wo nach den offensichtlichen Abschlußworten »Bündnisfähigkeit« und »Umbau« nodi Bemerkungen über den Vertrag von 1922 und die Rolle Englands hinzuge- fügt wurden. haltspunkte für die vielfach bezeugte Nervosität Raeders in seinen Gesprächen mit Hitler gelten. Schon beim ersten Blick fällt eine verblüffende Tatsache auf: Der »Erste Vortrag« gleicht auf weiten Strecken und bis in die Diktion hinein den Notizen, die wir als Konzept Raeders für seinen Vortrag bei Brüning am 21. September 1931 identi- fiziert haben (Dok. 2)! Ein genauer Vergleich beider Dokumente macht deutlidi, daß Raeder in allen grundsätzlichen Punkten beiden Kanzlern offensichtlich den gleichen Vortrag gehalten hat. Die Grundkonzeption, die wir in dem Vortrag vom 21. September 1931 finden, ist unverändert, ja, Raeder hält sie mit einer geradezu erstaunlichen Starrheit festββ. Die Bedeutung dieser Tatsache kann schwerlich überschätzt werden, ist sie doch als Beweis für die These zu werten, daß es in der Marinepolitik, insoweit sie von Raeder bestimmt wurde, bis zu diesem Zeitpunkt keine Schwankungen gegeben hat. Ja, zieht man Raeders Äußerungen von 1928 heran, so wird sogar behauptet werden können, daß sich sein Konzept in diesen viereinhalb Jahren überhaupt nicht geändert hat. Werden aus beiden Dokumenten alle identischen Stidiworte herausgekürzt und alle nur tagespolitisch wichtigen Notizen eleminiert, so lassen sich folgende Argumente vermuten: Es war zu diesem Zeitpunkt wohl die Hauptsorge Raeders, daß der von Hitler angestrebte Kontakt zu England auf Kosten des eigenen Flottenbaus gehen würde. Es mußte ihm daher darauf ankommen, Hitler davon zu überzeugen, daß die deutsche Marine nicht etwa ein Hindernis für ein Zusammengehen mit England, sondern im Gegenteil eine wertvolle Unterstützung dafür sei. Wenn Hitler mit seiner Englandpolitik offensichtlich langfristige Ziele ansteuerte, so betonte Raeder, daß auch die Marine langfristig geplant werden müsse und nicht in erster Linie die Augenblicksbedürfnisse, sondern die zukünftige »Gesamtlage« von Bedeutung sei. Dies eben sei der »Unterschied zur Armee«: Das 100 000- Mann-Heer war leicht auf die geplanten 300 000 Mann zu bringen, denn die »Kader« waren »vorhanden«; die Marinepolitik aber mußte vorausschauend ge- plant werden — d. h. über das Jahr 1936 hinaus, in dem der 1. Schiffbauersatz- plan mit dem Panzerschiff »D« abgeschlossen sein würde. Es scheint, daß der Chef der Marineleitung bei seinem Vortrag. Hitler vorsorglich auf die Notwen- digkeit eines 2. Schiffbauplanes aufmerksam machen wollte; die Notiz, »D« werde 1938 in Dienst sein, unterstreicht diese Vermutung. Es ist anzunehmen, daß Raeder alle diese Argumente beibrachte, um besser auf sein eigentliches Ziel lossteuern zu können: die Ablehnung des MacDonald-Plans. Sein Hauptargu- ment, daß dieser Plan »unter Versailles« liege, sollte den enragierten Gegner des Versailler Vertrags, Hitler, wohl besonders beeindrucken. Entscheidend war aber außerdem der Hinweis, daß England gegen die deutsche Marineaufrüstung, so, wie sie Rheinbaben der englischen Delegation in Genf schon im Sommer 1932 vorgetragen hatte, »keinen Protest« erhoben habe. Wenn das aber zutreffend sei, so mag Raeder fortgefahren sein, so müsse die deutsche Flotte energisch weiter gegen Frankreich entwickelt, ja, eine »Anti-Dunkerque« gebaut werden. Die 10 000 t-»Schiffchen« seien ebenfalls keine »Spielerei«, da sie den alten franzö- sischen 10 000 t-Kreuzern haushoch überlegen wären. Wenn Raeder Brüning erklärt hatte, ein 10 000 t-Schiff könne »alle unsere Kreuzer in die Häfen jagen«, so wird die qualitative Verbesserung der deutschen Flotte nun in der Behaup-

" Vgl. ζ. B. die Äußerungen über den Versailler Vertrag, die Baupläne Frankreichs und 126 Deutsdilands, die Bemerkungen über Tyrell und Vansittart. tung deutlich, daß ein »D«, d. h. ein 26 500 t-Sdiiff genüge, um alle Panzerschiffe »in die Häfen« zu jagen. Daß Raeders Vortrag offensichtlich auch auf Hitlers Äußerungen vom Herbst 1932 antworten sollte, läßt die Erörterung der Ostseefragen vermuten. Raeder kam es vor allem darauf an, Hitler klar zu machen, daß die Ostsee schon in der Nordsee verteidigt werden müsse 70 und hier die eigenen schweren Sdiiffe sinn- voll eingesetzt werden könnten. Die langen Ostsee-Küsten, der Zufuhrschutz, die isolierte Lage Ostpreußens boten der Marine besondere Verteidigungsschwierig- keiten, und Raeder witterte eine Möglichkeit, mit diesen Argumenten seinen Anspruch auf Marinefliegerverbände anmelden zu können. Sdiluß- und Höhe- punkt seines Vortrages aber standen im Zeichen des Problems der »Bündnis- fähigkeit«. Schon aus der Art, wie der Marinechef dieses Wort am Ende seines Konzeptes über das ganze Blatt hingeworfen hatte, mit großen, energisdien Let- tern, kräftig unterstrichen, deutet an, daß hier das Kernproblem lag: Wenn Hit- ler das Bündnis mit England wollte, so stimmte ihm Raeder hierin voll zu; wenn Hitler dieses Bündnis jedodi mit einem Verzicht auf »Seegeltung« erkaufen wollte, so vertrat Raeder umgekehrt den Standpunkt, daß nur eine starke Flotte für England Bündniswert besaß. Offensichtlich beziehen sich die letzten Notizen »England — Offenhaltung der Nordseehäfen, geringe Zahl, hohe Qualität [?]« auf Argumente Raeders, mit denen er Hitler seine These zu beweisen hoffte. Wir wissen nicht, wie sich die Unterredung zwischen den beiden Männern im einzelnen abgespielt hat, vor allem fehlen die Äußerungen Hitlers. Das Raeder- sche Konzept aber vermittelt doch einen interessanten Einblick in die Vorstel- lungswelt der Marine und die fundamentalen Unterschiede in den Englandvor- stellungen der politischen Führung und der Marineleitung. Soviel war gewiß: Wenn die deutsdie Flotte weiter aufgebaut werden sollte, so konnte dies nadi dem Amtsantritt Hitlers immer nur im Hinblick auf England geschehen, und für die Zukunft war es die entscheidende Frage, ob Hitler bei seinen ursprünglichen Vorstellungen von der Rolle einer deutschen Marine verharren, oder ob die weitere politische Entwicklung ihn dem Raederschen Konzept geneigter madien würde. Es gelang Raeder nicht, den MacDonald-Plan als mögliche Grundlage der deut- schen Marinepolitik auszuschalten, er konnte lediglich einige kleinere Abände- rungen in der deutschen Stellungnahme durchsetzen71. Bis zum 31. Dezember 1936 sollten »die Zahlen in den einzelnen Klassen der Uberwasserschiffe, wie sie durch den Versailler Vertrag und durch die Bestimmungen der Botschafter- konferenz 72 festgesetzt sind« nicht überschritten und nicht mehr als ein Panzer- schiff auf Stapel gelegt werden 73. Ferner sollten U-Boote nur mit einem maxi- malen Gesamttonnengehalt von 10 000 t gebaut werden 74.

70 Audi dies war seit 1927 ein Standardargument, vgl. Raeder, I, S. 256f. 71 Vgl. auch Richtlinien Hitlers betr. Abrüstungskonferenz v. 19. 5. 1933, DGFP Bd 1 Nr. 251, S. 262ff. Punkt 9a, b. Dazu vgl. ferner Vermerk Ges. Rat Feine e.o. II F 1502 ν. 22.5.1933 — PA AA/II FM, Marineangelegenheiten. " Note der Botschafterkonferenz v. 26. 3.1920. 79 Ursprünglich war in der Formulierung hinzugefügt, daß dieses Panzerschiff »kein größeres Kaliber als 280 mm« haben werde. In seiner Besprechung mit Blomberg am 13.4.1933 stimmte dieser einer Formulierung, die diesen Hinweis nidit mehr enthielt, zu. Randvermerk von Densdi 13. 4. 74 Das Einzeldeplacement sollte maximal 2000 t betragen. Wenn diese Grenze heute als sehr hodi erscheinen mag, so muß daran erinnert werden, daß zu diesem Zeitpunkt nodi viel grö- ßere Boote geplant wurden, vgl. ζ. B. »Surcouf«. Daß Raeder diese Selbstbesdiränkungen sehr schwer fielen, geht aus seinen Randbemerkungen zu diesen Verfügungen hervor: »Grundsätzliche Haltung: 1. Gleichberechtigung. 2. Kein Heruntergehen der Marine unter Versailles«, nach dessen Bestimmungen Deutschland bis 1936 sogar nodi 5 Schiffe bauen konnte. »Demgegenüber ist Vorschlag b) bezüglich Panzerschiffe sehr78 großes Entge- genkommen, das Kompensationen verlangt7e.« Die Abwehrschlacht der Marine gegen englische Abrüstungspläne war mit dieser bedingten Annahme des MacDonald-Plans jedoch nodi nidit gewonnen, denn Henderson legte wenige Wochen später einen erneuten britischen Plan vor, der als Ergänzung des ersten Vorsdilages und als Vorbereitung auf die zweite Lesung des MacDonald-Plans in Genf gedacht war. Die Grundidee Hendersons bestand darin, in der Frage der deutschen Marinegleichberechtigung bis zum Zusammen- tritt der Seekonferenz von 1935 alles beim alten zu belassen 77, d. h. also den Vertrag von Versailles bis 1935 voll aufrecht zu erhalten. Raeder lehnte dieses Ansinnen mit ungewohnter Schärfe ab: »Der Vorschlag, Deutschlands Seerüstun- gen bis zur Konferenz von 1935 weiterhin an die Bestimmungen des V.V. zu binden, ist schon aus psychologischen und logischen Gründen unhaltbar; denn eine Konvention, die uns von dem Friedensdiktat befreien soll, darf keine neue Bindung an dieses Vertragswerk enthalten.« Während Frankreich und Italien, die nicht an den Londoner Vertrag von 1930 gebunden waren, ihre Flotte belie- big ausbauen könnten, würde die deutsdie Marine »weiterhin unter den sdiärf- sten qualitativen und quantitativen Bindungen zu verbleiben haben... Die Marineleitung hält es... für notwendig, den Henderson'schen Vorschlag strikt abzulehnen«; Deutschland sei schon beim MacDonald-Plan »an die Grenze der möglichen Zurückhaltung gegangen« 7S. Die Tatsache, daß Blomberg in einem Gespräch mit Admiral Freiherr v. Freyberg der Marine zustimmte, bedeutete für Raeder einen nidit unwichtigen Sieg; wichtiger aber war die Zustimmung des Ministers zu dem sdion im Februar 1933 von Raeder erwogenen Vorschlag, mit England eine Sondervereinbarung zu treffen, wonach sidi Deutschland England gegenüber dazu verpflichtete, »über bestimmte Größen und Kaliber nicht hinauszugehen«, d. h. nicht über die in den Flottenverträgen von 1922 und 1930 vereinbarten Meßdaten. »Die praktische Seite bestehe darin«, setzte Freyberg dem Minister auseinander, »daß wir gar nicht die Absicht haben, die anderen Staaten in Schiffsgröße und Kaliber zu überbieten, daß wir uns lediglich zu etwas verpflichten, das wir sowieso durch- zuführen beabsichtigen, daß wir aber durch eine solche Verpflichtung vielleicht gewisse Bedenken der Engländer zerstreuen 79.« Er hätte hinzufügen können: und die Bedenken Hitlers. Denn dieser bemühte sich in den Monaten von April bis Juli 1933 in verstärktem Maße um ein Bündnis mit England.

79 »sehr« zweimal unterstrichen. 76 Abschrift gKdos Formulierung einer Abänderung des MacDonald-Plans, Ani. zu VGM 257/ 33 gKdos y. 17. 7.1933 — BA-MA, MA/Fasz. 5993 Bd3. 77 »It is advisable that amendements on sub-marines etc. be withdrawn and reserved until 1935 when they might be raised at the Naval Conference.« — Damit wäre das 2. deutsdie Amendement hinfällig geworden, »b) Convention might contain a mere undertaking by the signatories that they would meet together at the next Naval Conference in 1935, it being understood in the meantime that naval armaments will remain under the régime of the Washington and London treaties and the Treaty of Versailles.« 78 Stellungnahme zu Punkt 5 der Besprediungspunkte Hendersons betr. Seerüstungen, Ani. zu VGM 257/33 gKdos — BA-MA, MA/Fasz. 5993 Bd 3. " Niederschrift über die Besprechung beim Reidiswehrminister am 15. 7. 33 betr. die Marine- fragen in Zusammenhang mit dem bevorstehenden Besuch Hendersons. — VGM 257/33 v. 17. 7. 1933, ebd. Es ist bekannt, daß Hitler in den Gesprächen mit John F. Fraser am 2. Mai80 und bei seiner Unterredung mit dem englischen Botschafter Sir Horace Rumbold am 11. Mai 1933 deutliche, die Engländer überraschende politische Angebote durchblicken ließ. Am Tage nach dem Gespräch mit Rumbold schlug Hitler im Kabinett scharfe Töne an, als er auf das weitere Schicksal der Genfer Abrüstungs- konferenz zu sprechen kam81, und nahm damit wieder seine Gedanken- gänge vom 3. und 8. Februar 1933 auf. Hingegen muß ihn der Erfolg seiner Reichstagsrede vom 17. Mai selbst überrascht haben; er zeigte ihm jedoch, daß es offensichtlich noch zu früh war, die Konferenz zu sprengen, um mit England allein zu verhandeln — denn Hoesdi berichtete aus London, daß die englische Re- gierung noch ganz im Genfer Geist denke, eine Sonderabmadiung außerhalb oder gegen die Abrüstungskonferenz daher schwierig werden könnte 82. Darauf schwenkte Hitler wieder um: Seine Richtlinien vom 19. Mai 83 klangen konzi- liant und entsprachen keineswegs seinen Ausführungen im Kabinett. Wenn Raeder geglaubt haben sollte, bald freie Bahn zu bekommen, so täuschte er sich: Die deutschen Vorschläge84 sahen erneut eine Aufschiebung der Marinefragen bis 1935 vor, erneut wurde versichert, daß Deutschland bis Ende 1936 nur ein Capital Ship auf Kiel legen wolle. Hendersons Besuch in Berlin machte wenig später deutlich, daß es England nicht in erster Linie oder auch nur wesentlich um Marinefragen zu gehen schien: Die von der Marineleitung vorbereiteten Er- klärungen kamen in den ausführlichen Gesprächen überhaupt nicht zur Sprache85. Dennoch dürften für die Marine in den Tagen vom 21. bis zum 23. Mai wichtige Entscheidungen gefallen sein: Während seines ersten großen Besuches bei der Flotte haben Marinechef und Reichskanzler ausgiebig Gelegenheit gehabt, mit- einander zu sprechen und einander näherzukommen. Leider and wir über den Verlauf dieser Zusammenkünfte nicht informiert, die Akten schweigen. Das gilt auch für die Sommermonate August und September, in denen Hitlers politische Erwägungen stillzustehen schienen. Zwar traf er mit Raeder vermut- lich anläßlich der Tannenbergfeier am 26. August und bei einem anschließenden Abendessen beim Reichspräsidenten am 27. August 1933 erneut zusammen8®, doch auch darüber fehlen alle Dokumente. Erst Anfang Oktober gerieten Außen- und Wehrpolitik wieder in Bewegung. Hitler hatte noch am 30. September 1933 in einem Gespräch mit Neurath seine konziliante Haltung zur Abrüstungskon- ferenz unterstrichen β7, vier Tage später verkündete er seine Absicht, Konferenz und Völkerbund zu verlassen ββ. Die einzelnen Stufen dieses abrupt erscheinen- den Meinungsumschwunges — der übrigens völlig »symmetrisch« zu seinen Äußerungen vom 12. Mai und seinen Richtlinien vom 19. Mai verlief, nur dies- mal in umgekehrter Reihenfolge — sind hier nicht zu verfolgen; für die Marine- führung war damit jedoch eine wichtige Zäsur erreicht: sie war die Sorge los, in Genf erneut gefesselt zu werden, sei es im Interesse einer weitergespannten Englandpolitik, sei es im Interesse der Land- und Luftrüstung. Hitlers Auftreten wurde kühner; die »Gefahr« vom 14. Oktober, dem Tag des Völkerbundaus-

