<<

Szenen aus Gerard Ways Comic „The Umbrella Academy“

14 2/2009 KulturSPIEGEL Fremde Federn Immer mehr Stars aus Pop und Film versuchen sich an eigenen Comics. Kann doch jeder, oder?

VON JÖRG BÖCKEM

KulturSPIEGEL 2/2009 15 Wenn sich ein bebrillter Journalist in Superman, ein In- dustrieller in und ein unglücklicher Teenager in Spider- Man verwandeln kann, ja, warum soll sich dann ein Popstar nicht in einen Comic-Künstler verwandeln können? , der Frontmann der amerikanischen Emo-Band , hat sich jedenfalls eine ganz neue Identität erfunden – und gleich einen Karrierestart hingelegt, auf den je- der Superheld stolz sein könnte. Ways Comic „The Umbrella Academy“ begeisterte vergangenes Jahr in den USA Käufer und Kritiker und wurde mit drei Eisner-Awards ausgezeichnet, einer Art Comic-Oscar. Ein großes Studio sicherte sich die Filmrech- te, die Drehbuchentwicklung läuft. Lizenzen wurden in alle Welt verkauft, in dieser Woche erscheint die deutsche Ausgabe. Nicht schlecht für einen Debütanten wie Way, 31, dessen Talen- „Spider-Man“- und „Batman“-Reihen haben Studiobilanzen ge- te eigentlich in der Musik zu liegen schienen. rettet; zuletzt spielte „The Dark Knight“ mit Heath Ledger welt- Anfangs hatte Way Angst davor, von der Comic-Szene nur als weit rund eine Milliarde Dollar ein. Stümper wahrgenommen zu werden:„Oft sind Comics von Mu- Bransons Verlag köderte auf der einen Seite profilierte Comic- sikern nur Merchandiseprodukte wie T-Shirts, mit denen Kasse Künstler und auf der anderen Entertainmentprominenz. Die gemacht oder die Eitelkeit befriedigt werden soll“, sagt er. „Das ließ sich locken mit dem Angebot, ihre Projekte ohne Einmi- schadet dem Genre und macht es für jeden Musiker schwer, der schung und Budgetsorgen verwirklichen zu können. So schrieb sich ernsthaft und leidenschaftlich mit Comics beschäftigt.“ zum Beispiel Ed Burns ein Filmdrehbuch, das aus Kostengrün- Mittlerweile tummeln sich immer mehr Musiker, Schauspieler den bisher nicht verwirklicht wurde, kurzerhand zu einem Co- und Regisseure in der Welt der unbewegten Bilder. Comics sind mic um. zum Spielplatz umtriebiger – und mitunter auch unterbeschäf- Auch Gerard Way genießt, dass es „nirgendwo so viele Freiräu- tigter – Stars avanciert. Dave Stewart, in den Achtzigern als eine me wie im Comic gibt. Du kannst deine eigenen Welten schaf- Hälfte der Eurythmics zu Ruhm gelangt, ist ebenso an einem Co- fen und bist nicht durch Budgets limitiert wie im Film. Du kannst mic-Projekt beteiligt wie die Schauspielerin Rosario Dawson und deine Geschichten entwickeln und erzählen, ohne dass dir jemand ihr Kollege , der Pornostar sowie die hineinredet“. Filmregisseure , Guy Ritchie und Ed Burns. Sein Comic „The Umbrella Academy“ ist in einer nicht näher be- Der britische Unternehmer hatte 2006 die im- nannten europäischen Stadt mit stark viktorianischen Zügen an- mense Bedeutung des Comic-Marktes für die Unterhaltungs- gesiedelt. Ein Außerirdischer, Gewinner einer olympischen Gold- industrie erkannt und gemeinsam mit dem Regisseur Shekhar medaille und Nobelpreisträger, adoptiert sieben Neugeborene Kapur und anderen das Label Virgin Comics gegründet. Diese mit seltsamen Fähigkeiten. Er gibt ihnen Nummern statt Namen, Firma war von Beginn an auch als eine Art Zulieferbetrieb für Zucht statt Zuneigung und eine Mission anstelle einer Familie: Die Hollywood konzipiert: Comics von Stars aus der Pop- und Film- sieben sollen die Welt retten. Während andere Kinder auf Spiel- branche sollten von der Prominenz ihrer Erfinder profitieren plätzen toben, müssen sie sich zum Beispiel mit dem zum Leben und als Vorlage für Computerspiele und Kinofilme dienen. erwachten Eiffelturm herumschlagen, der auf Geheiß einer Zom- Damit wäre ein Prozess beschleunigt und rationalisiert worden, bie-Version seines Erbauers Gustave Eiffel in Paris Amok läuft. der sich ohnehin abzeichnet: Comics dienen seit Jahren als einer Als Erwachsene treffen sich die seltsamen Helden auf der Beer-

der wichtigsten Rohstofflieferanten Hollywoods. Die „X-Men-“, digung ihres Ziehvaters wieder. Zerstritten und an Leib und See- UNTEN: BATEMAN/PICTUREFOTOS DANA PRESS PRESS PRESS (5); PHOTO (3); STARTRAKS/ACTION SERVICE VIENNA (7); (9);GRAYLOCK.COM (11); CINETEXT/ALLSTAR USA/PICTURE-ALLIANCE/DPA KEYSTONE AGOSTINI/AP (13); EVAN 15)

The Umbrella Academy 1 – Shadow Hunter Gamekeeper 7 Brothers Weltuntergangs-Suite von Jenna Jameson, von Guy Ritchie, von John Woo, von Gerard Way und Christina Z und und und Gabriel Bá. Cross Cult; Mukesh Singh. Panini; Mukesh Singh. Panini; Jeevan Kang. Panini; 19,80 Euro. 14,95 Euro. 16,95 Euro. 16,95 Euro.

