INTERVIEW

Seit er in Frankfurt übernommen hat, sind dort die Erfolge wieder größer, die Europacup-Nächte länger – und die Vieraugengespräche lauter. Eintrachts Fortschritts-Manager FREDI BOBIC über den Bürotisch als Spielfeld, Zigaretten im Whirlpool und die Zukunft der Liga „WIR VERKAUFEN EIGENTLICH EMOTIONEN text FLORIAN BOITIN UND ALEXANDER NEUMANN-DELBARRE fotos CHRISTIAN KAUFMANN “ ÜBERFLIEGER Bevor er kam, wirkten die Frankfurter Adler etwas flügellahm. Mit Fredi Bobic, 47, hoben sie ab: Pokalsieger 2018, Europa-League- Halbfinalist 2019 und Transfers, die zig Millionen in die Kasse spülen. Ist da noch Luft nach oben?

91 Wie oft am Tag klingelt in der hei- Ich, klar. Aber wichtig ist: Ich kann ßen Transferphase des Sommers einem Trainer keinen Spieler vor- Ihr Handy? schreiben. Und er mir umgekehrt Gestern musste ich den Akku zwei- auch nicht. Wenn ich nicht über- mal aufladen. zeugt bin von einem Spieler, hole Mit welchem Satz wird man einen ich ihn nicht, selbst wenn der Trai- anhänglichen Spielerberater am ner ihn unbedingt will. schnellsten los? Wie oft kracht es da? Ganz einfach: Ich bin nicht interes- Das passiert. Aber es soll ja auch so siert an dem Spieler, nimm das bitte sein. Mein Spielfeld war früher der nicht persönlich. Weil: Oft nehmen grüne Rasen, heute ist es mein Bü- sie es zu persönlich … rotisch. Und so wie früher auf dem Haben Sie es schon mal bereut, ei- Platz kracht es da auch mal. Aber nen Transfer abgelehnt zu haben? wenn wir das Spielfeld verlassen, ist Natürlich. In den vergangenen Jah- alles wieder okay. ren – in , aber auch hier in hat zu Ihnen als Spieler Frankfurt – bin ich einige Male mit mal gesagt: „Du kannst nichts über- jungen Spielern zusammengesessen, ragend, aber alles sehr gut.“ Könn- die jetzt Weltstars sind. Aber die te man das auch über den Manager Transfers ließen sich einfach nicht Fredi Bobic sagen? machen. Das tut natürlich weh. Vielleicht. Ich weiß, was er damit Können Sie ein Beispiel nennen? gemeint hat. Du bist in keiner Kate- Saúl Ñíguez von Atlético Madrid. gorie Weltklasse, aber in allen über- Das Büro von Fredi Bobic in der Den hätten wir als 18-Jährigen nach durchschnittlich. Ich musste immer Frankfurter Arena: Glasfront mit Stuttgart holen können. Da ging es an mir arbeiten. Vielleicht sehe ich Blick aufs Spielfeld, ein Schreibtisch, damals nur um die – im Rückblick auch deshalb heute bestimmte Po- der Ordnungsliebe verrät, und eine lächerliche – Ablöse. Aber wir konn- tenziale in Spielern, weil ich weiß, Vitrine, die von jüngeren Erfolgen er- ten sie nicht stemmen. Yussuf Poul- was man sich alles erarbeiten kann. zählt. In ästhetisch fragwürdiger, aber sen saß mit 17 auch mal bei mir im Auch in der Manager-Position dsymbolisch sinnhafter Kombination Stuttgarter Büro. Und auch hier in musste ich erst einmal viel lernen: stehen darauf: eine Replik des DFB- Frankfurt gab es die eine oder ande- wie man den Job macht, aber auch, Pokals, eine große Dagobert-Duck- re Geschichte. Aber wenn es nicht wie ich selbst mit dem Job umgehe. Figur und ein Bauarbeiter-Helm. geht, dann geht es eben nicht. Da habe ich sicher einen Sprung ge- Sportlicher Erfolg, ein sich füllender Sie sind vom Magazin „11 Freunde“ macht. Und man darf nicht unter- Geldspeicher und eifriges Werkeln an zuletzt zweimal in Folge zum „Ma- schätzen, wie wichtig Erfahrung ist. der Zukunft: So ließen sich Bobics nager des Jahres“ gewählt worden. Erfahrung ist das Wichtigste. erste drei Jahre als Eintracht-Sportvor- Das hat auch damit zu tun, dass Sie Sie haben als Spieler erst mit 22 Ihr stand zusammenfassen. Seit er über- ein gutes Näschen bei Transfers be- erstes -Spiel absolviert. nommen hat, läuft es in Frankfurt. wiesen haben. Jovic, Haller, Rebic: Ich habe in der zweiten Liga mit Wie er das macht? Bobic, ganz in Wie entdeckt man solche Spieler? dem Profi-Fußball begonnen so wie Schwarz, freundlich, aber fokussiert, Du brauchst erst mal gute Leute um zum Beispiel auch Rudi Völler. Das nimmt sich ein paar Cashewnüsse aus dich herum. war der normale Weg damals. Ich einem Glasbehälter und setzt sich zu Richtig, dass Sie 16 Scouts haben? würde es ja einigen 17- oder 18-Jäh- uns an einen Tisch – finden wir es Ja, aber Manchester United hat 60. rigen heute auch wünschen, so einen heraus! Für mich ist das Wichtigste, dass Weg zu gehen. Viele kommen sehr ich und meine Mitarbeiter ein sehr jung da oben rein, und wenn sie 24 Herr Bobic, was war schöner: der gutes Netzwerk haben. Da ist be- sind, kennt sie keiner mehr. Wir re- Viertelfinal-Triumph in der Europa sonders mein Chefscout Ben Manga den immer nur von den Stars. Aber League gegen Benfica oder der hervorzuheben. Und dann besteht die meisten Spieler fallen hinten Moment, als die Real-Madrid-Ver- beim Scouting die Kunst auch da- runter. Das ist Fakt. antwortlichen zustimmten, 70 Mil- rin, in einem Spieler etwas zu sehen, Auch als Manager fingen Sie nicht lionen für Luka Jovic zu bezahlen? das andere Vereine nicht in ihm se- ganz oben an, sondern wurden erst Der Sieg war sicher ein viel emotio- hen. Wir haben zum Beispiel viele einmal Geschäftsführer bei Tscher- nalerer Moment. Aber das Geschäft Spieler geholt, deren Verpflichtung nomorez Burgas in Bulgarien. War mit Luka Jovic war natürlich auch ein gewisses Risiko barg. das eine lehrreiche Erfahrung – speziell, ohne dass ich Ihnen die ge- Wer hat das letzte Wort bei einem oder eher ein Missverständnis? nannte Summe bestätigen werde. Spielerkauf? Es war überragend. Mein Freund

