dp specialNo.8 Supplement der Zeitschrift Deutsche Polizei 11/99

Zehn Jahre danach ZEHN JAHRE DANACH

Zum Schluss erteilten sogar die Pförtner Visa 3 Brandenburg 4 Vom Machtinstrument der Arbeiterklasse zur bürgernahen zivilen Polizei Mecklenburg-Vorpommern 6 Schwarz-Weiß-Malerei bringt keinen voran Sachsen-Anhalt 8 „Was willst du gegen 70.000 machen?“ Sachsen 10 10 Jahre – wo sind sie geblieben? – Eine eher kritische Betrachtung Thüringen 12 Über Nacht bundesdeutsches Recht 14 Nur die Schulterstücke blieben, wie sie vorher waren Interview 16 „Das hätte ich mir in meinem ganzen Schutzmannsleben nie träumen lassen“

IMPRESSUM: Gewerkschaft der Polizei, Pressestelle, Verlag & Anzeigenverwaltung: dp-special No. 8 zur Ausgabe Forststraße 3a, 40721 Hilden, VERLAG DEUTSCHE POLIZEI- Deutsche Polizei 11/99 Telefon (0211) 7104-101 bis 105, LITERATUR GMBH, Fachzeitschrift und Organ Telefax (0211) 7104-138 Forststraße 3a, 40721 Hilden der Gewerkschaft der Polizei E-Mail: Telefon (0211) 7104-183 CompuServe: 106655,542 Telefax (0211) 7104-174 Internet: [email protected] Herausgeber: Anzeigenleiter: Gewerkschaft der Polizei, Forststraße 3a, Gestaltung & Layout: Michael Schwarz 40721 Hilden, Telefon (0211) 7104-0, Rembert Stolzenfeld Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 25 Telefax (0211) 7104-222 vom 1. Januar 1997 Titel: Foto: amw Redaktion: Gestaltung: Rembert Stolzenfeld Herstellung: Adalbert Halt (verantwortlich) L.N. Schaffrath GmbH & Co.KG, Rüdiger Holecek Hartstraße 4-6, 47608 Geldern, Telefon 02831-396-0, Telefax 02831-89887

November 1999 - No. 8 - dp-special 2 Zum Schluss erteilten sogar die Pförtner Visa

ls das Jahr 1989 beginnt, der Volkspolizei Millionen von 1990 wird aus der Volkspolizei scheint die Welt in der Visa erteilt. Die Beschäftigten des wieder die Polizei, und die Polizei- A DDR noch in Ordnung. Dienstzweiges Pass- und Melde- dienstränge werden wieder einge- Alles geht seinen gewohnten so- wesen arbeiten unterstützt von an- führt. Die Währungsunion am 1. zialistischen Gang. Alles? Offen- deren Bereichen täglich 16 Stun- Juli 1990 wird eine der ersten gro- sichtlich ist das doch nicht so, und den und mehr. das bekommt auch die Polizei zu Zum Schluss ertei- spüren. Immer mehr Bürger stel- len sogar die Pfört- len einen „Antrag auf Entlassung ner Visa. Ab 14. aus der Staatsbürgerschaft“, im- November dürfen mer mehr DDR-Bürger kommen auch Volkspolizi- von Besuchen aus der BRD nicht sten die BRD besu- mehr zurück, und die Unzufrie- chen, bis dahin war denheit der Menschen über ihnen jeder Kon- Produktions- und Versorgungs- takt mit Verwand- engpässe wächst. Die DDR-Füh- ten und Bekannten rung weiß keine Antworten mehr in der Bundesrepu- auf die Fragen und Probleme der blik und sogar der Menschen. Die Orientierungs- Empfang des „West- losigkeit wird auch in der Volks- fernsehens“ verbo- polizei immer deutlicher spürbar. ten. Im Dezember Trotz aller Jubelmeldungen zum 89/Januar 90 erklä- 40. Jahrestag der DDR, die ren ca. 90 Prozent Massenflucht von DDR-Bürgern der Beschäftigten über die österreichisch-ungarische der Polizei ihr In- Grenze, die Besetzung der Bot- teresse an einer schaften in Budapest und Prag Gewerkschaft. bringen auch viele Volkspolizisten Die erste und zum Nachdenken. Das können letzte frei gewähl- nicht alles nur „Staatsfeinde“ sein, te DDR-Regierung die dem Kapitalismus auf den erlässt ein Polizei- Leim kriechen. gesetz nach westli- Am 7. Oktober 1989 berichten chem Vorbild und die Medien der Bundesrepublik ein Gesetz zur über Demonstrationen unzufrie- sinngemäßen An- dener Bürger gegen das DDR-Re- wendung des Bun- gime und den brutalen Einsatz von despersonalver- Volkspolizisten gegen friedliche tretungsgesetzes. Demonstranten. Für den 9. Okto- Am 22. Januar ber ist die erste Montagsdemo in 1990 wird in Berlin Leipzig angekündigt. Auch die die Gewerkschaft meisten Volkspolizisten haben der Volkspolizei Angst davor, dass Honecker eine gegründet. Mit „chinesische Lösung“ befehlen Ende der DDR wird könnte. Sie sind froh, dass alles sie sich wieder auf- friedlich bleibt. lösen. Im April Mit den Montagsdemos beginnt in der DDR eine Veränderung, 28 Jahre nach dem Mauerbau löste das Inkrafttreten des neuen DDR- Reisegesetzes einen Ansturm von DDR-Besuchern in den Westen aus. deren Ausmaß die Menschen erst Hier eine Menschenschlange am neuen Grenzübergang Bernauer Strasse viel später begreifen sollen. Am 9. kurz vor der Öffnung, aufgenommen am 11. November 1989. November 1989 fällt die Mauer. Fotos (8): dpa Innerhalb von Tagen werden von

3 dp-special - No. 8 - November 1999 ZEHN JAHRE DANACH

ßen Aufgaben der im Wandel be- findlichen Polizei. BRANDENBURG Nicht nur die Menschen in der noch bestehenden DDR, auch die Polizisten sind verunsichert. Ge- walt in Fußballstadien und bei Veranstaltungen wird zu einem Vom Machtinstrument Problem. Die Einsätze gegen De- monstranten am 7. Oktober 1989 der Arbeiterklasse zur haben das Vertrauen zur Polizei erschüttert. Die berufliche Zukunft ist völlig unklar. Die Kommunisten zivilen bürgernahen hatten nach dem 2. Weltkrieg alle ehemaligen Polizisten entlassen. Viele Polizisten haben Angst, das Polizei könnte jetzt wieder passieren. Häufig werden die kriminellen Machenschaften der DDR-Füh- Von Andreas Bernig Hinzu kommt eine straff orga- rung auch jedem Staatsdiener an- nisierte Verwaltung. Die Polizei- gedichtet. Nur langsam wird nor- präsidien des Landes Branden- male polizeiliche Arbeit wieder Nach der burg gliedern sich in 21 Schutz- möglich, aber da ist das Ende der friedlichen Re- bereiche mit 21 Haupt- und 27 DDR bereits nahe. volution 1989 Polizeiwachen. Damit wurde eine und der Wie- bürgernahe Organisationsstruktur ehn Jahre ist das poli- dervereini- gefunden, die auch dadurch ge- tisch, gesellschaftlich gung der bei- kennzeichnet ist, dass ein Revier- Z und menschlich so ein- den deutschen polizist als direkter Ansprechpart- schneidende Ereignis jetzt her. Staaten galt es ner für circa 5.000 Bürger zur Ver- Diesem Jahrestag ist dieses dp- auch im Land fügung steht. special gewidmet. Die Redaktion Brandenburg eine neue Polizei zu Im Laufe der Jahre wurde die bat Autoren der GdP aus den neu- schaffen, die nicht dem Staat ver- Polizeiorganisationsstruktur ent- en Ländern und aus dem Bundes- pflichtet war, sondern den Bür- sprechend neuen Anforderungen grenzschutz, sich zur Polizei in gern und ihren individuellen angepasst. So wurden z. B. dem ihrem Bereich zu äußern. Sie ha- Rechten und Freiheiten. LKA originäre Aufgaben zur Be- ben das Thema auf recht unter- Im Land Brandenburg wurden kämpfung der organisierten Kri- schiedliche Weise angegangen. aus drei Bezirksbehörden der minalität übertragen und zur Be- Ferner hat die Redaktion mit zwei Deutschen Volkspolizei und den kämpfung der Massenkriminalität Kollegen gesprochen, die Augen- Volkspolizeikreisämtern mit ca. erfolgte in den Schutzbereichen zeuge des Falls der Berliner Mau- 17.000 Beschäftigten fünf Polizei- die Einrichtung von Regional- er waren, dieses Symbols des Ei- präsidien, ein Wasserschutz- kommissariaten. Im Mai 1995 wur- sernen Vorhangs. Der eine Augen- polizeipräsidium, der Zentral- de die Landeseinsatzeinheit zeuge tat im Osten Dienst, der dienst der Polizei für Technik und (LESE) gebildet. Hier wurden die andere im Westen. Beschaffung, das Landeskriminal- , die Polizei- amt (LKA), die Bereitschaftspoli- sonderdienste und ein Führungs- zei und die Landespolizeischule stab zu einer neuen Einrichtung mit ca. 10.000 Beschäftigten. Mit der Polizei zusammengefasst. Am dieser neuen Organisationsform 8. März 1999 erfolgte die offiziel- wurde kein Polizeimodell aus den le Gründung der Fachhochschule alten Bundesländern übernom- der Polizei. men, sondern ein brandenburg- Entscheidende Aufgabe bei der typisches Modell geschaffen, wel- Schaffung einer bürgernahen Po- ches als besonderes Merkmal die lizei war die Übernahme des Per- Integration von Schutz- und Kri- sonals aus der Deutschen Volks- minalpolizei beinhaltet. Sie stehen polizei. In einem längeren Prozess unter einheitlicher Führung. der Personalüberprüfung und der

