2012

Carli Nagelmüller- Grünbaum

Fritz Grünbaum & Carli Nagelmüller Das Künstlerpaar in Gablitz 1912 Lieben und Lachen, Das sind die einzigen Sachen, Die Keinem schaden und Jedem Freude machen. (F. Grünbaum)

Fritz Grünbaum

Dr. Renate Grimmlinger MSc Kustodin des Gablitzer Heimatmuseums

Heinrich Lefnaer

2 Dr. Renate Grimmlinger MSc: Fritz Grünbaum und Carli Nagelmüller in Gablitz 2011/2012

Fritz Grünbaum (2. Von links) 1908 mit Carli Nagelmüller u.a. vor dem Kabarett „Die Hölle“ 1 das sich im Souterrain des Theaters an der Wien (1060, Linke Wienzeile 6), befand

Fritz Grünbaum und Gablitz

Der Kabarettist Fritz Grünbaum2 (*1880 Brünn †1941 Dachau) war in erster Ehe mit der Sängerin Karoline Nagelmüller (*1884 †19303) verheiratet. Karoline stammte aus Wien. Das Paar hatte am 1. August 1908 in Budapest eine Zivilehe geschlossen, was in Ungarn möglich war, während es im cisleithanischen Teil der Monarchie nur religiös geschlossene Ehen gab4. Fritz Grünbaum hatte 1903 das Jusstudium5 in Wien abgeschlossen, als Beruf gab er „Schriftsteller“ an.

Fritz Grünbaums „Blitzkarriere“ begann als Conférencier in Wien, 1906 wurde die Hölle mit Grünbaums Operette Phyrne eröffnet, weitere Operettentexte und Texte für Chansons folgten. Er schrieb zahlreiche Libretti für Robert Stolz,

1 Foto aus wikipedia 2 Franz Friedrich Grünbaum 3 12. Februar 1930 in Wien – vgl. Arnbom et al (2005) S 27. In anderen Quellen: Naglmüller Karoline 4 Zivilehe 1.8.1908. zitiert in Arnbom et al (2005) Seite 26 5 Er schloss sein Studium 1903 in Wien mit dem Absolutorium ab – vgl. Arnbom et al (2005)

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Franz Lehár, , Emmerich Kálmán, E. Eysler, u.a. Die Lieder "Du sollst der Kaiser meiner Seele sein" und "Ich hab' das Fräul'n Helen' baden seh'n" sang bald ganz Wien. „Die Dollarprinzessin“ (1907) mit Musik von Leo Fall war sofort ein Riesenerfolg. Von der Bühne weg wurde Grünbaum von Rudolf Nelson nach engagiert, wo er bald ebenso berühmt war wie in Wien. Die Zusammenarbeit mit Rudolf Nelson sollte viele Jahre anhalten, und Fritz Grünbaum pendelt ab 1907 zwischen Wien und Berlin.

1908 veröffentlichte Fritz Grünbaum seinen ersten Gedichtband6 „Liebe? – Mumpitz“ in welchem so köstliche Texte wie: „Die Kunst zu lieben oder wie fang´ ich mir ein Verhältnis an?“ Und „Die Kunst aufzuhören oder wie werde ich ein Verhältnis los?“ enthalten sind. 1910 kommt Fritz Grünbaum nach Wien zurück, wo er nun wieder in der „Hölle“ und später im „Simpl“ auftritt.

Wann und wo Fritz Grünbaum und Carli Nagelmüller einander kennen lernten, ist nicht bekannt.

Aus dem Ausstellungskatalog „Fledermaus 1907 bis 1912“

Carli Nagelmüller war Diseuse, Sängerin und Komikerin, 1906 war sie im Rembrandt Theater in Amsterdam7 engagiert, 1907 Mitglied des Ensembles

6 Veröffentlicht unter„Fritzl Grünbaum“ 1908 im Verlag Harmonie, Berlin. 7 Lt. Kaufvertrag der Gablitzer Liegenschaft 1906

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Venedig in Wien8, ob sie mit Fritz Grünbaum in Berlin engagiert war, ist nicht bekannt.

„Venedig in Wien“: Foto aus wikipedia9

In der Saison 1910/11 trat sie im Cabaret Hölle auf, wo sie vorwiegend Texte ihres Gatten interpretierte wie Cordula, Die Edith und die Sittsamkeit. Ein ekelhafter Kerl. Eine reizende Frau. Eine keramische Ballade.10 Vertont wurden viele der von ihr gesungenen Chansons von Richard Fall, Leo Falls jüngerem Bruder.11

8 Ankündigung aus 1907 9 http://de.wikipedia.org/wiki/Venedig_in_Wien abgefragt am 6.11.2011 10 Vgl. Arnbom et al (2005) S 26 11 Arnbom et al (2005) S. 32. Sein Schlager „Was machst du mit dem Knie lieber Hans“ war Hit der 1920iger J.

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Paul Pallos (ca.1894-ca.1920) schrieb für Carli Nagelmüller das Lied „Lebenslauf“ für Klavier mit Gesang (vmtl. 1911).12 Sehr berühmt ist „Wien im Mai“ Text von Fritz Grünbaum, vertont von Paul Pallos (1917)13.

14 Titelblatt zu Noten , Melodie von Paul Pallos - z.V.g. von Mag. Dieter Halama

Carli Nagelmüller scheint in der Saison 1910/11 im Cabarett Fledermaus15, in der Hölle und ab 1914/15 auch im Simpl auf.16 1913 trat Carli Nagelmüller im Singspiel "Rosenstock und Edelweiß" von Franz Lehár gemeinsam mit Heinrich Eisenbach auf.

Im Simpl war Carli Nagelmüller ein Star und Garant für ein volles Haus.17 „Fritz Grünbaum bringt zwei neue Gedichte, die schallende Heiterkeit hervorrufen, und die unerschütterliche Carli Nagelmüller sehr gute Chansons, deren Texte von Fritz Grünbaum stammen“, ist im Neuen Wiener Journal am 23. Oktober 1914 zu lesen.18

12 Die Noten „Lebenslauf - Frau Carli Nagelmüller zugeeignet“ besten Dank an Frau Dr. Iris Fink, Österr.Kab.A. 13 Aus dem Nachlass Peter Wlcek im „Verbund VolksLiederWerke Österr. und Südtirols“ Katalog „bis C 2000“, Sign.: ÖN 07-(4)-2, 460 http://vlw1.dabis.org/PSI/redirect.psi&pageid=1320434380.826486&sessid=f1b8-1592- 8720-2204&index=4&f_showitem=&fil_select=TIT& abgefragt am 5.11.2011. In den Lehrer-Konferenzprotokol- len scheinen um 1912 Kinder einer Familie Wlcek auf. Ob es einen Zusammenhang gibt, ist unbekannt. 14 Enthalten in einem Sammelband für Klavier und Gesang 'Valse lente' für Klavier, 2 händig 15 Ausstellungskatalog „Fledermaus 1907-1912“ S 212 16 Dr. Iris Fink, Österreichisches Kabarettarchiv , mail vom 14.10.2011, danke für folgenden Hinweis: „Carli Nagelmüller war in der Saison 1910/11 (also von September 1910 bis April 1911) im Kabarett Fledermaus engagiert und interpretierte dort u. a. Chansons ihres Gatten Grünbaum…. . Im Dezember 1911 kam sie in die "Hölle" und blieb dort - mit einigen Unterbrechungen - bis Jänner 1915. 1913 spielte Nagelmüller gemeinsam mit Heinrich Eisenbach im Singspiel "Rosenstock und Edelweiß" v. Franz Lehár. Im Februar-Programm 1915 tritt sie dann mir Grünbaum-Chansons im "Simpl" auf." 17 Arnbom et al (2005) S. 31 18 zitiert bei Arnbom et al (2005): S. 26

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Carli Nagelmüller, Fritz Grünbaum und die „Kunstszene von Gablitz“:

Schon im August 1906 hatte Caroline Nagelmüller, die zu dieser Zeit im Rembrandt Theater in Amsterdam engagiert war19, das Haus K. Nr. 53 in Gablitz gekauft. Vorbesitzerin war Jeanette Batscher20, die das Haus 1901 nach einem Brand neu errichten ließ.21Die Liegenschaft wurde 1906 im Zuge der Verlassenschaft nach Jeanette Batscher an Caroline Nagelmüller verkauft.

