Ökologische Station in der Jugendherberge Sorpesee Gewässerkundlicher Kurs

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1 Allgemeines 5 1.1 Die Sorpetalsperre ...... 5 1.2 Die Ökologie der Sorpetalsperre ...... 13 1.2.1 Abiotische Faktoren ...... 13 1.2.2 Biotische Faktoren ...... 19 1.2.3 Pflanzliches Plankton des Hauptbeckens ...... 19 2 Praktisches Arbeiten 27 2.1 Fang und Behandlung von Planktonproben ...... 27 2.2 Feldmessgeräte ...... 27 2.2.1 Sauerstoff- und Temperaturmessung ...... 27 2.2.2 Leitfähigkeitsmessung ...... 28 2.2.3 pH-Messung ...... 30 2.3 Analysen ...... 30 Literaturverzeichnis 31

3 Inhaltsverzeichnis

4 1 Allgemeines

1.1 Die Sorpetalsperre

Die wasserwirtschaftliche Ausgangssituation

Im an Bächen reichen ließen sich vor dem Beginn der Industrialisierung bereits zahlreiche kleine Hammerwerke und Drahtziehereien nieder, die die Ener- gie zum Betrieb ihrer Anlagen aus der Wasserkraft zogen. Meist waren kleine Müh- lenteiche angelegt, die die für einen Tag benötigte Wassermenge speicherten (Abb. 1.1). Über Nacht wurde der Speicher wieder aufgefüllt. Während längerer Trocken- zeiten mussten die Betriebe tage- und sogar wochenlang geschlossen werden. Im 19. Jahrhundert wurden die im Ruhrgebiet angesiedelten Betriebe, die dank der

Abbildung 1.1: Oberrödinghauser Hammer mit Hammerteich

Energiequelle Kohle Tag und Nacht arbeiten konnten, konkurrenzstärker als die kleinen, auf Wasserkraft angewiesenen Firmen im südlich angrenzenden Sauer- land. Im Tal der Heilenbecke und der Fuelbecke wollten darauf hin einige der dort ansässigen Industriellen gemeinsam eine Talsperre bauen, um ohne Ausfallzeiten produzieren zu können. Jedoch erst nach einer Gesetzesänderung war die Finan- zierung dieses Projekts gesichert, da nun auch die bisher zögernden Firmen ver- pflichtet werden konnten, der Gemeinschaft beizutreten. 1896 wurden dann die beiden Talsperren als erste des Sauerlandes eingeweiht. Sie waren, im Vergleich zu modernen Talsperren, bescheiden in ihren Ausmaßen: nur 450 000 bzw. 700 000 m3 Wasser konnten sie fassen. Doch ihr Betrieb erwies sich als teurer als zuerst abge- schätzt. Der weitere Bau von Talsperren unterblieb deshalb zunächst [12, 14]. Gleichzeitig spitzte sich die wasserwirtschaftliche Situation an der zu. Stei- gende Bevölkerungszahlen und Industrieleistung bedeuteten höherer Trinkwasser-

5 1 Allgemeines bedarf. Die Förderung konnte nicht mit dem Anspruch Schritt halten. Es galt der Grundsatz „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Das führte, besonders in trockenen Sommern, dazu, dass die Wasserführung der Ruhr zeitweise auf Null zurückging, bei gleichzeitiger erheblicher Verschmutzung des Flusses. 1899 wurde der Ruhrtal- sperrenverein (RTV) gegründet, basierend auf einem preußischen Sondergestz, das alle Wasserentnehmer der Ruhr verpflichtete, diesem Verein beizutreten. Als Folge wurden mehrere Talsperren in den Nebentälern der Ruhr gebaut. Das Ziel eines Stauraums von 30 Millionen m3 wurde jedoch noch nicht erreicht, sodass im Tro- ckenjahr 1911 wieder die alten Verhältnisse an der Ruhr auftraten. August THIENE- MANN, einer der „Väter“ der Limnologie in Deutschland, war zu dieser Zeit Leiter der Biologischen Abteilung der Landwirtschaftlichen Versuchsstation in Münster. In dieser Funktion untersuchte er den Lauf der Ruhr im trockenen Sommer 1911. In seinem Bericht [22] schrieb er z.B.: „. . . unterhalb Schloßbrücke Mülheim: ‚Die Ruhr selbst führt, weil für die Speisung des Thyssenschen Wasserwerks aufgestaut, fast kein Wasser. ... Viel schwarzer, stinkender Schlamm...‘. . . unterhalb Witten: ‚Wasser trübe, fast stagnierend. Ölhäute! Die Ruhr riecht stark nach Öl und Phenolverbindungen.‘“ In dieser Situation wurde es unumgänglich, die Talsperrenkapazität zu vergrö- ßern, um Wassermenge und -qualität zu verbessern. 1912 ging die Listertalsperre in Betrieb1, 1913 die Möhnetalsperre. Die Grafik zeigt, dass die Talsperren 1912 1,5

Abbildung 1.2: Leistungsfähigkeit der Talsperren und Entzug aus der Ruhr [13] m3/s zuschießen konnten, der Entzug aus der Ruhr aber bei etwa 8 m3/s lag. Bei extremer Niederschlagsarmut lief die Ruhr also immer noch Gefahr, trockenzufal- len. Die Möhne verbesserte dann die Situation; die Differenz lag im Schnitt nur noch bei etwa 3 m3/s. Schließlich wurde 1935 die Sorpetalsperre in Betrieb genom- men. Da der Wasserbedarf weiter stieg, brachte sie nur kurzzeitig Entlastung. Erst mit der Biggetalsperre (1965) konnten die Talsperren mehr liefern als entzogen wur- de, unterstützt auch durch sinkenden Verbrauch. Tab. 1.1 listet die Talsperren im Einzugsgebiet der Ruhr auf.

1Die Listertalsperre ging 1965 in der Biggetalsperre auf. Sie bildet heute eines ihrer Vorbecken.

6 1.1 Die Sorpetalsperre

Talsperre Stauinhalt in 106 m3 Fertigstellung Bigge (mit Lister, 1912) 177,7 1965 Möhne 140,8 1913 Sorpe 70,8 1935 Henne 39,3 1955 Verse 33,6 1952 Ennepe 13,03 1905 Oester 3,1 1906 Glör 2,1 1904 Haspe 2,05 1904 Fürwigge (ehem. Verse) 1,67 1904 Jubach 1,05 1906 Fuelbecke 0,7 1896 Heilenbecke 0,45 1896 Summe 486,35

Tabelle 1.1: Talsperren im Ruhreinzugsgebiet

Nur dank der vielen leistungsfähigen Talsperren kann ein kleiner Mittelgebirgs- fluss wie die 217 km lange Ruhr einen der weltgrößten Industrie- und Ballungsräu- me mit Trink- und Brauchwasser versorgen.