80 Vgl. Kuhn, S. 143. 81 DGFP Bd 1 Nr. 226, S. 409 ff. 81 DGFP Bd 1 Nr. 242, S. 445 f. ω DGFP Bd 1 Nr. 251, S. 462 ff. 84 Punkt 9a, b der Richtlinien. 84 Vgl. DGFP Bd 1 Nr. 322, S. 578 ff; Nr. 370, S. 662 ff. 88 Vgl. Akten BA/R 43 II 97. 87 DGFP Bd 1 Nr. 475, S. 882. 129 88 DGFP Bd 1 Nr. 479, S. 887. trittes, ging vorüber, in der Kabinettsitzung am 17. Oktober 1933 triumphierte Hitler, nun habe man Luft, nun könne man die Dinge auf sich zukommen lassen 8e. Die Marineleitung zögerte audi keinen Augenblick, die neugewonnene Bewe- gungsfreiheit auszunutzen. »Es kann nicht der Zweck unseres Fortgangs von der Abrüstungskonferenz gewesen sein, zukünftig weniger zu bauen als uns der Ver- sailler Vertrag Möglichkeiten läßt und für den Etat 34 von uns vorgesehen war«, hieß es in einer Aufzeichnung von Admiral Groos vom 18. Oktober90. »Es werden also 1934 mindestens die für dieses Jahr vorgesehenen Haushaltsvorha- ben auszuführen sein, welche sich innerhalb der SdiifTszahlengrenze des Versailler Vertrags halten.« In Wirklichkeit konnte man nun nicht nur eins, sondern, wenn Hitler nur seine Zustimmung gab, fünf Schiife bauen, und zwar ohne zeitliche Begrenzungen. Die Marineführung wußte natürlich, daß an ein großes Baupro- gramm noch nicht zu denken war, und die Heeres- und Luftrüstung den Löwen- anteil der zusätzlichen Haushaltsmittel verschlingen würde. Nicht ohne Geschick begründete Groos daher die eigenen Wünsche mit einem Hinweis auf die Flot- tenkonferenz von 1935. Da Deutschland aller Voraussicht nach als gleichberech- tigter Partner hinzugezogen werden würde, sei es notwendig, »bis Ende 1936 möglichst viel Neubautonnage« fertigzustellen, um eine günstige Ausgangsposi- tion zu gewinnen91. Folglich sollten nicht nur 1, sondern 2 Panzerschiffe »à 19 000 t« gebaut werden — in Wirklichkeit dachte man natürlich an mindestens 26 500 t —, zusätzlich 4 Zerstörer zu 1850 t — also die ehemaligen »Ausweich- bauten«, ferner 6 schnelle Minensuchboote, je 8 Räum- und Schnellboote. Der U-Bootbau sollte planmäßig weiter vorbereitet werden. Groos glaubte, daß alle Vertragsüberschreitungen — also bei den Panzerschiffen, den Zerstörern, den U-Booten — im wesentlichen bis zum Beginn der Konferenz getarnt sein würden. Die Freude der Marineleitung war nur kurz: Am 1. November 1933 mußte Raeder bekannt geben, »daß für den Haushalt 1934 zunächst nur 1 Panzerschiff« eingesetzt werden sollte ®2. Wieder hatte Hitler den Eifer der Marineleitung ge- bremst, ja, fast scheint es, sie hinters Licht geführt: Zwar wußte Raeder, daß Hitler bei seinem Gespräch mit dem neuernannten englischen Botschafter Phipps ein neues »Abkommen« über die Rüstungsfrage vorgeschlagen hatte83, doch er ahnte nicht, daß Hitler die Marinewünsche überhaupt nicht erwähnte, obwohl sie in einer Aufzeichnung von VGM für die Marineleitung recht präzise um- schrieben worden waren 94. Woher der Wind wehte, wurde deutlich, als Blom- berg am 1. November 1933 die Weisung erteilte, bei allen Verstößen gegen den Versailler Vertrag äußerst vorsichtig zu sein und jeweils die außenpolitischen

8* DGFP Bd 2 Nr. 9, S. 11 f. — Der Wehrmacht waren vorsorgliche Sicherungsmaßnahmen befohlen worden; wohl nidit zufällig ordnete das Marinekommandoamt am 10.10. eine Besprechung über den »A-Neubauplan« an, die am 13.10.1933 stattfand, vgl. Marine- kommandoamt A II 4463/33 Ρ 1 ν. 10. 10. 33, Planstudie, BA-MA/II M 34/1. •ο A I ν 4745/33 gKdos v. 18. 10. 1933 — Deutsche Sdiiffbaupläne für 1934 unter Berücksich- tigung der durdi unser Verlassen der Abrüstungskonferenz geschaffenen Lage. BA-MA, MA/Fasz. 5993 Bd 4. M In dem Dokument wurden die Baupläne der Vertragsstaaten sorgfältig analysiert; es würde zu weit führen, diese Analyse hier zu wiederholen. » A I st 5070/33 gKdos v. 1. 11. 1933, BA-MA/II M 34/1. »» Vgl. DGFP Bd 2 Nr. 23, S. 39; DBFP 2. ser. Bd 5 Nr. 485, 489; Kuhn, S. 146. M Betr.: Vorsdilag Kanzlers an englisdien Botschafter v. 14. 10. o. D. Hier hieß es: »Erläu- terung (Nur für Marineleitung)«. »Als Ziel des abzuschließenden Abkommens wird nunmehr die Legalisierung unserer tatsächlich beabsichtigen Vorhaben angesehen.« Dann folgten 10 Einzelvorschläge. Am Sdiluß des Dokuments hieß es: »3. Tatsächliches Bauprogramm bis Ende 1936: 2 Panzerschiffe, 2 Kreuzer und jährlich 4 Zerstörer.« Folgen zu bedenken 95. Seine Weisung vom 25. Oktober, im Falle von Sanktionen bewaffneten Widerstand zu leisten ®6, konnte als Gegenstück dazu gelten. Für Raeder gab es ein weiteres Indiz für die Absicht Hitlers, in der Aufrüstungsfrage, besonders aber in der Marinefrage wenigstens im Augenblick noch kurz zu tre- ten: In seinem Schreiben an Mussolini vom 2. November 1933 87 nahm Hitler den von Freyberg ausgearbeiteten Passus gar nicht auf98 und beruhigte die Marineleitung mit dem Hinweis, die Sache sei von Göring, der ja bekanntlich als Hitlers Emissär nach Rom reiste99, »mündlich mitgeteilt worden«. In dem ent- sprechenden Botschafterbericht aus Rom war aber keine Rede davon. Der neue Schiffbauersatzplan sah folglich nur die Weiterentwicklung der schon lange vor 1933 konzipierten Einheiten vor: 1934 sollten das Schiff »D«, 4 Zer- störer, 8 M- und 4 S-Boote gebaut werden, für 1935 war die Kiellegung des 5. Panzerschiffes, im Jahre 1936 der 6. kleine Kreuzer, 4 weitere Zerstörer und 4 R-Boote vorgesehen 10°. Und doch entschloß sich Raeder nun zu einem kühnen politischen Schritt, der die These von der prinzipiellen apolitischen Einstellung des Chefs der Marine- leitung wiederum erschüttert: Am 29. November 1933, d. h. 7 Tage nadi der Unterredung zwischen Phipps und Hitler, empfing Raeder den englischen Ma- rineattaché. »Ich könnte mir vorstellen«, erklärte er, »und ich glaube, daß man auch bei der politischen Leitung ähnlich denkt, daß eine deutsche Flotte von gewisser Stärke, sagen wir etwa, ein Geschwader von großen Schiffen, für die englische Politik von wesentlichem Nutzen sein könnte, denn bei dem quantita- tiven Gleichgewicht, das zwischen den Flotten Englands und der Vereinigten Staaten herrscht, könnte man der Auffassung sein, daß ein solches deutsches Ge- schwader bei gutem Einvernehmen zwischen Deutschland und England ein po- litisches Plus für England bedeutet101.« Es ist dies, soweit wir sehen, die unverblümteste und zugleich eine entlarvende Umschreibung der Raederschen Vorstellung von der deutschen Bündnisfähigkeit. Sie stand in vollem Gegensatz zu den Grundüberzeugungen Hitlers aus den Jahren vor 1933 102. Sie stand aber auch im Gegensatz zu den Äußerungen Hit- lers vom 5. Dezember 1933; denn in einer weiteren Unterredung mit Phipps erklärte der Kanzler auf eine entsprechende Frage des englischen Botschafters, Deutschland wolle bis 1936 nur im Rahmen des Versailler Vertrags bauen, alle weiteren Überlegungen blieben der Zukunft überlassen. Mit keiner Silbe er- wähnte er die Raedersche Idee des bündnisfähigen Schlachtgeschwaders. Raeders Absicht liegt auf der Hand: Mit seinem Vorstoß hoffte er — ähnlich wie in seinem »Ersten Vortrag« — Hitler von seinen besseren Argumenten über-

·« DGFP Bd 2 Nr. 39, S. 61 ff. ·· IMT Bd XXXIV Dok. 140-C, S. 487 ff.; IMT Bd XIV, S. 16. " DGFP Bd 2 Nr. 40, S. 63 ff. •e Das ergab sidi aus einer Rüdefrage v. Freybergs Y. 27. 11. 1933, VGM 300/33 gKdos — BA- MA, MA/Fasz. 5993 Bd 4. ·· Vgl. DGFP Bd 2 Nr. 45, S. 78 f. 100 Neu A la 5561/33 gKdos y. 24. 11. 1933, BA-MA/II M 34/1. 101 Abschrift — Ausführungen des Chefs der Marineleitung beim Besuch des englischen Marine- attachés am 29. November 1933 — PA AA/II FM, Marineangelegenheiten — Es ist zu fragen, ob diese Äußerungen nidit zugleich als erster möglidier Hinweis auf eine eventuelle Konstel- lation zu deuten sind, in der England und Deutschland gegen die USA stehen würden, audi wenn Raeder selbst den »Gedanken einer künftigen bewaffneten Auseinandersetzung mit den USA nur als utopisdi« ansah. Raeder, I, S. 284. 10t Das Dokument wurde aus einem aktuellen Anlaß 1934 vom Auswärtigen Amt angefordert und löste offensichtlich hödistes Erstaunen aus, wie sidi aus den kräftigen Unterstreichungen und den angebrachten Fragezeichen ergibt. — Für die Äußerung Hitlers v. 5. 12. 1933 vgl. DGFP Bd 2 Nr. 99, S. 173 f. zeugen zu können. Das Schicksal der deutschen Marine, soviel war ihm gewiß, hing von England ab; wollte er Hitler überzeugen, so mußte er England zum Eingeständnis bewegen, daß seine Bündnisidee richtig war. Beide, Raeder und Hitler, glaubten zu diesem Zeitpunkt nodi, daß ein deutsch- englisches Bündnis für die gesamteuropäische Entwicklung und für den Wieder- aufstieg Deutschlands zweckmäßig sei und angestrebt werden müsse. Somit wa- ren sich beide im Ziel einig, über den Weg dahin hatten sie sich jedoch noch nicht verständigt.

IV Zu Beginn des Jahres 1934 setzte in der deutschen Marinepolitik eine wesentliche Tempobeschleunigung ein, die in ausgesprochenem Gegensatz zu der bis Okto- ber 1933 verfolgten vorsichtigen Entwicklung stand. Sie wurde durdi den Fort- gang der außenpolitischen Gesamtentwicklung verursacht. Der Abschluß des deutsch-polnischen Nichtangriffspaktes am 26. Januar 1934 »erlaubte... eine Entlastung der Ostfront, sodaß ... in der Kriegsmarine dem Ausbau der Nord- see, den materiellen und personellen Vorbereitungen eine größere Bedeutung geschenkt werden konnte, als in den vorhergegangenen Jahren« 10S. Gleich- zeitig begann die deutsch-italienische Annäherung, die für die Marine eine Unter- stützung in der Flottenkonferenz von 1935 durch Italien in Aussicht stellte104. Für den Entschluß Hitlers, nicht nur die Land- und Luftrüstung nun beschleunigt weiterzutreiben, sondern auch dem Drängen Raeders weiter nachzugeben, wer- den ferner die günstigen Berichte aus England gesprochen haben10S, denn schon am 1. Dezember erklärte der Reichswehrminister — sicherlich mit dem Ein- verständnis Hitlers — im Kabinett, daß es »deshalb notwendig [sei], für alle Fälle sich rein theoretisch zu überlegen, welche Forderungen die einzelnen Res- sorts auf dem Gebiet der Abänderung des Versailler Diktats zu erheben hätten. Für die Reichswehr sei die Situation einfach. Die Reichswehr müsse die Auf- hebung des Teiles V von Versailles verlangen loe.« Wenn man fragt, wieso Hitler jetzt endlich dem Wunsch der Marine zustimmte, das 2. Panzerschiff in den Etat von 1934 einzustellen und die gesamte Bau- planung zu beschleunigen, obwohl dies wenige Wochen zuvor von ihm ent- schieden abgelehnt worden war, so wird zu antworten sein, daß der Gedanke einer Sonderabmachung mit England auf dem Gebiet des Flottenbaus als »Zwi- schenlösung« bis zum Beginn der Konferenz von 1935 jetzt konkrete Formen anzunehmen begann. Wenn Hitler bis zu diesem Augenblick vergeblich einen Ansatzpunkt für ein politisches Übereinkommen mit England gesucht hatte und er dabei von der Überzeugung ausgegangen war, daß eine Voraussetzung dafür der Verzicht auf »Seegeltung« sein müsse, so gelangte er jetzt zu der Ansicht, gerade in der Flottenfrage den gewünschten Hebel zu besitzen, und aus der Voraussetzung wurde somit ein Instrument für das Bündnis: Da man in der Land-, vor allem aber in der Luftrüstungsfrage nicht weiter kam, konnte jetzt die weniger problematische Marinerüstung die Funktion der Gesprächs- und

103 Ausarbeitung: Die militärpolitische und seestrategisdie Lage Deutschlands, BA-MA/II M 34/3. 104 Vgl. Aide-Mémoire confidentiel v. 23.1.1934 — PA AA/II F Abr. 8, Marinekonferenz 1935 Bd 1. Vgl. Salewski, I, S. 7. 105 Mar. Att. London v. 7. 2. 1933 — PA AA/II F Geh. Akten M 16 Mar. An. London Bd 1. Vgl. Kabinettsitzung v. 1. 12. 1933 — BA/R 43 1/1466. 108 Ebd. Verhandlungsbasis übernehmen. Denn eine Begrenzung der deutschen Marine war ja in jedem Falle zu erwarten: Audi die Konferenz von 1935 würde Deutsch- land maximal das zugestehen, was der Washingtoner Vertrag Frankreich und Italien zugestanden hatte, d. h. eine Verhältniszahl von 1,75. Ein anderes Ziel verfolgte aber audi die Marineleitung bis zu diesem Zeitpunkt nicht, entspradi es doch der »Parität mit Frankreich«. Damit aber wäre das deutsch-englische Flotten Verhältnis automatisch 5 : 1,75 gewesen, oder, im Dezimalsystem ausge- drückt: genau 35 °/o. Das aber bedeutet, daß die »Idee« von den 35 °/o weder auf Hitler noch auf Raeder zurückging, sondern in der gesamten deutschen Marinepolitik seit dem Jahre 1922 »angelegt« war 107. Denn immer war es das Ziel der deutschen Marine gewesen, in einem Krieg mit Frankreidi und Polen bestehen zu können. Es spielt daher gar keine Rolle, wenn der 35 %-Vorschlag als »geistiges Eigentum« zuzuschreiben ist; er gehörte zum politisch-strategischen Grundbestand der seit dem Jahre 1922 loe. Wenn er im Jahre 1934 »aktiviert« wurde, so war auch dies nicht notwendigerweise auf einen positiven Entschluß zurückzuführen, sondern ergab sich völlig selbstverständ- lich aus den zu Beginn des Jahres 1934 einsetzenden Vorbereitungen auf die Flottenkonferenz von 1935. In gewisser Weise war damit das »Ei des Kolumbus« gefunden: Eine schon immer latent vorhandene Möglichkeit kam jetzt Hitlers politisdien Bündnisplänen, Raeders Vorstellungen von der deutschen Bündnis- fähigkeit und seiner Forderung nach Parität mit Frankreich, gleichzeitig aber auch Englands stets wachsenden Sorgen hinsichtlich der kommenden Flotten- konferenz zustatten. Es spielte in der Praxis dabei keine Rolle, ob Hitler, Rae- der und die englische Regierung in der politischen Beurteilung übereinstimmten: Es genügte, daß die »35 °/o« allen Beteiligten, wenn auch für höchst verschiedene Zwecke, genehm waren. Die »Zwischenlösung« bestand einfach darin, das wahr- scheinliche Ergebnis der Konferenz mit deutsch-englischem Einverständnis vor- wegzunehmen; sollte sich aus den beiderseitigen Verhandlungen ein politisches Bündnisgespräch entwickeln, war man auf die Gesamtkonferenz vielleicht gar nicht mehr angewiesen, ja, man hatte den Vorteil, sich nur England gegenüber verpflichtet zu haben, allen anderen Konferenzstaaten gegenüber aber freie Hand zu behalten. Freilich war dazu notwendig, mit England noch vor Zusammentritt der Konferenz einig zu werden, d. h. die Zeit drängte mehr als je zuvor. Wenn man sich für die bilateralen Verhandlungen aber eine günstige Ausgangsposition schaffen wollte, so mußte bis dahin so rasch wie möglich so viel wie möglich gebaut werden. Eine Beschleunigung des Flottenbaus war die Folge. Nicht zufällig wurde am 6. Februar 1934, d. h. einen Tag nach dem Entschluß, mit den Vorbereitungen zur Flottenkonferenz zu beginnen, von Raeder die Aufstellung des 2. Schiffbauplanes befohlen loe, nicht zufällig unterstrich zwei Tage darauf Staatssekretär v. Bülow, daß es unbedingt notwendig sei, dafür zu sorgen, an der Seekonferenz »von Anfang an« beteiligt zu werden. Nur wenn es darüber keinen Zweifel gab, war die Basis für das deutsch-englische Gespräch überhaupt gegeben uo.

