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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Jahresbericht des Vereins für Naturwissenschaft zu

Jahr/Year: 1907-1909

Band/Volume: 16_1907-1909

Autor(en)/Author(s): Lühmann Hermann

Artikel/Article: Geschichtliches und Naturgeschichtliches von der Zwergbirke im Harze 133-195 Geschichtliches und Naturgeschichtliches von der Zwergbirke im Harze.

Von H. Lülunann. (Vorgetragen in der Sitzung am 17. März 1910.) (Mit 2 Karten.)

Das Lerchenfeld im botanischen Schrifttum.

Vielgenannt im botanischen Schrifttum ist das Vorkommen der Zwergbirke im Harze beim Torfhause oder Borkenkruge*). Zum erstenmal wird hier von G. H. W e b e r in seinem Spici- legium Florae Goettingensis plantas inprimis cryptogamicas Hercyniae illustrans 1778 als Standort das „Lerchenfeld“ an­ gegeben. Von da an bis zur Gegenwart taucht dieser Name immer wieder in den floristischen Werken bei Betula nana auf, wie folgende keineswegs erschöpfende Zusammenstellung zeigt: Gr. F. W. M e y e r , Chloris Hannoverana 1836: „Vorkommen: Auf den Hochbrüchern des Harzes nicht unter 3000 Pariser Fuß über dem Meere hinabgehend und nicht häufig vorkommend. Standörter: Fürstentum Grubenhagen: Beim Borkenkruge, auf

*) Ein in den letzten 50 Jahren ganz außer Gebrauch ge­ kommener anderer Name des Torfhauses; der Sprachgebrauch schwankte übrigens zwischen Borkenkrug und Brockenkrug. Borken­ krug haben Chr. Fr. Schroeder, Abhandlung vom 1785, W. Lachmann, Physiographie des Herzogt. Braunschweig u. d. Harzgebirges 1851/2, die im Text angeführten botanischen Schrift­ steller Gr. H. W eb er, G. F. W. M eyer, E. H am pe, F. W. S p or­ le d e r und die H a n d tk e ’ sche Karte „Das Harzgebirge“ in 1: 200 000, Glogau, um 1880; Brockenkrug finden wir auf allen anderen Kartenwerken seit 1836, soweit sie überhaupt neben Torfhaus diesen Namen bringen. Daß diese letztere Form, wie K a sch , Goethes Harzreisen, im „“ 1909, X I Spalte 342, meint, durch eine im Volksmunde nicht ungewöhnliche UmstelluDg von Bor in Bro ent­ standen sein könnte, halte ich für ausgeschlossen. Mir sind zwar Umstellungen von Br— in B—r bekannt, nicht aber von B—r in Br—. Die Schreibweise beruht zweifellos auf einem durch die Nachbarschaft des Brockens verursachten Lesefehler. 134

dem Lerchenfelde, im Rothenbruche (im Bruche hinter den Feuersteinen bei Schierke im Preußischen).“ G. F. W. M eyer, Flora Hannoyerana excursoria 1849: „Auf den Hochbrüchern des Harzes nicht unter '3000' Höhe über dem Meere, nicht häufig (Hn. und Pr. beim Borkenkruge, auf dem Lerchenfelde, Rothenbruche, Schierke im Bruche hinter den Feuersteinklippen).“ E. H am pe, Flora Hercynica 1873: „In den Brüchen des Brocken­ gebirges: auf dem Lärchenfelde dem Borkenkruge gegenüber in großer Ausdehnung, auch auf dem Rothenbruche ver­ einzelt, . . F. W. S p o rle d e r, Die in der Grafschaft Wernigerode wild wachs. Phanerogamen und Gefäßkryptogamen, 2. Aufl., 1882: „Auf dem Lerchenfelde bei dem Borkenkruge (Torfhause) — im Rothenbruche M eyer.“ W. R e in e c k e , Exkursionsflora des Harzes 1886: „Nur auf den Mooren des Brockengebirges, hauptsächlich auf dem Lerchen­ felde beim Torf hause.“ A. V o ck e u. C. A n g e lro d t, Flora von Nordhausen 1886: „Torf­ brüche und Moore, selten. — Brocken, Torfhaus, Lärchenfeld, Rotenbruch (Hampe).“ W. B e rtra m -K re tz e r, Exkursionsflora des Herzogtums Braun­ schweig und des Harzes, 4. Aufl., 1894: „Hinter dem Torf hause und gegenüber auf dem Lärchenfelde.“ W. Brandes, Flora der Prov. Hannover 1897: „Beim Torfhause und gegenüber auf dem Lärchenfelde.“ A. Peter, Flora von Südhannover 1901: „Oberharz: um den Brocken nach A. v. Haller’s Enumeratio 1753. Torfhaus nach Meyer (auf dem Lärchenfelde nachW eher’s Spicilegium und eigenen Beobachtungen, nicht nach Yocke und Angelrodt am Brocken). [Nicht mehr nach Zinn’s Catalogus 1757 Heinrichshöhe.] Rotebruch; Schierke (hinter den Feuerstein­ klippen) nach Meyer.“ W. Yoigtländer-Tetzner, Yegetationsformationen des Brocken­ gebietes in Sehr, des Naturw. Yer. d. Harzes i. Wernigerode X, 1895, S. 104: „— das Vorkommen von Betula nana auf dem sogenannten Lärchenfeld hinter dem Torfhause.“ O. D ru d e, Der Hercynische Florenbezirk 1902, S. 232: „Stand­ orte nur boreal. Im Oberharz am Braunschweiger Torfhause und in dem nahe dabei gelegenen Moor am Lerehenfeld — “ und Karte auf S. 497. Das zähe Festhalten der Floristen an diesem Namen ist sehr merkwürdig; einer muß ihn immer wieder vom andern über­ nommen haben, denn im Torfhause selbst kennt ihn kein Mensch, weder vom Hörensagen noch aus den vorhandenen Akten des Forstamts. Zwei einwandfreie Zeugen, Frau Kaufmann L in d em an n in Hannover und Frau Buchhändler H erm ann aus Leipzig, jetzt auf Torfhaus wohnhaft, konnten mir dies bestätigen. Als Töchter des ehemaligen hannoverschen Revier- und preußischen Oberförsters L o r e n z auf Torfhaus in den fünfziger Jahren geboren, haben beide Damen dort oben ihre 135

Jugendzeit verlebt und kennen noch heute alle Standorte der Zwergbirke in der Nähe, auch die jetzt verschwundenen; und beide erklärten mir .unabhängig voneinander, n ie im väter­ lichen Hause den Namen Lerchenfeld gehört zu haben. Solange die Erinnerung der ältesten Leute zurückreicht, kennt man dort nur „die Lerchenköpfe“ als Bezeichnung des unmittelbar nörd­ lich gelegenen Bergrückens, an dessen südlicher Abdachung die Oberförsterei liegt. Die Akten des Forstamts Torf haus reichen freilich nicht weit zurück. Am 13. Sept. 1869 ist nach einem Blitzschläge die Oberförsterei in Flammen aufgegangen und mit ihr die älteren Akten und Pläne; und da nun bald darauf auch in der Regierung zu Hildesheim die älteren Schriften durch einen Brand vernichtet sein sollen, so stehen dem Forstamte Torf haus ältere Akten und Karten weder in Ur- noch in Abschrift zur Verfügung. Welche Örtlichkeit hat nun G. H. W eber, auf den offen­ bar als letzte Quelle die Angaben aller späteren Schriftsteller zurückzuführen sind, gemeint? In meinem Aufsatze: „Die Zwerg­ birke im Harz“ im XIV. Jahresbericht dieses Vereins 1904/5 habe ich S. 114 u. 115 diese Frage zu beantworten gesucht. Des besseren Zusammenhanges wegen mögen hier meine Schluß­ folgerungen wörtlich wiederholt werden: „In der Nähe des Torfhauses (800 m ü. d. M.) gibt es oder richtiger gab es zwei getrennte Zwergbirkenstandorte, einen kaum 100 m südlich von der Oberförsterei, wie diese wenige Schritte westlich von der Poststraße am Fuße der eben ge­ nannten Lerchenköpfe, und einen zweiten 1km östlich vom Torfhause, von diesem und den Lerchenköpfen durch eine flache Niederung, in der sich die Quellbäche der sam­ meln, getrennt. Der erstere ist ein namenloses, zwar bruchiges, aber mit zerstreuten Fichten ziemlich dicht bestandenes Ge­ lände; der letztere dagegen ist ein ausgedehntes, typisches Hochmoor, das auf den Forstkarten und dem Meßtischblatt*) den Namen R a d a u e r Born führt. Die größere Nähe der Lerchenköpfe würde zwar für den ersteren sprechen. Da aber G. F. W . M e y e r , B ertram - K re tz e r und B r a n d e s das eine Vorkommen kurzweg als das »beim oder hiüter dem Torfhause bzw. Borkenkruge« und das andere als das »auf dem Lerchenfelde« oder sogar »gegenüber auf dem Lerchenfelde« angeben, logischerweise aber mit dem ersteren nur ein dem Torfhause näher gelegenes und mit dem zweiten ein entfern-

*) Nr. 2304 Harzburg, ausgegeben 1878/9. 136 teres, auf der anderen Seite der Poststraße und der Quell­ niederung befindliches gemeint sein kann, so muß das Lerchen­ feld dieser Autoren = Radauer, Born sein. Auf das Vor­ kommen in diesem Bruche paßt auch nur die Angabe H am pes »in großer Ausdehnung«, denn neben der Oberförsterei ist die Zwergbirke zwischen den Fichten immer nur in einzelnen Büschen vorgekommen. „Wenn wir nun aus der zähen Festhaltung des von W e b e r aufgebrachten Namens auch auf einen ununterbrochenen Zusammenhang in der Überlieferung der Örtlichkeit bei den zünftigen Harzbotanikern schließen dürfen, so müssen wir auch das W e b er sehe Lerchenfeld auf dem Radauer Born suchen. Vielleicht ist das Wort dadurch entstanden, daß W eb e r zwei Ortsnamen zusammenwarf, als ihm als Standort etwa angegeben wurde »Brockenfeld neben den Lerchenköpfen«. Jedenfalls muß endlich der Name Lerchenfeld aus den Floren verschwin­ den und dafür gesetzt werden »Radauer Born im Brockenfelde« oder »Radauer Born beim Torfhause«, und zwar nur eins von diesen und ohne Komma zwischen den beiden Namen, denn heute steht die Zwergbirke nur noch auf dem Bruche. An jener anderen Stelle nahe der Oberförsterei ist sie verschwunden; Herr K a lisc h *) meint, sie schon seit 20 Jahren dort nicht mehr gesehen zu haben.“ Ich hatte damals keine Gelegenheit, W ebers Spicilegium selber einzusehen, und war auf den kurzen Hinweis auf diesen Gewährsmann in P e te r’ s Flora von Südhannover angewiesen. Eine Nachprüfung von W eb er’ s eigenen Worten hat mir eine Bestätigung meiner obigen Schlußfolgerung gebracht. Da im folgenden mehrfach auf die betreffende Stelle im Spicilegium Bezug genommen werden muß, sei sie hier in ihrem vollen Wortlaute angegeben: B etula nana**). Operis fore praetium existimo, rarissimae plantae, quam florae nostrae civem esse negavit 111. L in n a e u s,

*) Königlich preußischer Hegemeister, mehr als 30 Jahre im Torfhäuser Revier, gest. 6. Oktober 1909. Auch Frau H erm an n hält sie seit 25 bis 30 Jahren, seit dem Heranwachsen des jetzigen Fichtenbestandes, für erloschen. **) B. n. Meine Bemühungen sehe ich als belohnt an dadurch, daß ich von der sehr seltenen Pflanze, deren Vorkommen in unserer Flora der treffliche Linné bestritten hat, einen sicheren Standort angehen kann. In der Tat wächst sie in größter Menge zwar nicht auf dem Brocken, wohl aber auf einem morastigen, torfigen, mit ungemein viel Sphagnum bewachsenen Felde in der Nähe des Borkenkruges, welches das Lerchenfeld genannt wird und links vom Wege, der nach dem Orte führt, liegt. Der Wirt 137

determinatum indicare locum natalem. Copiosissime vero nas- citur, non quidem in Brnctero, sed in campo uliginoso, torfoso, maxima Sphagni copia repleto prope Borkenkrug, quod vocatur das Lerchenfeld, et ad sinistrum viae, quae ad pagum Braun­ lage ducit, situm est. Diversorii, quod Borkenkrug, olim das Communion-Torf haus, audit, hospes, nomine D egen, cui syl- varum hujus regionis cura mandata est, quaerentibus accu- ratiorem locum natalem indicare potest. Quoties ex aliis sylvae Hercynicae incolis quaesiverim, annon forte ipsis cognitus sit locus, quo Betulae quaedam species humilis admodum foliisque rotundis cresceret, tune semper monstrarunt locum, ubi nihil praeter Yaccinium uliginosum reperi. Obs. Nostrae plantae pedalem altitudinem utplurimum vix attingunt, rarius superant. Folia multo minora sunt ac in icone Linnaeana. Allerdings ist die bei W eber übliche Ortsbestimmung, die nicht nach den Himmelsgegenden, sondern immer nach links und rechts erfolgt, recht zweideutig. Im allgemeinen müssen diese Angaben auf Göttingen als Ausgangs- und Gesichtspunkt bezogen werden, z. B. wenn er von den silvis ad sinistram villae Hessendreisch spricht. Bei dieser Auffassung würde freilich sein campus uliginosus torfosus westlich der Poststraße liegen müssen und sich decken mit dem Zwergbirkenstandorte neben der Oberförsterei. Allein hier geht aus den Worten „ad sinistrum viae quae ad pagum Braunlage ducit“ wohl deutlich hervor, daß er nicht von Göttingen aus rechnend, sondern von Harzburg kommend sein Lerchenfeld zur Linken, also östlich von der Straße gehabt hat. Dann muß es der jetzige Radauer Born gewesen sein. Dazu paßt denn auch seine Angabe „copiosissime nascitur“, von der das H am pe’ sche „in großer Ausdehnung“ einfach eine Übersetzung ist. Wie nach den auf S. 133 und 134 wörtlich wiedergegebenen Standortsangaben bei Ham pe und den Späteren, so ist auch bei G. H. W eber das Lerchenfeld = Radauer Born. Anders liegt aber die Sache bei G. F. W . M eyer. Meine frühere Auslegung seiner Angaben in der Chloris wie in der

des Gasthauses, welches Borkenkrug, vormals das Kommunion- Torf haus heißt, mit Namen Degen, der mit dem Forstschutz in diesem Revier beauftragt ist, kann den Suchenden den genaueren Standort zeigen. So oft ich andere Bewohner des Harzes gefragt habe, oh ihnen vielleicht eine Stelle bekannt sei, wo eine ganz niedrige Art Birke mit runden Blättern wüchse, hat man mir immer Stellen gezeigt, wo ich nichts weiter als Yaccinium uliginosum gefunden habe. Bemerkung: Unsere Pflanzen erreichen meistens kaum einen Fuß Höhe, selten mehr. Die Blätter sind viel kleiner als auf der Linneschen Abbildung. 138

Flora excursoria läßt sich, wie sich aus dem folgenden ergeben wird, nicht aufrecht erhalten. Er hat den Namen, den er bei W eber vorfand, auf eine andere Stelle bezogen, als jener damit bezeichnen wollte.

Das Lerchenfeld in älteren Akten.

Es ist oben mitgeteilt worden, daß das Forstamt Torfhaus aller älteren Akten beraubt worden ist. An einer anderen Stelle aber sind ältere auf das Revier bezügliche Urkunden erhalten geblieben. Der Oberbarz vom Westrande bis zur — Oderspalte ist alter wölfischer Besitz. Der südlich der Linie Badenbausen— Klaustbal— Altenau— Wolfswarte— Oderbrück, die ungefähr der Nordgrenze des alten Lisgaus entspricht, liegende Teil desselben scheint zum größten Teil aus der alten katlenburgiscben Erb­ schaft zu stammen. Der Anteil an dem Gebirge nördlich dieser noch bis zum Eckersprung verlängerten Linie rührt vielleicht zum Teil schon aus dem Besitz der Brunonen her, zum Teil ist er jedenfalls ehemaliges Reichsgut; so ist die Harzburg mit ihrem bis „zur Oderbrücke“ reichenden Forste erst 1369 in das Eigentum des Weifenhauses gekommen. Bei der Teilung des Hauses Braunschweig im Jahre 1285 fiel jener südliche Teil an die Linie Braunschweig-Grubenhagen und ist in ihrem Besitz ge­ blieben bis zu deren Erlöschen 1596. Nach vorübergehender Besitzergreifung durch die Wolfenbütteler Linie ist dann 1617 mit dem übrigen grubenhagenschen Besitze dieser südliche Oberharz mit den Städten Lauterberg, Herzberg, Osterode, Andreasberg, Altenau, Klausthal an die Linie Braunschweig- Celle gefallen und so ein Teil des späteren Königreichs Hannover geworden. Der nördliche Teil des Oberharzes in der eben be­ schriebenen Begrenzung fiel dagegen bei jener Teilung der Linie Braunschweig-Wolfenbüttel, die der Hauptsache nach den alten brunonischen Besitz bekam, zu*). Die späteren Teilungen von 1 3 4 5 ,1 3 8 8 ,1 4 0 9 ,1 4 2 8 ,1 4 9 5 haben hieran nichts geändert; die Harzburg selber ist allerdings erst nach 1413 aus dem Besitz der Göttinger Linie in den der Wolfenbütteler gekommen.

*) Wenigstens fiel bei der Wiederaufnahme des Oberharzer Bergbaues in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Abgrenzung der beiden Gebiete ungefähr mit der oben in ihren Hauptpunkten angegebenen Linie zusammen. Ursprünglich hatte der gruben- hagensche Besitz in dem Striche zwischen der Oker und der von nach dem Kloster Cella, dem Vorläufer des heutigen Zeller­ feld, führenden Straße noch über diese Linie nach Norden hinaus­ gegriffen. 139

Als nun mit dem Herzoge Friedrich Ulrich 1634 das sog. mittlere Haus Braunschweig-Wolfenbüttel ausstarb, waren sieben erbberechtigte welfische Fürsten vorhanden. Durch den Erbvergleich vom 14. Dezember 1635 erfolgte eine neue Aufteilung des gesamten wölfischen Besitzes mit Ausnahme der Rechte an der Stadt Braunschweig, der Universität Helmstedt und an den aus der wolfenbüttelschen Erbschaft stammenden Bergwerken und Forsten des Oberharzes; diese sollten gemeinschaftlicher Besitz der drei Häuser bleiben, denen die sieben Vettern angehörten. Zu dem sog. Kom­ munionharze gehörte auch als Teil des Harzburger Forstes das jetzige Torfhäuser Revier. Im vollen Umfange bestand die Kommunion nur bis 1649; durch den Hildesheimer Rezeß vom 12. Mai d. gen. J. schied die Landeshoheit über den West- und Nordwestrand des Harzes aus und fiel wieder an die 1635 ge­ stiftete jüngere wolfenbüttelsche Linie, aus deren Besitzstände das jetzige Herzogtum Braunschweig bervorgegangen ist. Ver­ waltung und Gericht in diesem Gebiete wurde den Ämtern Staufenburg, Seesen und Harzburg zugewiesen, während das Eigentumsrecht an sämtlichen herrschaftlichen Forsten und Bergwerken und die Einkünfte aus ihnen ebenso wie Verwaltung und Gericht über die Bergstädte Grund, Wildemann, Zellerfeld, Lautenthal mit allem Zubehör und über das ganze innerharzische Gelände östlich von diesen Städten bis zur Ecker in der Kommunion blieben. Durch den Zellerfelder Teilungsrezeß vom 4. Oktober 1788 wurde dann dies merkwürdige staatliche Gebilde, dessen Verwaltung immer mehr Weitläufigkeiten und Unstimmigkeiten verursachte, unter die Beteiligten, deren Zahl inzwischen auf zwei, Braunschweig und Hannover, zusammen­ geschmolzen war, aufgeteilt. Braunschweig bekam von dem gemeinschaftlichen Forstbesitz zunächst den Teil, über den es seit 1649 schon die Landeshoheit besessen hatte, und daran räumlich anschließend von dem übrigen noch so viel, daß es nun 3/7, Hannover aber 4/7 des Ganzen erhielt. Jedem der beiden Staaten stand fortan in seinem Anteile die ungeteilte Landeshoheit, die auch das volle Bergregal umfaßte, zu, so daß der braunschweigische Anteil an die erwähnten drei herzog­ lichen Ämter (jetzt Seesen, Lutter a. Barenb. und Harzburg) angegliedert, der hannoversche aber, der die oben genannten Bergstädte in sich schloß, mit dem alten schon seit 1617 besessenen grubenhagenschen Erbe zu e in e r Verwaltungs­ einheit (der nachmaligen Berghauptmannschaft Klausthal) verschmolzen werden konnte. In gemeinschaftlichem Besitz und unter gemeinsamer Landeshoheit verblieben nur einige Berg- 140

und Hüttenwerke, von deren Erträgen auch wieder Braun­ schweig 3/7, Hannover 4/7 zugesprochen erhielt, eine Einrichtung, die sich mit geringen Änderungen bis auf den heutigen Tag erhalten hat, nur daß 1866 Preußen an die Stelle Hannovers getreten ist und 1874 nun auch die Landeshoheit über diese Werke und über deren aus einigen hundert Köpfen bestehende Bevölkerung aufgeteilt ist. Yon der letzten Hälfte des 16. Jahrhunderts an, vielleicht auch aus noch früherer Zeit, sind nun im braunschweigischen Landes - Hauptarchiv und in den Kegistraturen der braun­ schweigischen Behörden noch Akten zu finden, die auf die im Jahre 1788 an Hannover gefallenen Gebiete, darunter auch das jetzige Torfhäuser Revier, Bezug haben. 1. u. 2. In der Registratur der Direktion der Forsten in Braunschweig wird eine handschriftliche Beschreibung des Kommunionharzes von 1680 und eine Karte des Harzburger Forstes von 1682 aufbewahrt. Beide sind für unseren Fall von Bedeutung. Jene führt den vollständigen Titel „Der Gantze Hoch-Fürstl: Braunschw: Lüneburgische Communion Haartz, wie solcher auffs genaueste gemessen, auffgetragen, calculiret und beschrieben von H enningo G roscu rt und Joh an n - Z ach aria E rn e sti im Jahr 1680“, und enthält außer einer auf alle Verhältnisse eingehenden Beschreibung aller Berge, Täler, Gewässer, Wälder, Wiesen, Brücken, Gebäude, Wege, Gruben, Halden usw. zwischen den Text eingeklebt 74 „Abrisse“ im ungefähren Maßstabe 1 :7 5 0 0 , größtenteils von der Hand des Johann Z a ch arias E rn st (so ist sein richtiger Name), eines gewandten Kartenzeichners. Die Karte von 1682 ist eine Zu­ sammenfassung der 22 auf den Harzburger Forst bezüglichen Sonderkarten aus der Beschreibung zu einem großen Karten­ bilde. Sie ist in zwei nur in der Schrift hier und da etwas voneinander abweichenden Zeichnungen ebenfalls in 1 :7 5 0 0 vorhanden, umfaßt das ganze Gelände vom Harzrande bis zum „Wachthause an der 0 derbrücke“ und führt den Titel „Ab- Riß des Haartzburger Forsts, welcher zwischen der Oker und Ecker gelegen und von der Radau in zwei Theile getheilet wird. Johann Z ach arias E rn st mensuravit et delineavit 1682“. Die Beschreibung, die im folgenden kurz als das F o r s t­ ab riß b u ch angeführt wird, wie die Karte beruhen auf einer Vermessung des Kommunionharzes, die als höchst notwendig zur Abgrenzung der recht verwickelten Befugnisse und Gerechtsame schon in dem Rezesse von 1649 gefordert und von 1675 bis 1680 mit einer für damalige Zeit außerordentlichen Genauig­ keit ausgeführt worden ist. 141