Das nunmehr einstöckige Wohnhaus war zur Zeit Grünbaums noch ebenerdig. Es liegt in einem schönen Garten direkt im Ortskern, Hauptstraße 34.22 Das Nebenhaus gehörte dem Bildhauer Adolf Batscher. Der große Garten befindet sich hinter dem Haus und reicht fast bis zur Linzerstraße.

Auszug aus dem Grundbuch Gablitz EZ 53 (Hauptstr. 34)Bezirksgericht Purkersdorf:

Das ursprünglich ebenerdige Wohnhaus Hauptstraße 34 und Blick in den Garten

19 Lt. Kaufvertrag vom 20.8.1906, BG Purkersdorf vom 17.10.1906 – im Bauakt 20 Lt. Grundbuch: Jeanette Batscher, Besitzerin von 1899 bis 1906 21 Antrag vom 26.7.1901 - Bauakt 22 Herr Anton Rydl erzählte, dass er in den 1950iger Jahren als Maurer das Haus aufstockte und den „Veranda- Anbau“ mauerte.

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1913 scheinen Fritz Grünbaum wie auch seine Ehefrau Carli Nagelmüller- Grünbaum im Telefonbuch Gablitz mit Tel. Nr. „2“ auf. Von 1908 bis Dezember 1914 sollte diese Ehe halten.

23 Auszug aus dem Telefonbuch 1913

1928 verkaufte Caroline Nagelmüller-Grünbaum die Liegenschaft um S 13.500,- an den Gablitzer Gemeindearzt Dr. Emilian Weymann und seine Frau Anna. Die Wiener Wohnung von Karoline Grünbaum war in Wien VI, Dreihufeisengasse 924, ein Eckhaus zur Gumpendorferstraße, wo sich vis a vis das legendäre Cafe Sperl befindet.

Wieso Carli Nagelmüller 1906 - offenbar während sie am Rembrandt Theater in Amsterdam engagiert war - ausgerechnet ein Haus in Gablitz erwarb, kann nur vermutet werden. War es Zufall? Kannte sie die Vorbesitzerin? War es, weil Gablitz nicht weit von Wien entfernt ist? Mit der „Kaiserin Elisabeth Bahn25“ fuhr man vom Westbahnhof bis Purkersdorf, und von dort in das vier Kilometer entfernte Gablitz. Zunehmend hatten wohlhabende Wiener Familien ihren Sommersitz nach Gablitz verlegt, Villen gebaut oder waren als „Sommerparteien“ gern gesehene Mieter. Denn: Wer es sich leisten konnte, verbrachte die Sommermonate außerhalb Wiens. Oder gab es Kontakte zwischen Künstlern, die sich bereits in Gablitz angesiedelt hatten? Kam sie durch den Komponisten Heinrich Lefnaer nach Gablitz? Oder hatte sie Kontakte zu dem „Internationalen Artistenclub zum lustigen Ritter“ in Wien? Dieser war seit 1900 Besitzer des Hauses K.Nr. 54 (Linzerstr. 78). Oder war sie durch Josef Koller, der Mitbegründer des Artistenclubs und Gründer der Schauspieler-Vereinigung war, auf die Liegenschaft aufmerksam geworden? Koller hatte mit anderen Kleinkünstler und „Volksliedersängern“ unzählige Kontakte, denen er in sein Buch „Das Wiener Volksliedertum in alter und neuer Zeit“ ein Andenken setzte. Wienerliedersänger und Kabarettisten traten damals oft am gleichen Abend auf.

23 Verzeichnis der Abonnenten und öffentlichen Sprechstellen des Telefonnetzes in Wien und der übrigen Telefonnetze Niederösterreichs, Ausgabe vom Jänner 1913. 24 Die Gasse wurde unbenannt, heute Lehargasse 10/Gumpendorferstr. 11. Diesen Hinweis verdanke ich Dr. E. Dimitz/Bezirksmuseum Mariahilf, mail vom 28.8.2011 25 heute: Westbahn

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Familie Lefnaer Eine der wohlhabendsten Familien in Gablitz war jene des Wiener Metallwarenfabrikanten Heinrich Lefnaer (Lefnär).26 Die kunstinteressierte und kulturell engagierte Familie war aus Gablitz nicht wegzudenken. Heinrich Lefnär sen. war Förderer des Gablitzer Verschönerungsvereins27 und sein Sohn führte diese Tradition weiter, ab 1908 als Obmann des Vereins. Aufgabe des Verschönerungsvereins war es auch, den Sommergästen Unterhaltung zu bieten: Künstler wurden zu Konzerten und zu Sommerfesten und Konzerten eingeladen und verschiedene kulturelle Veranstaltungen im Rahmen des Gablitzer Verschönerungsvereins organisiert28.

Das Komitee des Verschönerungsvereins zur Errichtung des Kaiserdenkmals in Gablitz (1911) Foto: Archiv

Heinrich Lefnär jun. (1871-1939) war Komponist und seinem „Krätzel“, dem „Schottenfeld“ in Wien widmete er einige Kompositionen. Aus dem nahegelegenen „Lerchenfeld“ stammten einige berühmte Künstler. Ludwig Gruber29 war für „Wienerwaldlieder“ bekannt, er komponierte auch „Mei Muatterl war a Weanerin“. Heinrich Lefnaers Kompositionen wurden in Wiener Etablissements wie dem Ronacher, im Cur-Salon Stadtpark, beim Dreher,30 Wimberger aber auch in Frankfurt gespielt. Er komponierte Lieder, Märsche, Walzer, Polkas und zwei Operetten: „Artistenblut“ und „Der gute Freund.“ Lieder wie „In ein fesches Wiener Mädel ist gleich jeder Mann verliebt“. 1909, beim Ball der Wiener

26 Die Wiener Adresse der 1837 gegründeten kuk Hof-Bau-Zink Ornamentenfabrik und Kunstspänglerei (sic!) war Wien VII, Westbahnstr. 11 und Hermanng. 18. In Gablitz hatten sie einen sehr großen Besitz, auf dem drei Häuser (K.Nr. 1, 3 und 4) standen, die Villa und das Gästehaus. Das heute noch existierende Haus Hauptstraße 41 war die Garage - Information von Anton Rydl 10/2012 26 Drehers Etablissement, Wien 3, Landstraßer Hauptstr. 97 oder war es "Dreher Park Weigl " im 12. Bezirk? 27 Festschrift 125 Jahre Gablitzer Verschönerungsverein 1988, vermutlich wurde der Verein 1876 gegründet 28 Lt. Lehrerprotokollbuch 1906-1916, transkribiert von R. Grimmlinger, wurden vom „Damenkomitee“ des Verschönerungsvereins arme Kinder mit Schulsachen und zu Weihnachten beschenkt. 29 Koller (1931) weist auf den Komponisten Ludwig Gruber (S. 119f) 30 Ein damals sehr bekanntes Vergnügungslokal in Wien Meidling

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Bautechniker, wurde Lefnaers „Jubiläumswalzer“ aufgeführt, der auch als „Gablitzer Engerln Walzer“ bekannt ist. Bei diesem Ball wurde auch ein Walzer aus der „Dollarprinzessin“ von Leo Fall gespielt, wie auch Walzer von J. Strauß, Franz Lehar, C.M. Ziehrer und von E. Eyssler.

Drehers Etablissement, Wien 3, Landstraßer Hauptstr. 97 - spielte hier Lefnaer? 31 Foto: http://www.dasrotewien.at/drehers-etablissement.html

Historische Postkarte von Weigl´s Dreher Park - oder war das gemeint????

31 Um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstand auf der Landstraßer Hauptstraße an Stelle von zwei kleinen Gasthäusern, die der Brauerei- besitzer Anton Dreher sen, gekauft hatte, ein vornehm ausgestattetes Gasthauslokal mit großem Gastgarten: "Drehers Etablissement". Eröffnet wurde es am 25. Dezember 1859, und es war fortan eines der größten Gastlokale Wiens. Sein Tanzsaal und sein Gastgarten waren Schauplatz nahezu aller großen Veranstaltungen der Landstraßer Sozialdemokraten zwischen 1918 und 1933.- www,.dasrotewien.at

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Dass sich Heinrich Lefnär jun. und Carle (Karoline) Nagelmüller kannten, ist eindeutig. 1906 hatte sie das Gablitzer Haus erworben, 1907 traten Lefnär und Nagelmüller kostenlos bei der Veranstaltung des Gablitzer Verschönerungs- vereins in „Gattermeyers Restauration“ auf. Lefnär spielte bei diesem „Abschieds-Feste“ Klavier, „Karle“ (sic!) trug Lieder vor und der Kunsthändler Antoni Juritzky-Warberg war im Lustspiel „Wartesalon erster Klasse“ zu sehen.