Abbildung 1.3: Einzugsgebiet der Ruhr [13]

Die Sorpetalsperre heute

Die Abbildung 1.2 lässt erkennen, dass der Durst des Ruhrgebiets bis ca. 1960 ste- tig wuchs. Um etwa 1920 zeichnete sich ab, dass in absehbarer Zeit der durch die 1913 fertig gestellte Möhnetalsperre erfolgte Kapazitätszuwachs zumindest in nie- derschlagsarmen Zeiten nicht mehr reichen würde, wenn sich an der wasserwirt- schaftlichen Situation sich nichts änderte. Als geeignet für die Anlage einer wei-

7 1 Allgemeines teren Talsperre stellte sich das Tal der Sorpe zwischen Amecke und Langscheid westlich von Sundern heraus. Sie wurde im Jahre 1935 fertig gestellt. Die Sorpetalsperre liegt im sauerländischen Mittelgebirge zwischen Lennegebir- ge im Süden und dem Ruhrtal im Norden. Der höchste Punkt ihres knapp 100 km2 großen Einzugsgebiet ist der Schomberg (648 mNN) bei dem Wintersportort Wilde- wiese. Das Talsperrenbecken befindet sich in der Lüdenscheider Mulde. Sie besteht aus den flözleeren oberkarbonischen Arnsberger Schichten. Im Süden berührt das Becken den Kalk des Unterdevons. Das Talsperrenbecken bildet einen schwach gekrümmten, Süd bis Nordost aus- gerichteten, 6,2 km langen und am Nordende 700 m breiten Bogen. Die Oberflä- che der maximal gefüllten Talsperre beträgt 3,38 km2, die maximale 57 m und die mittlere Tiefe 21 m. Daraus resultiert ein Gesamtstauraum von 70,8 × 106 m3. Ür- sprünglich benötigten die Zuflüsse 2,3 Jahre, um den Speicher zu füllen. Im Zuge der durch die Kriegsschäden bedingten Reparaturarbeiten (1958) wurden weite- re Gewässersysteme (Settmecke, Bönkhauser Bach und Röhr) durch Stollen ange- zapft, so dass die theoretische Füllzeit jetzt nur noch 1,53 Jahre beträgt2. Das gesam-

Abbildung 1.4: Die Einzugsgebiete der Sorpetalsperre und die Beileitungsstollen (aus Broschüre des Ruhrverbands)

2Diese Werte, die auch der theoretischen Erneuerungszeit der Wasserfüllung entsprechen, werden als in Prozent ausgedrückter Ausbaugrad bezeichnet: 230 % bzw. 153 %

8 1.1 Die Sorpetalsperre te Einzugsgebiet beläuft sich auf 99,5 km2 und ist zu 66,7 % bewaldet (1/4 Laub-, 3/4 Nadelwald), 10,3 % sind Acker- und 20,6 % Grünlandflächen. Die bebaute Flä- che beträgt nur 2,3 %. Im Einzugsgebiet wohnen 5900 Einwohner (Stand 1988)[7]. Die Karte der Preußischen Uraufnahme von 1840 (Abb. 1.5) lässt bereits die U- Form des Sorpetals erkennen, eine der wesentlichen Voraussetzungen für den wirt- schaftlichen Bau einer Talsperre. Die Gesamtanlage der Talsperre besteht (von Süden nach Norden) aus dem etwa 1 km langen Vorbecken, das im Süden die Zuflüsse Sorpe (bis 2005 mit Kläranlagenab- lauf des Ortsteils Amecke) und im Westen Hespe (mit aus der Landwirtschaft stam- mender Belastung) aufnimmt. Seine Tiefe beträgt etwa 8–9 m. Es ist als hocheu- troph einzustufen. Das Vorbecken ist durch einen festen Damm mit Überlauf gegen das Hauptbecken abgeschlossen. Die Straße Langscheid-Amecke führt über diesen Damm. Das 6 km lange Hauptbecken besitzt außer einigen kleinen Bächen nur den Settmeckestollen als Zulauf, ansonsten nimmt es das Wasser des Vorbeckens auf. Das Hauptbecken ist als oligotroph einzustufen. Seine Westseite wird durch eine Straße erschlossen, an der auch mehrere Freizeiteinrichtungen liegen (Zeltplätze, Schwimmbad, Segelhäfen, Kurpark und Jugendherberge). Auf der Ostseite reicht der Arnsberger Wald bis an das Wasser heran. Parallel zum Ostufer zieht sich ein asfaltierter Weg, der bei Radfahrern und Skatern beliebt ist. Das Sperrbauwerk ist als Erddamm ausgeführt (Abb. 1.6). Der Damm ist in seiner gesamten Länge durch einen Kontrollstollen begehbar (siehe Seite ??). Nördlich des Dammes liegt der Ausgleichsweiher (Abb. 1.7). Dorthinein fließt das Wasser der Tal- sperre, nachdem es die Kraftwerksturbinen passiert hat. Der Ablass befindet sich 12 m über dem Talsperrenboden, deswegen ist sein Wasser auch im Sommer äußerst kalt. Im Winter friert er nicht zu. Jeden Vormittag fließt Wasser aus der Sorpetal- sperre durch die Kraftwerksturbinen in den Ausgleichsweiher. Hier wird geregelt, welcher Anteil davon der Ruhr als Zuschusswasser zugegeben werden muss. Der nicht benötigte Anteil wird nachts auf gleichem Wege wieder in das Hauptbecken zurückgepumpt. Ein Grund dafür liegt in der Preisstruktur der elektrischen Ener- gie: tags ist der Strom teuer, also wird er im Kraftwerk produziert. Nachts hinge- gen wird billiger Strom benutzt, um das Wasser wieder zurückzubefördern. Diese Zusammenhänge werden in der Abb. 1.8 deutlich: bis ca. 6:00 Uhr am 18.6. sieht man einen Anstieg der Stauhöhe des Hauptbeckens, hier wird das Wasser des Aus- gleichsweihers in die Talsperre zurückgepumpt, um dann von 6:00 bis 18:00 Uhr wieder abgelassen zu werden. Am nächsten Tag wiederholt sich das Spiel. Am Wo- chenende (20./21.6.) ruht der Speicherkraftwerkbetrieb. Am 22.6. beginnt dieser Zyklus auf etwas niedrigerem Niveau von neuem. Die Differenz wurde zwischen- zeitlich vom Ausgleichsweiher aus in die Vorfluter und damit letztlich in die Ruhr abgeleitet.

9 1 Allgemeines

Abbildung 1.5: Das Sorpetal auf der Preußischen Uraufnahme von 1840 [8]

10 1.1 Die Sorpetalsperre

Abbildung 1.6: Querschnitt durch den Absperrdamm der Sorpetalsperre (aus Bro- schüre des Ruhrverbands)

Abbildung 1.7: Der Ausgleichsweiher nördlich des Absperrbauwerks. Im Vorder- grund rechts ist das Kraftwerkshaus zu erkennen.