November 1999 - No. 8 - dp-special 4 Aus- und Fortbil- dung wurde ein Personalkörper ge- schaffen, der in der Lage war, trotz der komplizierten Umstrukturie- rungsprozesse je- derzeit die innere Sicherheit im Land Brandenburg zu gewährleisten. Am 18. Dezem- ber 1990 nahm eine Personalkom- mission, genannt „Bischofskonfe- renz“, ihre Arbeit auf. Sie bestand aus den drei Su- perintendenten der evangelischen Kirche, dem Lan- desbezirksvorsit- Nach langen Jahren wieder für alle Deutschen frei zugänglich: Schloß zenden der GdP und einem Sanssouci bei Potsdam. Foto: Petra Schäuble Verwaltungsjuristen aus dem Land Nordrhein-Westfalen. Die zelfallprüfung, die erst Ende 1996 den Beschluss zur Stärkung des Aufgabe dieser Kommission be- abgeschlossen war, schieden inneren Friedens und der inneren stand darin, die ca. 10.000 Per- nochmals mehrere hundert Kolle- Sicherheit im Land Brandenburg. sonalfragebögen zu bearbeiten ginnen und Kollegen wegen un- Mit diesem Beschluss wurde auch und Empfehlungen über Weiter- wahrer Angaben im Personal- die mittelfristige Einführung der beschäftigung oder Ausscheiden fragebogen aus der Polizei aus. zweigeteilten Laufbahn im Land aus der Polizei auszusprechen. Im Bei der Schaffung einer neuen Brandenburg festgeschrieben. Prozess der Personalüberprüfung Polizeiorganisation war zu beach- Seinerzeit bestand noch das Ziel, wurde konsequent das Prinzip der ten, dass sie in einer Phase erfolg- bis zum Jahr 2000 50 Prozent der Einzelfallüberprüfung eingehal- te, in der die Kriminalität enorm Beschäftigten im gehobenen ten. anstieg und auch die Zahl der Ver- Dienst zu haben. In der Realität kehrsunfälle stark zunahm. In der werden bis zum Jahr 2000 40 Pro- Viele mussten die Polizei Gewährleistung der öffentlichen zent Anteil gehobener Dienst er- Sicherheit durfte es keine Unter- reicht. Obwohl das für die GdP verlassen brechung geben. noch nicht zufriedenstellend ist, Im Ergebnis der Arbeit der Bi- In einem groß angelegten Um- kann festgestellt werden, dass das schofskonferenz mußte eine Rei- schulungsprogramm wurden 667 Land Brandenburg unter den neu- he von Kolleginnen und Kollegen Kolleginnen und Kollegen aus der en Ländern mit dieser Quote an die Polizei verlassen. Ab 1991 er- Verwaltung und solchen ohne bis- der Spitze steht. folgte dann die Abfrage bei der herige polizeiliche Ausbildung Die Effizienz der neuen Polizei- Gauck-Behörde zur Mitarbeit eine berufliche Perspektive im struktur im Land Brandenburg beim ehemaligen Ministerium für Polizeivollzugsdienst gegeben. und die Entwicklung des entspre- Staatssicherheit. Gegenstand der Weitere 400 Bürger wurden im chenden Personalbestandes zeigt folgenden Überprüfung war nicht Rahmen des Lebensälteren- sich in der positiven Entwicklung mehr die Tatsache, ob eine Zu- programms eingestellt. So wuchs in der Kriminalitätsbekämpfung sammenarbeit mit dem MfS be- der Personalbestand im Polizei- und der Zurückdrängung des stand, sondern die Frage, ob fal- vollzugsdienst von circa 7400 auf Verkehrsunfallgeschehens. sche Angaben im Personal- 8552 im Jahr 1999. fragebogen gemacht wurden. Im Am 17. März 1993 verabschie- Ergebnis dieser erneuten Ein- dete der Brandenburger Landtag

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MECKLENBURG-VORPOMMERN

Schwarz-Weiß-Malerei bringt keinen voran

Von Rainer Schmidt nach „jetzt zusammenwächst, was antworten. Ich glaube eher, er ist zusammengehört“. Polizist! Fortbildung der ehemaligen Ungewissheit war Volkspolizisten war und ist drin- Die Eupho- gend notwendig. Zunächst eher rie der Wende angesagt rechtlich, doch zunehmend auch ist Geschichte. Als am 9. November 1989 der im „Handwerk“ der Polizei. Eine Sehr schnell Eiserne Vorhang fiel, wussten si- Reihe von Aufbauhelfern Ost an- folgten ihr Er- cher auch die Polizeibeschäftigten derer Bundesländer haben sich, n ü chterung der früheren DDR nicht, was die- mit mehr oder weniger Erfolg, in und neue Rea- se Tatsache für ihre weitere beruf- den vergangenen neun Jahren lität. Doch was liche Tätigkeit mit sich bringt. Die daran versucht. wahr ist, muss wahr bleiben und Polizei in der DDR war Machtin- darf nicht wieder verfälscht wer- strument der Herrschenden, fest Nötiges Wissen den. Das kannten die ehemaligen dem Willen der Einheitspartei un- DDR-Bürger, eingeschlossen de- terworfen. Wer diesen Willen nicht angeeignet ren Volkspolizisten, zur Genüge. voll inhaltlich akzeptierte, bekam Die Polizeibeamten in M-V sind Kaum einer, ausgenommen ein- das recht deutlich zu spüren. nach meiner Meinung nicht nur gefleischte Kommunisten und Die DDR-Polizisten waren, zu- lernfähig sondern auch lernwillig. vielleicht einige der heutigen mindest nach weitergehender Ihnen dürfte inzwischen klar ge- PDS-Wähler, wünschten sich frü- Ausbildung als nur im sogenann- worden sein, dass in einer demo- here Verhältnisse zurück. ten „Dienstanfängerlehrgang“, kratisch aufgebauten Polizei mehr Ich erinnere mich sehr gut, als richtig ausgebildet und motiviert, als nur der Wille gute Arbeit zu Schüler der 4. Klasse im Jahre gute Polizeiarbeit zu leisten. Ich leisten, nötig ist. Allerdings ge- 1956 Berichterstattungen im Radio erinnere an dieser Stelle nur an nügt es ihnen nicht, „Neu- – Zeitung las ich noch nicht, Fern- die exakte Arbeit der Polizeibe- Deutsch“ den Gerichtsmediziner sehen gab es für uns noch nicht – amten in Greifswald bei der Fest- als „Rechtsmediziner“ zu bezeich- über Volkskammertagungen ge- nahme des bundesweit lange ge- nen oder nicht mehr um dreivier- hört zu haben, in denen Wilhelm suchten Schwerverbrechers Zur- tel Sieben, sondern jetzt um Vier- Pieck und Otto Grotewohl damals wehme. Kein geringerer als der tel vor Sieben zum Dienst zu kom- die Wiedervereinigung Deutsch- ehemalige Abschnittsbevoll- men. Auch Aussagen wie „Ich lands forderten. Die Forderungen mächtigte (ABV) und heutige weiß, dass es so richtig ist und das verblassten, in einem der ersten Polizeioberkommissar Horst genügt“, sind wenig überzeu- Atlanten gab es Deutschland auch Ebeling griff zu. Er ließ sich nach gend. Korrektes Handeln, exaktes noch westlich der Elbe. In späte- einem Bürgerhinweis nicht beir- Einhalten gesetzlicher Regelun- ren Ausgaben war hinter der in- ren und handelte korrekt und be- gen und von Dienstvorschriften ist nerdeutschen „Grenze“ kein stimmt, so wie er es in „unserem den Kolleginnen und Kollegen Ortsname mehr zu lesen. Genau ersten Leben“ gelernt hatte. nicht neu. Denn sie sind und wa- so gut wie an die frühere Bericht- Ob ihn dazu die Anpassungs- ren weder faul noch dumm! Und erstattung erinnere ich mich an fortbildung nach der Wende oder sie sind (noch) motiviert, richtige die Worte Willy Brandts und Hel- die sogenannte „Allgemeine Polizeiarbeit zu leisten. Für die mut Kohls, bei einem Auftritt in Fachliche Fortbildung“ in M-V Sicherheit, nicht nur die subjek- Berlin kurz nach der Wende, wo- befähigt haben, mag er selbst be- tiv empfundene, des Bürgers im

November 1999 - No. 8 - dp-special 6 Lande. An diesem Punkt gilt es bleiben dabei nicht aus, an denen werden. Eher nach konkreter Ein- nach meiner Auffassung, auch mit es zu arbeiten gilt – gemeinsam, schätzung der Spurenentstehung der Aus- und Fortbildung anzuset- weder allein die „überheblichen und des Spurenträgers, mit dem zen. Die künftigen Polizei- und Wessis“ noch allein die „doofen Ziel bestmöglicher Beweisfüh- Kriminalbeamten des Landes M- und faulen Ossis“. Begriffe, die es rung. V müssen in die Lage versetzt im Gebrauch deutscher Sprache, Schwarz-Weiß-Malerei hilft werden, den an sie gestellten For- ich erinnere an den Satz vom Zu- keinem, weder dem „Wessi“, noch derungen in jeder Situation ge- sammenwachsen, überhaupt nicht dem „Ossi“. Die dazwischen lie- recht zu werden. geben sollte. Allein durch ihre un- genden Graustufen gilt es zu er- akzeptable Bezahlung werden kennen, sie im täglichen Dienst zu Trennendes vermeiden die Polizeibeamten im Osten beachten. Gegenseitige Akzep- Deutschlands mehr als diskrimi- tanz und Anerkennung sind eher und gemeinsam arbeiten niert. gefragt, denn einseitige Recht- Veröffentlichungen an Wandta- Die Polizeiarbeit im „Westen“ haberei. Nur so kann und wird zu- feln, wie ich sie unlängst lesen war nicht schwarz, die im „Osten“ sammenwachsen, was zusam- konnte „So lange Ihr so tut, dass nicht weiß. Ob man zur Sicherung mengehört.