Der Plan und die Anweisungen zu dieser Vermessung rühren von dem Professor P aulus H eigel in Helmstedt her, der sich auch in einem der Beschreibung vorgehefteten Gut­ achten vom 22. Februar 1676 über die ersten Arbeiten aus dem Jahre 1675 ausspricht. Zur Kennzeichnung der Sorgfalt, mit der gearbeitet und die Arbeiten überwacht wurden, mag daraus folgende Stelle angeführt werden: „Weil ich aber an solchen Orten (nämlich wo die »Spezialrisse« aneinander und in den großen Grundriß passen müssen) die Differentz fast gleich in den Winkeln, nur l 1/^ Grad befinde, so vermuhte, daß die Schult etwan an dem Einem Instrument sein muß, und die beiden Bousollen nicht einerlei meridianum mögen behalten haben, welche Ungleichheit durch eintruckenen der hölzern Aufsätze mag entstanden sein.“ Doch verursacht nach seiner Meinung dieser Unterschied keine Unrichtigkeit in der Flächen­ berechnung, wenn bei jedem Berge einerlei Instrument behalten worden ist. Die Winkel wurden also ausschließlich mit der Boussole gemessen; und für die Sorgfalt bei den Feldarbeiten wie bei der rechnerischen und zeichnerischen Verarbeitung und bei der Nachprüfung legt es ein gutes Zeugnis ab, daß selbst im An­ fänge nur Unstimmigkeiten von nicht mehr als l 1/^0, und auch diese nur als Folge eines mangelhaften Instrumentes anzu­ merken waren. Besonders wird in dem Gutachten zu weiterer Verwendung empfohlen G r o s c u r t als gewandter Vermesser und Rechner, sorgfältiger Beobachter und gewissenhafter Führer seiner catalogi observationum; wegen der nämlichen Vorzüge wird auch E r n s t gelobt, dieser aber auch als geschickter Zeichner, „absonderlich kann er einen guten Grundtriß an­ fertigen“. Der Zweck der Aufnahme war kein wissenschaftlich-topo­ graphischer, sondern ein ausschließlich praktischer: man wollte eine genaue Kenntnis der Größe der einzelnen Forsten und Forstbezirke haben, um bei der Verrechnung der Kosten und der Erträge aus den Staats- und zahlreichen Privatforsten eine zu­ verlässige Unterlage zu haben. Die Größe der einzelnen „Berge“, d. h. Bezirke, ist daher in der Beschreibung bis auf Ruten an­ gegeben; ferner bei jedem die Bodenbeschaffenheit, die Holz­ arten, die Bestockung, sonstige Angaben über den Wert und Beschaffenheit des Waldes, Wegsamkeit usw. Bei allem und jedem wird, um keinerlei Unklarheiten auf kommen zu lassen, die Benennung wie auch etwaige Mitnamen genau gebucht; auch die Worterklärung in der Regel und vielfach mit Glück versucht. 142

Vollendet ist die Niederschrift des Textes, wenigstens der letzten Abschnitte des Forstabrißbuches, von einem dritten Mitarbeiter an der Vermessung, ß re n n e c ciu s, und 1692 der fürstlichen Kammer eingeliefert. Nach einer urkundlichen Ein­ tragung am Schlüsse, unterzeichnet Zellerfeld den 4. Oktober 1788 y . d. Bussche, Hardenberg-Reventlow*), ist die vorliegende Handschrift eine der drei überhaupt vorhanden gewesenen, die dem Zellerfelder Teilungsvertrage von 1788 zugrunde gelegt worden sind. Sie hat damit die Bedeutung einer politischen Urkunde bekommen. Die Karte gibt die Gewässer blau, die Wege rotbraun, die Berge in schwacher braungelber Schummerung, die Wiesen grün, die Brücher graugrün mit blaugrüner Umrandung, die Gebäude rot wieder. In der Braunschweigischen Bibliographie, Abteilung II, 4. Jahresbericht dieses Vereins 1883/6, S. 104 u. 105, führt B. P atten h au sen beides unter den Forstkarten auf. Seine aus anderweitigen Nachrichten geschöpfte Vermutung, daß jetzt außer dieser Niederschrift noch eine in Hannover sei (eine ist schon früher bei einem Brande des Goslarer Zehnthauses ver­ nichtet), erscheint mir zweifelhaft. Wenn überhaupt 1866 noch eine andere dagewesen ist, dürfte sie nach Aufhebung der Berg­ hauptmannschaft als Verwaltungsbehörde sich bei der Regie­ rung in Hildesheim befunden haben und dann bei dem Brande ebenfalls ihren Untergang gefunden haben. Bei der urkund­ lichen Bedeutung der Karte wie des Forstabrißbuches wäre zu wünschen, daß beide durch den Druck veröffentlicht würden. Der beigegebene Abdruck eines Ausschnittes aus der Karte (Blatt II), der das Gelände um das heutige Torfhuus darstellt, ist photographisch auf die Hälfte, also auf 1 :1 5 0 0 0 verkleinert. Zur Vergleichung ist ein Ausschnitt aus den Meßtischblättern Harzburg und Andreasberg von 1909, auf den Maßstab 1 :1 5 0 0 0 vergrößert (Blatt I), auf Pauspapier darübergedeckt. Auf diesen habe ich den Parallel 51° 48', der unmittelbar den Meßtischblättern entnommen werden konnte, und den Meridian 2 8 °1 2 / 20,/, der durch Berechnung gefunden ist, eingezeichnet. Beide Linien sind dann durch Verpassung mit solchen Punkten, die seit 1682 ihre Lage im Gelände nicht geändert haben können und deren Lage nach Vergleichung mit anderen der-

*) Freiherr Karl August v. Hardenberg-Reventlow, der 1810 zum preußischen Staatskanzler ernannt wurde und neben S tein der Wiederhersteller Preußens gewesen ist, stand von 1782 bis 1790 im braunschweigischen Staatsdienste, und zwar von 1787 an als Präsident des braunschweigischen Kammerkollegiums. 143 artigen Punkten als damals richtig vermessen angesehen werden kann, auch auf den Kartenausschnitt übertragen worden. Es stellte sich hierbei, wie der Abdruck zeigt, heraus, daß die Seitenränder der Karte, die keinerlei Vermerk über geographischeLänge und Breite oder sonstiges Richtungsmerkmal enthält, nicht nach dem astronomischen Meridian ausgerichtet sind, sondern mit demselben einen Winkel von 4 °25' bilden. Eine von mir auf Grund der Angaben von H an steen (Unter­ suchungen über Erdmagnetismus 1819) vorgenommene ober­ flächliche Einschaltung ergab für die magnetische Deklination im Harze um 1680 ungefähr 4° 30' westlich. Auf eine darauf an das geophysikalische Institut in Göttingen gerichtete An­ frage wurde mir gütigst von Herrn Dr. L. G e ig e r eine von F e lg e n tr ä g e r (Die längste nachweisbare Säkularperiode der erdmagn. Elemente 1892) aufgestellte Formel und die sich daraus ergebende Deklination für 1677,5 in Klausthal = 3° Öl1/ / west­ lich mitgeteilt. Das würde für 1680 ebenfalls einen Wert von etwa 4° 26' ergeben. Allem Anschein nach habe ich bei der Über­ tragung der Linien auf die Karte das Richtige getroffen, und diese selbst ist also, wenigstens nach diesem kleinen Ausschnitt zu urteilen, sehr genau nach dem magne­ tischen Meridian ihrer .Zeit ausgerichtet worden. Soll das Blatt richtig eingestellt werden, so muß man den oberen Teil desselben um rund 4 1/2° nach Westen drehen. Für weitere Benutzungen der Karte (und natürlich auch der „Abrisse“ in der Beschreibung) dürfte diese Feststellung wichtig sein. Nach den beiden eben beschriebenen Belegen führte beim jetzigen Torfhaus, wo sich aber zu der Zeit noch keinerlei menschliche Niederlassung befand, der W eg von der Harzburg nach, „dem Braunlahe“ genau so wie die jetzige Poststraße. Er hieß schon „die alte Straße“ und wird beschrieben als „ein beständiger und guter Weg zu fahren“. Wir haben in ihm offenbar ein Stück des schon um 1014 als Grenze des Halber­ städter Kirchensprengels angegebenen „Heidenstieges“ vor uns, für den jetzt leider der unbegründete Name Kaiserweg aufge­ kommen ist. Auf der Strecke zwischen der jetzigen Ober­ försterei und der Försterei durchschnitt er damals ein Bruch, welches die ganze Einsattelung zwischen den Lerchenköpfen und dem Magdbette einnahm und den Namen L erch en feld führte*) (vgl. die Kartenbeilagen). Es führte diesen Namen also dasjenige Gelände, von dem ich in meinen oben wiedergegebenen

*) Nach den Meßtischblättern Harzburg und Andreasberg von 1909 in den Jagen 68 und 69. 144

Ausführungen von 1905 bereits gesagt habe, daß es wegen der Nähe der Lerchenköpfe am besten Anspruch darauf machen könnte. Östlich des Weges gehörten zu diesem Lerchenfelde noch die jetzigen Torfhaus wiesen bis fast zur Radau; westlich desselben aber lag das Hauptstück, an das sich nach Südwesten hin ein Bruchgebiet schloß, das in einzelnen Resten noch heute vorhanden ist, damals jedoch als große geschlossene Masse westlich von „der Magd Bette“ nach Süden zur Rodenbeke bis in die Nähe des jetzigen Oderteiches und von da an westwärts gegen den zog. Das Hochmoor aber, welches jetzt auf den Forstkarten in den Jagen 81, 83, 66, 67 als „R a d au er B o r n “ bezeichnet wird, hing mit jenem Bruchgebiete nicht zusammen; es zog sich östlich von dem Höhenrücken des Magdbettes südwärts bis zu den „Schwarzen Tannen“ und führte damals den Namen „ R o te s B r u c h “ oder, nach dem Forstabriß buche, genauer noch „ L ü tg e s R o te s B r u c h “ zum Unterschiede von dem eben erwähnten w estlich des Magdbettes, welches „G roßes Rotes Bruch“ hieß. 3. In der Registratur der braunschweigischen Forstdirektion befindet sich auch noch eine Karte, deren Verfasser und Ent­ stehungsjahr nicht mehr zu erkennen ist, etwa im Maßstabe 1 :3 4 0 0 0 mit dem Titel „Designatio derer gesambten Com- m union-Ober- und Unterharzischen Forsten“. Die sehr saubere Zeichnung, die offenbar auf die E rn st sehen „Abrisse“ zurück­ geht, ohne indes deren Genauigkeit in Einzelheiten, z. B. in der Gabelung der Abbe zur Radau und zur Ecker hin, zu erreichen, gibt die Namen ganz so wie diese, nur daß sie den Namen Lerchenfeld auf das ganze Bruchgelände westlich des Magdbettes überträgt und dadurch die Bezeichnung „Großes Rotes Bruch“ in Wegfall kommen läßt und daß sie in das Bruch östlich vom Magdbette einsetzt „D er Rote Bruch“. Ein Torfhaus gibt es auch auf dieser Karte noch nicht. Diese soll im folgenden als Karte B bezeichnet werden. 4. In dem gleichen Sinne wie auf der vorigen Karte wird der Name „Lerchen-Feldt“ auf einem in der Herzogi. Plankammer liegenden „Grundt-Riß von der St. Andreasberger Forst von J. P. S a rto rio “ in etwa 1 :3 1 0 0 0 von 1732 gebraucht. Das Rote Bruch ist hier nur südöstlich von der Magd Bette ein­ geschrieben. Damit hört auf dieser Karte leider die Gelände­ zeichnung nach NO zu auf, es ist nur noch das Wort Communion-Forst eingeschrieben. Ob es damals schon ein Torfhaus gab oder nicht, ist also nicht aus der Karte zu ent­ nehmen. 145

5. Ferner ist in der landschaftlichen Bibliothek unter Nr. 1225 eine Sammlung handschriftlicher statistisch-topo­ graphischer Nachrichten und Urkunden über das Herzogtum in 13 Bänden. In dem Bande über den Harzdistrikt liegt eine in mehreren Blättern vom ungefähren Maßstabe 1 :3 3 500 an­ gefertigte Pause vom Kommunion-Harze, die der Schrift nach von dem Geometer C. B. de la B ergerie um 1760 stammen kann. Sie stimmt in der Zeichnung mit Karte B überein, ge­ braucht aber den Namen Lerchenfeld wieder ganz in dem engeren Sinne wie J. Z. E rn st und hat für das übrige westlich von dem Magdbette liegende Bruchgelände auch wieder die Bezeichnung „Rothe Bruch“. Das Bruch auf dem Radauer Born ist hier bereits namenlos. Diese Karte, die mit C be­ zeichnet werden mag, hat dann auch an der Stelle der heutigen Oberförsterei schon das Torf haus. Die Karten B und C sind in der Braunschw. Bibliogr. a. a. 0. nicht mit auf geführt. 6. Eine weitere Ausbeute in der Lerchenfeldfrage fand ich im braunschweigischen Landeshauptarchiv zu Wolfenbüttel. Da boten sich mir zunächst zwei Erbregister des Amts Harz­ burg dar, von denen nach R. W ie r ie s, Die Namen im Amts­ gerichtsbezirk Harzburg 1910, das eine der Amtmann Johann Heinrich v. Uslar 1666 begonnen hat, das aber an vielen Stellen aus den nicht mehr vorhandenen Erbregistern von 1568 und 1593 offenbar wörtlich abgeschrieben ist, während das andere von dem 1706 gestorbenen Amtmann Andreas Caspar v. Uslar herrührt und 1703 vollendet zu sein scheint. In dem Erbregister von 1666 ist allerdings die Beschreibung des für uns in Frage kommenden Geländes so verworren, daß der Schreiber offenbar keinerlei Kenntnis davon aus eigener Besichtigung gehabt haben kann. Sie lautet im Auszuge folgendermaßen: „Vom Bodenspringk bis uf den Oderspringk, von dem Oderspringk bis uf die Oderbruegke, von dar die Oder nieder bis in den Radauern Beegk (soll heißen Rodenbeek) ist Dannenholtz, stoßet an den Roden Bruch (nämlich das Große Rote Bruch) undt kann nicht abgefahren werden. Vom Rodenbeegk uf bis an die Weißen Ufer*) ist weinig holtz. Das Rodebruch, das Lerchenbruch, das Radauerbruch ist heide undt torf, liegt von der Haartzburgk 21j2 Stunde, darauf das

*) Ein heute nicht mehr bekannter Porstortsname, der jeden­ falls nach der in der Beschreibung innegehaltenen Reihenfolge nördlich von der Rotenbeke etwa da, wo die Karte von 1682 die Schrift „Spitze oder Ecke zu der Steihlen Wand gehörig“ hat, auf dem Meßtischblatte östlich von den Jagennummern 54 und 59 an­ zusetzen ist. 10 146

Torfhaus unter dem Schufensteine. (Zusatz: Daß Torfhaus ist vor dem Kriege in Abgang gekommen.) Zwischen den Lerchen­ köpfen undt dem Radau Bruche oder Bodenspring (! gemeint ist vielleicht Radauspring), da die sechß Schleusen *), so schaden genommen, gebauet, ist Dannenholtz.“ Wenn auch das hier genannte Rodebruch zweifellos das Große Rote Bruch des Forstabrißbuches ist, so ist mit der Aufzählung doch nicht viel zu machen, da es zweifelhaft bleibt, was mit dem „ Radau er- bruchw gemeint. Wenn wir auf den Zusatz, daß es „heide undt torf“ sei, Gewicht legen können, und wenn wir ferner für das offenbar verschriebene „Bodenspring“ lesen könnten „Radauspring“ , dann würde allerdings das Radauerbruch des Erbregisters = Lütges Rotes Bruch des Forstabrißbuches = Radauer Born der preußischen Forstkarte sein, denn hier ent­ springt sowohl der Hauptarm der Radau wie auch ein Seiten­ arm der Abbe. Dann kann selbstverständlich nach der Reihenfolge das „Lerchenbruch“ nur das Lerchenfeld des Forstabrißbuches und der Karte von 1682 sein. Allein bei der Verworrenheit der ganzen Beschreibung ist es auch mög­ lich, daß mit dem hier genannten Radauerbruch der noch heute so genannte Forstort 2 km weiter nördlich unmittelbar an der rechten Seite der Radau gemeint ist, der heute ein kaum noch morastiger, stattlicher Fichtenbestand ist und seiner Lage nach nie ein Hochmoor gewesen sein kann, auch unterhalb der erwähnten sechs Schleusen liegt. Wichtig ist für unsere Zwecke nur die Erwähnung eines schon vor dem Dreißig­ jährigen Kriege abgängig gewordenen Torfhauses „unter dem Schufensteine“ . Dies muß offenbar bei der Tränke unter dem Schubensteine gelegen haben und kann nur der Torfgewinnung auf dem Lütgen Roten Bruche gedient haben. Beim Betriebe eines Torfstiches auf dem Lerchenfelde könnte unmöglich ein Unterkunfts- oder Trockenhaus dort hinten hingestellt sein. 7. Faßbarer und besser an Ort und Stelle zu bringen ist das, was uns das Erbregister von 1703 an die Hand gibt: „Die Steile Wand über der Julius Stauung**) am Keilwasser (an der Mündung der Blochschleife im Jagen 77) ist Dannen- Bauholtz. Von den Witten Ufern bis uff die Wulfeswarte über das Rote Bruch ist kein Holtz. — Unter der alten Straße bis an den Berenborn, der Flörkenhey genannt (d. h. die Jagen

*) Ygl. S. 150. **) Offenbar die Stauung an dem Orte Arenthun, lV 2 deutsche Meilen über Goslar, die B od em an n , Herzog Julius v. Br. 1875, S. 220, erwähnt, aber nicht unterzubringen weiß. 147

35, 29, 30, 36, aus denen der Flörichshaier Graben kommt), ist gleichergestalt altes abständiges Dannenholtz. Von dem Braunlaher Haubtwege und zwar dem Lerchenfeld nach den Köpfen zu, zur Seiten rückwärts bis auf eine Blockschleiffe ist das albereits in ziemlichen Jahren stehende Holz. — Vom Brockenfelde bis an das Lerchenfeld sind die großen und kleinen Hopfensäcke, hierzu gehört der Magdbette,------. Von den Lerchenköpfen nach denen Plätzen und der Radau hin steht ein schöner Ohrt Dannen Holtzes. — — Die Plätze- ist gleichergestalt schön Dannen Holtz.“ Dann folgt weiter die Baste. Die Reihenfolge, die der Verfasser des Erbregisters innehält, ist klar. Er geht von der Steilen Wand zunächst südlich, dann östlich zur alten Straße, verfolgt diese wieder nordwärts bis zu den Lerchenköpfen, indem er erst den Wald westlich, dann östlich derselben beschreibt, und schreitet dann von den Lerchenköpfen weiter nach Norden. Aus seinen Worten ergibt sich, daß der „ Braunlaher Haubtweg“ über das Lerchen­ feld geht, und ferner, daß dieses vom Brockenfelde her hinter dem Magdbette, also nordwestlich davon liegen muß. Seine Benennungen decken sich also mit denen des Forstabrißbuches. Die hier genannten „Plätze“, auch „Plätzung“ genannt, sind die zahlreichen Wegekreuzungen an der Nordabdachung der Lerchenköpfe, ^ k m vom Gipfel. 8. Die älteste Erwähnung des Lerchenfeldes habe ich in den Akten über die von H e r z o g J u liu s 1571 in Angriff genommene Flößbarmachung der Radau gefunden. Unter den Maßnahmen, die dieser Fürst ergriff, um Handel und Wandel in seinem Lande zu heben, war eine der wichtigsten und ihm am meisten am Herzen liegenden die Schiffbarmachung der Oker mit ihren Zuflüssen, um so die reichen Erzeugnisse der Forsten und der von ihm ins Leben gerufenen Berg- und Hüttenwerke des Harzes bequem und billig der Weser, wie auch durch Vermittelung des Bruchgrabens der Elbe zuführen zu können. Und das Kernstück dieses weitgreifenden Wasser­ straßennetzes sollte die Fahrbarmachung der Radau von ihrer Einmündung in die Oker bis an ihren Ursprung unter dem „Roten Bruche“ und die Anlegung eines Torfstiches auf diesem sein. So sollte einerseits der unerschöpfliche Holzreichtum der Harzforsten, der bis dahin zum großen Teil nutzlos vermoderte, und die ungeheure Torfmenge dem flachen Lande dienstbar gemacht und gleichzeitig hier oben Ackerland für eine Nieder­ lassung gewonnen werden. Andererseits sollten aber die von der Seeküste kommenden Kaufmannsgüter durch billige Wasserfracht bis unmittelbar unter das Rote Bruch geschafft,

