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KULTUR

tion wird die Gruppe heißen, und am ten, Bücher oder Theorie, bezog“, sagt Jazz Donnerstag und Freitag spielt sie in er, „sondern auf das Leben.“ Leipzig zum erstenmal vor großem Pu- Die Arbeit mit Jazzkantine erinnert blikum. Hampel an den Beginn seiner Karriere: Unter jungen Musikern ist Hampel „Wenn wir da auftreten, sehe ich das Galaktischer begehrt – denn der Mann bringt ihnen ganze Publikum vor mir in Bewegung. das Lebensgefühl und die Musikalität Wie in den Fünfzigern.“ Zu der Zeit stu- der Jazzgeneration ins Studio. „Da- dierte er Architektur. Nebenher ver- Träumer durch, daß sie sich jemanden wie mich diente er mit dem Gunter-Hampel-Quin- holen“, sagt Hampel, „geben sie ihrem tett Gagen in Jazzklubs wie dem Barett Er spielte mit Beboppern und Pun- Album eine ganz andere Dimension.“ in Hamburg oder der Tarantel in Mün- kern, für Stockhausen und Henze – Die Jazzkantine-Platte ist mit 70 000 chen. „Damals kamen die Leute zum verkauften Exemplaren inzwischen ein Tanzen“, sagt er. „Wir spielten Bossa nun entdeckt die deutsche Jazz- mittlerer Hit. Und wenn Hampel mit Nova, Blues und Modern Jazz.“ Legende Gunter Hampel den Rap. den Jazzkantine-Kumpanen auftritt, ste- Berühmt wurde Hampel jedoch als hen nach dem Konzert die Hip-Hop- Avantgardist. Seine Platte „Heart- Jungs in Sackhosen und Baseballkappen plants“, die er 1965 mit Manfred Schoof ines weiß Gunter Hampel, 58, ganz um den 58jährigen herum und finden und Alexander von Schlippenbach ein- genau: Die eingefleischten Jazzer ihn „ganz furchtbar cool“. spielte, gilt als die erste deutsche Free- Ewerden ihn wieder mal für verrückt An seinem Zweitwohnsitz im New Jazz-Platte, das Album „The 8th of July erklären, weil er sich in seinem Alter Yorker East Village sitzt der Göttinger 1969“ als einer der Meilensteine des pro- noch in der musikalischen Gosse herum- Hampel an einem Fender Rhodes Piano gressiven Jazz. Zu dieser Zeit arbeitete treibt. „Die Puristen“, sagt er, „verste- und komponiert. Hochkonzentriert er nicht nur mit dem John-Coltrane-Ge- hen nicht, daß meine Musik schon im- schlägt er Harmonien in die Tasten, den fährten und der Sängerin mer mit Tanzen zu tun hatte.“ 1,90 Meter langen drahtigen Körper , sondern auch mit Hans- Werner Henze und Karlheinz Stockhau- sen – die nämlich registrierten fasziniert, wie die jungen Musiker die Zwölftonmu- sik für den Jazz eroberten. Der Produzent Bob Thiele wollte Hampel 1970 für eine Supergruppe enga- gieren – Jimi Hendrix, Eric Clapton und Gunter Hampel. Doch wenige Wochen nach den ersten Verhandlungen starb Jimi Hendrix. 1972 gründete Hampel die Galaxie Dream Band, die schnell zur Kultband der Hippie-Intellektuellen wurde. Die Kollektiv-Improvisationen der galakti- schen Träumer basierten auf ei- nem merkwürdigen Derwisch-Konzept. „Jeder der Musiker drehte sich nach ei- ner Art Choreographie um sich selbst, und alle zusammen katapultierten sich in Trance.“ Psychedelic pur, die Hippies waren begeistert. Bis heute hat Hampel nicht die Lust daran verloren, mit neuen Genres zu ex- perimentieren. „Mein Sohn lag mir mit Hip Hop schon vor fünf Jahren in den

G. GELLER Ohren“, berichtet er; beim Next-Gene- Musiker Hampel (M.), Next-Generation-Mitstreiter: „Andere Dimension“ ration-Projekt arbeiten Vater und Sohn nun zusammen. Das hat der Multi-Instrumentalist und übers Instrument gebeugt, eine Base- Ruomi, 20, hat Schauspielerei stu- Komponist aus Göttingen schon öfter ballkappe auf dem Kopf. Er hat immer diert. In Spike Lees „Crooklyn“ war er erfahren. So war es, als er 1994 mit der noch diesen klaren, durchdringenden zu sehen und im Harlem-Krimi „New Punk-Band Die Fremden zusammen- Blick, der in den siebziger Jahren in Jack City“. Nun schrieb er für seinen Va- spielte. Und so war es, als Hampel, in- New York und Europa von seinen Tour- ter die Rap-Texte für dessen jüngstes ternational geachtet als einer der besten plakaten strahlte. Unvermittelt streicht Projekt. Vibraphonisten der Jazzwelt, sich ver- Hampel ganze Passagen. „Ich muß auf- Sechs junge Musiker werden bei der gangenes Jahr von einer Gruppe junger passen, daß ich nicht zu kompliziert Leipziger Premiere dabeisein, außerdem Musiker, Rapper und Diskjockeys für schreibe“, sagt er und grinst. „Das ist et- eine Sängerin, Tänzer und Rapper. ein Hip-Hop-Album der Band Jazzkan- was ganz Neues für mich.“ „Weiterentwicklung war schon immer tine anheuern ließ. Wenn er nicht komponiert, radelt er die Essenz des Jazz“, sagt Hampel, und Und so wird es wieder sein, wenn auf seinem Mountainbike durchs East in seinem Fall scheint dies zu bedeuten: Hampel nun mit seiner neuen Band auf- Village. Er plaudert mit Freunden, die Für den Spaß, die Baseballmütze aufzu- tritt. , der das Leipziger er unterwegs trifft, guckt sich um und setzen und auszuprobieren, wie das Le- Jazzfestival organisiert, hatte ihn vor ein hört sich die Musik der Straße an. „Ich bensgefühl der Hip-Hop-Straßenjungs in paar Monaten gebeten, ein eigenes Hip- habe schon immer Musik gemacht, die die eigene Musik zu integrieren ist, gibt Hop-Projekt aufzuziehen. Next Genera- sich nicht auf Sekundärquellen, auf Plat- es keine Altersgrenze. Y

230 DER SPIEGEL 36/1995