11 1 Allgemeines

Abbildung 1.8: Pegel des Sorpe-Hauptbeckens vom 18.6. bis zum 23.6.2009 (Bild: Ruhrverband)

12 1.2 Die Ökologie der Sorpetalsperre

1.2 Die Ökologie der Sorpetalsperre

1.2.1 Abiotische Faktoren Secchitiefe, Sauersto- und Temperaturhaushalt

Ähnlich wie bei einem See erlauben die Kenntnisse von Sauerstoff- und Tempe- raturhaushalt grundlegende Einblicke in die Lebensvorgänge des Gewässers. Der Sauerstoffhaushalt zeigt uns die Produktions- und Reduktionsvorgänge; über den Temperaturhaushalt erfahren wir die Dynamik des Gewässers, also näheres über Schichtungen und Zirkulationen. Die Sichttiefe, gemessen mit der Secchischeibe, informiert über die Eindringtiefe des Lichts und verrät damit annähernd die Mäch- tigkeit der trophogenen Zone. Aufgrund einer Vielzahl von Erfahrungswerten wur- de folgende Formel zur Abschätzung der Lage der Kompensationsebene aufge- stellt [23]: √ tKomp ≈ 5 × tSecchi Unseren Erfahrungen nach gilt diese Fomel zumindest angenähert auch im Haupt- becken der Talsperre. Vor- und Hauptbecken müssen, aufgrund ihrer stark unter- schiedlichen Eigenschaften, getrennt betrachtet werden. Ihr unterschiedlicher Pro- duktionsstatus zeigt sich auch in der Secchitiefe (siehe unten). Der Zusammenhang zwischen Produktion (gemessen in Chlorophyll a-Gehalt) und Sichttiefe wurde u. a. am Lake Washington erforscht ([2], siehe Abb. 1.9).

Abbildung 1.9: Zusammenhang zwischen Secchitiefe und Chlorophyllgehalt des Oberflächenwassers (Lake Washington): (A) Einzelmessungen über das ganze Jahr, (B) Mittelwerte für Juli und August. Messungen zwischen 1950 und 1970 (aus [2].

Vorbecken Das Vorbecken ist an seinem nördlichen Ende, also an der Damm- brücke, ca. 10 m tief. Auffällig ist (Abb. 1.10) die starke Ausbreitung der sommerli- chen sauerstofffreien Zone. Innerhalb von weniger als zwei Monaten wandert die obere Grenze des sauerstoffarmen Tiefenwassers 5 auf 2 m. Gleichzeitig ist eine Abnahme der Sichttiefe von 2,6 m auf 1,2 m zu beobachten. Hieraus wird die ho- he Abbautätigkeit im Hypolimnion des Vorbeckens deutlich, die mit einer hohen

13 1 Allgemeines

Abbildung 1.10: Temperatur- (rot, Rauten, jeweils rechter Graph) und Sauerstoff- profil (blau, Dreiecke, jeweils linker Graph) des Vorbeckens der Sorpetalsperre am 3.7. und 27.8.2001

Produktionsrate im Epilimnion verknüpft ist. Die Verringerung der Sichttiefe im gleichen Zeitraum wird durch die erhöhte Trübung, sprich die erhöhte Produktion von Phytoplankton hervorgerufen. Aufgrund der recht geringen Tiefe des Vorbeckens liegt im Sommer die Tiefen- temperatur mit etwa 8 ◦C deutlich höher als die theoretisch geforderten 4 ◦C. Im Laufe des Sommers, als Folge der durchgehenden Erwärmung, nehmen Epi- und Metalimnion an Umfang auf Kosten des Hypolimnions zu, das Ende August bereits nicht mehr zu erkennen ist. Trotzdem ist es erlaubt, von einer stabilen Schichtung zu sprechen, da die Isolation der oberen von den unteren Schichten bestehen bleibt, wie an der Verteilung des Sauerstoffs erkennbar ist. Im Herbst setzt bei Temperaturangleichung (hier bei etwa 6,7 ◦C) die Vollzirku- lation ein (Abb. 1.11). Gleichzeitig nimmt der Sauerstoffgehalt im gesamten Gewässer einen einheitli- chen Wert an. Bei der gegebenen Temperatur entspricht hier der Sauerstoffgehalt einer etwa 90-%igen Sättigung.

Hauptbecken Unsere Messstelle am Hauptbecken liegt etwa an der Stelle maxi- maler Tiefe, ca. 200 m südlich des Staudammes. Die dargestellte Frühjahrsmessung (Abb. 1.11 rechts) konnte, dank der damaligen noch unzureichenden Geräteaus- stattung, nur bis 10 m Tiefe durchgeführt werden. Die gemessenen Daten deuten aber auf eine vor kurzem zu Ende gegangene Frühjahrszirkulation hin. Die Tem- peratur ist verhältnismäßig einheitlich, mit einer leichten Erhöhung in den oberen Schichten. Der Sauerstoffgehalt liegt ziemlich gleichmäßig bei 13 mg/l, was einer Sättigungskonzentration von wenig über 100 % entspricht. Im Juni, also etwa 2 Monate später, ist der typische Kurvenverlauf der Sommers- tagnation erkennbar (Abb. 1.12 links): ein 5 m tief reichendes Epilimnion mit dank des kühlen Frühjahrs nur 17 ◦C, ein bis 15 m Tiefe reichendes Metalimnion, an das sich das 40 m mächtige Hypolimnion anschließt. Die Sauerstoffkurve zeigt eine

14 1.2 Die Ökologie der Sorpetalsperre

Abbildung 1.11: Temperatur- und Sauerstoffprofil des Vorbeckens der Sorpetal- sperre am 13.11.2001 (links) und des Hauptbeckens am 30.4.2001. Beachte die Skalierung der Hauptbecken-Tiefen-Achse!