Gattermayers Restauration Gablitz - dig. Museumsarchiv

Villa von Heinrich Lefnär in Gablitz 1908 – Name des Künstlers/der Künstlerin unlesbar, Zeichnung im Archiv

Die Villa lag in einem großen Garten. Vor der Villa gab es einen Springbrunnen, der von einer Quelle, die Ecke Linzerstraße/Graben gefasst war, gespeist wurde.32

32 Erzählung von Anton Rydl 2012

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Ankündigung aus dem Museums-Archiv

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Ankündigung zum Ball der Wiener Bautechniker 1909 im Hotel Savoy – im Archiv des Museums

Während des ersten Weltkrieges verlor Familie Lefnaer ihr Vermögen. Das Gablitzer Anwesen33 wurde 1919 verkauft. Heinrich Lefnär blieb Gablitz verbunden, denn noch 1928 organisierte er den „Gablitzer Kirta“ (sic!) im Hotel Wimberger in Wien VII. Und in Gablitz erinnert die Lefnärgasse noch heute an die wohltätig engagierte und angesehene Familie.

Eine Gablitzer Sensation: Familie Lefnaer im Automobil! – Archiv Museum

33 Grundbuch Gablitz im BG Purkersdorf, EZ 1, 3 und 4

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Das Künstlerheim, der „Int.Artistenclub zum lustigen Ritter“ und Josef Koller

In Gehweite, etwa 300 m entfernt vom Haus, in dem Carli und Fritz Grünbaum wohnten, war das sogenannte „Künstlerheim“ (K. Nr. 54), Linzerstraße 78. Vermutlich um 1887 erbaut, gehörte es zwischen 1900 und 1911 und 1915 bis 1917 dem „Internationalen Artisten Club Zum lustigen Ritter“ mit Vereinssitz in Wien und bis 1932 Josef und Sophie Koller.34 1892 war der „Internationale Artistenclub zum lustigen Ritter in Wien“ von Josef Koller, Matthias B. Lautzky, Max Rott, Josef Modl, Karl Kratzl, Martin Schenk und Böhm im Cafe Edison gegründet worden, „um das Kollektenwesen in diversen Vergnügungslokalen zu steuern und den verarmten Volkssängern und Artisten helfend beizustehen. Das Motto der Vereinigung war

„Dem Humor eine Gasse – das Wohltun als Ziel.“ 35

Koller gilt auch als Gründer der österreichischen Schauspieler-Vereinigung36.

1911 war Raimund Huber Besitzer der Liegenschaft, 1914 Konkurseröffnung, und am 1.4.1915 ersteigerte der Internationale Artistenclub „Die lustigen Ritter in Wien“ wieder die Liegenschaft um 10.000 Kronen, verkaufte den Besitz zwei Jahre später, 1917, an Josef und Sophia Koller. 1932 wurde das Haus an

34 Grundbuch der Gemeinde Gablitz/ BG Purkersdorf, EZ 54 (1891-1978) 35 Koller (1931) S 160 36 Mittenzwei W. et al (Hrsg.) (1999): Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters 1933–1945. München 1999 zitiert auf: http://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Koller abgefragt am 9.8.2011

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Alois Ernst und Johanna Neubauer verkauft, das Ehepaar Koller emigrierte nach England, wo Josef Koller 1945 verstarb.

Auszug aus dem Grundbuch Gablitz EZ 54 – Linzerstr. 78

1956 kam das Haus EZ 54 an Josef und Anna Stadlmeier, Betreiber des nahegelegenen Gasthofes, Linzerstr. 80. Dem Gasthaus war ein großer Tanz- und Theatersaal angeschlossen und Josef Stadlmeier war Chorleiter des Schubert-Bundes. Heute ist am Areal Linzerstr. 78 der von der Gemeinde angemietete Parkplatz (Eigentum von Anneliese Haas, geb. Stadlmeier).

Der Plan aus 1887 zeigt ein ebenerdiges Haus mit zwei Zimmern, einem Kabinett und zwei unterschiedlich großen Küchen. Vermutlich war eine Wohnung als Sommerwohnung für Gäste gedacht. Das Haus existiert nicht

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mehr, Berichten zufolge hat das „Künstlerheim“ genau so ausgesehen, wie die u.a. Planzeichnung zeigt. Zur Linzerstraße waren vier Fenster, der Eingang war seitlich in der Nebengasse (heute: Josef Stadlmeiergasse) gelegen. 1887 gehörte Johanna und Franz Broidl die Liegenschaft, die das Einkehrgasthaus „Zum grünen Jäger“ (Linzerstr.80) betrieben, das schon damals ein Zentrum in Gablitz war. 1907 wurde es an Josef Stadlmaier verkauft. Das Haus existiert nicht mehr, leider gibt es auch keine Fotos. Erzählungen zufolge waren an den Türen und Fensterstöcken ungezählte Unterschriften von Künstlern zu sehen.

Dieser Plan zur Liegenschaft K.Nr. 54 (Linzerstraße 78) wurde 1887 für den „Grundbesitzer Jakob Wallner“ entworfen, der aber nicht im Grundbuch aufscheint. 1871 sind im Grundbuch Josef und Marie Wasserburger, 1882 – 1899 Johanna und Franz Broidl, 1899-1900 Josef und Aloisia Pramer vermerkt, die die Liegenschaft 1900 an den Internationalen Artisten Club verkaufen. Die Ansicht zeigt die Westseite und die Ostseite mit dem Eingangsbereich, die Ansicht zur Linzerstraße ist nicht enthalten, es sind die vier Fenster,

Im „Künstlerheim“ sind verschiedene Künstler - („Artisten“), vorwiegend Volksliedersänger - wahrscheinlich zwischen 1900 und 1932? – zu Gast gewesen, möglicherweise auch im nahegelegenen Gasthof Stadlmeier oder im privaten Kreis aufgetreten. Welche Künstler das waren? Kleinkünstler, „Volkssänger“, Josef Koller hatte ab 1916 eine Produktionslizenz der k.k. niederösterreichischen Statthalterei, sodass er eigene Veranstaltungen leiten und sein eigenes Varieté eröffnen konnte. Josef Koller trat mit seiner Ehefrau, der Sängerin und Tänzerin Paula Walden als Wiener „Jux-Gesangsduett Koller- Walden“ auf, er schrieb Komödien, Schwänke, Possen und Operetten. Als Autor zeigte er die Geschichte der Wiener Volkssänger auf und widmete den Künstlern zahlreiche Biografien.37 Im Schlusswort seines Buches38 setzt er sich

37 Josef Koller (1931): Das Wiener Volkssängertum in alter und neuer Zeit. Wien: Gerlach & Wiedling. Ein Teil des Reinerträgnisses aus dem Buchverkauf floss dem „Zwölferbund der Wiener Volkssänger“ zur Unterstützung alter, berufsunfähiger und kranker Volkssänger zu,

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kritisch mit dem modernen „Kabarett“ auseinander: „Das Kabarett war entstanden und lockte. Die Anbeter und Bewunderer einer Mella (sic!) Mars, Josma Selim hatten für die Kunst einer Brettlgröße nichts mehr übrig. Man schwelgte in raffiniert eingerichteten Weinlokalen und erquickte sich an neuzeitlichen Weisen, die in musikalischer und textlicher Hinsicht von der Struktur der alten Gesänge stark abwichen. Die wienerische Note erfuhr eine Verwässerung. Das internationale Moment erfuhr eine Verwässerung. Das internationale Moment begann sich auszuwirken. Man importierte Lieder aus Deutschland und England und lokalisierte sie. Die neue Geschmacksrichtung zerstörte alle Pläne der um ihre Existenz kämpfenden Volkssänger….“ Dass das Künstlerpaar Fritz Grünbaum und Carli Nagelmüller das Ehepaar Josef Koller und Paula Walden kannte, ist anzunehmen, wenn sie auch verschiedene Stilrichtungen vertraten. Aus 1911 existiert ein Vertrag zwischen Josef Koller mit dem Musikalienverlag „Hölle“39. Am 3.8. 1912 traten Fritz Grünbaum und Carli Nagelmüller-Grünbaum in der „Restauration Stadlmeier“ auf. Das Gasthaus hatte einen schönen Saal, in dem auch Bälle stattfanden. Wie schon erwähnt, war Carli Nagelmüller bereits 1907 in Gablitz bei einer von H. Lefnaer organisierten Veranstaltung für den Gablitzer Verschönerungsverein uneigennützig aufge- treten. Fritz Grünbaum und Carli Naglmüller - Grünbaum traten 1912 als Mitglieder des Cabaretts „Die Hölle“ in der „Restauration Stadlmeier“ zu Gunsten der Gablitzer Freiwilligen Feuerwehr auf. Nachweisbar ist nur ein Auftritt von Fritz Grünbaum in Gablitz.40Das Ehepaar Grünbaum hat damals sicher nicht im Künstlerheim sondern im eigenen Haus, Hauptstr. 34, gewohnt, wie dies auch aufgrund der Telefonbucheintragung bestätigt ist.