10* 148 dort auf Wagen geladen und dann weiter auf der alten Straße, die zu diesem Zwecke nach allen Regeln der Kunst ausgebaut werden sollte, über den Harz befördert werden, „daß es etliche Tagreisen auf die Länder Meißen und Franken näher wäre, denn wenn man um den Harz zöge“. Diese weitblickenden Pläne vollständig in die Tat umzusetzen, ist ihm nicht ge­ lungen; die Eifersucht und die Kurzsichtigkeit seiner Nachbarn waren nicht zu überwinden. Aber innerhalb seines Herzogtums hat sein kaufmännischer Wagemut und seine zähe Tatkraft ein schön ineinander greifendes Netz von schiffbaren oder wenigstens flößbaren Wasserstraßen geschaffen. Von E. B od e­ m ann, Herzog Julius von Braunschweig in Müllers Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte, Neue Folge, V. Jahrgang, 1875, Seite 213 bis 224, ist dieser Teil der volkswirtschaftlichen Tätigkeit des fürstlichen Großindustriellen und Kaufmanns eingehend behandelt worden. Da dem H erzog Julius sein gebrechlicher Körper nicht erlaubte, selber das damals noch ganz urvvaldartige Gelände dort oben zu begehen, schickte er 1570 zunächst zwei Beamte, H einrich v. B rock und R uprecht L o b ri, mit einigen Ein­ wohnern von Neustadt und Harlingerode hin, um die Gegend zu erkunden. Sie berichten darauf: „Am 25. Oktobris anno 70 sein dt wir gereiset uff bevehl.------Von dar dadie flösschlacken (eine Schlackenhalde ungefähr 1 km unterhalb des nördlichen Lerchenkopfgipfels) an der Radau liegenn, Kan man mit Ringen Uncosten den W eg ufmachen, dar ezliche beume in Weg ge­ fallen, Können zum besten Nutze uffgehauen werden, Von dahr ist ein halb virdtel meill bis an den Weg die pletzung genandt, Wellicher Weg bis an die Lirchen Koppe, auch muß uffgehauen werden, dann derselbige W eg, in vier oder fünff Jahren nicht gebrauchet, Ist alsdann von den Lirchenkoppen bis uff den Rodten Bruch eine deine Virdtel meill, Widerumb vonn denn Lirchen Koppen bis an die Flösschlacken, da die Sagmuhllen gelegedt werden soll, bergnider ein gros halb virdtel meil Weges, haben wir den Weg eines theils gegangen unnd be­ sehen bis an die pletzung. Aber wegen des großen Regens und Schnee unnd dar es zu Spädt auff den abendt, haben wir wider nach Buntheim unsernWeg nehmen müssen,------.“ Wenn man sich auf die von den beiden Vertrauensleuten an­ gegebenen Entfernungen verlassen kann, so muß ihr Rotes Bruch das Rote Bruch des Forstabrißbuches und der Abriß­ karte sein, nicht etwa das Lerchenfeld derselben; denn eine kleine Viertelmeile kommt nur dann heraus, wenn man von dem Lerchenkopfe entweder zunächst die alte Straße bis über 149

das Lerchenfeld geht und dann unter Umgehung der Radau­ niederung links abbiegt zum Nordwestzipfel des Bruches oder wenn man noch über das Magdbett hinweg bis zum Südende des Bruches geht. Um ein ganz unabhängiges sachverständiges Gutachten zu bekommen, schickt im Jahre 1571 der Herzog sechs Räte mit zwei Leipziger Kaufleuten, H e in r ic h C ram er und Caspar Schelham er, hin. Diese berichten dann unter dem 19. Juli: „Weil unerwogen (?), das man zuvor und ehe die Wasserfarten besichtigt, das Rottebruch in augenschein ge- nomen solte, damit man erführe, was daselbst außzurichten, und also an der Wasserfart kein vergeblich arbeit anlegte, als seind Sy folgents Freitags frü hinauf zum Rothe bruch gezogen, und über dasselbig in die leng vom L erchenfeld e beim S teinw eg an, uf den Schulenstein, die Hopffen Stecke, den Kleinen Budensprung, daselbst fürüber biß an die Hirsch­ hörner. Unnd wie man alda den andern theil die oder hinunder biß an den Rothenbeek, unnd für die Wolffswarte nicht be­ sehen, noch solches alles in einem Tage begehen können, ferner biß uff den Kleinen und großen Brocken gangen, und daselbst herab alle gelegenheit unnd Pletze mit Heiß besichtigt,...“ Bodemann hat aus dem Aktenstück diese Stelle auch in aller Ausführlichkeit, aber ungenau angegeben, so daß sich bei ihm die einzelnen Abschnitte des Weges und deren Aufeinander­ folge nicht herausfinden lassen. Dasselbe ist bei E.Jacobs, Brockenbesuch zu volkswirtschaftlichen Zwecken, Harzver. f. G. u. Alt. XXX, 1897, S. 497, der den Bericht wieder von Bodemann übernommen hat, der Fall. Wenn wir die Satz­ zeichen dem Gedankengange entsprechend, nämlich hinter „leng“ und „Hirschhörner“ ein Komma, hinter „besichtigt“ einen Punkt setzen und hinter „Rotenbeek“ und „gangen“ das Komma streichen, so ergibt sich, noch etwas verdeutlicht, folgendes: Sie sind zum Roten Bruch gezogen, und zwar sind sie über dasselbe, vom Lerchenfelde beim Steinwege an, der ganzen Länge nach bis zum Schubenstein, von da zu den Hopfensäcken, am Sprung der Kalten Bode vorbei zu den Hirschhörnern, und als sie auch da das Große Rote Bruch auf der anderen Seite des Magdbettes bis zum Rotenbeek und bis vor die Wolfs warte hin noch nicht überblicken konnten, weiter bis zum Kleinen Brocken, d. h. zum Königsberge, schließlich sogar bis zum Brockengipfel gegangen und haben von da aus alles genau angesehen. Der Name Rotes Bruch ist also hier so wenig wie unter dem Achtermann die Bezeichnung für ein ein­ zelnes Hochmoor, sondern für eine ganze Gruppe, nämlich für 150

das ganze „Gebrüche“ rings nm das Magdbett herum. Lerchen­ feld aber ist ein Sondername für den Teil des Koten Bruches, der unmittelbar am Fuße der Lerchenköpfe liegt und über den die alte Straße führt. Da aber das Lerchenfeld in dem Koten Bruche schon mit einbegriffen ist, so erklärt sich hieraus, daß vielfach auch von der Straße gesagt wird, sie führe über das Kote Bruch. Die Straße hat nun Herzog Julius nicht mehr ausbauen lassen, denn sie verlief damals noch nur bis Oderbrück in seinem Lande. In ihrem weiteren Verlaufe berührte sie die Graf­ schaften Blankenburg und Lutterberg und das Stift Walken­ ried, Gebiete, die alle erst von des Herzogs Sohne Heinrich Julius zwischen 1593 und 1599 erworben wurden; und dieser hatte für die volkswirtschaftlichen Pläne seines Vaters nichts mehr übrig. Die Flößbarkeit der Kadau hat Herzog Julius trotz aller Schwierigkeiten durchgesetzt: er hat ihr Bett von Felsen säubern und unmittelbar am Fuße der Lerchenköpfe ein Flößwerk mit sechs Schleusen (vgl. S. 146) einbauen lassen, und 1577 lagen die ersten Prähme aus der Radau vor Wolfen­ büttel. Aber bereits 1680 waren nur noch kaum erkennbare Reste dieser Schleusen vorhanden, und die Feldmesser konnten über deren Zweck nichts mehr erfahren. Auch der Torfstich im Roten Bruche ist in Angriff genommen; wenigstens zeigt im Jahre 1573 der Amtmann Ernst Garssen aus Wöltingerode an, daß die Torfstecher heruntergekommen seien und gemeldet hätten, daß sie hundert Fuder Torf gestochen und in „Höpe“ gesetzt hätten. Der Teil des Roten Bruches, in dem der Torf­ stich angelegt worden ist, ist sicher nicht das Lerchenfeld, sondern das Lütge Rote Bruch des Forstabrißbuches, der Radauer Born der heutigen Forstkarte, und zwar die Nord­ westecke desselben gewesen. Hier ist noch, wenn auch nur undeutlich, zu erkennen, daß Torf nachgewachsen ist: er ist hier nicht ganz so hoch und zeigt auch eine andere Festigkeit und abweichenden Pflanzen wuchs. Zu diesem Torfstich hat ohne Zweifel das im Erbregister von 1666 erwähnte und bereits vor 1618 wieder in Abgang gekommene Torf haus unter dem Schubensteine gehört. 9. Noch etwas weiter in die Vergangenheit zurück als diese Akten aus den siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts führt uns schließlich noch eine zu den Sammlungen des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde gehörende Karte des Ober­ harzes in Handzeichnung. Eine etwa 1 0 -bis 11 mal verkleinerte Nachbildung ist von E. Jacobs in der Zeitschr. d. gen. Ver., Bd. III 1870, als Beilage zu seiner Abhandlung „Der Brocken und sein Gebiet“ veröffentlicht und die Karte S. 70 ff. eingehender 151

beschrieben. Danach muß sie innerhalb des Zeitraums von 1527 bis 1542, etwa um 1540 angefertigt sein und den Umfang der Goslarschen Stadtforst zu jener Zeit darstellen. Der Abstand derselben von der Ernstschen ist allerdings, obgleich nur ein Zeitraum von 140 Jahren dazwischen liegt, ein ungeheurer. Während letztere von keinem späteren Kartenwerke bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts, auch von dem Papensehen vom Königreich Hannover nicht, an topographischer Genauig­ keit erreicht wird und noch mit den älteren Meßtischblättern den Vergleich aushalten kann, ist diese nur eine auf keinerlei Messungen gestützte, sondern lediglich nach dem Augenschein entworfene Skizze, etwa der Peutingersehen Tafel zu ver­ gleichen. Trotzdem vermag sie uns in der Frage, die uns hier beschäftigt, einige Auskunft zu geben. Sie enthält auch von Goslar bis Oder-Bruck „Die aide Straß“ und zeigt uns nach Überschreitung des „Lerchenkopff“ etwas links von der Straße ein Bruch mit der Schrift „Das Rot-Bruch“ ; weiterhin in der Nähe von Oderbrück führt sie dann noch durch ein „Schwartz- Bruch“. Letzteres ist offenbar der spätere, an dieser Stelle noch heute ziemlich morastige Forstort Schwarze Tannen; das erstere aber ist nach seiner Lage unzweifelhaft das Rote oder Lütge Bruch des Forstabrißbuches. In den Urkundenbüchern der braunschweigischen Herzoge sowie der am Harzgebiet beteiligten Herrschaften, Stifte und Städte habe ich nichts auf unseren Gegenstand Bezügliches finden können; ich glaube nicht, daß noch irgendwo ältere Belege für denselben vorhanden sind. Den Herren Oberforst­ meister Dr. G rundner und Geh. Archivrat Dr. P. Z im m e r­ mann spreche ich für die mir bei meinen Arbeiten in der Registratur der Forstdirektion und im Landeshauptarchiv ge­ währte Unterstützung meinen Dank aus. Das Ergebnis meiner Nachforschungen läßt sich kurz dahin zusammenfassen: Das 1 km östlich vom T orfh au se gelegene Hochmoor mit der Zwergbirke, welches G. H. Weber und die meisten späteren Botaniker als Lerchenfeld, die preußischen Forstkarten aber als Radauer Born bezeichnen, heißt in allem, was darüber vom Anfang des 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts geschrieben, gezeichnet oder gedruckt vorliegt, Rotes Bruch bzw. Lütges Rotes Bruch, nicht Lerchenfeld. Lerchenfeld ist in den älteren Schriften immer der Name für das bruchige Gelände am Südfuße der Lerchenköpfe, auf welchem die heutige Oberförsterei und Försterei Torfhaus steht. 152

Das Lerchenfeld im Gelände.

Zwischen dem Magdbette im Osten, den Lerchenköpfen im Norden und dem Bruchberge im Westen ist eine kleine Hochebene eingebettet. Ganz sanft und allmählich erheben sich aus ihr wie aus einer gemeinschaftlichen Unterlage die flachen Gewölbe dieser Kuppen. Nach Nordosten fällt sie rasch zum Tal der Kadau, nach Nordwesten zu dem des Keilwassers ab, nur nach Süden senkt sie sich ganz allmählich zum Bett des Oderteiches. Nehmen wir die 800m -Linie zu ihrer Ab­ grenzung nach oben hin gegen die Berge, die 775m -Linie aber als unteren Abschluß gegen die Täler, so ergibt sich für sie eine Länge von etwa l ^ k m in der Richtung von Nord­ osten nach Südwesten aus dem Jagen 68 bis weit in 54 hinein, und im Süden zwischen Magdbett und Bruchberg eine Breite von mehr als 1 km, die aber, je weiter nach Nordosten, um so geringer wird, so daß sie zwischen dem Magdbett und dem südlichen Lerchenkopfe nur noch kaum 300 m beträgt und dann rasch ihren Abschluß gegen das Radautal findet. Die allmähliche Abdachung um 25 m nach Südwesten zu verteilt sich so gleichmäßig auf die ganze Länge, daß sie fast unmerk­ lich ist; nur vom Fuße des Bruchberges her schiebt sich eine wenige Meter hohe Schwelle in südöstlicher Richtung bis an die Rodenbeeke und bringt eine geringe Unterbrechung in die Einförmigkeit. In dem schmalen Nordostzipfel wird diese Ebene von der hier ganz dem Zuge der „alten Straße“ folgenden Harzburg- Braunlager Poststraße überschritten, die auf kürzestem Wege von der Höhe der Lerchenköpfe auf die des Magdbettes zu kommen sucht. Und von dieser zweigt sich auf der Uber­ gangsstrecke die Straße nach Altenau ab, die zuerst am Fuße des südlichen Lerchenkopfes, dann aber nach Überschreitung der Keilwasserzuflüsse am Gehänge des Bruchberges hinläuft. Vor wenig mehr als hundert Jahren war diese so um­ schriebene Hochebene fast ein einziges großes Bruch; nach Westen zu griff dieses sogar noch über sie hinaus und kroch bis zur 860 m-Linie im Jagen 55 am Bruchberge empor. Das war das „Große Rote Bruch“. Das Forstabrißbuch von 1680 gibt den Flächeninhalt desselben zu 379 Morgen 65 Ruten an; das sind rund 95 Hektar, also fast ein Quadratkilometer, wohl die größte zusammenhängende Moorfläche, die der Harz be­ herbergen mochte. Nur die vorhin erwähnte Bodenschwelle erhob sich noch halbinselartig aus dem Torfmoor als die ein­ zige Stelle in diesem Gelände, an der die Wasserläufe nicht 153 von schwarzen Torfrändern begleitet wurden, sondern zwischen grauen Granitufern hinflossen. Das hat dieser Schwelle vordem den Namen „Die weißen Ufer“ eingetragen, den sowohl die alte Goslarer Forstkarte von 1540 wie die beiden Harzburger Erbregister von 1666 und 1703 haben, der aber den Feldmessern von 1680 entgangen zu sein scheint. Wie das Große Rote Bruch sicher eins der größten ge­ wesen ist, so ist es auch von jeher eins der ungangbarsten gewesen. Bezeichnend ist das, was der Beschreiber von 1680 darüber sagt: „Es ist eine solche Wüste und Wildniß, das es kaum zu glauben, wachset weder Graß noch etwas andres da­ selbst als nur Zeug wie Pferdehaar oder lange Borsten.“ In kurzen, kräftigen Strichen das Bild eines Scirpetums, eines Simsenmoores. Und weiter: „Ist weder von Mensch noch Vieh zu begehen, es sei denn, das ein gantz Truckner Sommer, wie gleich bei der geschehnen Vermessung war, einfället.“ Seitdem ist der größte Teil dieses Riesenmoores durch Abzugs­ gräben trocken gelegt, nur einzelne Stücke sind davon übrig geblieben, deren größtes im Jagen 51 liegt. Obwohl auch dieses durch den schräg hindurchführenden Flörichshaier Graben erheblich angezapft ist, so trifft die alte Schilderung noch heute zu. Aus dem Grundgewebe von schwammigem Torfmoos mit unzähligen Wasserlöchern erheben sich die borstenstarrenden Bülten von Scirpus caespitosus, der Rasensimse, und von Erio- phorum vaginatum, dem Scheidenwollgrase; und nur, indem man sich von Bult zu Bult schnellt, kann man’s beschreiten. Ohne anderen Zugang als den Grabenweg, liegt es völlig ver­ lassen da, obgleich es kaum 1 km von der fast unaufhörlich begangenen und befahreoen Poststraße entfernt ist und den AltenauerWeg beinahe berührt. Nirgend habe ich den schwer­ mütigen Ernst der Harzer Moore tiefer empfunden als hier. Von den einengenden formlosen Höhen rückt drohend wie das unabwendbare Schicksal der dunkle Wald mit seinem aus­ gehungerten Vortrab von Fichten- und Moorbirken-Gestrüpp gegen uns heran, mit körperlicher Schwere legt sich das tiefe Schweigen auf uns und spinnt uns in eine der Wirklichkeit entrückte Stimmung ein, aus deren Dämmerwelt kein Fernblick uns aufrüttelt. Der Nordostzipfel dieses Roten Bruches war nun also das Lerchenfeld, das rich tig e echte L erch en feld unmittelbar am Fuße der Lerchenköpfe, und in ihm überschritt „die alte Straße“, der Heidenstieg, von jeher das Bruch. Das Forst­ abrißbuch sagt ausdrücklich: „Das Lerchenfeld ist nun ein Platz vor den Lerchenköpffen.“ Und an anderer Stelle: „Das Lerchen­ 154

feld ist nichts anderes als ein Stück, und zwar das Oberteil des Großen Roten Bruuches.“ Hierbei bringt dann die Beschreibung noch eine sehr bemerkenswerte Mitteilung: „An etzlicben Orten (des Roten Bruches) aber, absonderlich auff dem Lercbenfelde, welches oben an dem Bruucbe benget, findet sich kleine Heyde und unter derselben die wilde Rossmarin gar häuffig, welche man sonst an anderen Orten nicht gar leicht finden wird.“ Der wilde Rosmarin ist offenbar Andromeda polifoba; an ein Vor­ kommen von Ledum palustre ist nicht zu denken. Denn die auf W e b e rs Spicileg. und B rückm anns Epist. itiner. L X X X V ad Alb. Hallerum sich stützende Ansicht S p o r le d e r s * ), daß in den Brüchern um den Brocken noch im 18. Jahrhundert Ledum palustre häufig gewesen und später infolge seiner miß­ bräuchlichen Verwendung bei der Bierbrauerei ausgerottet worden sei, hat wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Schon 1805 berichtet W äch ter**), daß er nie in den Brüchern am Brocken Ledum palustre gefunden hat. Aber was ist die „kleine Heyde“ ? Calluna vulgaris ist so häufig, daß sie nicht gemeint sein kann, auch nicht etwa in dem abweichend niedrigen Wüchse, mit dem sie in nassem Torfmoose herumkriecht. Vielleicht Empetrum nigrum? Eine Verwechslung der Brocken­ myrte mit Heide lag bei einem Nichtbotaniker sehr nahe. Ist eine solche doch selbst bei einem Botaniker nachher noch vor­ gekommen: W ä ch ters***) Calluna herbacea var. flore carneo und seine beerentragende Heide können doch nichts anderes bedeuten. Jedenfalls ist hier von zwei Hochmoorpflanzen die Rede, die auf ein Sphagnetum hinweisen, eine Pflanzengenossen­ schaft, in der sich die Zwergbirke wohl fühlt, während diese im voll entwickelten Scirpetum unter der unumschränkten Monarchie von Scirpus caespitosus allem Anschein nach nicht auf die Dauer gedeihen kann. Jetzt ist das Lerchenfeld längst entwässert und das Hoch­ moor durch Torfstich (daher der Name Torfhaus) verschwunden. Den Beginn des Torfstiches auf dem Lerchenfelde und die Er­ bauung des Torfhauses festzustellen, ist mir nicht möglich

*) Zur Flora des Harzes, Ber. d. Naturw. Ver. des Harzes zu Blankenburg, 1863/4, S. 41. **) Flora des Harzes, Holzmanns Hercynisches Archiv 1805, S. 634. ***) Torfmoore des Harzes, a. o. 0., S. 615 u. 616. In diesem Aufsatze vergleicht W ä ch te r die Brücher des Oberharzes hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Haushalt der Natur mit den Gletschern der Alpen und nennt sie die Gletscher des Harzes. In meinem Auf­ sätze im XIV. Jahresbericht dieses Vereins 1904/5, S. 121, ist aus Versehen statt seines Namens L a s iu s gesetzt. 155

gewesen. Nach W ä ch te r*) sind die Versuche, Torf zu stechen und für Hüttenzwecke zu verkohlen, zuerst 1744 am Brocken von v. Z an th ier zur Ausführung gebracht worden. Dem sollen 1749 die Versuche v. Bülow s am Bruchberge gefolgt sein. Der in der Herzogi. Plankammer in der Urzeichnung vorhandene G e r l ach sehe Plan des Fürstentums Blankenburg und des Stifts Walkenried in etwa 1 : 42 500 zeigt 1769 das Torfhaus westlich der Heerstraße als Wirtshaus und gegenüber ein Ge­ bäude mit einem Gatter. Es wird demnach in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, zwischen 1749 und 1769 entstanden sein. Zu dem gleichen Ergebnis kommt E. J a c o b s**) auf Grund älterer Harzhandkarten; ferner F. G ü nth er***) und Hans H o f f m a n n f ) ohne Angabe ihrer Gründe. Während des Druckes erhielt ich aber von Herrn Oberamtsrichter W ie rie s in Harzburg, dem ich hiermit meinen Dank ausspreche, folgende briefliche Mitteilung * „In den Kommunionforstamts-Protokollen, welche bei dem hiesigen Forstamt I auf bewahrt werden, habe ich zum Jahre 1732 folgendes gefunden und mir notiert: 1732 Torfhaus auf dem Lerchenfelde. Torfaufseher Christian Hopstock bittet, beim Torf hause einen Backofen anlegen zu dürfen, „in Betracht er in Winterzeiten bey sehr schlimmen Wetter und gar tiefen Schnee offt in 4 oder mehr Wochen keinen fremden Menschen zu sehenbekommen,und damit man nicht Hungers sterbe mit Lebensgefahr seine Leute um Brot anzuschaffen ausschicken müsse“. Abgelehnt. 1734 ist „der sogenannte Borckenkrug“ erwähnt, ebenso der dreieckige Pfahl und das Torf haus.“ Hiernach kann es nicht zweifelhaft sein, daß das Torfhaus spätestens schon 1730 erbaut sein muß. Chr. Fr. Schroeder in seiner Abhandlung vom Brocken 1785 erwähnt nur neben den Lerchenköpfen „ein Kommunion-Forst- und Wirtshaus, auch Viehhof, der Borkenkrug“ . An die Stelle des Hochmoores ist östlich der Poststraße Wiese und westlich derselben Wald getreten. Allerdings ist dieser Wald immer noch recht bruchig. Nur in der unmittel­ baren Nähe der Gräben ist der Boden fest geworden und trägt einen dichten und hohen Fichtenbestand; aber schon 10 oder 20 Schritte davon deckt ihn dichtes Sphagnum- und Polytrichum- polster, der mit Moorbirken und Quitzern untermischte Bestand wird schwächlich und licht, und je weiter vom Wege und vom

*) Torfmoore des Harzes, Holzmanns Here. Arch. 1805, S. 625 ff. **) Harzv. f. G. u. Alt. III, 1870, S. 112. ***) Die Besiedelung d. Oberharzes, Harzv. f. G. u. Alt. XVII, 1884, S. 21 und Der Harz 1888, S. 76. f) Der Harz 1899, S. 232. 156

Graben ab, desto kümmerlicher die Fichten und desto üppiger das Torfmoos. Alte Torfstiche sind fast bis obenhin wieder zugewachsen und lichte Stellen öffnen sich, aus deren Sphagnum­ decke nichts weiter hervorragt als die beiden hier oben ge­ wöhnlichen Wollgräser, Eriophorum vagiuatum und angusti- folium, und die Hasensimse, zwischen denen Heide, Moosbeere und Brockenmyrte kriechen und die rubinbesetzten Löffelchen des Sonnentaus funkeln. Ohne des Menschen Zutun würde das offene Bruch seinen einstigen Besitz bald wiedererobern; aber dennoch hat die Veränderung und die Auflösung der ursprünglichen Geländeform genügt, um den alten Namen in Vergessenheit geraten zu lassen. Zu W ebers Zeiten war, wenn nicht das ganze Hochmoor, so doch jedenfalls das Stück westlich der Straße und dafür auch der Name Lerchenfeld noch vorhanden. Denn in dem Teilungsrezesse von 1788 werden außer anderen wüsten, unergiebigen Waldblößen, d. h. Brüchern, die bei der Teilung nicht in Anschlag gebracht werden sollten, noch aufgezählt das Lütge Rote Bruch ( = Radauer Born) mit 219 Morgen 78 Ruten und das L erch en feld einschließlich des „Seeser Saltzplatzes“ mit 67 Morgen 28 Ruten. Freilich wurde, wie schon erwähnt ist, die Teilung vor­ genommen auf Grund der Angaben des Forstabrißbuches von 1680; aber daß man diese nach mehr als hundert Jahren den Verhandlungen noch zugrunde legen konnte, spricht erstens für deren große Genauigkeit und zweitens für die unveränderte Andauer des alten Zustandes im Gelände. Bei den langwierigen Verhandlungen, in denen die dem Verhältnis 3 :4 entsprechende Morgenzahl für die beiden Vertragschließenden genau heraus­ gerechnet worden ist, sind die Angaben der alten Schrift durch­ aus nicht unbesehen hingenommen *). Es sind selbstverständlich sach- und ortskundige Forstbeamte herangezogen worden, und die hätten ohne Zweifel eingeredet, wenn die der Berechnung zugrunde gelegten Angaben nicht mehr den Tatsachen da oben entsprochen hätten. Die Umrisse des Hochmoores auf dem Radauer Borne stimmen noch, wie ein Vergleich mit dem Meß­ tischblatt zeigt, bis auf den heutigen Tag; und der Seeser Salzplatz, eine nordwestlich an das Lerchenfeld grenzende und damals in der Nutznießung der Stadt Seesen stehende Wald­ blöße, ist noch jetzt da: es ist der Wiesenzipfel, der von der Altenauer Straße in den Wald vorspringt.