Sauerstoffsättigungskonzentration von 100 % in der trophogenen Zone (die Sicht- tiefe lag bei etwa 7 m, was nach obiger Formel die Kompensationstiefe in 13 m erwarten lässt). Im Hypolimnion geht der Sauerstoffgehalt auf 7 mg/l zurück, was bei der gegebenen Temperatur einer Sättigungskonzentration von 83 % entspricht. Auffällig ist das Sauerstoffminimum bei 15 m. Es ist durch den Eintritt in das küh- le Hypolimnion gebremste Absinken von Biomasse zu erklären. Mit abnehmender Temperatur steigt die Viskosität von Wasser in einer für kleinste Lebewesen durch- aus relevanten Größenordnung [10]3. Wenige Tage später, am 28.6.2001, erkennt man (Abb. 1.12 rechts), dass sich auf- grund der Sonneneinstrahlung der oberste Meter des Epilimnions deutlich erwärmt, während im untersten Meter des Hypolimnions ein beginnender auf Reduzenten- tätigkeit zurückzuführender Sauerstoffschwund festzustellen ist. Am unteren Ende des Metalimnions hat sich Phytoplankton angesammelt, das wegen der erhöhten Zähigkeit des kühleren Wassers nur langsam weiter absinkt. Da durch erhöhte Son- neneinstrahlung jetzt aber auch in diesen Tiefen Fotosynthese möglich ist, führt das zu einer positiven O2-Bilanz. Anfang Oktober ist die Temperatur etwas gesunken (Abb. 1.13 links), allerdings die insgesamt aufgenommene Wärmemenge weiter gewachsen, erkennbar an der tieferen Ausdehnung des Epilimnions. Durch die Entnahme von kaltem Tiefenwas- ser „wandert“ das Metalimnion im Laufe des Jahres weiter nach unten. Hierdurch gerät die Untergrenze des Epilimnions aber wieder unter die Kompensationstiefe, sodass statt Sauerstoffproduktion dort wieder, wie zu Beginn des Sommers, O2- Schwund stattfindet. Im November schließlich ist das Ende der Sommerstagnation fast erreicht (Abb. 1.13 rechts). Die Temperaturunterschiede zwischen Epi- und Hypolimnion sind sehr gering, sie betragen nur noch etwas über 2 K. Trotzdem stagniert der Was-

3siehe hierzu unsere Versuchsanleitung „Schön langsam nach unten“ (http://www.phytoplankton.info/download/sedi.zip)

15 1 Allgemeines

Abbildung 1.12: Temperatur- und Sauerstoffprofil des Hauptbeckens der Sorpetal- sperre am 18.6. und 26.6.2001 serkörper noch, erkennbar an der ungleichmäßigen Sauerstoffverteilung.

Eutrophierung und Mineralstosituation

Nach NAUMANNs und THIENEMANNs Seentypenlehre werden oligo- und eutrophe Seen je nach Produktivität und Klarheit unterschieden (der dystrophe Seentyp ein- mal außer acht gelassen). Die Zuordnung erfolgte ursprünglich nach dem Sauer- stoffprofil: oligotrophe Seen besitzen ein orthogrades Profil (Sauerstoffgehalt ändert sich im Hypolimnion kaum im Vergleich zum Epilimnion), während eutrophe Seen ein klinogrades Sauerstoffprofil aufweisen (starker Sauerstoffschwund im Hypolim- nion). Damit zusammen hängt auch die Einteilung nach Zustand des Sediments: in oligotrophen Seen liegt es im oxidiertem, in eutrophen dagegen im reduziertem Zu- stand vor. In der OECD-Studie zur Eutrophierung [24] wurden willkürliche, den Trophiegrad beschreibende Eckpunkte gesetzt, die sich nach dem Phosphorgehalt richten (Tabelle 1.2.

ultra-oligotroph Ptot < 5 µg/l oligotroph Ptot 5 − 10 µg/l mesotroph Ptot 10 − 30 µg/l eutroph Ptot 30 − 100 µg/l hypereutroph Ptot > 100 µg/l

Tabelle 1.2: Gesamtphosphorgehalte während der Frühjahrszirkulation entspre- chend der OECD-Richtlinie [24]

Diese verschiedenen Kriterien beachten u.E. zu wenig, dass die Eutrophierung letztendlich ein vielschichtiges Phänomen ist. Richtet man sich nur nach einem Kriterium, z.B. dem Phosphorgehalt, so müsste der Schöhsee (Schleswig-Holstein) trotz geringer Tiefe (13 m) und sauerstofffreiem Hypolimnion ein mesotropher See sein (Ptot = 20 µg/l), der Bodensee mit Ptot = 100 µg/l ein eutropher, obwohl

16 1.2 Die Ökologie der Sorpetalsperre

Abbildung 1.13: Temperatur- und Sauerstoffprofil des Hauptbeckens der Sorpetal- sperre am 1.10. und 12.11.2001 die Sauerstoffsättigung im Hypolimnion immer noch mehr als 50 % beträgt. LAMPERT und SOMMER [6] listen Charakteristika oligo- und eutropher Seen in einer Tabelle auf, die hier auszugsweise wiedergegeben ist. Gleichzeitig stellen wir dar, welche Aussagen für Vor- bzw. Hauptbecken zutreffen (Tab. 1.3). Hiermit lässt sich die Beantwortung der Frage, ob die Talsperrengewässer oligo- oder eutroph sind, selbst beantworten. Mineralstoffe wie Phosphate und Stickstoffsalze gelangen durch Niederschläge und Zuflüsse in den Wasserkörper. Der Anteil der Phosphor- und Stickstofffrach- ten, die über das Vorbecken in die Talsperre gelangen, beträgt 76,2 % bzw. 74,6 %, also jeweils rund 3/4 (Abb. 1.14(a),1.14(b)). Daraus wird die Bedeutung des Vorbe- ckens ersichtlich, die in der Verminderung der Mineralstofffrachten liegt [1]. Phos- phor und Stickstoff sollen hier bereits assimiliert und in Form von Biomasse festge- legt werden. Dass das Vorbecken tatsächlich hochproduktiv ist, zeigen folgende Er- gebnisse von Chlorophyll a-Messungen: Am 12.8.1985 betrug die oberflächennahe Chlorophyll a-Menge im Vorbeckens 377 µg/l, während das Hauptbecken (nördli- cher Teil) 1986/87 nur etwa 25 µg/l enthielt [7]4. Dass ein großer Teil der Produk- tion sedimentiert und abgebaut wird, zeigen die sommerlichen Sauerstoffprofile des Vorbeckens. Bereits ab wenigen Metern Tiefe ist das Wasser sauerstofffrei (vgl. Abb. 1.10). Die Verminderung der Mineralstofffrachten durch das Vorbecken bele- gen Messungen des Ruhrverbandes (Abb. 1.15). Allerdings wird dadurch das Hauptbecken natürlich nicht 100-%ig vor Eutro- phierung geschützt. Zum einen lässt sich die Belastung durch die Niederschläge nicht abstellen und der Settmecke-Stollen liefert sein Wasser unter Umgehung des Vorbeckens. Aber vor allem gelangen Mineralstoffe durch den Vorbecken-Überlauf in das Hauptbecken, und zwar während der Sommerstagnation in Form von Bio- masse (Sekundärverunreinigung durch Algen) und während der Zirkulationspha- sen im Vorbecken durch die in seinem Hypolimnion vorher freigesetzten Salze.

4Mittlerweile sind diese Werte auf etwa 1/10 abgesunken. Trotzdem herrschen im Vorbecken noch stark eutrophe Verhältnisse.