Ankündigung, Kopie im Archiv des Museums

38 Koller (1931) S. 190 39 Stadt- und Landesarchiv Wien, Nachlass Josef Koller 40 B. Weiß nahm an, dass Fritz Grünbaum mehrfach bis 1921 gemeinsam mit Karl Farkas in Gablitz aufgetreten sei und im „Künstlerheim“ gewohnt habe. Dies ist unwahrscheinlich. Das Ehepaar Grünbaum war ab 1914 geschieden, Fritz Grünbaum heiratete an der Front ein zweites Mal, und mit Karl Farkas trat er erst ab 1922 gemeinsam auf, damals war Grünbaum bereits zum dritten Mal verheiratet und kaum mehr mit Gablitz verbunden.

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Auf Veranlassung des rührigen Gemeindearztes Dr. Julius Singer wurde der damals schon berühmte Fritz Grünbaum zum Ehrenmitglied des Gablitzer Rettungscorps ernannt (nicht aber Carli Nagelmüller).

Das Protokollbuch mit den Anträgen aus 1912 bzw. 1913 liegt im Gablitzer Museum auf.

Protokollbuch – Notizen vom 27.8.1912 und vom 21.1.1913

Im Protokollbuch scheint unter „Leitungssitzung vom 27. August 1912“ folgender Text auf: „Herr Dr. Singer stellt den Antrag, Herrn Grünbaum zum Ehrenmitglied zu ernennen. Einstimmig angenommen.“ Unterschrieben hatten Franz Brandfellner und Dr. Singer. Und am 21.1.1913 findet sich folgender Vermerk: „Herr Dr. Singer bespricht den bei der letzten Leitungssitzung gestellten Antrag wegen Ernennung des Herrn Grünbaum zum Ehrenmitgliede und ersucht um Abstimmung. Dieser Antrag wird von sämtlichen Anwesenden unterstützt und wird Herr Grünbaum einstimmig zum Ehrenmitglied ernannt.“

18 Dr. Renate Grimmlinger MSc: Fritz Grünbaum und Carli Nagelmüller in Gablitz 2011/2012

Dr. Julius Singer Der Gablitzer Gemeindearzt Dr. Julius Singer (1864-1915) war ursprünglich mosaisch41. Wie damals üblich, engagierte er sich bei div. Vereinen. So war er 1893 Gründungsmitglied des Gablitzer Männerchores (bei dem Frauen mitwirkten) mit Vereinssitz im Gasthof „Zum Grünen Jäger42“, in dem die Liederabende statt- fanden. Ab 1901 war er Obmann des Gablitzer Verschönerungsvereins. Dr. Singer setzte sich für eine bessere Verkehrsverbindung nach Gablitz ein, 1900 entstand auf seine Initiative die erste Autobuslinie nach Gablitz.43 Dr. Singer Dr. Julius Singer gründete den Rettungscorps im Rahmen der Freiwilligen Feuerwehr. Auf seinen Antrag wurde Fritz Grünbaum zum „Ehrenmitglied“ ernannt. Neben seiner Tätigkeit als Gemeindearzt war er auch Ortsschulaufseher44. 1913 scheint Singer im Komitee des „Gablitzer Kirchtags“ in Wien auf. 1915 stirbt er - nur 51 Jahre alt, im 1. Weltkrieg. Ab 1920 ist Dr. Emilian Weymann (*1891) Gemeindearzt in Gablitz45 – der 1928 das Haus Hauptstr. 34 von Carli Nagelmüller-Grünbaum kauft.

Historische Aufnahme des Gasthofes Josef Stadlmeier

41 Kopie eines Brief aus 1899, in welchem Dr. Singer der k.k. Bezirks Hauptmannschaft Hietzing Umgebung die Absicht miteilt, katholisch zu werden, ist im Archiv vorhanden. Er, seine Frau Marianne, die Kinder Karoline * 1892, Sigmund * 1893 und Alfred * 1896. 42 Broidl/Proidl, ab 1907 Gasthaus Stadelmaier, Linzerstraße 80 43 Weinrich / Plöckinger (1990): Niederösterreichische Ärztechronik. Geschichte der Medizin und der Mediziner Niederösterreichs, S 726 44 Lehrerkonferenzbuch 1906-1916 der Gablitzer Volksschule, transkribiert von R. Grimmlinger 2011 45 Weinrich / Plöckinger (1990): Niederösterreichische Ärztechronik, S. 789.

19 Dr. Renate Grimmlinger MSc: Fritz Grünbaum und Carli Nagelmüller in Gablitz 2011/2012

Das Ehepaar Dr. Heinrich und Berta Rieger

1900, im gleichen Jahr als der Internationale Artistenclub in Gablitz aufscheint und auf Initiative von Dr. Julius Singer die erste Autobuslinie eröffnet wurde, ersteigerten Dr. Heinrich und Berta Rieger die Sommervilla Linzerstr. 99 mit dem 2500 m² großen Garten. Die Villa lag vis a vis vom Künstlerheim, nahe dem Gasthaus Stadlmeier, und direkt neben der Villa des Kunstsammlers Antoni Juritzky-Warberg. Dr. Rieger war Zahnarzt, seine Ordination und Wohnung war in Wien VII, Mariahilferstraße 124 nahe dem Westbahnhof und nahe dem Cafe Westend, das damals ein „Künstlercafe“ war und von seinem Schwiegervater Moriz Klug bzw. ab 1913 von Max und Rosa Klug betrieben wurde46. Die Liegenschaft umfasste das heutige Areal des Gemeindeamtes, die Buwog- Wohnanlage und den Kinderspitalplatz. Im Garten der Familie Rieger war ein Skulpturenpark und Bäume, die alten Kastanienbäume wurden erst kürzlich gefällt.

Dr. Heinrich Rieger (1868-1942) besaß wie Fritz Grünbaum eine der bedeutendsten privaten Kunstsammlungen seiner Zeit. 1921 wurden die 659 Kunstwerke, die im Besitz von Dr. Rieger waren, registriert.47

Ehemalige Sommervilla der Fam. Rieger, Linzerstr. 99 Front- und gartenseitige Ansicht (Foto Chr. Tauber)

Es ist wahrscheinlich, dass Dr. Rieger und Fritz Grünbaum einander kannten, möglicherweise auch über Kunstwerke sprachen oder vielleicht sogar (Schiele) Bilder tauschten? Berichtet wird, dass das Ehepaar Rieger des Öfteren Künstler nach Gablitz einlud. Während der NS Zeit wurde die Liegenschaft von der Gemeinde Gablitz erworben, das Ehepaar Rieger kam im KZ um. Die Villa wurde abgerissen, am neuerbauten Gemeindeamt befindet sich seit 200848 eine Gedenktafel.

46 Vgl. Fischer L.(2008), S 13 ff und Anna Ladenstein (2003) “letters to the stars“ 47 Im Notariatsakt Dr. Gübert vom 29.7. 1921 sind 659 Kunstwerke aufgelistet 48 Initiiert von Judith Ladenstein, angebracht in einer feierlichen Veranstaltung 2008 unter BM Jelinek

20 Dr. Renate Grimmlinger MSc: Fritz Grünbaum und Carli Nagelmüller in Gablitz 2011/2012

Antoni Juritzky Warberg (+1887-?)

hatte seine Gablitzer Villa Linzerstraße 97 „mon repos“ genannt und das im 19. Jahrhundert erbaute Haus im Barockstil umgestaltet49. Er wird als Privatgelehrter, Kunstsammler und Kunsthistoriker bezeichnet.