*) Tatsächlich sind nach einem von B re u ste d t, W e in sch e n k , L än g e und S p orer Unterzeichneten Protokoll vom 28. September 1788 an einigen Stellen in den drei „Forst-Abriß-Büchern“ gleichlautende Berichtigungen und Nachtragungen vorgenommen worden. 157

Das zu W e b e r s Zeiten also sicher in der Hauptsache noch vorhandene Hochmoor auf dem Lerchenfelde muß dann die Stelle nahe bei der Oberförsterei noch mit umfaßt haben, wo bis vor 25 oder 30 Jahren die Zwergbirke noch zerstreut zwischen den Fichten angetroffen wurde. Nachdem ich aus dem Forstabrißbuche und der Karte von 1682 die alten Forst­ namen beim Torfhause in Erfahrung gebracht hatte, war ich anfangs, ehe mir W ebers eigene Worte zu Gesichte gekommen waren, der Meinung, daß dessen Angabe von 1778 sich gar nicht auf das noch lebende Vorkommen auf dem Radauer Born, sondern auf das ausgestorbene neben der Oberförsterei beziehe. Nach dem Wortlaut des Spicilegiums muß man aber doch an­ nehmen, daß W e b e r wirklich jenes gemeint hat. E s m uß also schon zu Webers Zeiten eine Namenverschiebung Platz gegriffen haben.

Verschiebung des Namens Lerchenfeld.

Also schon um 1778 muß hier der Name Lerchenfeld, weil das Bruch mehr und mehr dem Walde wich, aus dem Munde des Volkes verschwunden sein, während er im amtlichen Schrifttum, wie der Teilungsrezeß von 1788 zeigt, noch lebte. Und anderer­ seits muß dann gleichzeitig das Lütge Kote Bruch im Volks­ munde seinen Namen eingebüßt haben. Vielleicht geschah dieses letztere nach der Durchführung des Abbegrabens, der den südlichen Teil in den Jagen 46 und 47, dem der östliche Quellbach der R odenbeke gerade so entfließt wie dem Großen Roten Bruche der westliche, mit der Zeit durch einen breiten Fichtengürtel abgeschnürt und großenteils trocken gelegt hat. So war dieses Bruch nun auch namenlos. Denn die forstamt­ lich jetzt dafür gebrauchte, w irklich z u treffen d e und zur B eib eh altu n g em p feh len sw erte Bezeichnung „R adauer B orn “ kommt ursprünglich nicht dem ganzen Hochmoor, sondern nur der nordwestlich sich anschließenden Gelände­ abdachung, der Stelle, wo sich die bis dahin namenlosen Quell­ bäche der Radau zu einem Wasserlaufe vereinigen, zu. Hier hat die alte Karte von 1682 die Schrift „Bei dem Radauer Borne“. Das neueste Meßtischblatt Harzburg von 1909 hat den Namen „Radauborn“ auch wieder hierhergesetzt und das Bruch einfach mit „Torfmoor“ bezeichnet. So nur haben dieses auch die beiden Damen Lindem ann und H erm ann im väterlichen Hause nennen hören. Das Forstabrißbuch sagt zu der Stelle „Bei dem Radauer Borne“ : „Dieser Ohrt wird zwar also ge- nennet, weil die Radau daselbst unter den Hollsteinen (?) ziem­ 158

lieh stark herauss dringet; Eigentlich aber ist das die Quelle nicht, sondern es zieht sich weiter oben über den Hollsteinen von zwei unterschiedlichen Ohrten, nemlich vom Lerchenfelde und aus dem Roten oder Lütgen Bruuche solch Wasser herab und kommt unter den Hollsteinen herfür.“ Und ferner: „Die Radau führt daselbst Ihren Nahmen an; Sie kommet daselbst unter trefflichen grossen Hollsteinen herfür, was über diesen Hollsteinen von Wasser einfallet, solches wirdt eigentlich nicht für die Radau gerechnet.“ Also wurde als eigentliches Quell­ gebiet das Bruch angesehen, der Name Radauer Born aber dem entwässernden Vorlande beigelegt, da das Bruch selbst schon einen Namen hatte. Dann aber muß nach 1788 eine Zeit gekommen sein, in der auch bei den Verwaltungs- und Forstbehörden die Er­ innerung an die alten Namen „Rotes Bruch“ und „Lerchenfeld“ und damit der Gebrauch derselben im amtlichen Schreib wesen vollständig verschwunden ist. Es liegt nahe, hierbei an die napoleonische Zeit zu denken, die innerhalb eines Jahrzehnts für unser Gebiet wiederholt einen vollständigen Regierungs­ wechsel gebracht hat, bei dem dann jedesmal nicht nur ein gründlicher Wechsel in den leitenden Personen, sondern auch im ganzen Behördenaufbau stattfand und die Akten hierhin und dorthin zerstreut wurden. So hat denn schließlich die Forstbehörde für das Bruch, das so wie so durch den Abbe­ graben zerstückelt war, folgerichtig von einer einheitlichen Be­ nennung abgesehen und den südlichen, der Oder zinspflichtigen Teil zu den Schwarzen Tannen geschlagen, während der nörd­ liche, zur Radau entwässernde Rest mit unter dem Radauer Born begriffen wurde; und für das Lerchenfeld lag nun über­ haupt kein Bedürfnis nach einem besonderen Namen mehr vor. Die neue forstamtliche Benennung schwebte ofEenbar dem braun­ schweigischen Oberbergmeister L. H. A. W eich sel, dem Schöpfer des bekannten Harzer Wahlspruches „Es grüne die Tanne, es wachse das Erz, Gott schenke uns allen ein fröhliches Herz“, vor, als er 1858 in einem Bericht über die in den Torflagern des Brockengebietes eingeschlossenen Hölzer*) das Hochmoor

*) Ber. d. Nat. Ver. d. Harzes z. Blank. 1857/8, S. 20. Dieser Bericht hat übrigens H am pe zu der in Ber. d. Nat. Ver. d. H. 1859/60, S. 59 und in seiner Flora Hercynica 1873 aufgestellten Be­ hauptung veranlaßt, daß die Fichte dem Harze bis zu der großen Entwaldung im 14. Jahrhundert gefehlt habe und erst vor 500 Jahren aus dem Yogtlande eingeführt sei. Trotzdem dieser Behauptung schon ein Jahr nach ihrer ersten Veröffentlichung S p o rle d e r in Ber. d. Nat. Ver. d. H. 1861/2, S. 17 mit gewichtigen Gründen ent­ 159

„acht bis zehn Minuten südöstlich vom Torfhause“ Badau- Bruch nannte; er wußte wohl nicht, daß diesen Namen schon ein sumpfiger Forstort 2 km an der Badau abwärts führt. Von wem rührt nun aber die zwischendurch einmal er­ folgte Übertragung des Namens Lerchenfeld auf dieses Bruch her, der wir bei W eber 1778 zum erstenmal im Schrifttum begegnet sind? Selbstverständlich hat dieser den Namen zu­ gleich mit dem Nachweis des Zwergbirken Vorkommens vom Förster Degen überliefert erhalten. Und welche Stelkmg nimmt der nun zu der Namenverschiebuug ein? Wenn wir zunächst prüfen, ob noch ältere schriftliche Belege für diese vorhanden sind, so findet sich, daß der auf S. 155 erwähnte Plan des Fürstentums Blankenburg und des Stiftes Walkenried 1769 von D. J. G erlach für den Hauptteil des östlich vom Magdbett gelegenen Bruches auch schon den Namen Lerchen­ feld hat. Da aber der nordöstliche Zipfel desselben, der in die beiläufig fehlerhaft dargestellte Abbegabel vorspringt, hier mit dem Namen Lütges Bruch belegt ist, so ist schon hieraus zu erkennen, daß bei G erlach eine Namenverschiebung statt­ gefunden hat, durch die eins der Brücher, nämlich das alte Lerchenfeld mitsamt den Besten des Großen Boten Bruches, namenlos, dafür aber das andere doppelnamig geworden ist. Übrigens kann sich die Gerlachsche Karte, so bestechend die zeichnerische Darstellung der topographischen Einzelheiten ist, an Genauigkeit nicht mit der von 1682 messen; sie enthält in diesem Teile Fehler im Flußnetz und eine Grenzlinien­ verzerrung von Kilometerbetrag. Man scheint später die Gerlachschen Pläne überschätzt zu haben*). G erlach hat die das ganze Herzogtum darstellenden sechs Pläne seines Kartenwerks in der erstaunlich kurzen Zeit von 1765 bis 1770 geschaffen. Er verarbeitete dazu die schon vorhandenen Feld­ risse und Forstkarten und führte nur hierzu ergänzend Meß­ tischaufnahmen aus. Für den genannten Plan lag ihm bereits ein guter, ungefähr im gleichen Maßstabe (1 :4 2 0 0 0 ) ausge­ führter Grundriß vom Fürstentum Blankenburg und Stiftsamt Walkenried 1763 von S. M. M um hard vor**). So erklärt es gegengetreten ist, trotzdem E. J a co b s die Hinfälligkeit der Be­ hauptung aus geschichtlichen Urkunden im Harzv. f. Gr. u. A. XI, 1878, S. 442 bis 463 gründlich bewiesen hat und trotzdem von E. G ün th er in seinem Harz 1888, S. 537 bis 541 dieser Beweis noch einmal geführt worden ist, taucht die Ham pesehe Behauptung immer noch gelegentlich wieder in botanischen Arbeiten auf. *) Vgl. Braunschw. Bibliogr. Abt. II, Jahresber. dieses Yer. IY, 1883/6, S. 120. **) Herzogi. Kammer, in d. Br. Bibliogr. a. a. O. nicht erwähnt. 160

sich, daß er nur vier Monate zu seinen eigenen Messungen für das 5 V4 Quadratmeilen große Gebiet gebraucht bat. Diese werden sich eben hauptsächlich auf das anstoßende Gelände des Kommunionharzes, dem auch das Torfhäuser Revier an­ gehörte, beschränkt haben, da dieses auf der Mumhardsehen Karte fehlt und der Ernstsche Abriß, nach den untergelaufenen Fehlern zu urteilen, von ihm nicht benutzt ist. Hier haben wir also G erlachs eigene Feldarbeiten. Suchen wir unter Berücksichtigung dieses Umstandes nach der Quelle, aus der er seine Namen geschöpft hat, so stoßen wir auf denselben Mann, den wir schon als W ebers Gewährsmann kennen gelernt haben, auf den Förster Degen. Auf diesen geht offenbar bei beiden der Gebrauch des Namens Lerchenfeld zurück; er hat ihn in dieser Bedeutung erst beiden an die Hand gegeben. Damit sind wir vor die Frage gestellt: Ist D e g e n selbst vielleicht der Urheber dieser Verschiebung? Zutrauen könnte man es ihm schon. Nach dem wenigen, was wir von ihm er­ fahren, muß er ein scharfer Beobachter, aber auch ein sehr selbstherrischer Mann gewesen sein. Hat er sich doch, als der Herr Herzogi. Weimarische Legationsrat G o e th e am 10. De­ zember 1777 zu ihm kam, so wenig von diesem imponieren lassen, daß er gemächlich in Hemdsärmeln bei seinem Früh­ trunk sitzen geblieben ist und daß Goethe es für gut gehalten hat, nur ganz „diskursive“ sein Anliegen, ihn auf den Brocken zu führen, vorzubringen*). Indes, diese Namenverschiebung ist doch nicht seiner Willkür zuerst entsprungen. Hier hilft das Forstabrißbuch wieder einen Schritt weiter. Der Verfasser sagt vom Lütgen Boten Bruche nämlich: „Eß wirdt zwar von etzlichen auch woll daß große L erch e n feld genennet, weil es gut theil größer als das vor den Lerchenköpffen“ ; doch geht seine Ansicht dahin, daß es bequemer und besser bei dem anderen Namen sein Bewenden habe. Das ist der erste Nach­ weis der Namenübertragung, den ich habe ausfindig machen können; von hier aus führt der Faden über D egen, W eb er, H am pe bis zu den Botanikern um die letzte Jahrhundertwende.

Die Zwergbirke auf dem Lerchenfelde. Es bleibt nun noch zu untersuchen, wie sich G. F. W . M eyer in der Chloris Hannoverana 1836 und in der Flora

*) K a sch bedauert in Goethes Harzreisen, Harz 1909, XI, Sp. 344, daß es ihm unmöglich gewesen sei, den Namen des braven Försters, der den Dichter auf den Brocken geführt hat, zu er­ mitteln. Hier ist er. 161

Hannov. excursoria 1849 zu dem Gebrauche dieses Namens stellt. In meinem Aufsatze über die Zwergbirke im Jahresber. d. Ver. XIV, 1904/5 habe ich geglaubt, seine Angaben über die Standörter derselben (vgl. S. 134) so deuten zu müssen, daß sein Lerchenfeld = Radauer Born sei. Gewichtige Gründe haben mich davon abgebracht. M e y e r ist nämlich der erste, der das Vorkommen der Betula nana im Roten Bruche oder, wie ich eigentlich sagen müßte, in einem Roten Bruche angibt. Nun versteht von den Jetztlebenden sicherlich keiner unter dem Roten Bruche etwas anderes als die Hochmoorgruppe auf beiden Seiten des Quelllaufes der Warmen Bode am Ostfuße der Achter mannshohe. In diesem Sinne wird der Name amtlich gebraucht, so steht er auf allen neueren Karten, so ist er in die zahlreichen Reise- und Wanderschriften übergegangen, die das letzte halbe Jahrhundert gezeitigt hat. Dieses Rote Bruch liegt bekanntlich im Braunlager Revier und ist braunschweigisch als Teil des ehemaligen Fürstentums Blankenburg. Wie aber sagt M e y e r ? In der Chloris 1836: „Standörter: Fürstentum Grubenhagen: Beim Borkenkruge, auf dem Lerchenfelde, Rothen­ bruche (im Bruche hinter den Feuersteinen bei Schierke im Preußischen)“. Also alle Standörter mit Ausnahme des angeb­ lichen Schierker im Fürstentum Grubenhagen*). Und in der Flora excursoria 1849: „Hannover und Preußen, beim Borken­ kruge, auf dem Lerchenfelde, im Rothenbruche, Schierke im Bruche hinter den Feuersteinklippen.“ Auch hier wieder alle in Hannover mit Ausnahme des preußischen bei Schierke. Es ist kein Zweifel, M eyer rechnet sein Rotes Bruch zu Hannover. Ich habe dies früher, da mir keins weiter bekannt war als das braunschweigische, für einen geographischen Schnitzer gehalten, über den ich bereit war ohne Einrede hin­ wegzusehen, obgleich es mir leid tat, daß der Hannoveraner M e y e r gewiß bei vielen seiner Leser so das Herzogtum Braun­ schweig um diese botanische Merkwürdigkeit gekürzt hat. Und ich war vollends beruhigt, seitdem nach mehr als einem halben Jahrhundert ein geborener Braunschweiger, 0. D rude, in seinem Hercynischen Florenbezirk, S. 232 u. 503, das Unrecht gerochen und das Torfhäuser Revier für Braunschweig annektiert hat.

*) M eyer rechnet hierzu nicht nur den ehemals wirklich zum Herzogtum Braunschweig-Grübenhagen gehörenden Anteil des Harzes, der bis 1788 der einseitige hannoversche Harz genannt wurde, sondern auch den früheren Kommunionharz, soweit er hei der Teilung an Hannover gefallen war (vgl. S. 139), also den ganzen hannoverschen Oberharz, der übrigens schon zu seiner Zeit die Berghauptmann­ schaft Klausthal bildete. So rechnet er z. B. den Hübichenstein hei Grund dazu. 11 162

Exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor. Immerhin blieb es mir auffällig, daß der sonst in diesen Dingen so gewissenhafte M e y e r in den 15 Jahren von 1834 bis 1849 auf dies Versehen nicht aufmerksam geworden oder ge­ macht sein sollte*). Jetzt nach meiner Bekanntschaft mit dem G r o s c u rt-E r n st sehen Forstabrißbuche hat die Sache für mich ein anderes Ansehen bekommen. I c h z w e ifle je tz tn ic h tm e h r , daß Meyers Angabe auch sachlich richtig ist, denn sein Kotes Bruch gehörte tatsächlich zu Hannover, er meinte das Hochmoor östlich vom Torfhause auf dem R adauer Born. Wenn dieses nun aber sein K o te s B r u c h ist, so kann es nicht gleichzeitig sein L e r c h e n f e ld sein. D ann ist sein Lerchenfeld auch noch das alte E rn stsc h e w e stlich der P oststra ße. Bis in die dreißiger und vierziger Jahre gab es also noch Leute, welche die beiden Brücher unter den nämlichen Namen kannten wie anderthalb­ hundert Jahre früher Johann Z a ch arias E rn st, der Feld­ messer. Sehen wir uns für diese Behauptung noch nach anderen Zeugen um: Der topographische Atlas des Königreichs Hannover und des Herzogtums Braunschweig von A. Papen, der von 1832 bis 1847 in 66 Blättern vom Maßstabe 1 :1 0 0 000 und in 16 Nebenkarten erschienen ist, beruht, soweit er hannoversches Gebiet darstellt, auf der von G a u ss von 1821 bis 1844 aus­ geführten hannoverschen Grad- und Landesvermessung. Blatt 61 Klausthal und 62 Brocken bringen das in Rede stehende Gebiet. Ein Lerchenfeld gibt es allerdings da nicht mehr, aber östlich vom Magdbette, welches hier den Namen Obere schwarze Tannen führt, ist da das „Rothe oder Lütge Bruch“ und westlich das „Große rothe Bruch“ wie auf dem Abrisse in der Beschreibung von 1680 eingeschrieben. Nur ist die letztere Bezeichnung gut anderthalb Kilometer zu weit nach Süden verschoben, wo gar kein Bruch ist**). Und für das bei P a p e n fehlende Lerchen­ feld tritt als klassischer Zeuge Chr. Zim m erm ann ein, der in seinem Harzgebirge 1834, Teil II, S. 25 sagt, daß das Torf­ haus mit sumpfigen Moorwiesen a u f dem Lerchenfelde liegt, und S. 47, daß man, von Klausthal über die Steile Wand

*) In der Chloris liat er die Anordnung der Standorte nach der geographischen Reihenfolge von A. Grisebach vornehmen lassen. **) Diese unrichtige Eintragung ist dann, noch ein Stück weiter nach Süd westen verschoben, in die A u h a g en sehe Karte von 1867 und aus dieser in die Höhenschichtenkarte von 1880 und die L ossen sehe geologische von 1882 übergegangen, so daß sie da die Brücher nördlich vom Sonnenberger Weghause bezeichnet. 163

kommend, erst auf das Lerchenfeld und dann zum Torfhause gelangt. Die Veröffentlichungen Papens und Zim m erm anns stellten für ihre Zeit, d. h. die dreißiger und vierziger Jahre, das Gründlichste und Beste auf ihren Gebieten dar; man kann nicht annehmen, daß M eyer sie unberücksichtigt gelassen haben sollte. M e y e r s Worte „auf dem Lerchenfelde, Rothenbruche“ sind offenbar eine ins einzelne gehende Beifügung zu der all­ gemeineren Angabe „beim Borkenkruge“, ebenso wie nachher „im Bruche hinter den Feuersteinklippen“ zu der allgemeineren „bei Schierke“ ; die ganze Stelle ist so auszulegen: „Beim Borken­ kruge, und zwar auf dem Lerchenfelde und im Rotenbruche“ . Er kennt also überhaupt nur zwei Vorkommen im Harze, eins mit zwei Standorten beim Torfhause im Fürstentum Gruben­ hagen bzw. Hannover und eins mit einem Standorte bei Schierke in Preußen. Er ist also gar nicht d erjen ig e, der das Vorkommen im braunschweigischen Roten Bruche unter dem Achtermann zuerst bekannt gegeben hat, sondern er bringt die erste Nachricht über eins auf dem wirklichen Lerchenfelde. Das Wunderbare, man kann sagen das Verwirrende ist nämlich, daß auf diesem echten Lerchenfelde auch ein Vorkom m en der Z w ergb irk e gew esen ist. Im Jagen 69 hart in dem Winkel, den der Altenauer Weg mit der Poststraße bildet, befanden sich an zwei einander nahen Standorten mehrere einzelne, ziemlich hohe Büsche und ein vielleicht 2 m im Durchmesser haltender alter Rasen zwischen den Fichten. Nach der Aussage des verstorbenen Hegemeisters K alisch ist dieses Vorkommen schon seit 25 Jahren, nach der Meinung der Frau H e r m a n n vielleicht schon seit 30 Jahren ver­ schwunden. Ihrer Größe und ihrem Wüchse nach mußten diese Pflanzen aber gewiß mindestens aus dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts, also etwa aus der Zeit G. H. W ebers stammen. Nun ist aber ein Umstand merkwürdig. W eber hat, wie aus seinen Worten hervorgeht, die Zwergbirke nicht selbst gefunden, sondern verdankt den Nachweis ihres Vorkommens dem Förster Degen. Der hat W eber, nachdem dieser sie beschrieben und die Frage gestellt hat, ob nicht eine derartige Pflanze dort oben im Revier wachse, an den Standort auf dem Radauer Born geführt. Das will für einen Nichtbotaniker schon etwas sagen. D egen muß jedenfalls ein scharfer Be­ obachter gewesen sein. Wie kommt es nun, daß ihm die näm­ liche Pflanze, die er auf dem abgelegenen Bruche entdeckt hat, nicht dicht neben seiner Försterei auf gef allen ist? Sie war

11* 164 offenbar noch nicht da, als W eher danach fragte. Sollte sie vielleicht D egen , nachdem er ihre Bedeutung erfahren hatte, hier erst angepflanzt haben? Nach einer Mitteilung des Herrn Professors P e te r liegt im Göttinger Universitätsherbar eine Betula nana von 1838 (leg. G risebach) vom „Borkenkrug“. Man kann wohl an­ nehmen, daß sie von diesem eigentlichen Lerchenfelde stammt, von einer Fundstelle also, wo von der Pflanze heute keine Spur mehr ist.