17 1 Allgemeines

Charakteristikum oligotroph eutroph Vorbecken Hauptbecken Morphometrie tief flach flach tief Volumenverhältnis <1 >1 >1 <1 Epi- /Hypo¯limnion Primärproduktion gering hoch hoch gering Algenbiomasse gering hoch hoch gering 0,3 – 3 µg Chl./l 10 – 500 z.T. > 300 10 – 20 µg Chl./l µg Chl./l µg Chl./l Mineralstoffe gering reichlich reichlich gering Ptot nach Vollzir- < 10 µg/l > 30 µg/l 50 – 80 µg/l (Zu- ca. 20 µg/l kulation lauf) Massenentwicklungfehlen vorhanden häufig selten Cyanobakterien O2-Zehrung im gering, < 50 % stark, bis auf 0 stark, ab 2 m bei gering, höchs- Hypolimnion 0 tens letzte Meter bei 0 O2-Profil orthograd klinograd klinograd orthograd– heterograd Fischfauna Tiefenwasser- Cypriniden Coregonus lava- salmoniden, retus (Blaufel- Coregonen chen), Salvelinus alpinus (Seesaib- ling)

Tabelle 1.3: Charakteristika oligo- und eutropher Seen [6]

Dies hat zur Folge, dass das Hauptbecken auch eutro- phiert. Jedoch dauert dieser Vorgang hier wesentlich län- ger. Ursache für die große zeitliche Verzögerung ist zum einen der Tiefenablass 12 m über Grund der Sorpetalsper- re. Hier wird regelmäßig nährstoffreicheres Tiefenwasser entzogen. Die Fadenalgen, die den Boden des Sorpeba- ches am Auslauf des Ausgleichsweihers besiedeln, spre- chen eine deutliche Sprache. Bedingt durch die breite U- Form des Tals ist das Verhältnis der Volumina von tro- pholytischer zu trophogener Schicht sehr groß, wodurch eine schnelle Eutrophierung abgebremst wird. Die Untersuchungsergebnisse des Ruhrverbandes wäh- rend der Sommerstagnation 1996 zeigt Abb. 1.16. Durch Abbildung 1.15: die Fotosynthese stieg der pH-Wert im Epilimnion über Verminderung 9 (s. Seite ??), gleichzeitig wurde dort das verfügba- von P, N und CSB re CO fast vollständig aufgebraucht. Der Fotosynthese- 1983–1987 (nach [7]) 2 Sauerstoff bewirkt eine leichte Übersättigung (107 %). Die geringe Primärproduktion bewirkte auch nur eine geringe Abnahme der Mineralstoffe N und P. Die Kieselalgen haben fast den ge- samten Silizium-Vorrat aufgebraucht. Auch die zuführenden kleinen Waldbäche tragen eine eutrophierungsfördern-

18 1.2 Die Ökologie der Sorpetalsperre

(a) Jahresfracht Phosphor 1996 [15]

(b) Jahresfracht Stickstoff 1996 [15]

Abbildung 1.14: Mineralstoffe in der Sorpetalsperre de Mineralstofffracht, die aus Bodenerosion herrührt. In Folge des Sturms Kyrill, der Anfang 2007 über Nordrhein-Westfalen herbrauste, wurde die Erosion auf den Hängen der Sorpetalsperre erhöht. Die dadurch erhöhte Silizium-Auswaschung wurde nachgewiesen ([9]), für andere Mineralstoffe gilt sicher ähnliches. Der LAWA- Trophieindex stieg in 2007 von 1,5 auf 1,8 ([16]).

1.2.2 Biotische Faktoren 1.2.3 Panzliches Plankton des Hauptbeckens

Beobachtet man das pflanzliche5 Plankton über das Jahr (Abb. 1.17), stellt man fest, dass sich das Vorkommen und die Häufigkeit verschiedener Arten ständig ändern. Im Winter und Frühjahr dominieren Kieselalgen. Geringe Wassertempera- turen schränken ihr Wachstum nicht allzusehr ein. Im dargestellten Jahr 1996 kam es allerdings im März, bedingt durch schlechtes Wetter (Lichtmangel), zu einem Einbruch der Diatomeenproduktion. Für diese Algen ist Silizium ein essenzieller Nährstoff, den sie im Mai/Juni aufgezehrt haben. Infolge dessen sinkt ihre Dichte im Sommer, um erst im Herbst wieder anzusteigen, wenn durch die Zirkulation wieder Silizium in der trophogenen Schicht zur Verfügung steht. Dinoflagellaten (fast ausschließlich Ceratium hirundinella) und Goldalgen (vor al- lem das koloniebildende Becherbäumchen Dinobryon divergens und die zarte, mit Borsten tragenden Kieselsäureschuppen bedeckte Mallomonas caudata) sind typi- sche Sommerformen, wobei Ceratium oft einige Wochen vor Dinobryon zu beobach- ten ist. Die Konkurrenz durch die Kieselalgen ist jetzt gering, außerdem sind die Temperaturen höher, wodurch bessere Wachstumsbedingungen geschaffen wer- den. Gegen Ende des Sommers sinkt, auch durch das grazing der tierischen Plank- ter, die Dichte dieser Formen wieder.

5Cyanobakterien werden hier mit einbezogen, da sie einen ähnlichen Lebensformtyp darstellen

19 1 Allgemeines

Abbildung 1.16: Wasserbeschaffenheit der Sorpetalsperre kurz vor dem Damm am 13.8.96 (aus [15])

Cyanobakterien (hauptsächlich Microcystis flos-aquae) können in warmen Som- mermonaten auftreten. Grünalgen spielen in unserem Netzplankton eine eher un- tergeordnete Rolle.

Tierisches Plankton des Hauptbeckens

Hier dominieren zwei Klassen: die Rädertiere (Rotatoria, Abb. 1.18(a)) und die Krebstiere (Crustacea). Beide Klassen sind mit mehreren Arten vertreten. Von den Rädertieren findet man häufig Polyarthra, das durch seine Flossen zu schnellen Fluchtsprün- gen befähigt ist. Immer wieder anzutreffen sind auch Kellicottia longispina und Asp- lanchna. In der Regel produzieren Rädertier- diploide Eier, aus denen sich parthe- nogenetisch diploide Töchter entwickeln. In♀♀ Reaktionen auf wenig bekannte Um- weltreize können haploide Eier ablegen, aus denen schlüpfen, deren Größe und Körperbau stark♀♀ reduziert ist. Diese können weitere♂♂ haploide Eier besamen. Die diploiden Zygoten bilden eine dicke Schale und können als „Dauereier“ un- günstige Zeiten überstehen. Nicht alle Rädertierarten scheinen zu bilden. Bei den Krebstieren lassen sich in der Sorpetalsperre zwei Gruppen♂♂ unterschei- den: die Blattfußkrebse („Wasserflöhe“, Phyllopoda, Abb. 1.20) und die Ruder- fußkrebse („Hüpferlinge“, Copepoda). Blattfußkrebse stellen eine wesentliche Nah- rungsquelle für Fische dar. Das hauptsächliche Bewegungsorgan der Daphnien ist das 2. Antennenpaar, während die 1. Antennen Sinnesorgane tragen. Auch die ebenfalls in der Sorpetalsperre vorkommenden Bosmina-Arten nutzen ihre 2. An- tennen zur Fortbewegung; sie schlagen mit ihnen sehr rasch. Der Körper der Blatt-