A. Juritzky Warbergs Villa „Mon repos“ Linzerstr. 97 (Foto Glazmaier)

In seinem Haus befanden sich viele antike Gegenstände und Möbel. Er richtete finanzkräftigen Menschen Häuser und Wohnungen mit historischem Möbiliar in in verschiedenen Stilrichtungen ein. 1930 verfasste er das Buch „Interieurs. Verwendung alter Kunstwerke zur Gestaltung moderner Innenräume,“ das auf Deutsch und Englisch50 erschienen ist. Das Gablitzer Haus ist in Privatbesitz und ist liebevoll restauriert. .-.-.-.-.

Gablitz war als Sommerfrischeort sehr beliebt und ab 1900 relativ gut zu erreichen: Mit der Kaiser Elisabeth Bahn (Westbahn) fuhr man bis Purkersdorf und von dort ging ein Autobus bzw. der „Stellwagen“ in den 4 km entfernten Ort. Seit 1909 war auch eine Post- und Telegrafenstation mit dreimal täglich Postzustellung vorhanden. Und Telefonverbindung hatte Gablitz auch. Elektrisches Licht gab es allerdings erst ab 1921.

Zwischen 1900 und 1910 setzte eine rege Bautätigkeit ein. Gab es 1900 152 Häuser und 1315 Einwohner, so zählte man 1910 bereits 208 Häuser und 1882 Einwohner. In Hochbuch, der Siedlung oberhalb des Ortes waren 42 Häuser (220) und 1910 bereits 473 Einwohner (74 Häuser).51

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49 Im Internet findet sich ein Hinweis auf „Prinz Antonin Juritzky, der 1923 ein Schloß in Gablitz“ besaß……☺ 50 Zürich: Amalthea Verlag 51 Kurt Klein: Historisches Ortslexikon, Band 4, S 52f

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Nach achtjähriger Ehe, am 9. Dezember 1914 ließ sich das Ehepaar Grünbaum –Nagelmüller scheiden. Fritz Grünbaum war wie viele damals – so auch Heinrich Lefnär - der allgemeinen Kriegseuphorie erlegen und meldete sich freiwillig beim Militärdienst. Schon bald wich die Begeisterung der Ernüchterung, als er an der Isonzoschlacht teilnahm. 1916 wurde von einem Feldrabbiner in Trient Grünbaums zweite Ehe mit der aus Dachau stammenden Sängerin Maria Ruth Drexl geschlossen, die als Mizzi Dressl im Simpl und im Ronacher mit Soldatenliedern auftrat.52 Diese Ehe sollte allerdings nur zwei Jahre dauern.

1919 heiratete Fritz Grünbaum Elisabeth „Lilly“ Herzl, der Nichte von Theodor Herzl; 1920 war er wieder in Berlin engagiert. Die Wiener Wohnung des Ehepaares war in Wien IV, Rechte Wienzeile 29/1/1153, wo sich auch seine großartige Kunstsammlung und die reichhaltige Bibliothek befand. Fritz Grünbaum war ein berühmter Schriftsteller, ein ungemein beliebter Kabarettist, der von Auftritt zu Auftritt eilte…. 1922 werden Fritz Grünbaum und Karl Farkas erstmals gemeinsam mit Doppelconferénce im Simpl auftreten.

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Auftritte von Fritz Grünbaum, Carli Nagelmüller und Karl Farkas in Zusammenhang mit Gablitz

In Gablitz wird vermutet, dass Fritz Grünbaum zwischen 1913 bis 1921 mehrmals unentgeltlich, auch gemeinsam mit Karl Farkas in Gablitz, auftrat.54 Kann das stimmen? Karoline Nagelmüller, Fritz Grünbaums Ehefrau bis 1914, war von 1906 bis 1928 Eigentümerin der Gablitzer Liegenschaft Hauptstraße 34. Die Wiener Wohnung war im 6. Bezirk in dem Haus, wo sich das Cafe Sperl55 befindet. Fritz Grünbaum unterstützte seine erste Frau finanziell bis zu ihrem frühen Tod 1930.56 Aber ob der unermüdlich tätige berühmte Künstler, der ab 1919 zum dritten Mal verheiratet war, nach der Scheidung von Carli N. 1914 auch noch in Gablitz auftrat???? Und das sogar gemeinsam mit Karl Farkas? Das ist offensichtlich ein Irrtum: Zwar sind Fritz Grünbaum wie auch Karl Farkas im „Künstlerkomitee“ für den Gablitzer Kirtag (in Wien!) angeführt, allerdings Fritz

52 Vgl. Arnbom et al (2005) S.32 ff 53 andere Quelle: 3. Stock/17 ??? 54 B. Weiss (1996/S. 58): Gablitz in alten Ansichten:„1913 bis 1921“ trat Fritz Grünbaum mehrmals in Gablitz auf. Lt. Veranstaltungshinweisen der Gablitzer Kirtage (Wien) war 1913 F. Grünbaum im Künstlerkomitee, aber erst 1928 Karl Farkas und Mizzi Zwerenz (ebenfalls in Wien). Dr. Iris Fink Österr. Kabarettarchiv (mail 13.10.2011): „Gemeinsame Auftritte von F. Grünbaum und K. Farkas gab es vor 1922 nicht.“ 55 1060 Wien, Eckhaus Gumpendorferstraße – Lehargasse 56 Lt. Verlassenschaftsabhandlung, zitiert von Arnbom et al (2005) S. 27.

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Grünbaum 1913 und Karl Farkas 1928, somit in unterschiedlichen Jahren und vor allem in Wien: Gablitzer Kirtage fanden nämlich nicht in Gablitz sondern in Wien während der Faschingszeit statt, auch die Vorbereitungen fanden in Wien unter der Ägide von Heinrich Lefnär statt.

So gibt es z.B. eine Ankündigung aus 1913, wo der „Gablitzer Kirchtag“ als geschlossene Faschingsveranstaltung im Hotel Monopol, Wien VI, Mariahilferstr. 8 angekündigt wird. Im Komitee, das aus etwa 100 Personen bestand, finden sich die Namen von Karli Grünbaum-Nagelmüller und Fritz Grünbaum, Dr. Julius Singer und Dr. Heinrich Rieger. Im allgemein gehaltenden Programm findet sich kein konkreter Hinweis auf einen Auftritt des Künstlerpaares. Erwiesen ist, dass es Kontakte zwischen Heinrich Lefnär, Dr. Julius Singer, Dr. Heinrich Rieger und dem Ehepaar Grünbaum gab…..

Ankündigung zum Gablitzer Kirtag – Archiv des Museums

Im Komitee scheinen Namen von wohlhabenden Gablitzer Familien auf wie Baumgartner, Gattermayer, Proidl, Stadlmeier, Dr. Singer, Dr. Frum, Swoboda,

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bzw. von Wiener Familien, die in Gablitz ihren Sommer verbrachten wie Hirt, Fridrich, Lefnär u.a. Auch Fritz Grünbaum und Carli Grünbaum-Nagelmüller sind im Komitee, wahrscheinlich traten sie auch in Wien beim "Gablitzer Kirtag 1913" im Rahmen des Verschönerungsvereins auf. Jedenfalls beantragte Dr. Julius Singer 1913 die Ehrenmitgliedschaft Fritz Grünbaums im Gablitzer Rettungscorps.

Im Programm 1913 scheint Fritz Grünbaum als Interpret jedenfalls nicht auf.

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Aufgrund der Not der Nachkriegszeit - auch Heinrich Lefnaer verlor das Vermögen - wird es wohl einige Jahre keine weiteren Kirtage stattgefunden haben. Der einzige Hinweis auf einen 1922 geplanten oder stattgefunden Kirtag ist der u.a. Zettel. Wer daran teilnahm, ist unbekannt.

Karte des "Gablitzer Kirta. 1922" - Sammlung Vormaurer

Der Gablitzer Kirta (sic!) 1928 wurde wieder in Wien, Hotel Wimberger, abgehalten. Im zehn Personen bestehenden „engeren Komitee“ ist Heinrich Lefnär, im 15 Personen umfassenden Künstler-Komitee scheinen u.a. Mizzi Zwerenz und Karl Farkas auf, Fritz Grünbaum oder Carli Nagelmüller aber nicht mehr. Ein gemeinsamer Auftritt von Fritz Grünbaum und Karl Farkas im Rahmen des Verschönerungsvereins oder gar in Gablitz, ist daher nicht anzunehmen.