16 2/2009 KulturSPIEGEL um zehn Uhr morgens wach und fühlte mich fit. Das wollte ich nutzen. Es lag nahe, an einem Comic zu arbeiten“,sagt er. Die Idee zu „The Umbrella Academy“ entstand im Tourbus in Deutschland. Way verarbeitet darin nicht zuletzt die schmerzhaften Erfahrun- gen der letzten Jahre. „Mich hat vor allem interessiert, wie eine engverbundene Gruppe miteinander zurechtkommt, wie die un- terschiedlichen Charaktere den inneren und äußeren Druck aus- halten.“ Eine Situation, die Way von seiner Band nur zu gut Szene aus Way-Comic „The Umbrella kennt und die ihn lange belastet hat. Allerdings seien er und sei- Academy“: Geschickte Zitate aus der ne Bandkollegen weniger gestört als die sieben Figuren in seinem Pop-Kultur und ein ganz eigener Ton Comic, betont er. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Ways Comic, aus Leid und Lei- denschaft geboren, zum Erfolg wurde – das ehrgeizige Kom- le beschädigt, müssen sie sich inneren und äußeren Bedrohun- merzprojekt von Richard Branson dagegen nicht. Trotz der gen stellen. großen Namen waren die Virgin-Verkäufe ebenso mäßig wie „Ich habe versucht, einige Konventionen des Genres zu bedienen, das Interesse Hollywoods. Immerhin soll Guy Ritchies Comic um innerhalb des vertrauten Rahmens etwas Neues, Ausgefalle- „Gamekeeper“ verfilmt werden, von Ritchie selbst. Unterneh- nes schaffen zu können“,sagt Way. Und das gelingt ihm: Sehr sou- mer Branson verlor schnell das Interesse an Virgin Comics und verän spielt Way in „The Umbrella Academy“ (die Zeichnungen zog sich zurück. Heute firmiert das Label unter dem Namen stammen von Gabriel Bá) mit Popkultur-Referenzen, findet da- Liquid Comics, deutsche Ausgaben sind bei Panini erschienen. bei aber seinen ganz eigenen Ton. Er erzählt überraschend und Doch die wechselseitige Befruchtung von Comics, Kino, Fernse- originell, zitiert geschickt und kenntnisreich. hen und Videospielen wird weitergehen. Gerard Way repräsen- Way ist nicht nur Fan, er ist auch vom Fach: Von 1995 bis 1999 tiert eine ganze Generation von Kreativen, die mit Comics auf- hat er an der renommierten School of Visual Arts in New York stu- gewachsen sind und in ihrer Arbeit von deren Ästhetik und diert, zu seinen Dozenten gehörten arrivierte Comic-Künstler Erzählweise beeinflusst werden. Der US-Regisseur Kevin Smith wie Carmine Infantino und Klaus Janson. „Ich liebe Comics seit etwa, der seinen ersten Film „Clerks“ (1994) mit dem Verkauf sei- meiner Kindheit, als kleiner Junge bin ich täglich zum Comic- ner Comic-Sammlung finanzierte und von den Erlösen seiner Laden an der Ecke gepilgert und habe dort mein Taschengeld späteren Filme einen Comic-Laden kaufte, schrieb in den ver- ausgegeben“, sagt Way.„Wir haben in einem Viertel mit ziemlich gangenen Jahren unter anderem für die großen Verlage Marvel hoher Kriminalitätsrate gewohnt, auf den Straßen war es gefähr- und D.C. lich. Mein Bruder und ich haben in unseren Köpfen gelebt, wir wa- Und der Fernsehautor , Schöpfer der TV-Erfolgs- ren auf unsere Phantasie und Vorstellungskraft angewiesen.“ serien „Buffy – Im Bann der Dämonen“ und „Angel – Jäger der Während der Highschool hat Way als Verkäufer in einem Comic- Finsternis“, verfasst Mutanten-Epen für das Marvel-Flaggschiff Laden gejobbt, und schon damals beschloss er, eine Kunsthoch- „X-Men“ und veröffentlicht seit vergangenem Jahr die Fortset- schule zu besuchen und mit Comics zu arbeiten. Aber erst kamen zungen seiner TV-Serien als Comics. Dafür gab es jüngst eben- die Musik, die Band, der Erfolg, irgendwann auch Depressio- falls zwei Eisner-Awards. nen, Alkoholexzesse. Für Comics blieb da keine Zeit. Inzwischen sind Comics sogar an der Spitze der Gesellschaft an- Bis zu einer Tournee von My Chemical Romance vor zwei Jahren. gekommen: Der neue US-Präsident Barack Obama bekennt sich Way hatte kurz zuvor den Alkohol und die Drogen aufgegeben zu seiner Comic-Leidenschaft – er zählt Batman zu seinen liebs- und verfügte plötzlich über ungenutzte Zeit und Energie.„Ich war ten Helden.

Voodoo Child Walk In Dock Walloper Occult Crimes Taskforce von Nicolas Cage, von Dave Stewart, Jeff Parker von Ed Burns, Jimmy Palmiotti von Rosario Dawson, David Weston Cage, und Ashish Padlekar. und Siju Thomas. Atchison und Tony Shasteen. und Dean Ruben Hyrapiet. Virgin Comics; 14,99 Dollar Virgin Comics; 14,99 Dollar Image Comics; 14,99 Dollar Panini; 16,95 Euro. (unverbindl. Preisempf.). (unverbindl. Preisempf.). (unverbindl. Preisempf.).

KulturSPIEGEL 2/2009 17