Ihr uns richtig bezahlt, tun wir so, Das Selbstvertrauen der Polizeibeamten in M-V ist gewachsen. Deutlich als würden wir richtig Dienst ma- spricht dafür die von Polizeihauptmeister Helmar Wöpe (rechts) an chen“, halte ich, als auch nur 86,5- Finanzministerin Sigrid Keler (SPD, links) anlässlich einer GdP-Aktion im prozentiger Kollege, für verständ- März 1998 in Schwerin gerichtete Forderung, die Polizeibeamten endlich lich, aber nicht für akzeptabel. gerecht und ihrer Leistung entsprechend zu bezahlen. Ähnliche Aktionen Natürlich wird es Zeit, diese fanden und finden immer noch überall in Ostdeutschland statt. Foto: Rainer Schmidt Ungleichbehandlung zu beenden. Sehen wir nicht nur die letzten daktyloskopischer Spuren schwar- zehn Jahre, ordnen wir sie ein in ze, weiße oder transparente Folie die deutsche Geschichte, betrach- verwendet, sollte nicht nach frü- ten sie als Neubeginn beim Auf- heren Gewohnheiten, nicht mit bau einer demokratischen Polizei dem Ziel einen Arbeitsgang beim in einem Rechtstaat. Probleme Fotogramm einzusparen, beurteilt

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SACHSEN-ANHALT „Was willst du gegen 70.000 machen?“

Antworten auf diese Fragen beliebte Urlaubsküste. Sie fuhren Von Lothar Jeschke kann nur finden, wer die Ereignis- stattdessen mit einem Touristen- se selbst miterlebt hat. Ideologi- visum nach Ungarn. Schon am 27. Viele der sche Vorurteile, egal wie sie auch Juni hatten hier der ungarische jüngeren Kol- eingefärbt sind, helfen hier nicht und der österreichische Außenmi- legen können weiter. nister den Eisernen Verhang sym- es sich heute bolisch durchtrennt. Ungarn gab schon nicht Der Staat im Dilemma der DDR unmissverständlich zu mehr vorstel- verstehen, dass man keinen DDR- len. Wie war Der Sommer 1989 war recht Auch in der Nähe des Magdebur- das in der warm. An der Ostsee gab es eine ger Doms, eines Wahrzeichens der DDR? Wie war das vor zehn Jah- Marienkäferplage, ein bis dahin jetzigen Landeshauptstadt von ren im Herbst 1989, als sich alles kaum erlebtes Phänomen. Aber Sachsen-Anhalt, fanden 1989 veränderte? Welche Rolle spielte viele DDR-Bürger zog es in die- Montagsdemonstrationen statt. die Volkspolizei? sen Tagen nicht an die sonst so Foto: GdP

November 1999 - No. 8 - dp-special 8 Bürger mehr aufhalten würde, der Riesiger Andrang über die Grenze nach Österreich herrscht am 11. ging. November 1989 In den Volkspolizeikreisämtern an einem Grenz- übergang von stapelten sich die Nachprüfungs- Ost- nach West- aufträge. Die Abschnittsbevoll- Berlin. Ein DDR- mächtigten (ABV) hatten zu klä- Grenzbeamter ren, wo die Urlauber geblieben stempelt Auswei- waren, die aus Ungarn und der se am Fließband CSSR nicht zurückkehrten. Lang- ab. sam zeichnete sich ab, in welchem Dilemma der Staat steckte. Zehn- tausende hatten Ende August die DDR schon in Richtung Westen verlassen. Hinzu kamen die Montagsdemonstrationen, die von Leipzig ausgehend sich immer weiter ausbreiteten.

Wie 1981 und 1968

Die Führung der Volkspolizei reagierte auf die Ereignisse so, wie sie immer reagiert hatte. Verstärk- rum“ standen an den Häuserwän- gehen würden. An diesem Mon- ter Dienst und erhöhte Einsatzbe- den. Fieberhaft wie immer wurde tag marschierten in Leipzig über reitschaft wurden angewiesen. ermittelt, um der Losungs- 70.000 Menschen, und die Volks- Wir, die damals schon über zehn schreiber habhaft zu werden. Zu- polizisten schritten nicht ein. Al- Jahre Volkspolizisten waren, sammen mit der MfS-Kreis- les lief friedlich ab. Damals wur- kannten das. Wir erinnerten uns dienststelle suchte man nach de der Leiter des Volkspolizei- an den Dezember 1981, als in Po- Werkzeugen und Farbe. Keiner amtes unserer Kreisstadt in einer len der Ausnahmezustand ausge- ahnte, dass es der letzte derartige Versammlung gefragt, warum die rufen wurde, und die Älteren Einsatz werden sollte. Partei das zugelassen habe. Der dachten an den August 1968. Vie- Alles, das war deutlich zu mer- Oberstleutnant, sicher kein An- les sah ähnlich aus, aber es gab ken, strebte einem Höhepunkt, hänger des „Neuen Forums“, ant- einen wesentlichen Unterschied: einer Entscheidung zu. Der 40. wortete: „Was willst du gegen Aus Berlin kamen keine Weisun- Jahrestag am 7. Oktober stand 70.000 machen?“ gen mehr. Die „zentralen Partei- unter dem Eindruck der ange- Nun ging es Schlag auf Schlag. und Staatsorgane“ schienen in ei- spannten Situation. Welcher Ge- Honecker trat zurück, in den Zei- ner Agonie zu liegen. In den SED- gensatz dazu die Feiern in Berlin tungen wurde Propaganda durch Kreisleitungen wartete man auf und die Jubelrede Honeckers! objektive Berichterstattung er- ein Machtwort oder eine Orientie- Alle, auch die diszipliniertesten setzt, die Parteigruppen in den rung, aber vergebens. Die Zeitun- SED-Mitglieder, spürten, dass es Betrieben und auch bei der Volks- gen verbreiteten die übliche Pro- so nicht mehr weitergehen konn- polizei wurden aufgelöst. Die Er- paganda gegen die „Provokateu- te. Auch in der Volkspolizei war eignisse bekamen eine Eigendy- re“ und machten die BRD für die das klar, obwohl zu diesem Zeit- namik, deren vorläufiger Höhe- Fluchtwelle verantwortlich. Wie punkt noch nicht offen darüber punkt die Öffnung der Mauer am immer war der Westen schuld, gesprochen wurde. Die Entschei- 9. November 1989 war. wenn in der DDR etwas schief lief. dung kam bald. Die Volkspolizei sicherte nun Kurz vor dem 7. Oktober hatte die Demonstrationen und die Ak- Höhepunkt kam die Politische Hauptverwaltung tionen der Bürgerkomitees ab. nach Jahrestag der Volkspolizei in einem Flug- Sicherheitspartnerschaften wur- blatt die Zerschlagung der „kon- den zur Dauererscheinung. Zum Im September 1989 schließlich terrevolutionären Gruppen“ in ersten Mal in ihrer Geschichte geriet auch in den Kreisstädten die Leipzig und Dresden bekannt ge- wurde die Volkspolizei ihrem Na- sozialistische Ordnung aus den geben. Nun würde sich zeigen, ob men vollauf gerecht. Fugen. Losungen wie „Neues Fo- Leipziger wieder auf die Straße

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SACHSEN 10 Jahre – wo sind sie geblieben? Eine eher kritische Betrachtung Von Walter Schlesinger

Ich erinnere wankte. Ich auch? Ich war Volks- ar 1990 wurde in Berlin die „Ge- mich noch ge- polizist, Teil dieser staatlichen werkschaft der Volkspolizei“ aus nau an den Macht. der Taufe gehoben. Fast alle Tag im Herbst Damals gab es nur Fragen und 1989, als die keine Antworten. Bis auf eine. Nach der Vereinigung ging man ans Werk: Unter einem Wetter- Nachricht wie Und diese wurde von Tag zu Tag schutzdach erfolgt seitdem auf ein Lauffeuer immer lauter. dem Dresdner Neumarkt der den Erdball Wir brauchen eine demokrati- Wiederaufbau der im Februar umrundete: sche Interessenvertretung. Bereits 1945 zerstörten Frauenkirche. „Die innerdeutsche Grenze ist im November 1989 gab es in ein- Er wird rund 250 Millionen Mark auf!“ zelnen Dienststellen die ersten kosten. Das Foto entstand im Die Staatsmacht der DDR „Sprecherräte“ und am 20. Janu- Februar 1997.