107 Der erste Hinweis auf »33Vs« findet sidi als Bleistiftnotiz auf einer Besprechungsnieder- sdirift v. 19. 3.1934 — Neu A IVa 1196/34 gKdos v. 13. 4.1934, BA-MA/II M 34/1. 1,8 Je nadidem, wie man argumentierte, kam man auf 35 °/o oder 33V> °/o. Die 35 °/o bezogen sidi auf die Washington-Relation, die 33Va Va auf die direkte »Sondervereinbarung« mit England, in der »ein Drittel« der englisdien Tonnage angestrebt werden sollte. 10» Besprechung im AA v. 5. 2. 1934, Aufzeichnung Frohweins — PA AA/II F Abr., Marine- konferenz Bd 1; A I ν 486/34 gKdos v. 6. 2. 1934, BA-MA/II M 34/1. 110 Aufzeichnung Bülows zu II Abr. 242 — PA AA/II F Abr. 8, Marinekoferenz 1935 Bd 1. Die Marineführung wurde sich sehr schnell über ihren neuen Bauplan, mit dem man nach London gehen wollte, klar. Die deutsche Flotte sollte demnach aus 8 Kampfschiffen, 3 Flugzeugträgern, 18 Kreuzern, 48 Zerstörern, 24 großen, 24 kleinen U-Booten bestehen. Das Deplacement für das 6.—8. Schiff lag noch nicht fest, sollte aber größer sein, als das der Schiffe »D« und »E« m, wobei der »Leitgedanke« darin bestand, den »Kampf gegen >Dunkerque< mit Aussicht auf Erfolg führen zu können« U2. Was darunter zu verstehen war, wird noch zu erörtern sein. Gleichzeitig wurden die ersten Erwägungen für einen neuen 10 000 t- Kreuzer angestellt, der mit 33 kn Geschwindigkeit und einer 12—15 cm und 8—20,3 cm-Bewaffnung eine völlige Neukonstruktion war 11S. Als dritter neuer Typ wurde im Februar 1934 ein Flugzeugträger von etwa 15 000 t mit 33 kn Geschwindigkeit, einer Kreuzerarmierung und 60 Flugzeugen geplant114. Erst mit der Planung dieser drei neuen Typen ging die deutsche Marine endgültig über die ihr seit 1928 gezogenen Bauriditlinien hinaus, doch bleibt festzuhalten, daß sich alle Schiffe nach den vermuteten zukünftigen Abmessungen und Kali- berstärken der Flottenkonferenz von 1935 richteten. Insofern handelte es sich um keinen deutschen »Alleingang«, und die Baupolitik war nach wie vor in den Gesamtrahmen der außen-, abrüstungs- und bündnispolitischen Überlegungen der Staatsführung eingebettet. Dennoch war von nun an vieles anders: Raeder brauchte nicht mehr um sein grundsätzliches Konzept zu fürchten, die deutsche Marine hatte endlich den ihr gebührenden Platz im Rahmen der gesamten Wiederaufrüstung gefunden. Raeder konnte zufrieden sein, vor allem, wenn er die Aufrüstung der Marine mit den Aufrüstungsplänen bei Heer und Luftwaffe verglich. Auch das Heer hatte ja in der ersten Phase der nationalsozialistischen Machterweiterung durch- aus gegen Strömungen anzukämpfen, die es — vorwiegend aus innenpolitischen Gründen — beschränken, ja, ihm in der SA ein »Konkurrenzunternehmen« zur Seite stellen wollten. Hitler hatte zwar grundsätzlich der forcierten Heeres- und Luftrüstung zugestimmtU5, doch die tatsächlichen Absichten waren an- fangs bescheiden: Die Verdreifachung des Heeres ging auf Vorstellungen zu- rück, die schon von Seeckt entwickelt und von allen Reichsregierungen der Weimarer Zeit als Fernziel angesehen worden waren. Daß Deutschland zudem eine Luftwaffe benötigte, gehörte ebenfalls zum Grundbestand des militärischen Denkens in der Weimarer Republik. Zwar hatte es Göring aus vielerlei Grün- den leichter als seine Amtskollegen, Hitler von einer mit hohem Tempo betrie- benen Luftrüstung zu überzeugen, doch dafür wogen die damit verknüpften außenpolitischen Gefahren um so schwerer. Das mühsame Ringen des Chefs der Marineleitung mit Hitler um das Prinzip einer starken deutschen Flotte bil- det daher durchaus keine Ausnahme, sondern paßt sich in das Gesamtbild der

111 Vgl. Vfg. A IV a 1205/34 gKdos ν. 26. 3. 1934, BA-MA/II M 34/1. 111 A I a 547/34 gKdos v. 12. 2. 1934, ebd. Die 26 000 ts Schiffe, hieß es in einem Vortrag der Marineleitung, »sind aus der militärischen Forderung entstanden, möglichst rasdi einen Schiffs- typ zu schaffen, der dem französischen Schiff dieser Klasse gewachsen war, um die Seekrieg- führung in die Lage zu versetzen, das Kräfteverhältnis und die operativen Möglichkeiten, die zu der Zeit vor dem Bau der >Dünkirchen<-Schiffe bestanden, wiederherzustellen«. Vortrag o. D. (1935), BA-MA/II M 34/3. 111 Uber die technischen Einzelheiten müssen — vielleicht anläßlich des Besuches Hitlers auf der »Deutsdiland« am 11. 4. 1934 — Besprechungen zwischen Hitler und Raeder stattgefunden haben, vgl. SK 44/34 gKdos v. 21. 4. 1934, BA-MA/II M 34/1. 114 A I a 547/34 gKdos v. 12. 2. 34, ebd. lls Daran ließ der Tenor des Vortrages am 3. 2. 1933 keinen Zweifel. nationalsozialistischen Aufrüstungspolitik der Jahre 1933 und 1934 ein11β. Nicht allen Offizieren in der Marineleitung war bei dem Gedanken der jetzt forcierten deutschen Marinerüstung wohl; am eindrucksvollsten meldete Admiral v. Freyberg seine grundsätzlichen Bedenken an. Anläßlich der Vorbereitungen auf den neuen Etat (1934) gab er zu bedenken, ob es politisch vertretbar sei, auf der einen Seite die Baumöglichkeiten des MacDonald-Plans in Anspruch zu nehmen, d. h. zum Beispiel die vier Reservezerstörer zu bauen, auf der anderen Seite aber dennoch nicht eins, sondern zwei Panzersdiiffe in den Etat für 1934 zu stellen. Die im Etat ausgewiesenen Summen enttarnten seiner Ansicht nach außerdem die qualitativen Vertragsüberschreitungen, das aber hätte formell Frankreich das Recht zum Antrag auf eine Investigation nach dem Artikel 213 des Versailler Vertrags gegeben117. Es ging dem Admiral dabei gar nicht in erster Linie um die Marinedinge, sondern um »das Ansehen des Kanzlers«; er hatte nicht nur, wie die Masse seiner Kameraden und sein höchster Vorgesetzter in der Marine die Interessen seines Ressorts im Auge, sondern tatsächlich das »Gesamt- wohl«. Aus diesem Grunde wollte v. Freyberg die Entscheidung über die Etats- gebarung 1934 Hitler überlassen 118. Raeder lehnte brüsk ab. Dies sei nicht nötig, »da Belastung durch die Panzer- sdiiffe neben den sonstigen Belastungen durdi Heeres- und Luftrüstungen nicht so wesentlich«119. In einer Sitzung am 16. März 1934 entschied Raeder, die neuen Kampfschiffe so zu planen, daß sie am 1. Oktober 1935 in Bau gehen konnten. »Offen bleibt aber die Frage des Kalibers«, hieß es in einer entsprechenden Nie- derschrift 12°. »Sollten die Konventionen zu einem höheren Kaliber kommen, oder sollten sie überhaupt scheitern, so würde es richtig sein, auf das stärkste Kaliber, das 33 cm überzugehen.« Die gedankliche Ausrichtung der Marineleitung auf das Verhältnis zu England änderte insgesamt jedoch nichts daran, daß die militärischen und operativ-stra- tegischen Vorbereitungen eindeutig und ausschließlich sich auf den Zweifronten- krieg bezogen, d. h. gegen Frankreich und — neuerdings — Rußland, bei wohl- wollender Neutralität Englands. Es haben sich in den Marineakten keinerlei Hinweise darauf gefunden, daß mit der bündnis- und baupolitischen Ausrich- tung auf England Überlegungen hinsichtlich einer möglichen Gegnerschaft zu England parallel gingen.

111 Zur Frage der Aufrüstung von Heer und Luftwaffe vgl. die älteren, nicht überholten Arbei- ten von G. Castellan: Le réarmement clandestin du Reich 1930—1935 vu par le 2e Bureau de l'Etat-major français; Paris 1954 und G. Meinck: Hitler und die deutsche Aufrüstung 1933—1937, Wiesbaden 1959. Demgegenüber ist die jüngste Arbeit von W.Bernhardt: Die deutsche Aufrüstung 1933—1939, Frankfurt/M. 1969 redit unergiebig. Vergleichbare Dar- stellungen zur Aufrüstung der Marine existieren bisher nidit. 117 Vgl. dazu Salewski: Entwaffnung und Militärkontrolle in Deutschland 1919—1927, Mün- chen 1966, S. 268 ff. (zit. Salewski: Entwaffnung). 118 »Nur nebenbei sei bemerkt«, hieß es in einer Aufzeichnung Freybergs, »daß audi für England Dinge, die auf dem Marinegebiet geschehen, schwerer wiegen, als Übersdireitungen bei den Landrüstungen... Bei der Mißgunst, die ein großer Teil der Welt gegen Deutschland hegt«, warnte er, »bei dem Mißtrauen, daß diese Leute gegen die Aufrid i tigkeit und Ehrlidikeit des Reichskanzlers und damit gegen sein Ansehen sdiüren möditen, wird mit äußerster Sorgfalt alles zu vermeiden sein, was nach außen hin im Lauf der Zeit als Beweismaterial für Unauf- richtigkeit dienen könnte. . . Das Ansehen des Kanzlers ist aber heute das Ansehen Deutsch- lands.« u· Leiter VGM v. 2. 3. 1934 u. Anm. Raeders, die sich auf eine Besprechung v. 6. 3. bezogen, BA-MA, MA/Fasz. 5993 Bd 5. Der Haushalt wurde am 26. 3. 1934 — übrigens zum letzten Mal — veröffentlicht. Vgl. dazu die Sprachregelung des Auswärtigen Amtes: DGFP Bd 2 Nr. 378, S. 707 ff. 110 Neu A IV a 1196/34 gKdos ν. 13. 4. 1934, BA-MA/II M 34/1. Ganz im Gegenteil, immer drängender wurden Raeders Versicherungen, daß es »keinesfalls... irgendwie in unserer Absicht liegen [kann], gegen England zu rüsten«. »Eine solche Konstellation ist für uns nicht mehr denkbar.« In einem »Entwurf« für eine Unterhaltung des Chefs der Marineleitung mit dem engli- schen Marineattaché bot Raeder wiederum die Sondervereinbarung an: »Um jede Unsicherheit aus den Überlegungen zwischen England und Deutschland auf dem Gebiete der Seeverteidigung auszuschalten, würde man es als glück- liche Lösung ansehen können, wenn beide Marinen zu einer Regelung kommen könnten, die für Deutschland vielleicht ein Drittel der Stärke der englischen Ma- rine vorsehen würdem.« Zur gleichen Zeit wurden die Vorarbeiten für die 35 %-Lösung mit Hochdruck weitergetrieben 122, dies aber nicht nur, weil die Zeit aus konferenzpolitischen Gründen drängte, sondern weil sich das Verhältnis zu Frankreich seit dem Winter 1933 immer rascher und bedenklicher zu ver- schlechtern schien, der Flottenbau gegen Frankreich daher erhöhte Priorität erhielt, ja eine »Hauptaufgabe« wurde123. Seit Oktober 1933 wurden in der Marineleitung in verstärktem Maße »Überlegungen über die voraussichtliche französische Seekriegführung und über eigene Atlantikkriegführung« 124 an- gestellt; daß Frankreich entschlossen war, der Bedrohung seiner Seewege durch die Sdiiffe der »Deutschland «-Klasse zu begegnen, wurde durch die Nachricht vom 10. März 1934, Frankreich wolle noch in diesem Jahr die 2. »Dunkerque« auf Stapel legen, unterstrichen 125. Die unverhohlen feindselige Note Frank- reichs vom 17. April 1934 12e, Warnungen der Waffenattachés und des deut- schen Botschafters in Paris trugen dazu bei, daß man in der Marineleitung ernst- haft mit einem französischen Einfall zu rechnen begann, dem auf Weisung Hit- lers Widerstand geleistet werden sollte127. Nun war die Vorstellung eines deutsch-französischen Seekriegs für die Marine- führung nichts Neues; seit 1925 waren dafür zwei Operationspläne ausgearbei- tet worden, welche die Verteidigung der Ostsee-Eingänge (Studie II) und den Schutz der eigenen Zufuhr gegen französische Zugriffe (Studie III) zum Inhalt hatten 12e. Beide Pläne gingen davon aus, daß der Kampf nur defensiv geführt werden könne, das französische Zufuhrsystem im Atlantik jedoch nicht zu treffen sei. Die Indienststellung der ersten Panzerschiffe und die Planung der Schiffe 4—8 änderte diese Gegebenheiten. Raeder erteilte im Februar 1934 dem Marinekom- mandoamt den Auftrag, ein »strategisches Erprobungsspiel zur Darstellung einer angriffsweisen Seekriegführung gegen Frankreich« vorzubereiten, »um zu prü- fen, ob überhaupt Möglichkeiten für eine solche Kriegführung bestehen oder sich in absehbarer Zukunft ergeben und welcher Art sie sind« 12e. Dieser Auftrag war die Genesis der »Studie IV«, die sich aus dem Kommandoamtsspiel Ende April 1934 entwickelte 130.

1,1 Entwurf Bürkners v. 21. 4. 1934, BA-MA, MA/Fasz. 5993 Bd 5. Vgl. audi »Überlegungen zur Seemäditekonferenz 1935« Ani. 1 zu A I ν 351/34 gKdos, BA-MA/II M 34/1. »» Vgl. Neu A IV a 2136/34 gKdos ν.... 5. 34, ebd. lie Planstudie Neu A I a 743/34 gKdos ν. 20. 2. 1934, ebd. 114 Ebd. 115 Mar. Att. Paris Nr. 126 v. 10. 3. 1934, BA-MA, MA/Fasz. 5917 Bd 6. "" Vgl. Weltgeschichte der Gegenwart in Dokumenten, Teil 1, Essen, 3. Aufl. 1944, S. 28 ff. 187 Vgl. Äußerungen von Groos, BA-MA/N 165/2, S. 308. 118 Raeder, I, S. 256 f. "· Planstudie Neu A I a 3 Kr/PI. ν. 9. 2. 1934, BA-MA/II M 100/38. "o Vgl. Kommandoamtsspiel 1934, Einleitung, BA-MA/II M 100/41. Wir müssen es uns aus Raumgründen leider versagen, den Verlauf dieses interes- santen Spiels im einzelnen zu schildern; in seiner Schlußbesprechung wies Groos darauf hin, daß die Möglichkeit zu einer zukünftigen offensiven Atlantikkrieg- führung gegen Frankreich erst durch die »geniale Initiative des Führers«, d. h. durch das Abkommen mit Polen, welches »als ausgezeichnetes Beispiel der en- gen Verbundenheit von Politik und Strategie bezeichnet werden kann«, eröff- net worden sei131. Welche Voraussetzungen aber mußten erfüllt sein, um Frankreich auf dem Atlantik entgegentreten zu können? »Die materiellen Vor- aussetzungen für eine Atlantikkriegführung sind zur Zeit noch nicht gegeben«, erklärte Groos, »erst mit dem Heranwachsen einer gewissen Anzahl von Pan- zerschiffen, Flugzeugträgern und hoffentlich auch U-Booten . . . wird eine solche Erweiterung der Seeoperationen möglich sein 132.« Doch selbst in diesem Fall wäre der »Entschluß,... eine Panzerschiffsgruppe ohne Stützpunkte im Atlantik operieren zu lassen, ... ohne Zweifel kühn«. Dennoch sei er zu vertreten, falls die eigenen Schiffe nach Aktionsradius, Standfestigkeit und Armierung den Verhältnissen im Atlantik angemessen wären. Auf die Schiffe A—C würde man »besser verzichten« 1S8. Daraus aber ergab sich eine schwerwiegende Folgerung: Wenn die Schiffe »D« und »E« bisher als »Anti->Dunkerques< « konzipiert waren — und das waren sie, seitdem man um den Bau der »Dunkerque« wußte — so waren sie dies bisher nur unter der Voraussetzung einer Operationsführung im Sinne der Studie III, d. h. defensiv in der Nordsee und den europäischen Küsten- gewässern. Wenn der Kampf offensiv in die Weite des Atlantiks verlegt werden sollte, mußten vor allem Standfestigkeit und Panzerung wesentlich verbessert werden, um den Nachteil der ungünstigen geographischen Position wettzuma- chen, d. h. auch dann nodi der »Dunkerque« entgegentreten zu können, wenn diese aus einer viel günstigeren Position zum Atlantikeinsatz gebracht wurde134. Der weitere Weg der Panzerschiffsplanung schien damit vorgezeich- net: die Schiffe »D« und »E« mußten »atlantikfähig« gemacht, d. h. ihr De- placement wesentlich gesteigert werden, um die Defensivwaffen besser unter- bringen zu können, die weiteren Schiffe aber mußten den Kampf mit der »Dun- kerque« offensiv und siegreich führen können, sie mußten also größer und stärker als »D« und »E« sein und mindestens mit 33 cm-Geschützen bewaffnet werden. Diese Ergebnisse des Spiels blieben nicht bloße Theorie, sondern sollten bald in die Wirklichkeit umgesetzt werden. So selbständig Raeder bisher auch zu entscheiden pflegte: die Frage einer we- sentlichen Qualitätsverbesserung bei den eigenen schweren Schiffen mußte er Hitler unterbreiten. Schon die Veröffentlichung des Haushalts hatte, ganz wie v. Freyberg befürchtete, die ausländischen Attachés aufmerken lassen und die Marineleitung zu präzisen Sprachregelungen gezwungen 1S5, in denen sie mehr schlecht als recht die offensichtlichen Vertragsüberschreitungen zu bagatelli- sieren suchte13e. Es ist wahrscheinlich, daß Raeder anläßlich seines Zusammen-