20 1.2 Die Ökologie der Sorpetalsperre

Abbildung 1.17: Phytoplanktonhäufigkeit im Jahr 1996. Daten nach [15]

(a) Allgemeines Schema eines Rädertieres ( ). Bei vielen Arten wird dieser Grundbauplan stark abgewandelt.♀ Nach [17]

Abbildung 1.18: Rädertiere

21 1 Allgemeines

(a) Drei frischgeborene Daphnia- Jungen neben dem Schwanzstachel der Mutter

(b) Nauplius-Larve eines Ruder- fußkrebses

Abbildung 1.19:

22 1.2 Die Ökologie der Sorpetalsperre fußkrebse ist beidseitig von einer Schale (Carapax) umgeben, nur an der Bauch- seite befindet sich ein schmaler, bis zum Schwanzstachel (Spina) reichender Spalt. Mit der Schale zusammen bilden die Beine einen Filtrierapparat. Durch den Spalt wird Wasser eingesaugt und die Beine filtrieren die Nahrung. Hieraus wird auch die Ernährungsweise der Blattfußkrebse deutlich: sie fressen im Wesentlichen Phy- toplankton6.

Abbildung 1.20: Blattfußkrebs (Daphnia) in Seitenansicht, mit Embryonen. Aus [4] ♀

Die Vermehrung der Phyllopoden ist auf den ersten Blick ähnlich wie bei den Rotatorien. Auch hier entwickeln die normalerweise diploide Eier, aus denen parthenogenetisch Embryonen hervorgehen.♀♀ Die entstehen allerdings -im Ge- gensatz zu den Rotatorien-♀ ebenfalls aus diploiden♂♂ Eiern. Auch sie entwickeln sich parthenogenetisch. „Männchen-Eier“ werden nur aufgrund von ungünstigen Um- weltbedingungen gebildet (phänotypische Geschlechtsbestimmung). Zu Beginn des Winters bilden die dotterreiche, haploide Eier, die sich nach Befruchtung au- ßerhalb des Mutterleibes♀♀ zu Dauerstadien entwickeln. Ansonsten findet die Ent- wicklung der Jungen im Brutraum statt. Sie werden lebend (ohne Larvenstadium) geboren (Abb. 1.19(a)). Die zweite Gruppe der planktischen Crustaceen wird durch die Copepoden (Abb. 1.21) repräsentiert. Der Körper ist meist langgestreckt und in drei Abschnitte ein- geteilt. Der Kopf-Brust-Abschnitt wird von den großen 1. Antennen dominiert. Sie enthalten Sinnesorgane und dienen als „Fallschirme“ (Schwebefortsätze), nicht der Fortbewegung! Die Mundwerkzeuge sind je nach Ernährungstyp unterschiedlich gestaltet: Strudler erzeugen durch 2. Antennen, Mandibeln und 1. Maxillen einen Wasserstrom, die 2. Maxillen wirken als Filter. Räuberische Arten besitzen bedorn-

6Das gilt natürlich nicht für räuberische Phyllopoden wie z.B. Leptodora, das vereinzelt im Vorbecken in der Sorpetalsperre beobachtet wurde

23 1 Allgemeines te Maxillen und bezahnte Mandibel, Pflanzenfresser beißen größere Algenzellen an und saugen sie aus. Die in der Sorpetalsperre vorkommende Gattung Eudiaptomus lebt als Strudler und kann auch gezielt einzelne Algenzellen ergreifen und fressen [5]. Cyclops-Arten besitzen einfacher gebaute Mundwerkzeuge mit geringerer Be- borstung. Sie leben omnivor. Größere Arten können sogar Tiere anfallen, die größer sind als sie selbst, wie Zuckmückenlarven oder Fischembryonen. Im Gegensatz zu Phyllopoden scheinen sie selbst Fischen weniger zum Opfer zu fallen. Ihre Fähigkeit, durch Bewegungen ihrer Beine größere und unkalkulierbare „Sprünge“ zu machen, scheint sie in vielen Fällen vor dem Zugriff von Fischen zu retten. Diese Fähigkeit hat ihnen auch ihren deutschen Namen eingetragen. Hin- terleib und Schwanzgabel bestimmen dabei die Richtung. Neben den mit Sinnesborsten gespickten 1. Antennen besitzen Copepoden we- nig leistungsfähige Naupliusaugen. An inneren Organen besitzen sie mächtig ent- wickelte Muskeln. Der Darmtrakt beginnt mit der Mundöffnung auf der Unterseite des Kopfbruststücks und endet rückenseitig am letzen Hinterleibssegment. Cyclo- poiden fehlt ein Herz, hier zirkuliert die Körperflüssigkeit mittels peristaltischer Darmbewegungen. lassen sich an den Gelenken in der Mitte der Antennen erkennen (Diapto- miden♂♂ besitzen nur auf einer Seite dieses Gelenk!). Hiermit ergreifen sie bei der Kopulation ein . Kurz nach der Begattung werden die Eier abgelegt, die nach dem Austritt aus dem♀ Eileiter durch ein erhärtendes Sekret zusammengehalten werden. So entstehen ein oder zwei Eiballen. Die Befruchtung findet während der Eiabla- ge durch Spermien aus dem Vorrat der Spermientasche statt. Parthenogenese tritt nur sehr selten auf. Die Eier entwickeln sich zu den sich ruckartig bewegenden Nauplius-Larven (Abb. 1.19(b)). Sie besitzen nur drei Gliedmaßenpaare. Nach sechs Häutungen folgen sechs Copepodit-Stadien, in denen die Segment- und Gliedma- ßenzahl zunimmt. Ab der Geschlechtsreife häuten sich Copepoden nicht mehr.