November 1999 - No. 8 - dp-special 10 Polizeibeschäf- tigten, von der Küchenfrau bis zum Oberst, wur- den Gewerkschafts- mitglied. Im Fe- bruar 1990 fanden die ersten Groß- demos von Ange- hörigen der Volks- polizei in Leipzig und Karl-Marx- Stadt statt. Der Demokratisierungs- prozess schritt un- aufhaltsam voran. Mit der Wieder- vereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 und der Bildung der fünf neuen Bundeslä nder wurde auch be- gonnen, die Polizei in Sachsen nach „westlichem“ Vor- bild umzustruktu- Mit lauten Sprechchören und Transparenten demonstrieren DDR-Bürger rieren. „Berater“ am 14. Februar 1988 in Dresden nach einem Gottesdienst zum Geden- aus den Altbundesländern waren ken an die Dresdner Bombennacht 1945 für Frieden und Demokratie und in genügender Zahl vorhanden. die Freiheit der Ausreise. Leider war das Qualitätsgefälle sehr groß, aber die Aufstiegsmög- lichkeiten schier unbegrenzt. Alle Tag kein Ende gefunden. Nur Ordnung beitragen. Und wer das wollten uns natürlich beibringen, wenige Beispiele seien angeris- möchte, wird seit kurzem „Ange- wie „richtige“ Polizeiarbeit aus- sen. höriger der Sicherheitswacht“. sieht. Manche glaubten wirklich, Polizeiposten sind uneffektiv. Und viele „Ideen“ harren noch wir hätten nur in Erdhütten gelebt Bis auf wenige Dienststellen in ihrer Verwirklichung. Das Ver- und uns von den Früchten des größeren Städten wurden sie li- suchsfeld Polizei ist offensichtlich Waldes ernährt. quidiert. Seit zwei Jahren werden dafür bestens geeignet. Dabei brauchte man uns das in Sachsen auch in kleineren Städ- Was bleibt, ist bei vielen Kolle- polizeiliche Grundhandwerk ten wiederum Polizeiposten ein- ginnen und Kollegen Resignation wirklich nicht beizubringen. Die gerichtet. und Frust. Mündige Beamte woll- Ermittlung von Straftätern, die Abschnittsbevollmächtigte ten wir werden, viel blieb davon Suche und Sicherung kriminalisti- (ABV) sind überflüssig. Ihre Auf- nicht übrig. Auch im Jahre 10 scher Spuren oder die Aufnahme gaben kann der Streifendienst nach der Wende besteht noch im- und Bearbeitung von Verkehrsun- übernehmen. Gebt dem Kind ei- mer die reelle Möglichkeit, dass fällen gehörten auch in der ehe- nen anderen Namen, und schon man für 86,5 Prozent erschossen maligen Volkspolizei zur alltägli- ist er wieder da, der „Bürger- werden kann. chen Aufgabenerfüllung. polizist“. Doch was sind schon zehn Jah- Trotzdem wurde die Polizei in Freiwillige Helfer der Deut- re. Kosmisch betrachtet nur ein Sachsen nach hauptsächlich baye- schen Volkspolizei. Die haben Millisekundenanteil in der Ent- rischen und baden-württembergi- doch vielleicht nur rumgeschnüf- wicklungszeit unserer Galaxis. schen Modellvarianten umgestal- felt. Brauchen wir nicht. Was regen wir uns überhaupt auf. tet. Leider hat dieser Umstruktu- Auch der Bürger soll zur Ge- Es ist doch so viel Zeit. rierungsprozess bis zum heutigen währleistung von Sicherheit und

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THÜRINGEN Über Nacht bundesdeutsches Recht

Von Edgar Große quittieren Ende 1990 den Dienst meist zur Entlassung. Am 1. Juli und gehen in Vorruhestand. Gan- 1991 wird die thüringer Polizei in ze Dienstzweige werden aufgelöst eine neue Struktur überführt. Die Am 7. Okto- bzw. in die Kommunen überführt. ehemaligen drei Bezirksbehörden ber 1989 wer- -Mitarbeit wird in Thüringen werden aufgelöst und Thüringen den in den unnachgiebig verfolgt und führt wird in sieben Direktionsbereiche Nachmittags- stunden zu- sätzliche Poli- zisten alar- miert, Wasser- werfer der Bereitschaftspolizei werden in die großen Städte ver- legt und Hundertschaften der „Kampfgruppen der Arbeiterklas- se“ werden in Bereitschaft ver- setzt. Ursache dafür sind die fried- lichen Demonstrationen gegen das DDR-Regime am Rande der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR und der Polizeieinsatz zur Auflösung dieser Demos. Zwei Tage später findet in Leip- zig die erste Montagsdemo statt. Einen Monat später wird die Mau- er geöffnet, vor Ablauf eines Jah- res existiert die DDR nicht mehr. Diese rasante Entwicklung macht auch vor der Polizei nicht Halt. Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik entsteht am 3. Oktober 1990 die Thüringer Poli- zei. Über Nacht müssen die Poli- zisten bundesdeutsches Recht an- wenden. Beamte aus Bayern, Hes- sen und Rheinland-Pfalz bilden Aufbaustäbe für die zukünftige Polizeistruktur und beziehen Thü- ringen in diese Arbeit ein. Viele der über 50-jährigen Polizisten

DDR-Grenzsoldaten montieren im November 1989 den Grenzzaun bei Philippsthal ab.

November 1999 - No. 8 - dp-special 12 gegliedert. Darüber steht das Po- ein Amt der Besoldungsgruppe A nenministerium und der Innenmi- lizeipräsidium. Den Direktionen 11 bzw. A 14 möglich. nister kündigt an, er werde das Po- sind jeweils vier bis sieben Für 1992 gibt es den ersten lizeipräsidium auflösen. Nach lan- Gebietsinspektionen und je eine Polizeihaushalt. Nur im mittleren ger und kontroverser Diskussion Kriminal- und Verkehrspolizei- Dienst wird der Anteil der werden im April 1997 die meisten inspektion sowie eine Inspektion Beförderungsstellen in den kom- Aufgaben des Präsidiums auf die Zentrale Dienste nachgeordnet. menden Jahren in kleinen Schrit- Direktionen übertragen und am Daneben entsteht die Bereit- ten angehoben. Beim gehobenen 31. Dezember 1997 wird das Prä- schaftspolizei und das Polizei- und höheren Dienst verbleibt die sidium vollständig aufgelöst. verwaltungsamt. Das Landeskri- Zahl der Beförderungsstellen im Fazit: Eine der niedrigsten minalamt wird erst nach Auflö- wesentlichen auf dem Niveau von Kriminalitätsraten und eine der

sung des Zentralen Landeskrimi- GdP-Demonstration 1996 vor der Staatskanzlei in Erfurt. Foto: GdP nalamtes der fünf neuen Länder gebildet. 1992. So weist der Personalhaus- höchsten Aufklärungsquoten der Thüringen ist das erste der neu- halt der Thüringer Polizei heute gesamten Bundesrepublik bewei- en Bundesländer, welches in gro- die schlechteste Struktur aller sen die Leistungsfähigkeit der ßem Umfang Polizeibeamte be- Bundesländer auf. Ganz anders ist Thüringer Polizei. Dies wird vom ruft. Allein im Juli 1991 werden ca. die Situation bei der Ausrüstung Freistaat nicht honoriert. Thürin- 1800 Polizisten zu Beamten des und Ausstattung der Polizei. Fahr- gen hat die billigste Polizei aller mittleren Dienstes ernannt. Le- zeuge, Informations- und Kommu- Länder, und Besonderheiten der bens- und dienstältere Beamte nikationstechnik oder die Ausstat- deutschen Einheit wurden viel zu können dabei zum Polizeiober- tung mit Schutzwesten entspre- wenig berücksichtigt. Dadurch ist meister ernannt werden. Ab No- chen dem Standard der Polizei besonders die Versorgung der vember 1991 folgen auch Beamte oder liegen sogar darüber. Beamten gefährdet. des gehobenen und höheren Nach den Landtagswahlen Dienstes. Hier ist eine Berufung in 1994 übernimmt die SPD das In-