131 Planstudie A la 1740/34 Kr/PI. Sdilußbesprediung, BA-MA7II M 100/43. 1,8 Ebd. ,M So Guse, der Parteiführer »Gelb« in Planstudie Nr. 28 v. 30. 4. 1934, BA-MA/II M 100/40. — Das Urteil ist bemerkenswert, weil Guse als Nadifolger von Groos wenig später selbst als Chef des Kommandoamtes an der Spitze der maßgeblichen Behörde stehen sollte. 1.4 »Folgerungen für den Aufbau unserer Flotte . . . Panzerschiff, das >Dunkerque< an Bewaff- nung, Standfestigkeit, Geschwindigkeit gleich ist, mit Aktionsradius etwa wie Deutsdiland.« 1.5 Vorlage M I 127/34 gKdos v. 18. 4. 1934, BA-MA, MA/Fasz. 5993 Bd 5. ist Vgl. Entwurf für eine Unterredung des Chefs der Marineleitung mit dem englischen Marine- attaché; Vorlage M I 142/34 gKdos v. 2. 5.1934; Verfügung SK 46/34 gKdos v. 4. 5.1934, BA-MA, MA/Fasz. 5993 Bd 5. treffens mit Hitler auf der »Deutschland« am 11. April 1934 mit dem »Führer« über diese Probleme gesprochen hat137. Entscheidungen sind jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht gefallen. Inzwischen beschäftigte sich die Marineleitung intensiv mit der neuen Bauplanung weiter, wobei auf der einen Seite die 3373%- Richtlinie, auf der anderen die neuen militärisdien Bedürfnisse eines offensiven Atlantikkrieges gegen Frankreich zu berücksichtigen waren. Und dabei muß es bei Raeder zu einer großen Enttäuschung gekommen sein: So verlockend die Aussicht, 35 % der englischen Tonnage zu erhalten, anfangs audi sdii en — je mehr sich Kommandoamt und Konstruktionsabteilung damit beschäftigten, de- sto schwerere Bedenken kamen ihnen. Am 16. Juni 1934 konnte Raeder sie be- stätigt finden: Admiral Groos legte ihm »Überlegungen zur Seemäditekonfe- renz« vor, »die nach der Weisung von Herrn Admiral auf Grund der Schlüssel- zahl 50 % bzw. 33 Vs % der englischen Tonnage aufgestellt« warenlse. Es ist nidit bekannt, wann Raeder sidi dazu entschlossen hat, nidit nur die 33 V3%, son- dern audi eine 50 %-Lösung durchrechnen zu lassen; der Entschluß beweist je- doch, daß ihm sdion frühzeitig grundsätzliche Bedenken gekommen sein müs- sen. Aus der nun vorliegenden Aufstellung ging hervor, daß Deutschland bei 33 Vs% zwar das 6.—8. Schiff mit 36333 t bauen konnte, damit aber die gesamte zur Verfügung stehende Tonnage verbraucht wäre. Jeder weitere Bau, ja, auch jeder Ersatzbau hätte nur 21 875 t groß sein können, was »unzureichend« war, da mit einer Herabsetzung der Einzeltonnage unter 35 000 t ernsthaft nidit zu rechnen war139. Aus den Kriegsspielerfahrungen aber ergab sich, daß die drei 10 000 t-Sdiiffe nicht als »vollwertig« gelten konnten140! Daraus folgten schwerwiegende Konsequenzen für die gesamte deutsche Marinepolitik. Zunächst war es logisch, gedanklich über die möglichen Vertragsbindungen hin- auszugehen, um »rein militärisch« den eigentlichen Bedarf festzustellen. Groos kam auf eine Tonnage von 8 χ 35 000 t, d. h. 280 000 t. Das waren 53% der eng- lischen Sdiladitsdiifftonnage. War es unter diesen Umständen überhaupt nodi wünschenswert, mit England eine 35 %-Sondervereinbarung zu treffen? War es nicht besser, alles auf die Vorbereitungen der Flottenkonferenz zu konzen- trieren, um hier von Anfang an ein wichtiges Wort mitsprechen zu können und die Vertragsstaaten auf die deutschen Forderungen einzustimmen? Hatte nidit zur gleichen Zeit der deutsche Marineattadié in London, Kapitän zur See Waßner, in einem großen Bericht vor einer feindlicher gestimmten englischen Politik gewarnt141? Raeder bereitete das Terrain für einen neuen Vorstoß bei Hitler vor: er ließ dem Auswärtigen Amt eine Ausarbeitung Freybergs zukom- men, in der mit großem Nachdruck der Wunsch unterstrichen wurde, möglichst

1,7 Demgegenüber steht fest, daß Raeder Hitler bei dieser Gelegenheit über die geplante Grün- dung des »Reichsbundes deutscher Seegeltung« und die Person des Vorsitzenden, des Admirals v. Trotha, gesprochen hat und Hitlers Einverständnis erhielt. Vgl. Chef der Marineleitung v. 18. 4. 1934 (RK 3650/34)-BA/43 11/826; vgl. audi Absolon, I, S. 51. Ein weiterer Hinweis darauf ist einem Aktenvermerk Freybergs v. 21. 4. 1934 zu entnehmen — SK 44/34 gKdos, BA-MA/II M 34/1. — Aus einer Randnotiz Stanges v. 20. 7. 1934 geht hervor, daß »Anfang Juni« eine weitere Besprechung zwischen Raeder und Hitler stattgefunden hat, in der Hitler entschieden habe, »daß für die Marine zunädist nodi die Fiktion der Gültigkeit des V. V. auf- recht erhalten werden soll. — Vermerk zu A I d 24/2/34 gKdos v. 18. 7. 1934, BA-MA, MA/Fasz. 5993 Bd 5. ιω A IV a 2321/34 gKdos v. 16. 6. 1934, BA-MA/II M 34/1. "» Schiffbauersatzplan Neu A IV a 2136/34 gKdos, ebd. Vgl. Überlegungen zur Seemächtekonferenz 1935, Ani. zu A I ν 351/34 gKdos, BA-MA/II M 34/1: »Wir werden hinsiditlidi der Schlachtschiffe nadi der Konferenz eine Anzahl neuerer Schiffe von anderem und zwar sdiwädierem als dem Standardtyp besitzen. Diese Nidit- standardsdiiffstonnage darf uns nidit voll angeredinet werden.« "> Mar. Att. London Nr. 358 v. 17. 6. 1934, BA-MA, MA/PG 31272. bald auch zu den Vorbesprechungen der Seemächte hinzugezogen zu wer- den 142. Ganz im Gegensatz hierzu vermerkte Frohwein, daß das Bemühen um Hinzuziehung zu der Konferenz schädlich sein würde, »solange in den Verhand- lungen über die Land- und Luftrüstung die deutsche Gleichberechtigung nicht verwirklicht« sei143. Die Divergenzen werden deutlich: Hitler hatte nach wie vor ein großes Interesse am Gespräch mit England, wollte die Marineprobleme als Hebel für seine wei- terzielenden Pläne benutzen und ftoffte, damit auch dem Land- und Luftrü- stungsproblem näher zu kommen. Raeder sah nur, daß die Sonderabmachung jetzt doch wieder zu einer Fessel werden konnte und hoffte, im Rahmen der internationalen Konferenz mehr erreichen zu können. Raeder spürte genau, daß sidi an diesem Punkt wieder die Diskussion um die grundsätzliche kontinentale oder maritime Zukunft des Reiches zu entzünden begann, und genau hierauf war sein Vortrag bei Hitler am 22. Juni 1934 abgestimmt: War doch die Aufzeich- nung für das Auswärtige Amt nichts anderes, als der Sprechzettel des Marine- diefs für seinen Vortrag bei Hitler am 22. Juni144 ! Erst wenn man berücksich- tigt, wem dieses Dokument vorgetragen wurde, wird die wahre Bedeutung des Schlußsatzes klar: »Denn die Skala der Weltgeltung der Nationen ist identisch mit der Skala ihrer Seemacht.« Es ging Raeder darum, Hitler von der Notwen- digkeit einer Flotte zu überzeugen, die innerhalb kürzester Zeit weit über die bisherigen Vorstellungen hinauswuchs und damit nicht zu einer Brücke, sondern zu einer Gefahr für das deutsch-englisdie Verhältnis zu werden drohte. Der Hin- weis auf die »Weltgeltung« war dabei eindeutig auf Hitler zugeschnitten und trug politischen Propagandadiarakter. Über das Ergebnis der Besprechung zwischen Hitler, Raeder, Blomberg und Neurath am 22. Juni 1934 sind wir durch die Notiz Neuraths unterrichtet, in der es heißt: »1) Die Teilnahme an der Vorkonferenz kommt nicht in Frage. 2) Für die Vollkonferenz soll abgewartet werden, ob uns eine Einladung zugeht. In diesem Falle würden wir uns beteiligen, ohne jedodi eine besondere Aktivität zu entwickeln. Geht uns keine Einladung zu, so sollen wir uns nicht besonders darum bemühen145.« In den Akten der Marineleitung hat sich jedodi eine weitere Aufzeichnung von Kapitän zur See Densdi, dem Stabschef Raeders, ge- funden, die das Zustandekommen dieser Notiz erhellt, zugleich aber beweist, daß Neurath dem Auswärtigen Amt keineswegs über den vollen Inhalt der Be- sprechung Mitteilung gemacht hat14e. Denn hier heißt es, daß im Falle einer Nichteinladung »Deutschland sich dann völlig frei von allen Bindungen fühle und daraus die Konsequenzen ziehen werde«. Hitler stimmte dieser Formulie- rung ausdrücklich zu und war auch mit Neuraths Vorschlag einverstanden, »die Sonderverhandlungen mit England über Quantität (3373—50 °/o) erst ein- zuleiten, wenn die Vorbesprechungen weiter gediehen« sein würden. Sehr merk-

142 Ani. zu SK 60/34 geh. — PA AA/II F Abr. 8, Marinekonferenz 1935 Bd 1. — Auch v. Bülow unterstrich diesen Wunsch. Die deutsche Presse solle sidi bei der Behandlung der Frage »Ma- rinekonferenz 35« Zurückhaltung auferlegen. »Vor allem darf die Presse niât durchblicken lassen, wir wollten möglichst bald zu den Verhandlungen zugezogen werden.« — Marginal zu e.o. II F Abr. 1711 v. 21. 6. 1934, ebd. 149 Aufzeichnung zu II Abr. 1724 v. 21. 6.1934, ebd. 144 Das ergibt sidi aus Aufzeichnung zu M 202/34 gKdos. Vortrag beim Kanzler am 22. 6.1934. Hier heißt es: »Marinedief vortrug den Inhalt nachstehender Aufzeichnung« — Diese Auf- zeichnung ist identisch mit dem dem Auswärtigen Amt übersandten Papier »Deutschlands Teilnahme an der Marinekonferenz 1935«. In den Akten MA trägt das Dokument die B. Nr. SK 55/34 gKdos. 145 Aufzeichnung v. 23. 6. 1934, R. M. 702 — PA AA/II F Abr. 8, Marinekonferenz 1935 Bd 1. 14i Vortrag beim Kanzler am 22. 6. 1934 zu M 202/34 gKdos, BA-MA, MA/PG 36794. würdig ist die abschließende Äußerung Hitlers, er halte »es nach neueren Infor- mationen für möglich, daß Seekonferenz auf 1940 vertagt würde. Dann müßten wir mit England die Abmachung betr. der Quantität treffen.« Es ist zu fragen, ob es Raeders Vortrag, sein Einfluß gewesen ist, der Außenmi- nister und Kanzler bewogen hat, jetzt, ganz wie es Raeder wünschte, mit den deutsdi-englisdien Sonderverhandlungen noch zu warten. Hitlers Andeutung über die Vertagung der Konferenz wird durch keine anderen Quellen belegt. Sidier scheint, daß Raeder sehr stark für eine 50 %-Flotte eingetreten ist, und daß die politische Führung geneigt schien, die sich hier möglicherweise ab- zeichnenden Chancen abzuwarten. Neuraths Notiz zeigt jedoch auch, daß Raeder keinen vollen Erfolg buchen konnte. Man wird sich klarmachen müssen, daß er im Beisein des Außen- und des Wehrministers sein maritimes Konzept nicht so entwickeln konnte, wie ihm dies als notwendig erschien, zumal die Ressompannungen hinsichtlich der Rü- stungsmittel keineswegs behoben waren. Er mußte eine Gelegenheit abwarten, um Hitler unter vier Augen seine Pläne und Erwägungen vortragen zu können. Diese Gelegenheit ergab sidi am 27. Juni 1934, als sich der Kommandant des kleinen Kreuzers »Karlsruhe«, Kapitän zur See Lütjens, bei Hitler und Raeder von seiner Auslandsausbildungsreise zurückmeldete. Der Inhalt des Gespräches zwischen Hitler und Raeder ist uns aus zwei Doku- menten bekannt (Dok. 5 und Dok. 6), deren Interpretation seit dem Nürnberger Prozeß147 in der Literatur umstritten ist148. Wir müssen es uns versagen, eine detaillierte Untersuchung dieser Quellen vorzulegen, wir haben uns auf den zentralen Punkt zu konzentrieren, aus dem geschlossen worden ist, daß die deutsche Marine schon zu diesem Zeitpunkt, d.h. im Juni 1934, ihre Planung auf einen zukünftigen Krieg mit England ausgerichtet habe. Wie ist der quellen- kritische Befund? Unter Punkt 8 des Dokuments 5 ist ausgeführt: »Entwicklung Fl. später ev. ge- gen E.« Darunter finden sich die Notizen: »Typen ta [? — oder: fr?] — Tra- dition hodihalten.« Eine Zeile tiefer: »Ich: von 1936 an gr[oße] Schiffe mit 35 cm.« Daneben, offensichtlich später hinzugefügt und daher wohl als Antwort Hitlers zu deuten: »Wenn Geld ja«. Darunter: »Bündnis 1899 Lage 1914«. Im gleichen Aktenband — der Sammlung Raeder 3 — befindet sich auch das Dokument 6. Es trägt die Überschrift: »Gespräch mit dem Führer im Juni 1934 b[ei] Abmeldung [sie] des Kommandanten der Karlsruhe.« Hier heißt es unter Punkt 2: »ObdM spricht Ansicht aus, daß die Flotte später doch gegen England entwickelt werden müsse, daß daher von 1936 an die großen Schiffe mit 35 cm-Geschützen armiert werden müßten (wie King-George-Klasse).« Dokument 5 trägt das — augenscheinlich nachträglich beigefügte — Datum »18. 6. 34«. Dokument 6 ist nicht datiert (»im Juni 1934«). Es steht fest, daß am 18. Juni 1934 keine »y4^meldung« des Kommandanten der »Karlsruhe« stattge- funden hat. In einer Aufzeichnung von Densch vom 5. Juli 1934 heißt es nämlich: »Nachdem der Reichskanzler dem Chef der Marineleitung gelegentlich der

147 Vgl. IMT Bd XIV, S. 18 f. IM Vgl. H. Steigleder, E. Hensel: Gedanken zum Einsatz schwerer deutscher Kriegsmarineein- heiten im Zweiten Weltkrieg. In: Zeitschrift für Militärgeschidite, Jg 4, 1965, S. 659; Ε. M. Robertson: Hitlers Pre-War Policy and Military Plans 1933—1939, London 1963, S. 51; Salewski, I, S. 14; G. L. Weinberg: The Foreign Policy of Hitlers Germany: Diplomatie Revo- 140 lution in Europe, 1933—1936, Chikago 1970, S. 176 f. Äwc&meldung des Kommandanten >Karlsruhe< am 27. VI. 34« erklärte usw.14'. Also findet sich sowohl auf dem Dokument 5 als auch auf dem Dokument 6 die falsche Angabe, es habe sich um die /l&meldung des Kommandanten gehandelt. Es ist nicht anzunehmen, daß Raeder An- und Abmeldung verwechselt hat. Es sei denn, er habe diese Aufzeichnung (Dok. 6) wesentlich später aus dem Ge- dächtnis angefertigt. Gerade dafür aber gibt es zwei Indizien: erst nach dem 16. März 1935 führte Raeder den Titel »Ob.d.M.«. Erst 1936 stellte England die »King George V.« in seinen Etat ein; erst 1937 wurden die anderen Schiffe be- willigt, so daß man erst seit 1937 von einer »King-George-Klasse« sprechen kann 150. Welche Veranlassung kann Raeder gehabt haben, sein Gespräch mit Hitler Jahre später in einer Notiz festzuhalten? Die Veranlassung dürfte in einem von außen an Raeder herangetragenen Wunsch zu sehen sein. Nun wissen wir, daß die Kriegswissenschaftliche Abteilung im Oberkommando der Kriegsmarine im Jah- re 1943/44 den ehemaligen ObdM hinsichtlich bestimmter Vorgänge — wie ζ. B. die Vorgeschichte des Rußlandkrieges 151 — befragt hat. In der »Sammlung Rae- der 17« findet sich eine Aufzeichnung des Ib der 1. Ski., des Kapitäns zur See Pfeiffer aus dem Jahre 1944 über die »Schlachtschiffrage« 152. Hierin heißt es: »Mit auf politischer Ebene lag auch Entschluß über zu bauende Schiff typen; bis Herbst 1938 stand hierfür als voraussichtlicher Gegner nicht England son- dern Frankreich oder Rußland bzw. Kombination beider zur Debatte. Hieraus folgernd Bau >ScharnhorstGneisenau< und Planung >BismarckTirpitz<.« Rae- der bemerkte dazu am Rand: »Scharnhorst] u[nd] G[neisenau] ja, zumal sie sich heimlidi aus 2 Panzerschiffen umbauen ließen. Bismarck u[nd] Tirpitz wa- ren auch schon gegen England gebaut (England 35 cm — Kaliber).« Diese Bemerkung entspricht dem Sinn nach ganz der Aufzeichnung in Dok. 6. Die Vermutung ist daher nicht ganz von der Hand zu weisen, daß auch Dok. 6 aus dem Jahre 1944 summt und auf Grund von Anfragen der Kriegswissen- schaftlichen Abteilung erfolgte153. Offensichtlich ist Dok. 6 nur die stark ver- kürzende, auf das wesentliche beschränkte, aber verständlichere Paraphrasie- rung des Dok. 5 — oder will zumindest als solche erscheinen. Bei Dok. 5 handelt es sich, ähnlich wie bei Dok. 4 (»Erster Vortrag«) um Notizen Raeders für sei- nen Vortrag bei Hitler; wie in jenem, so ist auch in diesem Dokument nicht zweifelsfrei ersichtlich, welche Bemerkungen dem ursprünglichen Konzept zuzu- rechnen, welche Notizen später, evtl. erst nach dem Gespräch mit Hitler, hinzu- gefügt worden sind, welche Notizen schließlich Äußerungen Hitlers widerspie- geln. Es besteht kein Zweifel daran, daß das Dokument authentisch, d. h.