Die Zwergbirke auf dem Radauer Born.

Stellen wir noch einmal die Ergebnisse unserer Nach­ forschungen über den mehrfachen Namenwechsel dieses Bruches zusammen. Der älteste uns überlieferte Name ist das Rote Bruch, so heißt es auf der Goslarer Forstkarte von 1540 und ebenso noch in den Radauflößerei - Akten von 1570 bis 1577. Doch ist dies ursprünglich ein Sammelname für das gesamte Gebrüche rings um das Magdbett, der vollkommen genügte, solange die benachbarten Forsten wie die Brücher selbst keine gewerbliche Ausnutzung fanden und nur als Jagd- und Weidegrund in Betracht kamen. Nur für einen Teil derselben hatte sich bis dahin das Bedürfnis nach einem Sondernamen geltend gemacht, nämlich für den, über den die alte Straße führte. Er wurde als Lerchenfeld aus der Gesamtheit der Brücher herausgehoben. Bei Anlegung des Torfstiches wurde auch für den Teil östlich vom Magdbett ein Sondername nötig; man nannte ihn, wenn man ihn unterscheiden wollte, entweder als den kleineren das Lütge und im Gegensatz hierzu den anderen, westlich gelegenen das Große Rote Bruch, oder man behielt für ihn als den allein gewerblich wichtigen die Bezeichnung Rotes Bruch und über­ trug auf den anderen dann den Namen Lerchenfeld mit. So war es 1680 und 1682, ferner auf der Karte B (S. 144) um etwa 1700, auf der Andreasberger Karte von 1732, im Teilungs­ rezesse von 1788. Dann ist der Name wie im Volksmunde so auch im amtlichen Verkehr verschollen und taucht nur noch zweimal im Schrifttum wieder auf, auf der Papensehen Karte 1844 und allem Anschein nach bei G. F. W . M eyer 1836/49. Damit stirbt er dann für dieses Bruch für immer aus. Danebenher läuft lange Zeit für dasselbe eine andere Sonderbenennung. Man nennt es, um es aus der Gesamtheit des Roten Bruches herauszuheben, mit demselben Namen wie den schmalen von der alten Straße durchschnittenen Zipfel, 165 nämlich Lerchenfeld, nur daß man ihm zur Unterscheidung von dem letzteren das Beiwort Groß gibt. Biese Benennung ist zum ersten Male 1680 nachweisbar. Und als später das eigentliche Lerchenfeld eine Holzbestockung erhält und nach dem Verlust seiner Hochmooreigenschaft von den benachbarten Forstorten, den Lerchenköpfen und dem Magdbett, aufgesogen und dadurch namenlos wird, da bleibt der Name schließlich an jenem ohne Unterscheidungswort haften. Doch scheint diese Benennung nie Eingang in die Amtsstuben gewonnen, sondern nur im Munde der Jagd- und Forstschutzbediensteten, und zwar bloß für den Teil nördlich des Abbegrabens gelebt zu haben. So ist sie an G e r la c h 1769 und an G. H. W e b e r 1778 gekommen. Von letzterem ist sie dann ins botanische Schrifttum ein geführt worden, und in diesem, aber auch nur in diesem hat sie, nun wissenschaftlich abgestempelt, dann noch ein zähes Leben bis in den Anfang dieses Jahrhunderts geführt. Im Munde des Volkes ist sie so gut wie der Name Kotes Bruch schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts völlig verstummt. Amtlich ist inzwischen bei den Forstbehörden für das Bruch nördlich des Abbegrabens ein dritter Name in Aufnahme gekommen: R adauer Born. Und an diesen müssen wir uns jetzt halten, um der Unstimmigkeit zwischen den Standorts­ angaben der Floren und dem zurzeit üblichen Sprachgebrauch ein Ende zu machen. Die von mir schon 1 9 0 5 g efo rd erte Ausmerzung des Namens Lerchenfeld aus den Floren, wenigstens aus denen, die nur die zurzeit greifbare Pflanzengenossenschaft des Harzes vorführen und daneben keine lediglich bibliographischen Angaben bringen wollen, ist nun, nachdem sich herausgestellt hat, daß dieser Name eigentlich einem ganz anderen Geländestück zukommt, als jene jetzt damit be­ zeichnen wollen, erst recht nötig geworden, zumal bei den Angaben über das Vorkommen der Zwerg­ birke, da ein solches auf dem wirklichen Lerchen­ felde auch einmal bestanden hat, jetzt aber erloschen ist. Th. Jenner hat 1905 in seinem ersten Nachtrage*) zur vierten Auflage von B e r t r a m -K r e tz e r s Braunschweiger Exkursionsflora von 1894 bereits dafür „Radauer Born“ gesetzt. K retzer selbst vermeidet in der fünften Auflage der genannten Flora von 1909 noch diesen Namen und gibt einfach an: „Hinter dem Torfhause“, was streng genommen nicht richtig

*) XIY. Jahresüer. d. Ver. 1904/5, S. 100— 110. 166

ist, denn das würde treffender eine Bezeichnung für das er­ loschene als für das lebende Vorkommen sein. Die richtigste Standortsbezeichnung ist jedenfalls die von mir vorgeschlagene: „Radauer Born beim Torfhause“. Die von mir neben dieser noch vorgeschlagene Angabe „Radauer Born im Brocken­ felde“ möchte ich, da der Name Brockenfeld doch meist in engerem Sinne zur Bezeichnung des Bruches zwischen dem Quitschenberge und dem Dreieckigen Pfahle gebraucht wird, nicht mehr empfehlen*). Es ist schon oben (S. 148 f.) auseinandergesetzt worden, daß wir hier im Radauer Born denjenigen Teil des Roten Bruches zu suchen haben, auf welchem Herzog Julius um 1573 einen Torfstich hat anlegen lassen. Die Nordwestecke des Bruches setzt sich mit einem deutlichen Striche gegen den übrigen Teil ab; sie ist etwas niedriger, nasser, noch mit Carex zwischen dem Sphagnum, das ganze Pflanzengewebe lockerer und nachgiebiger. Sie ist wohl deshalb als die Stelle anzusprechen, die damals vom Torf entblößt worden ist. Im Laufe der Jahrhunderte aber ist die Wunde so ziemlich wieder ausgeheilt, und nur dem scharf prüfenden Auge fällt die Narbe noch auf. Der Herzog trug sich mit dem Plane, Niederländer oder andere mit der Behand­ lung des Torfbodens vertraute Leute hier oben anzusiedeln, die die ganze Torfdecke allmählich abnehmen und Ackerland schaffen sollten. Er hatte den Gedanken der jetzt so blühenden Moorkultur schon 300 Jahre vorweggenommen und wußte den Zweiflern haarklein auseinanderzusetzen, wie man durch Zusatz von ungelöschtem Kalk und „feisten Misten“ den kalten moorigen Boden erwärmen und zu gutem Kornland umwandeln könne. Doch ist’s diesem seinem Vorhaben ergangen wie seinen anderen weitblickenden Plänen: sie sind nach seinem Tode nicht weiter gefördert worden, obgleich sie ihrem Urheber bereits ein tüchtiges Stück Geld eingetragen hatten. Der Sohn hatte andere Ideale als der schaffensfrohe Vater, der sich selber gern mit einer Mischung von Humor und Selbstbewußtsein

*) In dem weiteren Sinne, als Benennung für das ganze von Brüchern durchschwärmte Gelände an der südwestlichen Ab­ dachung des Brockens, wie ihn z.B. Chr. Fr. S ch ro e d e r, Abhand­ lung vom Brocken 1785, I, S. 211, Zimm erm ann, Das Harzgebirge 1834, I, S. 314 bis 317, und K o lb e , Karte vom Herzogtum Braun­ schweig 1836, gebraucht hat und wie ich ihn in dem Aufsatze im XIV. Jahresber. d. Ver. S. 111 u. 115 angewandt habe, findet man ihn heute nur selten, z. B. bei H ans H o ffm a n n , Der Harz 1899, S. 224 bis 234, und bei 0. D ru d e, Hercynischer Florenbezirk 1902, S. 491 u. 503. 167

einen groben braunschweigischen Sachsen genannt hatte: er ließ das schön Begonnene wieder verfallen. Hier oben hat dann die Natur bald wieder den Sieg über des Herzogs Werke davongetragen, und das ist, alles in allem genommen, auch ganz gut gewesen. W o der alte Herr, dessen nüchterner Nützlichkeitseifer manchmal einen kräftigen Stich ins Philisterhafte hatte, schon im Geiste reiche Kornfelder sah, da wächst noch immer wohlgemut die Zwergbirke, das Kind des eisigen Nordens. Da steht sie in ihrer dürftigen und bescheidenen, aber zierlichen Tracht mit der urfrischen und unverwüstlichen Munterkeit ihres Wesens. Um den seltenen Gast drängen und schlingen sich die dunkelgrüne dichtbuschige Brockenmyrte, der schmächtige Faden der Moosbeere mit den breiten roten Blütensternen, der leuchtendrot funkelnde Sonnen­ tau mit den feinen weißen Knospen am schlanken Schaft und die spröde Andromeda, die ihr Blumengesicht auf langem rosen­ rotem Halse recht hoch aus dem Blattkragen herausreckt. Darüber wogen auf schlanken Hälmchen die kleinen gelben Ähren der Basensimse, zwischen denen dann und wann das Scheidenwollgras seinen grauweißen Haarbusch wie ein Heer­ zeichen emporstreckt. Der Anblick dieser Kleinwelt, die nichts anderes bei sich duldet, deren Glieder aber unter sich so brüderlich Zusammenhalten und sich so verträglich in die kümmerliche Nahrung teilen, hat etwas Bührendes. Und ich muß sagen, ich sehe diese armselige, anspruchslose, aber zigeunerhaft schmuck- und farbenfrohe Torfsippe hier in dieser Landschaft mit den ungefügen Granitblöcken und den märchenhaften Fichtengestalten lieber als ein Kornfeld in der etwas aufdringlichen Würde einer über allen Zweifel erhabenen Bechtschaffenheit und Tüchtigkeit. Zwei Standorte der Zwergbirke sind mir auf dem Badauer Born bekannt, einer im nördlichen Teile und einer über 400 m davon entfernt oahe dem südlichen Bande, nicht weit vom Abbegraben. Sowohl in der Verteilung und dem Wüchse der beherbergten Einzelpflanzen wie in der Ausdehnung zeigt sich zwischen beiden ein merklicher Unterschied. Die Pflanzen des nördlichen sind zwar von ungleicher Größe, aber alle jugendlich frisch, niedrig-strauchig, mit halb meterlangen, selten mehr als strohhalmdicken Stämmchen in der Moosdecke hinkriechend, nur mit den 20 bis 25 cm langen Spitzen und den kurzen violettbraunen Zweigen schräg emporstrehend. Der ganze Basen steht ziemlich locker, besonders nach den Bändern zu, und greift noch immer weiter um sich; nach meinen letzten Messungen verbreitet er sich über einen Baum von reichlich 168

900 qm*). Ein ganz anderes Wesen zeigt der südliche Trupp. Die Einzelpflanzen haben durch die Bank ein etwas greisen­ haftes Aussehen; einige haben sich zu fingerdicken, 30 cm hohen aufrechten Stämmen ausgewachsen mit fast meterlangen, wagerecht abstehenden, anscheinend durch Wildverbiß ver­ stümmelten und verbogenen Zweigen, die ebenso wie die Stämme mit Flechten bewachsen sind. Der Bestand ist viel dichter, so daß sich zuweilen benachbarte Büsche mit ihrem Gezweige gegenseitig durchdringen, mit scharfer Abgrenzung nach außen, ohne einen Saum von jungem Nachwuchs, die be­ deckte Fläche dagegen erheblich geringer, etwa 200 qm. Ich hatte schon 1905 darauf hingewiesen, daß der nörd­ liche, in den Kreisen der Botaniker bekanntere Rasen offenbar viel jünger ist als der andere, ohne eine Spur der eben be­ schriebenen Altersform, durchweg noch so jugendlich, daß er unmöglich schon 1778 bestanden haben kann. Wenn er damals schon vorhanden gewesen wäre, so würde er, da er eigentlich eher aufzufinden ist als der andere, auch wohl dem Förster D egen nicht entgangen sein, und W eber würde in der Freude über seine Entdeckung das zweifache Vorkommen sicher nicht unerwähnt gelassen haben. Vielleicht hat dieser Rasen noch nicht einmal 1836, als G. F. W . M eyer seine Chloris Hannoverana erscheinen ließ, bestanden. Jedenfalls ist er noch eine verhältnis­ mäßig neue Bildung, die den Beweis liefert, daß die Witterungs­ verhältnisse in den letzten hundert Jahren hier oben einer Neusiedelung und Ausbreitung dieses Eiszeitgewächses keines­ wegs ungünstig gewesen sind. W o wir ein Untergehen desselben oder wenigstens einen Stillstand in seiner Aus­ breitung feststellen können, scheint es sich überall um ein Untauglich wer den des Bodens durch menschliche Eingriffe zu handeln. So ist die ursprüngliche Bodenbeschaffenheit des älteren Standortes seit langem schon ganz wesentlich verändert durch die Nachbarschaft des Abbegrabens, der zu dem weit­ verzweigten Grabennetze gehört, durch welches das für die Oberharzer Bergwerke nötige Aufschlagwasser meilenweit herangeholt wird. Das alte „Lütge Rote Bruch41 ist von ihm gerade an der Stelle, wo es schon immer eine bedeutende Ein­ schnürung von Osten und Westen her und im Innern an einem Abbezuflusse entlang eine Unterbrechung durch eine Waldinsel

*) Aus meinen Angaben von 1905 würde sich nur ein Flächen- raum von etwa 500 qm ergeben. Obgleich noch eine fortwährende Ausbreitung zweifellos ist, erscheint mir eine solche Zunahme in fünf Jahren doch unwahrscheinlich. Vermutlich habe ich damals manche der äußersten Büsche übersehen. 169

hatte, vollständig durchschnitten und so ein Waldstreifen zwischen die beiden Teilstücke geschoben worden. Und später ist dann sogar noch unmittelbar an den Zwergbirken entlang ein Abzugsgraben geführt worden, der auch noch das Seinige zur Änderung des Pflanzenbildes beigetragen hat. Doch davon später (S. 180 und 191).

Die Zwergbirke auf dem Roten Bruche.

Wenn es bei genauer Prüfung der Standortsangaben bei G. F. W . M eyer (vgl. S. 134) mindestens als höchst wahr­ scheinlich bezeichnet werden muß, daß dessen Rotes Bruch = Radauer Born ist, so liegt die Sache bei E. H am p e anders. Der gibt in seiner Flora Hercynica bei Betula nana an: „auf dem Lärchenfelde dem Borkenkruge gegenüber in großer Aus­ dehnung, auch auf dem Rothenbruche vereinzelt“ . Er ge­ braucht den Namen Lerchenfeld ganz in dem Sinne wie G. H. Weber; dann kann es daher nicht zweifelhaft sein, daß sein Rothenbruch das Rote Bruch unter dem Achtermann ist. Damit würde Hampe meines Wissens der erste sein, der das Vorkommen der Zwergbirke auf dem heutigen Roten Bruche ins Schrifttum gebracht hat. In der Vorrede zu seinem Werke nennt er als von ihm benutzte Quellen nur die Angaben der älteren eigentlichen Harzfloristen; von G. F. W . M eyer sagt er nichts. Die späteren Floristen haben überhaupt vielfach dessen Angaben für unzuverlässig gehalten; erst P eter hat ihn in seiner Flora von Südhannover wieder zu Ehren gebracht. Man muß deshalb wohl annehmen, daß H am pe das Rote Bruch als Standort der Zwergbirke nicht einfach aus M eyer entnommen, sondern durch eigene Erkundung ermittelt hat. Schon der näher beschreibende Zusatz „ver­ einzelt“ läßt darauf schließen, daß er mit eigenen Augen gesehen hat. Immerhin ist es möglich, daß er durch eine miß­ verständliche Auslegung der M eyer sehen Angabe dazu ver­ anlaßt worden ist, hier zu suchen. Auf H am p e als Gewährsmann gehen dann V o c k e und A n g e l r o d t , Flora von Nordhausen 1886, und ein kleines Schriftchen unter dem Titel „Brockenflora in der Westentasche“ von E. K a m p e *) 1888 zurück.

*) Bei 0. D ru d e, Hercynischer Florenbezirk, steht E. Ham pe. Dieser ist aber schon 1880 gestorben. 170

Rein ecke, Flora des Harzes 1886, und die Floristen der neunziger Jahre haben dies Vorkommen wieder fallen lassen, offenbar, weil sie es bezweifelten; einzelnen braunschweigischen Forstbeamten ist es indes bekannt geblieben. P e te r nennt es 1901 wieder, aber unter Abschiebung der Verantwortung auf M e y e r als vermeintlichen Gewährsmann. Endlich 1905 konnte ich selbst die Hampescbe oder, wenn man will, die M eyer sehe Angabe als den wirklichen Tatsachen entsprechend bestätigen, worauf sie auch wieder Aufnahme gefunden hat 1905 bei Jenner, Nachtrag zur 4. Auflage von B ertra m - K retzer, und in der 5. Auflage von B ertram - Kr etzer, Flora von Braunschweig und des Harzes 1909. Das Rote Bruch ist keine geschlossene Masse, sondern besteht aus vier einzelnen Hochmooren, die den Quellauf der Warmen Bode 2 km abwärts, von 840 m bis 790 m Meeres­ höhe auf beiden Seiten begleiten und zwischen die sich Wald­ streifen, die „ Düsteren Tannen“, einschieben. Irrtümlich werden zuweilen auch die beiden von der Nordgrenze des Braunlager Reviers durchschnittenen und größtenteils im Torfhäuser Revier liegenden Hochmoore, das Bodebruch und das Oderbruch, die beide überwiegend zur Oder entwässern, hinzugerechnet. Auf beiden Seiten der Bode beherbergt das Rote Bruch noch den Eiszeitrest, und zwar, was H am pe wohl mit seinem Zusatze hat ausdrücken wollen, in mehreren kleinen Trupps. Eins dieser Hochmoore ist besonders reich daran. Ich habe fünf solcher Standorte auf demselben feststellen können. Sie sind durch weite, völlig freie Zwischenräume voneinander ge­ trennt, sind meist nach außen scharf abgegrenzt und tragen ebenso wie der südliche auf dem Radauer Born die Merkmale hohen Alters an sich: die Büsche stehen sehr dicht und bilden kurze, fingerdicke, flechtentragende Stämmchen mit weithin ausladenden, durcheinander kriechenden Zweigen. Der Flächen­ inhalt schwankt zwischen 30 und 100 qm. Mit Ausnahme eines einzigen befinden sich auch diese Standorte nahe dem Rande zwischen dem äußersten in das Moor versprengten Fichtenanfluge und scheinen alle durch die Nähe des Ein­ dämmungsgrabens, der vermutlich das Aufkommen dieses Fichtenanfluges erst möglich gemacht hat, in ihrer Ausbreitung beeinträchtigt zu sein. Ganz besonders merkwürdig ist der einzige Standort im Innern des Bruches. Dieser befindet sich nämlich am Rande eines mehrere Meter tiefen Einsturzes, der bis unten hin wasserfrei ist, also offenbar die Tageswässer bis an die Felssohle abgeben kann. Dadurch wird die Boden­ beschaffenheit um ihn herum derjenigen am Rande des Hoch­ 171

moores gleich. An der nördlichen, d. h. der Sonne ausgesetzten Böschung dieses Trichters wächst nun ein ansehnlicher dichter Zwergbirkentrupp in der eben beschriebenen Altersform. Neben diesem aber ist die Hochfläche des Bruches ein an Scirpus ver­ hältnismäßig armes Sphagnumpolster, und in dieses tritt die Zwergbirke ebenfalls ein, aber hier in zerstreuten Büschen von der Jugendform, wie sie das nördliche Vorkommen des Radauer Bornes zeigt. In bezug auf ihre Siedelungsbedingungen ist gerade dieser Standort lehrreich (S. 191). Links der Bode habe ich bis jetzt nur zwei kleine Stand­ orte auffinden können. Auch diese liegen dem Rande ziemlich nahe, aber doch nicht so unmittelbar am Grenzgraben wie die eben genannten. Die Unterlage ist an beiden Stellen ein nach­ giebiges schwellendes Torfmoospolster mit mäßigem Heide- und Simsen wuchs; die Pflanzen selbst sind durchweg noch sehr jugendlich, der Bestand locker, die Ausdehnung nur gering, bei dem einen kaum 10 qm, bei dem anderen vielleicht 30 qm.

Woher der Name Rotes Bruch?