13 dp-special - No. 8 - November 1999 ZEHN JAHRE DANACH

BUNDESGRENZSCHUTZ Nur die Schulterstücke blieben, wie sie vorher waren

Von Sven Hüber neren Sicherheit und (oft durch ten. Diese Integration hatte alle äußere Entwicklungen bestimm- Merkmale wie in anderen Berei- te) sicherheitspolitische Lage- chen auch – Überprüfungen, entwicklung sind seit zehn Jahren Massenkündi-gungen (allein in Der Fall der permanenter Veränderung unter- 1991 fast 1.000 ehemalige PKE- Mauer am worfen – ein Treibriemen perma- Angehörige), Massenverbeam- 9.November nenter Organisationsversuche tungen, Massenfortbildung. 1989. Kaum je- und Personalveränderungen. Das Gleichzeitig übernahm der BGS mand hat die- Unbeständige dürfte das prägen- kraft Einigungsvertrag auch die ses geschichts- de Wesensmerkmal der Polizei Zuständigkeit für die trächtige Er- des Bundes geworden sein. und die Luftsicherheit. eignis so haut- Mit dem Wegfall der innerdeut- Die mit dem Wegfall des Eiser- nah erlebt, wie schen Grenze hat der BGS seine nen Vorhangs einsetzenden Zu- die Männer und Frauen an der „bivalente Organisationsiden- wanderungsströme über die neu- deutschen Grenze. Und kaum tität“ verloren. Seine zwischen en Ostgrenzen brachten dort ein eine andere Organisation war von Militär und Polizei angesiedelte erhebliches Personalfehl zu Tage. deren – im Wortsinne – Wegbre- Zwitterstellung der Gründungs- Innerhalb weniger Jahre stellte chen so betroffen. Mit dem Mauer- zeit im kalten Krieg und das sich der BGS 6.500 neue Polizeibeam- fall fiel gleichzeitig der eigentli- daraus schöpfende teilweise tra- te ein, in einem Spitzenjahr allein che Grund der Bildung des BGS dierte Selbstverständnis ist nichts, 1.200. 1992 wurden die ersten or- im Jahr 1951 weg. Geschichtlicher was den BGS heute noch prägen ganisatorischen Konsequenzen Auftrag durch politische Verände- könnte. Hatte der BGS noch An- gezogen: Vier Einsatzabteilungen rungen erfüllt – adieu BGS? fang 1990 nur knapp 2.900 Beam- wurden aufgelöst zugunsten des Nur vorschnelle Meinungsma- tinnen und Beamte im sogenann- Einzeldienstes. Gleichzeitig über- cher des politischen Tages- ten Grenzschutzeinzeldienst und nahm der BGS jedoch noch wei- geschäfts forderten 1989/90 die fast 20.000 Angehörige der tere zusätzliche Aufgaben. 3.000 Auflösung der Polizei des Bundes. bereitschaftspolizeilichen Verbän- Beamte der Bahnpolizei der Deut- Die Neuausrichtung und damit de (die nach einigen Jahren fast schen Bahn wurden zusammen Modernisierung des Bundes- regelmäßig in die Polizeien der mit der Aufgabe vom BGS über- grenzschutz fing mit dem Wegfall Länder wechselten), so hat sich nommen – sieben Jahre später seines Gründungszweckes jedoch dieses Verhältnis innerhalb von waren in diesem Bereich 5.000 erst an – ein Prozess, der auch zehn Jahren umgekehrt. Beamte tätig. zehn Jahre später noch nicht ab- Mit der Vereinigung am 3. Ok- Die Übernahme wurde auch geschlossen ist. Das Außerge- tober 1990 übernahm der BGS von Innenpolitikern misstrauisch wöhnliche an dieser Polizei- auch die Verantwortung in den beäugt, zu Unrecht; das Bundes- entwicklung ist, dass es eine sich neuen Ländern. Das hieß zu- verfassungsgericht bestätigte die selbst dynamisierende Verände- nächst, 6.500 „Angestellte im Verfassungskonformität. Gleich- rung darstellt. Damit soll gesagt Polizeivollzugsdienst“ aus der zeitig wurde dem BGS die polizei- werden, dass es keinen „Master- ehemaligen DDR zu übernehmen liche Zuständigkeit für die Sicher- plan“ gibt, wie der Bundesgrenz- und vor allem zu integrieren. Ein heit des Luftverkehrs auf den schutz in seiner Endausbaustufe schwieriger Prozess, nicht nur, deutschen Flughäfen vom Groß- aussehen wird. Rollenbeschrei- weil sich Menschen zu einer ge- teil der Bundesländer rücküber- bung der Polizei des Bundes, meinsamen Tätigkeit zusammen- tragen. Organisatorisch trennte Organisationsidentität, politische finden mußten, die noch vor kur- man den Einzeldienst in Grenz- Einordnung in das System der In- zem aufeinander geschossen hät- und Bahnpolizeisparte auf. Dieser

November 1999 - No. 8 - dp-special 14 Schritt wurde 1998 wieder rück- her nicht beseitigt werden: Dem europäischen polizeilichen Ge- gängig gemacht, die Praxis hatte BGS fehlen über 3.500 Beamte des samtkonzept ihre Zukunfts- für eine „integrative Aufgaben- gehobenen Dienstes. bestimmung sehen kann. Erhöh- wahrnehmung“ gesprochen. Fünf Rechtliche Rahmensetzung und te, qualitativ hochwertige und Grenzschutzpräsidien sollten zu- Organisationsänderungen sind auch kostenintensive Fortbildung künftig eine konzentriertere Füh- nur ein Element einer Polizei- der Beamten muss nun die unver- rung der BGS-Ämter und einen entwicklung, die stark durch den meidlichen Defizite, wie sie sich effizienten Einsatz der Einsatzab- europäischen Einigungsprozess teilweise in den BGS-Jahresbe- teilungen gewährleisten, weshalb bestimmt wird und nur in einem richten widerspiegeln, ausglei- auch die vorher selbständige Ver- waltung des BGS in die Präsidien eingegliedert wur- de. Bereits vor dem „Asylkompromiss“ wuchs auch eine unbeliebte Aufga- be sprunghaft an: Die Rückführung von „Deportees“ auf dem Luftwege in ihre Heimatlän- der. 1994 wurde mit dem neuen BGS-Gesetz mit Zustimmung aller Bundesländer der BGS-Entwicklung auch der rechtliche Rahmen nachge- reicht. Jedoch auch die neue Organisati- onsstruktur be- währte sich nicht, der „Reise-BGS“ (die permanenten Unterstützungseinsätze der Ver- Grenzlandmuseum in Schnacken- chen helfen. Nur mit einer ent- bände bei den BGS-Ämtern) fra- burg (Kreis Lüchow-Dannenberg): schlossenen „Aufholjagd“ des ßen die finanziellen Ressourcen 1994 wurde unmittelbar gegen- BGS an die Personalstruktur der des BGS zunehmend auf. Die vor- über dem östlichsten Elbdeich im Länderpolizeien kann auch eine läufig letzte Neuorganisation im ehemaligen Informationsgebäude höhere Effektivität und Attrakti- Jahr 1998 wollte diese Defizite des Zolls ein Museum eröffnet, vität der Polizei des Bundes er- das der Öffentlichkeit Requisiten durch die Auflösung weiterer 10 reicht werden. Und vor allem gilt aus 40 Jahren DDR-Geschichte Abteilungen zugunsten der nun- zugänglich macht. So „patrouillie- es, zur Aufrechterhaltung auch mehr 20 BGS-Ämter mit 98 nach- ren“ hier lebensgrosse Nachbil- der beruflichen Motivation die geordneten Inspektionen lösen. dungen von Soldaten der Nationa- sozialen Folgen eines „dienstli- Gleichzeitig wurde mit der Ein- len Volksarmee und eine Grenz- chen Umsiedlungsprogramms“ richtung von Inspektionen „Ver- streife auf dem Krad mit umge- für mehrere Tausend Beamtinnen brechensbekämpfung“ der hängtem Maschinengewehr. Nun und Beamte, Arbeiter und Ange- Kriminalitätsentwicklung im Zu- kommen Touristen und Schulklas- stellte auszugleichen und die Fol- ständigkeitsbereich des BGS sen nach Schnackenburg, um sich gen zu mildern. Rechnung getragen. Die personel- jüngste deutsche Geschichte zu vergegenwärtigen. len Strukturdefizite konnten bis-

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INTERVIEW „Das hätte ich mir in meinem ganzen Schutzmannsleben nie träumen lassen“

Wilfried Püschel und Wolfgang Herrmann sind Polizeibe- war ich bei einer Einsatzbereit- amte. Sie haben die Schließung der Sektorengrenzen schaft und dort verantwortlich als zwischen Ost- und Westberlin am 13. August 1961 und den Zugführer und auch als stellver- tretender Bereitschaftsführer bei Bau der Mauer miterlebt. Am 9. November 1989 haben sie den Einsätzen rund um den Abriss die Mauer wieder fallen sehen. Jeder auf seiner Seite. der Berliner Mauer tätig. Heute ar- Wilfried Püschel tat bei der Polizei im Westen Dienst, beite ich als stellvertretender Vor- Wolfgang Herrmann bei der Volkspolizei im Osten der geteil- sitzender des Gesamtpersonal- ten Stadt. Wie haben die beiden dieses einschneidende rates der Berliner Polizei. Wolfgang Herrmann (Ost): Ich Ereignis erlebt, welche Erfahrungen haben sie gemacht? bin seit 38 Jahren bei der Polizei, Mit den beiden Kollegen sprachen für dp-special Adalbert davon 30 Jahre bei der Deutschen Halt und Rüdiger Holecek. Volkspolizei. Ich bin in die ge- meinsame Polizei Berlins über- nommen worden und 1992 zur Verkehrsunfallbereitschaft ge- kommen. Da arbeite ich jetzt im- mer noch.

dp-special: Ihr habt beide den Bau der Mauer miterlebt. Wie war das damals? Wolfgang Herrmann (Ost): Am 13. August 1961 hatte ich als Volkspolizist den „Tiefenraum“ zur damaligen Staatsgrenze abzu- sichern. Ich war knapp 18 Jahre alt. Am 13. August 1961 wurden nämlich die Übergangsstellen nach Westberlin hermetisch abge- riegelt. Mit der Bewachung der Bauarbeiten habe ich nichts zu tun gehabt, ich war ja nicht bei der Grenzpolizei. Wilfried Püschel (West): Ich war 13, als die Mauer gebaut wurde. Ich bin in Neukölln geboren und dp-special: Wollt ihr euch Den Bau und den Fall der Mauer spielte immer in Treptow. Mit dem kurz vorstellen? miterlebt: Wolfgang Herrmann Bau der Mauer war dann Schluss Wilfried Püschel (West): Ich (links) und Wilfried Püschel damit. Ich bin erst wieder in den bin 31 Jahre bei der Berliner Po- (rechts) im Gespräch mit Adalbert Ostteil gegangen, als die Mauer Halt. Foto: hol lizei. Während der Wendezeit geöffnet wurde. Ich hatte keine