"· Chef Marineleitung 230/34 gKdos v. 5. 7. 1934, BA-MA, MA/Fasz. 5993 Bd 5. Vgl. auch die Notiz von Groos unter dem 30. 6. 1934, BA-MA/N 165/1. Ein weiterer Hinweis in Auf- zeichnung e. o. III 1656/34 v. 27. 6. 1934. »Herr von Trotha betonte, daß sidi der Reid)s- kanzler heute (offenbar in einer Besprechung mit dem Chef der Marineleitung, der mit dem Kommandanten der >Karlsruhe< bei ihm war) in diesem Sinne ausgesprochen habe.« — PA AA/Abtlg. III Pol. 14, Marineangelegenheiten. ""> Vgl. Weyer 1937; Nauticus 1938. 141 Vgl. dazu Salewski, I, S. 355 f. 15! »Schladitschifffrage«, Ausarbeitung von Ib 1/Skl. Pfeiffer hat über dem Dokument den hand- sdiriftlikhen Vermerk angebracht: »Die Randbemerkungen stammen von Großadmiral Raeder.« BA-MA, MA/Sammlung Raeder 17. ™» Auf Dok. 5 u. Dok. 6 befindet sich der Vermerk: »Guse hat«. Das könnte darauf hindeuten, daß Raeder Guse Abschriften dieser Notizen übergeben hat. Da Guse aber Ende 1938 aus der Ski. ausschied, müßte Dok. 6 zwischen 1937 und 1938 entstanden sein. Es ist aber auch denkbar, daß Raeder mit »Guse hat« darauf hinweisen wollte, daß sich entsprechende Auf- zeichnungen in den amtlichen Handakten des Amtschef A befunden haben oder ndch befinden. tatsächlich unmittelbar auf den Vortrag vom 27. Juni bezogen ist154. Die Be- merkung »Gespräch mit d. Führer bei Abmeldung des Kmdt. >Karlsruhe<« hin- gegen stammt aus anderer Feder. Sie wird in Dok. 6 wörtlidi wiederholt, obwohl sie sachlich unzutreffend ist: Es scheint demnach, als habe Raeder sie abge- schrieben, und zwar von Dok. 5. Dieses muß ihm bei seiner Niederschrift (Dok. 6) vorgelegen haben. Es lag ihm vor, weil ein Sachbearbeiter die Notizen Rae- ders in Dok. 5 nicht deuten konnte. Es lag nahe, Raeder um eine Erläuterung zu bitten: und so entstand Dok. 6. Falls diese quellenkritische Untersuchung richtig ist, ergeben sich daraus schwer- wiegende Konsequenzen für die inhaltliche Interpretation der beiden Dokumente. Wie Raeder das Dok. 5 gedeutet wissen wollte, ist klar: Die beiden zentralen Punkte waren die Mitteilung des Chefs der Marineleitung über die geplante Deplacementserhöhung von »D« und »E«, welche sich aus den Kriegsspieler- fahrungen ergeben hatte, und Hitlers Weisung, darüber nichts verlauten zu las- sen sowie — offenbar als Reaktion Raeders darauf — die Bemerkung, daß die großen Schiffe aber mit 35 cm-Geschützen armiert werden müßten. Von der Begründung hierzu findet sich in Dok. 5 aber nichts. Mußte eine Kalibererhö- hung überhaupt mit englischen Vorbildern begründet werden? Am 27. Juni 1934 konnte Raeder unmöglich wissen, ob, und falls ja, mit welchem Kaliber Eng- land von 1937 an seine Schlachtschiffe bauen würde. Raeders entsprechende Behauptung in Nürnberg ist unzutreffend. Gerade in der uns interessierenden Zeit propagierte England immer noch das 28 cm-Schiff. Wenn eigene 35 cm- Schiffe gebaut werden sollten, so gab es dafür aber eine viel näher liegende Be- gründung: Meldete doch der Marineattache in Paris gerade am 27. Juni 1934 1SS, daß Italien 2 Großkampfschiffe mit 35 000 t und 35 cm-Kaliber bauen wolle und waren doch schon seit dem Frühjahr Gerüchte im Umlauf, daß Frankreich als »Antwort« hierauf ebenfalls 2 35 000 t-Großkampfschiffe zu bauen be- absichtigelse. Raeder hatte es nicht nötig, Hitler die Zustimmung zum Bau von 35 cm-Schiffen mit dem Hinweis auf eine spätere Entwicklung der Flotte gegen England zu begründen. Man könnte daher vermuten — und Dok. 5 spricht nicht dagegen — daß der ominöse Satz »Entwicklung Fl. später ev. gegen E.« eher aus dem Munde Hitlers stammte. Raeder hat in Nürnberg das Dok. 6 mit dem plausiblen Hinweis gedeutet, die Bemerkung über England habe nichts mit der Planung eines Krieges gegen Eng- land zu tun gehabt, sondern habe sich lediglich auf die Notwendigkeit bezogen, sich England rüstungsmäßig anzugleichen, d. h. sich »nach« England zu richten. Das war in der Tat der Fall. Wir sprachen schon davon, daß die baupolitisdie Ausrichtung der deutschen Marine keinesfalls mit einer militärisch-strategischen

194 Darauf deuten audi die Bearbeitungsvermerke der 3. Hand hin, so bei »Flotte kann abgebla- sen werden, eri.* und »Adjutant eri.« M Mar. Att. Paris Nr. 237 v. 27. 6. 1934, BA-MA, MA/PG 31272. 188 »Mit Bestimmtheit redinen wir damit, die Schiffe F und G ... zu bauen als Antwort auf die beiden 35 000 ts-Sdiiffe, die Frankreich als Antwort auf die zwei 35 000 ts-Sdiiffe der Italiener plant« — Auszüge aus einem Vortrag, BA-MA/II M 34/4. Parallel dazu vgl. auch Groos: Eine Kalibererhöhung hätte eine wesentlidie Verzögerung der Fertigstellungstermine von D und E bedeutet. »Das konnte bei der dauernd gespannten außenpolitischen Lage ver- hängnisvoll werden. Es sdiien uns daher nach eingehender Prüfung dieser Frage wesentlidi besser, diese beiden Sdiiffe nach dem ursprünglichen Plan fertigzustellen, gleichzeitig aber zwei neue und nunmehr ganz vollwertige Großkampfsdiiffe, ähnlich der inzwischen in Frank- reich in Bau befindlichen >Dunkerque< mit einem sdiweren Gesdiützkaliber von mindestens 35 cm auf Stapel zu legen, die nach unserer Berechnung etwa zu Beginn des Jahres 1939 fertig sein konnten.« BA-MA/N 165/2, S. 309. Vgl. audi Vfg. M 251/34 gKdos v. 23. 7. 1934, BA-MA, MA/Fasz. 5993 Bd 5. Ausrichtung gegen England verwechselt werden dürfe157. Wenn also Raeder — um die andere Hypothese aufzugreifen — Hitler tatsächlich am 27. Juni 1934 von einer späteren Entwicklung gegen England gesprochen hat, so würde dies lückenlos in die Überlegungen seit dem 16. Juni 1934 passen, d.h. in die be- reits erwähnten Erwägungen von Groos und Raeder, eventuell dodi über die 35 % hinauszugehen. Wenn Frankreich aber jetzt zwei Großkampf schiffe plante, so schien das Endziel, die »Parität mit Frankreich« auch dann gefährdet, wenn man die 35 % erhielt; war England aber zu einer Erhöhung der Prozentzahl nidit zu bewegen, so mußte man »die Flotte später doch gegen England« ent- wickeln. Die Behauptung Raeders in Dok. 6 ist tatsächlich »harmlos«; subjektiv aller- dings scheint der ObdM bei der Abfassung dieses Textes eine andere Deutung im Auge gehabt zu haben — nämlich die, die sich aus seinen Randbemerkungen zu der Pfeifferschen Aufzeichnung ergibt. Warum aber suchte Raeder später — wahrscheinlich also 1944 — den Eindruck zu erwecken, er habe schon 1934 mit einem Krieg gegen England nicht nur gerechnet, sondern ihn audi vorberei- tet? 158 Die Beantwortung wird von der militärischen und persönlidien Situa- tion des Admiralinspekteurs im Jahre 1944 auszugehen haben. Es ist bekannt, daß Hitler in Gesprächen mit Dönitz 1945 Raeder und der Ma- rine vorwarf, sich nidit rechtzeitig auf den Krieg gegen England vorbereitet zu haben. Dem hat Dönitz mit dem Hinweis widersprochen, er habe damit schon zu einer Zeit gerechnet, als in der Marineführung noch kein Gedanke daran verwendet wurde, seine Forderung auf eine rasche Verstärkung des U-Bootbaus jedoch nicht durchsetzen können. Raeder hingegen habe den Bau schwerer Schiffe vertreten, der sich nun in den Augen Hitlers als völlig nutzlos herausgestellt hatte. Raeder kam es darauf an, seine »Unschuld« an dieser Ent- wicklung nachzuweisen: deswegen betonte er in seinen Randbemerkungen zu der Pfeifferschen Aufzeichnung: »Führer selbst entschied für Aufbau Seemacht und Bau von Schlachtschiffen«, deswegen notierte er: »Er [Hitler] vertrat das Großkampfschiff mit mehr Nachdruck (nach Stärke und Zahl) als ObdM selbst«, deswegen versah er die Notiz des Ib: »Damaliger BdU neigte letzterer Auffassung zu« — d. h. nur Kreuzer- und Tonnagekrieg zu führen — mit der

117 Vgl. dazu «Entwurf für eine Unterhaltung des Chefs der Manneleitung mit dem englisdien Marineattaché« ν. 21. 4. 1934. Hier heißt es: »Keinesfalls kann es irgendwie in unserer Absicht liegen, gegen England zu rüsten, wie man von interessierter Seite glauben madien möchte. Eine solche Konstellation ist für uns nidit mehr denkbar.« Dazu vermerkt der Referent bei VGM, Kapitänleutnant Stange, am Rand: »England jemals anzugreifen, darum beschränken wir uns auf einen Bruditeil (1:3) der englisdien Stärke.« Zu der Bemerkung des Entwurfs, man werde es »als glückliche Lösung ansehen können«, wenn »Deutschland viel- leicht ein Drittel der Stärke der englisdien Marine« erhalten würde, notiert Stange am Rand: »Beziehung unserer Flotttenstärke auf englisdie 1:3 ein Widersprudi mit der Behauptung, daß wir niât gegen England rüsten.« BA-MA, MA/Fasz. 5993 Bd 5. D.h.: Es sollte klar- gestellt werden, daß die Bezugnahme der deutsdien Rüstung auf England nidit etwa als sozu- sagen relativiertes Wettrüsten verstanden, sondern umgekehrt als Beweis für die friedlichen, kooperationswilligen, Englands Marinepolitik respektierenden Bauabsiditen Deutschlands gewertet werden sollten. 158 Sehr merkwürdig ist in Dok. 5 in dem Satz: »Entwiddung Fl. später ev. gegen E.« das »E«. Wenn man es mit dem Raedersdien »E« und dem Raedersdien »F« ζ. B. in dem Wort »Frank- reich« in Dok. 4 vergleicht, ist sogar die Vermutung nicht völlig von der Hand zu weisen, daß es sidi hier um eine nachträgliche Verbesserung aus »F« nach »E« gehandelt hat. Damit würde der Satz lauten: »Entwiddung Fl. später ev. gegen Frankreich]«. Freilidi reicht das paläographisdie Material nicht aus, um diesen Sdiluß zwingend zu ziehen. Es ist zu fragen, ob eine chemische Tintenanalyse weitere Aufsdilüsse ergeben könnte. Bemerkung: »Er hat es mir aber nicht gesagt159.« Raeder fühlte sich von Hitler und Dönitz in die Enge getrieben und betonte demgegenüber bei jeder sidi bie- tenden Gelegenheit, daß er an dieser negativen Kriegsentwicklung unschuldig sei. Daß Raeder sich nach Kriegsende damit sozusagen in seinen eigenen Netzen fing, gehört zu der von Hegel beschriebenen »List der Vernunft«. Nadidem Raeder am 27. Juni 1934 Hitler seine Pläne hinsichtlich der Schiffe »D« und »E« vorgetragen hatte, genehmigte Hitler die Aufstellung eines drit- ten 28 cm-Turms für »Scharnhorst« und »Gneisenau«. Eine Kalibererhöhung lehnte Hitler jedoch aus politischen Rücksichten noch ab. Mit den Plänen der Marineleitung zur Führung eines offensiven Atlantikkrieges gegen Frankreich war der »Führer« einverstanden, die schweren Kreuzer wurden genehmigt, das 35 cm-Kaliber für die Zukunft in Aussicht gestellt. Wenn der Chef der Marine- leitung aber gehofft haben mochte, Hitler ganz von der 35 %-Lösung abzubrin- gen, so täuschte er sich: Gerade das Festhalten Hitlers an den 28 cm zeigte ihm, daß der »Führer« nach wie vor in dem geplanten deutsch-englischen Flotten- vertrag den Hebel für das politische Bündnis zu besitzen hoffte. Drei Tage nach diesem Gespräch aber verdüsterte sich der europäische Himmel rapide, und alles, was Marineleitung und politische Führung bisher so sorgsam vorbereitet hatten, schien mit einem Schlage wieder in Frage gestellt.

V Das wahre Gesicht des Nationalsozialismus enthüllte sich für das Ausland erst- mals nach dem 30. Juni 1934 und nachdem der Putschversuch in Österreich die beispiellose Skrupellosigkeit der Hitlersdien Bewegung demonstriert hatte. Mit einem Schlage erschienen alle bisherigen Versicherungen des deutschen Kanzlers fragwürdig, wenn nicht unglaubhaft. Botschafter und Attachés überhäuften in den kommenden Wochen und Monaten ihre vorgesetzten Dienststellen mit Warnberichten; die deutsche Aufrüstung gewann damit schlagartig an politi- scher Bedeutung. Die Kollegen »vergleichen unsere jetzige Aufrüstung mit un- serem Schlachtschiffbau vor dem Kriege«, hieß es beispielsweise in einem Bericht der deutschen Botschaft in Spanien, »und die heutige Wirkung der ersteren auf Frankreich mit der letzteren damals auf England« 1β0. Ein Krieg in Zentraleu- ropa werde keineswegs mehr ausgeschlossen, meldete nicht nur Madrid, sondern auch Waßner aus London161 und übereinstimmend wurde vor allem die deut- sche Luftrüstung als Stein des Anstoßes bezeichnet. Wenn das deutsch-englische Verhältnis sich 1934 wesentlich abgekühlt habe, meldete der Militârattadié Geyr von Schweppenburg, so sei dies eben auch eine Folge der Luftrüstung, »durch die England noch mehr bedroht wird als s. Zt. durch unsere Flottenbau- politik« 1β2. Gleichzeitig warnte Hoesdi: »Die Stimmung gegenüber Deutsch- land hat einen Tiefpunkt erreicht, wie er nach dem Abklingen der Kriegsstim- mung nicht mehr zu verzeichnen war. Er wird als offene Feindseligkeit be- zeichnet ies.« Der als spektakulär empfundene Besuch Weygands in London