Ich muß noch auf das merkwürdige Zusammentreffen hin weisen, daß die einzigen für die Gegenwart sicher nach­ gewiesenen Standorte der Betula nana im Harze sich auf Hoch­ mooren befinden, mit denen der Name Rotes Bruch verknüpft ist, nämlich auf dem ehemals so genannten beim Torfhause und auf dem jetzt noch so heißenden beim Achtermann im Braunlager Revier. Auch das Lerchenfeld, auf dem sich das erloschene Vorkommen beim Torf hause befand, war im Grunde nur ein Teil eines dritten Bruches mit dem Beiwort Rot, des „Großen Roten Bruches“. Ich glaube nicht, daß diese Namen hervorgerufen sind durch den Farbenton, den die Brücher gegen den Herbst beim Absterben der Binsenhalme annehmen. Denn das hierbei auf­ tretende Grünlichgelbbraun steht doch dem Rot ziemlich fern; außerdem tritt es nur zeitweilig auf, und wenn es auftritt, geschieht es auf allen Harzer Brüchern, nicht nur auf den ge­ nannten dreien. Sollte nicht etwa die Benennung bei diesen veranlaßt worden sein durch das Auftreten von rötlichem Niederschlag in einigen ihrer Wasserabflüsse infolge merkbaren Eisengehalts aus eisenschüssigem Untergründe oder durch ein vielleicht früher stärker in die Augen fallendes Vor wiegen von rötlichen oder rotbraunen Sphagnumarten? Beides liegt im Bereich der Möglichkeit. 172

Unter dem Braunlager Boten Bruche, wenigstens unter dem die alte Betula nana beherbergenden Moor, läuft eine eisen­ oxydhaltige Gangspalte hindurch, die sich da, wo sie den durch das- Bruch an der Bode entlang führenden Forstweg schneidet, durch Rotfärbung des Bodens verrät. Ferner unter dem 1680 als Wüste und Wildnis gekennzeichneten Großen Boten Bruche zwischen Magdbett und Bruchberg zog die 1877 von v.G rod d eck entdeckte große Oderspalte von Norden nach Süden hindurch*). Auch bis nahe an den Südrand des ehemaligen Lütgen Boten Bruches ist eine derartige Spalte verfolgt worden; und unter den Entwässerungsgräben am Nordrande desselben habe ich mehrere mit dem bekannten schillernden Häutchen auf dem Wasser und ganz erheblichem Absatz von rötlichem Eisen­ hydroxyd angetroffen. Es ist auch bei der Prüfung dieser Frage nicht außer acht zu lassen, daß die in den Nordzipfel des Oderteiches fließende Botenbeke ihr Wasser aus den beiden ehemaligen „Roten Brüchern“ bekommt**). Daß aber aus dem mineralischen Untergründe sich Quellen bis an die Oberfläche eines Hochmoores hindurchdrängen können, hat C. A. W e b e r im Hochmoor von Augstumal im Memeldelta an der Quelle des Schießgirrener Rillenbaches festgestellt***). Ihr Wasser hat einen so beträchtlichen Eisengehalt, daß es deutlich tintenartig schmeckt und sich beim Stehen mit einem bunt schillernden Häutchen bedeckt, dazu noch einen hohen Kalkgehalt. Es kann also nur aus dem Untergründe, nicht aus dem Torf stammen und muß sich bei dessen Emporwachsen nach W ebers Auffassung den Weg durch eine schließlich mindestens 3 m hohe Schicht offengehalten haben. Und W ä c h t e r gibt in seinem Aufsatze über die Torfmoore des Harzes f) an, daß der Torf, nach seiner Meinung infolge des Eisengehalts des Gränit- untergrundes, eisenhaltig und infolge umherstreichender Kupfer­ adern stellenweise kupferhaltig sei; der Eisengehalt soll sich sogar so anreichern, daß die aus solchem Torf gebrannten Kohlen vorteilhaft bei der Verhüttung der Eisenerze zu ver­ wenden seien. Es ist nun immerhin möglich, daß zwischen dem Eisengehalt des Torfes und dem Vorkommen von Betula

*) Ygl. E. K ays er, Das Spaltensystem am Südwestabfall des Brockenmassivs. Jahrb. d. K. pr. geol. Landesanstalt 1881, S. 426—438. **) Aueh der Beschreiber von 1680 meint einmal: „ ------maaßen auch das Wasser im Roten Bruuche und Rodenbääk ziemlich Braun oder Rötlich ist.“ ***) C. A. W eber, Vegetation und Entstehung des Hochmoors von Augstumal 1902, S. 108. f) Holzmanns Hercyn. Archiv 1805, S. 620. 173

nana ein Zusammenhang ist insofern, als diese, die zweifellos etwas mehr Nährsalze beansprucht als die anderen Torfgewächse, gerade solche Moorstellen bevorzugt, die einen gewissen Eisen­ gehalt und im Zusammenhänge hiermit überhaupt mehr Mineral­ salze haben*). Es wäre deshalb zu wünschen, daß diese Brücher eine ebensolche musterhafte Untersuchung erführen, wie das Augstumaler durch C. A. W eber. Ebenso nahe liegt die Annahme, daß früher mehr als heute rötliche Sphagnumarten, also S. fuscum, medium und die rötliche Spielart von S. acutifolium den Farbenton bestimmt haben, der allmählich durch die Zunahme von Scirpus caespi- tosus und Eriophorum vaginatum herabgedrückt ist. Gerade fuscum und medium sind die Arten, die am raschesten wuchern, und in diesem Sinne gedeutet, würde der Name anzeigen, daß diese Brücher früher ärmer an Caricaceen und reinere Sphag- neten als heute gewesen sind, also einen Pflanzen verein gebildet haben, der allerorten sonst von der Zwergbirke bei der An­ siedelung gerade bevorzugt wird. Schließlich kann auch das Vorkommen der rötlichen Sphagnumarten selber an einen ge­ wissen Eisengehalt gebunden sein und so die beiden Umstände, die als Ursache der Namengebung in Frage kommen könnten, unter sich in ursächlichem Zusammenhänge stehen. Auch hierüber könnte eine planmäßige Untersuchung Auskunft geben.

Woher der Name Lerchenfeld?

Kehren wir nach diesem Streifzuge durch die Zwergbirken- brücher noch einmal zu unserem Ausgangspunkte, zum eigent­ lichen Lerchenfelde, zurück, um hier an Ort und Stelle die Entstehung des Namens zu ermitteln. Die Schriftsteller schwanken zwischen der Schreibweise mit e und der mit ä. Mit e schreiben von den Botanikern G. H. W eber, G. F. W . M eyer, Sporleder, R einecke und D rude; außerdem aber die Flößereiakten von 1571, die beiden Harzburger Erbregister von 1666 und 1703, das Forstabrißbuch von 1680, Z im m e r m a n n (Das Harzgebirge), L a c h m a n n (Physiographie) und sämtliche von mir angeführten Karten­ werke, soweit sie überhaupt den Namen haben; ferner haben

*) Darauf deutet auch wohl ihr ungleich häufigeres Vorkommen in den Torfmooren des Jura als in denen der Alpen hin. Vgl. die Standortsangaben zu Betula nana bei J. G-audin, Flora Helvetica 1830, VI („Habitat in paludibus frigidis, torfaceis, potissimum juranis etc.“)» und bei Chr. G ra n ier, Flore de la Chaine jurassique 1865— 1875. 174

die Schreibweise Lerchenköpfe Schroeder (Abhandlung vom Brocken), E. Jacobs (Der Brocken und sein Gebiet) und die eben genannten Schriftsteller und Karten, wozu noch die preußischen Forst- und Generalstabskarten kommen. Dagegen schreiben mit ä, soviel ich sehe, nur die Botaniker H a m p e , Vocke und Angelrodt, Bertram, Brandes, Voigt- l ä n d e r -T e t z n e r und P e te r . Diese wollen das Wort also von Lärche, Larix decidua, ableiten. Da sie sämtlich den Radauer Born darunter ver­ stehen, so haben sie vielleicht eine gewisse Bestätigung sowohl für ihre Ableitung wie für ihre örtliche Festlegung des Namens in dem Umstande gesehen, daß tatsächlich nahe dem Abbegraben am Südrande des Bruches einige Lärchen stehen *). Da wir indes nun bereits wissen, daß der Name irrtümlich erst spät auf dieses Bruch übertragen ist, so kann dieses Vorkommen natürlich nichts beweisen. Zudem sind diese Lärchen noch so jugendlich, daß schon aus diesem Grunde durch sie nichts für einen Namen bewiesen werden kann, der schon vor 340 Jahren im Gebrauch war. In der Tat ist der Name viel älter als das Vorkommen der Lärche im Harze überhaupt. Nach Stübner, Denkwürdig­ keiten des Fürstentums Blankenburg II, S. 52 u. 53, wurde sie 1731 im fürstlichen Tiergarten als eine Seltenheit aus Samen gezogen**). Nach M eyers Chloris wie Flora Hann.***) ist sie in den Forsten des hannoverschen Harzes erst seit 1752 angepflanzt worden; in den Kommunion-Forsten kann sie un­ möglich älter sein. Daß sie erst kurz vor der Mitte des 18. Jahrhunderts in den Harz eingeführt ist, ergibt sich am überzeugendsten aus der Angabe in Zinn s Catalogus plan- tarum 1757 zu Pinus larix: „In alpinis Helvetiae, Sibiriae. In silvis Hercynicis sata laete provenit.“ So kann nur von jugend­ lichen Versuchsanpflanzungen gesagt werden. Ein durch sein Schweigen beredtes Zeugnis für das Nichtvorhandensein der Lärche auf dem Lerchenfelde und den Lerchenköpfen legt die

*) Vgl. P e te r, Fl. v. Südhann. I, S. 13. **) Berichtet von S p o rle d e r, Merkwürdige Bäume des Harzes in Ber. d. Hat. Yer. d. Harzes zu Blank. 1861/62, S. 17. Mir stand von S tü b n ers Denkwürdigkeiten nur Teil I, 1791 zur Verfügung. Aus diesen, S. 270, ergibt sieb nur, daß die Lärche kurz nach 1750 als „auswärtiges Holz“ auf dem Kalvinusberge im Tiergarten aus Samen gezogen und 1751 ein Lärchenkamp angepflanzt ist. ***) Auf Grund der YeröffentlichuDgen von W ächter im Hannoverschen Magazin 1833, S. 473 ff. In den Jahrgängen 1753, 1758, 1766, 1767, 1776 d. Hann. Mag. finden sich übrigens noch mehrfach Aufsätze über die Einführung der Lärche in den Harz. 175

Beschreibung dieser beiden Örtlichkeiten im Forstabrißbuche ab. Dieses sagt von den Lerchenköpfen unter dem Abschnitte Nomen: „Dieser Berg, welcher etzliche Köpffe oder Höhen hatt, wird von den Lerchen seinen Nahmen haben, ingleichen auch das nahe daran stoßende Feld oder Blöße wird gleichfals das Lerchenfeld genennet, vermuhtlich darumb, weil sonst nahe umb den Brocken herumb kein Ort leichtlich seyn wird, da sich die Lerchen auffhalten, alß auf diesem Felde.“ Und im Abschnitte Qualitas ligni heißt es: „------sind fast lauter Tannen (d. h. Fichten), davon die meisten ziemlich Mosicht, an den Abhängen ist bißweilen etwaß anders mit darunter von anderen Holtze.“ Über die Pflanzendecke des Lerchenfeldes, das ja damals eine für Forstzwecke unbenutzbare Blöße, also einer Beschreibung nicht wert war, findet sich hier nichts, an einer anderen Stelle nur die schon S. 154 angeführte Mitteilung von dem Vorkommen „der kleinen Hey de und der wilden Ross­ marin“. Nicht ein Wort, welches auf die Lärche gedeutet werden könnte! Der auffallende Baum wäre aber sicher diesen scharfen Beobachtern, denen noch dazu die sorgfältigste Auf­ nahme des Holzbestandes zur Pflicht gemacht war, nicht ent­ gangen, wenn er dort anzutreffen gewesen wäre. Die Namensform „Lirchen Koppe“ , die uns das erste Aktenstück über die Radauflößerei, der Bericht der beiden Beamten von 1570, gibt, beweist, daß die damals schon volks­ tümliche Benennung nichts mit Lärche larix, für die mir über­ haupt kein niederdeutscher Name bekannt ist, zu tun hat, sondern zweifellos mit Lerche alaada, in unserer Mundart „Lierke“, zu­ sammenhängt: es sind die Lierkenköppe. Die Vermutung, die das Forstabrißbuch betreffs der Ent­ stehung des Namens ausspricht, mag zunächst etwas notdürftig aus den Fingern gesogen klingen; es kann aber recht wohl etwas daran sein. Wie die Karte zeigt, stieß an das Lerchen­ feld eine Waldblöße, der „Seeser Saltzplatz“, und nicht weit davon lag der „Hagen für die Seesischen Rinder“. Von denen sagt das Forst abrißbuch: „Wiesen sind dieser Öhrter gantz nicht, aber ein großer lediger Platz, welcher durch eine schmale Streiffe noch an dem Lerchenfelde henget, ist oben auff den Köpffen, derselbe wird der Seeser Saltzplatz genannt, weil die Seesische Rinder Hirten daselbst sich offt finden lassen, und Ihren Rindern zu Zeiten etwaß von Saltze geben; Hernacher ist der Hagen, welches auch so ein kleiner Raum, da die Rinder des Nachts liegen, solche sind aber beyde von der Holtzung abgezogen und im Abrisse zu sehen.“ Die Größe des Seeser Salzplatzes betrug 5 Morgen 98 Ruten. 176

Viele Jahrhunderte hindurch hatten die Bürger von Seesen Mast- und Weideberechtigung im Kommunion-Oberharz. Im Harzburger Erbregister von 1703 wird angegeben, daß die seesischen Rinder die Koppelhude auf dem Magdbette wie auch auf den Hopfensäcken und dem Quitschenberge haben. Im Rezeß von 1649 wird schon bestimmt, daß es mit der Hude und Mast und den Salzlecken bleiben soll wie bisher. Wann der Stadt diese ausgedehnte Weideberechtigung gewährt worden ist, habe ich nirgend ermitteln können. Zweifellos muß dies vor der Entstehung der Kommunion geschehen sein. Gegen Schluß des 13. Jahrhunderts finden wir Seesen im Besitz der Linie Braunschweig - Göttingen. Im Jahre 1437 verzichtete der letzte Sproß dieses Zweiges, Herzog Otto der Einäugige, auf seine Herrschaft zugunsten seines wolfenbüttelschen Vetters Wilhelm, der seit 1428 auch im alleinigen Besitz der Harzburg war. Vermutlich wird diese ausgedehnte Weidegerechtsame aus der Zeit nach 1437 stammen und auf einer recht weit­ herzigen Auslegung einer Bestimmung des Gnadebriefes be­ ruhen, mit dem Otto der Einäugige im Jahre 1428 dem Flecken Seesen Stadtrecht verliehen hat*). Diese Bestimmung lautet: Ouch so mögen de obgenandten rait, borgere und medewonere to Sehusen unses dannes und ander geholtes gebruken und gneten to örme behöve, so vele alse se des bedorvet, utgesecht, woret, dat we.geldt wolde söken an deme genandten danne eder andern holten, dat seck an den forst töghe, dat schullen se vortynsen na waldtrechte. Jedenfalls haben die späteren Herzoge von Braunschweig aus dem jüngeren Hause Wolfenbüttel es sich stets angelegen sein lassen, den Bürgern von Seesen dieses Recht zu sichern, nachdem der Weidegrund selbst ihrer Landeshoheit entzogen und in die Kommunion einbezogen war. Auf den Rezeß von 1649 ist schon hingewiesen worden. Und als schließlich 1788 bei der Aufteilung des Kommunion-Harzes das Torfhäuser Revier mit an Hannover fiel, wurde in den Vertrag ünter § 18 eine Bestimmung aufgenommen, wonach die Trift-, Hude-, Weide- und Mastgerechtigkeit den fürstlichen Ämtern und Untertanen, insoweit ein jeder dieselbe beständig hergebracht, in dem König- und Churfürstlichen Anteile bis zu einer weiteren gütlichen Übereinkunft Vorbehalten wird. Zwar soll diese Be­ stimmung auf Gegenseitigkeit beruhen, aber wirkliche Bedeutung hatte sie nur für die Stadt Seesen. Und tatsächlich haben die

*) Mitgeteilt von 0. Meinardus im Harzver. f. Gesch. und Alt. XVII, 1884, S. 284— 288. 177

Bürger dieser Stadt mit ihren Binderherden das Weiderecht oben im Torfhäuser Bevier ausgeübt bis gegen 1870 hin. Dann ist es zunächst durch eine Bente und schließlich am 1. Oktober 1882 durch eine einmalige Abfindung in Höhe von 3768 Jü 67 ^ abgelöst worden*). In den Schwarzen Tannen hart an der Grenze gegen das Blankenburgische an der Oderbrücke und beim Lerchenfelde befanden sich von jeher die „Hagen“ , d. h. die eingehegten ständigen Lagerplätze für die seesischen Binderherden. Auf dem Hagen beim Lerchenfelde stand sogar ein Stall mit einer Behausung für den Hirten; hierher kehrten die Herden also regelmäßig während des Sommeraufenthaltes da oben des Abends heim. Daß die Feldlerche, die Lerche schlechtweg, in den meilen­ weit menschenleeren Wäldern hier oben sich nicht findet, ist selbstverständlich. Becht wohl möglich aber ist es, daß sie den Herden hierher folgte und sich hier den Sommer über in der Nähe hielt. Zudem hat ganz nahebei auf den Lerchen­ köpfen die „alte Straße“ ihre Paßhöhe, bis wohin von Braun­ lage wie von Harzburg der Vorspann mitging, so daß hier oft Pferde rasteten. Das könnte sehr wohl den Namen Lerchen­ feld veranlaßt haben. Dieser ist also mit solchen wie Stieglitz­ ecke, Uhlenköpfe, Kiebitzdamm gleichen Ursprungs; und wer möchte es versuchen, jetzt noch ausfindig zu machen, welchen besonderen Zufälligkeiten und Vorkommnissen diese ihre Ent­ stehung verdanken? Es ist gewiß schade, daß dieser schöne Name, in dem ich die Erinnerung an uralte Bechte, an altes Hirten- und Fuhr­ mannsleben wie einen leisen Unterton mitklingen höre, mit dem Hochmoor geschwunden ist. Wenn wir ihn wieder auf- und weiterleben lassen wollen, so kann für ihn schon wegen der großen Entfernung vom alten seesischen Binderhagen und Salzplatze der Badauer Born als Träger nicht in Frage kommen, ganz abgesehen davon, daß zwischen diesem und den Lerchen­ köpfen kein unmittelbarer Zusammenhang besteht, sondern die Senke des Badautales sich auftut. Dann sollte man ihn seinem alten Gebiete, der ebenen Fläche zwischen den Anhöhen des Magdbettes und der Lerchenköpfe westlich der Poststraße im Jagen 69, wiedergeben und könnte ihn noch ausdehnen über die unmittelbare südliche, gleichartige Fortsetzung des­ selben, über das Bruch zwischen dem Magdbette und dem Bruchberge im Jagen 51, wie es schon auf der alten Karte B

*) P. Günther, Der Ambergbau, 1887, S. 402. 12 178 um 1700 und der Andreasberger Forstkarte von 1732 (S. 144, Nr. 3 und 4) geschehen ist. D ieses je tz t nam enlose Gelände hat als letzter Rest des alten Großen Roten Bruches, als nächster Nachbar des alten seesischen Rinderhagens und als unmittelbare südliche Fort­ setzung des eigentlichen alten Lerchenfeldes den besten Anspruch auf Anteil an diesem Namen. Als Standort der Zwergbirke und überhaupt an allen den Stellen, wo das alte Lütge Rote Bruch gemeint ist, müssen wir den Namen aus den Floren verweisen und dafür Rad au er Born setzen, z. B. bei L. L oesk e, Moosflora des Harzes 1903, S. 112, 113, 115, 145. Dafür verdient er wohl, daß er, indem ihm sein alter und berechtigter Platz zurückgegeben wird, aus der Totenstarre des Bücherdaseins wieder zum Leben im Munde des Volkes zurückgerufen wird.

Die Brücher mit Betula nana im wesentlichen doch Sphagneten.

Im Anschluß hieran muß ich noch einige Bemerkungen zu der Schilderung machen, die W . V o ig tlä n d e r-T e tz n e r *) und 0. D ru de**) von ihrem Lerchenfelde, also vom Radauer Born geben. Ersterer sagt: „Eine besondere Art des Hoch­ moores ist auch das mit Betula nana. Während sich in den anderen Gegenden Deutschlands diese in den sogenannten Torf­ filzen, d. h. Mooren ohne Zwergsträucher, zusammen mit Pinus uliginosa findet, tritt sie im Harze im schwammigen Moosmoore nicht auf. Sehr lehrreich ist für diesen Fall das Vorkommen von Betula nana auf dem sogenannten Lärchenfeld hinter dem Torfhause. Es ist dies ein seltenes Moor, und zwar dadurch, daß Scirpus caespitosus in fast ungemischten Beständen von größeren Pflanzen auftritt und nur Empetrum nigrum in größerer Menge beigemengt erhält, während die größeren auf­ rechten Halbsträucher fehlen; diese werden eben durch Betula nana an jener Stelle vertreten.“ Und Drude in seinem grund­ legenden Werke: „(Betula nana) zeichnet besonders ein Moor in der Nähe (des Torfhauses) aus, welches fast nur aus Tricbo- phorum caespitosum gebildet ist mit viel Empetrum, und in dem die Zwergbirke ungleich niedriger und weniger strauchig verästelt bleibt als in den Sphagneten des Erzgebirges oder

*) Vegetationsformationen d. Brockengeb., Sehr. d. Nat. Y. d. Harzes i. Wernig. X, 1895, S. 104. **) Hercyriischer Florenbezirk 1902, S. 503. 179

Böhmer Waldes. In jenem Harzer Binsenmoor sind außerdem Juncus squarrosus, Carex canescens und vulgaris, einige Flecke von Calluna sowie einige spärliche Andromeda und Vitis idaea- Stengel mit sporadischem Sphagnum zu finden.“ Ich muß gestehen, daß ich die Sache bei meinen häufigen Besuchen etwas anders gesehen habe. Zunächst ist im ganzen die Grundmasse der ganzen Pflanzengenossenschaft dort oben wie auch im Boten Bruche entschieden noch ein Sphagnetum . Besonders gilt dies von dem Standorte der Betula nana am N ord ran d e, wo diese zwar in niedrigem Kriech - wüchse, aber jugendlich-kräftig um sich greifend, eine Fläche von 9a überspinnt. Sphagnum m edium , m olluscum und a cu tifoliu m , P oly trich u m und H ypnum bilden hauptsäch­ lich das Polster, in und aus dem die anderen Pflanzen hervor­ wachsen. Unter diesen macht sich freilich an erster Stelle Scirpus caesp itosu s bemerkbar. Im Juni zur Blütezeit sieht der über das Moor schweifende Blick die zarten Hälmchen der Rasensimse dicht wie ein Getreidefeld wogen und den Blüten­ staub in leichten Nebelschleiern in die zitternde Luft zerfließen. Aus den abgestorbenen Moosschichten der Tiefe drängen sich gesellig nebeneinander ihre vielverzweigten kräftigen Sympodien empor, aber über das lebende Moos erhebt sie sich hier wie größtenteils in beidenBrüchern in g etren n t h ervorb rech en ­ den Halmen als gleichmäßiger Basen. Dazwischen ist dann aber nicht nur vielEmpetrum, sondern auch Vaccinium oxycoccus, Dro­ sera rotundifolia und durchw eg recht viel C alluna, entweder im nassen Torfmoose hinkriechend oder zahllose etwas erhöhte, meterbreite dichtstruppige Bülten bildend. Andromeda und Eriophorum vaginatum sind auf dem Badauer Born spärlich, reich­ licher auf dem Boten Bruche. Im ganzen kann man die Genossen­ schaft beider Brücher als ein C a llu n e to -S c irp e to -S p h a g - netum bezeichnen, so auch am Nordrande des Badauer Bornes. Einzelne brunnenartige Wasserlöcher, manchmal bis zu mehr als 5 m Durchmesser, sind diesem Sphagnetum eingestreut, sie tragen in der Regel einen Kranz von flutendem Sphagnum cuspidatum, das an einer allmählichen Wiederausfüllung arbeitet. W o aber, wie das gerade in den mittleren Teilen leicht der Fall ist, sich die ganze Torfmasse etwas gesackt hat, wird sie für das Himmelswasser weniger durchlässig; zahlreiche kleine Wassertümpel fließen zu netzartigem Geäder zusammen. Das stehende Wasser löst allmählich Bodenstoffe auf und wird dadurch für Sphagnum zu nährsalzreich; auch siedeln sich feindliche Algen darin an. So wird Sphagnum mehr und mehr verdrängt. Der Boden selbst reichert sich, weil er nicht mehr