November 1999 - No. 8 - dp-special 16 Verwandten in Ost- berlin und auch keinen Bezug zu diesem Teil der Stadt. Für mich war und blieb dieser Teil der Stadt über Jahrzehnte ein wei- ßer Fleck. Wenn ich heute ab und zu mal in den Ostteil gehe, sozusagen als Tourist, dann stelle ich fest, dass ich als Berliner ei- nen Stadtplan brauche, um Stra- ßen oder ganz be- kannte Sehenswür- digkeiten zu fin- den. Wolfgang Herrmann (Ost): Als Jubelnde Menschen auf der Berliner Mauer am Brandenburger Tor. Am Jugendlicher, bevor ich Volkspo- Abend des 9.11.1989 teilte SED-Politbüro Mitglied Günter Schabowski lizist wurde, bin ich auch in West- mit, dass alle DDR-Grenzen in die Bundesrepublik und nach West-Berlin Berlin ein- und ausgegangen. Ich für DDR-Bürger geöffnet werden. Daraufhin strömten binnen weniger hatte Bekannte und Verwandte Stunden tausende von Ost-Berlinern in den Westteil der Stadt, wo es zu volksfestartigen Verbrüderungen zwischen Bürgern aus Ost- und West- auch im Westteil der Stadt. Berlin deutschland kam. ist ja keine kleine Stadt mit ein paar hundert Einwohnern. Auch ob sie das alles überhaupt nichts heitliche Polizei zu überführen. ich brauche eine gewisse Zeit, um anging – was umso erstaunlicher Wilfried Püschel (West): Als uns die Stadt zu erkunden. war, wenn man ihre Dienststel- die Nachricht von der Mauer- lung und ihren Dienstgrad be- öffnung erreichte, war unsere Ein- dp-special: Wie habt ihr beide trachtete; dann gab es diejenigen, satzbereitschaft gerade in einem euch gefunden? die alles, was sich entwickelte, mit Trainingscamp. Wir sind von dort Wolfgang Herrmann (Ost): Den Abstand betrachteten, und es gab zum Einsatz an die Mauer ge- Wilfried Püschel habe ich kennen auch Radikale, die der Meinung schickt worden. Vom Osten und gelernt, als Überlegungen umgin- waren, das gesamte Offizierskorps vom Westen machten sich viele gen, dass sich die damalige Ge- müsse „erschossen“ werden. Ich Leute daran, auf die Mauer zu selbst war klettern – ein gefährliches Unter- damals Offi- nehmen. Die Mauer war sehr zier. Ich fand hoch, man konnte sich kaum ir- Es gab Radikale, die der Meinung es nicht in gendwo festhalten. Viele waren waren, das gesamte Offizierskorps müsse Ordnung, alkoholisiert und außer Rand und „erschossen“ werden. dass man alle Band. Ich hätte mir in meinem Leute über ganzen Schutzmannsleben nie einen Kamm träumen lassen, dass ich meine scheren woll- Leute mal vor die Mauer postie- werkschaft der Volkspolizei te. Das bewog mich, in die dama- ren müsste, um Westberliner Bür- (GdVP) mit der Gewerkschaft der lige Gewerkschaft der Volkspoli- ger von der Mauer abzuhalten. Polizei (GdP) verbinden sollte. zei (GdVP) einzutreten. Ich Und auf der anderen Seite stan- Ich war als Volkspolizist in ver- wusste, dass GdVP von der GdP den die Volkspolizisten und taten antwortlichen Funktionen. Dann abgeguckt war. Es erschien mir das Gleiche, um auch dort Unfäl- kam die Wende 1989. In der eine Chance, etwas Ruhe in diese le zu verhüten. Wir konnten die Volkspolizei hatten sich damals ganze Geschichte zu bekommen. andrängenden Menschen aber verschiedene Strömungen breit Unser Ziel war es, die beiden nicht abwehren, und schließlich gemacht. Die einen taten so, als Polizeien vernünftig in eine ein- standen wir dann in diesem ein-

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einhalb Tage dauernden Einsatz zogen hatte, Hauptsache, es stand einem Postamt habe ich mir mein Seite an Seite mit Volkspolizisten BMW oder VW oder Opel dran. Begrüßungsgeld von 100 DM ge- an der Mauer. Das fand ich schon Und die dachten, was sie im We- holt. Ich hatte das Gefühl, ich sehr eigenartig. sten gekauft hatten, müsste komme in eine andere Welt – die Wolfgang Herrmann (Ost): Ich zwangsläufig im Osten auch zu- Reklame, das Warenangebot, die war in den ersten Tagen der Öff- gelassen werden können. Aber Hektik, ich musste mich erst ein- nung überhaupt nicht in der Nähe viele dieser Autos waren tech- mal zurechtfinden. Mit dem West- der Mauer. Ich hatte dienstlich nisch überhaupt nicht in Ordnung geld haben wir richtig geknausert. dort nichts zu suchen, und es war und keinesfalls verkehrssicher. Ich Wir haben nicht alles sofort für mir einfach zu gefährlich, denn hatte allerdings auch nicht das Be- Schokolade ausgegeben oder für vorher durften wir als Volkspoli- dürfnis, an die Mauer zu gehen, Dinge, die wir so lange entbehrt zisten nicht mal in ihre Nähe. Und und um ehrlich zu sein: Ich hatte haben. Ich war eben der typische nicht zu vergessen: Ich habe 30 auch ein bisschen Angst davor. praktische Ossi. Das Erste, was wir Jahre lang einem Staat gedient Ich war Befehlsempfänger und die uns gekauft haben, war eine und ich habe mir gesagt: In Ord- Weisung lautete, dass wir nicht Multireibe, die wurde da für 20 nung, ich bin für die Sicherheit nach Westberlin gehen sollten. Ich DM angeboten. Die haben wir dieses Staates mitverantwortlich. wollte erst einmal abwarten, wie heute noch. Dann haben wir noch Natürlich habe ich mich in jenen sich die ganze Lage dort entwik- für die Kinder etwas Kaugummi Tagen vor der Öffnung der Mau- kelte. Ich hatte auch Berührungs- gekauft. Wir haben schon daran er über den möglich gewordenen ängste als Polizist vor der ande- gedacht, noch etwas Geld übrig zu ren Seite. haben, wenn wir das nächste Mal in den Westen gehen. Einen hal- dp-special: Wann bist du dann ben Tag waren wir auf der ande- Ich habe 30 Jahre lang einem Staat über die Grenze gegangen? ren Seite und es war sehr nerven- gedient und ich habe mir gesagt: Wolfgang Herrmann (Ost): verzehrend. An diesem Wochen- In Ordnung, ich bin für die Sicherheit Etwa eine Woche später, mit mei- ende war fast halb Berlin dorthin dieses Staates mitverantwortlich. ner Frau und mit meinen Kindern. gefahren. Trotz allem habe mich Wir haben festgestellt, dass die sehr wohl gefühlt, weil ich ge- damals Herrschenden einfach dacht habe: Mensch, du kannst Reiseverkehr gefreut. Das war nicht mehr die Befehlsgewalt hat- jetzt durch die Stadt gehen und es eine gute Sache. Ich habe mich ten. Wir merkten, dass kaum noch ist keiner da, dem du Rede und darauf gefreut, dass ich nun als kontrolliert wurde. Ich habe nur Antwort stehen musst, warum du Berliner nach Berlin fahren und meinen Stempel in den Ausweis jetzt gerade nach Rudow gehst mich in meiner Stadt bewegen bekommen und dann bin ich „aus- oder in den Wedding fährst. Wir kann. Als Volkspolizist hatte ich gereist“ und ich dachte mir: War- sind aus dem Staunen nicht her- allerdings Probleme damit, ein- um eigentlich nicht, die Leute da ausgekommen. Wir kannten fach so über diese Staatsgrenze zu drüben sind ja auch ganz vernünf- schon Fernseher und Farbfernse- gehen oder in den sogenannten tig und wenn du dich da „Tiefenraum“ dieser Grenze. vernünftig bewegst, Denn mit der Grenze selber hatte dann tut dir auch keiner ich mich abgefunden. Ich konnte was. Als wir dann an die Du kannst jetzt durch die Stadt gehen und da nicht heran, ich hatte auch als Kontrollstellen kamen, es ist keiner da, dem du Rede und Antwort Volkspolizist keine Genehmi- hatten wir schon Be- gung, an das sogenannte Grenz- klemmungen. Wir stehen musst. gebiet heranzugehen. Zu diesem wussten ja nicht, ob es Zeitpunkt war ich Offizier für die bei unseren Grenzpoli- Kfz-Zulassung und hatte ganz an- zisten Listen gab oder dere Probleme: Viele aus dem ob die Kollegen drüben welche her, aber die Preise und die Tech- Osten brachten von ihren ersten hatten. Aber die Kollegen drüben nik, die man im Westen für wenig Besuchen im Westen Autos mit, haben überhaupt nicht kontrol- Geld bekommen konnte, haben die sie dort gekauft hatten. Ge- liert. Die haben höflich „Guten uns überwältigt. Alles andere hat braucht natürlich und es waren Tag!“ gesagt und das war’s dann. mich zunächst mal überhaupt teilweise richtige Wracks. Sie hat- Wir sind in Rudow rüberge- nicht interessiert. Wir haben nur ten keine Ahnung, dass man ih- gangen und zwar an der Stuben- geguckt. nen mit diesen Schrottlauben drü- rauchbrücke. Von dort aus sind ben das Fell über die Ohren ge- wir mit dem Bus gefahren und an

November 1999 - No. 8 - dp-special 18 West-Berliner versuchen am 10. November 1989, mit Hämmern und Kreuzhacken die Mauer einzureissen.