1,9 Dazu paßt audi die »Fußnote« die Raeder später zu seiner Aufzeidinung über das Gesprädi mit Hitler am 2. 11. 1934 machte, und aus der hervorgeht, daß es Hitler, nidit Raeder war, der einen frühzeitigen U-Bootbau blockierte, Vgl. Anm. 173. 180 Deutsche Botschaft Spanien v. 10. 8. 1934 — Welczeck an v. Bülow. — PA AA/II F Abr. 44, Umbau der deutsdien "Wehrmacht Bd 1. 1,1 Mar. Att. London Nr. 426 v. 7. 7. 1934 — PA AA/II F Geh. Akten M 16, Marineattadié London Bd 1. Vortragsnotiz WA Ausi. IV Nr. 146 v. 17. 9. 1934, BA-MA/W 01-7/269. l" Vortragsnotiz zu Botsdiafterberidit v. 12. 9. 1934, Deutsdie Botschaft A 3234 — WA Ausi. II Nr. 154 v. 28. 8. 1934, ebd. veranlaßte den deutschen Militârattaché in Paris zu der Meldung, Frankreich sei der Ansicht, »Englands einzigartige Insellage ist nach Vervollkommnung der Luftwaffe erledigt. Die zu verteidigenden Grenzen Englands liegen an der Fe- stungsfront Frankreichs und Belgiens im Osten ... Die deutsdie Devise, Deutsch- land ein Volk der Fliegen habe ähnliche Gefühle verursacht, wie vor 1914 die Propagierung Tirpitzsdier Flottenprogramme1β4.« Baldwins vielbeachtete Er- klärung im Unterhaus am 30. Juli 1934, Englands Grenze liege am Rhein, wies derartige Vermutungen als nicht unberechtigt aus 165. Angesichts dieser Hiobs-Botschaften kamen dem Auswärtigen Amt Bedenken; sowohl Biilow als auch Neurath sprachen sich gegen eine zum 1. Oktober 1934 geplante Enttarnung der deutschen Rüstung aus1ββ, schien sie doch vor allem die deutsche Politik an der Saar zu gefährden 167. Doch nicht nur die deutsdie Luftrüstung drohte eine neue Einheitsfront zwischen England und Frankreich zu schaffen, sondern es gab audi Anzeichen dafür, daß England jetzt mit einem deutsch-englischen Alleingang in der Flottenfrage merklich zurückhielt. Der Gesandte Bismarck meldete Gerüchte über französisch- englische Aussprachen, die von einer Ablenkung der deutschen Flotte auf die Ostsee handelten 1ββ, und auch Waßner berichtete von einem »in England fest- zustellendem >Abdrehen Deutschlands auf die Ostsee<« iee. Für die Marineführung war das keineswegs erstaunlich. Hatte die deutsche Pro- paganda nicht schon immer von der deutschen Flotte als einer Ostseeflotte ge- sprochen? Raeder selbst hatte noch bei einem Interview im Januar 1934 den englischen Attaché darauf hingewiesen, daß einer der deutschen Interessen- schwerpunkte eben audi in der Ostsee läge 17°. Es war aber wiederum Hitler, der diesen »kontinentalen« Hinweis in seinem Gespräch mit Phipps am 27. No- vember 1934 in besonders pointierter Weise anbrachte: »Was wolle eigentlich England von uns? Er, der Kanzler, habe sich stets bereit erklärt, sich auf dem Marinegebiet, das England in erster Linie interessiere, mit England etwa auf der Basis von etwa 35 % zu einigen. Wir hätten auf diesem Gebiet nur ein Interesse daran, in der Ostsee nicht den Russen unterlegen zu sein und den Franzosen, wenn sie in die Ostsee eindringen wollten, entgegentreten zu können m.« Mit dieser Behauptung drehte Hitler die Entwicklung um runde 10 Jahre zu- rück: Konnte doch schon seit 1925 keine Rede mehr davon sein, die deutsche Marine auf die Ostsee zu beschränken. Hitlers Bemerkung verfolgte denn auch nur taktische Zwecke: Es schien ihm in der augenblicklich gespannten Lage, die in der großen Unterhausdebatte vom 28. November 1934 erneut klar zum Ausdruck lM Deutsdie Botsdiaft Paris, Mil. Attaché Ani. 5 zu Beridit 27/34 y. 25. 7. 1934, BA-MA/W 01-7/277. ιω Pari. Debates Η. o. C. Bd 292 cois. 2325 — 2443. 1M DGFP Bd 3 Nr. 105, S. 208 ff; Nr. 126, S. 257. 167 Vgl. Botschafterrunderlaß e. o. II F Abr. 2479 v. 27. 10. 1934 mit der dringlichen Frage, was von den Gerüchten zu halten sei, Frankreich werde wegen der deutschen Rüstungen Sdiwierig- keiten an der Saar machen — PA AA/II F Abr. 44, Umbau der deutschen Wehrmacht Bd 1. Am 1. 11. 1934 meldete der deutsdie Militârattadié aus Paris: »Französische Regierung ist über deutsdie Rüstungsverstärkungen aufs lebhafteste beunruhigt und gereizt. Sie hat per- sönliches Gefühl, die Dinge nicht weiter treiben lassen zu können, ist sich aber nicht darüber klar, wie sie eingreifen soll.« — Wehrmachtsamt Nr. 216/34 Ausi. I ν. 1. 11. 1934, BA-MA/W 01-7/278. Vgl. auch Aufzeichnung v. 20. 11. 1934 II Abr. 2621, ebd. 198 Deutsche Botschaft London A 2431 ν. 11. 7. 1934 — PA AA/II F Abr. 8, Marinekonferenz 1935 Bd 1. 1ββ Aufzeichnung Frohweins zu II M 1651 — PA AA II FM, Marineangelegenheiten. 170 Vgl. ebd. 171 Vermerk v. 27. 11. 1934 — PA AA II F Abr. 44, Umbau der deutschen Wehrmacht Bd 1; vgl. dito DGFP Bd 3 Nr. 358, S. 681. kam 172, und die sowohl Hoesch als auch Geyr zu sehr deutlichen Mahnungen veranlaßte, geboten, England wenigstens in der Flottenfrage keinerlei Anlaß zum Mißtrauen zu geben. Wenn Geyr v. Sdiweppenburg kategorisch meinte, »daß eine Sonderverhandlung mit England allein aussichtslos« sei, zugleich aber betonte, »die Entscheidung über das europäische politische Handeln gegen- über Deutschland [liege] in London« und werde dort zunächst audi bleiben, so erschien Hitler der Flottenvertrag mit England mittlerweile erst recht als die allein nodi betretbare Brücke zu England. Daß Hitler in Wirklichkeit an dem bereits eingeleiteten forcierten Bautempo der Marine festzuhalten gewillt war, versicherte er Raeder am 2. November 1934, als der Marinechef anläßlich einer anderen Kommandantenabmeldung173 seine Besorgnisse hinsichtlich des Haus- haltes für 1935 ausdrückte und Hitler daraufhin versicherte, er halte einen ra- schen Ausbau der Marine bis 1938 für notwendig, »da Krieg überhaupt nicht ge- führt werden könnte, wenn nicht die Marine die Erzzufuhr aus Skandinavien sicherstelle« 174. Zum gleichen Ergebnis kam wenig später, am 11. März 1935, auch der Reichs- wehrminister. »Autarkie im Kriegsfalle ist nicht möglich«, erklärte er, »selbst die Ernährung wird vom heimischen Boden nicht ausreichend gewährleistet. Einfuhr ist demnach lebenswichtig. Sie ist nur möglich, wenn ... Zufuhrwege über See bzw. durch neutrale Länder nicht abgeriegelt werden 175.« Hitlers Unterredung mit Phipps am 27. November 1934 bildete den Auftakt zu den deutsch-englischen Sondergesprädien, die gleichzeitig von Hitler, dem Aus- wärtigen Amt und der Marineleitung vorbereitet wurden. Wir können die ein- zelnen Stufen dieses Prozesses hier nicht näher verfolgen; wesentlich war, daß die deutsche Marinepolitik England gegenüber ihre wahren Ziele — nämlich die offensive Kriegführung gegen Frankreich im Atlantik — nicht enthüllte, zu- gleidi aber immer wieder betonte, daß Deutschland »in keiner Weise Rüstungen betreiben wolle, die sich gegen England richteten« 176. Diese Taktik sollte Erfolg haben, England akzeptierte die deutschen Argumente und fand sich schließlich zum Sondervertrag mit Deutschland bereit. Auch die Marineführung gab ihren Widerstand gegen die prozentuale Bindung an Eng- land im Winter 1934 auf. Das hatte zwei Gründe. Der erste lag in der damit gegebenen Garantie, den 2. Schiffbauersatzplan mit den großen Schiffen der »Bismarck«-KJasse in den nädisten Jahren politisch un- gestört fortführen, die Planung des Angriffskrieges gegen Frankreich weiter ver- vollkommnen zu können — und das gleichsam mit englischem Einverständnis.

1,8 TE London Nr. 322 v. 30. 11. 1934 — PA AA/II F Abr. 44, Umbau der deutschen Wehr- macht Bd 1; Mil. Att. London Nr. 51 v. 29. 11. 1934, BA-MA/W 01-7/268. 173 Gespräch mit dem Führer am 2. 11. 1934, BA-MA, MA/Sammlung Raeder 3. IMT Bd XIV, S. 21. 174 Ebd. 175 Protokoll v. 11. 3. 1935 — BA/R 43 I. Es fällt auf, daß sowohl hier wie audi in der Auf- zeichnung vom 2. 11. 1934 das Wort »lebenswichtig« auftaucht. — Der im Juni 1934 mit Billigung Hitlers und Raeders von Admiral a. D. ν. Trotha ins Leben gerufene »Reichsbund deutscher Seegeltung« sah es ebenfalls als seine Aufgabe an, propagandistisdi gegen die nodi in mandien Köpfen spukenden Vorstellungen von den Möglichkeiten einer deutschen Autarkie zu wirken. — Aufzeidmung v. Dieckhoffs v. 27. 6. 1934 — PA AA/Abtlg. III Pol. 14, Marineangelegenheiten. »» Aufzeichnung e. ο. II Abr. 59 v. 14. 1. 1935 — PA AA/II F Abr. 44, Umbau der deutschen Wehnnadit Bd 1. Vgl. audi Ribbentrops Bericht v. 16. 11. 1934, BA-MA/W 01-7/269: »Zur See werde Deutschland Vorkriegsflottenpolitik nicht wiederholen.« Ferner vgl. Aufzeich- nungen Frohweins e. o. II Abr. 2683 v. 29. 11. 1934. »Wir legten größten Wert darauf, daß die Gestaltung unserer Marine in keiner Weise als gegen England gerichtet angesehen werden könne.« — PA AA/II F Abr. 8, Marinekonferenz 1935 Bd 1. Schon am 5. Juli 1934 gab Raeder der Konstruktionsabteilung grünes Licht für den Bau der beiden schweren 20,3 cm-Kreuzer und befahl, »die Pläne für das erste Großkampfsdiiff zum 1. IV. 36 baubereit zu haben« — die Konsequenz aus dem Ergebnis seiner Unterredung mit Hitler am 27. Juni177. Am 8. Novem- ber bereits zeidinete sich ab, daß die Schiffe »F« und »G« erheblich größer wür- den als die erlaubten 35 000 ts 17e, die Bauplanung blieb aber nach wie vor auf die »Dunkerque« fixiert179. Am 19. Januar 1935 entschied Raeder, daß »F« mit 35 cm-Geschützen durchzukonstruieren sei und stimmte einer Depla- cementserhöhung zu 180. Alle politischen Bedenken hinsichtlich der Sdüffsgröße fielen um die Wende des Jahres 1934/35 fort. Bei seinen Gesprädien mit Hit- ler im August 1934 181 und am 4. Dezember 1934 beim Stapellauf von »Scharnhorst« in Bremen, die aktenmäßig allerdings nicht faßbar sindm, dürfte Raeder endgültig Hitlers Zustimmung zum qualitativ unbeschränkten Bau der großen Schiffe erhalten haben. »Der Chef der Marineleitung hebt her- vor«, hieß es in der Niederschrift vom 22. Januar 1935, »daß es der Wille des Führers sei, mit diesem Schiffstyp keiner Nation nachzustehen und durdi ge- schickte Ausnutzung des Typdeplacements die größtmögliche Kampfkraft, Ge- schwindigkeit und Standfestigkeit in das Schiff hineinzulegen, so daß es nicht von gleich großen Neubauten des Auslandes übertroffen werden kann« 18S. Diese Entscheidung war logisch: nachdem sich abzuzeichnen begann, daß eine Einigung auf der Marinekonferenz von 1935 vor allem wegen der Haltung Japans kaum zu erwarten war, und England geneigt schien, unabhängig davon mit Deutschland die Sonderabmachung zu treffen, braudite Hitler keine Rück- sichten mehr auf mögliche Konferenzergebnisse zu nehmen, die zu einer inter- national verbindlichen Beschränkung der Größen und Kaliber geführt hätten. Für den von ihm angestrebten politischen Zweck genügte die quantitative Bin- dung an England; der Marineführung aber war mit der qualitativen Freiheit die Möglichkeit gegeben, Frankreich auszustechen. Hitlers Wunsch nach Sdhif- fen, die »keiner Nation nachstehen« sollten, aber war uralt, und wenn der »Füh- rer« Raeder jetzt freie Bahn gab, so verwirklichte Hitler auch hier, wie später so oft nodi, nur einen Punkt aus seinem Programm in »Mein Kampf«: »Die Tendenz«, hieß es hier184, »alle auf Stapel gelegten Schiffe immer etwas kleiner als die zur gleichen Zeit vom Stapel gelassenen englischen zu bauen, war wenig weitschauend und noch weniger genial. Gerade eine Flotte, die von Anfang an rein zahlenmäßig nicht auf gleicher Höhe mit ihrem voraussichtlichen Gegner gebracht werden kann, muß den Mangel der Zahl zu ersetzen trachten durch die

S. Anm. 149. 178 Marinekonstruktionsabteilung Κ I d 502/34 gKdos 8. 11. 1934, ΒΛ-ΜΑ/ΙΙ M 16. "· A IV a 206/35 gKdos y. 17. 1. 1935, Niedersdirift über die Besprechung betr. Panzerschiff »F« am 17. 1. bei Amtsdief A, ebd. 180 A IV a 269/34 gKdos ν. 22.1. 1935, ebd. lal Erschlossen lediglich durch Raeder, I, S. 288. let In der »Bremer Zeitung« Nr. 346 v. 15. 12. 1934 findet sich ein Photo, das den »Führer im Gespräch mit von Blomberg und Dr. h. c. Raeder« zeigt. ls* Diese »Richtlinie« wurde an das Offizierkorps weitergegeben, wie sich aus dem Vortrag A IV a vor dem Führergehilfenlehrgang 1933/35 am 13. 2. 1935 ergibt: »Der Leitsatz von der unbedingten Überlegenheit unserer Panzersdiiffsneubauten über den mutmaßlichen Gegner [gemeint: Frankreich] spiegelt sich auch in der Entscheidung des Führers über diesen Schiffs- typ wider, worin es heißt, daß es sein Wille sei, mit diesem Schiffstyp keiner Nation nadi- zustehen.« BA-MA/II M 34/2. 1M Hitler, S. 299. überragende Kampfkraft der einzelnen Schiffe186.« Gewiß, 1934/35 dachte Hit- ler wohl ebenso wie die Marineführung noch nicht an die Gegnerschaft zu Eng- land in naher Zukunft, und noch war Frankreich auch zahlenmäßig der deut- schen Flotte überlegen18®. Dennoch läßt gerade die qualitative Freigabe des deutschen Flottenbaus durch Hitler vermuten, daß sdion jetzt bei Hitler die auch Raeder gegenüber sorgsam verschleierten Vorstellungen von der möglichen Gegnerschaft Englands wadi wurden. Die zahlreichen warnenden Stimmen aus dem Ausland und den eigenen Ressorts mochten ihn in diese Richtung lenken. Die seit Jahresende planmäßig vorbereiteten wesentlichen Überschreitungen der Vertragstonnagen sind ein Indiz für Hitlers Absichten: Erst 1938/39 nämlich waren sie nicht mehr zu tarnen, erst zu diesem Zeitpunkt also mußte Hitlers Flottenpolitik mit dem Inhalt des Londoner Vertrags vom 18. Juni 1935 kolli- dieren. Wir kommen damit zum Schluß unserer Betrachtungen. Das Abkommen vom 18. Juni 1935 sollte bekanntlich für alle Dauer gelten, »endgültig« sein, die deutsche Marine für alle fernere Zeit auf die prozentuale Stärke von 35 % der englischen Flotte festlegen. Dies war in der Tat ein entscheidender Einschnitt in der deutschen Marinepolitik — oder besser: hätte es werden können, wenn Deutschland tatsächlich bereit gewesen wäre, diesen Vertrag einzuhalten. Schon die Bauentscheidungen vom Januar 1935 sprachen dagegen. Man wird jedoch noch weitergehen müssen: Weder die politische noch die militärische Führung haben jemals daran gedacht, den Vertrag wirklich als »endgültig« zu betrachten. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß Hitler das Abkommen als Brücke, als Instrument für den angestrebten politischen Ausgleich mit England betrachtet hat; es war für ihn kein Wert »an sich«. Sollte sich das Instrument als untaug- lich erweisen, so mußte man sich von ihm trennen; die Kündigung des Vertra- ges zerstörte in Hitlers Augen nichts, was nicht schon lange vorher zerstört worden wäre. Die Marineleitung dachte ähnlich. Für sie war der Vertrag von Anfang an nur ein Mittel, den geplanten Flottenbau nach außen hin abzusichern, wobei sie anfangs noch der Überzeugung war, daß die deutsche Marine das von Hitler gewünschte englische Bündnis bewirken könnte. Für Raeder und seinen Stab war die prozentuale Bindung an England von Anfang an nur »vorläufig«, nur erträglich, weil schon bei Abschluß des Vertrages feststand, daß er in etwa fünf Jahren erfüllt sein würde und dann die Entwicklung über ihn hinweggehen müßte. »Da aber der Vertrag, der gegebenenfalls mit England geschlossen wird, zeitlich begrenzt sein wird«, hieß es schon in der ersten Ausarbeitung vom Mai 1934, »so bestehen zunächst keine Bedenken, für die Schlachtschiffe die Gesamt- tonnage von 175 000 t anzunehmen« 187. Und am 19. Januar 1935 finden wir in einer Notiz Raeders: »Das militärische Interesse muß auf eine möglichst kurz- fristige Konventionsdauer (etwa 5 Jahre) hinzielen, zumal wir 35 °/o der engli- schen Tonnage erheblich früher als in 10 Jahren erreichen können188.« Am 15. April schlug die Gruppe für Seekonferenzen Raeder vor, bei Hitler vorzu-

185 Es ist bekannt, daß Hitler eine prinzipielle Vorliebe für »das stärkste« Schiff besaß; sdion 1931 hatte er sidi bei Levetzow erkundigt, warum die deutschen Kreuzer nidit mit 6-21 cm anstelle von 9-15 cm bewaffnet würden. Levetzow an Hitler v. 5. 10. 1931, BA-MA/N 239/56. ιββ »Wenn w¡r audi an modernen Schlachtschiffen im Jahre 1942 die Gleichheit mit Frankreich erreicht haben werden, so muß in allen übrigen Kategorien mit einer erheblichen zahlen- mäßigen Überlegenheit der Franzosen gerechnet werden.« Vortrag o. D. (1935). Die militär- politische und seestrategisdbe Lage Deutschlands, BA-MA/II M 34/3. 1SI Schiffbauersatzplan Neu A IV a 2136/34 gKdos Mai 1934, BA-MA/II M 34/1. 188 Aufzeichnung SK 2/35 gKdos v. 19. 1. 1935, BA-MA, MA/PG 36794. fühlen, ob bei weiterem Anwachsen der französischen Flotte der Führer bereit sei, »über die 35 % hinauszugehen« 189. Vorsorglich wurde schon jetzt Frank- reich dafür die Schuld in die Schuhe geschoben: »Italien war in den Abrüstungs- verhandlungen stets für die Abschaffung der Großkampfsdiifie gewesen. Als aber Frankreich 1934 einen zweiten Schlachtkreuzer vom Typ der >Dunkerque< in Bau gab, ... entschloß sich Italien, auch seinerseits die ihm noch zustehende Ersatztonnage auszunutzen, und legte im Oktober 1934 zwei Großkampfsdiiffe zu 35 000 Tonnen auf Kiel... Darauf antwortete Frankreich am 1. März d. J. [1935] mit der Bewilligung eines Ersatzbaus von 35 000 Tonnen für das Schlachtschiff >France< und damit ist das Wettrüsten in GroßkampfschifFen wie- der in vollem Gange190.« Wenn aber Hitler und die Marineführung von Anbeginn in dem Flottenvertrag nur eine Übergangslösung sahen, dann konnte es Raeder audi nidit mehr schwerfallen, der 35 %-Bindung zuzustimmen, welche die deutsdie Aufrüstung zur See bis 1938/39 sicherstellte. Und das war der andere Grund, weshalb Rae- ders Bedenken vom Juni 1934 nunmehr ausgeräumt waren. Bis 1938/39 aber mußte sich auch das Schicksal der deutsch-englischen Beziehungen entschieden haben, und das wird auch Hitler Raeder vorgehalten haben. Entweder war das Bündnis mit England dann perfekt und die deutsche Marine der »Bundesgenos- se« im Sinne der Raederschen Bündnisfähigkeitsvorstellungen — und dann war an einem weiteren Ausbau der Marine nidit zu zweifeln — oder aber die beiden Länder hatten nidit zueinander gefunden: dann mußte die »Flotte doch gegen England entwickelt« werden: der weitere Ausbau der Marine war audi in die- sem Falle gesichertm. Wie die Dinge politisch audi laufen sollten: Raeder konnte sicher sein, daß die deutsche Marine in der Zukunft des Dritten Reidies die Rolle spielen würde, die ihrem Selbstverständnis entsprach. Der Vertrag von 1935 war somit nur Tarnung, ein diplomatischer Betrug und entsprach insofern Hitlers außenpolitischem Programm und Raeders Vorstellung von der Zukunft der deutschen Marine1βϊ. Wenn es also — um auf die Eingangsfrage zurückzukommen — einen »Knick« in der deutschen Marinepolitik gegeben hat, so ist er in erster Linie in der Ent- scheidung vom Herbst und Winter 1934/35 zu sehen, nadi Ablauf des 2. Sdiiffbauersatzplanes und nach dem Auslaufen der 35 °/o-Bindung, d. h. etwa im Jahre 1939/40, die Entwicklung der deutschen Marine in Bahnen zu lenken, die über das von Raeder seit 1928 verfolgte Programm hinausgingen. Im Flot- tenvertrag von 1935 war von Anfang an die Möglichkeit des politischen Schei- terns und des ungehemmten militärischen Ausbaus einprogrammiert. Michael Salewski