Im „verjüngten Dirndl-Komitee“ und „verjüngten Buam-Komitee“ finden sich wieder bekannte Gablitzer Familiennamen:

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Kopie im Archiv des Heimatmuseums (Vorderseite)

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Rückseite der Ankündigung des Gablitzer Kirta(sic!) 1928 in Wien. Kopie im Museums-Archiv

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Was also bleibt von Fritz Grünbaum und Gablitz? Gesichert ist, • dass Carli Nagelmüller, die erste Ehefrau Fritz Grünbaums, 1906 ein Haus in Gablitz, Hauptstr. 34 kaufte, das sie bis 1928 besaß. • dass die Ehe von Fritz Grünbaum und Carli Nagelmüller von 1908 bis 1914 dauerte • dass 1913 das Telefon auf „Fritz Grünbaum“ wie auch auf „Carli Nagelmüller“ an der Adresse Hauptstr. 34, angemeldet war. • dass Künstler aus Wien wie Fritz Grünbaum, Carli Nagelmüller und Heinrich Lefnär, die Bezug zu Gablitz hatten, einander kannten bzw. gemeinsam auftraten. • dass es Kontakte zwischen den Kunstsammlern Fritz Grünbaum und Dr. Heinrich Rieger gab, wahrscheinlich auch mit Antoni Juritzky von Warberg. Diese Personen hatten Wohnsitze in Gablitz und sind bei div. Veranstaltungen nachgewiesen. • Wahrscheinlich ist, dass die Künstler-Ehepaare Koller (Linzerstr. 78) und Grünbaum - Nagelmüller einander kannten. Allerdings vertrat Koller mit den „Wienerlieder-Sängern“ eine völlig andere Kunstrichtung als Grünbaum mit dem Kabarett. Unwahrscheinlich ist jedoch, dass Fritz Grünbaum und Karl Farkas gemeinsam in Gablitz auftraten57, ebenso unwahrscheinlich ist, dass der vielseitig engagierte Fritz Grünbaum nach seiner Scheidung, also nach 1914 in Gablitz gewohnt haben könnte oder in oder für Gablitz unentgeltlich aufgetreten sei.

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Der große Ballsaal im Gasthof Stadlmeier, Linzerstraße 80, wurde - in Erinnerung an den Auftritt von Fritz Grünbaum 1912- „Fritz Grünbaum Saal“58 genannt. An der Außenfront - des leider nunmehr geschlossenen Gasthofs - erinnerte bis 2010 eine Gedenktafel an den großen Künstler:

Gedenktafel (mit falschem Todesdatum, richtig: 14.Jänner 1941), die bis 2010 Linzerstr. 80 montiert war

57 wie dies in div. Gablitzer Büchern erwähnt ist 58 Andere Information: Josef Stadlmaier-Saal

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Der frühen Jahre von Fritz Grünbaum: Wo traten Fritz Grünbaum und Carli Nagelmüller auf?

„Venedig in Wien“ 1895 war im Wiener Prater ein Themenpark mit einem gut besuchten Theater eröffnet worden. „Operettenkomponisten wie Carl Michael Ziehrer, Franz Lehár, Josef Hellmesberger jr., Edmund Eysler, , Richard Heuberger, Oskar Nedbal u. a. feierten hier Erfolge. Bekannte Sänger und Schauspieler wie Fritzi Massary, Mizzi Zwerenz, Annie Dirkens, Ludwig Gottsleben und Richard Waldemar traten in dem Park auf.“59

1907 wird „Karle Nagelmüller“ als „Mitglied des Etablissements Venedig in Wien“ erwähnt60.

„Venedig in Wien“: Foto aus wikipedia61

Geschichte: „Der Unternehmer Gabor Steiner errichtete gemeinsam mit dem Architekten Oskar Marmorek auf dem Gelände der heutigen Kaiserwiese einen 5000 m² (andere Quellen nennen 8000 m²) großen Nachbau Venedigs, mit begehbaren Nachbauten von Palazzi, Cafés, Restaurants, Verkaufsbuden, einer Operettenbühne und etwa 1 km an künstlichen Kanälen, auf denen man in original venezianischen Gondeln mit echten venezianischen Gondolieri Gondelfahrten unternehmen konnte. Das Projekt war ein Riesen-Erfolg, das Menschen aller Schichten in Massen anzog. „Komm, wir gehen heute abend nach Venedig“, soll man damals gesagt haben.“62

1908 dürfte Carli Nagelmüller in Amsterdam engagiert gewesen sein.63

59 http://de.wikipedia.org/wiki/Venedig_in_Wien abgefragt am 6.11.2011 60 Fotokopie der Ankündigung aus 1907 des Gablitzer Verschönerungsvereins im Archiv des Museums 61 http://de.wikipedia.org/wiki/Venedig_in_Wien abgefragt am 6.11.2011 62 http://de.wikipedia.org/wiki/Venedig_in_Wien abgefragt am 6.11.2011 63 Hinweis im Bauakt Gablitz zum Haus Hauptstr. 34

29 Dr. Renate Grimmlinger MSc: Fritz Grünbaum und Carli Nagelmüller in Gablitz 2011/2012

In der Saison 1910/11 trat Carli Nagelmüller-Grünbaum im „Kabarett Fledermaus“ in Wien auf. 1912 war das Ehepaar Grünbaum als Mitglieder der Hölle bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung in Gablitz angekündigt.

Plakat, aufgefunden bei google Bilder Ausschnitt der Ankündigung aus 1912 in Gablitz

Das Kabarett „Die Hölle“ war eines der ersten Jugendstilkabaretts in Wien, bespielt wurde es von 1906 bis 1916 und von 1926 bis 1937. Grünbaums „Kabarettkarriere beginnt 1906 mit dem Abstieg in die "Hölle," im Souterrain des Theaters an der Wien, wo er 64 zum großen Conférencier seiner Zeit wird.“

Carli Nagelmüller–Grünbaum und Fritz Grünbaum scheinen auf einem Gablitzer Plakat 1912 als „Mitglieder der Hölle“ auf.

„Geschichte: Im Herbst 1906 eröffneten die beiden Volksschauspieler und Theaterunternehmer Sigmund Natzler und Leopold Natzler das Theater und Cabaret Die Hölle im Souterrain des Theaters an der Wien. Die Hölle war eines der bekanntesten und wichtigsten Unterhaltungsetablissements im deutschsprachigen Raum. Sie war dem Geist des französischen Cabarets verpflichtet und eine Talenteschmiede für Unterhaltungskünstler aller Art. Ralph Benatzky, Fritz Grünbaum, Karl Farkas, Hans Moser, Hugo Wiener, Mela Mars und Stella Kadmon gehören zu denen, deren Karriere in der Hölle ihren Anfang nahm.

64 http://www.kabarettarchiv.at/Bio/Gruenbaum.htm abgefragt am 10.8.2011

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Joseph Urban und Heinrich Lefler, beide Mitglieder der Künstlervereinigung Hagenbund65, entwarfen zwei prachtvolle Jugendstilräume: den Theatersaal, in dem sich heute der Pausenraum des befindet, und den sogenannten „Höllensaal“, der rot in rot gehalten, mit Boxen und züngelnden Goldflammen verziert und mit hohen Spiegeln ausgestattet war. Darüber hinaus fand ein Restaurantbetrieb statt. Franz Lehár, Edmund Eysler und der junge Robert Stolz schrieben einaktige Varietéoperetten für die Hölle, Béla Laszky und Ralph Benatzky frivole Lieder, die von den Diseusen Mela Mars und Josma Selim vorgetragen wurden. Fritz Grünbaum las aus eigenen Dichtungen, und Grete Wiesenthal führte Tänze auf. Mehr als 20 Jahre war die Hölle eines der führenden Cabarets im deutschsprachigen Raum. Kabarettunternehmer wie Rudolf Nelson vom Chat Noir in Berlin und Agenten kamen in die Hölle, um neue Darsteller für ihre eigenen Etablissements anzuheuern. Das Kabarett wurde durchgängig von 1906 bis 1916 bespielt, dann wieder ab 1919 bis 1928.“66

1907 wird Fritz Grünbaum von der Bühne weg von Rudolf Nelson für sein Cabarett Chat Noir in Berlin engagiert, wo er sofort ebenso große Erfolge ver- zeichnet wie in Wien. 1910 kommt er nach Wien zurück, tritt in der Hölle und in anderen Cabarets auf, die Verbindung mit dem Komponisten Rudolf Nelson und mit Berlin bleibt weiterhin bestehen. Grünbaums Texte waren allseits begehrt: im Simpl, in der Hölle, im Varitékabarett Gartenbau, im Apollo….