dp-special: Und die Westberli- nat auf 1500 bis 2000 Mark, und gesagt, ich mache meine Aufga- ner? wenn man sich überlegt, dass man be, mein Kollege drüben macht Wolfgang Herrmann (Ost): Die für einen Fernseher 6000 bis 7000 seine Aufgabe, zwei Staaten, al- waren gar nicht anders als wir, Mark auf den Tisch packen les o. k. so weit. Aber dann kam auch in der Bekleidung gab es musste, dann war das schon eine auch die Einheit für die Polizei, dort alle Schattierungen. Ich habe ganz schöne Not. Immer wieder und die Volkspolizei wurde völlig festgestellt, dass ich äußerlich gar haben wir Vergleiche gezogen. umgekrempelt. nicht als Ostberliner zu erkennen Wir waren ja immer noch DDR, war. Ich hatte allerdings auch kei- und zu diesem Zeitpunkt stand nen Präsent-70-Anzug an. Ich überhaupt noch nicht die Frage habe mir gedacht: Ich bin Berli- eines Übertritts der DDR in die Ich habe nicht begriffen, dass ein ner, die Sprache, die ich spreche, BRD im Raum. An einen Staat, der seine Bevölkerung als die spricht der andere auch. Zusammenschluss dachte keiner. Arbeiter- und Bauernstaat immer so Am Abend haben wir viel über Wir sind davon ausgegangen: gelobt und in den Himmel gehoben unseren Eindrücke geredet. Die Warum nicht, zwei deutsche Staa- hat, derart mit den Menschen Gespräche drehten sich immer ten, kein Problem. Damit hätte wieder darum – und ich weiß, dass man leben können. Vielleicht. umgegangen ist. das bei vielen Familien so war –, dass wir uns gesagt haben: Wir dp-special: Ist auch die Frage hatten doch die Leipziger Messe, aufgetaucht: Verstehen wir uns Wilfried Püschel (West): Ich bin wir hatten doch dort nur Spitzen- überhaupt mit denen da drüben? 14 Tage nach der Maueröffnung qualität, internationale Spitzen- Wolfgang Herrmann (Ost): Zu- das erste Mal im Ostteil der Stadt qualität! Wir hatten Zuwachsraten nächst nicht. Erst als wir anfingen, gewesen. Nicht privat, sondern zu in der Wirtschaft, wie man uns uns anzunähern, da ging das auch einem gewerkschaftlichen Ter- immer erzählte, warum haben wir los mit der Existenzangst. Vorher min. Am Übergang Heinrich-Hei- nicht die Technik, die hochwerti- war keine Rede davon. Ich bin als ne-Straße standen noch Grenz- ge Ware für verhältnismäßig we- Tourist rübergegangen, als Berli- schützer. Unter einem offenen nig Geld und das Konsumangebot ner, als Privatmann. Meine Aufga- Schlagbaum sind wir durchgefah- für unsere Leute? Spitzen- be habe ich immer als Volkspoli- ren, ohne dass wir angehalten verdiener kamen bei uns im Mo- zist gesehen. Und ich habe mir wurden. Ich habe nicht begriffen,

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dass ein Staat, der seine Bevölke- Bauernstaat mit seinen Bürgern Polizeipräsidium. Wenn ich bei rung als Arbeiter- und Bauernstaat umging, wurde mir ganz deutlich. uns eine Polizeidienststelle betrat, immer so gelobt und in den Him- war ich es nicht gewohnt, dass mel gehoben hat, derart mit den dp-special: Mitleid oder Sieger- jede Tür nur durch einen Summer Menschen umgegangen ist. Es pose? geöffnet wurde. Ich konnte mich war schlimmer, als ich es mir vor- Wilfried Püschel (West): Keines frei im Haus bewegen. Hier nahm gestellt hatte. Die Straßen, die von beiden. Ich habe mir gesagt, mich immer einer an die Hand, um Wohnhäuser waren dermaßen ich kann nicht dafür, dass ich im mich zu einem bestimmten Zim- verfallen wie bei uns in den 70er Westen aufgewachsen bin. Wäre mer zu bringen. Ich hatte perma- Jahren im schlimmsten Kreuz- die Mauer drei Kilometer weiter nent den Eindruck, da passt im- berg. Die Warenangebote waren gebaut worden, hätte ich im an- mer einer auf dich auf. Ich fand es sehr „überschaubar“. Wir wussten deren Teil der Stadt gesessen. beklemmend, wie die Menschen ja als Wessis, wo sie die Spitzen- Auch das Verhalten der Leute, die miteinander umgingen. Die Türen produkte verkauft haben. Die ha- ich dann kennen lernte, befrem- ben sie ja nicht ihren Bürgern dete und bedrückte mich. Wir hat- verkauft. Wie so ein Arbeiter- und ten einen Termin im ostberliner Je mehr Gold und Ge- flochtenes einer auf der Schulter hatte, umso mehr war er immer schon Ge- werkschafter.

waren versiegelt, in fast jedem Büro standen Panzerschränke. Und dann das permanente Miss- trauen. Plötzlich waren alle ge- werkschaftlich interessiert dort drüben. Je mehr Gold und Ge- flochtenes einer auf der Schulter hatte, umso mehr war er immer schon Gewerkschafter. Auch das enorm disziplinierte Verhalten. Das saßen Mitarbeiter am Tisch und haben jedes Wort mitge- schrieben. Und gefragt wurde wie in einer Schulklasse. Dann war der Besuch beendet und wir sind zurückgefahren. Ohne Zwischen- halt. Abends zu Hause gingen mir diese Disziplin, diese hierarchi- sche Struktur, dieses Gefühl, stän- dig beobachtet zu werden, und diese absolut überzogene Sicher- heit nicht aus dem Kopf. Und ich habe mir gedacht, also irgend et- was ist da wohl nicht richtig ge- laufen im Vertrauensverhältnis

Die professionellen Mauerstürmer: Rechts im Ostteil mit Kranwagen, links im Westteil mit Schneidbren- nern. Foto: GdP

November 1999 - No. 8 - dp-special 20 zwischen Staat und Bürger oder schen, die an der geöffneten Mau- durften, Künstler, Politiker. Für innerhalb einer Dienststelle oder er Berlins feierten. Habt ihr das uns war es schon schwierig, in die Behörde. Erst zwei, drei Monate auch so empfunden? damalige Tschechoslowakei zu später bin ich mal privat in den Wolfgang Herrmann (Ost): Das fahren, und für Bulgarien hatte Ostteil gefahren. Mit einer Grup- kann ich nicht behaupten. Wir man kein Geld. So einfach war pe von Kollegen haben wird das haben nicht gedacht, dass jetzt das. Also hatte man im so ge- nannten Ost- deutschland auch seine Ferien ver- bracht. Nach- dem klar war, dass man nach dem We- sten ohne Ein- schränkun- gen ausrei- sen und auch wieder zu- rückkehren konnte, woll- te das jeder ausprobie- ren. Dann kam erst der Ansturm. Die Polizei, die an der Mau- er eingesetzt wurde, hatte nicht mehr die Mauer zu schü tzen, sondern die Nach dem Interview an einem verbliebenen Reststück der Berliner Menschen Mauer: Wilfried Püschel (links) und Wolfgang Herrmann. Hier haben sich vor Unfällen. Sie sollten ihre Freu- – auf der Ostseite - die Sprayer austoben können. Foto: -lt de daran haben, sie sollten ihre Besuche machen können, aber es berühmte Lokal „Die letzte In- eine bessere Welt anbricht. Ich sollte niemand zu Schaden kom- stanz“ besucht. Wir haben das habe es zunächst einmal alles men. Es ging darum, eine reine schöne Lokal bewundert und ich nicht geglaubt. Ich wollte einen ausgeben. Ich hatte habe es zwar auch im vorher 50 DM umgetauscht, West Fernsehen gesehen, in Ost. Davon haben wir mit fünf hab’ das aber gar nicht Mann gegessen und getrunken so verarbeitet. Die Sze- Die Polizei, die an der Mauer eingesetzt wie die Weltmeister und trotzdem nen waren aber irgend- wurde, hatte nicht mehr die Mauer zu schüt- hatte ich noch reichlich Geld üb- wie natürlich. Die Leu- zen, sondern die Menschen vor Unfällen. rig. Wir saßen für uns, mit den te hatten sich viele Jah- anderen Gästen gab es keinen re nicht gesehen, es Kontakt. hatte sich viel ange- staut. Eine Welt erkennen heißt, polizeiliche Arbeit zu tun und da- dp-special: Am Abend des 9. man muss die Welt anschauen für zu sorgen, dass keine Panik November 1989 gingen Fernseh- können. Bei uns wurden die Men- ausbrach oder dass es Verletzte bilder rund um die Welt von be- schen wie in einem Ghetto gehal- gab. Die Mauer haben wir schon geisterten, euphorischen, in Freu- ten. Es gab ja nur einige wenige, lange nicht mehr geschützt. Und dentränen ausbrechenden Men- die sich in der Welt umschauen so ähnlich war das auch mit den