24 1.2 Die Ökologie der Sorpetalsperre

Abbildung 1.21: Hüpferling (Cyclops) in Bauchansicht, ohne Eipakete. Extremitä- ten sind der Übersichtlichkeit wegen nur einseitig dargestellt.♀ Nach [18]

25 1 Allgemeines

26 2 Praktisches Arbeiten

2.1 Fang und Behandlung von Planktonproben

Wir erbeuten Plankton mit dem Planktonnetz. Hierfür stehen zwei Ausführungen zur Verfügung: das lange Zeppelinnetz mit 40 µm Maschenweite, das in erster Linie für pflanzliche Plankter gedacht ist, sowie ein kleineres Netz mit 120 µm Maschen- weite für Zooplankton. Planktonnetze filtrieren und unterliegen wie jeder Filter der allmählichen Ver- stopfung. Dies ist besonders bei geringen Maschenweiten bedeutsam. Beim Zeppe- linnetz wird dieser Einfluss durch die größere filtrierende Oberfläche wettgemacht. Planktonnetze arbeiten nicht quantitativ. Diesem Faktor ist bei der Auswertung der Proben Rechnung zu tragen. Die ermittelten Häufigkeitswerte können nur als gro- be Orientierung dienen [19]! Die Fangtechnik ist von der Fragestellung abhängig. Wenn Plankton einer be- stimmten Tiefe untersucht wird, werden Horizontalfänge durchgeführt: Das Netz wird waagerecht eine bestimmte Strecke in einer bestimmten Tiefe durch das Was- ser gezogen. Damit keine Plankter aus anderen Tiefen mit in das Netz gelangen, ist hierfür ein Schließnetz zu verwenden. Da ein solches Netz hier nicht zur Verfü- gung steht, können Horizontalfänge nur an der Oberfläche gemacht werden. Hier- bei wird das Planktonnetz an einer Teleskopstange oder an einer Schnur in langsa- mem Schritttempo durch das Wasser gezogen. Eine Strecke von ca. 10 m genügt in der Regel. Wenn der Fang einen repräsentativen Querschnitt durch alle Schichten darstellen soll, führt man einen Vertikalfang durch. Das 40 µm-Netz wird an einer Leine 15 m tief abgelassen (im Vorbecken nur 7 m). Durch die stählerne Armatur am Netzende ist es schwer genug, um nach unten zu sinken. Danach wird es lang- sam, Hand über Hand, wieder nach oben geholt. Planktonnetze dürfen nicht zu schnell durch das Wasser gezogen werden, da sie sonst das Wasser eher vor sich her schieben als es zu filtrieren. Nach dem Fang wird der Netzbecher geöffnet (senkrecht halten, Kugelventil!) und der Inhalt in eine kleine Glasflasche überführt. Die mikroskopische Untersu- chung soll möglichst rasch erfolgen. Bis dahin muss die Flasche im Schatten und kühl aufbewahrt werden. In unserer Bibliothek befinden sich der Diatomeenband von HUBER-PESTALOZZI [3] und “Das Leben im Wassertropfen” [21] in Kursstärke. Hiermit sollen die Schü- lerinnen und Schüler versuchen, die gefundenen Formen zu bestimmen.

2.2 Feldmessgeräte

2.2.1 Sauersto- und Temperaturmessung

Zur Messung von Sauerstoffkonzentration, -gehalt und der Temperatur stehen zwei Geräte von WTW zur Verfügung: OXI 315 und OXI 330. Beide Geräte sind mit dem

27 2 Praktisches Arbeiten

Sauerstoffsensor (CLARK-Elektrode) CellOx 325 ausgerüstet. Das 330 besitzt ein 100 m langes Kabel. Dank der druckfesten Tiefenarmatur des Sensors kann mit diesem Gerät der Sauerstoffgehalt und die Temperatur in den Tiefen des Hauptbeckens bestimmt werden. Das OXI 315 besitzt ein Kabel mit 15 m Länge und wird am Vor- becken benutzt. Bei beiden Geräten ist die Bedienung identisch. Sie besitzen eine Auto-Kalibrierfunktion. Nach dem Einschalten bewirkt die Tastenfolge CAL → RUN ENTER die Kalibrierung (der Sensor muss dazu in seiner weißen Hülle ste- cken). Erkennbar ist der Kalibriervorgang an einem blinkenden AR im Display. Sobald das Blinken aufhört, ist das Gerät kalibriert. Ein Druck auf die Taste O2 muss jetzt eine Sauerstoffkonzentration von ca. 102 % anzeigen. Mit der gleichen Taste wird zwischen der Gehalts- (in mg/l) und der Konzentrationsanzeige (%) hin- und hergeschaltet. Erscheint ein E zusammen mit einer Kennziffer, deutet das auf eine Störung am Gerät. Die Teflonmembran an der Spitze des Sensors ist äußerst empfindlich: Ein Be- rühren mit den Fingern kann sie schon beschädigen!

Funktionsweise der CLARK-Elektrode Ein Sauerstoffsensor enthält im einfachs- ten Fall eine Arbeitselektrode und eine Gegenelektrode. Beide Elektroden befinden sich in einem Elektrolytsystem, das durch eine gasdurchlässige Membran von der Probe getrennt ist. Die Arbeitselektrode reduziert die Sauerstoffmoleküle zu Hy- droxidionen. Bei dieser elektrochemischen Reaktion fließt im Sensor ein Strom von der Gegenelektrode zur Arbeitselektrode. Je mehr Sauerstoff in der Messlösung ist, desto größer ist das Stromsignal. Das Sauerstoffmeßgerät berechnet mit Hilfe ei- ner Löslichkeitsfunktion aus diesem Signal die Sauerstoffkonzentration der Mess- lösung.

2.2.2 Leitfähigkeitsmessung

Das von uns verwendete Gerät ist das Cond 325 von WTW. Es ist auf eine Bezug- stemperatur von 20 ◦C eingestellt. Nach dem Einschalten muss nur der Sensor in die Probe gehalten werden.

Funktionsweise der Leitfähigkeitszelle Der Leitfähigkeitswert ist ein Summenpa- rameter für die Ionenkonzentration einer Messlösung. Je mehr Salze, Säuren oder auch Basen eine Lösung enthält, desto höher ist ihre Leitfähigkeit. Die Einheit für die Leitfähigkeit ist S/m (Siemens pro Meter). Die Skala für wässrige Lösungen beginnt bei reinstem Wasser mit einer Leitfähigkeit von 0,05 µS/cm (25 ◦C). Natür- liche Wässer wie Trinkwasser oder Oberflächenwasser liegen im Bereich von etwa 100 - 1000 µS/cm. In der Praxis dient die Leitfähigkeitsmessung auch zur Überwa- chung von Anlagen, zur Herstellung von Reinstwässern oder zur Bestimmung der Salinität von Meerwasser. Bei uns können mit dieser Methode die Ionengehalte von Vor- und Hauptbecken oder auch einzelner Schichten des Gewässers miteinander verglichen werden. Die Messung der Leitfähigkeit erfolgt über eine elektrochemi- sche Widerstandsmessung. Die verwendete Messzelle besteht im einfachsten Fall aus zwei gleichartigen Elektroden. Eine an die Elektroden gelegte Wechselspan- nung führt zu einer auf die Elektroden ausgerichteten Bewegung der in der Mess- lösung enthaltenen Ionen. Je mehr Ionen die Messlösung enthält, desto größer ist

28 2.2 Feldmessgeräte

Abbildung 2.1: Leitfähigkeitsbereiche (aus [25])

29 2 Praktisches Arbeiten der zwischen den Elektroden fließende Strom. Das Messgerät berechnet aus dem gemessenen Strom auf Grundlage des Ohm’schen Gesetzes zunächst den Leitwert der Messlösung und unter Einbeziehung der Zellendaten den Leitfähigkeitswert ([25]).