198 SK 11/35 v. 15. 4. 1935, ebd. ,M Aufzeichnung zu II R 1189 v. 15. 5. 1935 — PA AA/II F Abr. 7, Allgemeine Seeabrüstung Bd 26. 1,1 Das war im Grunde nur eine Umschreibung des Komplexes »Bündnis-Risiko«. Daß derartige Vorstellungen im übrigen nidit auf die Marineführung beschränkt blieben, ergibt sich beispiels- weise aus einer Aufzeidinung des Chefs Τ 3 im Truppenamt v. 12. 11. 1934, wo es heifit: »Gelingt es aber Deutschland, aus eigener Kraft zu erstarken, so wird England später ein- mal dies in seine Redinung einstellen. Sollte sidi die Möglichkeit einer deutsch-französisdien Annäherung einmal ernsthaft abzeichnen, kann auch der Augenblick gekommen sein, wo England einen Annäherungsversuch macht.« BA-MA, MA/W 01-7/269. 1,1 Vgl. ζ. B. Ribbentrops Aufzeichnungen v. 16. 11. 1934 über eine Unterredung mit Eden: »Um Vertrauensgedanken zu fördern, ausführte weiter, daß bei solchen Verteidigungserwä- gungen Deutschlands Gedanke an Möglichkeit Konfliktes mit England vorneherein aus- schalte . . . Einigung auf lange Sicht, die England vollste Sicherheit zur See gäbe.« Ebd. Unterstreichungen v. Vf. 1. Aufzeichnung über eine Aussprache Admiral Raeders mit Reichskanzler Brüning am 21.9.1931. Β A — MA Freiburg, MA/Fasz. 5993, Bd 2.

Niederschrift über die Rückspradie beim Reichskanzler am 21. September 1931 1M ansdil. an Bekanntwerden Verzicht von „C" gegenüber Hoover194 1.) Chef: versteht, daß R.K. in Zwangslage gewesen ist und etwas anbieten mußte. — Bittet für Zukunft, ihn zu citieren, um a) in sachlicher Hinsicht beraten zu können, b) in persönlicher Hinsicht nicht Vertrauen Front zu gefährden durch ev. unrich- tige Angaben infolge fehlender Orientierung. — R.K.: sagt dies zu. — Wäre zu übersehen gewesen, daß aus Zollunion1·* dodi nichts würde, würde diese Hoover angeboten sein. — 2.) Chef: führt aus a) günstigen Stand unserer Abrüstung. — (Statt 16 Schiffen werden bis [19]46 nur 8 gebaut — nur 4 bis [19]37). — b) Panzerschiffe kein Selbstzweck und keine Marotte von uns. — Ohne Rückhalt durdi1M Panzerschiffe sind die197 bringen uns Beherrschung der Ostsee< 20°. c) 201 Altes Schiffsmaterial muß auf die Dauer demoralisierend wirken, d) unsere Bündnisfähigkeit wird durdi bescheidene Flottenerneuerung erheblich gesteigert. — 3.) R.K.: a) Unser Verzicht gegenüber Hoover besteht in dem Panzerschiff »C«. Ver- zicht läuft bis Ende Hoover-Jahres, also bis Juli 32. Gestreift: Frage der Erneue- rung des Hoover-Jahres. Veröffentlichung der Absidit, Etatsjahr bis Ende Juni zu verlängern, lag nicht in Absicht R.K. b) Ob skandinavischer Standpunkt, daß unsere Ersatzbauten nicht unter Rü- stungsbeschränkungen fallen, aufredit zu erhalten, sehr zweifelhaft. — Daher An- weisung an Curtius20ï, sich hierin zurückzuhalten. c) Allgemeine Animosität gegen unsere Panzerschiffe — audi bei England und Italien. — 4.) Chef: a) Dies ist durch militärischen Wert Panzerschiffe gegenüber Washington- Kreuzer203 erklärlich. Panzerschiffsfrage kann am besten auf Abrüstungskonfe- renz geklärt werden. — Bei Gleichheit der Methoden werden wir uns nidit gegen Bauverzicht weiterer Panzerschiffe sperren, wenn Panzerschiffe allgemein ab- geschafft werden und Washington-Kreuzer größter zulässiger Typ wird. — 5.) R.K.: hält auch von sich aus an »Gleidiheit der Methode« fest, — in diesem Fall wird Panzersdiiffsfrage zusammen mit übrigen Mäditen erledigt. — 6.) Chef: weist gegenüber Stimsons 204 Äußerungen 805 darauf hin, daß wir s.Zt. einen Washington-Kreuzer gar nicht hätten bauen dürfen, da diese Bewegung29e

1.3 Darüber: »Gkdo. 276/176«; Eingangsstempel: »Marineleitung VGM Nr. 176 G.Kdos. Eing. 23.9.1931«; Bearbeitungsvermerke und Abzeichnungen von: »Ffreyberg] Sta[nge] 27.9.« 1.4 Von »ansdil.« bis »Hoover« handschriftlich (Schreiber A). 1,1 Gemeint die geplante Zollunion zwischen dem Deutschen Reich und Osterreich. 1M »Ohne« bis »durdi« handschriftlich hinzugefügt (Schreiber B). 197 »sind die« handschriftlich verbessert (Schreiber B). 198 Die beiden vorangehenden Worte sind in der Vorlage durchgestrichen. lm »zwecklos« handschriftlich verbessert (Schreiber B). :o° Die fünf vorangehenden Worte sind in der Vorlage durtìiges trieben. 201 Absatz c) Einschub, handschriftlich (Schreiber A). 101 Deutscher Außenminister. !0S Auf der Seekonferenz von Washington 1922 festgelegter Kreuzertyp mit max. Deplacement von 10 0001 und 20,3 cm-Bewaffnung. 104 Amerikanischer Außenminister. tos »gegenüber« bis »Äußerung« handschriftlich eingefügt (Schreiber B). 2M »Bewegung« leicht durchgestrichen, darüber Fragezeichen. Vers [ailler] Vertrag nicht entsprach807. — Daher entsprechende Äußerung Stim- sons unzutreffend. — R.K. : war dies nicht bekannt. 7.) R.K.: hält es für notwendig, den Etat und vor allem die Quote für den Schiff- bauersatzplan auf etwa gleicher Höhe zu halten, daher erscheint angebracht, ev. statt des Panzerschiffs anderes Objekt vorzuziehen, soweit nidit für »B«Me eme größere Rate in 1932 untergebracht werden kann. V.G.M. 176 Geh.Kds.209

2. Konzept Admiral Raeders für einen Vortrag beim Reichskanzler, undatiert (21. 9. 1931).

Β A — MA Freiburg, MA / Sammlung Raeder 5 ί10, handschriftlich.

R. Manne. Versailles 6 Pzschiffe + 2 Botschafterkonferenz.®11 Bei Bewilligung niât veraltet. 6 Krz +2 Frankreich 81 Schiffe Deutschland 3 — 10 000 «» 12 Ζ +4 akut 1934 Etat212 56 000 12 T-Boote + 4 England 525 000114 Frz. Sdiitfbauersatzplan Teill 1931 — 1936 Teil II hätten bauen können 22 419 — 26 8 Pzsch ... 8 Pzsch. dann wieder 42—46 g 8 Krz 16 Pzsch , ,, 4 Pzsch statt dessen bis 36 16 Krz 5 Krz Also: statt 20 Jahre über 30 Jahre in Teil I "7

In Dienst nie mehr als 4 Pzsch 4—5 Kreuzer obwohl 6 erlaubt

Schiffstypen durch Vertrag Versailles vorgeschrieben Annahme, daß Entwicklung dieser Typen für nötig 10 0001 Pzsch = Schlachtschiff 6 000 t Kreuzer = 10 000 Kreuzer *18 Washington — Vertrag 1922/23

107 Im Versailler Vertrag wurden Deutschland nur Kreuzer mit einem Deplacement von 6000 t und 15 cm-Bewaffnung erlaubt. *» Panzerschiff »B«. 20· B. Nr. handschriftlich hinzugefügt (Schreiber B). 210 Blatt 26 f. 211 Gemeint ist die Note der Botschafterkonferenz v. 26. 3. 1920. 212 »1934 Etat« Grünstift. 21> S. S. 116, Anm. 15. 214 Das ist die englisdie Schladitschifftonnage. 215 Möglicherweise ein Hinweis auf die Notwendigkeit des II. Sdiiffbauersatzplanes. "· Am Rande finden sich hier die durchgestrichenen Vermerke: »Alter 26« und »Tyrrel Vansittard [sie]«, vgl. zu letzterem Dok. 4, Anm. 244. Der weitere Vermerk »Grandi f Italien« ist nicht durchgestrichen und dürfte sich auf die Gespräche Brünings in Rom beziehen. 217 D. h. während der Gültigkeit des I. Sdiiffbauersatzplanes beträgt das Lebensalter der Schiffe mehr als 30 Jahre. S. S. 115, Anm. 11. 218 Vergleich zwischen den den Washington-Mächten erlaubten Typen und den Deutschland ge- statteten. 1922 219 Washington nach Versailles Washington hatte 35 000 t Cruiser 10 000 t 20 cm sdilediter Typ 220

Unsere Pzschiffe nicht mit 35 0001 sondern mit den 10 0001 Kreuzern sdilechte(s) Schiff 221 28 cm — 20 cm 222 Schneller als 35 0001, sodaß Entziehen möglich. Aber audi 10 000 t Cruiser schneller, entziehen Aktionsradius Inbaugahe der Motoren, nicht neue Strategie (Kreuzerkrieg) 228 Daher Frankreich — England — Italien nicht begründen 224.

Andere Seite:2211 Panzerschiffe nidit Marotte oder Prestigefrage, sondern ohne sie nidit lebensfähig. 1.) 10 0001 Kreuzer könnte heute alle unsere Kreuzer in die Häfen jagen. 2.) Alte Sdniffe keine Stütze, nidit schnell. 3.) Marine kann nidit länger auf alten Schiffen Dienst tun. 4.) Bündnisfähigkeit: Ostsee 4 Schiffe 226

2 Schiffe in Bau 227 Hooverjahr 30. VI. 32 228 An 2 Pzsdiiffen kann nidit gerührt werden. Ehrenfrage, Frage Existenz d. Marine. Pzsch. C Etat 1932 1) Inbaugabe nidit vor 1.1. 33 (Abrüstungsjahr)M 2) Typ je nadi Ergebnis Abrüstg Kfz.2M

Marine hat abgerüstet unter Versailles, ersetzt nur das Nötigste. Bauplan 32 wie Frankreich 34 000 t2,1 10 Jahre Amerika2Si 116 000 t"» Einzelfragen — Gesamttonnage Transfer U-Boote Zusatz Flugzeuge Küstenwerke Personal2,4

5:5:3:1,75:1,75 Absiditen bis 1936

durch Teilzugeständnisse Pzschiffe absdiaffen ablehnen. Sogar Versailles hat Notwen- digkeit zugestanden.

»· »1922« Grünstift. 1.0 »schlechter Typ« Grünstift. Der Washington-Kreuzer galt als »schlechter Typ«. 221 D. h. unsere 10 000 t-Panzersdiiffe sind dem Washington-10 000 t-Kreuzer überlegen. ttt Vergleich der Kaliberstärken bei den deutsdien Panzerschiffen und dem Washington-Kreuzer. Hinweis darauf, daß der deutsche Panzerschiffbau nichts an der bisherigen »offiziellen« Stra- tegie ändere. 224 »Daher« bis »begründen« Grünstift. Hinweis Raeders, daß es deshalb ungeschickt wäre, den deutsdien Panzerschiffbau mit den Flottenbauten dieser Staaten zu vergleidien oder zu be- gründen, da Deutschland ja keine entsprechenden Angaben habe. »Andere Seite« Grünstift. S. S. 117. »2 Schiffe in Bau« Grünstift. 888 Ablauf des Hooverjahres, ohne Verlängerung. m Das bezieht sich auf »Fußnote« 1 des Etats, s. S. 117. t9° Das bezieht sich auf »Fußnote« 2 des Etats. Nur diese wurde tatsächlich veröffentlicht. 8.1 Von »Bauplan« bis »34 000 t« Grünstift. Deutung unklar: Vielleicht: Wir bauen mit 3 Pan- zerschiffen nidit mehr als Frankreich. e,ï »10 Jahre Amerika« Grünstift. ^ »116 000 t« Grünstift. !M Hinweise Raeders auf Fragen, die bei der Abrüstungskonferenz geklärt werden müssen. Ο • ' ·7/ Α 48 ^tk·. ' «MM Ü' Ä A Ρ Ite? 1er· * <0 in . rt . Κ IS Secan, tai. su. "^•TSigE. Ρ J r*« « 'Ν. <λ·0 IH Uto W MAM .«/ΤΑΝίΚΛΙ, , Α Λ-Τ. IJKS • " ! 0 «i/lffc« «Stτr OHN ΗM WÇ hw 4 ut

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— - • -v/v w / ¿ . ' ^ Ίψϊ-ί • " ''"•"""WW«*. » 3. Schreiben Admiral Raeders an den Konteradmiral a.D. v. Levetzow vom 23.10.1932. Β A — MA Freiburg, Ν 239137 Nachlaß ν. Levetzow, handschriftlich 2,5.

Sehr verehrter Herr Admiral! Idi bin jetzt nodi einige Wochen hier zur Erholung, da ich im Sommer erheblich in meiner Ausspannung gestört wurde. Am 6. XI. werde ich in Berlin zurück sein. Es tut mir sehr leid, daß ich Sie in letzter Zeit nicht mal sprechen konnte. Die Behaup- tungen Hitlers über Aufrüstung und Großkampfschiffe 2S· sind mit das Töridiste, was er sich bisher geleistet hat. Wie kann der Mann, nur um Papen anzugreifen, in so ver- brecherischer Weise die auswärtige Politik stören und alle Fäden gefährden, die wir angesponnen haben. Ich verstehe ihn seit langem nicht mehr; er verliert alle Sym- pathien, die jungen Offiziere in Armee und Marine sind völlig geheilt von ihm. Seine ganze Opposition gegen das Kabinett ist offenbar nur aus der Verzweiflung geboren über die üble Lage, in die er seine Partei hineinmanövriert hat. Idi habe aus seinem Munde in den letzten Monaten keinen politischen, wertvollen Gedanken, geschweige denn ein Programm gehört, nur Negatives. Idi hoffe immer noch, daß nach den Wahlen eine Beteiligung an der Regierung in Frage kommt. Geschieht das nicht, dann rutscht die Partei in ihrem Gros links ab. Gott gebe, daß das vermieden wird. Was Hitler von der Ost- und Nordsee sagte, ist ja Unsinn. Folgten wir ihm, müßten wir eine Küstenmarine bauen und wären dann nie fähig, einmal den Franzosen ent- gegenzutreten. Unsere Aufgabe wird sehr bald wieder in der Nordsee liegen, die Marine kann man aber nicht von heute auf morgen umwandeln2S7, während man dem Heer nur weitere Divisionen hinzuzufügen braucht. Die Verhandlungen mit England soll er nur getrost uns überlassen und nicht den Elefanten im Porzellanladen markie- ren. Auf der »Cöln« 248 hat er sich im übrigen ganz anders ausgesprochen. Dies mußte ich mir mal von der Seele reden; hoffentlich kann idi bald mal mündlich noch erzäh- len, was ich vor einigen Wochen erlebte. Mit herzlichen Grüßen in alter Verehrung Ihr sehr ergebener Raeder

4. Konzept Admiral Raeders für einen Vortrag beim Reichskanzler undatiert (Ende März 1933) 2». Β A — MA Freiburg, MA / Sammlung Raeder 12, handschriftlich.