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ersten Kontakten zur Westpolizei gewesen war. Das hat mich also gründen auseinandersetzen konn- oder zur Gewerkschaft. Die sind irgendwie gestört, das konnte ten. Da waren viele Fragen, die ich ja nicht zu uns gekommen, weil nicht sein. Später als Personalrats- aufgrund meiner eigenen Erfah- wir uns zusammentun wollten. Ich vorsitzender habe ich immer die rung anders sehe. Wir hätten da- habe diese Treffen zunächst so Nähe zur Gewerkschaft der Poli- mals die Chance wahrnehmen verstanden, dass man mit den zei gesucht, zu meiner GdP. Hier und uns mit dem Beamtentum Westberliner Kollegen darüber konnte ich mir Rat holen. auseinandersetzen sollen. Ich sprach, dass es jetzt eine offene habe nichts gegen die Einheit. Stadt gab und wir Absprachen dp-special: Viele haben sich Was mich immer gestört hat, war darüber treffen mussten, wie wir gewerkschaftlich organisiert, das Wie. die Ordnung in der Stadt aufrecht- weil sie Existenzangst hatten? erhalten können. Da musste man Wolfgang Herrmann (Ost): dp-special: Ist das Gefühl der doch fragen: Wie geht ihr damit Selbstverständlich. Wer konnte Fremdheit noch da? um, wie handhabt ihr das und wie denn damals sagen, wie sich alles Wilfried Püschel (West): Fremd- macht ihr jenes? entwickeln wird. Ich saß als Ge- heit besteht nur noch einzelnen So war auch der Besuch von werkschafter zwischen allen Stüh- Personen gegenüber, die – wie ich Wilfrieds Delegation im Präsidium len. Ich konnte nicht als Offizier in meiner Berliner Art sage – noch für uns zu verstehen. Ich habe ihn mit den Leuten reden, das wäre nischt gemerkt haben. Das sind dort gesehen, aber ich kannte ihn absurd gewesen. Dann habe ich Kollegen, die nach zehn Jahren nicht. Es war eine Arbeitstagung. Wilfried näher kennen gelernt immer noch darauf warten, dass Die Westberliner wurden durch und habe mit ihm viele Dinge be- ihnen einer sagt, was sie zu ma- den stellvertretenden Polizeiprä- sprochen und mir Rat geholt. Die chen haben und wo es lang geht. sidenten offiziell begrüßt, sie sa- Volkskammer hatte zwar mal ein Und ich denke, irgendwann müs- ßen vorne, und du selbst bist rein- Personalratsgesetz beschlossen, sen sie doch mal selbstständig und gekommen und hast auf deinem aber wer kannte das schon? Von erwachsen werden. Ich bin übri- Platz gesessen. meinen ehemaligen Freunden gens mit einer Ostdeutschen ver- Später bin ich dann mal zu dem wird mir heute noch vorgeworfen: heiratet und habe von ihr viel er- Büro der damaligen GdVP im Prä- „Du hattest ja einen ganz ande- fahren, was mir das DDR-System sidium hochgegangen. Da saßen ren Start, da konntest du ja dei- noch viel ominöser erscheinen Mannschaftsgrade und unter an- lässt. Mein Schwiegervater war deren auch Feuerwehrangehöri- Professor an der Uni in . Der ge, und eine Frau hat mir dann konnte auch immer reisen. Er ist alles erklärt, und wir wurden mit Ich saß als Gewerk- mir fremd, weil er zu denen ge- „Sie” und mit dem Dienstgrad an- schafter zwischen allen hörte, die hoch geschult den Men- gesprochen. Wie gesagt, ich bin Stühlen. schen das DDR-System verkauf- Offizier gewesen. Vorher hieß es ten. Heute surft er im Internet und „Genosse” und Dienstgrad. Ich schiebt Aktien hin und her. Ich sagte ihr dann nur, dass ich ge- nen Weg machen!“ Ja, mein Start glaube, dass die Anpassungsfä- glaubt hätte, ich sei hier bei einer war die Entscheidung, mich ge- higkeit wesentlich ausgeprägter Gewerkschaft und das „Du“ und werkschaftlich zu organisieren ist als bei uns. Individualisten gab „Kollege“ gewohnt. Dann hat sie und zu engagieren und die Ver- es kaum, und ich weiß nicht, was mir erklärt, wen wir alles auf die bindung zur Gewerkschaft der ich davon halten soll. Schnauze hauen müssen. Da habe Polizei zu knüpfen. Das hätte üb- Wolfgang Herrmann (Ost): Der ich gesagt: „Also Kinder, so kann rigens jeder tun können und sol- Wolfgang hat leicht reden mit dem das einfach nicht sein, so verste- len. Andere haben die Verbin- Individualismus. Er konnte ins Ge- he ich auch keine Gewerkschaft.“ dung zum höheren Dienst gesucht schäft gehen und sagen: „Das und Wie gesagt, alle, die vorher in vor- und sind beim Polizeidirektor ein- das Gerät ist kaputt, ich brauche gesetzten Positionen waren, soll- und ausgegangen. ein neues.“ Wenn ihm eine Gast- ten niedergeknüppelt werden. Wilfried Püschel (West): Ich stätte nicht gefiel, ging er in eine Wir hatten da in Potsdam eine habe die DDR-Bürger nie ganz andere. Der Ostler musste tüfteln: Sache gehabt, die wollten alle verstanden. Ich sage das heute Kann ich das reparieren, welches Offiziere aus der Polizei raus- noch: Sie haben nicht die Politik Ersatzteil brauche ich, wer könn- schmeißen und das Ruder selbst gewählt, sondern den Kassenwart. te das haben und was will der da- in die Hand nehmen. Schon zu Das soll kein Vorwurf sein. Woher für von mir haben? Der Ostler DDR-Zeiten, als noch gar nicht hätten sie es auch wissen sollen, musste organisieren, und das ging vom Zusammenschluss die Rede ohne dass sie sich mit den Hinter- nicht ohne Kontakte. Kontakte

November 1999 - No. 8 - dp-special 22 gehen nicht, ohne mit Menschen den Kollegen, der in die Polizei Es gibt durch die Vereinigung in in Verbindung zu treten und für übernommen wird. Aber ich will der ehemaligen DDR sehr viel sich zu gewinnen oder ihnen wie- dir was sagen, das steht auch fest: überproportional negativ Betroffe- derum zu Kontakten zu verhelfen. Wenn wir den Krieg gewonnen ne. Die Ostdeutschen sind von der Im Westen ist es leichter, an eine hätten, wir hätten nicht einen von Arbeitslosigkeit härter betroffen. Eigentumswohnung zu kommen, denen da drüben übernommen! – Früher hatte jeder seine Arbeit als es im Osten war, einen Keil- Deshalb frage ich mich, wer oder wusste, wo er nach der Schu- will und war- le hingehen konnte und was mit um eigent- ihm im Alter wird. Heute empfin- lich die Mau- den viele eine große Leere und Wenn wir den Krieg gewonnen hätten, wir er zurückha- eine große Ungewissheit. Ich hätten nicht einen von denen da drüben ben? Wem ist selbst habe das Glück gehabt, nie es denn nun arbeitslos zu sein. Ich weiß aber übernommen! wirklich noch von meiner Mutter, wie das schlecht ge- ist. Man sollte sich mehr umein- gangen? Ich ander kümmern. riemen für die Waschmaschine zu meine, wir haben hier ein bekommen. Um es am Beispiel bisschen sondiert und uns dabei dp-special: Habt ihr in den meines Schwiegervaters zu erklä- große Mühe gegeben, uns mit zehn Jahren Freunde gefunden? ren: Der Mann hat sich gesagt: dem Einzelnen auseinanderzuset- Der Ossi im Westen, der Wessi im „Mit dem was ich gemacht habe, zen. Aber sich hinzustellen und Osten? kann ich nicht mehr existieren. Ich die Mauer zurückhaben zu wol- Wolfgang Herrmann (Ost): Vie- muss mit dem System leben. Das len, halte ich für frech und unan- le gute Bekannte, mit denen ich ist nun einmal kapitalistisch und gemessen. Wir müssen versuchen, ein gutes Verhältnis habe. Wir nicht sozialistisch, und deshalb miteinander so auszukommen, können miteinander reden, freu- schiebe ich Aktien hin und her.“ dass jeder zu seinem Recht en uns, wenn wir uns sehen, und Viele sagen dazu „Wendehals“ – kommt. Und dabei muss jeder et- freuen uns, miteinander umgehen er muss nicht unbedingt ein Wen- was zurückstecken. Und der eine zu können. Unter Freunden ver- dehals sein. Wilfried ist ein Indi- hat ein bisschen mehr Glück und stehe ich schon ein großes Stück vidualist. In der Gesellschaft, in der andere ein bisschen weniger. gemeinsamen Lebens. Dazu ge- der er groß geworden ist, konnte Deshalb ist die Gewerkschaft für hören gemeinsame Erfahrungen er das sein. Er konnte selbst- mich der bessere Weg, weil ich und gemeinsame Entwicklungen. ständig agie- Ich habe mehr freundschaftliche ren, wenn er Verhältnisse zu meinen West-Kol- etwas haben legen als zu den Kollegen, mit wollte. Bei uns Um wirklich ein deutsches einheitliches denen ich angefangen habe in der ging das nur GdVP. Da ist alles auseinander ge- im Verein mit Vaterland zu haben, sollten wir aufhören gangen. Warum auch immer. Ich anderen. Und einander vorzuwerfen, der andere wäre glaube, es liegt aber nicht daran, das bedeutete schuld an meiner persönlichen Misere. dass ich westlichen Einflüssen un- auch Anpas- terlegen wäre. sung. Wilfried Püschel (West): Wolf- gang hat Recht. Freundschaft ist dp-special: Es gibt viele hüben sage, da hast du Gleichgesinnte, eine ganz intime Sache und hat und drüben, die die Mauer wie- die kämpfen für etwas und brin- nichts mit Ost und West zu tun. derhaben wollen. gen ihren Geist und ihre Arbeit für Wolfgang Herrmann (Ost): Das andere ein und bekommen noch dp-special: Wir danken für das ist der größte Blödsinn, den es nicht einmal einen Dank dafür. Gespräch. überhaupt gibt. Wir hatten einen Um wirklich ein deutsches ein- Politoffizier. Man sagt ja immer, heitliches Vaterland zu haben, das waren so ganz schlimme Fin- sollten wir aufhören einander vor- ger. Der hat zu mir gesagt: Ich zuwerfen, der andere wäre schuld gehe wieder in den zivilen Dienst. an meiner persönlichen Misere. Ich weiß, ich kann als Politoffizier Wilfried Püschel (West): Wir in dieser Behörde keinen Fuß fas- sollten nicht die Mauer aufbauen, sen. Aber ich freue mich über je- sondern sie noch weiter abbauen.

23 dp-special - No. 8 - November 1999