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durch beständige abwärts gerichtete Wasserströmung (nach C. A. W eber die Ursache und das unterscheidende Merkmal aller Hochmoorbildung) ausgewaschen wird, mit Torf säuren an. Nun erscheinen Scirpus caespitosus und Eriophorum vaginatum, die alle beide ihre autotrophen und keiner Mykorhiza bedürf­ tigen Wurzeln trotz zunehmenden Torf Säuregehalts bis in große Tiefen hinabsenken und sich dort mit Wasser und den spär­ lichen Nährsalzen versorgen können, in einer anderen Form. Sie bilden nun nicht mehr einen bald lockeren, bald dichteren Rasen, dessen Hälmchen einzeln die Moosdecke durchragen, sondern dicke hohe Büschel und Bülten; und das Ganze wird nun ein S p h a g n e to -C a llu n e to -S cirp e tu m oder zuletzt ein ausgesprochenes S cirp etu m ,in dem die Zwergsträucher, da ihre Mykorhiza-Einrichtung wegen der zunehmenden Versäuerung des Bodens schließlich den Dienst versagt, trotz der Wasser­ menge verdursten, so daß nur noch die dicken Simsen- und Wollgrasbulten wie Stümpfe aus dem zusammengesunkenen, nackten, braunen Torfschlick ragen. In der Nähe steiler Ränder, wie sie von alten Torfstichen oder tiefen Gräben gebildet werden, bietet sich wieder ein anderes Bild. Hier werden die Tageswässer zu rasch entführt, Sphagnum trocknet deshalb ein, stirbt ab, mit ihm Andromeda und Oxycoccus. Scirpus kann sich wieder mit seinen tief­ gründigen Wurzeln helfen und die anderen Zwergsträucher in dem nun torfsäureärmeren Boden mit ihrer Mykorhiza. Daher wird Scirpus wieder dickbüschelig und Calluna zu hohem, dichten Gestrüpp, dazu gesellen sich Cetraria islandica, Cla- donia rangiferina, Trientalis, Vaccinium uliginosum, vitis idaea und myrtillus: ein S c ir p e to -V a c c in ie to - C allunetum , in welchem zuletzt die Heide und die Heidelbeersippe den Sieg auch über die Rasensimse davontragen. Dann tritt auch die Fichte in den Verband ein. Solche Scirpeto-Vaccinieto-Calluneten sind z.B. der Standort der Betula nana am Südrande des Radauer Bornes sowie alle die alten im Roten Bruche, alle durch Wasserentziehung entstanden infolge von Eingriffen der Menschenhand. Hier findet sie sich in alten Büschen mit l 1/^ cm dicken und 30 cm hohen flechtenbesetzten Stämmchen meist reichlich blühend, aber ohne einen Kranz von jungem Nachwuchs. Sie haben sich einst angesiedelt, als die Stellen noch Sphagneten waren, und haben sich bis jetzt gut gegen die inzwischen anders gewordenen Lebensbedingungen behauptet, da ihnen bisher noch nicht das genommen ist, was sie nicht entbehren können, das volle, uneingeschränkte Tageslicht. Die Büsche 181

auf dem Lerchenfelde neben der Försterei sind eben zugrunde gegangen, als ihnen von den heran wachsen den Fichten dieses gesperrt wurde. Der durch den Abbegraben und dessen Fichtensaum jetzt vollständig abgetrennte, etwa 20m höher liegende südliche Teil des alten Lütgen Roten Bruches, der mit einem frischen Torfstich südlich vom Magdbett hart an die Poststraße tritt, zeigt in seinem Pflanzenkleide einen merklichen Unterschied von dem nördlichen, dem Radauer Borne. Wenn die auf S. 180 ausgesprochene Ansicht, daß das Scirpetum eine durch physi­ kalische Veränderungen des Bodens verursachte spätere Ent­ wickelungsform des Sphagnetums bildet, richtig ist, so muß dieser Teil des Bruches älter sein. Hier tritt das Sphagnum überall zurück, der Pflanzenverein stellt hier ein S p h agn eto- C a llu n e to -S cirp etu m mit vielEriophorum vaginatum, stellen­ weise ein vollständiges E rio p h o reto - Scirpetum mit weit eingesprengtem Fichtenanfluge dar. Die Z w e rg b irk e kom m t auf ihm nicht vor, ist auch in diesem Verbände nicht zu erwarten. Da dieses immer noch ansehnliche Bruch jetzt ganz namenlos ist, so möchte ich den Forstleuten vorschlagen, ihm den Namen wiederzugeben, den schon die Goslarsche Forstkarte von 1540 für das Gelände südlich des Magdbettes an die Hand gibt, n äm lich „Schw arzes B ruch “. Der Name liegt um so näher, als unmittelbar südlich der Forstort „Schwarze Tannen“ daran stößt.

Pflanzengenossenschaft der Hochmoor-Rillen.

Die von 0. D rude noch als bemerkenswerte Mitbewohner des Radauer Borns genannten Juncus- und Carex-Arten sind mir auf der unversehrten Hochmoorfläche selbst nicht auf­ gefallen, wohl aber in einer 25 bis 30m breiten, 3 bis 4m tiefen und mehrere hundert Meter langen Furche, die im westlichen Teile nicht weit vom Südrande mit einer weiten kesselförmigen Vertiefung beginnt und von hier zum Nordwestrande ausläuft, den westlichen Teil des Bruches so von der Hauptmasse zum Teil abschneidend. Hier haben wir an den Hängen, wo diese nicht durch den um 1857 betriebenen Torfstich verwüstet sind, einen angeflogenen kräftigen Fichtenbestand und dichtes Heide­ gestrüpp mit Empetrum, Vaccinium uliginosum, V. vitis idaea, V. myrtillus, mit Melampyrum pratense und Trientalis, kurz eine Genossenschaft ähnlich der Art, wie sie C. A. W eber für 182

die Böschungen seiner „Rüllen“ im Augstumaler Moor*) be­ schrieben hat, nur natürlich mit Wegfall der Kiefer, ein S p h a g n e to -P ice to -C a llu n e tu m . Auch das Rillenbächlein fehlt nicht. Es entwässert nach Norden zur Radau, ein w irk ­ lich er R adauborn , und sein sich hin und her windender Wasserfaden ist dicht umsäumt von Sphagnum, Polytrichum, Dicranum, von Juncus squarrosus und conglomeratus, von Carex canescens und echinata, von Eriophorum vaginatum und angustifolium, kurz von einem S p h a g n e t o -C a r ic e t u m , zu dem sich schließlich auch Galium saxatile, Tormentilla und Aira caespitosa gesellen**). Auch im Roten Bruche haben wir Rillenbildung, und zwar anscheinend sogar eine beginnende, nämlich eine unterbrochene Rille. In der Nordwestecke des Hauptmoores links der Bode erhebt sich aus einer etwa 40m langen, 10m breiten und 21/2toci tiefen, gewundenen, grabenartigen, aber wasserleeren Einsenkung, und zwar aus der einen Seitenböschung ein von trockenem Waldboden gebildeter Höcker bis zur Höhe der um­ gebenden Hochmoorfläche. Der Höcker ist ohne Strauchwuchs, nur von trockenen Fichtennadeln bedeckt und trägt ein paar stattliche Fichten; die Grabenränder sind mit dem schon als S p h a g n e to -P ic e to -C a llu n e tu m gekennzeichneten Rillen- hangbestande, Fichten, Moorbirken mit langem Heide- und Heideibeergestrüpp, zu dem sich hier Cetraria islándica, Cla- donia fimbriata und viel rangiferina gesellt, bekleidet. In der Längsrichtung des Grabens schließt sich nach Süd westen zu, der sanften Geländeabdachung folgend, auf einer Strecke von 250 bis 300 m eine Reihe von 2 bis 3 m weiten und 2 bis 2 1/2 m tiefen, wasserfreien, steilrandigen Löchern an, von denen noch zwei an ihrem Rande hochstämmige Fichten mit Heideunter­ wuchs tragen, eine in die Augen fallende Erscheinung auf der öden Fläche. Am nordöstlichen, d. h. oberen Ende des Grabens aber hört man bei nassem Wetter von der Oberfläche des Bruches Wasser murmelnd in die Tiefe verschwinden. Ich

*) A. a. O. S. 79 ff. **) Das breite Fichtendickicht aber, das im östlichen Teile ganz vom Abbegraben her bis zur Abbe sich erstreckt und jetzt ein Stück Hochmoor vollständig abschnürt, bewohnt nicht eine Kille, wie 0. A. W eber S. 121 vermutet, wenigstens nicht nach seiner aus scharfer Beobachtung hervorgegangenen Begriffsbestimmung. Hier liegt eine von jeher bis auf die Granitsohle hinabgehende Unterbrechung des Hochmoores vor, in welche jetzt auch künstliche Abzugsgräben entwässern, mit einem Gewirr von Felsblöcken, deren Spalten unter den Fichten von dichtem Heidelbeergestrüpp übersponnen sind. 183

vermute, daß unter dem erwähnten Höcker sich ein Hügel des alten, unmittelbar auf dem Granit ruhenden Waldbodens ver­ birgt, an dessen Fuße entlang sich ein Wasserlauf gegen Süd­ westen nach der Bode zu schlängelte. Bei der Bildung des Hochmoores ist dieses nur eben über den Gipfel des Hügels hinweggekrochen und hat den Bach in seiner ganzen Länge bis zur Bode überwölbt. Uber diesem ist dann unter ihrem eigenen Drucke die stetig wachsende Torfdecke an den Punkten des geringsten Widerstandes eingestürzt — ein Vor­ gang, der sich ganz der Bildung der reihenweise über aus­ gelaugten Röt- und Zechstein * Gipslagern auftretenden Erdfälle an die Seite stellen läßt. Und wie solche Erdfälle hier und da dann zur Bildung von Einsturztälern geführt haben, so kann auch die Reihe dieser „Torffälle“ in einem sich selbst über­ lassenen Hochmoore sich zu einer Rille auswachsen. Es bedarf dann schließlich nur noch eines Einsturzes an geeigneter Stelle neben dem alten Hügel, um hier den unterirdischen Bach auf­ zustauen und ihn zu zwingen, an die Oberfläche zu treten und seinen Weg weiter in der schon vorgebildeten Rille zu suchen. Hier im Roten Bruche erreicht übrigens die Reihe der Ein­ sturzlöcher nicht ganz den Südwestrand des Bruches, etwa 100 m davon hört sie mit einem fichtenumkränzten Trichter auf. Nahe bei diesem bildet sich aus zahlreichen Wasserlachen zwischen derben Simsen- und Heidebulten ein Wasserlauf auf der Hochfläche, der bald von dem Grenzgraben des Hochmoores aufgenommen und so zur Bode abgeführt wird. Der unter­ irdische Wasserlauf muß hier in das quellige Caricetum gehen, das die Bode auf der linken Seite begleitet. Einen bis jetzt noch einsam daliegenden „Torffall“ stellt auch das auf S. 170 erwähnte Loch auf der rechten Bodeseite dar, an welchem der einzige Binnenstandort der Zwergbirke liegt. Auch hier tritt neben dieser die gewöhnliche Pflanzen­ decke des Rillenhanges auf. Daß aus einer Reihe solcher Einstürze wirklich eine 'Rille entstehen kann, dafür liefert das eigentliche Brockenfeld den Beweis. Im nördlichen Teile desselben zieht sich von Osten nach Westen eine wohl 300 m lange Rille, die durch ihre viel­ fachen kesselförmigen Erweiterungen ihre Entstehungsweise verrät. Die Hänge tragen das Sphagneto-Piceto-Callunetum mit recht stattlichen, schön gewachsenen Fichten; auch ein kleines Wässerchen mit dem Caricetum - Saume schlängelt sich darin entlang. Aber kaum noch 20 m vom Westrande des Bruches entfernt, schließt plötzlich die Rille mit einem tiefen, geräumigen Kessel ab, und der Wasserfaden verschwindet noch 184

vor dem Eintritt in denselben in der Tiefe, so daß der Boden trocken liegt, eine V erk arstu n g des H ochm oores. Das Vaccinieto - Callunetum geht hier deshalb bis auf die Sohle herab, und wer im August hierher kommt, der findet hier den Tisch mit Heidelbeeren in ausgesuchter Fülle und Größe, von keinem gewerbsmäßigen Sammler angetastet, gedeckt. Vom Moore umschlossen ein stilles, lauschiges, einsames Plätzchen. Vielleicht ist auch die S. 172 erwähnte Schießgirrener Rülle im Hochmoor von Augstumal nach der Beschaffenheit ihres Wassers in der oben geschilderten Weise aus einer Beihe von Einbrüchen entstanden, in die schließlich der durch die ein­ gestürzten Gewölbemassen aufgestaute unterirdische Bach ein­ getreten ist; nur daß dort alles in zehn- oder zwanzigmal größerem Maßstabe vor sich gegangen ist als im Harze*).

Siedelung der Zwergbirke.

Die eigentliche Heimat der Zwergbirke ist die Tundra des hohen Nordens der Alten und Neuen Welt. Hier wird sie bis über halbmeterhoch mit lockeren, breiten, flachen Kronen. Sie ist fast die Leitpflanze dieses Gebietes. Von dort ist sie während der Eiszeit, wie die gesamte Pflanzengenossenschaft der Tundra, bei jedem Vorstoße des nach Süden und Südwesten vorrückenden Inlandeises weitergeschoben, bis Mitteleuropa gewandert. In den Zwischeneiszeiten aber wird sie, dem weichenden Eise folgend und in die alte frei gewordene Heimat zurückkehrend, das besetzte Gebiet jedesmal wieder geräumt haben. Da während der vorletzten Eiszeit das Nordlandeis fast bis an die mittel­ deutsche Gebirgsschwelle herantrat und gleichzeitig die Alpen­ gletscher bis weit ins Alpenvorland rückten, stand ganz Mittel­ und Süddeutschland unter Tundrenklima, so daß sich die Zwergbirke von einem bis zum anderen Eissaume verbreiten konnte. Als dann in der letzten Zwischeneiszeit die Eismassen sich wieder nach Norden und Süden zurückzogen, folgte ihnen die Zwergbirke nach beiden Richtungen hin und wanderte so auch in die Alpen ein. In der letzten Eiszeit ist sie dann noch einmal von beiden Seiten her auf den Boden Deutschlands gedrängt worden und hat in der folgenden Nacheiszeit diesen nicht vollständig wieder geräumt.

*) C. A. W eb er gibt a. a. 0. S. 109 und 116 eine andere Ver­ mutung über die Entstehung dieser Rille und ihres Baches, die ich mit meiner Bemerkung selbstverständlich nicht umgestoßen haben will. 185

Nach G. K le b s*) wird bei vielen Blütenpflanzen das Blühen befördert durch Verminderung der Nährstoff auf nähme aus dem Boden, gleichgültig ob diese bewirkt wird durch unmittelbare Beschränkung des Düngers oder durch Ringel­ schnitt oder durch Beschneidung der Wurzeln oder durch niedere Temperatur, kurz durch irgend eine Maßnahme, durch welche das Wachstum eingeschränkt wird. Zur Herbeiführung der Blütenbildung muß erst der organische Stoff bis zu einer der betreffenden Art eigentümlichen Höhe angereichert werden. „Die Außenwelt entscheidet, ob überhaupt und zu welcher Zeit und in welchem Grade die Fortpflanzung an Stelle des vege­ tativen Wachstums tritt. Es sind quantitative Änderungen der gleichen äußeren Bedingungen, welche diese Entscheidung herbeiführen. Für die Blütenbildung muß in den Zellen ein anderes Verhältnis der inneren chemisch-physikalischen Be­ dingungen herrschen als für das Wachstum. Ich nehme an, daß eine quantitative Steigerung der Konzentration organischer Stoffe mit allen ihren physikalischen und chemischen Folgen eine wesentliche Rolle bei dem Übergang vom Wachstum zur Fortpflanzung sp ie lt.“ Dieser neue Gesichtspunkt gibt eigentlich erst eine befriedigende Erklärung dafür, daß die Eiszeitpflanzen in der Nacheiszeit trotz der nun unzweifelhaft besseren Wachstums­ bedingungen bei uns größtenteils ausgestorben sind. Die Einzelpflanze stand sich ohne Zweifel jetzt besser, der Tisch war für sie jetzt reichlicher gedeckt, und bei der guten Er­ nährung mußte die Körperentwickelung wohl gedeihen. Aber diese Mästung hatte für sie ungefähr die Bedeutung einer Ver­ schneidung: die Hervorbringung von Nachkommenschaft geriet ins Stocken. Die Einzelpflanze lebte auf Kosten der Art. Wo dagegen infolge besonderer Umstände die Lehensverhältnisse die alten blieben, war natürlich die Möglichkeit gegeben, daß Eiszeitgewächse ihre Art bis in die Jetztzeit fortpflanzten. Wir gelangen auf diesem Wege aber auch zu einer Erklärung für die sonst ganz rätselhafte Tatsache, daß einzelne solche Hinter­ bliebenen der Eiszeit sich an Stellen erhalten haben, an denen ihnen weder das Klima der Tundra noch des Hochgebirges geboten wird. So haben sich Arabis alpina, Arabis petraea und Gypsophila repens gerade an den sonnigen Gipsfelsen am Rande des Südharzes gehalten und sonst in ganz Nord- und Mittel­

*) Über Probleme der Entwickelung: Die äußeren Bedingungen der Blütenbildung. Biolog. Centralblatt 1904, S. 545—554. Mit­ geteilt in Naturw. Bundschau 1904, Nr. 48, S. 612— 614. 186

deutschland nicht. Nicht die niedrige mittlere Wintertemperatur ist ihnen an und für sich ein Lebensbedürfnis, sondern nur für die Fortpflanzung ist sie notwendig, insofern sie die zur Blüten­ bildung nötige Konzentration organischer Stoffe durch zeit­ weilige völlige Unterbindung der Wasserzufuhr bewirkt. Im Grunde genommen liegt auch für sie wie überhaupt für das Pflanzenreich nach der guten wie nach der schlimmen Seite die Bedeutung des Winters nicht darin, daß er die kalte, sondern daß er die dürre Jahreszeit ist. Wenn also jene Unter­ bindung auf andere Weise als durch langen strengen Winter erzielt werden kann, bei den genannten Arten z. B. durch den dürren Standort, so gewöhnt sich die Pflanzenart auch an ganz andere Lebeusbedingungen, und aus dem Eiszeitgewächs wird eine sonnenliebende Dürrlandpflanze. Die Zwergbirke ist von den Hochmooren des norddeutschen Tieflandes, wo in der Nacheiszeit infolge des milderen Klimas und der längeren alljährlichen Zuwachsfrist ihr Wachstum zwar begünstigt wurde, aber auf Kosten ihres Fruchtbildungsver­ mögens, jedenfalls aus Mangel an genügender Nachkommen­ schaft beinahe ganz verschwunden. Nur auf dem alten Moränen­ boden im Osten der Lüneburger Heide und im ostbaltischen Moränengelände ist je ein Rest bis auf unsere Tage gekommen. Nach H. C on w entz*) finden sich im Torf westpreußischer Hochmoore Reste von ihr gar nicht so selten. Und als Gegen­ stücke hierzu haben sich auch auf den „Moosen“ des schwäbisch­ bayerischen Alpenvorlandes einige Vorkommen erhalten. In den höchsten der deutschen Mittelgebirge, wenigstens in der Höhe, unter welche die Zwergbirke hier nicht herab­ kommt, nämlich von 760 m aufwärts, sind auf den Torfmooren anscheinend die klimatischen Bedingungen für ihre geschlecht­ liche Fortpflanzung immer so ziemlich erfüllt geblieben, oder nur ganz vorübergehend außer Geltung gesetzt gewesen. Für unsere Harzer Zwergbirke führt dort oben in den Brüchern am Fuße des Brockens bei 800 m Höhe der sieben Monate lange Winter die zur Blüten- und Samenbildung nötige Anreicherung des organischen Stoff Vorrats herbei, und gleichzeitig bewirkt die andauernde strenge Kälte die Umwandlung einer genügenden Stärkemenge in Zucker. Sie scheint aber auch im Harz nicht eben höher gehen zu können. Vermutlich wird ihr bei ihrem großen Lichtbedürfnis der Aufenthalt auf den über 900 m, also im Bereich des wolkenverdichtenden und wolkensammelnden