Erster Vortrag beim Führer240 Politische Grundlage: Italien, D[eutschland]England Garantie England nie als Gegner f. Marine Brief v. R.[heinbaben]241 v. Freyberg in Genf 242. Schiffsbesuche. Verhältnis der Marinen 248

"5 Das Schreiben ist datiert aus Bad Brambach i. Vogtland und trägt den Eingangsvermerk: 25. 10. 32. "· Gemeint sind Hitlers Ausführungen im »Völkischen Beobachter« v. 23. 10. 1932, S. 4. Auf Bitten von Levetzow übersandte Raeders Adjutant, Kptl. Baltzer, unter dem 28.10. die betreffende Ausgabe des »Völkischen Beobachters«. 2,7 Diesen Gedanken hat Raeder bekanntlich in seinen Auseinandersetzungen mit dem Heer mehrfach ausgesprochen, vgl. Salewski, I, S. 3. »· Vgl. IMT Bd XXXV, S. 598; Salewski, I, S. 1. "· Vgl. die Faksimile-Wiedergabe des Dokuments im Anschluß an S. 152, daher wird im folgenden Abdruck auf die räumliche Anordnung des Sdiriftsatzes weniger Rücksicht ge- nommen. 240 Grünstift. 241 Gemeint wahrscheinlich das Memorandum, das Rheinbaben für Nadolny von Hitler erhielt; vgl. DGFP Bd 1 Nr. 106, S. 192. 242 Bei der Abrüstungskonferenz. Admiral ν. Freyberg war Letter der VGM. 249 Das Verhältnis zwischen englischer und deutscher Marine sei gut. Anders allgemeine Politik — Bürokratie Vansittard[sic], Tyrrel 244. 525 000 t : 56/000 t (3 X 10 + 26 000) 24S.

Ausbau Marine: 20 Jahre voraus.24« nidit für heute, sondern Gesamtlage. Versailles: 6 Pzsdi + 2 Botschafterkonferenz 247 Frankreich Mittel seit 1929 Fabrikenlisten248 6 Krz + 2 so _ 100 M. 12 2 +4 akut 1934 12 Tb +4 Pläne Arbeitsbeschaffung 80% Löhne«· Bei 20j. Lebensdauer 1922 — 26 8 Pz, 8 Krz 1942 — 46 „ „ 16 Pz, 16 Krz bis 1936: 4 Pzsd). 5 Krz. Stan 20 Jahre über 30 [Jahre] alt. In Dienst nie mehr als 4 Pzsdi 4—5 Krz. je 6 erlaubt Im Bau: Frankreich 81 Schiffe Deutschland 3 2M. Marine abgerüstet unter Versailles

Ziel: Zahl der Schiffe von Versailles beibehalten. Deplacement gemäß Gleichberech- tigung + U-Boote + Flugzeuge + Kie[?]t51 Gleichberechtigung durch Aufnahme in die Bestimmungen des Washington- 1922 u. Lo«¿ow-Vertrages 1930-36 Neue Verhandlungen 1935. Gültig bis 36 Unterschied von Armee: Rahmen vorhanden.

Washington 1922 nach Versailles; trotzdem 10 000 ts — 20 cm u. ohne Panzer.

Schiffbauersatzplan I u. II 252 Indienststellung l.X. 34 Β D 1938 1946 je 8 Schiffe statt 1926 l.IV. 36 C Macdonald-Plan: Unter Versailles; d. h. 1933—1936 keine Kreuzer mit mehr als 15 cm. Feierzeit Linienschiff 10 0001 u. größer kein Uboot, kein Flugzeug ϊΜ 1934 ev. 4 X 1850 Zerstörer kl. Kreuzer mit 15,5 cm Auf alle Fälle zu erreichen: Plan v. Versailles weiter ausführen d. h. ein Schiff gemäß Ersatzplan 1934 bauen + Uboote + Flugzeuge

!4< Im Gegensatz dazu stehe der »Bürokratismus« von Persönlidikeiten wie Vansittart und Tyrell. 245 Verhältnis zwischen der englischen und der deutschen Sdiladitschifftonnage. 3 χ 10 = 3 Pan- zerschiffe à 10 000 ts, 26 000 ts -Geplantes Schiff »D«. "· Die Marine muß 20 Jahre voraus planen, da die Lebensdauer der Schiffe durchsdinittlidi 20 Jahre beträgt. S.Dok.2, Anm.211 849 Gemeint wahrscheinlich die von der IMKK und der NIACC vorgeschriebenen Rüstungs- fabriken. Vgl. Salewski: Entwaffnung, S. 108f. M* Im Rahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramms konnte audi der Schiffbau gesehen werden: 80®/o der Gesamtmittel entfielen auf die Löhne. 250 S. S. 116. 1,1 Schwer leserlich, wahrscheinlich »Kiel«. Oder »Kü«? Falls die Lesung »Kiel« zutrifft, könnte damit Raeders Wunsch umschrieben sein, die Kieler Bucht erneut zu befestigen, nachdem alle Festungsanlagen in diesem Bereich auf Veranlassung der NIACC geschleift werden mußten. lit Ein Hinweis darauf, daß Raeder Hitler über die Notwendigkeit des 2. Schiffbauersatz- planes vorgetragen hat, vgl. auch Dok. 2, Anm. 215. !M Ursprünglich war vorgesehen, den U-Boot- und Flugzeugbau schon zum 1. 11. 1932 zu enttarnen, vgl. S. 119. Größe des Schiffes: Frankreich 26500 ts mit 33 cm 254 Italien soll in der Zeit ein glei- ches Sdiiff bauen können V, Art. Panzer 285 10 000 t alte frz. Schiffe «· Deutschland muß gleichwertiges bauen, da Dunkerque an V und Artillerie überlegen u. Panzer 1 D alle Pzsdi. in Häfen 287 10 000 ts gegen 10 000 ts (20 cm) u. schlechten Panzer258 „ „ alte langsame frz. Panzerschiffe 25 — 36 000

England ist auf Anfrage angezeigt (v. Rheinbaben),2®· daß wir 10 — 35 000 ts, aber näher an 35 000 t. Uboote 0—35 000 ts 2β0. Kein Protest2,1 Taktik: 1.) Studieren, ob Italien annimmt Pläne klar bis 1. IV. 34 (Attaché) 2,2 2.) Offen fordern oder nur 1 Sdiiff 33 — 36 fordern u. größeres bauen Tarnung bis 1935 Konvention 1 Artikel,M

Ostseefrage — Landstrategiebegriff zuerst Ostpreußen. Gdingen. 3 Tage jede Bewe- gung2·4 Aber Franzosen in Nordsee Handel oder Borkum-Stützpunkt. Landungen in Ostsee ev. in Nordsee bekämpfen 2,5 Flotte — Flugzeuge — Artillerie, Flieger, Geschwindigkeit Drehfähigkeit — Sinksicherheit — weite Sicht2M Wert Flugzeugmutterschiff Chilen. Holland. Mutterschiffe Zweck: Erhaltung des Küstenbesitzes Vs Grenze - Küsten 1520 km.28' gegenüber Landungsmöglichkeit u. Angriffen auf Häfen — Ostsee lange Küste Flugzeug2,8 Verbindung mit Ostpreußen Sicherung der Zufuhr u. Schiffahrt. nur V« Ostseeeinfuhr2M

Bündnisfähigkeit Am[?] Frkr Sowt.Rußland

Umbau E - U - Japan - Vertrag 22 «· England Offenhaltung d. Nordseehäfen geringe Zahl, hohe Qualität271

!M Die offiziellen Baudaten der »Dunkerque«. V = Geschwindigkeit; Art. = Artillerie; Panzer = Panzerstärken. Hinweis auf die Washington-Kreuzer und die Vorkriegs-Liniensdiiffe der Franzosen. 257 D. h. ein Panzerschiff »D« (also die spätere »Scharnhorst«) ist in der Lage, alle bisher ge- bauten Panzerschiffe »in die Häfen zu jagen«, vgl. Dok. 2. 258 Die eigenen Panzerschiffe A — C sind den französischen Washington-Kreuzern und den alten französischen Linienschiffen überlegen: Ein Hinweis auf den Wert der Sdiiffe A—C, vgl. S. 126. ω· Bezieht sich vermutlich auf das Gespräch Rheinbaben — Samuel am 15. 7. 1932, vgl. Salewski, I, S. 5. !<φ D. h. Deutschland werde entweder gar keine U-Boote bauen, falls die Abrüstungskonferenz ihre generelle Abschaffung verfüge, oder bis maximal 35 000 t Gesamttonnage an U-Booten bauen. 2,1 Samuel nahm die Äußerung Rheinbabens »ohne Protest« hin, vgl. Anm. 259 191 Aloisi. Vgl. DGFP Bd 1 Nr. 76, S. 149 u. Nr. 79, S. 154. Bezieht sich wahrscheinlich auf Art. 1 des MacDonald-Plans. 2.4 Ein Geleit vom Westen bis Gdingen benötigte im Hin- und Rückmarsch 3 Tage. 2.5 Das entsprach Studie II bzw. Studie III. Vgl. S. 136. 2M Vorteile des Flugzeuges im Seekrieg. "T Auch in Genf operierten die deutschen Vertreter mit der Zahl 1520 km Küsten. 2,9 Hinweis auf das Flugzeug als vorzüglichem Aufklärungsmittel. 2" Die Aufgaben der Marine durften nidit auf die Ostsee beschränkt werden, da nur '/i der Zufuhr über die Ostsee lief. 270 Stichpunkte für Erörterung der Flottenverträge und der Verhältniszahlen. Deutung unklar. 271 Offensichtlich Argumente Raeders für die Nützlichkeit einer verbündeten deutschen Flotte für England. 5. Konzept Admiral Raeders über einen Vortrag beim Reichskanzler am 27. 6. 1934 272. Β A — MA Freiburg, MA/Sammlung Raeder 3 27S, handschriftlich.

vorlegen. 1. Liste der Geschütze mit Munition Lafettierung vorhanden? zu fertigen? ? leichte (8,8 cm) für Flak [ ] "« s*n Land u. ? ? 15 cm für Hilfskreuzer u.s.w. 2. Schiffe Kraft durch Freude. Dr. Ley 4—60001275 Höhe V.«· Auf 277 Geld nicht so sehr zu achten. a).278 1 5 sm wie Möwe unauffällig 279 b). 35 sm Masch. Aggregate für Marschfahrt u. f. Hilfskreuzer 280 3. Flugzeug — Schiff. Flg. sieht nichts, bei Nebel selbst ans Leben. zu stark 14 X 10,5281 (Engl. Manöver, frz. Manöver). Flugzeugmutterschiff — Benzin- kiste, die durch Artilleriefeuer leicht erledigt werden kann. Flugzeug begrenzte Munition 282. 4. Generalstab.-Luft.28' 5 . 284 Pläne D, E, G, K,28S H. 18. X. Depl. genannt, auch G.K.285 H Armierung 12 X 15 cm28· 28 cm. Leistungssteigern — Uberzeugung 287. Nichts™ sagen über 25 t — 26 000 t. Vt28· = 26 sm.™ zunächst: verbesserte 10000t er. 6. U.boote2·1 besser warten bis Saar. 7. Devisen -Kn, Em.2·2 Wünscht Auslandsreisen (Flotte kann abgeblasen werden), eri.2" 8. Entwicklung Fl. später ev. gegen E.2M Typen ta.296 Tradition hochhalten2M. Idi: von 1936 an gr. Schiffe mit 35 cm. Wenn Geld ja

172 Das Dokument ist mit dem Datum »18. 6. 34« versehen (2. Hand). Blatt 37. "* Unleserlich, »resp.«? m Die KdF-Schiffe sollten im Kriegsfall zu Hilfskreuzern umgerüstet werden. "· V oder v? »Auf« oder »KdF«. Dann andere Lesart »Höhe v[on] KdF-Geld«. 178 Hinter a). durchgestrichener Buchstabe »I«? Der Hilfskreuzer »Möwe« hatte sich im 1. Weltkrieg bewährt, weil das Schiff langsam und »unauffällig« war. :eo 35 sm nur durch Hochdruckdampfanlagen zu erzielen. Für die Marsdifahrt und für die Hilfskreuzer benötigte man Motoren, die nodi entwickelt wurden. M1 Stidiworte für die Erörterung taktischer Probleme im See-Luft-Kampf. 288 Äußerung Hitlers? Vgl. Dok. 4. tM Stidiworte für die Erörterung von Spitzengliederungsproblemen. ,M Doppelstrich am linken Rand. ®ω »K« durchgestrichen. 2ββ Die Armierung bezieht sich auf die geplanten schweren Kreuzer. 197 Hinweis Raeders, daß er 28 cm bei »D« und »E« vorzieht, da das 28 cm Kaliber nach den Berechnungen der Konstruktionsabteilung die Panzerung von »Dunkerque« befriedigend durchschlagen konnte. 188 »s« mit Grünstift offenbar später hinzugefügt. Handschrift Raeders. 588 »Vt« sdiwer leserlich, vielleicht: V'? Am rechten Rand angestrichen. 8,0 D. h. »D« und »E« sollten offiziell weiter als 10 000 t-Sdiiffe geführt werden. 2el »U. Boote« mit Grünstift offenbar später hinzugefügt. Handschrift Raeders. Die Auslandskreuzer »Karlsruhe« und »Emden« benötigten Devisen, diese wurden später vom Auswärtigen Amt bereitgestellt. iM »erl« 3. Hand. Ein Besudi Hitlers bei der Flotte? S. S. 140. ws Unklar: »ta« oder »fr«, ta = Tonnage? fr = Frage? 156 iw Tradition der großen Schiffe? Tradition Tirpitz? Bündnis 1899. Lage 1914? 9. Stapellauf 8. XII. nein. »Nürnberg« 2,7 ev. Br. geheim Me. 10. » Admiral Scheer« kurz sehen. Termin. Silhouette 2,e. 11. Adjutant. erl.,M v. Trotha801 Kriegsspiel - Armee®02 Personal [ ]30S v. Freyberg [?] Gespräch mit d. Führer bei Abmeldung des Kmdt. »Karlsruhe« ** 18. 6.34»« Guse hat.»*

6. Aufzeichnung Admiral Raeders über einen Vortrag beim Reichskanzler, undatiert. BA-MA Freiburg, MA/Sammlung Raeder J307, handschriftlich.

Gespräch mit dem388 Führer im Juni 1934 b[ei] Abmeldung des Kommandanten der »Karlsruhe«. 1. Mitteilung des Ob d.M. über vergrößertes Deplacement von D u. E (Defensiv) waffen. Anweisung des Führers: es darf nidit von Deplacement von 25—26 000 Tonnen gesprochen werden, sondern nur von verbesserten 10 000 Tonnern»°®. Audi die Geschwindigkeit darf nicht über 26 sm angegeben werden. 2. Ob d.M. spricht Ansicht aus, daß die Flotte später doch gegen England entwickelt werden müsse, daß daher von 1936 an die großen Schiffe mit 35 cm Geschützen armiert werden müßten (wie King George-Klasse). 3. Führer fordert nöthige910 Geheimhaltung des Ubootsbaus audi mit Rücksicht auf Saarabstimmung.

7. Weisung des Chefs der Marineleitung betr. die Änderung der Konstruktionsdaten der Panzerschiffe »D« und »E« vom 5.311 7. 1934. BA-MA Freiburg, MAJFasz. 5993, Bd Í

Nachdem der Reichskanzler dem Chef der Marineleitung gelegentlich der Rückmel- dung des Kommandanten »Karlsruhe« am 27. VI. [19]34 312 die Genehmigung erteilt

3,7 »Nürnberg« offenbar später hinzugefügt, wahrscheinlich Handschrift Raeders. Der Stapellauf von Nürnberg fand am 8. 12. 1934 statt. 8,9 »Br« = »Bremse«? Die Geschwindigkeit von »Bremse« wurde geheimgehalten. ,n Bezieht sich auf Wünsche Hitlers. J0° »erl« 3. Hand. 901 Vier mit Bleistift geschriebene, schwer leserliche Worte, später durchgestrichen, wahrschein- lich weil die Stichworte erledigt waren. S. S. 141 u. Anm. 141; S. 146, Anm. 175. MS Hinweis auf das Kommandoamts-Kriegsspiel 1934? 309 Unleserlich. Personalfragen? 304 2. Hand 303 Wahrscheinlich später hinzugefügt, wie auch »Nürnberg«. 3M S. S. 141, Anm. 153. 307 Blatt 39. Vgl. hierzu S. 140. In der linken oberen Ecke befindet sidi der ebenfalls handschrift- liche Vermerk »Guse hat«. Joe »Dem« eingefügt. 303 »sondern ... Tonnern« eingefügt. 310 »nöthige« eingefügt. in Verbessert aus »9«. Über dem Dokument: »60/34«. Stempel: »Geheime Kommandosache«. Eingangsstempel: »Marineleitung Gruppe für Seekonferenzen Eing. 9. Juli 1934«. Ab- zeichnungsvermerke von *F[reyberg]« und »St[ange] 11/7«. Die Vorlage — Β Nr. M 230/34 G.Kdos. — ist gerichtet an Κ (Marinekonstruktionsabteilung); A (AIV) A I (Marine- Kommandoamt); B, BW (Allgemeines Marineamt B, Werft-, Waffen- und nautische Ab- teilung); E, SK (Marinehaushaltsabteilung; SK-Gruppe für Seekonferenzen) und trägt die Prüfungsnummer 7. 157 312 Vgl. Dok. Nr. 5, 6 u. BA-MA Ν 165/2 (Groos), S. 307—309. hat, die beiden Panzerschiffe »D« und »E« als 3 Turmschiffe, also mit neun 28 cm zu bauen und nachdem nunmehr feststeht, daß Frankreich zum mindesten die zweite »Dunkerque« in Bau gibt, hat der Chef der Marineleitung im Ansdhluß an den Vor- trag vom heutigen Morgen (A, A IV, Κ, BB, BW) heute Nachmittag folgendes an- geordnet: 1. Die beiden Panzersdiiffe sind als 3 Turmschiffe (also 9—28 cm) zu bauen. 2. Die Geschwindigkeit und die Panzerstärken sind möglichst der »Dunkerque« anzu- gleichen. 3. Er bittet Κ Wege zu sudien und zu finden, die es ermöglichen, die beiden 20,3 cm Kreuzer am 1. IV. [19]35 in Bau zu geben, unter Zuhilfenahme der Privatwerften. 4. Mit allen Mitteln ist anzustreben, die Pläne für das erste Großkampfsdiiff zum 1. IV. 36 baubereit zu haben. M»«

su Unter »M« Abzeichnungsvermerk von »D[ensdi] 5/7. zdA gKdos« Vermerk von »St[angc] 12/7. zu F VII a 11 -5 [Nr. des Aktenplans]« Handschriftlich unten »S. K. 60/34 Gkdos«.