Aus 1911 ist ein Vertrag zwischen dem Musikalien-Verlag „Hölle“ und Josef Koller erhalten.67 Josef Koller scheint als Besitzer der Liegenschaft Linzerstr. 78 in Gablitz auf.

In der Saison 1910/11 war Carli Nagelmüller im „Cabaret Fledermaus“ enga- giert, Fritz Grünbaum trat nur einmal bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung 68 auf.

Das Cabaret Fledermaus „Das Cabaret Fledermaus wurde 1907 auf Initiative des Wiener Werkstätte- Gründungsmitglieds Fritz Wärndorfer im Souterrain eines im Jahr davor errichteten Hauses in der Kärntner Straße 33, Ecke Johannesgasse 1 gegründet und am 19. Oktober 1907 eröffnet. Die Innenausstattung im Jugendstil wurde von Josef Hoffmann geplant, die Ausführung erfolgte durch die Wiener Werkstätte….

65 Mitglieder des Hagenbundes waren u.a. der in Wien, Ried und Purkersdorf lebende Bildhauer Joseph Humplik, seine Frau, die Malerin Hildegard Jone stellte im Rahmen des Hagenbundes aus. Verbindungen zu Gablitz über Ferdinand Ebner. Vgl. Grimmlinger Renate: Ferdinand Ebner, Gablitz 2007 66 http://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6lle_(Kabarett)“ abgefragt am 8.8.2011 67 Wiener Stadt- und Landesbibliothek, Handschriftensammlung, Nachlass Josef Koller: Vertrag zwischen dem Musikalien- Verlag „Hölle“, L. & S. Natzler, Musikverlag, Bühnenverlag und Vertrieb, Wien VI., Magdalenenstr.8 und den Herren Josef Koller, Ernst Wolf und Leo Einöhrl über die Operette ‚Wiener Mädeln‘ in einem Akt von Koller/Einöhr/Wolf für das Operettentheater Venedig in Wien für den Sommer 1911. Tantiemen: 500 Kronen. (2. März 1911) – siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Koller abgefragt am 30.10.2011 68 Ausstellungskatalog 2007 zum Cabarett Fledermaus

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Die Texte der Kabarettprogramme kamen beispielsweise von Peter Altenberg, vor allem aber vom Duo Alfred Polgar und Egon Friedell, der so genannte Goethe-Sketch war einer ihrer größten Erfolge. Friedell übernahm von 1908 bis 1910 die Leitung der Fledermaus, danach sank allerdings das Niveau des Dargebotenen sukzessive.[1] 1913 wurde das Lokal verkauft und als Revuetheater Femina neu eröffnet. Danach diente es jahrzehntelang als Kino und …. als Tanzlokal.“69

Kabarett Simpl 1912 wurde das Kabarett Simpl als „Bierkabaret Simplicissimus“ in der Wollzeile 36 eröffnet. Das Simpl ist das älteste noch heute existierende Kabarett im deutschsprachigen Raum.70 „1914, als die Kriegsbegeisterung noch allgemein ist, hat Grünbaum seinen ersten Auftritt im "Simpl", dem er bis zuletzt treu bleiben wird und wo er gemeinsam mit Karl Farkas 1922 die aus Ungarn kommende Doppelconférence etabliert und zur Vollendung führt.“ 71

1914 scheint Carli Nagelmüller im Simpl auf und im Neuen Wiener Journal72 ist am 23. Oktober zu lesen: „Einer der Stars im Simpl war Grünbaums erste Frau Karoline, die unter ihrem Künstlernamen Carli Nagelmüller offenbar ein Garant für ein volles Haus war.“

69 http://de.wikipedia.org/wiki/Cabaret_Fledermaus abgefragt am 16.8.2011 70 Vgl. http://www.simpl.at/geschichte.php abgefragt am 18.8.2011 71 http://www.kabarettarchiv.at/Bio/Gruenbaum.htm abgefragt am 10.8.2011. Daher kann es nicht stimmen, dass Fritz Grünbaum bis 1921(!) gemeinsam mit K. Farkas in Gablitz aufgetreten ist! 72 Zitiert bei Arnbom (2005) S 31 f

32 Dr. Renate Grimmlinger MSc: Fritz Grünbaum und Carli Nagelmüller in Gablitz 2011/2012

Kunstsammler in Gablitz Dr. Heinrich Riegers Kunstsammlung wurde 1921 amtlich registriert.73 Es befanden sich 658 Bilder, Zeichnungen und Plastiken in der Sommervilla, Gablitz, Linzerstraße 99. Zeitzeugen berichteten, dass während der NS Zeit der Garten verwüstet und die darin aufgestellten Plastiken gestohlen oder devastiert wurden. Ein Kunstwerk, der von F. Opitz gestaltete „Beethovenkopf“ war noch bis 2010 in einem Gablitzer Garten aufgestellt und „verschwand“ anlässlich des Grundstückverkaufs im Jahre 2010. Weder Vorbesitzer noch gegenwärtiger Besitzer wissen, wer das Kunstwerk „mitgenommen“ haben könnte. Nachforschungen wurden von der Kustodin des Gablitzer Museums getätigt, es war weder die Provenienz zu klären, noch der gegenwärtige Aufstellungsort, sie stieß an „eine Mauer des Schweigens“. Ein paar Steinbrocken sollten auf die angebliche Zerstörung des Kunstwerks hinweisen… Fritz Grünbaum war ebenfalls ein namhafter Kunstsammler. 1938 wurden aus Fritz Grünbaums Wohnung 453 Werke u.a. von Dürer, Rembrandt, Degas, Spitzweg, Kokoschka, Schiele konfisziert sowie die Bibliothek zwangsverkauft.74 Ein Großteil der Kunstsammlung ist bis heute verschollen, wie auch Sophie Lillie in ihrem Grundlagen-werk „Was einmal war“ berichtet.75 Ein Dossier über Grünbaums großartige Kunstsammlung wurde 2010 von Mag. Niederacher 2010 verfasst.76 Mag. Pia Schölnberger / Albertina fragte 8/ 2011 77 Schiele Bilder – Kunstsammlung F. Grünbaum an, ob in Gablitz etwas über Grünbaums Kunstsammlung bekannt sei. Daher erfolgten genauere Nachforschungen über Fritz Grünbaum und Gablitz. Wäre es denkbar, dass Carli Nagelmüller-Grünbaum auch noch einige Bilder aus Grünbaums Kunstsammlung besessen haben könnte????? Sie starb 1930 in Wien….. Oder dass der Kunstsammler Antoni Juritzky Warberg78, ehemals Gablitz, Linzerstr. 97, Bilder aus Grünbaums Kunstsammlung erworben haben könnte??? Leider ist darüber auch nichts bekannt…. Daher bleiben viele Bilder aus F. Grünbaums Kunstsammlung leider weiterhin verschollen…..

73 Vgl. Lilie S. (2003) S. 968 ff 74 Vgl. http://www.kabarettarchiv.at/Bio/Gruenbaum.htm abgefragt am 10.8.2011 75 Lillie S. (2003) S 428 ff 76 http://www.bmukk.gv.at/medienpool/19629/dossier_gruenbaum.pdf abgefragt am 18.8.2011 77 http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f3/Die_Sammlung_Fritz_Gr%C3%BCnbaum.jpg 17.8.11 78 Antoni Juritzky-Warberg: Interieurs. Verwendung alter Kunstwerke zur Gestaltung moderner Innenräume

33 Dr. Renate Grimmlinger MSc: Fritz Grünbaum und Carli Nagelmüller in Gablitz 2011/2012

Lieben und Lachen, Das sind die einzigen Sachen, Die Keinem schaden und Jedem Freude machen F. Grünbaum 1931

Dieser Text findet sich auf einer Bildkarte von Fritz Grünbaum79. Fritz Grünbaum, der scharfe Beobachter und heitere Philosoph unter den Künstler, der Mensch, der anderen FREUDE bereiten wollte – und der doch so tragisch ums Leben kam.