*) Betula nana lebend in Westpreußen, Naturw. Wochenschr. 1901, I, S. 10. 187

Einflusses des Brockengipfels, gelegenen Brüchern nichtZ u ­ sagen. Mir erscheint es auch aus diesem Grunde zweifelhaft, ob sie wirklich einmal auf der Heinrichshöhe bei 1035 m einen natürlichen Standort besessen hat. Ich möchte an dieser Stelle noch das Ergebnis eines Ver­ suches mitteilen. Vom Nordrande des Radauer Bornes habe ich 1901 mehrere kräftige Büsche nebst den Begleitern Empetrum, Vaccinium oxycoccus, Andromeda, Drosera rotundi- folia, auch Calluna auf ein gut gedüngtes, sonst aber den natürlichen Bedingungen angepaßtes Torfbeet in meinem Garten in Braunschweig verpflanzt. Die Andromeda und die Drosera gingen bald ein, Calluna und oxycoccus sind schwächlich ge­ worden, besser hat sich Empetrum gehalten. Die Betula aber hat die Umsiedelung, ohne im geringsten zu kümmern, ertragen und gedeiht üppig bis auf den heutigen Tag: die Ruten und Blätter sind dunkler, derber, größer geworden, und die wenigen Büsche stellen jetzt ein dichtes Gewirr von meterlangen, blei­ stiftdicken Zweigen dar; aber nicht einer dieser kräftigen Triebe hat bis jetzt geblüht, trotzdem ich seinerzeit einzelne Büsche mit Kätzchen eingepflanzt habe. Der Pflanze fehlt hier unten der lange schwere Winter: die Körperentwickelung ist ins Massenhafte gesteigert, die Fortpflanzungsfähigkeit aber gehemmt. Die Zwergbirke findet sich in der Gegenwart außerhalb des arktischen Tundragürtels, ihres Ursitzes, versprengt durch ganz Sibirien, durch das nördliche und mittlere Rußland bis Moskau, Litauen und Livland, auf der Insel Oesel, reichlich auf den skandinavischen, spärlich auf den schottischen Gebirgen. Das norddeutsche Tiefland besitzt nur, soweit jetzt unsere Kenntnis reicht, die schon erwähnten beiden Vorkommen bei N eu -L in u m in der Nähe von Thorn und bei B od en teich in der Lüneburger Heide. Die deutschen Mittelgebirge beherbergen sie außer im Harz .noch an der Hohen M ense (Seefelder), am Iserkam m (Iserwiese), im E rzg e b irg e (bei Gottesgab von Reitzenhain bis Frühbuß) und im B öhm erw ald (Außergefild, Fürstenhut, Kuschwarda); die. Höhen dieser Standorte liegen zwischen 760 m (Seefelder) und 1050 m (Seefilz bei Außergefild). Im Alpenvorlande findet sie sich bei Reichenholzried, Schongau, Reichenhall. Eine ziemliche Menge Standorte werden dann noch aus dem Schweizer Jura und einige wenige aus den benachbarten Alpengruppen sowie aus den Ostalpen angegeben. Von allen diesen Vorkommen zeichnen sich die Harzer durch besonders niedrigen Kriechwuchs und durch die Spärlichkeit deutlicher Stämmchen- und Kronenbildung aus. Letztere treffen 188

wir nur in den sehr alten Siedelungen auf den trockenen Scir- peto-Vaccinieto-Calluneten an. Die Harzer Betula nana ist ohne alle Frage rasserein und ungekreuzt, was von den beiden Vorkommen bei Bodenteich und bei Thorn nach dem meterhohen oder noch höheren Wüchse nicht so ganz zweifellos zu sein scheint. Sie ent­ spricht in allen Punkten derBeschreibungD e c an­ doll e’s im Prodromus System atis naturalisX VI : „Suffrutexramosissimus ; rami adscendentes vel prostrati; ramuli eg- landulosi erecti, novelli plus minusvepubescentes et deinde saepissime gla- brescentes. Folia minima usque l 1/4poll. (? rectius 10 mm) diametro aequantia, saepissime subrotunda, saepelatiora quam longa, obtusissima vel subtruncata, basi rotunda, grosse simpli­ citer vel duplicato - cre- nata, supra nitida, sub- tus reticulato-venosa et punctulata.“ In bezug auf die Anheftung der weiblichen Kätzchen widersprechen sich die Angaben der Floren : B e tu la nana mit ? Kätzchen n a ch e ü ü g e n BoUen gie 3. £. (naturl. Große). sitzend, nach anderen kurz gestielt sein. Das letztere ist nach meinen Beobachtungen an dem Harzer Vor­ kommen richtig; stets ist ein 1 bis 3 mm langes Stielchen vor­ handen, entsprechend der Linnéschen Beschreibung: „Amenta feminea in quovis ramo numerosa, solitaria, axillaria, pedi- cellata, plerumque ovata.“ Auch Decandolle sagt: „Strobili bréviter pedicellati.“ Mit den männlichen geht es mir wie Gaudin: Amenta mascula non vidi. Nach Linné sind diese „crassiora quam feminea, solitaria, sessilia, aphylla, erecta, 189 infra feminea sita“. Ferner beschreibt D ecan d olle: „Squamae cuneiformes vel obovatae, saepe usque ad medium, rarius minus profunde trilobae. Samararum ala saepissime angustissima, rarius nucula dimidio vel paullo tantum angustior.“ Daß wir die Zwergbirke im Harze am Rande der Brücher antreffen — mir ist unter neun Standorten nur einer im Innern eines solchen bekannt — läßt sich wohl so erklären: Die Erhöhung eines Hochmoores ist stets an das Vor­ handensein einer Sphagnumdecke, mag diese nun rein oder mehr oder weniger von höheren Pflanzen durchsetzt sein, geknüpft. Sie kommt dadurch zustande, daß sich fort­ während die lebende Moosschicht, deren Mächtigkeit vielleicht 5 bis 10 cm beträgt, um einen gewissen Betrag durch Zuwachs erhöht, dem dann unten ein Absterben von gleichem Betrage entspricht. Die eingestreuten höheren Pflanzen müssen, wenn sie sich in einem solchen wachsenden Torfmoore erhalten wollen, imstande sein, durch Bildung von Adventivwurzeln fortwährend der Bodenerhöhung entsprechend ihre Bewurzelung weiter nach oben zu verlegen. Jenes Wachstum des Torfmooses ist aber wieder daran gebunden, daß in reichlicher Menge vorhandenes Himmels wasser, mag es als Schnee oder Regen oder Tau fallen, ununterbrochen nach unten abgeführt wird und das Empor­ steigen eines nährstoffreicheren Grundwassers verhindert. Das letztere ist dem Torfmoos jedenfalls nicht zuträglich, sei es, daß es ihm unmittelbar schadet, oder daß es das Gedeihen von höheren Pflanzen sowohl als von Algen befördert, die das Moos ersticken. C. A. W eber hat in seinem Werke über das Hochmoor von Augstumal dies Verhältnis kurz so ausge­ sprochen: „Alle Hochmoorbildung beruht darauf, daß in einem physikalisch nährstoffarmen Boden der abwärts dringende Strom des Meteorwassers stärker ist als der kapillar aufwärts ge­ richtete eines verhältnismäßig nährstoffreichen Grundwassers.“ Daraus ergibt sich, daß das Torfmoos auch auf dem schon vorhandenen Hochmoor nur da gedeihen kann, wo dessen Boden bis zu einer gewissen Tiefe hin locker genug ist, um einer solchen ständig abwärts gerichteten Wasserströmung den Weg offen zu halten. Wenn aber, worauf schon oben hingewiesen ist, der Torfboden durch sein eigenes Gewicht zusammensackt, wie das häufig in der Mitte des Hochmoores geschieht, so gerät diese Strömung ins Stocken. An solchen Stellen geht das Torf­ moos schließlich ein oder schrumpft zu zerrissenen Flecken zusammen. Die Tages wässer bilden auf der nackten Torf Ober­ fläche netzartig zusammenfließende Rinnsale oder auch ansehn­ liche, bis zu 30 m Durchmesser haltende Teiche, wie sich z. B. 190

einer im Koten Bruche westlich der Bode, ein anderer im Oder­ bruche nicht weit von Oderbrück findet. „Schwarze Sümpfe“ werden sie hier genannt. Aber auch die Zwergsträucher, vor allem Oxycoccus, dann aber auch Andromeda, Empetrum ver­ schwinden oder kümmern. Der Grund wird sein, daß nun die Torfsäuren, die in lo c k e r e m Torfboden durch den abwärts gerichteten Strom des Himmelswassers in angemessener Ver­ dünnung gehalten werden, sich bis unter die Oberfläche zu sehr anreichern, so daß jetzt selbst die mit Ammenpilzen zu Mykorhizen vergesellschafteten Saugwurzeln dieser Sträucher nicht mehr imstande sind, ihnen das zum Gedeihen nötige Wasser in der geeigneten Beschaffenheit zuzuführen. Höchstens die Heide, die ja eine ausgesprochene Dürrlandpflanze ist, findet hier noch ihre Daseinsbedingungen. Nur Scirpus caespitosus und Eriophorum vaginatum, die mit ihren autotrophen Wurzeln vielleicht metertief gehen können, gedeihen hier ohne jede Be­ einträchtigung und bilden die dicken Hörste. D ann is t es aber auch mit der Erhöhung des Moores vorbei. Auch wenn jeder menschliche Eingriff unterbleibt, kann ein solches nicht schrankenlos emporwachsen; schließlich muß es einmal (wenn nicht etwa ein Moorausbruch erfolgt) einen Beharrungszustand als Scirpetum oder als Callunetum erreichen. Anders am Bande der Brücher. Im allgemeinen liegen hier ja, da das im Naturzustände befindliche, d. h. durch keinen Graben eingedämmte Hochmoor „um sich frißt“, die jüngsten Bildungen. Der Boden ist hier durchweg noch locker genug, um das Wasser langsam nach unten sich hinabsenken zu lassen. H ier fin den wir deshalb auch je tz t noch in den eingedämmten Hochmooren die am wenigsten von Scirpus caespitosus durchsetzten Sphagnum­ polster, und diese bieten den keimenden Pflänzchen der Zwergsträucher die beste, denen der Zwergbirke aber wahrscheinlich die einzige Gelegenheit zur An­ siedelung. Hier wird weder ihren oberirdischen Teilen durch zu dicht stehende hochwüchsige Pflanzen das nötige Licht entzogen, noch werden ihren Wurzeln, bevor sie genügend mit Mykorhiza ausgestattet sind, durch zu gedrängt stehende und sich zu breit machende Sympodien jener tiefgehenden Sauer­ gräser die nötigen Nährstoffe und das nötige Wasser vorenthalten. Erst wenn die Zwergbirke aus den Kinderschuhen ist, kann sie auch unter schwierigeren ErnährungsVerhältnissen weiterkommen, wie ihr Fortbestand in jenen durch Menschen­ hand herbeigeführten zusammengetrocknetenScirpeto-Callu- 191

neten zeigt, die durch sie geradezu zu B etuleten geworden sind. Zwar ist der Boden durch die Anlegung der Gräben wasserarmer geworden, aber diese entführen gerade das tiefere angesäuerte Wasser, und dadurch, wie durch die Durchlüftung und vermehrte Oxydation im Boden, werden die Zwergsträucher in ihrem Wettbewerb mit den Sauergräsern günstiger gestellt. Die schon bestehenden Büsche gedeihen ohne merkbaren Nach­ teil weiter und können es, wie die dicken Stämmchen zeigen, zu hohen Jahren bringen. Sie fruchten auch reichlich, wie das meist die Pflanzen tun, denen das Leben etwas schwer gemacht wird; aber die Beschaffenheit des Bodens in unmittelbarster Nähe, die dicken Simsen- und Heidehörste lassen keinen jungen Nachwuchs hochkommen. Diese verhindern die durch den Wind dorthin verwehten schmalgeflügelten Früchte, den zum Keimen nötigen feuchten Moosgrund zu erreichen, und wenn ja ein Samen zum Keimen gelangt, so erdrücken sie das Pflänzchen unter der Erde und über der Erde. Die Gelegenheit aber zur weiteren Verschleppung der Früchte auf günstigeren Boden wird jedenfalls bei dem Mangel an tierischen Gästen recht spärlich geboten werden. Daher die Seltenheit jüngerer Basen. Nur wo, wie bei dem Einsturztrichter auf der rechten Seite der Bode, zufällig infolge einer Ausfüllung von Vertiefungen durch Neubildung neben dem Scirpeto - C alluneto - B etuletum ein z ie m lic h r e in e s S p h a g n e tu m entstanden ist, da dringt dann junger Nachwuchs in dieses ein, und da finden wir alt und jung zusammen (S. 171). Übrigens halte ich es nicht für ausgeschlossen, daß in einer längeren Beihe von nassen Jahren ein zu rasch wachsendes Sphagnum ganz jugendlichen Pflanzen, solange wegen der geringen Beblätterung deren baustoffbildende Tätigkeit und dementsprechend auch deren Zuwachs nur unerheblich ist, ebenfalls den Erstickungstod bereiten kann. Die weit im Moose hinkriechenden Zweige erwachsener Zwergbirken sind doch ursprünglich ebenso wie die der Heide oberirdisch als prostrati angesetzt worden, sind dann aber vom Moose überwachsen und gezwungen worden, Beiwurzeln zu bilden und ad- scendentes zu werden. Es fragt sich aber, ob die eben ge­ keimte Betula schon die Fähigkeit besitzt, sich unter solchen Umständen den Kopf frei zu halten. Beobachtungen, die ich an einer ihrer jüngsten Ansiedelungen gemacht habe, lassen fast darauf schließen, daß sie in diesem Punkte für den Wettbewerb nicht so gut gerüstet ist als Calluna und die anderen Klein- sträucher der Torfmoore. So muß die Z w e rg b irk e unter ihrem Nachwuchs nicht nur vonseiten der Caricaceen, 192 sondern wahrscheinlich auch manchmal vom Sphag­ num eine strenge Auslese dulden.

Rückblick auf die Harzer Vorkommen der Zwergbirke. Wenn ich im vorstehenden nur zwei Verbreitungsgebiete der Zwergbirke im Harze, nämlich L e rc h e n f eld -R a d au er Born und R otes B ru ch , als sicher festgestellt behandelt habe, so habe ich absichtlich keine Rücksicht genommen auf das von G. F. W . M eyer angegebene bei „Schierke im Bruche hinter den Feuersteinklippen“. Die Späteren melden von diesem Vor­ kommen nichts. Erst P eter, Flora von Südhannover 1901, gibt auch dieses wieder unter Berufung auf G. F. W . M ey er; da er indes weder anzeigt, daß er sich selbst von der Richtig­ keit der M eyer sehen Angabe überzeugt hat, noch, daß ihm Belege beigebracht sind, so hat die Anführung derselben nur eine bibliographische Bedeutung. Von den Brüchern, die hinter den Feuersteinklippen hier in Frage kommen könnten, waren das Mooks- und das Hilmsbruch schon vor 50 Jahren nach dem alten Meßtischblatte Elbingerode vollständig mit Fichten bestanden, und das Jakobsbruch zwischen Erdbeerkopf und Hohnekamm, welches damals noch offenes Hochmoor war, ist seitdem auch dem Waldbau fast vollständig gewichen. Ich habe an diesen Stellen wie in dem Bruchgelände am Südwestabhange des Hohnekammes vergeblich nach Betula nana gesucht. Nach einer Mitteilung von Herrn Förster K ü h n em u n d, der seit vielen Jahren schon im Schierker Revier im Forstdienst steht, ist sie auch an anderen Stellen des Schierker Reviers, wo sie nach der Überlieferung Vorkommen soll, weder von Herrn Prof. Dr. P eter in Göttingen noch von Herrn Museumsdirektor Prof. Dr. M erten s in Magdeburg noch von ihm selbst bisher gefunden. D ies V orkom m en muß dem nach wohl auch endgültig als erloschen angesehen werden, wenn es überhaupt bestanden hat. Dasselbe gilt auch von dem auf der Heinrichs­ höhe, welches J. G. Zinn 1757 angegeben hat. In dem am Fuße der Brockenkuppe gelegenen Bruche, von dem der schon zu Zinns Zeit, nämlich seit 1744, betriebene Torfstich nicht viel im Urzustände übrig gelassen hat und das jetzt auch noch von der Brockenbahn durchschnitten wird, ist wenigstens seit Menschengedenken die Zwergbirke nicht gesehen worden. Merkwürdig ist, daß schon G. H. W eber die Zinnsche Angabe gar nicht erwähnt und berücksichtigt. 193

Stellen wir nun die im botanischen Schrifttum angegebenen Harzer Vorkommen der Zwergbirke — abgesehen von solchen unbestimmten Angaben wie „um den Brocken“ bei A. v. H aller in seiner Enumeratio plantarum horti et agri Gotting. 1753 — nach der Zeitfolge ihrer ersten Bekanntmachung unter Hinzu­ fügung des betreffenden Gewährsmannes zusammen, so ergibt sich aus unserer Untersuchung folgende Reihe: 1. Heinrichshöhe von J. G. Zinn, Catalogus plantarum horti et agri Gottingensis 1757. — Seit langem, wahr­ scheinlich schon vor 1 778 erloschen. 2. Radau er Born v on G. H. Weber, Spicilegium florae Goettingensis 1778 unter dem Namen des Lerchen­ feldes. — Noch in mindestens zwei größeren Schwär­ men vorhanden. 3. Lerchenfeld von G. F. W* Meyer, Chloris Hannoverana 1836. — Seit den achtziger Jahren erloschen. 4. Schierke von G. F. W. Meyer, Chloris Hannoverana 1836. — Sehr zweifelhaft, jedenfalls jetzt nicht auf- z uf inden. 5. Rotes Bruch von E. Hampe, Flora Hercynica 187 3. — Noch in mindestens sieben kleineren Trupps vor­ handen.

Wie in dem Abschnitte über die Siedelung der Zwerg­ birke erörtert worden ist, muß für sie zur Aufbringung jungen Nachwuchses in bezug auf Klima, Ort und Zeit ein wahrscheinlich sich nur selten ereignendes Zusammen­ treffen verschiedener günstiger Umstände eintreten. Volles Bürgerrecht hat sie sich deshalb auf den Brüchern unserer deutschen Gebirge nicht bewahren können; nur in weit aus­ einander gesprengten Niederlassungen fristet sie ihr Dasein wie der nordamerikanische Indianer in seinen Reservationen. Auch sie ist einst Herrin gewesen über den Boden, auf dem ihr jetzt nur ein paar Zufluchtstätten in ablegenen Winkeln übrig geblieben sind. Mögen diese ihr auch Reservationen, wirkliche Schutzstätten werden, an denen der Mensch den Gefahren, die ihr die jetzige Natur des Landes schon bereitet, wenigstens nicht noch neue hinzufügt. Handelt es sich doch hierbei um die Erhaltung eines Naturdenkmals von hervorragender Bedeutung. Conw entz hat 1901 nach der Ent­ deckung des Vorkommens b eiN eu -L in u m bei dem preußischen Oberlandforstmeister mit Erfolg in Anregung gebracht, „das gesamte, die Birke beherbergende Hochmoor unter Ausschluß jeder Melioration im Engeren und Wei­ teren dauernd zu reservieren“. Die braunschweigische Staatsforstverwaltung hat schon seit mehreren Jahr-

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zehnten ihre Bewirtschaftungspläne so eingerichtet, daß alles vermieden ist, wodurch der Fortbestand der Zwergbirke im Boten Bruche gefährdet werden könnte. So ist Hoffnung vorhanden, ihre letzten Vertreter, die sich als „lebende Fossile“ bis in die Gegenwart gerettet haben, auch noch der Nachwelt zu erhalten. Wichtig ist dazu aber vor allem, daß auch die fü r den T au sch verk ehr sam ­ m elnden B ota n ik er diesen Schutz achten; gerade ihnen ist schon manches zum Opfer gefallen. Man wird es mir nicht als eine Abschweifung anrechnen, wenn ich an dieser Stelle den Wunsch ausspreche, daß man nicht nur die eine oder andere Seltenheit auf den Brüchern hier oben unter Schutz stellen, sondern sie selbst, die ganzen Brücher, als Bodengebilde ansehen möge, die so, wie sie sind, erhalten zu werden verdienen. Ein bedeutender Forstmann hat sie allerdings als eine „BodenVerwilderung schlimmster Art“ bezeichnet; er will nicht einmal an ihnen das Gute lassen, was man ihnen bisher immer noch nachgesagt hat, nämlich daß sie die Begeler des Wasserumsatzes und die Erhalter einer dauernden und einigermaßen gleichmäßigen Wasserführung der Flüsse sind! Ich bin durch die Gegengründe nicht überzeugt worden, daß es nicht so sei, und finde den Ausspruch des alten Klaus- thaler Forstrats W äch ter, daß sie die G letsch er des H arzes seien, noch immer zutreffend. Doch mag dem sein, wie ihm wolle: ich gebe auch die Boden Verwilderung zu. Aber sind die Brücher deshalb zu vernichten? Ist es richtig, den Boden der Heimat und das, was er hervorbringt, nur nach dem Geld­ erträge abzuschätzen? Wie der Mischwald, wie die natürliche Wiesenflur, so stellt auch das Hochmoor eine Pflanzengenossen­ schaft dar, die die Natur selbst durch den Ausgleich zwischen den Ansprüchen der Mitglieder harmonisch ausgestaltet hat, und als solche hat es auch seinen Platz an der Sonne zu be­ anspruchen. Jede einseitige und ausschließliche Durch­ führung des Nützlichkeitsgrundsatzes im Verkehr mit der Natur hat sich an dem Menschen noch immer sch ließlich gerächt. Gerade jetzt bricht sich allmählich die Erkenntnis Bahn, daß von früheren Geschlechtern durch zu schroffe Befolgung jenes Grundsatzes mancher Schaden' an­ gerichtet worden ist, worüber den Enkeln jetzt die Bechnung vorgelegt wird. Es sei auch daran erinnert, daß diese bis zu 5 m Höhe erreichenden Hochmoore für die Wissenschaft noch eine ganz besondere Bedeutung wegen der verwesungs- und fäulnis­ widrigen Wirkung der Torfsäuren haben. Was vor Jahrtausen- 195

den in den Torfboden eingebettet ist, geben sie in Mumienform jetzt wohlerhalten wieder her. Sie sind die A rch ive der Natur, mit deren Hilfe schon manches Rätsel der Vor­ geschichte und der Vorwelt gelöst worden ist und die deshalb nicht vernichtet, sondern sachverständig ausgebeutet werden sollten. Darum Denkmalschutz auch für sie! Und dann machen hier auf dem hohen Harze zwischen Brocken, Bruchberg, Rehberg, Achtermannshöhe, , Hohneklippen diese Brücher den Teil des Landschaftsbildes aus, der dem Ganzen erst sein eigenartiges Gepräge gibt. Es liegt eine eigene Stimmung über diesen Hochbrüchern, der sich niemand, der sie betritt, entziehen kann. Ein feierlicher, düsterer Ernst, eine herbe Freudlosigkeit ist über das Ganze gebreitet. Was im einzelnen unmittelbar zu unseren Füßen klein und zierlich erscheint, das wirkt in der tausend- und abertausendfachen Wiederholung überwältigend. Auf nichts Festem, Bestimmtem, Eigenartigem bleibt das Auge ruhen. Alles zerfließt ins Schrankenlose. Und in diesem Gefühl des ins Uferlose Ver­ sunkenseins geht dem Ich das Augenmaß für die wirklichen Dinge der Umwelt verloren und verblaßt ihm die Empfindung der eigenen Wesenhaftigkeit. Auf das Erscheinen riesenhafter Gestalten ist die Einbildungskraft eingestellt; riesenhaft und geheimnisvoll erscheint darum alles, was über die Moorfläche sich erhebt. Auf dem Boden einer solchen Stimmung müssen die alten schottischen und nordischen Heldenlieder entstanden sein. In das ganze Gelände mit seinen ruhigen, sich massig überschneidenden Linien bringen die Brücher diese epische Stimmung hinein. M an würde den Z aub er dieser in Wahrheit heroischen Landschaft zerstören, wenn man die Brücher herausnähme. Sie sind es gerade, die dieses Gebiet zum Herz- und Kernstück, zum Harz des Harzes machen. Es ist ein Gebot des Heimatschutzes, sie der Landschaft zu erhalten.

13* Torfhaus. Nach den Meßtischblättern Harzbunr und Andreasbercr 1909. Maßatah 1 * 1B000. Verein für Naturwissenschaft. XVI. Jahresbericht. D 9S LiGFCflGlliOlci« (S. 142.) Friedr. View eg

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