2.2.3 pH-Messung

Zur pH-Messung wird ein Taschen-pH-Meter mit Einstabmesskette benutzt. Nach dem Einschalten muss mit Hilfe von zwei Pufferlösungen die Kalibrierung über- prüft werden. Eine Anleitung dazu befindet sich im entsprechenden Arbeitsheft1.

2.3 Analysen

Es werden folgende Mineralstoffe analysiert:

• Gesamtphosphat

• Stickstoff: Ammonium, Nitrit, Nitrat

• Eisen

• Silikat

Die Analysen werden fotometrisch mit verschiedenen Testkits von Macherey-Nagel aus den Serien nanocolor und visocolor durchgeführt [11]. Zur Auswertung wer- den das Taschenfotometer PF-10 von Macherey-Nagel und das Laborfotometer CA- DAS 50 von Dr. Lange benutzt. Darüber hinaus stehen Verfahren zur titrimetrischen Bestimmung des fotosyn- thetisch verwendbaren Kohlenstoffs (CO2, Carbonat, Hydrogencarbonat: Gesam- ter anorganischer Kohlenstoff (TIC2) zur Verfügung. Hierzu wird eine Motorkol- benbürette verwendet. Die Ergebnisse werden computergestützt ermittelt. Zur Ermittlung der Produktivität des Gewässers lässt sich die fluorometrische Chlorophyllbestimmung heranziehen. Für alle Methoden sind audführliche Ar- beitshefte erschienen3.

1Download unter www.phytoplankton.info/download/arbeitshefte.zip 2total inorganic carbon 3Download unter www.phytoplankton.info/download/arbeitshefte.zip

30 Literaturverzeichnis

[1] BENNDORF,J./PÜTZ,K./KRINITZ,H./HENKE, W. (1975): Die Funktion der Vorsperren zum Schutz der Talsperren vor Eutrophierung. Wasserwirtschaft- Wassertechnik 25(1), S. 19–25

[2] EDMONDSON, W.T. (1972): Nutrients and phytoplankton in Lake Washington. In: LIKENS, G.E. (ed.): Nutrients and eutrophication, Special Symposia Volume I. Lawrence 1972 Biologie 20/216, S. 36–39

[3] HUBER-PESTALOZZI, G. (1942): Das Phytoplankton des Süßwassers. Systema- tik und Biologie. 2. Teil, 2. Hälfte: Diatomeen. Stuttgart (Nachdruck 1975)

[4] GRUNER, H.-E. (Hrsg.) (1993): Alfred Kaestner: Lehrbuch der Speziellen Zoo- logie, Band I, 4. Teil: Arthropoda (ohne Insecta). Jena 41993

[5] KIEFER, F./FRYER, G. (1978): Das Zooplankton der Binnengewässer. Die Bin- nengewässer Band XXVI, 2. Teil. Stuttgart

[6] LAMPERT, W./SOMMER, U. (1993): Limnoökologie. Thieme, Stuttgart 1993

[7] Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (Hrsg.) (1990): Limnologie und Bedeutung ausgewählter Talsperren in der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden

[8] Landesvermessungsamt Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (o.J.): Preußische Karten- aufnahme 1:25 000 (1836–1850) - Uraufnahme, Blatt HK25UR 4613

[9] MÜLLER, R. (2009): Influence of storm „Kyrill“ induced deforestation on the si- licon supply of the Sorpe . Diatomededelingen 33, 90–93 (Download des Konferenz-Posters unter www.phytoplankton.info/download/kyrill-poster. pdf)

[10] NACHTIGALL, W. (1999): Warum sinken kleine Plankter so langsam ab? Eine physikalisch-ökologische Betrachtung. Mikrokosmos 88, S. 157–166

[11] o.N. (1991): Chemische Versuche mit visocolor und nanocolor. Macherey- Nagel, Düren

[12] o.N. (1999): 100 Jahre Ruhrtalsperrenverein - 100 Jahre Talsperrenbau an der Ruhr. (www.rwth-aachen.de)

[13] RISSLER, P. (1997): Wassermengenwirtschaft Ruhrtalsperren - hydrologische Randbedingungen für den Einsatz der Ingenieurbiologie. In: Ingenieurbiologie und stark schwankende Wasserstände an Talsperren. Jb. 8 der Ges. f. Ingenieru- biol. (Hrsg. E. HACKER), S. 39–50, Aachen

[14] Ruhrverband (Hrsg.) (1988): 1913–1988: 75 Jahre im Dienst für die Ruhr. Essen

31 Literaturverzeichnis

[15] Ruhrverband (Hrsg.) (o.J.): Ruhrwassergüte 1996. Essen

[16] Ruhrverband (Hrsg.) (2008): Talsperrenuntersuchungen. Ruhrgütebericht 2007, S. 59. Essen

[17] RUTTNER-KOLISKO, A. (1974): Plankton rotifers. Biology and Taxonomy. Die Binnengewässer Band XXVI/1 Supplement. Stuttgart

[18] SCHMIDT, E. (1991): Wasserblüten im Stadtparkteich. Praxis der Naturwissen- schaften - Biologie 40(6), S. 25-33

[19] SCHWOERBEL, J. (1994): Methoden der Hydrobiologie. Stuttgart

[20] STOERMER, E.F. (2001): Great Lakes diatom homepage. (www. umich.\hskip\z@skipedu/\hskip\z@skip$\sim$phytolab/\hskip\z@ skipGreatLakesDiatomHomePage/top.html)

[21] STREBLE,H./KRAUTER, D. (1988): Das Leben im Wassertropfen. Stuttgart 81988

[22] THIENEMANN, A. (1912): Die Verschmutzung der Ruhr im Sommer 1911. Z. Fisch. 16, S. 55–86

[23] TILZER, M. (1988): Secchi disk - chlorophyll relationships in a lake with highly variable phytoplankton biomass. Hydrobiologia 162, S. 163–171

[24] VOLLENWEIDER,R./KEREKES, J. (1982): Eutrophication of Waters, Monito- ring, Assessment and Control. OECD, Paris 1982

[25] WTW (2002): Katalog Wasser. Weilheim

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