Links: Ausschnitt eines Bildes, auf google Bilder aufgefunden. Rechts: Fritz Grünbaum 1924, mit Unterschrift aus 1932 (Wr. Theatermuseum). Fritz Grünbaum erfreute jahrelang das Publikum, verfasste unzählige Texte, schrieb 40 Operetten-Libretti und 100 Schlager, ehe er 1938

79 Fotografiert von Renate Grimmlinger im Rathaus, anlässlich der Ausstellungseröffnung „Die drei Wien des “ am 19.3.2012

34 Dr. Renate Grimmlinger MSc: Fritz Grünbaum und Carli Nagelmüller in Gablitz 2011/2012

verhaftet und ins KZ Dachau verbracht wurde. Dort tritt er zum letzten Mal auf. Fritz Grünbaum starb am 14.Jänner 1941

Das letzte Foto von Fritz Grünbaum, aufgenommen im KZ (wikipedia)

Hermann Leopoldi, Bruno Kreisky, Georg Kreisler, Pierre Geneé, Hans Veigl, Marie Therese Arnbom, Christoph Wagner Trenkwitz, Richard Weihs u.v.a. setzten ihm ein Denkmal mit ihren Erinnerungen.

SONDERAUSSTELLUNG im GABLITZER MUSEUM: GABLITZ 1900-1918 mit Erinnerungen an FRITZ GRÜNBAUM u.a. KÜNSTLER sowie:

2. Juni 2012 18.00 Theater 82er Haus Gablitz

LACHEN AM ABGRUND Erinnerungen an Fritz Grünbaum

MITWIRKENDE: Inszenierung von Dr. Gerd PRECHTL Robert KOLAR Dr. Peter SCHEER Dr. Danielle SPERA Roland SULZER Christoph WAGNER TRENKWITZ und Originalaufnahmen ua von Fritz GRÜNBAUM: Organisation: Dr. Renate Grimmlinger MSc

25. November 2012 18.30 GEMEINDERATSSAAL ... und das Publikum lacht Lesung von Grünbaum-Texten von Dagmar Schwarz musikalisch begleitet von Horst Haberleitner

35 Dr. Renate Grimmlinger MSc: Fritz Grünbaum und Carli Nagelmüller in Gablitz 2011/2012

Literatur

Arnbom Marie Theres und Wagner Trenkwitz Christoph, Hg. (2005): Grüß mich Gott! Fritz Grünbaum 1880-1941. Eine Biografie. Wien: Brandstätter Verlag

Arnbom Marie Theres, Wacks Georg Hg (2009): Jüdisches Kabarett in Wien 1889-2009. Wien: Armin Berg Verlag

Buhrs M., Lesak B., Trabitsch T (Hg) (2007): Fledermaus Kabarett 1907 bis 1913. Ein Gesamtkunstwerk der Wiener Werkstätte. Literatur. Musik. Tanz. Wien: Brandstätter Verlag und Österreichisches Theatermuseum

Fischer Lisa (2008): irgendwo. Wien, Theresienstadt und die Welt. Die Sammlung Heinrich Rieger. Wien: Czernin Verlag

Grimmlinger Renate (2011): Transkription des Lehrer-Protokoll-Buches der VS Gablitz 1906 bis 1916

Grünbaum Fritzl (1908): Liebe?-Mumpitz! Gedichte von Fritzl Grünbaum, Zeichnungen von Hans Lindloff. Berlin: Harmonie

Grünbaum, Fritz (1917): Meine Sorgen. Wien: Löwitt

Grünbaum, Fritz (1913?): Verlogene Wahrheiten, Heft 7. Wien-Leipzig: Halm & Goldmann

Grünbaum, Fritz (1930): Grünbaum contra Grünbaum. Wien: Halm & Goldmann

Grünbaum, Fritz. Hg. Genée, Pierre u. Hans Veigl (1985): Die Hölle im Himmel und andere Kleinkunst. Mit einem Vw. v. Bruno Kreisky. Wien-München: Löcker

Grünbaum, Fritz: Die Schöpfung und andere Kabarettstücke. Mit einer kabarettistischen Vorrede v. Georg Kreisler und einem biographischen Nachwort v. Pierre Genée und Hans Veigl. Löcker, Wien-München 1985

Grünbaum Fritz, Hg. Genée Pierre (2001): Hallo Hier Grünbaum!: Altes Und Neuentdecktes von und über Fritz Grünbaum. Wien: Löcker

Juritzky Warberg Antonin (1932): Interieurs. Verwendung alter Kunstwerke zur Gestaltung moderner Innenräume. Zürich: Amalthea Verlag

Klein Kurt: Historisches Ortslexikon 4. Teil

Koller Josef (1931): Das Wiener Volkssängertum in alter und neuer Zeit. Nacherzähltes und Selbsterlebtes. Mit Biographien, Episoden, Liedern, zahlreichen Abbildungen und Portraits nach zeitgenössischen Bildern aus dem Volkssängerleben. Wien: Buch und Kunstverlag Gerlach & Wiedling

36 Dr. Renate Grimmlinger MSc: Fritz Grünbaum und Carli Nagelmüller in Gablitz 2011/2012

Ladenstein Anna (2005): Recherche und Brief im Rahmen der Schulaktion “letters to the stars”.

Lillie Sophie (2003): Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens. Wien: Czernin Verlag

Mittenzwei W. et al (Hrsg.) (1999): Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters 1933– 1945. München 1999

Veigl Hans (2001) : Entwürfe für ein Grünbaum-Monument. Fritz Grünbaum und das Wiener Kabarett, Graz/Wien: Österreichisches Kabarettarchiv

Verschönerungsverein Gablitz (1988): Gedenkschrift zum 125. Bestehen

Weinrich, Berthold / Plöckinger, Erwin (1990): Niederösterreichische Ärztechronik. Geschichte der Medizin und der Mediziner Niederösterreichs. Wien 1990.

Weiss Berthold (1996): Gablitz in alten Ansichten. Zaltbammel/NL: Europ. Bibl.

Weiss Berthold (ohne Jahreszahl): Gablitz. Persönlichkeiten, Kleindenkmäler, Gedenkstätten. Heimat Verlag

Internetrecherche Carli Nagelmüller: http://de.wikipedia.org/wiki/Carli_Nagelm%C3%BCller Kabarettarchiv: www.kabarettarchiv.at Kabarett Fledermaus: http://de.wikipedia.org/wiki/Cabaret_Fledermaus Kabarett Simpl: http://www.simpl.at/geschichte.php Koller Josef: http://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Koller Niederacher (2010): Dossier über die verschollene Kunstsammlung von Fritz Grünbaum http://www.bmukk.gv.at/medienpool/19629/dossier_gruenbaum.pdf Venedig in Wien: http://de.wikipedia.org/wiki/Venedig_in_Wien

Die Fotos stammen zum Teil aus dem Archiv des Heimatmuseums, oder von Fotografen, die namentlich genannt wurden. Bei Bildern, die aus Büchern oder aus dem Internet stammen, scheint die Herkunft in den Fußnoten auf. Die nicht näher bezeichneten Fotos wurden von der Autorin aufgenommen.

Deckblatt: Das Foto von Fritz Grünbaum stammt aus dem Österreichischen Theaterarchiv, das Foto von Carli Nagelmüller aus dem Österr. Theaterarchiv bzw. dem Ausstellungskatalog „Kabarett Fledermaus 1907-1912“ das Automobil, das mit Familie Lefnär zeigt, aus dem Museumsarchiv Gablitz.

37 Dr. Renate Grimmlinger MSc: Fritz Grünbaum und Carli Nagelmüller in Gablitz 2011/2012

Danksagung Ich danke Dr. Erich Dimitz, Bezirksmuseum Mariahilf, Dr. Iris Fink, Österreich. Kabarett-Archiv Graz, Mag. Dieter Halama, Kunsthistoriker und Antiquar aus Purkersdorf, GGR Richard Weihs 1060 Wien, für Unterstützung und für diverse Hinweise.

Abschließend möchte ich vermerken, dass diese Recherche keinesfalls vollständig ist und den Fokus vorwiegend auf Fritz Grünbaum und Carli Nagelmüller sowie auf die Situation in Gablitz um 1900 bis 1918 gelegt hatte.

Autorin: Dr. Renate Grimmlinger MSc Kustodin des Gablitzer Museums Wagner Jauregg Gasse 13 Postadresse: Gemeindeamt 3003 Gablitz Linzerstr. 99 3003 Gablitz [email protected]

Gablitz 2011 - 2012