92 BOBIC DER BAUMEISTER Nicht nur an Frankfurts Erfolg, auch an der eigenen Karriere arbeitete der in Stuttgart aufgewachsene Sohn eines Slowenen und einer Kroatin stets fleißig. Seine Profi-Karriere begann bei den und führte ihn unter anderem zum VfB Stuttgart, zu Borussia sowie zum EM-Titel 1996. Seinen ersten Management-Job übernahm er beim bulgarischen Club Tscherno- morez Burgas, wechselte dann zum VfB, wo er nach vier Jahren entlassen wurde, und übernahm 2016 . Dort schraubt und feilt er seitdem nicht nur am Kader, sondern auch an der Infrastruktur des Vereins „BEI MANCHEM FAN MERKST DU: DER VEREIN IST Krassimir Balakow war damals in wirklich bedeutet. Wir verkaufen FÜR IHN ALLES. Burgas Trainer und hat mich rüber- eigentlich Emotionen. Gefühle, po- gelockt. Die Menschen dort lieben sitive wie negative, die man sonst im MAL IST DAS den Fußball genauso wie wir, aber normalen Leben vielleicht gar nicht die Kultur und das System sind völ- mehr so spürt. Der Fußball füllt bei SÜSS UND NETT – lig anders als bei uns. Der Club war vielen eine Lücke im Leben. MAL AUCH zum Beispiel nicht mitgliederge- Bei manchen scheint er sogar fast führt, sondern eigentümergeführt. der wesentliche Inhalt zu sein. ERSCHRECKEND“ So habe ich dieses Modell mal ken- Es geschieht immer wieder, dass ich nengelernt. Ich hatte die Aufgaben mich mit Fans unterhalte und fest- eines CEO, war für alles zuständig. stelle: Wow, für sie ist dieser Verein Trotz der Erfolge der jüngeren Ver- Also konnte ich mich austoben, viel alles. Manchmal ist das süß und gangenheit und der Euphorie, die lernen und auch mal Fehler machen, nett, manchmal auch erschreckend. rund um den Club zu spüren ist, die gar keiner so richtig bemerkt hat. Du musst versuchen, das für dei- haben Sie kürzlich gesagt, die Ein- Es hat total Spaß gemacht. Ich woll- ne Arbeit auszublenden. Wenn die tracht werde nie Meister werden, te nicht weg. Aber dann rief der VfB Masse etwas fordert, du aber nicht dazu seien die Verhältnisse in der Stuttgart an, und zu dem hatte ich davon überzeugt bist, darfst du es Bundesliga zu zementiert. Läuft die natürlich eine alte Verbindung. auch nicht machen. Liga Gefahr, langweilig zu werden? Es folgten vier Jahre VfB und vor Wie lässt sich Ihre Geschäftsphilo- Ja, läuft sie, absolut. Ich habe Niko dem Frankfurt-Angebot zwei Jahre sophie auf den Punkt bringen? (Kovac, d. Red.) und den Bayern den Pause. Was wissen Sie heute übers Ich versuche, authentisch zu blei- Titel gegönnt, fand es aber schade, Fußballgeschäft, das Sie damals ben, meine Vorstellungen umzuset- dass Dortmund nicht Meister ge- gern schon gewusst hätten? zen und dabei fair und menschlich worden ist. Für die Liga wäre das Vor allem ist mir heute noch viel kla- zu sein. Aber auch in der Sache hart. eine schöne Abwechslung gewesen. rer, was der Fußball den Menschen Das muss so sein. Insgesamt aber muss man sagen: