Einblicke in das Innenleben einer Mobilisierung

Reflexionen und Diskussionen aus dem DISSENT!-Spektrum

Stand:Juli 2006 empfohlener Preis: 2 Euro Editorial er Beginn der Mobilisierung gegen öffentlichten. Darin finden sich Texte zu Innerhalb der einzelnen Teile haben wir den G8-Gipfel 2007 liegt jetzt früheren Mobilisierungen (die Broschüre dann versucht die Texte chronologisch zu Dschon über ein Jahr zurück, nimmt kann als PDF heruntergeladen werden: sortieren - soweit es das Layout zuließ. man den BUKO 28 in Hamburg als Stich- www.daysofdissent.org.uk). Auch in unse- Eilnleitende Worte tag. Dort wurde der G8-Gipfel 2007 in rer Broschüre spiegelt sich diese reflektie- Die Broschüre: Heiligendamm zum ersten Mal im größe- rende Haltung im fünften und letzten Teil eine Bleiwüste ren Rahmen thematisiert. wieder. Veranstalter war das damalige dissent! Da auf unsere Bitte nach Bildern nur Netzwerk, bzw. deren deutschsprachige Zur Auswahl der Texte sehr zögerliche Reaktionen kamen, muss TeilnehmerInnen, die sich nach dem diese Broschüre weitgehend unbebildert europäischen PGA-Treffen 2004 in Bel- Für diese Broschüre standen mehr Texte bleiben. Wir wollen die Texte nicht noch grad der Mobilisierung gegen den G8 in zur Auswahl als wir abdrucken konnten, stärker interpretieren, als wir es schon mit Gleneagles anschlossen - schon damals deshalb waren wir zu einer Auswahl der Zuordnung getan haben - und Bilder mit Blick auf den G8 2007. gezwungen. Die Gipfelsoli-Webseite verstehen wir als Interpretation. Wenn Bil- (www.gipfelsoli.org) hat eine Vorauswahl der am Ende von Texten montiert sind, ent- Der Anfang der getroffen, an die wir uns fast vollständig stammen sie unserer Auswahl. Mobilisierung gehalten haben. Wir haben diese ein wenig eingeschränkt nach recht willkürli- Zweck der Broschüre Am Anfang stand die Frage: wieso soll- chen, zumeist layout-technisch begründe- ten wir überhaupt mobilisieren (s. Gipfel- ten Kriterien. Zudem hat sich das dissent!- Wir haben diese Textsammlung zusam- perspektiven 1.0, S. 5). Eine Frage, die Spektrum immer weiter ausdifferenziert. mengestellt, um einen Blick zurück auf die auch auf dem ersten Netzwerktreffen im Viele Texte lassen sich nicht mehr dissent! schon bisher gelaufene Mobilisierung wer- Oktober 2005 in Hamburg (S. 26, 27) zuordnen, sondern eher anderen Spektren fen zu können und bestärkt die nächste heiß diskutiert wurde. Sie wurde nicht ein- oder Arbeitsgruppen. Etappe zu meistern. deutig beantwortet, aber die Anstrengun- Wir wollen zu Diskussionen anregen und gen zur Mobilisierung Deutsche Broschüre - die Texte aufwerten. Die Broschüre wurde begannen. Zumeist und internationale mit Blick auf das Camp06 erstellt, weil wir am produktivsten gesch- Mobilisierung? es für einen guten Ort halten, offene Fra- ah dies in den einzelnen gen weiter zu diskutieren und zu ent- Arbeitsgruppen, von Wir sind uns bewusst, dass eine rein wickeln. denen es mittlerweile deutschsprachige Broschüre einer interna- Da nicht absehbar ist, dass alle in dieser etwa 12 gibt, die zum tionalen Mobilisierung nicht gerecht wird. Broschüre und sonst im Raum schweben- Teil engagiert und konti- Uns fehlen jedoch die Ressourcen, um all den Meinungsverschiedenheiten, Unzufrie- nuierlich arbeiten. Auch die Texte übersetzen zu können. denheiten oder Befindlichkeiten auf dem die inhaltliche Ausein- Aber das muss ja nicht nur negative Fol- Camp gelöst werden können: Die Bro- andersetzung wurde bis gen haben. Nutzt die Chancen die diese schüre soll die Möglichkeit eröffnen - mit zum zweiten Treffen in einsprachige Broschüre euch bietet und allen Texten zur Hand auch nach dem Berlin (S. 28-43) und darüber hinaus fort- übersetzt die Texte für eure nicht deutsch- Camp zu den Fragen im Austausch zu geführt. Seit dem Berliner Treffen geschieht sprachigen GenossInnen! bleiben - hoffentlich schriftlich, um eine dies vor allem innerhalb der Inhalte AG (S. zweite Auflage zu füllen. 47). Zugleich gab es auch Kritik an der Zum Aufbau der Broschüre Und nicht zuletzt wollen wir einen Ein- gesamten Organisierung, die sich beson- blick in die Vielfalt des dissent! Spektrums ders auf den einzelnen großen Plena Luft Es gab zwei Ideen, wie diese Broschüre eröffnen!. verschaffte (S. 21) I aufgebaut sein könnte: Chronologisch Viel Spass beim Lesen und Diskutieren, Mit der Zeit vervielfältigte sich die Prä- oder thematisch. Eine chronologische Die Redaktionsgruppe senz des Themas der (auch) im dissent!- Strukturierung hätte den Vorteil gehabt, Juli 2006 Spektrum aktiven Gruppen in verschiede- dass alle Texte gleichgewichtig nebenein- nen Zeitungen, vor allem jedoch in der AK ander gestanden hätten. Jedoch sahen wir Ü Impressum - Analyse und Kritik (S. 10, 18, 22, 50, 71, zwei Probleme. Erstens die Frage: wohin Zusammengestellt wurde die Broschüre 89). mit den Texten, die vor der Mobilisierung von Gruppen, die im den Dissent!-Spek- 2007 geschrieben wurden (zu Internatio- trum aktiv sind. Aus der Vergangenheit nalismus und vergangenen Events)? Und V.i.S.d.P.: lernen zweitens erschien uns das Durcheinander Carlo Giuliani in einer chronologisch aufgebauten Bro- Mariannenplatz 2, 10997 Berlin Eines der Dinge, das die im dissent! schüre zu groß. Zumal sich einige der Spektrum aktiven Gruppen und Einzelper- Papiere aufeinander beziehen. sonen aus der Vorbereitung für Gleneag- Deshalb entschieden wir uns für einen les 2005 mitgenommen haben, war der thematischen Aufbau. Auch dieser erwies Ü Mitmachen reflektierende Rückblick auf vergangene sich nicht als problemlos. Viele der Texte Wenn ihr einen Text für eine nicht- Mobilisierungen. Diese Reflexionen schlu- ließen sich nur schwer einordnen, weil sie deutschsprachige Broschüre übersetzt gen sich besonders in der Broschüre ‘Days in zwei oder drei Kategorien gehören. Wir habt, schickt die Übersetzung an: gipfels- of Dissent’ nieder, welche englischsprachi- haben sie dann dorthin gepackt, wo sie [email protected]. Wir laden uns den Text ge Teile des Dissent! Netzwerks 2004 ver- unser Ansicht nach am ehesten hinpassen. dann von der Seite runter.

2 Inhalt

Teil I: Selbstreflexion

Glocal Group Hanau: Gipfelperspektiven (Version1.0) S. 05 Berliner Vernetzung G8-KO: G8 2005, 2006 und 2007 S. 07 Six Hills: THESEN ZUR LINKSRADIKALEN ORGANISIERUNG S. 08 No Lager Bremen & Gregor Samsa: WTO und Heiligendamm S. 10 Autopool: Was wir machen muß sich ausdrücken in dem was wir tun S. 12 Berit Schröder: Selber Machen damit nicht andere das Bild bestimmen S. 18 Einzelperson, Heidelberg: FÜR EIN GANZ ANDERES GANZES! S. 20 Jörg Bergstedt: G8-Mobilisierung - Infos zur Vorbereitung auf den G8-Gipfel 2007 und kritische Blicke auf die Organisationsstrategien S. 21

Teil II: Inhaltliche Auseinandersetzung

Glocal Group Hanau: zum Agendavorschlag für das Hamburger Treffen S. 26 No Lager Bremen: zum Treffen in Hamburg S. 27 Inhalte-AG des G8-Plenums Mannheim-Heidelberg: "Unser Nein ist das Ja zum Nichts des Ganzen" S. 28 No Lager Bremen: zu Internationalismus S. 29 Bernd Hüttner: Hoch die... Der Geschichte der Internationalismusbewegungin der Bundesrepublik bis 1992 S. 30 Moe Hierlmeier: Wer stets das Gute will... Zur Kritik des alten Internationalismus S. 33 Kampfinitiative Berlin: Eine Antwort auf das Papier "Unser Nein ist das Ja zum Nichts des Ganzen" S. 36 nolager bremen: input-papier zum anti-g8-vorbereitungstreffen in berlin S. 38 Gegeninformationsbüro Berlin: Kapital Macht Krieg - die Beherrschung verlieren! S. 41 Gregor Samsa: Über die Notwendigkeit einer Wiederentdeckung - Globale Landwirtschaft und die Macht kapitalistischer Agrarindustrie S. 44 BUKO Kampagne gegen Biopiraterie: Von G8 zu COP9 S. 47 Einzelperson der Inhalte AG des G8-Plenums: Subjektives Protokoll zum Treffen der Inhalte AG in Berlin S. 47 Gregor Samsa: Autonome Hintereingänge in die Festung Europa?! S. 50

Teil III: Kampagnen- und Aktionsvorschläge No-Lager-Netzwerk: Erster Aufruf zu einer Großaktion unter dem Motto "Für globale Bewegungsfreiheit" und "Gleiche Rechte für Alle" im Rahmen der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel 2007 in Deutschland. S. 54 FelS-G8-AG: FelS zu Migration S. 54 No Lager Bremen: Aufmerksamkeit auf den Widerstand antirassistischer und selbstorganisierter Flüchtlingsgruppen aus Mecklenburg-Vorpommern lenken S. 56 Initiative Libertad!: Folterwelten- Militarisierung - Repression – Weltwirtschaft - Kampagnenvorschlag gegen G8 2007 S. 58

Teil IV: Positionspapiere Kölner Anti-G8-Bündnis: Entwurf für einen Aufruf/ Positionspapier S. 66 Arbeitsschwerpunktes Weltwirtschaft der BUKO: G8 delegitimieren, soziale Bewegungen stärken, Alternativen leben S. 71 Autonome KommunistInnen, Rote Aktion Berlin (RAB), Soziale Initiative Neukölln (SiNN), Gruppe Arbeitermacht, revolution! Berlin: Imperialismus pur S. 74

Teil V: Vergangene Gipfel Drei Leute aus Berlin: militant errors - Auswertung Thessaloniki 2003 S. 78 Sturm und Drang: "Der Papst ist tot! - 25 Jahre Schwarzer Block" - ein Bericht S. 83 Anonym: militant manifesto S. 87 Gregor Samsa: Von der Afrika-Kommission zur Autobahnblockade S. 89 Teil I: Selbstreflexionen

Teil I: Selbstreflexionen

4 Gipfelperspektiven (Version1.0) Gipfelmobilisierung als ein Teil transnationaler Organisierung und Kooperation

[Dies ist ein Auszug aus einem Treffpunkte für die genannten Netzwerke ver und gelegentlich sogar ganz verhin- vorläufigen Arbeitspapier der sind. dert werden. 'glocal group hanau' zu der per- Die beschriebene Vorangehensweise Die Punkte, die immer wieder gegen spektivischen Bedeutung und von dissent! hat uns bewogen, darüber zu Gipfelmobilisierungen angeführt werden, Teil I: Selbstreflexionen Bewertung von Gegen-Gipfeln. diskutieren, wie wir als Gruppe die Sum- lassen sich eigentlich in 2 Ebenen unter- Kommentare, Anmerkungen und mit-Mobilisierungen bewerten und einord- scheiden. Zum Einen der Rahmen, der Kritiken zu diesem Papier werden nen. Erste Einschätzungen möchten wir durch äußere Umstände bestimmt ist. Der von uns gerne gelesen und bei hiermit zur Diskussion stellen, nicht nur Rahmen führt immer eine Begrenztheit und entsprechender Überzeugungs- wegen dem G8 dieses Jahr oder dem G8 gewisse Problematiken mit sich, mit denen wirkung auch gerne in kommen- in Deutschland in Heilligendamm 2007, bei "Globalisierungsevents" häufig nicht de Versionen eingearbeitet.] sondern auch, weil wir vielen Fragen darin zufriedenstellend umgegangen wurde, eine grundlegendere, perspektivische (wahrscheinlich am deutlichsten zu Bedeutung geben - eben wie Widerstand machen beim Feld Repression) - dieser im globalisierten Kapitalismus weiterent- Rahmen lässt sich allerdings nicht grundle- om 6.-8. Juli 2005 wird im schotti- wickelt werden kann. gend ändern und es stellt sich eher die schen Gleneagles der nächste G-8- Frage, nach dem angemessen Umgang VGipfel stattfinden. Verschiedene Wir haben die Argumente gegen die damit. Als andere Ebene dann die Punkte, Gruppen aus Großbritannien haben sich Summits, die wir öfters zu hören bekom- die auf vergangenen Gipfeln immer wie- in dem Netzwerk dissent! zusammenge- men haben, mal stichwortartig aufgelistet der mies oder eben gar nicht gelaufen schlossen, um die Proteste gegen das Tref- und geguckt, was wir während verschiede- sind, die sich aber prinzipiell ändern lassen fen vorzubereiten, aber auch um eine über nen Gipfeln ziemlich gut fanden und dem könnten. den Gipfel hinausreichende Struktur zu entgegengehalten konnten. schaffen. Mobilisierungen zu Gipfeln sind Viele der Kontrapunkte gelten zudem für ein umstrittenes Thema in der Linken. Dies alle möglichen Arten von größeren Mobili- hatte dissent! anfangs dazu bewogen, den Punkte, die häufig gegen Summits sierungen (1.Mai´s, Heiße(r)Herbst(e),), theoretischen und eher strategischen Fra- angeführt werden, sind: trotzdem werden große Mobilisierungen gen zu Sinn und Zweck von solchen Events immer wieder gemacht. Das drückt den im Allgemeinen und den jeweiligen Erwar- - Die Represssion ist zu krass geworden, zu Widerspruch aus, dass "Events" nicht das tungen der verschiedenen AktivistInnen im viele AktivistInnen steigen aus und wer- Ende der Fahnenstange aber trotzdem Besonderen viel Raum zu geben. Als 'glo- den traumatisiert. nötig sind. Dazwischen gilt es sich zu cal group hanau', versuchen wir in unserer - Inhaltlich zu flach und Fixierung auf bewegen. Wenn nur auf eine Karte gesetzt politischen Arbeit die Verbindung zwischen actions. wird, ist das Scheitern schon inbegriffen. "global" und "local" zu ziehen. Lokale - Bündnisse sind oft zutiefst widersprüch- Bei der gnadenlosen Fixierung auf Events Schwerpunkte sind einerseits unsere Akti- lich. mit der Logik von immer größer werden- vitäten in einem (kleinen) besetzten auto- - Lokale Strukturen werden hoffnungslos den Demos (entweder bis "die da oben" nomen Zentrum sowie die Beteiligung an überlastet, wobei die Kräfte in den loka- einlenken oder bis zum großen, finalen einer Stadtteilinitiative, wo es u.a. um die len Kämpfen sowieso besser aufgeho- Knall) wird die Komplexität der gesell- Frage eines größeren Sozialen (Stadtteil- ben wäre. schaftlichen Organisierung völlig unter- )Zentrums geht. Zum anderen bereiten wir - Der Rahmen (Zeit und Ort) werden nicht schätzt, genauso wie die Aufstands- gerade eine Kampagne vor, die entlang von uns selbst bestimmt. bekämpfung des Staates. Ebenso eine Ein- der Begriffe und inhaltlichen Verbindungs- - Wir haben die Initiative verloren und ver- bahnstraße bleibt aber das Fixieren auf linien zwischen "Aneignung, Migration und suchen nur noch unsere alten Erfolge zu lokale Aktivitäten. Hier ist letztendlich der Prekarisierung" versucht, sich auf alltägli- wiederholen. Weg ins völlige Sektieren vorgegeben. Wer che lokale Sozialprozesse zu beziehen. sich keine Impulse von außerhalb holt, 'Globale' Schwerpunkte sind für uns mit kann sich zum Schluss nur noch auf sich Dem steht aber auch entgegen: den transnational-europaweiten Vernet- selbst beziehen - inhaltlich, praktisch, per- zungsbestrebungen verbunden: sonell und räumlich. - Mobilisierungen können auch inhaltliche mit People´s Global Action (PGA) als Impulse sein. antikapitalistischem Netzwerk; Aber haben auf der anderen Seite die - Die Widersprüchlichkeit aller Beteiligten mit NoBorder und dem Frassanito-Netz- aufgeführten positive Aspekte wirklich ist und bleibt inspirierend. werk in antirassistischen und migrationsbe- diese Dimension? Ist es nicht lächerlich - Die Erfahrung knackiger Riesendemos zogenen Initiativen; wenn ach so ernsthafte politische Aktivi- kann ungeheuer pushen. mit der neuen Euromayday-Vernetzung stInnen/Revolutionäre/autonome Subjekte - Es lassen sich Aktionsformen erfahren, in Sachen Prekarisierung; und in der Biopi- wie wir diese Gefühle von "Boah-sind-wir- die hier gar nicht möglich sind. raterie Kampagne als einer weiteren the- heute-aber-wieder-viele" und/oder von - Gipfel sind Resonanzkörper für radikale matischen Vernetzung. "Heute-knallts-aber-endlich-mal-wieder" Kritik, die über den event hinaus wirkt. Dementsprechend sind wir schon ausge- so nötig haben? In unserer politischen - Die Bezugnahme auf Kämpfe vor Ort ist sprochene Eventhopper: von NoBorder- Situation - zumindest in Deutschland -ist es und bleibt ebenso möglich, wie die Stär- Camps über PGA-Konferenzen bis hin zu überhaupt gar keine Selbstverständlichkeit kung von lokalen Strukturen. den Europäischen Sozial Foren. Aber wir viele Leute zu sein (Viele die zudem noch - Gerade Gipfel, als Knotenpunkte der fahren eben auch regelmäßig zu den entschlossen sind schon mal überhaupt Macht, können verzögert, kostenintensi- (Gegen)Gipfeln, die ja oft auch weitere nicht). Die meiste Zeit in unserem politi-

5 6 Teil I: Selbstreflexionen K der Camps,denSozialforums als 'T und InspirationenaufGipfelnkönnenda licher P lich resigniert,auspolitischerundpersön von unsineinembestimmtenAlterschließ rung istesjaauch,dasseinegroßeMenge sogar gewollt-isoliertda.UnsereErfah schen Handelnstehenwir-gelegentlich bestätigen dieR gelungenen Gegengipfel(Ausnahmen dieser Intensitätwiebeieinemgroßen, wie Bündnismäßig)undoftauchnichtin lich nichtindieserBreite(Mengenmäßig rungsansätze machen,aberdochsicher Menge dieserErfahrungenundOrganisie an actiondayslassensichsicherlicheine T T P laden hatte,undeszukeinen(größeren) zur 300JahrfeiervonSt.P wirklich enttäuschtalsP len undalltäglichenKämpfe. tionalem Anspruch,wieetwadenNo mobilisieren. EsisteineMöglichkeit, den gionalen Ebenezuorganisieren undzu Möglichkeit sichaufeinerhohen, überre in ihremL Bündnisse entschließeneinenGegengipfel W als ydannguterGipfel. zusammen zuzählen,wennxgleichgrößer Anzahl derDistanzierungen(y),umdann Anzahl derV (x) gegenAnzahlderF Abgeordneten undAnzahlderP ten Scheiben,Anzahlderblockierten Demonstrierenden, Anzahldergesmash Kriterien festmacht,wie:Anzahlder Mobilisierung anbestimmten"erfassbaren" statischen "Erfolgs"-Kriterien,dieunsere getoppt hat.W Öffentlichkeitswirksamkeit allesandereals der HeftigkeitdesW 2001, inderMasseT europäischen Boden,nämlichinGenua lisierung diegegendenvorherigenG8auf gut gewesensein,auchwenndieseMobi Mehrheit derDemonstrierendenwohleher ve/L Die ErfahrungenrundumEvian/Gene Szene eingeschätztwerden.Beispielg8: und wichtigerP hat, dürfteallgemeinalsziemlichgelunger Mobilisierung von8.000L W ouren, undauchbeidenglobal/europe reffen desEuropeanEconomicF Gipfel könneneineChancesein. rotesten gekommenwar onferenzen, diversenK enn sichlokaleGruppen,Netzwerke, arschau am29.4.2004zurgelungen Beispiel Osteuropa:Niemandwarwohl Bei verschiedenenP Die Kriterienfürunssolltenanderesein. ausanne 2003werdenfürdiegroße ankstelle' genutztwerdenfürdieloka erspektivlosigkeit. DieErfahrungen Sie müssenesnicht. and vorzubereiten,istdaseine erletzten undT ir müssenwegkommenvon egeln). rozess fürdiepolnische rojekten mittransna iderstands undder utin 2003dieG8 . Dassjedochdas etersburg einge aravanen und estgenommen, raumatisierten, eilnehmenden, euten geführt - undPGA resseartikel orum in -Bor ------19.7.2001 unddieWT MigrantInnendemo inGenuaam gelungen haltenwirindieserHinsichtdie sowohl hieralsauchglobalgesehen?Für im ZusammenhangmitderP Sexismus undkapitalistischerAusbeutung stehen unsereKämpfegegenR beim g8konkret:InwelchemV auf dieMobilisierungzubeziehen.Also men werden,eigeneInhalteundP sollten eheralsMöglichkeitwahrgenom rieren. EinesolcheGipfelmobilisierung ler Ansatzstehen.DiesenP PGA alsglobalerunddissent!regiona Strukturbildung entgegenzuwirken,wofür und damiteinererhofftenverbindlichen lichkeit dersummitsüberdieV Dies könntez.B in einenproduktivenP rungen, die"BewegungderBewegungen" Unzulänglichkeiten derGipfelmobilisie werden, durchdierichtigeKritikanden sein zulassen.Stattdessensollteversucht Gipfelmobilisierungen nichtvollkommen nicht mitdemBadeauszuschüttenunddie sind, sowichtigscheintesuns,dasKind macht hatten. große inhaltlichenP einen T Demo inGenfam31.5.2003,diejeweils kratischster R sten StaatenderW der wirtschaftlichundmilitärischmächtig genommen haben-aufdieEbenewo8 würdigende V wo vielekonkreteausbeuterischeundent W inhaltliche undpersönlicheT schließlich ofteinewesentlichgrößere transnationale P stützen, mussauchbedeuten,andere solchen Zusammenhangsteht.UnserEin Bestrebungen zumeuromaydayineinem wickeln. W iderstand aufeinerEbenezubündeln, So wichtigundrichtigbestimmteKritiken ag vordengroßenAktioneneine obei fürunsmomentandie unde ihreInteressenstruktu erhältnisse ihrenAusgang . bedeuten,derUnzuläng rojekte zupowern,dieja elt intrauterundemo ositionierung aufge rozess umzusetzen. O rozess zuunter olitik derg8- -IOM- ernetzung iefe ent assismus, erhältnis WIPO raxen ------felevents alsganzesersetzenkönnte. noch keinanderesF Schottland. Dennbisherzeigtsichfüruns wie jetztauchwiedergegendeng8in Gipfelevents weiteranMobilisierungen, group hanau,trotzallerBeschränktheitder poräre Zuspitzungebenan. feln, alsinhaltlicheundpraktische,tem hierfür dieMobilisierungenzuGegengip der zuseltenpraktiziertwerden,bietensich anderen möglichenF aufeinander zubeziehen.Nebenvielen men, dieKämpfeinhaltlichundpraktisch müssen wirdieHerausforderunganneh stisch überdasvonanderenstellen,dann und unserW den. W Kämpfe nichtmehrisoliertbetrachtetwer den Menschengetroffenwerden,können Gipfeltreffen EntscheidungenfürMilliar einander ausgespieltwerdenundwobei durch dieglobaleStandortdebattegegen wo ExistenzängstevonL gerten W bleibt? W ernsthaften emanzipativenBewegung ständigen dieeinzigeP die transnationaleK denn nichtdieGlobalisierungvonunten, der vergangenenJahrzehntehinaus.Ist doch nurpunktuellenInternationalismus einen, zwarimmerproklamiertenaber tut -praktischglobalisieren?Unddasüber - wieesdasK Kämpfe aberüberhaupt,wennwirsienicht wirkliche Alternativedazuböte. globaler Bezugaufgemachtwird,dereine felbewegung keinanderertransnationaler meisten engagiertenKritikerInnenderGip druck istallerdings,dassgeradebeiden Deswegen beteiligenwiruns,alsglocal W elche P enn wirunsselbsternstnehmen erkbänken derIndustriewerden, o ganzeL erspektive habenunsere ohl nichtstandortnationali apital schonseiteinigerZeit glocal grouphanau/pgainfopoint, ooperation derW eld, welchesdieGip andstriche zuverlän eldern, dieaberlei erspektive, dieeiner ohnabhängigen F ebruar 2005 ider I ------, nicht leisten. waren, konntenwirmehraucheinfach überschaubaren Haufen,derwirinBerlin Thema zubegeistern.Undmitdemdoch NGOs undGewerkschaftenfürdas ist mittlerweileineinemneuen V bei R land stattfinden-imK G8-KO zuG82005,2006und2007 gewesen, L langwieriges undanstrengendesV gar nichtvor Juni, d.h.biszuGeldofsPlänenmitlive8 der G8- macht. ImgesellschaftlichenDiskurskam so, dassunsdasabsolutunglücklich unter denvielenBerlinerInnen.Esistnicht doch wiederdiereisendenLinksradikalen die AdressatInnenunsererArbeitdann tInnen- Zusammenarbeit miteinernettenStuden und abgesehenvonderpunktuellen evtl. nichtnurR eines unsererbuntenP wie wirestun.Abgesehendavon,dass auf ähnlicheArtundW immer nurL haben. W Monat zuoffenenT half esauchnicht,dasswireinmalim I tur desNetzwerkeswohlstark verändern, aufgegangen. InBerlinwirdsich dieStruk sierung gegendiesenGipfelbeschäftigt, tungskreis, dersichabjetztmit der Mobili Zu BeginnihrerArbeithattedieBerli in derdeutschsprachigenVernetzung ner VernetzungG8-KOnochdasZiel werden, wirwollteneinenDialogmit Leuten ausanderensozialenMilleus, Gewerkschaften. ObandereGruppen formuliert, auchaufLeuteaußerhalb Anti-G8 Arbeitsollteoffengestaltet Der G8- Spektrum anzusprechen,geblieben.Da lierten W n Berlinistesletztlichbeimausformu ein ähnlichesZielverfolgten,wissen usw. BerlinerSzenezuzugehen.Die der anarchistischen,linksradikalen Wie gehtesjetztweiter? ostock anderOstsee.G8-K Gruppe ausBrandenburgwaren Gipfel inSchottlandbisca.Mitte Umweltgruppen oderauchaus -----text 2------also z.B.ausattac-,Kirchen-, irklich eingeladenfühltensich eute odergarF Gipfel 2007wirdinDeutsch unsch, nichtnurdaseigene eute, dieindenletztenJahren , vondaherwäreeseinenorm --- text1 eisechaotInnen ansprach, urort Heiligendamm reffen eingeladen ropaganda-Plakate eise P unktionäre aus olitik machen wir nicht. O Berlin orhaben orberei ------die Beinezustellen. tiertes, basisdemokratischesBündnisauf nutzen, umeinbreites,bewegungsorien den Gipfel2007alsKristallisationspunkt nistische Linke(IL)gegründet.DieILwill Spektrum, dieInitiativefüreineinterventio sich, ebenfallsausdemlinksradikalen Netzwerk fürHeiligendamm2007hat auch unabhängigvomlinksradikalen Gleneagles bezogenenAktivitätenund 3.W re bewegungsorientierteLinksradikale, Initiativen, AutonomeGruppen undande nitiativen, Antifagruppen,Flüchtlings lenSozialforen, Erwerbslosen-undSoziali der Linkenzusammenkommen:Dieloka Hier solltenInitiativenausallenSpektren mungen alleingeleistetwerdenkönnen. übernimmt, dienichtvoneinzelnenStrö K nisses auf dung einesbreitangelegtenGesamtbünd einschränken. [...]W lungskraft derAktioneninsgesamtmerklich lichkeiten unddiepolitischeAusstrah einer RichtungwürdedieHandlungsmög such einesAlleingangsoderdieDominanz no der G8- Erste SchwerpunktederK dern darüberhinauswirksambleiben. den Sommer2007beschränktsind,son Deutschland zeigt,diealsonichtnurauf Effekte füreineaktionsfähigeLinkein sation damitüberfordertwäre.JederV tioniert, dasseineStrömungoderOrgani Mobilisierung 2007istsogroßundambi gehen soll. gne gegendenGipfelinHeiligendamm soll. licher NähezuHeiligendammstattfinden lich nachdemGipfelinR sein, dasebenfallsimSommer2006,zeit sowie eininternationalesW te GestaltungderlinksradikalenK treffen geben,aufdemesumdiekonkre Hamburg einerstesgroßesV men. AnfangOktober(7.-9.10.)wirdesin anderen hierarchischenGruppenzusam beispielsweise nichtmitP formen derPGA entieren unsweiterhinandenUmgangs bisher nichtgroßartiggewandelt.W AktivistInnen kommen,hatsichallerdings geworden. DasSpektrum,ausdemdie der Kreisistjetztschondeutlichgrößer oordination dergemeinsamenAufgaben Die Hoffnungist,dassdieK P Sie schreiben:"DasGesamtprojektG -global-Netzwerke, traditionskommuni arallel zuunserenaufdenGipfelin elt - undKirchengruppen,attac die Die BerlinerV Gipfel 2006inSt.P , dasdieOrganisationund --- text3--- -Hallmarks, arbeitenalso ir rufendaherzurBil ussland, inräum ampagne sollen iderstandscamp ernetzung G8-K arteien oder orbereitungs ampagne etersburg ampa ir ori -8- er ------uns daallesehen. schen Streit.W Action undhoffentlichproduktivenpoliti pagne, ordentlichR hu geben,einetolleinternationaleK Heiligendamm einganzgroßesT W das wirdsichdienächstenMonateklären. werk amBündnisbeteiligtodernicht.Aber kutiert, obsichbeispielsweisedasNetz noch istgeradeunklarbzw ander diskutiertwerden,denkenwir auch nichtgegeneinander nicht gegenseitigausschließenundsollten Netzwerk. DieseAnsaetzemüssensich folgt: breitesBündnisundlinksradikales spektive zweiverschiedeneK den Gipfel2007auslinksradikalerP geladen werden. jahr 2007zueinemgroßenK Aktions seitige Anerkennungunterschiedlicher gitimierung derG8,zweitensdiegegen geschlagen: erstenseineeindeutigeDele Basis dieserV populistischen undrechtenKräften.Auf offensive Abgrenzunggegenüberrechts erlaubt, sowieviertenseineklareund miteinander ein solidarischer werden vonderILdeshalbvierP germaßen lang Bündnis beteiligtseinsollen,istalsoeini (http://g8-2007.de) verbände, Linkspartei/PDSusw Gewerkschaftsgliederungen und-jugend stische undtrotzkistischeOrganisationen, as sicherist:EswirdumdenGipfelin In diesemSinne: Momentan werdenalsobezogenauf Die ListederGruppen,dieambreiten O zuG82005,2006und2007 - undW , derverbindlicheAbsprachen orschläge sollfürdasF ir hoffendochsehr Berliner V iderstandsformen, drittens . AlseinMinimalkonsens , verlässlicherUmgang smash capitalism! abatz, spannende ernetzung G8-K , sondernmitein . nochnichtdis onzepte ver ongress ein ohuwabo unkte vor , daswir O . Den , 2005 rüh am er ." I ------

7 Teil I: Selbstreflexionen 8 Teil I: Selbstreflexionen und fürdieradikaleLinkegenutztwerden: D Thesen zurlinksradikalenOrganisierung erarbeiten. Blockadeziele eshabenkönnte,wärezu aussehen könnteundwasfürAktionsziele/ tensiver den dadurchaufwändigerundkostenin und Neoliberalismus.DieG8T deutige AbsageanMachtpolitik,K P radikale LinkedieEntschiedenheitihrer V Dazu vorwegunsereP Öffentlichkeit zubringen. tern undstärkerindie kale P Anlaß zunutzenlinksradi ten. DiegünstigenR tionen neuzuüberarbei Linken. internationalen radikalen der überregionalenund schaften, ebensowiedas NGOs, Kirchen,Gewerk P Bevölkerung erhöhte Interesseder Interesse derMedien,das hier vonNutzen,wiedas menbedingungen sind W Annäherung ansie.Derlinksradikale aber esgibtdieUtopieund gelebte fel. EsalsoZeitgibt,einigeszuerarbeiten. zwei JahrevordemGip bereits jetztangelaufenist, dass dieMobilisierung entstanden ist.Deswegenskizzenhaft ositionen deutlich.Sieerteiltsoeineein olitik undV 2.- KONFRONTATIVEINTERVENTION/ orfeld undwährenddesG8machtdie iderstand organisiertsichimV Es gibtkeinrichtigesL Durch konfrontativeInterventionenim Einmal bietetesdieMöglichkeit,den Hierbei istvonV Hier aucheinBeitragdermittenaus 1.- LINKSRADIKALEPOSITIONEN einem Diskussionsprozeßheraus ositionen zuverbrei 3.- SELBSTORGANISATION/ WIDERSTÄNDISCHE PRAXEN: sieben Ebenenbeantwortetwerden 2007 inHeiligendammkönnteauf ie MachtdemonstrationderG8 . W FERIENKOMMUNISMUS: ie einW , derlokalen erbände, von STÄRKEN: iderstandscamp 2007 orteil, osi ah zu verstehenist. eben imF ------reffen wer orfeld und alschen, apital - - - durch dieverstärkteAufmerksamkeit und F men undGeldern,Bedrohung von ich richtig",fürexperimentelleW le Linkeselbst,füreinGefühlvon"hierbin unterschätzt werden,einmalfürdieradika richtigen L der R solchen W nicht mitdenHinterlassenschafteneines ist eswichtig die lokalenStrukturendarstellt.Deswegen K rassistischen Grenzcamps).Diesbeinhaltet schönes L und W freie OrganisierungundebenaufdieArt möglichst freivonR ganisation, einemöglichsthierarchiefrei, len StruktureninMecklenburg auch eineBelastung werden. Dennesistklar internationalen Mobilisierungüberrollt mern nichtvoneinerüberregionalenund gegriffen hat. nisationsform desW Zusammenleben, -kämpfenunddieOrga stand, bzw (Stichwort: F rimentell anarchistisch/kommunistisch während des/derW 2005 derF publiziert werden,wieesz.B keit. EbensokönntedasExperimentstärker wicklung undfürdieeigeneGlaubhaftig Es istwichtig aschos. Sonderndasssieim Gegenteil onsensprinzip, K Linksradikale StrukturenvorOrtstärken. 4.- LOKALERADIKALELINKE epression, evtl.Kündigungvon Räu eise wiedieradikaleLinkesichein eben vorstellt.DerV iderstandes alleinzulassen,u.a. ebens imF . einW , sieauchnachdemG82007 , dassdielokalenlinksradika erienkommunismus deranti all war STÄRKEN: ollektivität undSelbstor iderstandscamp immer assismen undSexismen , wodieP iderstandcamps expe , bzw iderstandscamps auf alschen solltenicht , dassderW . Überlastungfür . inSchottland ersuch des resse das -V eiterent orpom ider G8 Widerstand2007Heiligendamm ------die aussehen? transnationale V oder PGA.W F gegriffen werden. Platz inderMobilisierungfindenundauf spricht u.a.dafür und V Aktivität inderR men indieeigenepolitischeP durch diesesErlebenwurdenAktionsfor blockaden) undClownsinSchottland, den Gegen- V schen Aspektehinaus,gibtesnochden Aktionen möglichsind.Überdieseprakti vielen Menschennochmalganzandere tragen. Ganzdavonabzusehen,dassmit in P Bianchi inItalien/Genua,P formen erfahrbarwurden.Soz.B den V hinaus zusammen.Dieshattebisheru.a. sprechen sichhiereineneueZündungfür hinausreichende Strukturschafft.Vielever aus zusammenarbeitet,bzw menkommt undauchüberdenGipfelhin überregionalen radikalenLinkenzusam die Chancebergen,dasseinGroßteilder rassanito ernetzungsaspekt, wiebeidernoborder Die überregionaleMobilisierungkönnte Im ZugederMobilisierung könnten Der linksradikaleW STRUKTUREFFEKTE, ZÜNDFUNKEN rag LINKSRADIKALER BEWEGUNG: erbreitung fürihreP orteil, dassverschiedensteAktions 7.- BÜNDNISSEEINGEHEN: , criticalmass(fahrendeF 5.- LÄNGERFRISTIGE - undEuromayday Aktivitäten überdieGrenzen organisieren. gemeinsamen W aufeinander beziehenund dem G8- dikale Bewegungauchnach W re politischeAusstrahlung? erreicht werden,einegröße könnte eineneueStärke mehr bewegtistgewiß.W G8- V es alleMal.Dasssichim gestellt, wünschenswertwäre listisch dasistseidahin tivischer T von grundlegender die linksradikaleBewegung ill dieradikaleLinkeeine orfeld undwährenddes ie könntesicheinelinksra ernetzung undwiekönnte 6.- TRANSNATIONALE egion auchUnterstützung , dasslokaleP W iderstands nochmal VERNETZUNG: iderstand kommtzu ragweite. W Gipfel verstärkt olitik finden.Das ink &Silveru.a. . einedarüber -V raxis über olitikfelder , perspek ernetzung . dieT iderstand ahrrad ie rea utte ie -, ------arbeitet werden.Hierwiederum derV der überregionalenMobilisierung ausge Schwerpunktsetzungen verstärktinnerhalb worden undletztendlichanderF den EU se sindz.B Energie reinzustecken?DerartigeBündnis politisch gewolltist,bzw sierung InteresseansoeinerP der überregionalen,linksradikalenMobili pen, Linksparteiusw foren, attac,Kirchen,trotzkistischenGrup Gruppen undGewerkschaften,Sozial eine Zusammenarbeitvonautonomen folgt dieIL(InterventionistischeLinke), eingegangen werden.DiesenAnsatzver Bündnisse überdieradikaleLinkehinaus W sierungsaufrufen, -zeitschriften, geben, seiesinV zifischen InhalteundSchwerpunktthemen Unterstützung fürdieV allen linksradikalenGruppenR und P Gruppen mehru.a.zuGentechnik,Arbeit sierung vonW Indien u.L zu internationalenKämpfen(wiez.B gen arbeiten(z.B pen, GruppendiezuBefreiungsbewegun und Häuserszene,umweltpolitischeGrup migrantische Gruppen,dieBauwagen- Flüchtlingsselbstorganisationen und W Jahr umsiezupropagierenund zurDis te zuer teil, dassz.B linksradikaler P breiten, diesmeintdieganzeBandbreite gewertet werden. beim Castorwiderstandalserfolgreich rerseits könntensolcheBündnissez.B frontativer Interventiongescheitert.Ande Mobilisierung gegendenG8- viele Gruppendasnutzenundsichander gen undeswärewünschenswert,wenn haben, ihrespezifischenInhalteeinzubrin radikalen P verknüpft ist.Deswegensolltenallelinks alles zusammenhängtundmiteinander W und BezogenheitaufeinanderdieFülledes K werden. Erstzusammenstellensieinihrer len P L ligen, soz.B esbenT zu 1.-LINKSRADIKALEPOSITIONEN omplexität, V ebsite/Links imV iderstandscamp/s selbst. iderstandes darundzeigenwieeben Die überregionaleMobilisierungsollte Darüber hinauskönntenz.B B Linksradikale P A.- Hierzu einpaarvertiefendeGedanken. .- olitikfelder könnenaufG8bezogen rekarisierung -, bzw ransgenderbewegung - Gipfel inK ateinamerika gegendieP . beidemW . gut3/4JahrZeitwäreInhal olitikfelder dieMöglichkeit . dieF . überarbeitenund1weiteres olitikfelder erschränkung miteinander STÄRKEN: asser) undvieleandere ositionen stärkenundver . zudenZapatistas)und orfeld undaufden/dem , Bodyismususw eranstaltungen, Mobili . anstrebt.Gibtesvon rauenL openhagen versucht erbreitung ihrerspe . sinnvollisthier . Allelinksradika iderstand gegen esben- F , dieAntifa, Gipfel betei olitik? Istes rage kon aum und . . drei rauen rivati . in or ------. ein neuer raterie K P schädigung beziehensichdirektaufdie zin, F nologie anbieten(Genlebensmittel,Medi würde sichderSchwerpunktAnti- men, dievertieftwerdenkönnten.U F L T Migrationspolitik istaktuellz.B onspolitik undNeokolonialismussein. wäre: von Schwerpunktsetzungen.EinIdeehierzu arbeiten würden. Thematik zueinigen,dervielegerne wäre zumanderenschwersichaufeine nie dieK erst malbeliebig kussion zustellen.DieZahlDreiisthier derer mitP Ökonomie zubeschäftigenundalseinT damit begonnenunsmitneoliberaler vatisierung vonW W sche Seite,derenF Schwerpunkt werden,derdieökonomi arbeiten. esse zudieserThematikvertiefend ne BerlinerGruppen/EinzelpersonenInter noch nichtentschieden)hättenverschiede gen betont.W MIGRATION undANTIKOLONIALISMUS: agesthemen durchdieSituationinden agern inMarokkopräsent.Anti-K olitik derG8undkönntenandieAnti- orderungen vonEntschuldigungundEnt oloniale iderstand undAneignungspraxendage Es gäbeverschiedeneMöglichkeiten Hier gäbeesauchverschiedensteThe Ein zweiterSchwerpunktkönnteMigrati In Berlinhabenwiru.a.erstmalvage ÖKONOMIE/ PRIVATISIERUNG: orschung -K UMWELT, KLIMA,KÖRPER ampagne). Gentechnologieals -K omplexität wiedergebenundes , umkämpfterMarktundeine rivatisierung amBeispielderP onferenz 2004anschließen. , AnknüpfungandieBiopi ie esgeradeaussieht(ist . EinSchwerpunktwürde asser olgen, denkonkreten . Dieskönnteein . inden Gentech oloniale .a. eil ri ------sebene R (F te, dieT damm gegendieP als auchaufderV Aktionsebene, aufderEbeneInhalte unterstützen, daesunssowohlaufder im Sommer2006möchtenwirebenfalls öffentlichen R fung andenlokalenP burg Flüchtlingslager pommern z.B derstandstour durchMecklenburg sein. usw verbreitet undlokaleStrukturenstärkt,usw davor temporärimmermalwiederInhalte bus, derimZeitraumvon6Monaten W richten, wiez.B gegen dieoderanwirunserenP immer wiederOrteaufgesuchtwerden, W K te, eineBroschüre,V F Eine größereW raum, z.B standscamp übereinenlängerenZeit dann einigeMonatevordemG8- propagiert werdenkönnen.Diesekönnten beiten undIdeenzuentwickeln,wiesie genutzt werden,umdieseInhaltezuerar des MenschenbisinseinenKörperhinein. trägt dieAusbeutungundV neue R ilm, deralsV onzerte, Gegen- undus, bzw iderstandscamp odereinmobilerInfo iderstandscamp überdasJahrverteilt -we willrockit Die IdeevoneinemW Auch könntenz.B Die ZeitbiszumSommer2006könnte . alldaskönntenV -V orpommern, W essource neoliberalerÖkonomie aum gibtweiterzukommen. agungsort derG8werdenwird . 6Monateverbreitetwerden. . K adwegen durchdieHotelket . 3W orfilm inKinoslaufenkönn . OderauchdieAnknüp empinski). anderausstellung oderein Six Hills,BerlinimOktober2005 . GenfelderinMecklen - ernetzungs Gipfel, eineF smash g8 ochen vordemG8- rivatisierung z.B . einJahrvordem eranstaltungsreihen, asserkonzerne oder rotest inHeiligen erbreitungsformen iderstandscamp - undBündni erwertbarkeit ahrradwi W . von rotest -V ider or I ------.

9 Teil I: Selbstreflexionen zur wto und heiligendamm nolager bremen & gregor samsa zur wto und heiligendamm

Im aktuellen november-ak ist unter lierungen sind es, die das gegenwärtige globalen süden - mit globalisierung vor der überschrift "widersprüche, turbu- gesicht des kapitalismus maßgeblich (mit- allem akteure wie iwf, weltbank oder wto lenzen, opportunitäten" ein artikel zur )bestimmen. klar, die wto ist in diesem pro- (samt destruktionspotentialen) verbinden, im dezember anstehenden wto-kon- zess nicht der einzige akteur; so sind z.b. fragen wir uns, ob es tatsächlich ein poli- Teil I: Selbstreflexionen ferenz in hongkong erschienen: http://www.akweb.de/ der artikel die weitgehenden liberalisierungen im tisch kluger schachzug wäre, ausgerechnet endet mit der überlegung, dass der kapitalverkehr (stichwort: finanzmärkte) den tiger globalisierung in aneignungs- g8-gipfel in heiligendamm nicht bereits seit den 80-er jahren durchgesetzt praktischer pespektive reiten zu wollen. zuletzt dafür genutzt werden könnte, worden; und auch gibt es unterhalb des den anti-wto-widerstand auch hier- globalen wto-levels ständige bestrebun- c) auch wenn wir eingangs betont haben zulande endlich auf breitere & radi- gen, durch regionale und zwischenstaatli- (und das durchaus ernst meinen), dass es kalere füße zu stellen. was damit che abkommen den handels-, investitions- uns nicht darum geht, ‚die' wto als mögli- konkret gemeint ist, konnte leider , dienstleistungs- etc -verkehr zu liberalisie- ches klammer bzw. brücken-thema hoch- nicht mehr ausgeführt werden, das zulässige zeichenkontingent war ein- ren. dennoch scheint uns die behauptung zujubeln, möchten wir dennoch darauf mal mehr erschöpft. das ist der nicht falsch zu sein, dass die wto schritt- hinweisen, dass sich hinter dem wörtchen grund, weshalb wir hier den fehlen- macher und somit kristallisationspunkt die- wto eine gigantische themenpalette ver- den absatz (in deutlich erweiterter- ser prozesse ist. nur was im wto-rahmen birgt: ob es um agrarische oder nicht- tem umfang!) nachreichen wollen. ziel nicht durchgesetzt werden kann, wird agrarische produkte geht, um dienstlei- unserer argumentation ist es nicht, anderweitig probiert - so wie das z.b. die stungen, investitionen oder geistige eigen- den kampf gegen die wto zu einer art eu-komission im hinblick auf regionale tumsrechte, überall ist die wto mit von der mega- bzw. brücken-thema für die abkommen zwischen der eu und einzelnen partie. da es bei jeder art von handel heiligendamm-mobilisierung hochzu- jubeln. nein, wir möchten lediglich ländergruppen unmissverständlich formu- immer auch um die frage geht, welche art zeigen, inwieweit sich die auseinan- liert: "regionale integration ist daher keine von entwicklung (ob im süden oder nor- dersetzung mit der wto im rahmen alternative zu multilateraler liberalsierung den) nicht nur möglich, sondern auch des g8-widerstands thematisch und (= wto) sondern ein komplimentärer pro- gewollt ist, landet mensch in sachen wto politisch geradezu aufdrängt (was zess. vielfach kann die regionale ebene als schnell bei sehr grundsätzlichen fragen - auch der grund ist, weshalb wir an testfeld für neue politiken dienen, die - nicht zuletzt bei der innerhalb der radika- mehreren stellen brückenschläge zur soweit sie erfolgreich sind - auf den multi- len linken immer noch unterbelichteten inhaltlichen disussion auf dem ham- lateralen kontext übertragen werden kön- problematik ‚ökologischer zerstörungen'. burger treffen vorgenommen haben). im hinblick auf das nächste große nen." (2004) kurzum: so wichtig wir es finden, den g8- treffen in berlin (januar 2006) basteln widerstand nicht auf einige wenige haupt- wir noch an einem etwas anders aus- b) führt mensch sich die konkreten aus- themen einzudampfen, langfristig stellt gerichteten diskussionsbeitrag - die wirkungen des globalen (!) wto-prozesses sich eben doch die frage, ob und inwieweit wto wird dort nur eines unter mehre- vor augen, wird deutlich, welch' giganti- ‚wir' uns durch gemeinsame schwerpunk- ren themen sein. schen destruktionspotentiale jenem als setzungen ein nach ‚außen' schärferes pro- globalisierung titulierten prozess innewoh- fil verpassen wollen. um diese frage ging nen, d.h. all denjenigen abläufen, in es beim hamburger treffen immer wieder, denen sich der kapitalismus seit etwa 25 in diesem sinne wollten wir die wto schon ur sache: was haben anti-wto und jahren (endgültig) globalisiert, nicht nur mal jetzt als eine potentielle schnittfläche, anti-g8-widerstand miteinander zu dadurch, dass (nahezu) sämtliche länder an der sich viele leute mit ihren jeweils Zschaffen? des globus von der kapitallogik immer eigenen themen einbringen könnten, vor- umfassender durchdrungen werden, son- gemerkt haben. a) insofern im rahmen des g8-wider- dern auch dadurch, dass die kapitallogik stands kapitalismus (als eines von mehre- zunehmend in sämtliche bereiche des d) die politische auseinandersetzung mit ren herrschaftsverhältnissen) grundlegend lebens vordringt, ja bis auf die ebene der der wto könnte auch für ein weiteres, in in frage gestellt werden soll - wovon wir gene, etwa bei der patentierung von saat- hamburg ebenfalls mehrfach zur sprache ausgehen, reicht es unseres erachtens gut. dies sich ungeschminkt klar zu gekommenes problem produktive nicht, sich lediglich auf die kernaussage machen, erscheint uns deshalb wichtig, (lösungs-)perspektiven eröffnen. die wto "kapitalismus abschaffen" zu beschränken - weil daran deutlich wird, welchen politi- betrifft (anders als z.b. die schuldenproble- so wie das bei der deutschsprachigen schen drahseilakt die von hanau als zen- matik) menschen weltweit: ob in indonesi- schottland-mobilisierung in gewisser hin- trales motto stark gemachte formulierung en, deutschland oder polen, überall wer- sicht der fall gewesen ist. vielmehr sollte es "globalisierung von unten" darstellt. wir den jahr für jahr millionen auch darum gehen (und das müsste sich möchten das an dieser stelle nicht als kleinbäuer/innen ‚freigesetzt', d.h. ihrer sowohl in texten als auch in slogans und absage an ein derartiges motto verstanden existenzgrundlagen beraubt; von der pri- forderungen ausdrücken), den kapitalis- wissen, denn im grunde teilen wir die über- vatisierung des wassers könnten früher mus konkret und auf der höhe seiner zeit legung der hanauer/innen, wonach globa- oder später überall auf der welt arme (21 jahrhundert!) zu begreifen - nur so lisierung auch emanzipatorische prozesse menschen negativ betroffen sein; gleiches kann er realitätstauglich kritisiert und ermöglicht und es folglich auch angesagt gilt für die zunehmende privatisierung von bekämpft werden. genau hierfür bietet die ist, politisch dort anzusetzen, wo wider- bildung oder gesundheitsdienstleistungen. wto zahlreiche anknüpfungspunkte: denn stand & subversion (stichwort: aneignung) konkret heißt das: der kampf gegen die insbesondere die im zuge des wto-prozes- tatsächlich am start sind. und doch: vor wto droht nicht zum stellvertreter-kampf zu ses schritt für schritt durchgeboxten privati- dem hintergrund, dass zahlreiche men- werden, er kann (bzw. könnte) auch hier- sierungen, liberalisierungen und deregu- schen und aktivist/innen - nicht zuletzt im zulande an konkrete praktische kämpfe

10 anknüpfen. wir schätzen dieses argument, komplexer überschneidungen!) und dass von walden bello & co vertretene konzept und doch möchten wir zu bedenken sich deshalb die diesbezüglichen (alli- der de-globalisierung zu eigen: danach sei geben, dass es nur präzise bzw. dosiert anz/kooperations-)fragen eigentlich es für länder aus dem globalen süden eingesetzt werden sollte. denn einerseits nochmal ganz anders darstellen, als das angezeigt, sich aus der derzeit herrschen- fänden wir es falsch, würden die zum teil im allseits bekannten schlagabtausch zwi- den weltmarkteinbindung (inklusive primä- riesigen unterschiede einfach eingeebnet schen so genannten anti-imps und ihren rer exportorientierung) zu lösen und statt- werden; so bedeutet landverlust für men- kritiker/innen der fall ist. am ende hilft hier dessen regionale wirtschaftstrukturen schen in mali oder in indien nicht selten nur, jedenfalls in unseren augen, die kon- (durchaus im transnationalen rahmen) zu den kompletten verlust ihrer ernährungs- krete, d.h. auf bestimmte länder und stärken. die perspektive von de-globalisie- Teil I: Selbstreflexionen souverenität und somit unterernährung bewegungen gemünzte diskussion weiter - rung geht außerdem mit der forderung oder hunger; das ist zum glück in europa ohne dass das allerdings in einen durch nach landreform, umverteilung des reich- (noch) nicht der fall. andererseits gefällt europäische aktivist/innen vorgenomme- tums, qualitativem statt quantiativem uns das stellvertreter-argument überhaupt nen polit-tüv verkommen sollte. wachstum, ökologischer ausrichtung der nicht: denn im kern besagt es, dass solida- produktion etc. einher, denn letztlich sind rität mit dritten fast schon gleichbedeutend f) mehrmals wurde auf dem hamburger auch die länder des globalen südens mit stellvertreterpolitik sei und folglich treffen die meinung vertreten, dass hin- hundsgemeine klassengesellschaften - mehr oder weniger automatisch in karitati- sichtlich so genannter nord-süd-themen einschließlich der einschlägigen interessen ven paternalismus à la brot für die welt das politische feld bereits derart von ngo's auf seiten der herrschenden klassen! für abgleiten müsse (auch in hamburg wurde zugestellt bzw. besetzt sei, dass es kaum den anti-g8-widerstand heißt das also, nicht nur einmal so argumentiert). demge- noch möglich wäre, sich diesbezüglich von dass es durchaus zahlreiche möglichkeiten genüber möchten wir ein politisches ver- linksradikaler seite aus mit eigenen posi- gibt, sich mit grundlegender analyse und ständis von solidarität stark machen, das tionen zu profilieren. wir teilen dieses kritik in sachen wto zu wort zu melden. unter solidarität nicht hilfsflüge, bevormun- argument aus sehr grundsätzlichen erwä- dung und andere schweinerein versteht, gungen nicht. denn der umstand, dass sich g) ein letzter gedanke: die ministerkon- sondern politische kooperation auf glei- in bestimmten feldern viele ngo's tummeln, ferenz der wto findet alle 2 jahre statt. cher augenhöhe - im gemeinsamen kampf ist aus unserer sicht zuallererst als chance auch wenn derzeit nicht absehbar ist, was für eine andere welt, d.h. für weltweite zu begreifen (im sinne breiterer bündnisse aus der minister-konferenz im dezember in gerechtigkeit. und relativ größeren politischen drucks), hongkong werden wird, so ist es dennoch und trotzdem heißt das noch lange nicht, wahrscheinlich, dass es auch 2007 (wahr- e) eine bezugnahme auf anti-wto-kämp- dass mensch aufhören könnte, selber zu scheinlich nach dem g8-gipfel) eine wto- fe hätte auch zur konsequenz, dass denken, zu schreiben und zu handeln. konferenz stattfinden wird. hieraus könnten mensch es im globalen rahmen vor allem denn lobbyismus (wie ihn viele ngo's sich politisch interessante szenarien und mit (thematisch ausdifferenzierten) sozialen betreiben) hat in inhaltlicher hinsicht stets perspektiven ergeben! bewegungen zu tun hätte - und nicht so sehr klare grenzen - das geht gar nicht sehr mit nationalen befreiungsbewegun- anders. bestimmte (radikale) perspektiven wir möchten es hiermit auf sich beruhen gen. einerseits würden wir das als handfe- können folglich nur von sozialen bewe- lassen. wie gesagt - wir wollten in diesem sten politischen vorteil bezeichnen, denn in gungen stark gemacht werden, hier gibt es diskussionbeitrag nur einige der mögli- vielerlei hinsicht teilen wir die in hamburg also überhaupt keinen grund, sich zu ver- chen schnittstellen zwischen anti-g8- und gegenüber so genannten nationalen kriechen. was das konkret heißt, kann am anti-wto-widerstand ausloten. mehr und befreiungsbewegungen geäußerten vorbe- beispiel der wto bestens illustriert werden: anderes soll beizeiten ebenfalls noch auf- halte, auch wenn wir finden, dass die kritik wir hatten es unter c) schon gesagt, han- geschrieben und rumgeschickt werden... mitunter viel zu pauschal und oberflächlich dels- und verwandte themen werfen immer ausgefallen ist und außerdem viel zu wenig auch grundsätzliche fragen (inklusive ant- I den umstand berücksichtigt hat, dass die worten) auf: so gibt es z.b. viele ngo's, die no lager bremen und gregor samsa, nationale rahmung politischer kämpfe in sachen wto einen gerechten welthandel November 2005 nicht selten ein durch die ‚realität' aufge- fordern. dem stehen andere ngos sowie herrschter sachverhalt ist; an dieser stelle soziale sehen wir mit anderen worten noch großen bewegun- diskussionsbedarf. andererseits ist uns die gen gegen- feststellung, dass der globale anti-wto- über, die kampf politische allianzen quer zur natio- die mei- nalstaatlichen organisationslogik ermög- nung ver- licht, deshalb wichtig, weil genau dies viel treten, dass zu häufig unter den tisch fällt. dieser punkt es unter hat uns nicht nur in hamburg irritiert, son- kapitalisti- dern auch in dem vor einigen tagen über schen vor- die mailing-liste verschickten positionspa- zeichen für pier der "inhalte-ag des g8-plenums länder aus mannheim-heidelberg". dort wird sich zwar dem süden von nationalen befreiungsbewegungen gar keinen und antiimperialistischen gerechten unterstützer/innen genauso abgegrenzt handel wie vom "konzept des internationalismus", geben es wird allerdings kein wort darüber verlo- könnte. sie ren, dass es in den ländern des südens x machen mal mehr soziale bewegungen als natio- sich statt- nale befreiungsbewegungen gibt (nebst dessen das

11 "Was wir machen, muss sich ausdrücken in dem, was wir tun"

Der folgende Text ist das Ergebnis bereiteten, organisierten und motivierten oder ähnliche Sprache, geschweige denn unserer Diskussionen nach dem G8- AktivistInnen lässt sich vor, in und um Hei- Arbeitsweise zu finden. Die recht wilden Teil I: Selbstreflexionen Vorbereitungstreffen im Berliner ligendamm herum einiges reißen - womit Auseinandersetzungen z.B. um die Hand- Mehringhof im Januar diesen Jahres. keine bestimmten Aktionsformen festge- zeichen oder Entscheidungsverfahren Wir haben uns mit den dort von ver- schrieben sein sollen. kamen und kommen unseres Erachtens schiedenen Gruppen vorgestellten Papieren beschäftigt (zu finden im nach nicht von ungefähr. Sie zeigen jeden- Internet auf Egal, ob Gruppen vor allem das Ziel falls, dass wir in sehr unterschiedlichen http://www.gipfelsoli.org/ vertreten, die eigenen Inhalte attraktiv und Zusammenhängen aktiv sind und uns zum Inhalt+Theorie.html), über eigene überzeugend auf die Straße zu tragen, Mit- Teil darin so zuhause fühlen, dass andere Vorschläge diskutiert usw. Eigentlich streiterInnen zu gewinnen, viele bestehen- Umgangsweisen schnell als wahlweise wollten wir unseren Debattenbeitrag de Zusammenhänge zu vernetzen, linke absurd, albern, dominant oder unnötig dann spätestens zum Leipziger Tref- Strukturen in McPomm zu stärken, globale empfunden und abgetan werden. fen mitbringen - na ja, wir sind und lokale Aktivitäten zusammen zu brin- Ein bisschen weniger Beißreflex würde bestimmt nicht die einzige Gruppe, die zum Texte produzieren manchmal gen, phantasievolle und/oder militante uns da wohl allen ganz gut tun, genau so etwas länger braucht. Wir schicken Aktionen hinzukriegen, Internationalismus ein bisschen Nachdenken darüber, woher das Ding jetzt hiermit ohne erneute praktisch zu machen, nach den Gipfelakti- die verschiedenen Verhaltensweisen kom- Aktualisierung weg, wohl wissend, onstagen mehr zu sein als vorher oder ein- men(3). Nur weil mensch einer Verfahrens- dass seit Januar ein paar Wochen ins fach mal wieder das Gefühl von Stärke auf weise das Etikett "basisdemokratisch" ver- Land gegangen sind und freuen uns Großdemos o.ä. zu erleben - weder Klein- passt, garantiert dies noch keinen tatsäch- auf Reaktionen aus der Jetzt-Zeit. gruppen noch Einzelpersonen können all lich egalitären Umgang(4). Wer rhetorisch das alleine rocken. Eine frühzeitige mög- besonders versiert ist, kann sich auch oder lichst bundesweite und internationale Vor- gerade mittels Redelisten eine vergleichs- bereitungs- und Vernetzungsstruktur ist uns weise dominante Stellung in Diskussionen ie Wogen schlugen hoch auf dem bei dem Versuch, die Treffen in Heiligen- "herbeireden". Genau so wenig hilfreich bisher zweiten bundesweiten Vorbe- damm nicht glatt und ungestört über die oder gar emanzipatorisch ist aber auch ein reitungstreffen gegen die G8-Gip- D Bühne gehen zu lassen, viel wert. Beharren auf das althergebrachte "das war fel in Petersburg und Heiligendamm, das Das von der Berliner Gruppe six hills(2) schon immer so", in dem sich der (selten manche als linksradikale Vorbereitung, betonte Anliegen, Kritik zu verbreitern, hal- genug die) Lauteste durchsetzt. Wer sich manche als dissent!-Spektrum bezeichnen. ten wir in Bezug auf die Ziele der Mobili- allein dann, wenn er/sie andere Zustim- Vor allem am 7./8. Januar in Berlin prall- sierung für zu defensiv. Auch wenn uns das mung "wedeln" sieht, oder wahlweise beim ten die Ansichten heftig aufeinander: Sind Ziel "Gipfel verhindern" bei gegenwärtigen ersten Zwischenruf aufregt, dem/der wün- das überhaupt "linksradikale" Vorberei- Kräfteverhältnissen eine etwas zu markige schen wir für die Zukunft einen etwas ent- tungstreffen? Ist das gewollt? Wie halten Pose zu sein scheint, halten wir Begrifflich- spannteren Umgang mit Großgruppendis- wir es mit den 'hallmarks' des Peoples Glo- keiten wie "stören", "blockieren", "aufmi- kussionen. bal Action (PGA)- Netzwerks(1), den schen" und "präsent bzw. unberechenbar Auch wenn zwischen den streitenden Begriffen Imperialismus, Internationalis- sein" für schon passender. Um politisch Fraktionen eindeutig auch inhaltliche Dif- mus usw. usw. Knallt das ganze Ding dem- deutlich zu machen, dass wir den Kapita- ferenzen ausgetragen wurden, spielten nächst auseinander? Wo wir auch hin- lismus mit all seinen Institutionen für nicht sich doch einige wenig hilfreiche Vereinfa- gucken, verdammt viele Fragen sind unge- reformierbar halten, halten wir auch den chungen ab, wie z.B. "Anti-Imps" gegen klärt oder äußerst umstritten. Ausdruck "Gipfel angreifen" durchaus für wahlweise "Hippies", "Studies", "JUKS- Wir wollen als eine autonome Gruppe brauchbar. Dies würden wir tatsächlich Leute" etc. - das halten wir für ausgemach- unsere eigenen zum Teil auch recht leb- gerne erreichen, auch wenn es nicht nur ten Blödsinn. Weder produziert das Stu- haften und kontroversen Diskussionen um die bösen 8 geht, die in Wirklichkeit ja dentInnendasein automatisch das Bevor- dazu öffentlich machen, da wir uns weiter- auch viel mehr sind... zugen einer moderierten Redeliste, noch hin genau diesem Thema widmen und ein Zum jetzigen Zeitpunkt würden wir vor möchten wir die z.B. in unserer Gruppe bisschen von unserer Leidenschaft gegen den Parolen allerdings gerne die Inhalte vorhandenen antiimperialistischen Einstel- die zum Teil aufgekommene Resignation und Ziele unserer Mobilisierung näher lungen automatisch kurzschließen mit der setzen wollen. Wir sehen immer noch bestimmen bzw. diskutieren. Pose des "wer-am-lautesten-schreit-setzt- Chance, durch unsere Vernetzung - wobei sich-durch". wir uns hier in erster Linie auf Heiligen- Aber auch unsere Organisationsform ist Zudem würden wir voneinander erwar- damm 2007 beziehen - auf mehreren Ebe- für uns nicht nur Mittel zum Zweck, so ten, dass sich auch in unserer Organisie- nen was zu gewinnen (Teil 1). Außerdem mühsam sie sich bisher auf einigen der rung unsere Ansprüche und Inhalte, z.B. stellen wir am Ende ein paar konkrete großen Plena auch darstellte. was den Kampf gegen Sexismus angeht, inhaltliche und organisatorische Vorschlä- praktisch und nicht nur auf der Bewusst- ge zur Diskussion (Teil 2) und freuen uns Natürlich ist es leichter gesagt, ganz seinsebene niederschlagen. Wir wollen auf hoffentlich viele Reaktionen. viele Leute, Zusammenhänge, Gruppen nicht, dass sich im schlechtesten Fall wie- der vor allem die Frauen für die Gruppen- Teil 1 oder: Was wir gewinnen und Einzelpersonen aus unterschiedlichen können: Spektren, Arbeitsbereichen und Ländern dynamik, soziale Konflikte, Übersetzung zusammenbringen zu wollen, als in der etc. verantwortlich fühlen und die Männer Mit möglichst vielen, möglichst gut vor- konkreten Situation auch nur eine gleiche sich um Computerkram, allgemein techni-

12 sche Ausrüstung und erste Reihen auf als Ausgangspunkt solcher Debatten doch, spricht. Ist es auch eine "privilegierte deut- Demos kümmern. dass gesellschaftliche Verhältnisse als sche linke Ghetto-Debatte" (GIB, "Kapital etwas komplexeres wahrgenommen wer- Macht Krieg"), sich die Unterschiede zwi- Als weiteren Gewinn einer großen, auch den, als es in manch plumper Solidaritäts- schen anarchistischen HausbesetzerInnen linksradikalen Vernetzung zu G8 sehen wir forderung erscheint(7). etwa in Iru?ea, den Straßenkämpfen (kale die Chance auf gute inhaltliche Debatten borroka) der militanten Jugendlichen und oder auch Streits darum, was linksradikale Es gab und gibt unserer Ansicht nach den häufig autoritären ETA-Strukturen Positionen eigentlich heutzutage sind. leider viel zu oft gerade in Kampfsituatio- genauer anzusehen? Wie gesagt, bitte hier nen das Verschieben von scheinbar nach- mal etwas Butter bei die Fische! Es sind Teil I: Selbstreflexionen Auf dem Treffen in Berlin wurde in den oder untergeordneten Kämpfen auf später doch eher die Projektionen und Darstellun- Diskussionen der Inhalte-AG der Versuch (also oft auf nie) und das Sich-Durchsetzen gen der Herrschenden und der Repressi- unternommen, auch kontroverse Meinun- derjenigen autoritären Positionen, die mit onsorgane, all diese Gruppen in einen gen auszutauschen und sich darin gegen- dem Verweis auf die Schärfe der (histori- undurchschaubaren SympathisantInnen- seitig ernst zu nehmen, ohne dauernd mit schen) Situation blinden Gehorsam einfor- sumpf zu werfen, um alle für alles verant- den üblichen Verflachungen zu arbeiten. dern. Es scheint uns den einen oder ande- wortlich machen zu können! Ohne Schaum vor dem Mund konnte hier ren Streit wert, wo vertikale Strukturen Auch eine - vielleicht nicht so gemeinte in einer konstruktiven Atmosphäre disku- anfangen und wofür sie da sein sollen. - unkritische Solidarität mit den Kämpfen tiert werden, was wir uns in ähnlicher Form in Palästina erscheint bestenfalls als plaka- für weitere Treffen, Arbeitsgruppen etc. Das Thema, mit wem kämpfen wir oder tive Parole, um in Abgrenzung zu anderen und insbesondere für das Camp 06 im auf wen beziehen wir uns positiv, bedarf zu treten. Zur Klärung der komplexen Ver- August diesen Jahres wünschen und auf noch einiger Auseinandersetzung. hältnisse vor Ort trägt sie nicht bei. In der vielfache Beteiligung hoffen. Allerdings Inhalte-AG auf dem bundesweiten Treffen war auch hier der Redeanteil von Männern Was genau bedeutet es denn, Solidarität in Berlin wurde der Aussage nicht wider- extrem hoch und weniger Platzhirschgeha- einzufordern mit beispielsweise den Kämp- sprochen, dass mensch sich sehr genau be ist auch hier dringend nötig. fen in "Palästina/Israel, Irak, Kolumbien, die Verhältnisse in den einzelnen Ländern Nepal, Kurdistan, Baskenland" (vgl. GIB: anschauen müsse, was auch den Blick auf Wir wollen uns hier mit ein paar bisher Kapital Macht Krieg)? Entstehen daraus die jeweils kämpfenden Gruppen beinhal- von Gruppen formulierten Thesen ausein- praktische Folgen für unser Handeln, und tet. Der Rechtsruck in der palästinensi- andersetzen und darüber hinausgehend wenn ja, welche? Oder bleibt es bei der schen Bevölkerung ist für uns kein Grund, einige Debatten aufgreifen, die wir für bloßen Parole? Im Vergleich zu früher auch nur ein Pünktchen der Kritik an der wichtig halten und unsere Positionen dazu scheint es uns auf diesem Feld gerade zu israelischen Besatzungspolitik zurück zu darstellen. wenig Praxis zu geben. Es gibt heute immer nehmen. Aber wir müssen deshalb keines- Auch aus unserer Sicht gibt es innerhalb noch Soligruppen, viele Zeitungsprojekte, falls mit der Hamas, dem Islamic Dshihad der radikalen Linken viel unschöne ein paar Solipartys und Reise-grüppchen oder der Fatah solidarisch sein. Es gibt Geschichtsvergessenheit in dem Sinne, hie und da. Auch die häufig recht starken dagegen durchaus andere Gruppen, wie dass Begriffe wie Internationalismus oder und international vernetzten Proteste etwa die queere Black Laundry Gruppe, (Anti-)imperialismus vorschnell für unnötig gegen Gipfeltreffen etc. sind unserer Mei- die palästinensische Lesbenorganisation oder gar falsch erklärt werden. Wir teilen nung nach Ausdruck einer Veränderung in Ashoa oder die anarchists against the wall, den z.B. vom Gegeninformationsbüro GIB diesem Bereich. Wir denken, hier müssten die beispielsweise auch grenzübergreifend formulierten Eindruck, dass es häufig aus wir ansetzen und diese bestehenden Initia- agieren und uns allein deshalb relativ einer arroganten oder elitär verstandenen tiven ausbauen, um wieder zu mehr Praxis nahe stehen. Es ist für uns generell ein akademischen und im schlimmsten Fall zu gelangen. Gerade weil es uns nötig spannender Punkt, sich mit Kämpfen zu bewegungsfernen antideutschen Perspekti- erscheint, eine internationale Perspektive beschäftigen, die nicht in erster Linie aus ve heraus abgelehnt oder angegriffen zu stärken, ist uns daran gelegen, ein paar einer nationalstaatlichen Perspektive her- wird, sich auf soziale Kämpfe früher oder Kriterien für Solidarität oder, viel besser, für aus entstehen, sondern sich z.B. an sozia- anderswo zu beziehen. Obwohl uns das Zusammenarbeit klarer zu kriegen. Daher len Konfliktfeldern entzünden, wie etwa seit nervt, halten wir es aber auch nicht für zunächst die Frage nach mehr Genauig- Anfang des Jahres die Streiks der säkular besonders pfiffig, den Begriff "Befreiung" keit: welche kämpfenden Gruppen sollen orientierten Busfahrergewerkschaft Vahed und das Kämpfen darum so zu generali- denn z.B. im Irak gemeint sein? Bezieht im Iran. Zum Schluss hätten wir von GIB sieren, wie es beispielsweise das GIB in doch mal Position! Wir können weder mit und Co gerne noch gewusst, warum in seinem Text "Kapital Macht Krieg"(5) tut. den Aufständischen aus dem Umfeld der ihrer Aufzählung die Kämpfe in Mexico Gegen Besatzung zu kämpfen kann natür- unter Saddam Hussein an der Macht nicht vorkommen! lich die Verhältnisse zum Tanzen bringen, gewesenen Baath-Partei, noch mit den Al- aber wenn dahinter reaktionäre Ansichten Sarkawi -nahen Kräften irgend etwas Uns ist sehr daran gelegen, in unseren und Gesellschaftsvorstellungen stehen, ist anfangen, ganz im Gegenteil. Wir hätten Anti-G8-Positionen und Aufrufen in Bezug ein solcher Kampf einfach nichts, worauf genau bei diesem Thema gerne mal auf Internationalismus und Antiimperialis- wir uns positiv beziehen können und wol- Namen oder Beispiele gehört/gelesen, um mus konkreter und identifizierbarer zu wer- len. Wer meint, dies bedeute zwangsläufig, endlich mal wieder eingehender zu disku- den. Besatzerregime oder -politik gut zu heißen, tieren. So finden wir es beispielsweise loh- hat einen ziemlich engen Blick auf politi- nenswert, sich mit den Positionen der nicht Die Phase der "strategischen Verbünde- sche bzw. gesellschaftliche Verhältnisse, in religiösen, also säkular orientierten iraki- ten" oder das alte Spiel "der-Feind-meines- denen es nur gut und böse zu geben schen Frauenorganisation OWFI (Organi- Feindes-ist-mein-Freund" ist für uns defini- hat(6). Wir halten wahrlich nichts von dem sation der Freiheit von Frauen im Irak) tiv vorbei, bzw. hat für viele auch noch nie Gerede, mensch könne kein oben und mehr auseinander zu setzen, die sich Gültigkeit gehabt. An diesem Punkt ist viel unten mehr benennen und von "den Herr- sowohl gegen den Krieg der USA, gegen mehr Genauigkeit nötig und einfache schenden" zu sprechen sei eine unlautere die Besatzung, aber auch gegen funda- Parolen klären nichts. Die allgemeine For- Personalisierung. Aber wir wünschen uns mentalistische Widerstandsgruppen aus- derung "Solidarität mit den Kämpfen in xy"

13 bleibt verdammt zahnlos, provoziert keine GotteskriegerInnen halten - dabei ist der Linksradikale mobilisierbar sind. Der Flug- Auseinandersetzung über reaktionäre ver- Streit darüber, ob hier etwa die Bibel oder platz liegt direkt an der Autobahn Berlin- sus emanzipatorische Kämpfe. Diese der Koran falsch verstanden wurde, für uns Rostock und stellt sich somit als ein ideales Debatte wollen wir aber führen, um links- nicht Gegenstand linksradikaler Debatten. Aktionsterrain dar. Daneben ist vorstellbar, radikale Positionen klarer zu kriegen und Damit wollen wir uns nicht von solchen dass zum G8-Gipfel dieser Flughafen zu äußern, weshalb wir hier ein paar unse- SozialrevolutionärInnen distanzieren, einen Teil der benötigten Infrastruktur dar- rer diskutierten Kriterien vorstellen. deren Überzeugungen auf religiösen Moti- stellt und einige Gipfelschweine dort auch ven aufbauen. Es bleibt für uns aber ent- einschweben werden. - Auch wenn die meisten Kämpfe, riots scheidend, solche reaktionären Praxen Wir meinen deshalb, ein Aktionstag in Teil I: Selbstreflexionen und sozialen Bewegungen häufig ein und Theorien zu bekämpfen, die sich Laage eignet sich ganz großartig, um nicht Hauptanliegen haben - ein Beharren auf gegen alle diejenigen richten, die aus ihrer nur Kriege ganz im allgemeinen zu kritisie- scheinbaren Hauptwidersprüchen ist für Sicht nicht oder anders 'glauben' wollen. ren, sondern konkrete Infrastruktur sichtbar uns weit weg von emanzipatorischen und und angreifbar zu machen. Inhaltlich linksradikalen Positionen, weil dadurch Teil 2 - Vorschläge für wären wir hier noch gefordert, die eher andere Herrschaftsmechanismen schlicht Aktionstage während des G8- schleichende Militarisierung des Alltags zu ignoriert werden. Als solidarisch begreifen Gipfels in Heiligendamm thematisieren, wobei eine Schwierigkeit wir uns nur mit denjenigen, die sich eben- darin besteht, zwischen Ideologien, Test- Um jetzt nochmal konkreter zu werden: falls auf Diskussionsprozesse darüber ein- ballons und tatsächlich realisierter Militari- die Auseinandersetzung mit den bisher lassen. Um Bewusstsein über verschiedene sierung zu unterscheiden. Da ist manch ein veröffentlichten Papieren und die Diskus- und zum Teil komplexe Unterdrückungsfor- Punkt noch ganz schön unausgereift. So sionen auf den bundesweiten Treffen sowie men zu entwickeln, muss unserer Ansicht war es in unseren Diskussionen relativ in unserer Gruppe brachten uns dazu, ein nach auch niemand AkademikerIn sein unstrittig, dass der Plan, die Akzeptanz für paar Vorschläge für drei Aktionstage in oder unsere gewohnten Begriffe verwen- die Bundeswehr an der Flut-, Schnee- oder Heiligendamm zu machen. Wir haben den den. Mit einem auf Diskussionsbereitschaft nun eben Vogelgrippefront herzustellen, Eindruck, es könnten sich drei große The- aufgebauten Ansatz kommen wir - gerade leider viel zu gut aufgeht. Ebenfalls einig menkomplexe herauskristallisieren, die in in internationaler Perspektive - mit Sicher- waren wir uns darüber, dass die Einsätze den bisherigen Debatten häufig auftauch- heit weiter als mit einem festgeschriebenen von Polizei und Militär nicht erst seit der ten bzw. von mehreren Gruppen / Aktivi- Kodex. CDU-Forderung nach einem Einsatz der stInnen / Strömungen stark gemacht wur- Bundeswehr während der Fussball-WM den. Das ist Ausdruck unserer bisherigen - Für uns stellt eine klare Bezugnahme ineinander über gehen. Weit hitziger und Einschätzung, keinesfalls ein endgültiger auf Kämpfe von unten einen wichtigen geradezu schwierig gestaltete sich das Rin- Stand und zudem könnte alles bestimmt Punkt dar. Als Beispiel kann mensch etwa gen um eine Einschätzung der Rolle, die noch viel besser ausformuliert werden: gerade in Argentinien wunderbar sehen, Frauen in dieser Entwicklung spielen. Gibt wie schnell ehemals emanzipatorische es eine Art rundumerneuerte Frauen- Krieg und Imperialismus Bewegungen wie einige piqueteros und zurück-an-den-Herd-Ideologie? Oder darf Stadtteilgruppen durch den Einsatz staatli- die starke Mutter von heute neben ande- Migration cher Sozialpläne (eine Art erkämpftes ren Doppelbelastungen auch Waffen tra- Arbeitslosengeld) aufgekauft und integriert gen? Oder dann doch nur den Versor- internationalistisch gegen Kapitalismus wurden - also mit Methoden, die dem bis- gungspanzer fahren? her üblichen Klientelismus stark ähneln Zu diesen drei großen Bereichen gibt es und darüber hinaus Wut und Auflehnung Zum Bereich Migration existiert bereits offensichtlich aktive Gruppen und Zusam- in kontrollierbare, bürokratische Bahnen eine AG und wir gehen davon aus, dass menhänge, die dazu bereits arbeiten oder kanalisieren. Für die übrigen, die versu- von dort aus sowohl inhaltliche Schwer- Vorschläge dazu gemacht haben - auch chen, von dieser Staatskohle und damit punkte als auch praktische Aktionsvor- wir haben dazu einige Ideen: politisch unabhängig zu bleiben, ist die schläge gemacht werden. Wir möchten Situation um so härter geworden, diese uns an dieser Stelle kritisch mit einigen Beim Thema Krieg und Imperialismus sind aber diejenigen Gruppen/Menschen, Punkten auseinander setzen, die von dort bietet es sich doch hervorragend an, zu mit denen wir uns vor allem verbunden agierenden Gruppen, z.B. der glocal einem Aktionstag am nahe Heiligendamm fühlen(8). Auch den Hype, der hier in der group Hanau vertreten werden. Diese Kri- gelegenen Flugplatz Rostock-Laage aufzu- linken/linksradikalen Szene teilweise um tik verstehen wir ausdrücklich im Rahmen rufen. Laage ist Fliegerhorst des Jagdge- Venezuela gemacht wird, können wir so einer nicht zuletzt strategischen Diskussion, schwader 73 "Steinhoff"(11) und hat damit nicht teilen. Auch wenn es dort einen viel auf welche Weise wir uns als Linke im noch sowohl für die Bundeswehr als auch für größeren Unterschied zu vorher macht, immer reichen Norden zu MigrantInnen ins NATO-Kräfte Bedeutung. Er spielt zudem wer nun in der Regierung sitzt, als ein Verhältnis setzen, wieviel wir uns von einer eine zentrale Rolle als Startbahn für Euro- Wechsel im hiesigen Parteienspektrum - gemeinsamen Organisierung unter diesem fighter, die ab Sommer 2006 auf dem wenn AkteurInnen sozialer Bewegungen doch so häufig erzwungenen Label ver- Bombodrom-Gelände nahe Wittstock den (was Chavez ja noch nicht mal ist...) an die sprechen. Wir kritisieren den Blick der kombinierten Einsatz von Luft- und Boden- Regierung kommen, halten wir Skepsis für HanauerInnen auf Migrierende, die politi- truppen üben wollen, was nicht wenige in durchaus angebrachter als Jubel(9). schen Konzepte, die sie aus ihren Ein- der Region seit Jahren zu verhindern - Ein weiteres Kriterium ist die Ableh- schätzungen ableiten - die wie auch immer suchen. Gerade die Verbindung dieser für nung von reaktionär orientierten Gesell- gearteten Wirklichkeiten der MigrantInnen die Modernisierung der weltweiten NATO- schaftsvorstellungen, die (fundamental) selbst stehen dabei nur insofern zur Debat- Kriegsführung bedeutsamen militärischen auf Religion beruhen, bzw. Religion zum te, um der aus unserer Sicht zu wider- Infrastruktur mit einer lokalen Protestbewe- Ausgangspunkt ihrer Ideen und Kämpfe spruchsfrei geratenen Sichtweise der Han- gung gegen das Bombodrom verheißt die machen(10). Christliche FundamentalistIn- auerInnen zu widersprechen. Für unsere Möglichkeit, dass an einem solchen Akti- nen stehen für uns ebenso auf der anderen grundsätzliche Solidarität ist diese Diskus- onstag viel mehr als nur ein paar tausend Seite wie diejenigen, die sich für islamische sion zunächst einmal weitgehend irrele-

14 vant. Wir teilen die Gegnerschaft der glo- Es kommt doch darauf an, wer sich zu sich eine Bedrohung für das kapitalistische cals zu Grenzregime und kapitalistischem welchem Zweck organisiert; Frauenhandel System ist, die als "eine soziale Bewegung Menschenhandel und sind grundsätzlich und Zwangsprostitution ist natürlich auch [...] das durch Grenzen konstruierte Aus- erst einmal mit allen solidarisch, die die- illegal und wird nicht gerade selten von beutungsgefälle angreift und herausfor- sem Scheiß ausgesetzt sind. Dieser Menschen ohne deutschen Pass betrieben dert"(15). Der Nutzen, den das Kapital Zugang kann im schlechten Falle, wie von - dass daran nichts emanzipatorisches ist, durch Migration und Illegalisierung von ihnen kritisiert, dazu führen, MigrantInnen versteht sich von selbst. Schlepperstruktu- Tausenden hat, wird in diesem Papier auch in einer Opferrolle festzuschreiben, was ren sind mal solidarisch und okay, aber nicht ansatzweise thematisiert. Schlimmer klassischerweise zu einem bevormunden- eben teilweise auch übel und menschen- noch als Jugendliche, StudentInnen oder Teil I: Selbstreflexionen den Umgang führt und die Grenzen zwi- verachtend - auch hier sollten wir in der Ein-Euro-JobberInnen, die zu Billiglöhnen schen ‚ihnen' und ‚uns' weiter zementiert. Lage sein, differenziertere Einschätzungen arbeiten, werden MigrantInnen aufgrund Ein Zugang aus der Ablehnung des Beste- zu formulieren. ihrer Verhältnisse zu LohndrückerInnen henden heraus kann aber ebenso gemacht, gezwungen, die miese- gut Ausdruck der Weigerung sein, sten Jobs für die miesesten Löhne die Leute auf ihr MigrantInnensein anzunehmen. Sie können sich stärker festzunageln, als es die eben nicht alle auf ALG II oder Erfordernisse der Abwehr von Diskri- ähnliche staatliche Transferlei- minierung und Ausbeutung nötig stungen zurückziehen, solange ihr machen. Und damit dann genau Status so ist, wie er ist. Dies sieht die Festschreibung auf die Migran- das Kapital gerne und es ist kei- tInnenrolle aufzuweichen. Dabei ist nesfalls eine Bedrohung, sondern uns die Schwierigkeit bewusst, dass eine Voraussetzung für das Erwirt- auch eine solche Begegnung auf schaften von Extraprofiten durch Augenhöhe immer die Erfahrungen verschärfte Ausbeutung. der Leute würdigen muss; antirassi- stische Politik somit auf absehbare Gerade hier ergibt sich eine Zeit gezwungen bleibt, die Sonder- Perspektive für gemeinsame stellung von MigrantInnen anzuer- Kämpfe auf eben gleicher Augen- kennen, die sie doch gleichzeitig höhe. Auch in den Metropolen überwinden will. Es wird auch des öfteren eine Art Kollek- scheint es nicht mehr notwendig zu sein, tiv der MigrantInnen erfunden, das so halbwegs erträgliche Lebensverhältnisse Wir halten es für irreführend, wenn in natürlich nicht existiert(13). Die MigrantIn für die überwiegende Mehrheit der hier Bezug auf Migration als Phänomen Form ist nicht deshalb revolutionär, weil sie die- Wohnenden zu garantieren. Wagenbur- und Inhalt gleich gesetzt werden, nach sen Status hat, sondern, wenn sie die herr- gen, Häuser, Wohnprojekte werden schi- dem Motto "viel illegal = viel gut". Eine schenden Macht- und Gesellschaftsver- kaniert und vertrieben, Sozialhilfeempfän- illegale Organisierung von Flüchtlingen hältnisse radikal ablehnt und bekämpfen gerInnen durch Hartz 4 in sinnlose und und Aneignungsprozesse werden augen- will - was für uns und alle anderen auch repressive Bewerbungsschleifen und 1- scheinlich positiv gesehen. Auch hier findet gilt(14). Etwas vereinfacht gesagt: Natür- Jobs gepresst. Das heißt in der Konse- für uns - ähnlich wie bei internationaler lich begrüßen wir die Ankunft von Migran- quenz, dass kein Überleben jenseits der Solidarität mit kämpfenden Gruppen, s.o. tInnen, die hier lediglich ihren berechtigten neoliberalen (Selbst-) Zurichtung - ein zu undifferenziertes Abfahren auf "die Anspruch am weltweiten Reichtum erstrei- erwünscht ist: "Fördern und Fordern", um Flüchtlinge" statt. Nur wenig thematisiert ten wollen. Und wollen trotzdem nichts mit die Loyalität zum Wahnsinn nicht zu wird z.B. die Tatsache, wer überhaupt die denen zu tun haben, die die miesen kapi- gefährden. In dem Moment, wo die Suche Chance hat, hier in den Metropolen anzu- talistischen Spielregeln gerne und ohne nach Alternativen zum Ämter- und (Lohn-) kommen. Dies sind in allererster Linie Rücksicht auf Verluste anwenden. Arbeitswahnsinn dringender und für eine junge gesunde Männer. Alleinstehende Wir schlagen daher vor, eine negative breitere Schicht aktueller wird, werden Frauen mit Kindern haben noch mal viel Perspektive gegen Grenzregime und diese Alternativen verstärkt unter Druck weniger Chancen, sich auf die lange, Abschiebemaschinerie einzunehmen, aber gesetzt oder abgeschafft. Der Arbeitsterror teure und teilweise sehr gefährliche Reise uns nicht positiv auf das zu beziehen, was verschärft sich seit Jahren auch in den zu begeben. Schon allein, weil die Famili- diese Scheiße aus den Menschen (in dem Metropolen und lässt seine Schleier auch en in den Herkunftsländern ihr weniges Fall Flüchtlingen) macht. Betonen sollten dort fallen. Working poor, Prekarisierung Geld natürlich dem zur Verfügung stellen, wir statt dessen Gemeinsamkeiten im real- und De-Regulierung läuten das Ende der von dem sie sich am ehesten einen Geld- politischen Kampf um die Verbesserung historisch bedingten Ausnahme (in transfer aus den Metropolen erwarten. von Lebensbedingungen im Hier und Jetzt, Deutschland "Sozialstaat" genannt) von der Diese durch die Verhältnisse erzwungene denn "Alles für alle" wird sonst zur reak- kapitalistischen Normalität ein. Für uns gilt survival-of-the-fittest-Logik wird dann tionären Parole. Das Recht auf ein schönes es deutlich zu machen, dass diese Verän- schön geredet, wenn Migranten (in diesem Leben verträgt sich natürlich nicht mit derungen in den Metropolen (auf einem Sinne hier ohne großes I) als "Pioniere Grenzregimen, Abschiebung und Lohnklau anderen Niveau) genauso Auswirkungen einer Globalisierung von unten"(12) bei Illegalisierten. Im Gegensatz zum der veränderten Weltordnung und Kapital- bezeichnet werden. Dagegen ist ein eman- Zugang der Hanauer glocals denken wir, strategien sind, wie die Maquiladoras und zipatorischer Prozess manchmal vielleicht dass es nötig ist, uns klar gegen Ausgren- die High-Tech-Sweatshops in China. Nur, sogar eher bei den 'daheim' gebliebenen zungen zu positionieren, statt erzwungene dass die kapitalistische Realität im Trikont Frauen festzustellen, insofern, als der 'Herr (wenngleich real erfahrene) schon immer brutaler aussah als in West- im Hause' nicht mehr da ist und viele Frau- (Migrations)Identitäten von uns aus positiv europa oder den Vereinigten Staaten. en dadurch eine viel selbständigere Stel- zu besetzen. Dies können maximal die Doch unterschiedliche Ausgangslagen und lung und Freiheiten gewinnen und sich Leute selbst als subversiven Akt probieren. Lebensrealitäten der Betroffenen bedeuten diese nicht mehr nehmen lassen. Wir sehen auch nicht, dass Migration an nicht gleich unterschiedliche Ziele. Gerade

15 zu diversen Gipfelmobilisierungen war in die deutsche Diplomatie vom benachbar- dient) - und die Verhältnisse sind somit den letzen Jahren schon mitzuerleben, ten Ruanda aus, einer ehemaligen deut- auch hier angreifbar! dass die Exekutive der Kapitalverwertung schen Kolonie. Der mit diesen Geldern Wir wissen nicht, ob die Nationalstaaten (G8, WTO, IWF, Uniformen usw.) auf welt- finanzierte Bürgerkriegs muss nun als Legi- an Einfluss verlieren oder nicht, obwohl wir weiten Widerstand stößt, ob von Menschen timation für eine deutsch-europäische heftig und intensiv darüber diskutiert aus Chiapas, indischen Bäuerinnen und Militärintervention herhalten. haben. Und falls ja, ob zugunsten von Bauern oder Erwerbslosen-Initiativen west- Konzernen oder supranationalen Veran- licher Länder. Diesen transnationalen und Solange arm gemachte Länder mittels staltungen. Für beides gibt es gute Argu- emanzipatorischen Widerstand, als dessen ihrer reich gemachten Regierungen die mente: Einzelne Großkonzerne werden Teil I: Selbstreflexionen Teil wir uns verstehen, gilt es auszubauen ökonomische Durchdringung durch die immer einflussreicher und größer und und zu verstärken! transnationalen Konzerne zulassen (bzw. internationale Abkommen verpflichten dazu durch den IWF oder andere, z.T. Staaten, bestimmte (neoliberale) Stan- Als letzter Punkt und Lieblingsthema stellt auch bilaterale Abkommen gezwungen dards einzuführen und sprechen ihnen sich uns die Frage, wie sich das Thema werden) und Milliarden von $ oder in die somit ihre Souveränität ab. Auf der ande- Krieg und Imperialismus noch um eine Kassen derselben transferieren, muss kein ren Seite werden auch die internationalen internationalistische antikapitali- Abkommen von Staaten geschlos- stische Perspektive erweitern läßt. sen und gerade die Bereiche Legiti- Dort, wo die NATO-Panzer rollen, mation der Marktwirtschaft und mögen die Widersprüche am ver- Repression gegen ihre Gegner sind schärftesten sein, aber sie sind immer noch eine eindeutige Domä- das letzte Mittel in diesem Spiel. ne der Nationalstaaten. Und global Vorher kommen die Konzerne, gesehen waren viele Staaten (vor die internationalen Agenturen, allem auf der Südhalbkugel) noch die BeraterInnen, die Entwick- nie besonders stark. Vielleicht ist lungshelferInnen, Wissenschaftle- das im einzelnen aber auch gar rInnen, die die vorhandenen nicht so wichtig, da das eine (die Ölvorkommen oder Bio-diversität Multis) nur mit dem anderen (dem zum Zwecke der Vermarktung bürgerlichen Staat) gedacht werden erforschen etc. - auch diese Akti- kann und umgekehrt. Und darüber vitäten können gut entlarvt und hinaus aus unserer Sicht natürlich gegebenfalls angegriffen werden! eh alles zur Disposition steht. Erst im nächsten Schritt kommen militärische Hilfe, Unterstützung bei der Panzer rollen und kein Bomber aufsteigen. Wichtig wird es an dem Punkt, wenn wir Ausbildung von Polizeieinheiten, low inten- Ganz vorne mit dabei sind eben nicht nur überlegen: was sollen denn unsere Akti- sity wars usw. zum Einsatz. Wie sagt es Regierungen und internationale Organisa- onsfelder sein? doch der neoliberale Kolumnist der New tionen, sondern Konzerne, Multis und sol- York Times und Buchautor, Thomas Fried- che, die es gerne werden wollen. Wir sollten - nicht nur im Hinblick auf man: "Die verborgene Hand des Marktes Für uns scheint das (immer noch) ein Sommer 2007 - versuchen, Punkte zu fin- wird niemals ohne eine verborgene Faust Punkt zu sein, an dem praktischer Interna- den, an denen sich Kämpfe und Wider- funktionieren. McDonald's kann ohne tionalismus ansetzen kann und sollte. Wir stände bündeln und vernetzbar sind. So McDonell-Douglas(16) nicht gedeihen. halten es nicht für überholt, den Konzern findet der Kampf gegen Wasserprivatisie- Und die verborgene Faust, welche dafür Coke hier dafür anzugreifen, dass er in rung sowohl in den reichen Metropolen- sorgt, dass die Welt sicher ist und die Tech- Kolumbien Gewerkschafter umlegen lässt. ländern als auch im Trikont statt(18). Er hat nologien aus Silicon Valley florieren kön- Ein Bezug auf bereits existierende Kämpfe damit etwas tendenziell Verbindendes, nen, heißt US-Army, Air Force, Navy und mit emanzipatorischen Inhalten kann nur wobei die Kämpfe hier leider bei weitem Marine Corps." Wir fügen hinzu: schnelle helfen und diese verbreitern: in Italien kam nicht so offensiv wie etwa in Cochabam- Eingreiftruppen und Task Forces der EU, es im Vorfeld der Olympiade zu mehr als ba/Bolivien sind, wo nicht nur eine Rück- Bundeswehr sowie internationale Organi- 40 Störaktionen gegen den Hauptsponsor nahme der Privatisierung erreicht werden sationen wie der IWF mit seinen erzwunge- der Spiele. In den USA boykottieren mitt- konnte, sondern auch eine demokratische nen Strukturanpassungsprogrammen, die lerweile mehr als 20 Universitäten Coke- Kontrolle eingefordert und ausprobiert Weltbank und auch nationale Institutionen Produkte. Der Konzern ist auch ein Player wurde. Wir dürfen eben auch hier nicht die wie die GTZ in Deutschland, die beispiels- im globalen Spiel der Wasserprivatisie- Unterschiede verwischen und nivellieren. weise die Wasserprivatisierungen in rung. In San Cristobal/Chiapas und Im Trikont ist der Kampf um ungehinderten Cochabamba/Bolivien mit voran getrie- anderswo wird den Privathaushalten das Zugang zu Wasser häufig ein Kampf um ben hat - und nicht zuletzt natürlich die Wasser abgedreht, wenn die Coke-Abfüll- Leben und Tod, hier in den Metropolen G8. betriebe Wasserbedarf haben. Wir wollen sind wir vorerst nur über die steigende Jüngstes Beispiel für diese Art Kollabora- hier nicht eine konkrete Kampagne (die Wasserrechnung unmittelbar betroffen tion von Scheckbuch und Knarre ist die gibt es ja auch schon!) gegen Coke vor- (und abstrakt von der Gewinnmaximie- Mine Lueshe im Ostkongo. Zuerst durch schlagen, sondern dafür streiten, uns ganz rungslogik, dass die transnationalen Kon- Privatfirmen betrieben(17), kaufte sich die konkret mehr auf transnationale Konzerne zerne versuchen, möglichst jeden Bereich Bundesregierung 1994 höchstpersönlich zu konzentrieren und diese anzugreifen, des öffentlichen Lebens zu kommerzialisie- in die Mine ein. Ihre Mitspracherechte wo es nur geht. Was unter unerträglichen ren und daraus Profit zu schlagen). nutzte sie aus außenpolitischen Erwägun- Arbeitsbedingungen vor allem von Frauen gen, den Verkauf der Mine zu verhindern. in den maquiladoras Mittelamerikas und Privatisierung von bisher freien (oder Die Sicherheit der Mine wurde gegen den Freihandelszonen Chinas hergestellt öffentlichen) Gütern geschieht in Ländern Schutzgelder von der Rebellengruppe RCD wird, wird vielfach hier geplant und hier des Trikonts wie hier - genauso unterliegen gewährleistet. Diese operiert genauso wie verkauft (vor allem wird hier daran ver- auch hier Arbeitsbedingungen und Sozial-

16 politik immer mehr Einschnitten und aus Prinzip und absichtlich übersehen worden zu 12.Oktober 2004, dem Tag des indigenen Angriffen, wenn auch noch nicht so tödlich sein. Widerstandes: AktivistInnen aus 5 "Kapital Macht Krieg - die Beherrschung Basisorganisationen hatten eine fette wie anderswo. Die beste internationale verlieren!"(http://gipfelsoli.org/Inhalt+Theorie/Kapi Kolumbusstatue niedergerissen, woraufhin Chavez Solidarität ist nicht die moralisch begrün- tal_Macht_%20Krieg.html) diese öffentlich als Straftäter und Verräter dete, die nur auf die Verhältnisse woanders 6 Wir halten es zudem für eine durchaus haltbare bezeichnete - kurz zuvor hatte er eine flammende Position, gegen den Krieg im Irak aktiv zu werden, Rede gegen Kolonialismus gehalten... schielt und diese unerträglich finden mag, ohne uns positiv auf "den irakischen Widerstand" zu 10 Hierzu müssten auch noch genauere Diskussionen während es hier ganz passabel ist, sondern beziehen. Praktisch heißt das nicht, wie vom GIB und Definitionen her, etwa in Bezug auf religiöse die Verbindung von Lebensbedingungen gern und schnell kurzgeschlossen wird, dass wir im Gesellschafts- oder Naturvorstellungen und Ideen in und Widerstand hier und dort. Beim Zweifelsfall nicht solidarisch sind, sondern dass es z.B. Indigena-Bewegungen oder auch was uns von vorne herein ein eigenes Anliegen ist, eurozentristischen Naturwissenschaftsglauben Teil I: Selbstreflexionen Thema Wasserprivati-sierung kommt gegen den Irakkrieg etwas zu machen - erst daraus angeht. hinzu, dass die Gegner dieselben sind: ergibt sich die Perspektive, sich positiv, negativ oder 11 Wie könnte es anders sein, der Namensgeber Suez, RWE, Veolia (früher Vivendi) und kritisch auf den dortigen Widerstand zu beziehen. Johannes Steinhoff (1913-1994) war mehrfach 7 Auch wenn es uns freut, dass auch Öl-Multis (Bsp. ausgezeichneter Pilot der nationalsozialistischen Coke nehmen im Trikont den Tod von Tau- Shell in Nigeria) angreifbar sind, haben wir das Luftwaffe und später ganz vorne mit dabei beim senden zur Steigerung ihrer Profitraten in Bedürfnis, genauer zu wissen, wer da kämpft und Aufbau der Luftstreitkräfte der Bundeswehr, sowie Kauf, und hier zwingen sie uns über die wie solidarisch wir damit sein können. Gerade an hohes Tier in der NATO. Erhöhung der Wasserrechnung, entweder solchen Punkten, wo es um Besitz, Verteilung und 12 z.B. in dem Papier: "Aneignung - Migration - Abhängigkeiten von Rohstoffen und natürlichen Prekarisierung eine 3-D-Kampagne in Hanau" mehr zu arbeiten oder den berühmten Ressourcen geht, sehen wir aber Potenziale und (http://www.metzgerstrasse- Gürtel noch enger zu schnallen. sogar die Notwendigkeit, unsere Positionen zu hanau.org/3d/text.html) Der Kampf gegen genveränderte oder schärfen. Dabei schielen viele von uns bestimmt mit 13 Zudem fallen unter den Begriff "MigrantInnen", wie mehr Bewunderung oder Interesse auf diejenigen er meistens in der linken Szene verwendet wird, patentierte Lebensmittel bringt hier zumin- KämpferInnen, die mit der Waffe in der Hand meistens nur diejenigen, die vor Verfolgung, Krieg, dest einige VerbraucherInnen und BäuerIn- spektakuläre Aktionen begehen, als auf Armut etc. flüchten - diese stellen aber nur einen Teil nen zusammen, im Irak beispielsweise gilt beispielsweise Frauen, die sich in Argentinien leer derjenigen dar, die aus verschiedensten Gründen für die BäuerInnen momentan eine vom stehende Häuser nehmen, Volksküchen und unterschiedlichsten sozialen Lagen heraus organisieren und in besetzten Fabriken und der migrieren. Auch hier wäre ein genauerer Begriff Zivilverwalter Paul Bremer erlassene Richt- Landlosenbewegung teilweise die Mehrheit bilden. erforderlich. linie, wonach nur noch US-patentiertes Dem Thema Ressourcen im weiteren Sinne und 14 Die alltägliche Erfahrung von Unterdrückung und Saatgut verwendet werden darf. Eine Wie- Grundbedürfnissen, z.B. der Agrarfrage, wie Ausbeutung entlang rassistischer und/oder Bremen sie aufgeworfen hat, sollten wir uns gerade sexistischer Schemata muss zwar anerkannt werden, deraussaat aus Teilen der letzten Ernte ist als internationales und aktuelles Thema viel stärker sagt aber noch nichts darüber aus, welche unter Strafe gestellt, die Saatgutrechte als bisher stellen. persönlichen Konsequenzen aus dieser gehen über auf den Agrobusinesskonzern 8 Zur Situation in Argentinien, auf die wir uns hier aufgezwungenen Sensibilisierung gezogen werden. Monsanto, der im Irak eine Monopolstel- beziehen, siehe den Artikel " Erkämpfte Ordnung, Insofern bleibt das Dilemma als Herausforderung verordnete Kämpfe | Argentiniens soziale bestehen, Rassismus, Sexismus, Homophobie, lung innehat. In McPomm wird es im Som- Bewegungen zwischen Selbstorganisation und Antisemitismus etc. gleichzeitig anzuerkennen und mer 2007 Genfelder geben - sie können Klientelismus" von Birte Gold in der iz3w Nr. 289, überwinden zu wollen. dort (und natürlich nicht nur dort) ein Akti- November 2005 15 im selben Papier aus Hanau (http://www.iz3w.org/iz3w/Ausgaben/289/LP_s13. 16 Bis zur 1997 erfolgten Übernahme durch Boeing onsfeld im wahrsten Sinne des Wortes sein. html). Ziemlich treffend zur Situation der sozialen US-amerikanischer Rüstungskonzern, der vor allem Bewegungen unter mehr oder weniger linken Militärflugzeuge herstellen ließ Der Orte und Anlässe gibt es unserer Regierungen in Lateinamerika formuliert auch das 17 Abnehmer ist unter anderem die deutsche Firma Ansicht nach mehr als genug - legen wir argentinische AktivistInnen/KünstlerInnen-Kollektiv H.C. Starck, Goslar, eine Tochterfirma der BAYER colectivo situaciones: "Die neoliberalen AG. Die Mine liefert Rohstoffe für Düsenmotore und los! Lebensbedingungen, die durch den Raketenteile. I Zusammenbruch der vormaligen 18 Wir benutzen weiterhin die Begriffe "Trikont" und autopool, Berlin, (wohlfahrts)staatlichen Strukturen und "Metropolen", obwohl sich auch hier erhebliche Frühjahr 2006 Entwicklungsmodelle entstanden waren, existieren Veränderungen ereignet haben. Die zwar kleinen unverändert weiter, nur der neoliberale Diskurs der aber fast überall vorhandenen Zonen des Reichtums neunziger Jahre ist verschwunden" in der Jungle in vielen trikontinentalen Ländern verdeutlichen die Endnoten: World Nr. 9 vom 1.März 2006 (http://www.jungle- Notwendigkeit von Differenzierung und auch neuen world.com/seiten/2006/09/7289.php) Einordnungen einhergehend mit der Benutzung 9 Dass auch bei Chavez z.B. Antikolonialismus nur neuer Begriffe. 1 Die Eckpunkte stehen auf leeres Gerede ist, zeigt das Beispiel vom http://www.nadir.org/nadir/initiativ/agp/de/pgainf os/hallmde.htm 2 im Text "Dissent - dem globalen Kapitalismus entgegentreten. Thesen zur linksradikalen G8- Mobilisierung 2007" Gruppe Six Hills, Berlin, Nov. 2005, siehe http://www.gipfelsoli.org/Heiligendamm/sixhills_no vember2005.html 3 In der Hinsicht fanden wir einige berlinweite Nachtreffen ganz produktiv. Dort wurde sich darüber ausgetauscht, wie sich bspw. gute und schlechte Erfahrungen aus früheren Vollversammlungen im Mehringhof heute auswirken, oder warum viele es z.B. im Hinblick auf internationale Treffen für unabdingbar halten, mehr Zeichensprache zu benutzen 4 Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass viele schon sehr schlechte Erfahrungen mit scheinbar neutralen, basisdemokratischen Moderationen gemacht haben, z.B. im Anti-Castor-Widerstand, wo bestimmte (häufig militantere) Positionen tatsächlich wegmoderiert worden sind. Auch beim Anti-G8- Widerstand in Gleneagles wurden diejenigen Meinungen quasi totmoderiert, die sich dafür aussprachen, trotz der Anschläge in London an den Demos festzuhalten. All solche Erfahrungen erklären andererseits nicht manche Überreaktion auf den bundesweiten Treffen, die davon ausging, immer

17 Selber machen, damit nicht andere das Bild bestimmen! Überlegungen zum Stand der Mobilisierung gegen den G8-2007

Teil I: Selbstreflexionen Auf der Aktionskonferenz am 25./26. se konnten lediglich an sich selber, nicht nen Aktionskonferenz baut auf die Erfah- April in Rostock gegen den G8-Gipfel aber nach Außen vermittelt werden. Das rungen der sozialpolitischen Proteste auf: in Heiligendamm wurden erneut aber müsste Ziel einer "interventionisti- Die Organisierung des G8-Protests soll wichtige Grundsteine für eine spek- schen" Praxis sein, die für linke Ideen und nicht, wie oft in der Vergangenheit, am trenübergreifende Zusammenarbeit Aktionen gewinnen will. Grünen Tisch zwischen RepräsentantInnen gelegt. Bereits im Vorfeld des Sozial- großer Verbände hergestellt werden. Die forums in Erfurt hatte die Interven- tionistische Linke für eine solche "Ihr 8 - wir 8 Milliarden" und "G8 illegitim" Teilhabe an Entscheidungen und die Mög- Zusammenarbeit vier Punkte als lauteten die Slogans der Anti-G8-Mobili- lichkeit der Partizipation für Akteure jegli- Grundlage vorgeschlagen: die Delegi- sierung in Genua und Evian. Allerdings ist cher Couleur und Größe ist die Vorausset- timierung der G8, Akzeptanz unter- seitdem die Delegitimierung der G8 durch zung dafür, dass die Bewegung die ange- schiedlicher Widerstandsformen, ver- den Funktions- und Darstellungswandel strebte Vielfalt und Schlagkraft entwickeln bindliche und solidarische Zusam- der Gipfeltreffen immer schwerer gewor- kann. menarbeit und die klare Abgrenzung den. Im Laufe der Jahre änderten sich gegen Rechts. Allerdings gab es nach Nach der Rostocker Konferenz herrschte Rostock auch Stimmen, die nicht nur die G8-Themen - Armuts- grundsätzlich eine breite bündnispo- bekämpfung, Wasserversorgung oder Kli- jedoch bei vielen AktivistInnen Unklarheit litische Zusammenarbeit in Frage mawandel wurden mit auf die Agenda über die Form der weiteren Zusammenar- stellten. gesetzt -, sondern die Gruppe der Acht beit. Die auf der Konferenz gebildeten band auch zunehmend große NGOs mit Arbeitsgruppen (Blockade, Groß-Demo, ein. Kultur, Gegengipfel, Camp, Repression und Migration) haben sich zu weiteren uf Grund der Erfahrungen bei den Die Spaltung in gute und dialogbereite Kri- Treffen verabredet und auch der Wunsch Gipfelprotesten in Gleneagles 2005 tikerInnen auf der einen und gewaltbereite nach weiteren Aktionskonferenzen wurden Awarnen VertreterInnen dieser Position Spinner, Außenseiter und Chaoten auf der geäußert. Gleichzeitig wurden aber auch vor einer Zusammenarbeit mit großen anderen Seite ist nichts anderes als eine Stimmen laut, die ein spektrenübergreifen- NGOs. Sie befürchten, die Gipfelproteste Strategie zur Stärkung des neoliberalen den Bündnis über die Absprache in 2007 könnten dadurch zu einer großen Projektes. Insofern macht die Vereinnah- Arbeitsgruppen und auf Aktionskonferen- Legitimierungsparty werden. Doch was mungs- und Spaltungstaktik seitens der zen hinaus grundsätzlich in Frage stellen. nützt es, auf Geldof und einzelne NGOs G8 eine möglichst breite Delegitimierung Bedarf es aber nicht in den kommenden mit dem Finger zu zeigen? Die eigentliche umso notwendiger, aber auch schwerer. Monaten gerade auf Grund der unter- Frage müsste doch lauten: Warum ließ es Deshalb gilt es in den kommenden Mona- schiedlichen Formationen und entspre- die Linke in Schottland zu, dass sich Gel- ten zu zeigen, dass es nicht entweder links- chend verschiedenen Organisationsprinzi- dof&Co so in Szene setzen konnten, radikalen Protest auf der einen oder Hege- pien der beteiligten Akteure (NGOs, Ver- während das Dissent!-Netzwerk isoliert monie-stützende Massenaktionen auf der bände, Netzwerke, Initiativen, lokale blieb. anderen Seite gibt. Wir sind gut beraten, Zusammenschlüsse) der Herausbildung die uns zugeschriebene Rolle der Margina- eines zentralen, aber offenen Ortes der Linke Strömung statt lisierten nicht anzunehmen, und stattdes- Koordinierung? Nur hier können Einzelak- Legitimierungsparty sen dafür zu kämpfen, dass sich im Protest tivitäten und Arbeitsgruppen-Ergebnisse ein Profil herausbildet, das keine große sowie quer liegende Fragen wie die nach Dass Bob Geldof 2007 am Brandenbur- NGO-Allianz, keine Linkspartei, keine einer gesamtgesellschaftlichen Delegiti- ger Tor auftreten wird, werden wir ehrlicher Regierung und schon gar nicht die G8 mierung der G8 oder der Abgrenzung Weise ebenso wenig verhindern können, vereinnahmen können oder wollen. gegen Rechts koordiniert, diskutiert und wie die Tatsache, dass Ereignisse in den transparent gemacht werden. Nur hier Medien präsent sein werden, die mit links- Gibt es jetzt ein Bündnis oder können Absprachen über einen solidari- radikalen Positionen wenig gemein haben. gibt es keines? schen Umgang untereinander gemeinsam Die Erfahrungen aus Gleneagles zeigen diskutiert und festgelegt, aber auch einge- aber, dass ohne breites Bündnis und ohne Mit der Konferenz Ende März in Rostock klagt werden. Bejahung der Pluralität der Protestbewe- wurde ein erster Versuch unternommen, gungen die Marginalisierung linksradikaler über die Phase der spektrenbezogenen Linke Strömung heißt Zuspitzung, Ansätze weiter fortschreiten kann. Galt es Planungen hinaus Ideen zusammen zu Aktion und Kultur für die italienische Linke im Genua Social führen. Denn: Wenn der Gipfelprotest Forum immer wieder, Kompromisse zu einen nachhaltigen Niederschlag haben Inzwischen haben diejenigen Gruppen schließen und eigene Konzepte der Mili- soll, setzt das einen Prozess im Vorfeld und und Einzelpersonen, die die Konferenz in tanz und linksradikaler Inhalte neu zu dis- die Kommunikation der verschiedenen Rostock vorbereiteten, für ein offenes kutieren, so standen linke Strömungen in Protestspektren voraus. Ganz in diesem Nachbereitungstreffen in Hannover einge- Gleneagles trotz erfolgreicher Aktionen Sinne wurde bisher kein Bündnistreffen im laden. Jetzt geht es darum, auszuprobie- wie Info-Tour, Clowns-Army und Aktions- klassischen Sinne initiiert, vielmehr einig- ren, wie der häufig postulierte Wunsch Camp isoliert. Forderungen nach Bewe- ten sich die an der Ausrichtung der Konfe- nach Kooperation gefüllt werden kann, gungsfreiheit, Teilhabe für Alle und renz beteiligten AkteurInnen auf die Form inwiefern politische Debatten Raum haben Abschaffung der herrschenden Verhältnis- einer Aktionskonferenz. Die Idee der offe- und welche Bereitschaft es gibt, sich auf

18 die (ehrlicher Weise) gegenseitige blockieren zu wollen. Diese Blocka- Beeinflussung der eigenen Praxis den können und müssen, wenn wir einzulassen, um gemeinsame Stärke Stand der Dinge in den für eine breite Konstellation werben entwickeln zu können. wollen, unterschiedlich aussehen: jeweiligen Sitz-, Steh-, Materialblockaden; und Inhaltliche Profilierung, eigene kul- auch die unterschiedliche Konfronta- turelle Akzentsetzung sowie Aktivie- tions- und Risikobereitschaft der Akti- rung und Radikalisierung durch Protestspektren vistInnen ist zu berücksichtigen. Aktion - das sind die drei Stichwor- Teil I: Selbstreflexionen te, anhand derer zur Zeit einige sich Entscheidend für den Erfolg von in der Interventionistischen Linken Das Dissent!-Netzwerk: Auf dem Buko 28 ins Blockadeaktionen wird sein, dass zusammengefundene Gruppen und Leben gerufenes Netzwerk, das an das im Zuge der sich viele Menschen aus unterschied- Personen diskutieren. Gleneagles-Proteste entstandene Dissent!-Netzwerk lichen Spektren beteiligen und sich anknüpft. Die Treffen mit 100-300 Leuten sind solidarisch zueinander verhalten. Die Inhaltliches Profil in den Protesten offen, Grundlage der Debatte sind die Hallmarks Breite könnte auch helfen, der herauszubilden, geht über den Ver- von People Global Action. Infotour, Camp 2006, Repression entgegen zu wirken und such der Delegitimierung der G8 Antirepression und die Mobilisierung nach Peters- hier neue Spielräume zu eröffnen. hinaus und müsste heißen, das Ein- burg sind aktuelle Schwerpunkte. Doch was sind die Voraussetzungen treten für globale soziale Rechte Anfang März hat sich ferner ein Revolutionäres dafür? Es müsste kalkulierbare, nied- konkret anhand von Forderungen Bündnis mit stark antiimperialistischer Ausrichtung rigschwellige Angebote für Massen- beispielsweise nach globaler Bewe- gegründet. blockaden geben. Nicht bundesweit, gungsfreiheit, einem bedingungslo- Die Bundeskoordination Internationalismus und sondern lokal könnten sich in den sen Existenzgeld für Alle und der darin v.a. der Arbeitsschwerpunkt Weltwirtschaft kommenden Wochen und Monaten Aufhebung patriarchaler Differen- beteiligen sich sowohl auf inhaltlicher als auch Aktionsbündnisse gegen G8 bilden. zierungen zuzuspitzen oder die organisatorischer Ebene an der Protestmobilisie- Frage nach Schulden des globalen rung. Einige aus der BuKo kooperieren mit dem Um zu verhindern, dass die öffentli- Südens in die Frage nach Reparati- Dissent-Spektrum, der Interventionistischen Linken che Wahrnehmung der Gipfelprote- onszahlungen von Nord nach Süd oder sind zu NGO-Treffen eingeladen. ste 2007 ähnlich wie 2005 in Schott- umzukehren. Das No-Lager-Netzwerk signalisierte bereits Ende land von inhaltsleeren Events wie den 2005 eine Beteiligung an den Gipfelprotesten und Live8-Konzerten dominiert wird, ist es Das wird aber auch bedeuten, eige- verabschiedete einen Aufruf für eine migrationspoli- jetzt an der Zeit, große Kulturveran- ne Publikationen herauszugeben tische Großaktion im Rahmen der Proteste. Sowohl staltungen mit KünstlerInnen und und mit eigens entwickelten Bil- im Rahmen von Dissent! als auch der Rostocker MusikerInnen zu organisieren, die dungsmaterialien Veranstaltungen Konferenz gab es erste Planungstreffen. sich als Teil der Bewegung verstehen zu organisieren, um so die Funkti- Die Interventionistische Linke (IL) geht aus einem und sich nicht vor den Karren der G8 onsweise und Interessen der G8 all- Zusammentreffen hervor, dass zum ersten Mal nach spannen lassen. Auch hier gilt wie- gemein verständlich zu machen und dem G7-Treffen 1999 in Köln zusammenkam. Die der: Selber machen, damit Gel- sich somit Raum für grundsätzliche IL, in der heute unterschiedliche Kräfte der radika- dof&Co-Bühnen nicht alleine das Kritik an bestehenden Herrschafts- len Linken vertreten sind, will den Protest nach links Medienbild bestimmen können. mechanismen und -strukturen zu ziehen und die Ablehnung des kapitalistischen Welt- erschließen. Als Orte für diesen systems sichtbar machen. Die IL gibt das G8Xtra I heraus, tritt für ein breites Bündnis ein und war Berit Schröder, Ansatz kristallisieren sich neben den aktiv bei FelS und in der IL Aktionskonferenzen und Bündnis- maßgeblich an der Vorbereitung der Aktionskonfe- Erschienen in der AK 506, Mai 2006 treffen der Gegengipfel, Protest- renz in Rostock beteiligt. camps, aber auch Seminare und Innerhalb von attac gründete sich eine Projekt- Groß-Veranstaltungen der Bünd- gruppe, die sich als Schwerpunktthemen innerhalb nispartner heraus. Des weiteren soll- der G8-Mobilisierung Globale Sozial Rechte und te eine interventionistische Linke zwi- Armut/Reichtum setzte. Ziel ist neben der Protest- schen Sozialprotesten und der Politik mobilisierung innerhalb eines breiten Bündnisses der G8 Zusammenhänge heraus- die Bildungsarbeit. stellen; dies passiert bei der 3.-Juni- Entwicklungspolitische NGO-Szene: Es treffen Demo, kann aber auch bei antiras- sich u.a. Akteure wie Brot für die Welt, Evangeli- sistischen oder Anti-Atom-Aktionen scher Entwicklungsdienst, VENRO, medico interna- passieren. tional, Gerechtigkeit Jetzt!, Forum Umwelt und Ent- wicklung sowie kleinere NGOs. Auch attac und Aktivierung und Radikalisierung BUND sind vernetzt. Inwiefern es Interesse an einer drückt sich jedoch nicht nur in Koordinierung in einem gemeinsamen Bündnis gibt inhaltlicher Profilierung aus, son- oder sich aber lediglich Koordinierungen zu The- dern bedeutet auch Zuspitzungen in men wie Gegengipfel oder Großdemonstration der Aktion. Wie kann der Protest ergeben, muss sich noch herausstellen. sich radikalisieren und zum Wider- Gewerkschaften: Es gab sowohl von Gliederun- stand werden? Als Aktionsperspekti- gen des DGB als auch der Mitgliedsgewerkschaften ve bietet sich hier an, Konzepte ver- Signale sich an den Protesten gegen den G8-Gipfel gangener Gipfelproteste, wie bei- zu beteiligen. Besonders die Gewerkschaftsjugend spielsweise in Genua, zum Aus- diskutiert über konkrete Projekte und signalisierte gangspunkt zu nehmen und als Ziel Beteiligung an einem Bündnis. für 2007 zu formulieren, den Gipfel

19 durch die G8 - Emanzipatorische, soziale Für ein ganz anderes Ganzes! Kämpfe unterstützen/organisieren/führen" heranziehen. Reflexion und Beitrag zur Diskussion der Inhalte AG Die Griffigkeit eines "3-Klangs" für die Nachdem sich die Diskussionen der Rechtsbegriff. Rechte auch als Ergebnis inhaltliche Mobilisierung steht außer Inhalte AG während der ersten beiden sozialer Kämpfe zu sehen, ist zwar prinzipi- Frage. Die inhaltliche Schwere der Begriffe Treffen um die inhaltliche Ausrich- ell möglich, unterschätzt aber die Bedeu- Vernichtung, Verwertung und Verelendung tung der teilnehmenden Gruppen tung der Tatsache, dass die Strukturierung erfasst die schwerwiegendsten Auswirkun- Teil I: Selbstreflexionen drehte und versucht wurde, einen kleinsten gemeinsamen Nenner her- des Zusammenlebens der Menschen durch gen kapitalistischen Wirtschaftens, die sich auszuarbeiten, hatte mensch in Leip- Rechte eben ein Hauptmerkmal der bür- institutionell u. a. durch die G8 aus- zig den Punkt erreicht, an dem das gerlich organisierten Gesellschaft ist. drücken. Doch ist die inhaltliche Mobilisie- gegenseitige Abtasten unter einem Rechte werden innerhalb des herrschen- rung in dieser Form des "3-Klangs" m. E. inhaltlichen Slogan für die weitere den gesellschaftlichen Diskurses gewährt, zu eng geführt, so dass sie die Heteroge- inhaltliche Arbeit bzw. Mobilisierung d. h. sie richten sich maßgeblich nach dem nität der Diskussion, v. a. in der analyti- zusammengefasst werden sollte. Als Konsensrahmen der volonté générale, schen Herangehensweisen, darin nicht größtes Problem erwies sich dabei, dem maßgeblichen Organisationsprinzip wieder gegeben wird. dass die Grundlage für die Diskussi- on in Leipzig die festgestellte Hete- moderner Gesellschaften. Dieser steht rogenität der radikalen Linken in synonym für die Zurichtung des Menschen "Vernichtung Verwertung Verelendung" Deutschland war. Diese sollte und zum bürgerlich vergesellschafteten Subjekt verweist auf eine kapitalismuszentrierte soll nun unter einem Dach in Form (von lat. subiacere = unterwerfen), also Analyse. In den vorangegangenen Diskus- eines inhaltlichen Slogans zusam- genau dem in Zwangsverhältnissen leben- sionen der Inhalte AG wurde aber durch mengefasst werden. den Menschen, der die Organisierung sei- die Inhalte AG des Anti-G8-Plenums nes sozialen Zusammenlebens an eine ihm Mannheim/Heidelberg immer wieder dar- übergeordnete Instanz abgibt. Es ist also auf hin gewiesen, dass gesellschaftliche grundsätzlich eine zweischneidige Angele- Unterdrückungsverhältnisse nicht nur in er inhaltliche Slogan sollte seinem genheit, von Rechten zu sprechen. und durch die ökonomische Sphäre Charakter nach einer sein, der die zustande kommen, sondern dass Unter- DHeterogenität der Diskussion wider- Innerhalb dieses Rahmens bewegen sich drückungsverhältnisse, wie Rassismus, spiegelt und es den verschiedenen Grup- auch die von sozialen Bewegungen Sexismus, vertikale Gesellschaftsstruktu- pen bzw. Einzelpersonen ermöglicht, die erkämpften Rechte. Sie mögen zwar ein ren, etc. auch unabhängig davon entste- eigenen inhaltlichen Ausrichtungen darun- Schritt hin zu einer "befreiten Gesellschaft" hen. Dementsprechend hat die Inhalte AG ter zu vermitteln. Dem gemäß wird er sich sein, doch ist die Rede von einer "befreiten des Anti-G8-Plenums Mannheim/Heidel- von den Mobilisierungssologans (die ihrer Gesellschaft" genauso problematisch wie berg stets von multiple oppression gespro- Absicht nach komplexe inhaltliche Analy- die Rede von Rechten. Beide Male wird chen. Damit ist ein analytischer Ansatz sen auf griffige Forderungen herunterbre- nicht mit den herrschenden Organisations- gemeint, der gesellschaftliche Unter- chen, wie z. B. smash capitalism) unter- prinzipien moderner Gesellschaften drückungsverhältnisse ausgehend vom scheiden, deren Aufgabe es sein wird, als gebrochen, die m. E. als erster Schritt für Individuum, dem kleinsten unteilbaren Ele- identitätsstiftendes Moment den Protesten die Organisierung emanzipatorischen ment jeder Gesellschaft, beschreibt. auf den Straßen Mecklenburg-Vorpom- gesellschaftlichen Zusammenlebens nötig merns Zugkraft und Schlagfertigkeit zu ver- ist, sondern versucht, bestehende Struktu- Und genau diesen Aspekt der Diskussi- leihen. Aufgabe der Inhalte AG des dis- ren zu infiltrieren und auszuhöhlen. on finde ich in den Begriffen Vernichtung, sent!-Spektrums sollte es nun sein, einen Verwertung und Verelendung nicht wieder. inhaltlichen Rahmen zu entwickeln, mit Durch eine Aneignung von Rechten wird Es fehlen die anderen Unterdrückungsver- dem es möglich wird, gesellschaftliche zunächst nicht mehr erreicht, als eine Ver- hältnisse, für die die G8 ebenfalls symbo- Diskurse mit (heterogenen) linksradikalen schiebung des status quo nach links. Die lisch herangezogen werden kann. Die G8 Positionen zu verändern. so gewonnenen (abstrakten) Freiräume sind eine Spitze des Eisbergs deren Funda- können der Ort sein, an dem Menschen ment ein breites Geflecht aus Unter- Globale Rechte aneignen? beginnen, sich von gesellschaftlichen drückungsmechanismen bildet, das einzel- Diskussionsbeitrag des Bremer G8-Plenums Zwängen zu emanzipieren. Sie können ne Menschen zum gesellschaftlichen bür- aber genauso gut der Ort sein, an dem gerlichen Subjekt zurichtet. Konkret heißt nolager Bremen stellte den Slogan "Glo- eine ursprünglich emanzipatorisch das: Die G8 stehen am oberen Ende einer bale Rechte aneignen!" zur Debatte. Rech- gedachte Bewegung zum Stillstand kommt. vertikalen Struktur, die aufgrund von kapi- te seien in dieser Argumentation festge- talistischen, sexistischen, rassistischen, etc. schriebene Ergebnisse sozialer Kämpfe, Gegen die Vernichtung Verwertung Ausgrenzungsmechanismen zustande Verelendung durch die G8! die in formalen Aussagen festgehalten kommt und beibehalten wird. Der inhaltli- Emanzipatorische, soziale Kämpfe che Slogan sollte auch diesen Aspekt in würden. Gleichzeitig formiere sich die bür- unterstützen/organisieren/führen gerliche Gesellschaft genau auf diese sich aufnehmen. Weise. Insofern sei die Forderung nach Nachdem der Slogan "Globale Rechte Rechten schwierig, obwohl die Frage blei- G8 abschaffen! Emanzipatorische aneignen!" in der Diskussion der Inhalte Kämpfe unterstützen! Soziale be, ob Recht gleich (bürgerliches) Recht AG in Leipzig keinen Konsens gefunden Revolution machen! Vorschlag sein müsse (vgl. "Globale Rechte aneig- hatte, wurden verschiedene Slogans eines inhaltlichen Slogans nen?", Bremer G8-Plenum). jeweils in Form eines "3-Klangs" plus Zusatz vorgeschlagen. Exemplarisch werde Zusammenfassend lässt sich also für die Meiner Ansicht nach ist diese Frage in ich für meine Ausführungen hierzu "Gegen bis jetzt gemachten Vorschläge für Slogans sich problematisch, vor allem durch den die Vernichtung Verwertung Verelendung für eine inhaltliche Mobilisierung festhal-

20 ten, dass alle dafür geeignet waren, die festzumachen ist, sondern ein breites Netz- wie zuvor. Diskussion zu eröffnen, aber m. E. keiner werk verschiedenster emanzipatorischer Deshalb sollten wir weiterhin das den Kern dessen getroffen hat, was mit der Bewegungen weltweit an jedem Ort und zu Unmögliche versuchen zu schaffen - eine Mobilisierung erreichen werden soll und jeder Zeit erfordert (Emanzipatorische radikale Veränderung der gesellschaftli- zugleich auch das heterogene linksradika- Kämpfe unterstützen!). Und als drittes ist chen Verhältnisse. Eine Chance bietet sich le Spektrum unter sich vereint. "Globale eine Formel genannt, die den Zweck und uns dazu in der Mobilisierung nach Heili- Rechte aneignen!" steht dabei für eine zu die Absicht einer jeden emanzipatorischen gendamm. Wir bauen Strukturen auf, die bestimmte politische Ausrichtung und der Bewegung auf den Punkt bringt: radikale es Tausenden Menschen ermöglichen "3-Klang" für eine analytische. Mein Vor- gesellschaftliche Veränderung - soziale wird, im Juni 2007 ihre Ablehnung Teil I: Selbstreflexionen schlag für einen Slogan für die inhaltliche Revolution! (Soziale Revolution machen!) gegenüber diesen Zuständen zu zeigen. Mobilisierung ist daher folgender: "G8 Diese Strukturen könnten wir auch nach abschaffen! Emanzipatorische Kämpfe Quo vadis, radikale Linke? dem Gipfel weiter nutzen: zur Diskussion unterstützen! Soziale Revolution machen!" Schlussbemerkungen nach innen, zur größeren Wahrnehmbar- keit nach außen. Es handelt sich dabei um den Versuch Der G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm einer Synthese aus den beiden vorgeschla- war und ist Anlass für das (deutschsprachi- Gerade aus der internationalistischen genen Slogans. Einerseits ist es ein "3- ge) linksradikale Spektrum sich zu Perspektive, die Vernetzung von Menschen Klang", unter dem sich inhaltliche Positio- (ver)sammeln und zu diskutieren, wie links- über Ländergrenzen hinweg, böte uns die nen verschiedener Couleur sammeln kön- radikale Positionen Einfluss auf gesell- Möglichkeit emanzipatorische Kämpfe aus nen (wie z. B. "Globale Rechte aneignen!"). schaftliche Diskurse nehmen und die herr- verschiedensten Regionen der Welt mitein- Andererseits gibt er die politische Richtung schende gesellschaftliche Organisation ander zu verbinden, aufzunehmen und an in so weit vor, als dass er die radikale maßgeblich verändern können. Dieser welchem Ort auch immer weiter zu kämp- Änderung gesellschaftlicher Verhältnisse Gesichtspunkt scheint mir bei der laufen- fen und zu entwickeln. Veränderung kennt fordert. den Mobilisierung zu kurz zu kommen bzw. keine Zentren, sie findet dezentral statt. aus dem Blick geraten zu sein. Doch es sollte ein Rahmen geschaffen wer- Konkret wird darin als erstes der Anlass Ein blockierter Gipfel und die gelungene den, innerhalb dessen ein Austausch statt- und die Forderung genannt, weshalb sich Organisierung dessen ist ein großer Erfolg finden kann. dissent! wäre m. E. eine idea- das dissent!-Spektrum zusammenfand und und Grund zu feiern. Die herrschenden le Grundlage dafür. in Mecklenburg-Vorpommern im Juni Verhältnisse werden sich aber nicht allein 2007 zusammenfinden wird (G8 abschaf- dadurch ändern, dass ein Treffen nicht I stattgefunden hat, auf dem u. a. die Einzelperson, Heidelberg , fen!). Zweitens wird darin die internationa- Mai 2006 listische Perspektive betont und klar Zurichtung der Menschen zu geknechteten gemacht, dass gesellschaftliche Verände- Wesen diskutiert und geplant wird. Es wird rung nicht punktuell an einem Ereignis vielmehr, seien wir realistisch, weitergehen G8-Mobilisierung: Infos zur Vorbereitung auf den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm und kritische Blicke auf die Organisationsstrategien

Die Lage zu Beginn: nen von Konsenskultur aus verschiedenen So liest sich das im Neuen Deutsch- Projekten, Gruppen und der BUKO sowie land am 13.01.06: autoritäre Linke aus anti-imperialistischen, »Wir plädieren dafür«, sagt Tanja twas Neues wird sichtbar ... im Sog trotzkistischen Gruppen und der ÖkoLi Menze, die bei der Antifaschistischen Lin- der Einheitslinken-Parolen rund um aufeinander. Alle erheben deutlich den ken Berlin (ALB) mitmacht, »erst mal mit Edie Gründung einer "neuen" linken Hegemonialanspruch für das Bündnis. allen zu reden und dann zu entscheiden.« Partei veränderte sich die Lage. In der G8- Einigkeit besteht weitgehend darin, dass es Gemeinsam mit Gruppen wie Libertad, Mobilisierung hatten die Eliten der ver- ein Bündnis mit einheitlichen Strukturen, FELS, medico international und der BUKO schiedenen Strömungen innerhalb sozialer Namen, Slogans usw. werden soll. Anti- hat sich die ALB deshalb zur Interventioni- Bewegung von Beginn an engste Kontakte. hierarchische Stimmen und Vorschläge für stischen Linken zusammengetan, um ein Gleichzeitig wurde der Abstand zwischen eine Organisierung von unten gibt es breiteres Bündnis auch unter Beteiligung Führungsgruppen und zu mobilisierenden selbst hier nur sehr vereinzelt. Internetseite von Gewerkschaften, Kirchen, NGOs und Massen weiter vergrößert. Mehrere große dieser Organisierung ... Linkspartei gegen den Gipfel der Acht auf Blöcke wurden sichtbar, allerdings jeweils * Zudem organisierten sich als neue die Beine zu stellen. nur verkörpert durch ihre Eliten sowie im formalisierte Strömung die ProtagonistIn- Das einzige, was fehlt, ist der Hin- Nachgang durch das tatsächliche schaf- nen einer "interventionistischen Linken", die weis, dass die Entscheidung längst in klei- herdige Hinterhertrotten der identitär ver- sich fortan auch neben dem Label ihrer nen Zirkeln gefallen ist und Attac-Führer bundenen "Basis". jeweiligen Gruppe als "IL" vorstellten. Kern bei der Interventionistischen Linken mitmi- sind stark labelorientierte und seit Jahren schen ... aber die zu mobilisierenden Her- * Noch Ende 2005 trafen sich in mit Führungsanspruch nach außen und den werden wie üblich mit Nebelbomben Hamburg ca. 200 Personen aus linksradi- innen agierende Gruppen wie felS, ALB, beworfen ... kalen Gruppen, die klassisch autonomen, die Zeitung "Fantomas" und AVANTI. * Auch die großen NGOs organisie- anti-imperialistischen oder nach Selbstein- Typisch für sie ist der unbedingte Wille zu ren sich und starten z.T. eigene Kampa- schätzung selbstorganisierten Spektren Stellvertretung, Führung und verbindlicher gnen, siehe z.B. die Internetseiten zu G8 angehörten. Hinsichtlich der Organisie- Organisierung unter einheitlichen Labeln. von Attac ... rungsform treffen vor allem AnhängerIn- Internetseite dieser Organisierung ... * Daneben bereiten AkteurInnen wie

21 die Linkspartei, Gewerkschaften, kirchliche keine Gegenvorschläge. handen (Populismus und verkürzte Analyse Gruppen ihre Aktivitäten vor. Insbesondere Anmerkung: Zur Kritik an Entschei- bauen auf Schwarz-weiß bzw. Gut-Böse die Linkspartei darf aber wegen der zu dungsfindung insgesamt sowie speziell an auf), aber auch taktisch bedingt, denn das großen Teilen erfolgreichen Vereinnah- Konsensverfahren und den alternativ von eigene Machtstreben ist gut hinter dem mungsstrategien des Jahres 2005 als anderen vorgebrachten Mehrheitsabstim- Warnen vor Chaos und Faustrecht (Gesell- selbst oder über ihren Ausleger Rosa- mungen. Zu Vorschlägen des Verzichts auf schaft) bzw. vor Uneffizienz und Durchein- Luxemburg-Stiftung (RLS) samt Tarnorgani- Entscheidungsfindung ... ander (Debatte in Bewegung) zu ver- sationen als Teil aller Mobilisierungen zu stecken. Es geht den ProtagonistInnen die- betrachten sein. Zu Organisierungsfragen ses Schein-Gegensatzes um Macht sowie Teil I: Selbstreflexionen in der AVANTI-Zeitung vom um die Verschleierung dieses Interesses. Das Neue ist, dass all diese Mobilisie- 12.12.2005 Sie verhindern damit eine Debatte um rung nur auf dem Papier getrennt stehen. Organisierungsformen, die Horizontalität Hier hat sich ein Wandel ergeben, der sich Die Aufgabe einer radikalen Linke mit Produktivität, Kooperation und Autono- aus dem Bedeutungsverlust politischer muss es sein, diese Bewegungsdynamik zu mie koppeln. Durch die Reduzierung auf Inhalte und dem Bedeutungsgewinn der befördern. Dazu braucht es die Kritik und die zwei Schein-Alternativen wird nach der Macht- und Teilhabefrage im Konzert Auseinandersetzung mit der Linkspartei 2-Haufen-Scheiße-Theorie einfach etwas gesellschaftlicher Eliten begründen lässt. und ihren autoritär-sozialstaatsromati- Schlechtes durch das Angstschüren vor Sichtbar wird die Verzahnung der Eliten schen Tendenzen, gleichzeitig aber auch noch etwas Schlechterem gehypt. u.a. auch darin, dass einzelne Personen die Bereitschaft zur offenen und fairen sogar Führungsrollen in schlicht allen Zusammenarbeit auf der Ebene sozialer Auszug aus einem Aufruf der Bündnissen spielen, z.B. der Attac- Bewegungen. ... Interventionistischen Linken Führungsapparatschik Pedram Shayar. Bewegung braucht Organisation vom 19.1.2006 Strategietexte zu Beginn Um eine Gegenmacht zum globali- sierten Kapitalismus zu entwickeln, die den Wir hoffen, dass auf dieser Konferenz Verschiedene, üblicherweise hegemoni- Lauf der Welt tatsächlich ändern kann, die Initiativen aus allen Spektren der Lin- al auftretende Gruppen und Zusammen- braucht es als Grundlage die beschriebe- ken zusammen kommen: Die lokalen Sozi- hänge produzierten die üblichen Papiere, nen Prozesse der Stärkung und des Zusam- alforen, Erwerbslosen- und Sozialinitiati- die als Vorschlag für das Gemeinsame mengehens von Bewegungen. Aber es ven, Antifagruppen, Flüchtlings-Initiativen, gedacht waren. Damit erfolgt der Versuch, braucht auch die organisierten Kräfte in Umweltgruppen, bewegungsorientierte die eigenen Ideen dem Gesamten aufzu- den Bewegungen, diejenigen, die sich die Linksradikale, autonome Gruppen und drücken. Ein Prozess der Erarbeitung wird Aufgabe der Entwicklung einer interventio- PGA-AktivistInnen, 3.Welt- und Kirchen- abgekürzt, Vielfalt von nebeneinanderste- nistischen Linken bewusst stellen. Zu dieser gruppen, attac und die no-global-Netz- henden Positionen ist nicht gewollt. Meist Aufgabe wird AVANTI seinen Beitrag lei- werke, traditionskommunistische und trotz- entsteht sie aber trotzdem und auch gera- sten. kistische Organisationen, Gewerkschafts- de durch die Hegemonialkämpfe, denn da gliederungen und -jugendverbände, Links- mehrere Positionen eingebracht werden, EIN Profil, EINE linke Strömung, mit partei (PDS und WASG) usw. Darüber hin- laufen Spaltungen zwischen diesen Grup- EINER linksradikalen Forderung aus treten wir als Interventionistische Linke pen mit Führungsanspruch. Genauer: Sie Auszug aus dem Papier von fELS dafür ein, dass die Rostocker Konferenz laufen zwischen deren Eliten - Geschichte Wir möchten gerne, dass die linksra- das Startsignal für ein großes und breites ist die Geschichte der Elitenkämpfe. dikale Mobilisierung ein Profil hat, das Anti-G8-Bündnis setzt, in dem alle rele- auch innerhalb einer gesellscahftlichen vanten Gruppierungen an den Vorberei- Blicke in die Papiere Debatte erkennbar ist. Das mediale Szen- tungen gleichberechtigt teilnehmen kön- ario bzw. die Vermittlung der Inhalte ist nen. Hierfür schlagen wir einen Grund- Intellektuell aufgeladen klingt es im unserer Auffassung nach ein zentraler um konsens vor, der um die Unterschiede wis- Papier von "nolager bremen": nicht zu sagen der neuralgische Punkt: Wer send ein offenes Miteinander ermöglicht, statt uns auf die suche nach einer the- bringt wie die eigenen Inhalte an die nicht zu eng gefasst ist und dennoch klar matischen zuspitzung zu begeben, möch- Öffentlichkeit? ... Das ist auch ein wesent- Position bezieht: ten wir vorschlagen (...) mit einer art liches Argument dafür, dass wir Teil der - Die eindeutige Delegitimierung der transthematischen klammer zu experimen- Interventionistischen Linken sind und uns G-8 tieren ... konkret möchten wir als eine sol- für einen breiten Bündnisprozess einsetzen, - Die gegenseitige Anerkennung unter- che klammer das motto "globale rechte in dem eine linke Strömung sichtbar ist. ... schiedlicher Aktions- und Widerstandsfor- aneignen!" vorschlagen. Die Stärke der undogmatischen Lin- men Anmerkung: Zum Begriff "Recht" siehe ken ist mitunter ihr Problem: Die Vielfalt ... - Ein solidarischer, verlässlicher Umgang hier ... miteinander, der verbindliche Absprachen Kommentar erlaubt Auszug aus dem Papier "Zum - Eine klare und offensive Abgrenzung Konsens im Dissens" der Die Darstellung eines Gegensatzes von gegenüber rechtspopulistischen und rech- konsens-vorschlagenden "Unorganisiert, chaotisch, uneffizient" und ten Kräften. Gruppen: "Organisiert, handlungsfähig, effizient" erinnert an die Diffamierung von Selbstor- Kommentar Wir finden, dass zu einer hierarchiea- ganisierungsprozessen und Herrschaftsfrei- blehenden Organisierung auch die Refle- heit durch Regierungen bis AnhängerInnen Schon die Vorbereitung der Konferenz xion der internen Umgangsweisen gehört. autoritärer Ideologien. Auch dort bedeutet zeigte, was tatsächlich Stil der Eliten ist: Und eine Form von "Konsens" halten wir die Abwesenheit von Ordnung und Kon- Intransparenz war die meiste Zeit prägend. für die in dieser Hinsicht grundsätzlich trolle immer gleich Chaos und Anarchie, Der Anspruch, dass alle zusammen arbei- beste Art der Entscheidungsfindung, beim Faustrecht und Hunger. Das binäre Den- ten sollen, ist meist der Vorwand, dann im Treffen in Hamburg gab es dazu auch ken, das dahintersteckt, ist tatsächlich vor- Namen aller aufzutreten. Dass gleichzeitig

22 mit dem Anspruch, es sollen alle mitma- gen und zu sichern. Klar wurde aber auch: * Bericht auf Indymedia chen, schon formuliert wird, was für alle Es gibt keine breite Gegenposition - Jahr- dann zu gelten hat (das wird nicht mit den zehnte deutscher linker Organisierung anderen abgeklärt), ist typisch für die Eliten haben eine extrem hohe Akzeptanz Aktionskonferenz am 25./26.3. sozialer Bewegung, die immer Offenheit gegenüber Machtausübung entstehen las- in Rostock predigen und tatsächlich autoritär steuern. sen. Dass. z.B. dem unglaublich mackerig Dabei dürften den Führungskadern klar auftretenden Attac- und IL-Funktionär * Indymedia-Bericht sein, dass mehrere ihrer Vorfestlegungen Shayar niemand klarmachte, dass er seine * Junge Welt am 27.3.2006 (S. 5) hochumstritten sein dürften, z.B. das Mit- Ausgrenzungssprüche sein lassen solle, * taz am 27.3.2006 Teil I: Selbstreflexionen machen von Parteien und die Existenz "ver- spricht für sich. bindlicher Absprachen" - das klingt klar Mobilisierungstreffen in nach Abstimmungsritualen und Kollekti- * Bericht auf Indymedia Leipzig (31.3.-2.4.) vität. Das Anfangsplenum in Leipzig war Aus einem Protokoll zur G8-Mobilisierungstreffen geprägt durch eine Debatte um den Ver- Debatte über die Konferenz (6.-8.1.2006 in Berlin) lauf und die Diskussionsformen. Einige frühe Wortbeiträge verschiedener Men- in Rostock Die KonsensbefürworterInnen domi- schen führten zu einer stärkeren Orientie- rung auf hierarchieärmere Diskussionsfor- es gab aber, besonders bei den akti- nierten das Treffen in den meisten Plenum- men, einer Ausdehnung von Kleingrup- ons-konferenz-besucherInnen, einen kon- sphasen deutlich. Klassisch sind der Ersatz penphasen, der Stärkung der Autonomie sens, dass es manipulationsversuche sei- von Abstimmungen durch "Feststellungen" von Klein- und Aktionsgruppen und einer tens der veranstaltungs-gruppen gegeben der Moderation nach Handzeichen - kritischen Diskussion über kollektive Ent- habe, z.b. in der entscheidungsfindung vor manchmal reichen nur wenige Hände, um scheidungsfindung. Diese wurde jedoch plena, im arrangement einer erst im nach- mit dem "OK, dann ..." der moderierenden nicht abgeschafft, aber immerhin hinein mitgeteilten pressekonferenz, auf Person wie ein Abstimmungsergebnis das beschlossen, vor jeder zentralen Entschei- der dann auch noch geäußert wurde, was weitere Prozedere zu bestimmen. Immer dung deren Notwendigkeit kritisch zu das plenum vorher bereits abgelehnt habe wieder auch: In kritischen Phasen sagten überprüfen und durch besondere Kommu- („weißrussland“). drei bis fünf ModeratorInnen nacheinan- der und außerhalb der Redeliste auch mal nikationsmethoden (Tuschelrunde usw.) stets zu überprüfen, wieweit noch ungehör- Die ersten was zum Thema ... wer das Mikro hat, hat die Macht. te Stimmen und Meinungen vorhanden Vorbereitungstreffen sind. Für einen deutlichen, autonom orien- tierten linken Zusammenhang waren diese G8-Arbeitskreis auf der Aktions- und Einige schön etwas ältere Damen und Herren bildeten einen spürbaren Pöbel- Verfahrensweisen eher ungewöhnlich, sind Strategiekonferenz in Frankfurt (Nov. doch sonst eher kollektive Ausdrucksfor- 2005) block mit anti-imperialistischem Gehabe. Obwohl sich nie eine Person aus antideut- men angesagt und gelten auch als Stärke schen Spektren zu Wort meldete, wurde ("gemeinsames Motto", "Geschlossenheit" Eigentlich hätte das schon reichen ...). können, dieser Arbeitskreis auf dem insge- deren Rauswurf mehrfach indirekt gefor- dert. Und als Kritik an den Konsensfetischi- samt extrem hierarchisch durchgeführten Als Folge entstand kein Paradies an Kongress, wo Fragen aus dem Plenum vor- stInnen und den damit verbundenen Handzeichen waren Zwischenrufe wie "Epi- Horizontalität, aber eine etwas verbesserte her auf Karten geschrieben werden muß- Entscheidungskultur - aus emanzipatori- ten und mußten von der Kongressleitung leptiker" und "BSE" zu hören. Behinderten- feindliche Sprüche also inbegriffen ... schem Blickwinkel betrachtet. Sichtbar war nach nicht erkennbaren, aber durchaus aber auch, dass Teile der Anwesenden Pro- politischen Kriterien ausgewählt wurden - Als am letzten Tag eine Gruppe die Idee einer zweimonatigen Fahrradtour vor- bleme hatte - nämlich die Teile, die auf z.B. wurden alle kritischen Beiträge zum starke Kollektivität setzen, um Einheitlich- Kongressverlauf zensiert. Im Arbeitskreis stellte, kam der Zwischenruf "wohl alles Hartz-IV-Empfänger, was?". Linke Politik an keit zu erzeugen als Selbstzweck und um gab es dann einen interessanten Schulter- diese dann dominieren zu können. Wo schluss von Attac bis Radikal-Links. Den Diskriminierung: Hartz-IV-Empfänger jetzt als Schimpfwort! Vielfalt und Differenz herrschen, wo aus gab es nicht nur bei der Darstellung, was der Vielfalt freie Kooperation der Teile je alles laufen sollte, sondern auch gegen Die Phasen mit Kleingruppen wurden nach Wunsch und Bedarf, aber nicht kol- Kritik. Wenn so ein Aufgebot von Wichtig- lektive Entscheidung entstehen, ist es für leuten wie Katja Kipping (stellv. Linkspartei- von den meisten, die sich später äußerten (und erst recht in den Gesprächen auf dem die AnhängerInnen von gleichgeschalteter Chefin) über Pedram Shayar (Attac- und Außenpolitik und einer Innenstruktur des gleichzeitig Interventionistische-Linke- Innenhof, in den Fluren usw., wo auch die was sagten, die im Plenum den Wichtig- MitläuferInnentums bei den Ideen von Funktionär) bis zu linksradikalen Antira- Bewegungseliten schwer, sich durchzuset- Leuten Schulter an Schulter und mit übli- RednerInnen meist nur zuhören), als pro- duktivste Zeit eingestuft. Innerhalb der zen. Da jedoch die Situation im Plenum chen Sprüchen ("Spinner", "so Leute brau- des Treffens in Leipzig für Dominanzversu- chen wir nicht" usw.) gegen Vorschläge Sphären derer, die die Mobilisierung zu dominieren versuchen, änderte das aber che nur noch sehr eingeschränkt brauch- antreten, über den Ablauf z.B. von Gegen- bar war, entstand schon im Laufe des konferenzen gegen den G8-Gipfel zu wenig bis nichts an ihrer Meinung, mög- lichst viel im Plenum zu arbeiten und mög- Samstags eine andere Debatte. Völlig reden, damit nicht einfach wieder nur die unverfroren debattierten klassische Wich- gleichen Wichtigleute nacheinander lich viel kollektive Entscheidungen zu tref- fen. tigleute aus den verschiedenen Strömun- reden, dann weht ein Hauch von neuer gen und Gruppen mit Dominanzanspruch Geschlossenheit durch die Bewegungseli- neben Plenum und Kleingruppen daher ten - geschlossen vor allem bei dem Ver- über andere Modelle der Dominanz. Am such, ihre Dominanzansprüche zu verteidi- wichtigsten war ja nicht die formale Macht

23 über den Zusammenschluss, sondern die Mobilisierungstreffen in ständige Wiederholung: Das Grundset an instrumentelle. Das Dissent!-Spektrum Berlin auf dem BUKO linker Langeweile (Gegenkonferenz, Lat- benötigt einen einheitlichen Außenauftritt, schdemo, Blockadetag), voraussehbar, damit sich Gruppen und SprecherInnen als dominanzgeprägt (Kampf um beste Rede- VertreterInnen des Ganzen aufspielen und Herrschaftsstrukturell ist dieses Treffen plätze auf der Großdemo ist dann das damit politisch wichtig machen können, schnell beschrieben: Es bestand im wichtigste Geplänkel) setzt sich durch, z.B. gegenüber Medien, gegenüber ande- wesentlichen aus Plena. Die Diskussionen wichtige Teilströmungen werden um ihren ren Bündnissen, gegenüber zu mobilisie- der ersten Phasen aus Leipzig spiegelten Platz auf dem 2. Rang kämpfen (mal zur Teil I: Selbstreflexionen renden Menschen (die dann nur als Mit- sich im Ablauf nicht mehr wieder. Der "Abwechselung" noch 1-3 Latschdemos an läuferInnen gedacht werden). Am Abend Moderator redete auch am meisten, den Tagen vorher mit bestimmten Schwer- präsentierten dann plötzlich auf dem Ple- zudem redeten nur extrem wenige Perso- punktthemen, damit diese Teilströmungen num einige die Idee einer starken Presse- nen - immer die gleichen und aus den auch ihre Wichtig-Leute als RednerInnen gruppe mit Außenvertretungskompetenz - bekannten, sich ständig dominant verhal- auf mindestens halbwichtigen Massener- hinsichtlich instrumenteller Macht (für tenden Gruppen. Diese haben untereinan- eignissen einsetzen können?). Und nur andere rede) also eine mit voller Herr- der Meinungsverschiedenheiten, aber ganz am Rande werden einige Gruppen schaftstechnologie ausgestattete Einigkeit in der Frage, die Mobilisierung mit eigenen, kreativen Ideen für spannen- Führungsgruppe. Zum Teil hatten sogar zentralistisch zu steuern (nur wer am Steu- de Effekte sorgen. Der Blick auf die schon Klärungsprozesse stattgefunden, er steht, ist umstritten). mythenbeladenen Aktionen von Seattle, wer in diese Gruppe gehen sollte. Kacken- Genua oder auch den Castorprotest kön- frech formulierten VielrednerInnen (z.B. Symptomatisch für die Gesamtsituation nen dagegen lehren, dass nicht Zentralität vom NoLager-Netzwerk), dass es wichtig war die auf dem Berliner Treffen ganz und Einheit, sondern Vielfalt und trainierte sei, dass erfahrene Personen in dieser nebenbei verkündete Planung für einen Handlungsfähigkeit möglichst vieler Teile Gruppe mitwirken sollten. Das steigerte Blockadetag am 8. Juni 2007 und den Widerstandskraft fördern. Doch das ist sich am Sonntagmorgen (nachdem am Großdemotag am 9. Juni danach. Wer eigentlich nirgends erwünscht, weder in Samstagabend die Debatte noch in einem das wann und wo beschlossen hatte, inter- den Eliten von Bewegung noch bei denen, heftigen Streit endete) in Bemerkungen, es essierte gar nicht mehr. Den Wichtig-Leu- die das MitläuferInnentum als politisches könne nicht angehen, dass jedeR im Dis- ten wird das klar gewesen sein und der Programm längst gefressen haben ... sent!-Netzwerk (inzwischen war der Name Rest übte sich, wie leider üblich, in Tusche- beschlossen) für das Ganze und auch nicht leien am Rande des Plenums, wie für "xxx aus dem Dissent-Netzwerk" reden bescheuert hier alles sei - hielt aber den Andere Bündnisse könne, weil das zu Missverständnissen Mund und wird als telegene Demo-Staffa- führen würde. Wie üblich, wurden die Akti- ge und als FlugblattverteilerInnen für die vistInnen nur als MitläuferInnen gedacht, Pläne der Wichtigen zur Verfügung stehen. Diese Kritik beschreibt vor allem die gleichzeitig in eigenständige Aktion keiner- Ein Hauch von "Von-unten-Organisierung" Geschehnisse des Dissent!-Spektrums. lei Vertrauen gegeben. Gleichzeitig wurde war nicht mehr spürbar. Damit kann das Andere Mobilisierungen sind noch viel wörtlich für "mehr Vertrauen" geworben Geplänkel eine Ebene höher beginnen: deutlicher machtförmig strukturiert und (z.B. von einem NoLager- und einem Die FunktionärInnen des Dissent! mit verzichten gleich ganz auf Plena - nicht BUKO-Aktivisten), wenn es darum ging, denen von Attac, denen von IL usw. Die zugunsten selbstbestimmter Teile, sondern dass erfahrene BewegungsfunktionärInnen Menschen werden nur noch als zu dirigie- zugunsten von Steuerungsgruppen auf mit besonderer Macht ausgestattet werden rende Masse betrachtet, natürlich einge- FunktionärInnen, die sich im Zweifelsfall sollten (eben in einer nach außen vertre- bunden in Plena, Konferenzen und mehr, auch mal wochentags vormittags treffen, tungsberechtigten Pressegruppe). bei denen ihnen eine Teilhabe suggeriert weil die "Normalen" da ohnehin gar nicht wird, die nicht besteht. mehr mitgedacht werden. Bemerkenswert war noch, dass auf dem Leipziger Treffen auch eine Presse-AG Aber halt: Nicht so tun, als wäre das Im Supermarkt beschissener Organisie- stattfand. Deren Ergebnisse interessierten eine Verschwörung von oben. Das ist eine rungen gibt es also ein reichhaltiges Ange- die Wichtigleute zunächst gar nicht. Erst im Situation, die überall, vor allem aber in der bot. Manch Animosität von Schwarz-Kapu- Verlauf des Streit wurde das Ergebnis der deutschen Linken naturgesetzmäßig immer zi-Träger mit Attacies täuscht auch eher AG, die sogar explizit zum Streit einen wieder auftritt. Nur ist sie kein Naturgesetz, darüber hinweg, dass im Kern alles recht Kompromiss formuliert hatte, wichtiger, sondern ein tradiertes Rollenmuster, dass ähnlich ist. Wer etwas anderes will, kann weil eine Einigung auf die krasse Domi- wie die Schwerkraft über linken Mobilisie- zur Zeit nur etwas anders machen - aber nanzposition der daran interessierten Krei- rungen liegt und zu immer gleichen Situa- leider außerhalb jeglicher Vernetzung und se nicht widerstandsfrei gelang. Allerdings tionen führt. Die Nuancen, die den Prozess Breite an Organisierung. Das deutet an, bleibt der Verdacht, dass die Presse-AG von Heiligendamm von den spektakulären dass die Ursache für das Desaster nicht überhaupt nur beachtet wurde, weil an ihr Machtkämpfen 1999 in Köln (siehe "Köln- nur bei den Eliten liegt, die Selbstorgani- auch wiederum einzelne "Wichtig-Leute" Reader", als Download noch verfügbar sierung auch gar nicht wollen. Sondern teilgenommen hatten. Mit dem Ende des über www.projektwerkstatt.de/topaktuell/ auch bei denen, die es nicht können oder Leipziger Treffens war der Versuch, eine expo/k_reader.pdf) unterscheiden werden, auch nicht wollen, weil es gar nicht ihr hierarchieärmere und horizontalere Orga- haben etwas mit geänderten Diskursen der politischer Anspruch ist oder Mitlatschen nisierung zu versuchen, eher wieder been- Machtübung und den Verschiebungen an einfacher ist, aber dennoch für die Selbst- det. Das sollte sich beim Folgetreffen in Handlungsstärke zwischen den Eliten zu wahrnehmung als politisch aktiv und Berlin beweisen ... tun, aber nicht mit einer Veränderung hin widerständig ausreicht. I zu Horizontalität und Selbstorganisierung. Jörg Bergstedt, Daher ist schlicht nichts zu erwarten als die Mai/Juni 2006

24 Teil I: Selbstreflexionen

Teil II: Inhaltliche Auseinandersetzung

25 Agendavorschlag für das hamburger Treffen

zur inhaltlichen ausrichtung migration und prekarisierung" vor. noch eine zusatzbemerkung: seit gerau- in diesen drei untereinander sehr kom- mer zeit gibt es bemühungen, insbesonde- wir halten die inhaltliche ausrichtung plex verbundenen feldern stecken für uns re durch die konferenz "die kosten rebellie- zunächst für die zentrale frage, da davon die wesentlichen gesellschaftlichen ausein- ren" sowie den euromayday, die querver- ja maßgeblich abhängt, wie weit diese g8- andersetzungen (siehe auch unseren text bindungen zwischen prekarisierung und mobilisierung tatsächlich das potential hat unter http://www.metzgerstrasse- migration zu thematisieren bzw. die dazu "längerfristige struktureffekte" zu entfalten, hanau.org/3d/text.html) und sie bieten arbeitenden initiativen aus antirassistischer wie ihr es nennt. wichtig ist uns, schwer- anknüpfungspunkte in verschiedenste rich- und gewerkschaftslinker in intensiveren punkte herauszudiskutieren, entlang derer tungen. austausch zu bringen. im kommenden jahr sich verschiedene gruppen und spektren wird es möglicherweise mit einer kombina- aktiv in die mobilisierung einbringen wer- aneignung tion aus "kosten-rebellieren-II" und euro- den. was sind dazu die ersten überlegun- mayday II weitergehen (wozu bei einem gen der einzelnen? wo gibt es schon als "antwort" auf enteignung und aus-

Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen treffen mitte oktober dazu eine vorent- anklingende gemeinsame interessen? wo beutung - als treibendes offensiv zu lesen- scheidung fallen wird). und dabei wird sich bietet sich die möglichkeit über diese des moment von alltagskämpfen. während sicherlich auch die frage auftauchen, wel- mobilisierung verschiedene themenstränge hier mit z.b. den umsonst-kampagnen und che schubkraft sich für diese prozesse auch miteinander in bezug zu bringen? die von den "überflüssigen" der bezug zu sozialen durch eine g8-mobilisierung erhofft wird euch aufgezählten beispiele (wasserprivati- auseinandersetzungen gesucht wird, lies- bzw. wie sich euromayday und g8-mobili- sierung sowie arbeit und migration) sen sich auf globaler ebene massenweise sierung aufeinander beziehen könnten. erscheinen uns ziemlich willkürlich geschichten finden, an die anzuknüpfen benannt und sie waren ja vielleicht sogar sich lohnen würde: ob landbesetzungen zusätzliche so gemeint - um klärung herauszufordern. oder kämpfe gegen wasserprivatisierung in schwerpunktsetzung osteuropa? lateinamerika, massenhafter stromklau in in der debatte sollten themenfelder und südafrika, produktpiraten-märkte in osteu- angesichts der tatsache, dass der näch- forderungen etc. vor allem auf zwei ebe- ropa... ste g-8 in st. petersburg stattfinden wird, nen genauer unter die lupe genommen stellt sich für uns die frage, ob in der ange- werden: wie lassen sie sich inhaltlich migration henden mobilisierung nicht ein besonderer gegen den g8 in anschlag bringen? und schwerpunkt auf osteuropa gesetzt werden wo liegt ihr potential an gegenseitiger beeinhaltet auf der einen seite flucht, sollte. die kontakte haben sich in den letz- bezugnahme, wo liegen die möglichen krieg und vertreibung, die zurichtung der ten jahren ja u.a. durch nobordercamps, brücken zwischen verschiedenen bewe- herkunftsländer, neokolonialismus... kürz- diverse touren und gegenseitige besuche gungsteilen? also durchaus auch eine stra- lich hatte es ja von der bremer nolager- verstärkt. aneignung, migration und pre- tegische diskussion: auf welchen ebenen gruppe schon eine diesbezügliche anre- karisierung ließe sich auch hier, vom verdichtet sich gerade sowieso was? wie gung gegeben, die im zuge der mobilisie- eigenmächtigen kohleabbau über die kann uns da die g8-mobilisierung helfen rung für letztes wochenende nach meck- arbeitsmigration oder das osterweiterte weiterzukommen? um die debatte ein lemburg-vorpommern diese brücke grenzregime bis hin zu den unterschiedli- bißchen anzuheizen, spitzen wir mal auf gesucht hatten. (und sonntag vor dem chen arbeitskämpfen, auf verschiedenste eine mögliche inhaltliche ausrichtung zu - schweriner innenministerium gab es dann prozesse und konfliktualitäten beziehen. und sind gespannt, was ihr davon haltet. übrigens auch die ansage: 2007 im zuge des g8 werden wir mit tausenden wieder- schlußbemerkung: globalisierung von unten - kommen - und die lager schliessen!) im aneignung, migration und sinne von "globalisierung von unten" wür- zwei bereiche fielen uns auf, die in unse- prekarisierung den wir migration aber auch als soziale ren bisherigen ausführungen und auch in bewegung, als aneignungsbewegung "unserem inhaltlichen dreieck" nicht ganz wir schlagen "globalisierung von unten" lesen: menschen die sich dieser zurichtung so einfach querzuverbinden sind: als zentrales motto einer anti-g-8-mobili- widersetzen, das ausbeutungsgefälle -krieg (innen und außen) sierung vor.es signalisiert einen offensiven unterlaufen, die grenzen unterwandern -ökologie/ neue technologien globalen bezug und steht gegen die immer oder -wie aktuell in ceuta und melilla- wahrscheinlich gebe es noch mehr the- wieder verbreitete wahrnehmung, wir seien sogar regelrecht stürmen. menbereiche, die fehlen. aber uns wäre es "globalisierungsgegnerinnen". damit for- wichtig für die inhaltliche mobilisierung, dern wir zudem jede nationalstaatliche prekarisierung nicht einen großen themenjahrmarkt auf- oder auch (euro)protektionistische heran- zumachen, sondern auf bestimmte the- gehensweise heraus, wie sie ja z.b. in der wäre dahingehend zu thematisieren, menfelder zu focussieren und eben nach linkspartei oder teilen der sozialforumsbe- dass dieser prozess eben nur in den den brücken zwischen den bereichen zu wegten sehr präsent ist (und von nazis gar metropolen (und dort ja auch nur für einen suchen. nicht zu reden). teil der bevölkerung) ein "neueres", sich darüber zu diskutieren, fänden wir "globalisierung von unten" muss aller- verbreitendes phänomen ist und im histori- jedenfalls die wirklich spannende erste dings übersetzt und gefüllt werden, und schen und globalen rahmen schon immer runde. und daher nochmal der vorschlag: damit in jedem fall über den klassischen "normalzustand" war. und dass dies keine drei volle stunden - ruhig in kleineren (unterstützungs-)internationalismus hinaus- einfache erfindung aus den kapitalisti- arbeitsgruppen - aber eben konzentriert an gehen und sich auf konkrete auseinander- schen kommandozentralen ist, sondern diesen fragen. auch reaktion auf die "flexibilisierung von I setzungen hier beziehen. deshalb schlagen die glocals aus hanau wir als unterzeile das dreieck "aneignung, unten", auf die verweigerungen und fluch- Oktober 2005 ten aus dem fabrik- und hausarbeitsalltag.

26 ...zum Treffen in Hamburg

wir möchten ebenfalls - wie schon dass andere themen nicht verhandelt wer- andere welt ist möglich" - um slogans han- die ha-nauer/innen - einige anmer- den sollten bzw. dürften. nein, natürlich delt, die bereits politisch besetzt sind (nicht kungen zum berliner agenda-vor- nicht! alle sollten mit ihren steckenpferden zuletzt durch attac), wir finden es durchaus schlag fürs nächste wochenende in am start sein, unser anliegen ist einzig, überlegenswert, bei der frage des zentra- hamburg machen. (...) dass wir aus den genannten gründen auch len mottos bezugnahmen bzw. anleihen über einige (wenige) zentrale themen und bei anderen bewegungen zu machen. forderungen verfügen sollten. zumindest in klangästhetischer hinsicht zum inhaltlichen: fänden wir das reichlich attraktiver als das b) nord/süd-konflikt vs. von hanau (experimentell vorgeschlagene) sozialpolitische themen motto "globalisierung von unten"... ir möchten an dieser stelle weder ein motto noch konkrete schwer- das ‚empire', der ‚autoritäre neolibera- c) breites vs. weniger- Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen Wpunktsetzungen vorschlagen. lismus' oder wie immer mensch dieses breites bündnis stattdessen möchten wir einige der proble- ‚ding' nennen möchte, ist global. vor die- me bzw. kriterien festhalten, entlang derer sem hintergrund ist es natürlich richtig bzw. wir waren etwas erstaunt, dass diese wir bislang die frage der inhaltlichen aus- notwendig, dass mensch die herrschenden zentrale frage (schließlich gibt es ja auch richtung diskutiert haben: verhältnisse aus unterschiedlichen per- das bündnisprojekt der interventionisti- spektiven in frage stellt bzw. angreift. kon- schen linken) gar nicht direkt im agenda- a) gemischtwaren-laden vs. kret: es gibt keinen privilegierten stand- vorschlag aus berlin auftaucht. wir denken inhaltliche zuspitzung punkt - der kampf z.b. gegen die wto geht mal, dass dies nicht völlig zufällig ist, und alle menschen an, ob im süden oder nor- doch finden wir, dass wir dieser frage auf klar ist: eine breite protestbewegung den. er umfasst den kampf gegen den entspannte (!) weise von anfang an unsere gegen den g8, an der die unterschiedlich- abbau sozialer und politischer rechte im aufmerksamkeit widmen sollten. sten menschen, gruppen und sozialen norden genauso wie den kampf um wasser wir denken, dass sich viele der damit bewegungen mit von der partie sein sollten oder gegen biopiraterie im süden. und verknüpften fragen am besten zusammen (was wohl in unser aller interesse liegen doch: wir fänden es falsch, würden die mit den inhalten diskutieren lassen. dürfte), wird sich nicht auf einen gemein- unterschiede zu sehr eingeebnet werden. schließlich hängt es sehr stark von der samen nenner bringe lassen. das zu erwar- so wie prekarisierung für unterschiedliche inhaltlichen ausrichtung ab, mit wem ten wäre weder realistisch noch klug. und menschen unterschiedliches bedeutet (die mensch es als potentiellen bündnispart- doch: vielfalt kann auch zur schwäche berühmte programmiererin hat einfach ner/innen zu tun hat bzw. zu tun haben werden, und zwar dann, wenn die öffent- andere sorgen als die papierlose haus- will. so stellt sich bei sämtlichen nord-süd- lichkeit nicht mehr erkennt, worin eigent- haltshilfe), so gibt es auch im globalen themen insbesondere die frage, wie lich ‚unser' anliegen besteht (außer halt zu rahmen ein krasses nord-süd-gefälle. mensch es mit attac, weed und co hält, bei den leuten zu gehören, die ohnehin immer dies sollte unseres erachtens bei der sozialpolitischen fragen dagegen kommt gegen alles sind). diese erfahrungen debatte um die inhaltliche ausrichtung vor allem die frage auf, welches verhältnis haben manche von uns z.b. auf dem berücksichtig werden. konkret fänden wir mensch zu linken gewerkschafter/innen frankfurter (2001) und kölner (2003) es durchaus angemessen, wenn die globa- oder gar zur linkspartei einnehmen möch- grenzcamp gemacht. demgegenüber wür- le nord-süd- (bzw. west-ost)problematik ein te. wir sollten diese frage auf keinen fall den wir - vor dem hintergrund unserer relativ stärkeres gewicht bekäme als nord- erst in der abschlussrunde am sonntag dis- inzwischen 3jährigen nolager-erfahrungen immanente themen. wir betonen das, weil kutieren, wir denken stattdessen, dass sie - sagen, dass es für die vermittlung sowohl dies unserers erachtens beim diesjährigen je nach diskussionverlauf ggf. auch früher nach ‚innen' als auch nach ‚außen' poli- (dissent-)g8-protest nicht immer der fall auf die tagesordnung kommen sollte. gewesen ist. wenn mensch einmal davon I tisch nützlich (gewesen) ist, mit ‚nolager' nolager bremen einen konkreten politischen focus (gehabt) absieht, dass dort (außer bei einigen weni- Oktober 2005 zu haben. gen aktionen) in diesem sinne möchten wir vorschla- ohnehin nicht all zu gen, dass ‚wir' versuchen sollten, uns auf viele inhalte ventiliert einige zentrale schwerpunkte zu verständi- wurden, so hat es in gen. das dürften sicherlich nicht solche schottland kaum relativen) mini-themen sein wie ‚nolager'. bezug auf die globa- wir denken eher an großthemen bzw. -for- lisierungskritischen derungen wie ‚schuldenstreichung', ‚repa- bewegungen im rationen', ‚wto abschaffen', ‚soziales exi- süden gegeben - stenzgeld weltweit', ‚globale bewegungs- weder auf inhalte freiheit' etc. in diesem zusammenhang fin- noch forderungen den wir die hanauer dreieinigkeit aus bzw. slogans á la "aneignung, migration und prekarisierung" "die welt ist keine im übrigen hilfreich, bietet sie doch für die ware". gemeinsame suchbewegung sinnvolle apropos "die welt anhaltspunkte. ist keine ware". auch ach ja: wenn wir von ‚zentralen schwer- wenn es sich bei die- punkten' sprechen, dann meinen wir nicht, sem und verwandten slogans - etwa: "eine

27 Unser Nein ist das Ja zum Nichts des Ganzen Als Inhalte-AG des G8-Plenums ple oppression"-Konzept von "multiple Strukturen seien unvermeidbar und könn- Mannheim/Heidelberg wollen wir oppression" gesprochen) ten gegebenenfalls sogar positive Effekte unseren Teil zur inhaltlichen Besonders kritisch sehen wir bei der Auf- haben (Vgl. Papier der Gruppen SINN, Debatte, und speziell zum zählung im Punkt 1 der Hallmarks den Revolution, Rote Aktion Berlin, Arbeiter- Treffen der Inhalte-AG am 10. Dezember beitragen. Begriff Imperialismus, der für uns für eine macht, Autonome Kommunisten). Sie sind Wir werden im folgenden Text verkürzte Kapitalismuskritik steht. Im Kapi- grundsätzlich antiemanzipatorisch, repro- unsere Positionen zum Thema dar- talismus gibt es keine weißen Flecken auf duzieren das Alte und verhindern Lernpro- stellen und uns dabei an den der Weltkarte. Eine monochrome Sichtwei- zesse. PGA-Hallmarks orientieren und se, die Welt in böse "weiße" Unterdrücker diese wo nötig kritisieren und und gute "schwarze" Unterdrückte einzutei- "Search & Destroy" erweitern. Dabei werden wir auch len, finden wir realitätsfern. Eine rein anti- zu den bereits vor dem Hamburger imperialistische Kritik ist auf dem eigenen "Eine konfrontative Haltung, da wir nicht Treffen bestehenden Papieren glauben, dass Lobbyarbeit einen nennens- (Glocals Hanau, NoLager Bremen Auge blind. Wenn die USA als einziges Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen und die Berliner Gruppen SINN, Synonym für die Unterdrückungsmechanis- werten Einfluss haben kann auf undemo- Revolution, Rote Aktion Berlin, men gesehen werden, dann werden die kratische Organisationen in die maßgeb- Arbeitermacht, Autonome Kommuni- Unterdrückungsmechanismen in den eige- lich vom transnationalen Kapital beeinflus- sten) Stellung nehmen. nen Verhältnissen verschleiert und nach st sind". Allgemein stimmen wir diesem außen projiziert. Nationale Befreiungsbe- Punkt zu. Uns ist es jedoch dabei wichtig, wegungen, die ebenfalls, wie der Name dass im Laufe der Diskussion Auswahl und schon sagt, auf ausschließenden Prinzipien Umgang mit (un-)möglichen Bündnispart- ine klare Ablehnung von Kapitalis- aufbauen und deshalb in sich die gleichen nerInnen konkretisiert und die entspre- mus, Imperialismus und Feudalismus; Strukturen reproduzieren, aber auch deren chenden Strukturen benannt werden (z.B. Eund aller Handelsabkommen, Institu- UnterstützerInnen, die dieses noch forcie- Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, tionen und Regierungen die zerstörerische ren, sind daher grundsätzlich zu kritisieren. Attac...). Es ist Aufgabe der Vorbereitungs- Globalisierung vorantreiben." Die extremste Ausprägung dessen, näm- strukturen einen Konsens darüber zu fin- Im Laufe unserer Diskussion über die lich die Solidarität mit den bekannten den, welche Gruppen und Strukturen dies Grundlagen einer inhaltlichen G8-Kritik palästinensischen "Befreiungsbewegun- konkret sein können. Als Vorschlag haben stießen wir auf Widersprüche in Bezug auf gen" in denen ein (z.T. eliminatorischer) wir für uns den Konsens erarbeitet, alle die in der PGA-Hallmark 1 genannten Antisemitismus vertreten wird und wie sie Gruppen und Strukturen, die autoritäres, Begriffe. Eine monolithisch kapitalismus- von SINN, Revolution, Rote Aktion Berlin, elitäres, nationalistisches, rassistisches und zentrierte Kritik an den gesellschaftlichen Arbeitermacht und den Autonomen Kom- sexistisches Gedankengut transportieren Verhältnissen erschien uns als unzurei- munisten praktiziert wird, ist für uns indis- und/oder entsprechende Verhaltensweisen chend. Diese sind komplexer, als sie durch kutabel. Eine ähnliche Diskussion über die an den Tag legen, abzulehnen. Diese Posi- diese Sichtweise, die nur einen Ausschnitt 10-Euro-Kampagne für den irakischen tion stellen wir zur Diskussion. der Realität erfasst, abgebildet werden Widerstand, die von den oben genannten könnte. Gruppen ebenfalls unterstützt wurde, Die ebenfalls in Punkt drei erwähnte Hierbei besteht die Gefahr, dass die not- ersparen wir uns an dieser Stelle. "konfrontative Haltung" ist für uns eine wendige Kritik an den anderen Macht- und Auch das Konzept des Internationalis- radikale Haltung. Radikalität nehmen wir Unterdrückungsformen aus den Augen mus lehnen wir ab, da es sich positiv auf dabei wörtlich (lat.: radix = Wurzel): verloren wird. Hierzu zählen wir unter die Idee Nation bezieht, die als Prinzip wie- "Radikal sein ist die Sache an der Wurzel anderem: Nation und Nationalismus, derum Diskriminierungen durch Exklusion fassen. Die Wurzel für den Menschen ist autoritäre und vertikale Strukturen, Sexis- beinhaltet. Das Konstrukt der Nation und aber der Mensch selbst" (Marx). Wir wollen mus, Rassismus und Ausbeutung der der dazu notwendige Nationalismus ver- das Netzwerk in seiner Tiefe und Struktur Natur. Der Hass auf "Schwule", "Neger" halten sich daher diametral zu unserer begreifen und benennen, um in unserer und "Behinderte" und die Unterdrückung Position. alltäglichen Praxis zu versuchen, mit den von Frauen sind Strukturen, die auch modernen Gesellschaftsverhältnissen zu außerhalb des Kapitalismus, wenn auch in Entsprechend unserer Auslegung der brechen und ihre Reproduktion zu verwei- anderer Form existieren können. Mit der Aufzählung in Punkt 1 deuten wir auch den gern. Sowohl theoretische Erkenntnis als Entstehung der modernen, bürgerlichen Punkt 2 der PGA-Hallmarks: "Wir lehnen auch praktische Umsetzung sind für uns Gesellschaft wurden lediglich bereits alle Formen und Systeme von Herrschaft kontinuierliche Lernprozesse. Diesen Lern- bestehende Unterdrückungsverhältnisse in und Diskriminierung ab, einschließlich prozess nennen wir Revolution. Möglich- unterschiedlichem Maße modifiziert, neue aber nicht beschränkt auf Patriarchat, Ras- keiten revolutionärer Praxis können für uns konstruiert und neu zueinander in Bezie- sismus und religiösen Fundamentalismus unter anderem "ein Aufruf zu direkter Akti- hung gesetzt. So bedingen sich z.B. das aller Art. Wir anerkennen die vollständige on und zivilem Ungehorsam, Unterstüt- moderne Patriarchat, Nationalismus, Staat Würde aller Menschen." Allerdings sei zung für die Kämpfe sozialer Bewegungen, und Entstehung des Kapitalismus gegen- auch hier darauf hingewiesen, dass Auf- die Respekt für das Leben und die Rechte seitig. In Abgrenzung zu den PGA-Hall- zählungen wie diese für uns niemals voll- der unterdrückten Menschen maximieren, marks sehen wir den Kapitalismus also ständig sein können, weil die Komplexität wie auch den Aufbau von lokalen Alterna- nicht als einzig bestimmende Größe, son- der Verhältnisse weder durch einen noch tiven zum Kapitalismus" (Punkt 4 Hall- dern nur als Teil der Verhältnisse, die uns durch mehrere Begriffe adäquat erfasst marks) sein. Der Ansatzpunkt für diese Pra- als Netzwerk verschiedener Unter- werden können. In der Forderung nach xis sollte radikal in unserem Sinne sein, drückungsmechanismen entgegentreten. Herrschaftsfreiheit sehen wir eine Bestäti- also konkret, unmittelbar und nicht refor- (Im gruppeninternen Diskussionsprozess gung unserer eigenen Position und eine mistisch. haben wir hierfür in Anlehnung an das "tri- Ablehnung der Behauptung, vertikale

28 Utopia must burn ihrem Gipfel in Form eines informellen Möglichkeit bietet, uns eine Verschnauf- Treffen in Erscheinung. Dieses Ritual ist ein pause zu verschaffen von Kapitalismus, Die Forderung nach einer "Organisati- möglicher Ansatzpunkt für konkrete Kritik. Nationalismus, Rassismus, Sexismus.... onsphilosophie die auf Dezentralisierung In dieser Eigenschaft dient der G8-Gipfel und Autonomie aufgebaut ist." (Punkt 5 nicht dazu, konkrete Entscheidungen zu "We are anti-everything" Hallmarks) hat uns verwirrt, denn die iso- treffen, sondern alte repressive Strukturen lierte Forderung nach "Dezentralisierung zu konservieren und arrogant zur Schau zu Priorität heißt für uns, dass der Wille das und Autonomie" als Gesellschaftsmodell stellen. So bauen sie sich ihr eigenes Denkmal zu stürzen im Vordergrund steht. ist unserer Meinung nach verkürzt und Denkmal, errichtet auf einem Fundament Dazu können verschiedene Hebel ange- unzureichend. Der Versuch, individuelle aus Kapitalismus, Nationalismus, Rassis- setzt werden. Gerade eben in der Pluralität Gesellschaftsentwürfe und Utopien durch- mus, Sexismus... liegt unsere Stärke. Insofern stimmen wir zusetzen blockiert diesen Lernprozess, da mit den Positionspapieren aus Hanau und dies einerseits elitäre, autoritäre und arro- "...Hol den Vorschlaghammer!" Bremen überein, in denen sie fordern, dass gante Züge trägt und andererseits nur jede Gruppe zu ihrem Steckenpferd arbei- bestehende Verhältnisse reproduzieren Unser Ziel muss es also sein, das Denk- ten solle. Inhaltliche Hegemoniean- kann. Nicht in Entwurf und Utopie, son- mal zu stürzen und sein Fundament zu zer- sprüche, wie von den Berliner Gruppen dern im konkreten Lernprozess werden die trümmern. Den ersten Teil erledigen wir in geäußert, sind daher grundsätzlich zu ver- Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen zukünftigen Formen des Zusammenlebens Heiligendamm, der zweite Teil ist Hausauf- meiden. Im Rahmen von Mobilisierung entstehen. Revolution schafft sich ihre Ver- gabe. Das soll heißen, dass es uns neben und Aktionen sollen alle die Möglichkeit hältnisse selbst! dem punktuellen Vorgehen gegen den haben, zu ihrem bereits vorhandenen The- G8-Gipfel vor allem wichtig ist, uns in menschwerpunkt zu arbeiten, sei es Kapi- "Paint it black" unserem Alltag Freiräume zu schaffen. Das talismus, Nationalismus, Rassismus, Sexis- Camp könnte dabei die Schnittmenge zwi- mus... "Sie haben sich ein Denkmal gebaut.... schen konkretem Protest und alltäglicher I Inhalte-AG des G8-Plenums Mannheim-Heidelberg, Die G8 treten nur einmal im Jahr bei Praxis bilden, indem es uns vor Ort die November 2005 no lager bremen zum internationalismus vor 2 wochen (16.11.) hat die gewisser hinsicht könnte mensch auch die "inhalte-ag des g8-plenums mann- "auch das konzept des internationalis- in den 50-er jahren entstandenen solida- heim-heidelberg" ein längeres mus lehnen wir ab, da es sich positiv auf ritätsbewegungen anlässlich des algerien- diskussionspapier über die mai- die idee nation bezieht, die als prinzip wie- kriegs, der kubanischen revolution oder ling-liste verschickt. konkret wird sich dort mit den pga-hall- derum diskriminierungen durch exklusion des antikolonialen unabhängigkeitskamp- marks auseinandergesetzt. wir beinhaltet. das konstrukt der nation und fes im kongo als wiege des ‚neuen' inter- schätzen dieses vorgehen, wird der dazu notwendige nationalismus ver- nationalismus bestimmen. die internatio- doch so endlich der raum für die halten sich daher diametral zu unserer nalismusbewegung hat in ihrer rund 40- am ende des hamburger treffens position." jährigen geschichte zahlreiche (auch anti- eingeforderte debatte über die national inspirierte) wandlungs- und häu- pga-hallmarks und somit das so sehr wir die anti-nationale perspekti- tungsprozesse durchlaufen. vieler dieser selbstverständnis ‚unseres' ve im grundsatz teilen, die art und weise, weiterentwicklungen und veränderungen bündnisses eröffnet. und doch: inhaltlich haben wir in mancher- wie diese unmittelbar mit dem so genann- sind das produkt von erfahrungen und lei hinsicht bauchschmerzen mit ten "konzept des internationalismus" kurz- debatten sowohl innerhalb der einzelnen den von den m-h/innen formulier- geschlossen wird, hat uns, gelinde gesagt, strömungen des internationalismusspek- ten positionen. die schuhe ausgezogen - auch wenn uns trums als auch zwischen ihnen gewesen. die postion selbst bereits vom hamburger konkret lassen sich mindestens 4 strömun- treffen bekannt war. das ist nicht polemisch gen unterscheiden: christlich-humanisti- inige unserer einwände haben wir oder gar unfreundlich gemeint, wir wollen sche strömungen (woraus u.a. die welt- bereits in unserem gestern verschick- hiermit vielmehr eine deutliche inhaltliche läden hervorgegangen sind), traditionelle- Eten papier zu g8 und wto am rande differenz markieren - eine differenz, die wir linke gruppen (dkp etc.), undogmatische angedeutet. wir möchten heute eine weite- jedoch - jedenfalls an dieser stelle - gänz- linke strömungen (wofür mehr oder minder re anmerkung machen. wieder wird's nur lich (!) von der debatte um (anti-)imperia- die mitgliedsgruppen des buko standen) um einen einzelnen aspekt gehen, einfach lismus & nationale befreiungsbewegungen und sozialrevolutionäre ansätze. zu nen- deshalb, weil wir nicht zu jedem der von entkoppelt wissen wollen. nen wären außerdem die anti-imperialisti- den m-h/innen angesprochenen positio- schen gruppen (auch die, die im bewaff- nen einen gemeinsamen diskussionsstand was ist unser problem? unseres erach- neten kampf steckten), wobei hierzu anm- haben. tens gibt es kein "konzept des internationa- zumerken ist, dass sich anti-imperialisti- lismus". was es gibt, ist vielmehr eine lange schen zusammenhänge häufig vom inter- relativ zu beginn setzten sich die m- und äußerst vielschichtige, ja heterogene nationalismus abgegrenzt haben - was h/innen mit dem themen-komplex (anti- geschichte der internationalismusbewe- natürlich nicht ausschließt, dass die über- )imperialismus & nationale befreiungsbe- gung. das ist etwas völlig anderes, ja, das gänge in personeller, inhaltlicher und wegungen auseinander. nicht unerwartet ist der unterschied ums ganze! die praktischer hinsicht fließend gewesen sind. (nimmt mensch die auf dem hamburger geschichte der ‚neuen' internationalismus- treffen gelaufenen diskussionen als bewegung - im unterschied zur geschichte kurzum: wer a-historisch vom "konzept bezugspunkt) fällt dieser part äußerst kri- der diversen kommunistischen internatio- des internationalismus" spricht, entledigt tisch aus. unmittelbar im anschluss an die- nalen - beginnt in den metropolen des sich mit einem federstrich (stichwort: "leh- sen abschnitt heißt es sodann: nordens spätestens in den 60-er jahren; in nen wird ab") einer der größten und wirk-

29 mächtigsten sozialen bewegungen der westeuropa in nicaragua gewesen. sicht eine absolute wohltat für unser ja erst neuen (nicht zuletzt radikalen) linken in dass internationalismus heute von vielen am anfang stehendes bündnis wäre!!! im den vergangenen 40 jahren. unser pro- aktivist/innen als nationaler schmarren bremer anti-g8-bündis haben wir mit die- blem damit ist nicht, dass das ungebührli- abgetan wird, ist unseres erachtens über- ser aneignung bereits begonnen. wir ches verhalten gegenüber den ‚alten' wäre wiegend diskusartefakt, d.h. ergebnis einer schicken deshalb im anhang dieser mail 5 - oder ähnlicher unsinn. unser problem ist unter anti-nationalen (und anderen) vor- texte mit rum, von denen wir glauben, dass vielmehr, dass mensch sich hierdurch ein zeichen mehr oder weniger a-historisch sie für die debatte hilfreich sein könnten. äußerst reichhaltiges reservoir konkreten operierenden kritik an irrtümern, fehlern die texte sind allesamt in der alaska, der bewegungswissens, d.h. konkreter politi- und fehlentwicklungen innerhalb linker zeitschrift des buko erschienen (im unterti- scher, praktischer und sozialer erfahrungen internationalistisch ausgerichteter bewe- tel definiert sich die alaska als "zeitschrift durch die lappen gehen lässt, sich also gungen in den vergangenen 40 jahren. für internationalismus", sie schmückt sich auch um die chance bringt, an diesem ein zentrales problem scheint uns hierbei außerdem mit den adjektiven "internatio- reservoir zu partizipieren und auf diese nicht zuletzt eine sachlich falsche und poli- nalistisch, feministisch, links, anders"). weise wichtige schlussfolgerungen für tisch unproduktive engführung zu sein: konkret geht es um folgende artikel: seine bzw. ihre kämpfe im hier und jetzt zu auch wenn den meisten durchaus klar sein ziehen. dürfte, dass es beträchtliche unterschiede 1. bernd hüttner, hoch die...die geschichte der Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen dies formulieren wir insbesondere im zwischen internationalistischen strömun- internationalismusbewegung in der brd bis 1992, alaska nr 223, dezember 1998 hinblick darauf, dass viel von dem, was gen (wozu z.b. auch der sozialrevolutionä- 2. redaktion alaska, 150 west - 60 nord. eine heute am so gennanten internationalismus re anti-imperialismus der rz in den 80-er standortbestimmung jenseits des neuen kritisiert wird (häufig ohne wirkliche kennt- jahren gehörte) und einem im kielwasser internationalismus, alaska nr. 223, dezember 1998 3. moe hierlmeier, wer stets das gute will. zur kritik des niss der damaligen gesellschaftlichen der raf daherkommenden anti-imperialis- alten internationalismus, alaska 227, august 1999 situationen), bereits innerhalb der interna- mus gab, wird die debatte um die 4. moe hierlmeier, times they are a changing' - (k)eine tionalistischen bewegung selbst massiv geschichte internationalistischer/antiimpe- nostalgie. internationalismusbewegung im wandel, und erfahrungsaufgeladen kritisiert wurde rialisitischer solidarität immer wieder - so alaska 238, frühjahr 2003 5. annette massmann/dima zito, hoch die und folglich immer wieder zu richtungsän- auch in hamburg - auf die frage "kritik an internationale solidarität. zur geschichte des derungen, weiterentwicklungen, spaltun- (anti-)imperialismus und nationalen befrei- nicaragua-infobüros, alaska 238, frühjahr 2003 gen u.ä. geführt hat. wir möchten ein win- ungsbewegungen" reduziert. zum einen wenn wir von politischer wohltat sprechen, dann meinen wir folgendes: eine präzise, historisch ziges beispiel nennen: in der nicaragua- hat das damit zu tun, dass es an diesem einigermaßen informierte aneigung solidarität, die eine der größten solida- punkt auch heute noch reale politische internationalistischer geschichte ist unseres ritätsbewegungen in den 80-er jahren konflikte gibt - wobei diese unseres erach- erachtens geeignet, kenntnis und verständis gewesen ist, hat die kritische auseinander- tens auch anders verhandelt werden könn- unterschiedlicher konzepte & selbstverständnisse innerhalb der internationalismusbewegung zu setzung mit der zum teil äußerst repressi- ten, als das häufig der fall ist. zum ande- befördern. diese (und andere) konzepte & ven politik der sandinist/innen gegenüber ren spielt hierin besagte geschichtsverges- selbstverständnisse kontrovers zu diskutieren, ist der indigenen bevölkerung eine absolut senheit in sachen ‚internationalismusbewe- das, was in unseren augen absolut not tut! denn erst von einer solchen (bewegungshistorisch inspirierten) zentrale rolle gespielt. die kritik an der gung' eine wichtige rolle (eine geschichts- selbstvergewisserung aus lässt sich einigermaßen logik nationaler oder ethnisch begründeter vergessenheit im übrigen, deren tiefere sinnvoll bestimmen, was ‚wir' mit ‚unserer' 2007- ausschlussmechanismen ist mit anderen ursachen zu ergründen, eine durchaus mobilisierung überhaupt erreichen wollen. und worten nichts, was erst von ‚außen' - 20 spannende angelegenheit sein dürfte). haben wir das erst einmal präzise benannt, dürfte es auch ein leichtes sein, sich terminologisch zu jahre später - hätte formuliert werden müs- einigen, d.h. zu bestimmen, ob wir das kind als sen; es ist stattdessen etwas gewesen, das vor diesem hintergrund möchten wir alle ‚internationalismus', ‚globalisierungskritik', ‚globaler sich im konkreten solidaritätsalltag von einladen, sich an einer kritischen (wie- widerstand von unten' oder wie auch immer selbst aufgedrängt hat - schließlich sind der)aneignung der geschichte internatio- bezeichnen möchten. I seinerzeit mit den solidaritätsbrigaden nalistischer bewegung(en) zu beteiligen. nolager bremen, etwa 15.000 (!) aktivist/innen v.a. aus wir glauben, dass dies in politischer hin- November 2005 Hoch die ... Die Geschichte der Internationalismusbewegung in der Bundesrepublik bis 1992 Irgendwie hängt mensch mental noch man bezeichnete damit transnationale öffentlich zugänglich ist und in Bananenki- tief in den 80er Jahren. Nicht nur die Konzerne oder die Weltbank. sten in diversen Privatkellern und Dachbö- anderen, auch man selbst. Da war den, der (fragwürdigen Wieder-?)Ent- alles viel besser, oder zumindest vie- deckung oder der Entsorgung im nächsten les: es gab die relativ übersichtlichen Altpapiercontainer harren. Blöcke samt ihrer Konfrontation, auch s gab zwar eine Unmenge an Bünd- wenn der Osten schon etwas nisverhandlungen und Streit, z.B. um schwächelte. Es gab eine Unzahl von Geschichte - im Schnelldurchlauf die Gewaltfrage, aber mensch war in 3.Welt-, interntionalistischen und E antiimperialistischen Gruppen. Der einem Bündnis und immerhin ist Streit Vorab zum Begriff: Die Internationalis- KB, von dem heute nur noch die Zeit- immer noch besser als gar keine Ausein- musbewegung ist mit der Dritte-Welt- schrift ”ak” übrig ist und linke Grüne andersetzung. Bewegung nicht deckungsgleich. Zur Drit- bildeten das politisch-strategische Heute sind die 90er, wie mensch in te-Welt-Bewegung gehören z.B. auch die Scharnier zwischen ChristInnen, Norddeutschland sagt, auch schon durch, kirchlichen und halbstaatlichen Einrichtun- Gewerkschaften und anderen ”Refor- also vorbei und die politischen Gescheh- gen und Nichtregierungsorganisationen, mistInnen” einer-, und Autonomen, nisse und Konstellationen der 80er (und AntiimperialistInnen und anderen die sich vor allem auf Spendensammeln ”RevolutionärInnen” andererseits. Den die der 90er??) sind fast nur noch konzentrieren, oder z.B. in der sog. ”Ent- Begriff NGO gab es noch nicht, oder Geschichte, die in diversen Archiven wicklungshilfe” tätig sind. Im Gegensatz

30 können antirassistische oder feministische hensweise gegenüber Sozialdemokratie, Verwobenheit in das Weltsystem und der Gruppen sehr wohl Teil der Internationalis- Gewerkschaften und Kirchen (”Unser daraus auch für die (männlich geprägte) musbewegung sein, würden sich aber Bündnis ist so breit, wie unsere Plattform Linke resultierenden Privilegien und vor nicht als 3. Welt-Bewegung verstehen. platt ist”). allem der Bezug zur Situation und den Die Geschichte der Internationalismus- Als dritte Strömung ist die undogmati- Kämpfen im Norden. Der neue Internatio- bewegung ist ohne die Revolte von 1968 sche Linke zu zählen, die teilweise aus nalismus äußerte sich nach der Anti-IWF- nicht zu denken. Der Aufbruch in den ”über- und fortgelaufenen” aus den bisher Kampagne z.B. in den Aktionen gegen den Metropolen traf auf antikoloniale Befrei- genannten Strömungen bestand. Es ver- Energiekonzern Shell, oder auch in der ungsbewegungen im Süden. Zwar hatte es band die Kritik an den internationalen Ver- Beschäftigung mit people of colour in den auch schon vor 1967/68 in Deutschland hältnissen mit einer starken Kritik an den USA (Stichwort: Mumia Abu Jamal) oder in internationalistische Arbeit gegeben, etwa Verhältnissen im Norden, es verfügte über Deutschland (letzteres aber mehr durch zu Algerien oder zum Kongo, und auch die eine halbwegs konsistente und sich auf der Feministinnen). Vietnambewegung begann schon ab Höhe der (damaligen) Verhältnisse bewe- Grundsätzlich gab es nahezu strö- ungefähr 1965, eine breitere Öffentlich- genden Kapitalismusanalayse und -kritik. mungübergreifend in den 80er Jahren keit erreichte sie aber erst ab 1968/69. Auch diese Strömung propagierte kollekti- eine gewisse Abwendung von der am Land Die Internationalismusbewegung der 70er ve kulturrevolutionäre Veränderungen. oder einer Region orientierten internatio- Jahre war eine der klassischen Ländersoli- Eine kleinere Strömung war die sozialre- nalistischen Arbeiten hin zu allgemeineren Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen darität. Zwar verstand mensch, zumindest volutionäre. Sie verfolgte unter dem Motto Fragen. Zum einen die Fragen von politi- der linke Flügel, seine Tätigkeit schon in ”Eine Mordmaschine kann man nicht scher Organisierung, Strategie und Hege- einem weiter gespannten Rahmen, aber reformieren” die radikale Kritik der beste- monie, zum anderen inhaltliche Punkte, vieles war doch auf ein Land, eine Region henden Weltwirtschaft und bezog sich auf die ”über” den einzelnen Ländern lagen, oder ein Thema zugeschnitten. 1974 die Menschen der internationalen Massen- wie etwa Weltwirtschaft und -handel, Kritik begann die Nelkenrevolution in Portugal, armut und ihre Aufstände (”riots”). Diese von Entwicklungspolitik, Feminisierung der 1978 die Soli-Arbeit zu Nicaragua, in die- Strömung legte beeindruckende Texte vor, Arbeit und der Armut oder auch Militari- sem Jahr gab es auch eine Kampagne zu etwa in den Zeitschriften AUTONOMIE. sierung. Argentinien, und ab 1980 zu El Salvador. Materialien gegen die Fabrikgesellschaft Zur Selbstkritik der End-80er Jahre Große Bedeutung hatte in den 80er Jah- (1985 eingestellt), wildcat und der Buch- gehört auch ”Drei zu Eins”, bzw. die ren auch die Arbeit zu Südafrika, und es reihe ”Materialien für einen neuen Antiim- Debatte zu triple oppression. Was wie ein gab, heute kaum noch vorstellbar, Solida- perialismus”. Aus diesem Spektrum kam Fußballspielergebnis klingt, ist ein Text, der rität mit Libyen. Einen eigenen Stellenwert schon früh die Aufforderung an die Linke, 1990 erschien und dann für viel Diskussi- nimmt die Arbeit zu Palästina ein, weil sie sich mit Rassismus, Migration und Asylpo- onsstoff sorgte. Er versucht, das Verhältnis aus heutiger Warte besonders peinlich litik zu befassen. Ein Höhepunkt an Akti- der drei Herrschaftsformen und die Gesell- war. In den 90er Jahren fand die klassi- onsfähigkeit und theoriepolitischem Ein- schaft strukturierenden Prinzipien Kapitalis- sche Länderarbeit vor allem zu Mexiko fluß dieser Strömung war die Kampagne mus, Sexismus und Rassismus zu themati- (Chiapas) und Kurdistan statt. gegen den 1988 in Berlin tagenden IWF- sieren. Die These vom Haupt- und Kongreß. SozialrevolutionärInnen kritisier- Nebenwiderspruch wird abgelehnt, viel- Selbstverständnis, ... ten ebenfalls schon sehr früh die Orientie- mehr seien die verschiedenen Unter- rung der Internationalismusbewegung an drückungsverhältnisse ineinander ver- Die Aktionen und die Arbeit der Interna- nationalen Befreiungsbewegungen und an schränkt. Diese Diskussion kam aus dem tionalismusbewegung ist, natürlich je nach einem irgendwie gearteten Sozialismus. feministischen und antirassistischen Spek- politischen Spektrum und Zeitpunkt in der Im Vergleich kann festgehalten werden, trum, also eher von den Rändern der Lin- Selbstdefinition und der Außensicht in ver- daß heute die traditionelle Linke fast völlig ken, und führte zu einer Kritik bisheriger schiedene politische Strömungen unterteil- verschwunden ist. Dies mag mensch in Auffassung von Politik, Organisierung und bar. Die beiden größeren waren zum einen Hinsicht auf ihre doch eher drögen politi- Revolution. die christlich-humanistische und die tradi- schen Inhalte nicht bedauern, im Sinne tionell-linke Strömung. Der ersten geht es einer heute fehlenden flächendeckenden ... Aktionsformen um die Beseitigung von Ungerechtigkeit in linken Präsenz ist es ein Rückschritt. der Welt. Sie geht, wenn auch in unter- Geschwächt ist das undogmatisch-linke Die Aktionsformen der Internationalis- schiedlichem Maße karitativ an die Dinge und das sozialrevolutionäre Lager. Beide musbewegung waren zunächst einmal die heran, hatte aber auch eine größere stürzten sich zwar in eine Debatte um theo- klassischen: Aufklärung durch Öffentlich- Offenheit als andere für Veränderungen retische Erneuerung, praktische Wirkung keitsarbeit, Information und Aktion. Es im eigenen Handeln im Norden. So ent- konnten sie aber nur vereinzelt entfalten, wurde über die Ereignisse anderswo standen viele Welt-Läden aus diesem die sozialrevolutionäre Strömung etwa in berichtet, die Verbindungen zu Deutsch- Spektrum und auch das Personal des der Flüchtlingspolitik. land gezogen und Delegationen entsandt, BUKO war in den 80ern von diesem Spek- die wiederum hier berichteten. Wie auch trum geprägt. ... Neuer Internationalismus später wurden Spenden in Geldform oder Die traditionell-linke Strömung, dazu und ... auch als Sachen gesammelt. Bald gehör- zählte die Deutsche Kommunistische Partei ten auch Demonstrationen zum Repertoire (DKP), samt ihrer Vielzahl an befreundeten Die sozialrevolutionäre und die undog- und bewaffnet kämpfende Gruppen wie Organisationen, ging es zwar um eine matisch-linke Strömung propagierten die etwa die Rote Armee Fraktion, die Revolu- sozialistische Transformation, aber minde- Herausbildung eines sog. ”neuen Interna- tionären Zellen oder die militanten Frauen- stens genauso wichtig, um die Unterstüt- tionalismus”, der sich sowohl von der kari- gruppe Rote Zora gaben ihren Anschlägen zung der (Außen-) Politik der sozialistischen tativen Ländersolidarität und vom proleta- einen internationalistischen Begründungs- (Bruder-) Staaten im Ostblock und der rischen Internationalismus absetzte. zusammenhang. In den 80er Jahren war sogenannten Dritten Welt. Bündnispolitisch Danach beinhaltete Internationalismus das Aktionsspektrum am weitesten ausdif- stand dieses Spektrum noch stärker als das eine kritische Überprüfung der eigenen Bil- ferenziert: Nun gehörten auch Formen des christliche für eine sehr breite Herange- der vom Süden, die Reflektion der eigenen zivilen Ungehorsams, wie etwa eine

31 Umzingelung genannte Belagerung des Conquista” die letzte klassische Kampagne nicht darum, daß Menschen sich mit ande- Bundesministeriums für wirtschaftliche der alten Internationalismusbewegung. ren identifizieren, sondern das Fehlen sol- Zusammenarbeit in Bonn, zu den prakti- Danach brachen die Spektren vollends cher populärer Ideen und Motive ver- zierten Aktionsformen. Gleichzeitig waren zusammen, bzw. entfernten sich soweit schlechtert die Bedingungen des Kampfes alltagskulturelle Verhaltensweisen, die voneinander, daß eine Zusammenarbeit um eine linke Hegemonie. Die Orientie- zwar auch Konsum, aber eben nicht vor- nicht mehr möglich war. Auch radikalere rung am Alltag, die einmal von undogma- rangig waren, weit verbreitet: Einkauf von Kräfte sahen sich einem Zerfallsprozeß tischen und feministischen Gruppen gegen 3.Welt-Waren, vor allem Kaffee, Tragen ausgesetzt: Vormals illegal (und bewaffnet) das linke Politikmodell gefordert wurde, ist von PLO-Tüchern etc. agierende Gruppen erklärten nach und heute in eine Konsumorientierung verwan- nach ihre Selbstauflösung, meist verbun- delt. Der Bruch von 1990/92 den mit herber Selbstkritik. Die Aussichten sind also trübe. Potentia- le für eine theoretische Erneuerung einer Die Diagnosen nach der Untersuchung Wo bleibt das Positive? linken und feministischen Internationalis- des in Koma liegenden Patienten ”Interna- musbewegung sind nicht/kaum zu sehen tionalismusbewegung” fallen unterschied- Die Antwort auf die MAOAM-Frage oder verfügen über zu wenig Power. Dies lich aus. Als drei große Einschnitte lassen (”Was wollt ihr dann”) wird auch dieses scheint mir neben anderen, wie etwa der Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen sich nach meiner Einschätzung drei Ereig- Mal nicht gegeben werden. Natürlich ist Überalterung auch des linken Internatio- nisse festmachen: Die (verlorenen) Wahlen mensch heute schlauer als früher. Hinter- nalismus, eines der Probleme der heutigen in Nicaragua 1990, der sog. Golfkrieg her ist man immer schlauer. Zumindest Reste der Bewegung zu sein: Während ver- 1991 und die Pogromwelle in Hoyerswer- sollte mensch das sein. Es führt aber oft bürokratisierte Gruppen und Institutionen da etc. 1992 in Deutschland. nicht weiter, wenn heutige Erkenntnisse (und dazu gehören auch linke) und refor- Die Abwahl der aus der Revolution ent- und Debatten auf vergangene politische mistische NGOs mit viel Know-How und standenen Regierung in Nicaragua zeigte Bewegungen angewandt werden. Es gilt Geld Themen und Aktionsformen setzen, der Internationalismusbewegung Grenzen sich zu vergegenwärtigen, daß das was können sich ”unprofessionelle” neue auf. Dieses Ereignis war für die Mittelame- heute Stand ist, oder zumindest sein sollte, Gruppen kaum artikulieren, geschweige rika-Solidarität, die die gesamten 80er bei seiner Einführung auf Widerstände denn durchsetzen. Dies führt, und in dieser Jahre eines der Themen der Bewegung stieß, wie auch großes positives Erstaunen Situation befinden wir uns schon, daß war, ein herber (Rück-)Schlag. und Lernbegierigkeit auslöste. neue, linke Gruppen marginalisiert wer- 1991 wurden im Golfkrieg kritische und Fraglich ist, ob eine größere Radikalität den, ohne Kenntnis der älteren Debatten undogmatische Positionen zwischen den zu mehr Erfolg geführt hätte. In der Anti- und Ereignisse sind, während die altein- kriegsbefürwortenden Linken und der IWF-Kampagne war es zum Beispiel so, gessenen ihr Ding durchziehen. deutschtümelnden Massenhysteriebewe- daß linksradikale Gruppen zum Gipfel- I gung (sog. ”Kein Blut für Öl”-Bewegung) sturm mobilisierten, gleichzeitig aber ein Bernd Hüttner eingeklemmt. Waren die einen antiameri- Riesenpolizeiaufgebot an die Wand mal- kanisch und taten so, als würden die (ame- ten. Dieses war dann auch am Platz, und Literatur: Werner Balsen/Karl Rössel, Hoch die internationale rikanischen) Bomben auf Bagdad auf agiert auch gemäß seiner Aufgaben gar Solidarität. Zur Geschichte der Dritte Welt- deutsche (!) Städte fallen, propagierten nicht gewaltfrei, den öffentlich wahrnehm- Bewegung in der Bundesrepublik, Köln 1986 (Das andere den Militäreinsatz und spielten so baren Protest machten aber nicht Linksra- Keksbuch ist das Standardwerk, Restexemplare für Antifaschismus gegen Antimilitarismus aus. dikale, sondern eher gemäßigte Men- nur 10 DM bei Buchvertrieb Anares fax 05132/93833) Die Internationalismusbewegung machte schen, die die BankerInnen und andere mit Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, Heft in dieser Auseinandersetzung keinen guten ihren Aktionen nervten. 3/1994, Solidaritätsbewegungen. Zwischen Eindruck. Internationalismus unterlag immer Hoffnung und Resignation (Darin ein sehr typischer historischer Aufsatz von Ex-BUKO Geschäftsführer Dieses Bild setzte sich in den - ausblei- schon geographischen und kulturellen R. Bräuer und von Malte Letz zur ”ostdeutschen” benden - Reaktionen auf die rassistische Beschränkungen und Vorlieben. Interes- Soli-Bewegung) Pogromwelle in Deutschland 1992 fort. sant war immer die gerade stattfindende Gruppe Feministischer Internationalisms (Hg.), Neben einigen Lichterketten, in denen Revolution und die Reihenfolge auf der Zwischen Staatshaushalt und Haushaltskasse, Bremen 1989 doch der Tenor war, daß mensch ganz ent- Beliebtheitsskala an Kontinenten, zu denen Marion Kraft u.a. (Hg.), Schwarze Frauen der Welt, setzlich darunter leide, in einem Land gearbeitet wurde, ist immer noch die glei- Berlin 1994 (zur neueren Debatte zum leben zu müssen, in dem Ausländer nicht che: Auf Platz 1 liegt Süd- und Mittelame- feministischen Selbstverständnis) PIZZA (Hg.), ODRANOEL. Die Linke - zwischen den als Arbeitskraft anerkannt seien, sondern rika, dann folgt Afrika, dann Asien, dann Welten, Hamburg 1992 (Das Pizza-Buch als guten unter klatschendem Beifall schon mal ver- der Rest. Überblick über die damalige Debatte des linken brannt oder erschlagen werden würden, Internationalismus ist heute kulturell Internationalismus) war wenig zu sehen. Die Dritte-Welt-Bewe- unattraktiv. Früher war Internationalismus Autor: gung versagte, ebenso wie Kirchen oder Pop. Politische Figuren (und Ideen) mit Bernd Hüttner nahm 1985 an der Demonstration Gewerkschaften, vor der rassistischen denen sich mensch identifizieren konnte gegen den Weltwirtschaftsgipfel in Bonn teil und Eskalation, die Internationalismusbewe- (Che, Ho-Tschi-Minh, etc. pp.), gibt es erlebte dort seine erste und bislang letzte polizeiliche Festnahme. gung war schon viel zu geschwächt, um heute nicht (mehr). Nicht zufällig konnte hier noch politisch gegensteuern zu kön- Sub Marcos in seinem Outfit eine so große Quelle: nen. Aufmerksamkeit erringen. Nun geht es alaska 223, Dezember 1998 In Folge kam es zu einem stetigen Uto- pieverlust, zum wachsenden Wunsch nach Mitgestaltung - 1992 fand die berühmte ”Rio-Konferenz” zu Umwelt und Entwick- lung statt, in deren Folge viele Dritte Welt- gruppen vollends auf nachhaltige Mitge- staltung und Lobbypolitik umstellten. So gesehen war die Kampagne ”500 Jahre

32 Wer stets das Gute will ... Zur Kritik des alten Internationalismus

Die Suche nach einem neuen Interna- Finanzkapitals” ist. Mahler feierten den Anschlag des Kom- tionalismus führt zu seinen Vorgän- Warum der Faschismus gerade in mandos “Schwarzer September” auf die gern. Die vereinfachenden Analysen, Deutschland einen solchen Erfolg hatte, israelische Olympia-Mannschaft als “muti- die Aufteilung der Welt in gut und warum es gerade hier bis zum Ende eine ges Kommando (...) gegen zionistische böse und die krassen Fehleinschät- Soldaten, die in München als Sportler auf- zungen von Revolten und Revolutio- Massenunterstützung gegeben hat, warum nen haben eine marginalisierte Bewe- gerade hier der Massenmord an Juden, traten.” Und bei einer Flugzeugentführung gung hinterlassen, die sich erst all- Sinti und Roma und anderen “Außenseiter- organisierte ein Mitglied der RZ die räum- mählich von den zuweilen religiös gruppen” in seiner technokratisch industri- liche Trennung nach jüdischen (!) und anmutenden Lehren löst. ellen Effizienz durchgeführt werden konnte, nichtjüdischen Passagieren. Auch hier fehl- solche Fragen drangen mit diesen Parolen te es nicht an der Gleichsetzung von nicht mehr in das Blickfeld. Diese Form der faschistischer und zionistischer Politik. Normalisierung konnte nur eine doppelt Sicherlich waren die meisten Linken Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen n den 60er Jahren speisten sich interna- unschuldige Generation leisten: unschul- keine Antisemiten. Aber die angeführten tionalistische Impulse vor allem aus dem dig, weil links; und unschuldig, weil nach- Beispiele waren auch keine Einzelfälle, wie IProtest gegen die Vietnam-Politik der geboren. Der Faschismusvorwurf blieb das Buch “Israel und die deutsche Linke. USA. Das Massaker von My Lai, bei dem nicht auf die USA beschränkt, sondern Zur Geschichte eines schwierigen Verhält- US-Soldaten die Zivilbevölkerung des Dor- wurde zum Schlagwort schlechthin. Jedem nisses” von Michael W. Kloke dokumen- fes grausam ermordeten, wurde zum Sym- reaktionären Diktator wurde h das Adjektiv tiert. Das zeigt sich nicht nur in den idioti- bol für die Verbrechen der USA. Ab diesem faschistisch angehängt. Jede Gesetzesver- schen Parolen antimperialistischer Grup- Zeitpunkt galt sie als das absolut Böse, als schärfung war ein Beitrag im Prozeß der pen, sondern auch auf subtileren Ebenen. säkularer Antichrist. Mit Containment, Faschisierung von Staat und Gesellschaft. So war in gewaltfreien und links-christli- Counterinsurgency und Low-Intensity-War- Solch ein Katastrophen-Superlativismus chen Kreisen das Argument des “Gerade- fare-Programmen versuchten sie emanzi- macht blind für die sensible Wahrnehmung Israel-hätte-doch-aus-der-Geschichte-ler- patorische Bewegungen oder Regierungen geschichtlicher Veränderungen. Wenn das nen müssen” zu hören. Anstatt die konkre- zu unterdrücken. Guatemala, Kuba, Chile, Schlimmste immer schon eingetreten ist, te Politik Israels zu kritisieren, wurden die Grenada, Nicaragua, El Salvador seien stumpft man ab, man ist nicht mehr offen Erfahrungen mit dem Faschismus bemüht. nur als Beispiele für die “Befriedung” des für politische Veränderungen. “natürlichen Hinterhofs” der USA genannt. Spurensuche 3 - Die Liste ließe sich für andere Kontinente Spurensuche 2 - “Sieg im Volkskrieg” fortsetzen. Antizionismus und Antisemitismus Die Internationalismusbewegung hatte Spurensuche 1 - lange Zeit ein nachgerade mythisches Ver- “USA, SA, SS” Diese doppelte Unschuld begegnet uns hältnis zu den Völkern in der Dritten Welt. auch im Antizionismus, der manchmal nur Das Volk wurde als vorgegebene Einheit Der Protest und die Rebellion gegen schwer seinen antisemitischen Hintergrund gesehen, die immer das Gute will: Befrei- diese Politik war und ist mehr als berech- verdecken konnte. Seit dem Sechs-Tage- ung. Das Volk, das war die festgeschlosse- tigt. Dennoch ist es eine unerträgliche Ver- Krieg von 1967 zwischen Israel und seinen ne Einheit von Unterdrückten, denen eine harmlosung des deutschen Nationalsozia- arabischen Nachbarn kam es zu einer kleine Clique von Ausbeutern (sprich lismus, die Politik der US-Regierungen mit antizionistischen Wende relevanter Teile Regierung und Kompradoren-Bourgoisie) der SA oder gar der SS zu vergleichen, wie der deutschen Linken. Heftige Debatten gegenüberstand, die nur mit Bestechung dies mit der Parole “USA-SA-SS” geschah, um die Frage nach dem Selbstbestim- oder mit militärischer Unterstützung des einem Evergreen auf Demos gegen die mungsrecht Israels wurden geführt. Die Imperialismus überleben konnte. Diese US-Politik. Durch diese Gleichsetzung Diskussionen darüber, ob die Israelis über- Metaphysik des An-sich-revolutionären- wurde der deutsche Faschismus damit haupt ein Volk seien, denen man das Volkes korrespondiert in der Geschichte bereits zu einer Zeit von Linken normali- Selbstbestimmungsrecht zugestehen dürfe, der Linken mit der Metaphysik des Proleta- siert, zu der ein Nolte oder ein Walser muten heute grotesk an. riats.1 noch nicht im Traum daran gedacht 1982, als es zu den Massakern an der Da in den sechziger Jahren die Arbeiter- haben. Aus dem “Zivilisationsbruch Ausch- palästinensischen Bevölkerung in den bewegung sich im keynesianischen Wohl- witz” (Dan Diner) als Metapher für die Ver- Beiruter Stadtteilen Saba und Schatila mit fahrtsstaat offensichtlich bestens eingerich- nichtungspolitik des deutschen Faschismus Unterstützung der israelischen Armee kam, tet hatte, fiel sie als Hoffnungsträger für wurde eine Alltagsfloskel. “Kapitalismus gab es in linken Zeitschriften Überschriften eine emanzipatorische Politik aus. Als führt zum Faschismus” war die Parole, die wie “Die Endlösung der Palästina-Frage”. neuer Hoffnungsträger fungierten jetzt die die Gleichsetzung von SS-Politik und US- In manchen Städten wurden sogar Einrich- Völker der Dritten Welt. Sie waren die Politik legitimieren sollte. Diese Parole tungen jüdischer Kultusgemeinden besetzt. Garanten für eine bessere Welt. In Analo- stand in der Tradition einer ökonomistisch Der damalige Regierungschef Israels, gie zur chinesischen Revolution, in der die verkürzten Faschismus-Analyse der Kom- Menachem Begin, wurde in einer der Dörfer die Städte einkreisten, sollten jetzt munistischen Internationale (G. Dimitroff) meistgelesensten Internationalismus-Zeit- die Völker der Welt die imperialistischen und der KPD der Weimarer Republik, der- schriften, der iz3w, mit einer Hakennase Zentren einkreisen. Die Erfolge antikoloni- zufolge “Faschismus an der Macht (...) die dargestellt (Es soll nicht unerwähnt blei- alistischer und -imperialistischer Befrei- offene terroristische Diktatur der reak- ben, dass sich die iz3w in der Folgezeit kri- ungsbewegungen, vor allem des Vietcong, tionärsten, am meisten chauvinistischen, tisch mit ihrer eigenen Geschichte ausein- hatten einen überhöhten Geschichtsopti- am meisten imperialistischen Elemente des andersetzte). Ulrike Meinhof und Horst mismus zur Folge. Dieser war in den

33 Beiträgen auf dem Internationalen Viet- “List der Vernunft” (Hegel), daß die 3. Welt beralismus war mit Reagan und Thatcher nam-Kongreß 1968 in Berlin offensicht- die 1. Welt befreien sollte (Erlösungsmo- in den USA und GB an der Macht. Die lich: “Vietnam kommt näher, in Griechen- tiv), indem sie das globale Herr-Knecht- Diskussionen um eine neue Weltwirt- land beginnen die ersten Einheiten der Verhältnis umkehrte. Die Internationalisten schaftsordnung in der UN-Vollversamm- revolutionären Befreiungsfront zu kämp- sahen sich als ein Moment einer Totalität, lung und der UNCTAD waren durch die fen. (...) Es hängt von unseren schöpferi- die sich in Richtung Befreiung entwickelte. Stärkung des GATT und durch Integrati- schen Fähigkeiten ab, kühn und entschlos- Trotz der eigenen gesellschaftlichen Iso- onsangebote wie dem Lomé-Vertrag zu sen die sichtbaren und unmittelbaren lierung konnten sich so die Studenten- und einem vorläufigen Ende gekommen. Widersprüche zu vertiefen und (..) kühn die Internationalismusbewegung in einen Zudem hatte sich das Vertrauen in die und allseitig die Initiative der Massen zu größeren Zusammenhang stellen. Dies Massen/das Volk in der iranischen Revolu- entfalten”, führte Rudi Dutschke aus. Man führte zu einer völligen Verkennung der tion als trügerisch erwiesen. müsse neben dem Viet-Cong noch einen eigenen Handlungsmöglichkeiten: Revolu- Vor diesem Hintergrund hatte die neue asiatischen, amerikanischen und europäi- tion durch Suggestion. Man war Teil einer Internationalismusbewegung einen ganz schen Cong schaffen. übergroßen Mehrheit im Kampf um Befrei- anderen Ansatzpunkt. Gespeist von theo- Im Beitrag von Bahman Nirumand ung. Dies schuf Wärme, Geborgenheit retischen Überlegungen und praktischen nimmt das Pathos religiöse Züge an. und Identität durch die Zugehörigkeit zu Erfahrungen der Alternativbewegung ging Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen “Denn wir stehen jetzt an dem Übergang einem großen Ganzen. In der “masochisti- es jetzt nicht mehr um Weltrevolution, son- zur dritten Welt, zur Welt des neuen Men- schen Begeisterung” dieser Jahre steckte dern um die Erkämpfung und Verteidigung schen, mit der die Vorgeschichte des Men- das “tiefe Bedürfnis nach Transzendenz” autonomer sozialer Räume. Es ging um die schen, seine Unterdrückung und Zer- (Peter Wahl). Die Betonung des Willens Verteidigung der kommunikativen Vernunft stückelung beendet sein wird.” fand ihre Berechtigung in der Tatsache, in der Lebenswelt gegenüber den zweckra- Die Studenten sahen sich in diesem Pro- dass selbst eine kleine Gruppe von Aktivi- tionalen Imperativen des Systems mit sei- zeß als Avantgarde. Sie hatten, so Dutsch- sten eine Revolution auslösen konnte. “Ein ner instrumentellen Vernunft. Übertragen ke, die Initiative der Massen zu entfalten. Funke kann zum Steppenbrand werden” auf die internationale Ebene hieß dies: es Dahinter steckt die Annahme, dass die (Mao); dies hatte auch die kubanische ging um die Verteidigung des Anspruchs Menschen in einem Verdinglichungszu- Revolution in der Praxis bewiesen, in der eines Landes wie Nicaragua, einen eige- sammenhang stehen, der sie von ihrem eine kleine Gruppe um Fidel Castro und nen Entwicklungsweg einzuschlagen. wahren Wesen entfremdet. Das Tausch- Che Guevara die treibende Kraft für die Den theoretischen Debatten der 60er prinzip des Marktes verdecke die Ausbeu- Revolution bildete . und 70er Jahre über Totalität und Weltre- tungsstrukturen des Kapitalismus. Die volution stand die neue Internationalis- Oberflächenstruktur schaffe somit verding- Spurensuche 4 - musbewegung deshalb ziemlich sprachlos lichte Bewußtseinsformen, die verhindern, Von Pol Pot zum Projekt gegenüber. Sie war stärker an der konkre- das Wesen des Kapitalismus, die Ausbeu- ten Unterstützung der Befreiungsbewegun- tung in der Produktion und der 3. Welt zu Die Befreiungseuphorie mit ihrem Höhe- gen in den jeweiligen Ländern interessiert. durchschauen. Das andere Erklärungsmu- punkt des Anti-Vietnam Kongresses ging Mit dem Verlust der globalen Perspektive ster für die scheinbare Angepasstheit der bereits in den 70er Jahren verloren. Der verengte sich der Blick in Richtung Länder- Massen war, dass die Herrschenden durch Sieg des Vietcong 1975 wurde nur noch und Projektesolidarität. Man wachte eifer- die Manipulation über die Medien (Sprin- beiläufig zur Kenntnis genommen. Einen süchtig über das eigene Projekt. Vielfach ger!) einen Verblendungszusammenhang Bruch gab es, als sich die Berichte über die führte dies zu einer Ignoranz und Unkennt- herstellen. Diese Manipulationsmechanis- Massenmorde Pol Pots in Kambodscha nis über die gesellschaftlichen Verhältnis- men galt es zu entlarven, damit die Mas- bestätigten. Lange Zeit wurde dies als Pro- se. Ein entscheidendes Element der dama- sen ihre fortschrittlichen Potentiale entfal- paganda des Imperialismus abgetan. Die ligen Solibewegung war das Brigadenkon- ten könnten. Es galt nur noch die Wahrheit eintretende Ernüchterung führte zu einem zept in der Nica-Solidarität. Es sollte nicht zu verkünden. Die K-Gruppen waren ersten Abgesang auf den zurückliegenden nur die internationale Aufmerksamkeit geboren. Internationalismus. Der heutige Außenmi- erhöhen und damit ein Schutzschild gegen Religiöse Anleihen sind hier unverkenn- nister Joschka Fischer bekannte in einer mögliche militärische Interventionen sei- bar. Die Studenten waren sozusagen - wie Diskussion, ein “entschiedener Verfechter tens der USA darstellen, sondern auch die früher das Proletariat - das auserwählte des revolutionären Terrors” gewesen zu Distanz zwischen den Menschen hier und Volk, denen die Wahrheit geoffenbart wor- sein - und beschloß zur Sühne Außenmini- in den Ländern Mittelamerikas verringern. den war. Sie waren jetzt die Prediger der ster zu werden. Daniel Cohn-Bendit zeigte Neue Probleme und Projektionen tauchten neuen Zeit. Die dritte Welt nahm in dieser in derselben Diskussion gleich, was es für auf. Die BrigadistInnen blieben meistens Weltsicht eine ganz bestimmte Rolle ein. ihn hieß, aus den Fehlern gelernt zu unter sich. Unter der Hand schlichen sich Sie galt als Synonym für das Neue Jerusa- haben: “Ich habe keine Sympathien für die paternalistische Hilfs- und eurozentristi- lem der Johannes-Apokalypse, das die Sandinisten.” sche Entwicklungsvorstellungen ein. Ein Hure Babylon, also den Imperialismus, Viele hatten aber doch Sympathien mit “HelferInnensyndrom” machte sich breit. zerstören wird und das Paradies auf Erden den Sandinisten. Zuerst kam die Unterstüt- Viele zogen sich enttäuscht zurück, wenn schafft. Die Weltgeschichte verstand man zung aus christlichen Kreisen, die sich an die Bevölkerung in Nicaragua sich nicht im Sinne Hegels als Weltgericht. Nur sah den Ideen der lateinamerikanischen so helfen lassen wollte, wie es die Helfe- man das Ende der Geschichte nicht mehr Befreiungstheologie orientierten. Mit den rInnen wollten. in der Verwirklichung des preußischen neuen sozialen Bewegungen Anfang der Auch wenn sich die Internationalismus- Staates erreicht oder wie die heutigen 80er Jahre entstand auch eine neue Inter- bewegung der 80er Jahre deutlich von Neoliberalen in der Verwirklichung des nationalismusbewegung. Sie spürte nicht ihrer Vorgängerin unterschied, indem etwa freien kapitalistischen Marktes, sondern mehr den Wind der Geschichte in ihrem der globale Begründungszusammenhang mit dem Sieg des Proletariats (traditioneller Rücken. Vielmehr spürte sie Gegenwind, verlorenging, so wurden doch unhinter- Marxismus) oder dem Sieg der Völker der da sich die internationalen Rahmenbedin- fragt Traditionslinien mitgeschleppt. Die Dritten Welt im Volkskrieg gegen den gungen trotz des Sieges der Sandinisten wichtigste war dabei wiederum die Kate- Imperialismus. Gerade darin bestand die entscheidend verändert hatten. Der Neoli- gorie des Volkes. Vor allem die Befreiungs-

34 bewegungen als Ausdruck der Organisati- Spurensuche 6 - Die indem die Schere im Kopf im Hinblick auf on des Volkes wurden unkritisch als eine NGOisierung der Bewegung Realitätstauglichkeit ihrer Konzepte schon Einheit wahrgenommen. Dass die Befrei- immer zugeschnappt hat, bevor ein ungsbewegungen etwa in Mittelamerika Seit Anfang der 90er Jahre hat ein radi- Gedanke auch nur ansatzweise zu Ende höchst labile Bündniskonstrukte mit explizit kaler Politik- und Diskurswechsel stattge- gedacht ist. Radikale Positionen und Pra- unterschiedlichen Fraktionen und Parteien funden. Das, was von der Bewegung xen jenseits der sterilen Dichotomie von waren, war oft nur den Eingeweihten übriggeblieben ist, hat sich zum größten Reform und Revolution zu entwickeln, wäre bewußt. Auch machistische Politikstile, die Teil als professionelle NGOs, die sich die die Aufgabe eines neuen Internationalis- etwa in der ungemein wichtigen Rolle der Politikberatung auf die Fahnen geschrie- mus. líderes zum Ausdruck kommt, wurde lange I ben hat, institutionalisiert.2 Dahinter steckt Moe Hierlmeier Zeit nicht wahrgenommen oder verdrängt. der Glaube an das bessere Argument und an die Einsicht des aufgeklärten Individu- Anmerkungen Spurensuche 5 - ums, das in seinem eigenen “wohlverstan- 1) Daß sich heute ehemalige Protagonisten der Der neue Mensch denen” langfristigen Interesse die Ausbeu- Studentenbewegung wie Bernd Rabehl oder Horst Mahler in einem rechten nationalrevolutionären tung von Mensch und Natur aufgibt und Spektrum verorten, hat m.E. viel mit diesem Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden einen Politikwechsel herbeiführt. Begründet metaphysischen Volksbegriff zu tun. Internationalismusbewegungen war das werden solche Konzepte gerade mit den 2) Die politischen Ansätze der verschiedenen NGOs Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen Lob der Gewalt. Daß die Waffe der Kritik sind sehr widersprüchlich und lassen sich auch Erfahrungen des Scheiterns linker Politik. theoretisch nur schwer vereinheitlichen. WEED ist die Kritik der Waffen nicht ersetzen konnte, Insofern verbietet es sich, sie nur als nicht Germanwatch. Was ich kritisiere, sind war ein Gemeinplatz, woraus hierzulande opportunistisch zu begreifen. Denn sie sind Positionen und Entwicklungen, die ich als die allerdings nur eine Minderheit die prakti- auch das Ergebnis eines gescheiterten lin- vorherrschenden wahrnehme. 3) Das von mir verwendete “Wir” ist selbst imaginär. Es schen Konsequenzen zog. Frantz Fanons ken Internationalismus. Andererseits liegen existiert so nicht. Angesichts des begrenzten Platzes und Jean Paul Sartres Rechtfertigung der die Defizite dieser Konzepte geradezu auf verwende ich es der Einfachheit halber. Mir ist revolutionären Gegengewalt kam einer der Hand. Um überhaupt als Dialogpart- bekannt, daß viele diese Fehler nicht begangen Apotheose der Gewalt gleich. Durch die haben. Trotzdem wurden diese Fehler nicht zufällig ner für Wirtschaft und Politik akzeptiert zu begangen: sie haben ihre eigene Logik. Anwendung der Gewalt sollte der neue werden, darf man keine grundsätzliche Kri- Mensch entstehen, indem er sich seiner tik üben. Es entstehen neue Wunschbilder Literatur: entfremdeten Existenz bewußt wurde und und Projektionsflächen: man imaginiert Balsen, Werner/Karl Rössel: Hoch die internationale Solidarität. Zur Geschichte der Dritte Welt sich ihrer entledigte. Da die Gewalt Vor- sich das Bild eines harmonischen Zusam- Bewegung in der Bundesrepublik. Köln 1986 aussetzung für den neuen Menschen war, menlebens, wenn nur alle ihrem wohlver- Fanon, Frantz: Die Verdammten dieser Erde. mußte man sie nicht mehr rechtfertigen, standenen Interesse folgen würden. Frankfurt/Main 1981 sie war an sich gerechtfertigt. Das Natur- Foitzik, Andreas/ Athanasios Marvakis (Hg.): Tarzan - Man kann die eigene Schwäche nicht was nun? Internationale Solidarität im Dschungel recht auf Widerstand wurde fast selbstver- allein dem Zeitgeist in die Schuhe schie- der Widersprüche. Hamburg 1997 ständlich als Naturrecht auf bewaffneten ben. Wir waren selbst “ein Teil von jener Internationaler Vietnam-Kongreß, VLA-Reprint von Kampf interpretiert. Der linke, harte und Kraft, die stets das Gute will und stets das 1987 Juchler, Ingo: Rebellische Subjektivität und vor allem kompromißlose Heroe (Che) galt Böse schafft” (Goethe). Wir3 haben selbst Internationalismus: der Einfluß Herbert Marcuses als Inkarnation des neuen Menschen. In imaginäre Linien gezogen, um ein poli- und der nationalen Befreiungsbewegungen in der diesem Bild wurde offensichtlich der tisch-korrektes Freund-Feind-Weltbild zu sog. Dritten Welt auf die Studentenbewegung in der Wunsch nach Widerspruchslosigkeit mit- BRD. Marburg 1989 konstruieren: wir - ihr; oben - unten; Kloke, Martin W.: Israel und die deutsche Linke. Zur transportiert: ein Mensch ohne Volk/Masse - Regierende/Unterdrücker; Geschichte eines schwierigen Verhältnisses, Schwächen. In dieser Figur bündelten sich institutionelle Politik - basisdemokratisch; Frankfurt 1994 die romantischen Träume vieler Internatio- gut - böse. Dieses dichotome Weltbild Peripherie 71: Stichwort NGO. Frankfurt 1998 Pizza: Odranoel. Die Linke - zwischen den Welten. nalistInnen. Es ist der Traum vom Paradies funktioniert so nicht. Wir müssen uns ein- Hamburg 1992 auf Erden, die hegelianische Vorstellung gestehen, dass wir uns nicht einfach per vom Zusammenfallen von Faktischem und Willensakt auf die andere, die bessere Quelle: Alaska 227, August 1999 Normativen, von Sittlichkeit und Vernunft, Entnommen ist der Text der bereits in der alaska Seite der Barrikade versetzen können. Wir beworbenen Broschüre ”kölngehen” des das der “wissenschaftliche Sozialismus” im sind selbst ein Teil von dem, was wir kriti- Arbeitsschwerpunkt Weltwirtschaft des BUKO. Zu proletarischen Arbeiter verwirklicht sah sieren oder zumindest kritisch hinterfragen beziehen ist die Broschüre über die BUKO und viele Internationalisten im Neuen müssen. Wir stehen nicht in einem ima- Geschäftsstelle. Menschen der 3. Welt. ginären Jenseits, sondern befinden uns Auf der anderen Seite führte das Lob der selbst im Schnittpunkt diskursiver Kämpfe Gewalt zu einer Abwertung nicht-militanter um die gesellschaftliche Hegemonie. Aktionsformen. Der Kampf um politische Rationalismus, Eurozentrismus, wissen- und soziale Menschenrechte etwa wurde schaftsgläubige Fortschrittseuphorie (man als etwas typisch “bürgerliches” abgewer- denke nur an die Dependenztheorie), tet und denunziert. Gewerkschafts- und patriarchale Strukturen oder ein (quasi- Menschenrechtsarbeit, Arbeit in Frauenor- )religiöser Messianismus haben uns ganisationen und Umweltschutzgruppen geprägt und nachhaltige Spuren in unse- hatten immer den schlechten Beige- ren Denk- und Politikformen hinterlassen - schmack eines “weniger” oder “noch und uns die Munition für unsere Fehler nicht”. Sie hatten ihre Funktion als Trans- geliefert. missionsriemen von Befreiungsbewegun- Aus der Einsicht der Fehler zu folgern, gen. In ihrer Eigenwertigkeit wurden sie man müsse sich auf einen pragmatischen kaum wahrgenommen. Internationalismus beschränken, der sich am “Machbaren” orientiert, halte ich für völlig verkehrt. Die NGO-isierung hat ihre Grenzen, zuvorderst selbstgezogene,

35 Eine Antwort auf das Papier "Unser Nein ist das Ja zum Nichts des Ganzen"

Aufgrund der vielen Verdrehungen in seine gierigen Finger auszustrecken nach Wer jedoch unsere Praxis kennt, wird wis- o.g. Papier der Inhalte-AG des G8- Gebieten außerhalb dieses Staates. Zuerst sen, dass wir bisher nicht nur mit der palä- Plenums Mannheim-Heidelberg (im noch in Europa, dann aber auch im Ver- stinensischen Linken zusammengearbeitet folgenden Inhalte-AG), aber auch bund mit den anderen europäischen haben, sondern auch mit allen emanzipa- aufgrund der Verleumdungen, mit denen ein Teil unseres Bündnisses Mächten zur Unterwerfung und Ausplün- torischen israelischen Kräften, die sich konfrontiert wird, sehen wir uns derung Afrikas (Berliner Konferenz sowohl für eine gerechte Nahost-Rege- gezwungen, Stellung zu beziehen. 1884/85). Diese Phase wird gemeinhin lung, als auch für Frieden und Internatio- Imperialismus genannt. Dass wir uns nach nalismus einsetzen. 1. Zur vermeintlich wie vor in der imperialistischen Phase des

Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen kapitalismuszentrierten Kapitalismus befinden, wird schon allein 4. Zur sog. "Unterstützung Kritik an den gesellschaft- dadurch deutlich, dass täglich um die 35 der 10-Euro-Kampagne" lichen Verhältnissen 000 Menschen verhungern, und zwar in den Gebieten, die zuvor europäische Die Inhalte-AG Mannheim-Heidelberg Kolonien waren, also in Afrika, Teilen Asi- behauptet, dass wir den bewaffneten iraki- igentlich sollte die Inhalte-AG erken- ens und in Mittel- und Südamerika. Dieses schen Widerstand gegen die Besatzungs- nen können, dass es sich bei den fünf Verhältnis zu kritisieren hat weder etwas mächte in Form der 10 Kampagne EPGA-Hallmarks nicht um eine "kapi- damit zu tun, die Welt bichrom (zweifarbig) unterstützen würden und lehnt sich damit talismuszentrierte Kritik an den gesell- zu betrachten, noch ist dies eine "rein anti- an eine antideutsche Kampagne a la schaftlichen Verhältnissen" handelt. Denn imperialistische Kritik", da es sich analog Bahamas an, die darauf lauert mit denun- schließlich wird schon in Hallmark 1 nicht zu Punkt 1 nach wie vor schlicht um eine ziatorischen Methoden Personen aus der nur vom Kapitalismus gesprochen, son- Aufzählung verschiedener Unter- linken Szene und Antikriegsbewegung bei dern zumindest auch von einem anderen drückungsverhältnisse handelt. Und da der Staatsgewalt anzuschwärzen. Davon Herrschaftsverhältnis, nämlich dem Feuda- gehört der Imperialismus eben dazu. abgesehen operiert hier die Inhalte-AG lismus. Die Inhalte-AG unterstellt darüber hin- aus Mannheim-Heidelberg mit bewußt Außerdem werden in Hallmark 2 genau aus, dass "die USA als einziges Synonym falschen Behauptungen. die Unterdrückungsverhältnisse genannt, für die Unterdrückungsmechanismen Grundsätzlich halten wir fest, daß der die der Kritik der Inhalte-AG zufolge gesehen werden". Es ist ja bekannt, dass Widerstand gegen imperialistische Kriege angeblich nicht benannt sind. Mit anderen Antideutsche sich zu Verteidigern der USA und Besatzung, wie auch im Irak, legitim Worten: Eine "kapitalismuszentrierte Kritik erkoren sehen. Da aber die USA gar nicht und notwendig ist. an den gesellschaftlichen Verhältnissen" ist in den Hallmarks auftauchen, ist diese Kri- nicht vorhanden, im Gegenteil ist diese tik schlichtweg absurd und kann allenfalls 5. Zur Ablehnung des Kritik auf mehrere Unterdrückungsverhält- unter der Kategorie "Der Wunsch war Vater Internationalismus nisse ausgedehnt. Dies kann erkannt wer- des Gedankens" einsortiert werden. Wie den, wenn nicht nur der erste Hallmark wenig lesefest die Inhalte-AG zudem ist, An diesem Punkt lehnt sich die Inhalte- gelesen wird. zeigt sich hierbei besonders deutlich, denn AG linguistisch besonders weit aus dem in unserem Diskussionspapier "Imperialis- Fenster. Denn nicht nur bezieht sich Inter- 2. Zur Ablehnung der Kritik mus pur" benennen wir zwar die USA, nationalismus nicht "positiv auf die Idee am Imperialismus allerdings in einer Aufzählung der Grün- Nation". Im Gegenteil ist die Idee von dungsmitglieder der heutigen G8. Anson- Internationalismus die Absage an den Die Inhalte-AG kritisiert in ihrem Papier sten schreiben wir von "Weltmachtambitio- Nationalstaat, eine Solidarität untereinan- die Benennung des Imperialismus als "ver- nen des deutschen Imperialismus", was der (inter. . .) und das gemeinsame Eintre- kürzte Kapitalismuskritik". Dieser von ant- sicher nicht dazu führen kann, dass "die ten füreinander, z.B. indem wir im imperia- ideutscher Seite gern benutzte Begriff ent- Unterdrückungsmechanismen in den eige- listischen Europa nicht einfach nur von den behrt jedoch jeder Grundlage. Außerdem nen Verhältnissen verschleiert und nach Vorteilen unserer auf weltweite Ausbeutung unterstellt die Inhalte-AG "eine monochro- außen projiziert werden". begründeten Verhältnisse profitieren, son- me Sichtweise" der Aufteilung "in böse dern versuchen, diese zu bekämpfen, auch ,weiße' Unterdrücker und gute ,schwarze' 3. Zu unserer Solidarität im Herzen der Bestie. Der Begriff "Nation" Unterdrückte". Aber nicht nur, dass das mit der palästinensischen hat im übrigen nur etwas mit "Geburt" zu Fremdwort hier fehl am Platz ist (mono- Befreiungsbewegung tun, und solange Menschen geboren wer- chrom = einfarbig): Unabhängig von jeg- den, sollten sie untereinander solidarisch licher marxistisch-leninistischen Schulung Wer das Papier der Inhalte-AG liest, wird sein und nicht der eine den anderen aus- sollte bekannt sein, dass die kapitalisti- denken, dass wir "Solidarität mit den beuten. Als Beispiel sei uns hier ein Verweis schen Verhältnisse sich weiterentwickelt bekannten palästinensischen ,Befreiungs- auf die historische Erfahrung der Linken haben und nicht mehr auf dem Stand sind bewegungen' üben. Dieser Plural sugge- gestattet: Unabhängig von aller Kritik an wie zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Es ist riert eine Unterstützung nicht nur der palä- der Politik der Komintern ist die Bereit- bekannt, dass der Kapitalismus wesentlich stinensischen Linken und des Kampfes schaft Zehntausender aus allen Ländern zur Schaffung eines deutschen "National- gegen Vertreibung und Besatzung, son- der Welt, 1936 die Freiheit der Bevölke- staates" beigetragen hat, ebenso wie die dern auch eine Solidarität mit den politi- rung im spanischen Staat zu verteidigen, Tatsache, dass das deutsche Kapital sofort schen Zielen von bürgerlichen und/oder die nach wie vor bedeutendste internatio- nach Schaffung dieses Staates begann, reaktionären palästinensichen Kräften. nalistische Tat, die die Menschheit kennt.

36 6. Zur Kritik an unserem tatsächlich geht. Mit diesem Motto seits ist sicherlich nicht schwierig. Beides Festhalten an vertikalen benannte die US-Armee ihre Strategie, um gleichzusetzen dient aber nur dazu, weiter- Strukturen die kommunistische Linke in Vietnam zu hin von den imperialistischen Verhältnissen liquidieren. Unter diesem Motto wurden zu profitieren. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass die Dörfer verbrannt, Hunderttausende mit Linke nur dann erfolgreich diese Gesell- Agent Orange vergiftet und etwa vier Mil- 8. Schlussfolgerungen schaft bekämpfen kann, wenn sie fähig ist, lionen Vietnamesen umgebracht. Nun for- jede Form der Repression zu verkraften. Es dert die Inhalte-AG mit demselben Motto Wir haben aufgezeigt, dass die Inhalte- ist dabei egal, ob die Repression den Ausschluss linker Gruppen und Struk- AG nicht nur Sachverhalte falsch darstellt, zuschlägt, wenn die Linke noch nicht die turen, die z.B. den Befreiungskampf im Tri- sondern mit Lügen, Verleumdungen und Herrschenden vertrieben hat, oder aber kont nicht ablehnen oder diesen Kampf Unterstellungen arbeitet. Aufgrund unseres die alten Herrschenden sich nach der führen. internationalistischen und historischen Revolution neu sammeln und von außen Diese Forderung ist aber eine Abkehr Bewusstseins wissen wir, was es bedeutet, die Revolution angreifen. Repression ist von allen bisherigen Gegengipfeln wie mit solchen Mitteln zu arbeiten. Es geht beides - und für beides gibt es Beispiele: bspw. in Porto Allegre. Außerdem ignoriert einzig darum, die Linke zu zerstören und Die Linke in Deutschland konnte im Natio- diese Forderung das imperialistische die herrschenden Verhältnisse zu zementie- nalsozialismus mit kläglichen Resten nur Unterdrückungsverhältnis, was aber auf- ren. Als Beispiele seien hier die Machen- Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen deshalb überleben, weil eben vertikale grund der zuvor benannten Positionen der schaften des US-amerikanischen FBI Strukturen bestanden, und zwar nicht nur Inhalte-AG nicht verwunderlich ist. Trotz- erwähnt, das mit gefälschten Telefonmit- bei der Agitation auf der Straße, sondern dem bleibt es eine Tatsache, dass Men- schnitten versuchte, selbst die Privatsphäre selbst in den Konzentrationslagern. Wie schen sich wehren, wenn sie angegriffen von Martin Luther King zu zerstören. Glei- stellt ihr euch eigentlich die Selbstbefrei- werden. Und wenn dies durch ein imperia- ches geschah auch bei den Black Panther, ung von Buchenwald vor, mit Hilfe einer listisches Verhältnis geschieht, kann dieser indem mit gefälschten Dokumenten VV? Oder aber den Widerstand in Frank- Widerstand auch einen nationalen Cha- "bewiesen" werden sollte, dass die eine reich, Jugoslawien, Griechenland, Albani- rakter annehmen. Wichtig muss für uns Strömungen die andere verrät. Die ver- en und Italien? Wie glaubt ihr, konnte die Linke sein, zu überprüfen, ob dieser Wider- schiedenen Strömungen wurden aufeinan- Rote Armee die faschistische Bestie bis stand emanzipatorisch ist. Zwei Beispiele dergehetzt, mit dem Ergebnis, dass es die nach Berlin verfolgen? Wir haben schon seien hierfür genannt: Wenn in Vietnam Black Panther nicht mehr gibt. Wer unter immer vermutet, dass Antideutsche mit nach dem Sieg der vietnamesischen Kom- dem Motto "Search & Destroy" fälscht und Antifaschismus rein gar nichts zu tun munisten die Alphabetisierung der Kinder lügt, hat zur Linken keinen Bezug außer haben, hier zeigt sich eklatant die Distanz nicht nur in Vietnamesisch, sondern in den Hass auf sie. zur Geschichte der Linken, die auch unse- allen dort gesprochenen Muttersprachen Zum Wohle eines solidarischen Mitein- re ist. erfolgt, dann ist das ein Schritt hin zu mehr anders sollte sich die Inhalte-AG überle- Selbstverständlich ist es notwendig, auch Emanzipation und dies ist zu unterstützen. gen, ob sie mit ihren Fälschungen und nach der Revolution Strukturen zu haben, Wenn in Kuba die revolutionäre Regierung Lügen in den Geruch o.g. FBI-Methoden die die Verteidigung organisieren. Das als erste Regierung überhaupt die wenigen geraten will, oder wie es in der Linken zeigt der faschistische Überfall auf die hundert Indigenas schützt, die nach fast eigentlich üblich sein sollte, sich erst ein- Sowjetunion, dies zeigen aber auch die 500 Jahren kolonialistischer und imperia- mal auf eine inhaltliche Debatte einlässt. imperialistischen Angriffe auf Kuba und listischer Unterdrückung überlebt haben, Dies hat den Vorteil, zum einen andere Nicaragua, oder aber die Militärputsche dann ist dies ebenfalls zu unterstützen. Standpunkte erst einmal kennenzulernen, gegen missliebige Regierungen wie von Wir reden nicht einer irgendwie gearte- zum anderen aber vielleicht auch einen Mossadegh im Iran oder Lumumba im ten "nationalen Befreiung" das Wort. Es ist gemeinsamen Nenner zu finden. Eine Kongo. Egal was wir wollen, die Repressi- klar, dass es immer nur um emanzipatori- Distanzierung der Inhalte-AG von ihren on zwingt uns dazu, vertikale Strukturen zu sche Bewegungen gehen kann, auf die wir Methoden können wir mindestens erwar- unterhalten. Und damit diese nicht wieder uns solidarisch beziehen können und die ten. Wir fordern, dass dieser Punkt auf in einen Personenkult und zur Internierung sich ebenfalls auf uns solidarisch beziehen. dem nächsten Treffen als erstes behandelt und Liquidierung linker Kritik und Opposi- Die kommunistische Linke hat dieses Prin- wird. I tion führen, ist es notwendig, diese Struk- zip beherzigt, Ho Chi Minh war Mitbe- Kampfinitiative Berlin, turen genau zu diskutieren und gegebe- gründer der Kommunistischen Partei Dezember 2005 nenfalls zu korrigieren. Eine Haltung, die F rank- dies schlicht leugnet, wird jedoch ver- reichs. dammt sein, die Geschichte zu wiederho- Den Unter- len. schied zu Des weiteren ist die Kritik der Inhalte-AG begreifen an unserer Position eine einzige Heuchelei. zwischen Wer auf der einen Seite gegen vertikale dem deut- Strukturen wettert, sollte nicht Sachverhalte schen verdrehen oder mit Unterstellungen arbei- Nationalis- ten, denn beides reproduziert vertikale mus einer- Strukturen. seits und nationalen 7. Zur Forderung, uns Befrei- auszuschließen ungsbewe- gungen Schon das Motto "Search & Destroy", mit wie in dem dieser Abschnitt überschrieben ist, Amerika zeigt deutlich, um was es der Inhalte-AG anderer-

37 input-papier zum anti-g8-vorbereitungstreffen...... in berlin (6. - 8. januar 2006) zweimal hatten wir uns schon zu b) die verschiedenen, weltweit auszuma- schen nördlichen und südlichen bewe- wort gemeldet: einmal zu "wto & g8" chenden ‚probleme' dürfen nicht als ein- gungsaktivist/innen offen kommuniziert und einmal zu "internationalismus" - zelmisstände interpretiert werden, die je und daraus gemeinsam die erforderlichen einschließlich einer kleinen text- einzeln zu ‚bearbeiten' wären. sie sind (ggf. auch programmatischen) schlussfol- sammlung zur geschichte der bun- desdeutschen internationalismusbe- stattdessen als ausdruck unterschiedlicher, gerungen gezogen werden. wegung (diese textsammlung ist wie wechselseitig und global verschränkter vieles andere auf folgender website herrschaftsverhältnisse zu begreifen. dies e) internationalismus ist ein offensiver, dokumentiert: www.gipfelsoli.org). gilt es stets im hinterkopf zu behalten, auch auf die aneignung globaler rechte (s.u.) heute hingegen möchten wir etwas dann, wenn mensch sich aus pragmati- abzielender kampf. die wahl der mittel allgemeiner werden, nicht im analyti- schen gründen auf bestimmte ‚themen' ergibt sich einzig aus den jeweils konkreten schen schweinsgalopp einmal rund konzentriert. gesellschaftlichen umständen.

Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen um den globus. nein, unser anliegen ist vielmehr, einige der fragen näher zu beleuchten, von denen wir denken, c) es gibt keinen privilegierten stand- f) last but not least: wie mensch das dass sie für den fortgang der inhaltli- punkt für die erkenntnis und veränderung eben skizzierte verständnis bezeichnet, ist chen debatte in nächster zeit von globaler verhältnisse, d.h. niemand - ob uns in letzter konsequenz egal: wir favori- belang sein könnten. in diesem sinne im süden oder norden - sollte für sich in sieren zwar den begriff internationalismus, werden wir uns immer wieder auf anspruch nehmen, wichtigere kämpfe als einfach deshalb weil es ein bewegungshi- einige der bereits über die mailing- andere auszufechten. einzig auf der basis storischer aufgeladener begriff ist und weil liste verschickten texte beziehen. global vernetzter erkenntnis-, organisie- wir glauben, dass um die jeweilige bedeu- rungs- und widerstandsprozesse kann die tung von begriffen ohnehin ein ständiger herrschende welt aus den angeln gehoben kampf tobt, aber wir können auch andere werden. positionen akzeptieren. 1. ausgangspunkt: "internationalismus neu d) viele der unmittelbaren problemlagen 2. thematische ausrichtung begründen!" existieren im norden und süden gleicher- des anti-g8-protestes maßen, das ist ein direkter effekt kapitali- stischer globalisierung. exemplarisch seien ereits auf dem hamburger treffen die systematische zerstörung der existenz- a) auf dem weg zum hatten wir uns (als eine von mehreren grundlagen von kleinbäuerinnen und - gemischtwarenladen: Bgruppen) dafür ausgesprochen, die bauern, die privatisierung von wasser, bil- kommende g8 2007-mobilisierung als dung, gesundheitsdienstleistungen etc. eine debatte um die thematische aus- chance für eine neubegründung interna- und die verschuldungsspirale öffentlicher richtung oder gar zuspitzung des anti-g8 tionalistischer politik zu begreifen, und haushalte genannt. und doch: so sehr die 2007-widerstands kann unseres erachtens zwar unter berücksichtigung sowohl der strukturellen gemeinsamkeiten herauszu- nur sinnvoll geführt werden, wenn mensch irrtümer als auch der stärken internationa- stellen und zur grundlage gemeinsamer sich zunächst einmal die gesamte palette listischer organisierungen in den vergan- kämpfe zu machen sind, die meist nicht möglicher thematischer anknüpfungspunk- genen 40 jahren. da in sachen "internatio- minder großen niveau-unterschiede dürfen te vor augen führt. das mag simpel anmu- nalismus" seit dem hamburger treffen eini- auch nicht aus den augen verloren wer- ten (zumal wir ja in hamburg bereits damit ges auf der g8-mailing-liste geschehen ist den. denn letztlich führt kein weg an der begonnen hatten), aber in unseren augen (ausgehend von einem papier der "inhalte- einsicht vorbei, dass dem globalisierten ist ein derartiges vorgehen geradezu not- ag des g8-plenums mannheim-heidel- kapitalismus strukturelle interessensge- wendig, hilft es doch, voreilige engführun- berg"), möchten wir die debatte an dieser gensätze (inklusive tiefgreifender ausbeu- gen zu vermeiden. in diesem sinne haben stelle nicht wieder aufnehmen. wir möch- tungsverhältnisse) zwischen norden und wir einige themen wild (!) zusammenge- ten stattdessen eine (mittel-)kurze bestim- süden innewohnen - eine feststellung, die stellt, die liste ist sicherlich nicht vollstän- mung davon geben, was wir meinen, wenn das wissen darum einschließt, dass die dig: wir von internationalistischer politik spre- peripherisierung auch im norden voran- chen. uns scheint das sinnvoll zu sein, las- schreitet, so wie umgekehrt, die interes- krieg/bürgerkrieg, iwf/weltbank (ver- sen sich doch daraus kriterien für die sensgegensätze im süden ebenfalls immer schuldung & strukturanpassungsprogram- debatte um die thematische, organisatori- schärfer werden. den nord-süd-interes- me), wto (privatisierung, liberalisierung sche und praktische ausrichtung des g8- sensgegensatz anzuerkennen, heißt indes- und deregulierung), slum-cities/stadt-land- widerstands gewinnen. konkret: wenn wir sen nicht, sich (schuldgequält) nur noch für migration (1 milliarde menschen leben von internationalismus sprechen, geht uns die kämpfe des südens solidarisch in's weltweit in sog. slum cities), ressourcen- nicht um die zärtlichkeit zwischen nationen zeug werfen zu müssen. angesagt ist viel- kämpfe (wasser, strom, saatgut, boden & völkern oder ähnlichen anti-emanzipa- mehr, einen solidaritätsbegriff zu ent- etc.), flucht & migration vs. migrationspoli- torischen schmarrn. nein, wir haben viel- wickeln, der solidarität als gleichberechtig- tik/rassistische ein- und auschlüsse, hun- mehr eine bestimmte haltung im auge: te politische kooperation jenseits von ger (kapitalistische agrarindustrie vs. paternalistischer dominanz, karitativem ernährungssouverenität), krankheit & a) analyse, praxis und organisierung lin- unterstützungseifer und unkritischer glorifi- gesundheit (zugang zu medikamenten ker politik sollte immer schon global ange- zierung sozialer (bzw. nationaler befrei- etc.), gesellschaftliches naturverhältnis legt sein. aus internationalistischer per- ungs-)bewegungen im süden begreift. nur (ökologische zerstörungen, ressourcenver- spektive (jedenfalls in unseren verständnis) so können niveau-unterschiede (und ande- brauch, verlust von biodiversität), destruk- ist der nabel der welt die welt selbst. re differenzen) im direkten kontakt zwi- tionstechnologien (atom, gentechnologie,

38 waffen etc.), patriarchale geschlechterver- indem das aber rückgebunden wird an linken gefasst haben. als exemplarische hältnisse & globalisierung, neoliberale prekarisierung und migration, findet letzt- stichwörter seien die umsonst-kampagnen umstrukturierung der arbeitswelt (prekari- lich doch eine thematische engführung (inklusive "yomango"), der buko in kassel sierung/informelle schatten-ökonomien), statt, bei der vieles anderes, nicht minder mit dem titel "aneignung - das ende der antisemitismus, faschismus und weitere, bedeutsames außen vor bleiben würde bescheidenheit", die gesellschaft für legali- reaktionäre ideologien/organisierungen (und das sagen wir durchaus im wissen sierung oder die euromayday-parade in (mit kapitalistischer globalisierung als darum, dass sich die hanauer/innen für hamburg unter dem motto "ein sonntag für zusätzlichem nährboden), ausbau staatli- einen analytisch breit ausgefächerten pre- globale rechte" genannt. cher repressionsapperate (antiterrorab- karisierungsbegriff stark machen). hieraus uns ist durchaus bewusst, dass es trotz wehr, umstrukturierung urbaner räume folgt für uns, dass wir uns auf dieser ebene dieser aktuellen entwicklungen weiterhin etc.), abbau staatlicher sozial- und infra- eher für den thematischen (ursprünglich starke vorbehalte gegen das politische strukturleistungen, usw. usf. von uns ja ebenfalls verschmähten) operieren mit globalen (sozialen und gemischtwaren-laden aussprechen möch- anderen) rechten gibt. viele denken bei wir fänden es politisch wichtig, wenn ten. das problem der thematischen zuspit- "rechten" sofort an den staat oder supra- möglichst viele, ja alle dieser (und weite- zung (und somit klareren profilierung nach staatlichen organisationen wie die uno, an rer) themen platz im anti-g8-bündnis ‚innen' und ‚außen') muss demgegenüber die mensch sich bittstellend zu wenden bekämen. ja, wir denken, dass es ange- anders gelöst werden. habe, sobald globale (soziale und andere) Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen sagt ist, gruppen und netzwerke, die zu rechte als forderung formuliert würden. einzelnen dieser themen arbeiten, gezielt b) vom gemischtwarenladen allein: wir denken, dass diese spontane anzusprechen bzw. zu gewinnen. das ist im zur thematischen klammer staats-assoziation weniger mit der logik übrigen auch auf soziale bewegungen im "globale rechte aneignen!": globaler rechte selbst zu tun hat als viel- globalen süden gemünzt, selbst wenn es mehr mit einem nicht-politischen (main- diesbezüglich nur eingeschränkte koope- statt uns auf die suche nach einer the- stream-)verständnis von rechten. denn rationsmöglichkeiten gibt (hierüber würden matischen zuspitzung zu begeben, möch- rechte sind nichts, was mensch einfach wir uns gerne intensiver austauschen - ten wir vorschlagen (so wie es bereits in hätte (qua menschlicher geburt), rechte erinnert sei nur an die indische bauern- der einladung für das berliner treffen for- müssen erkämpft werden. der grad ihrer und bäuerinnen-karawane 1999). klar muliert ist) mit einer art trans-thematischen verwirklichung - so medico international in sollte allerdings auch sein, dass solche klammer zu experimentieren: diese klam- einem papier - unterliegt der dynamik des themen nicht nur schlicht addiert werden mer sollte einerseits hinreichend allgemein sozialen und geschichtlichen kontextes und sollten, sie müssen vielmehr als ausdruck sein, so dass sich möglichst alle themen somit konkreten gesellschaftlichen kräfte- unterschiedlicher herrschaftsverhältnisse darunter versammeln lassen, andererseits verhältnissen. ablesbar ist dies am einfach- systematisch aufeinander bezogen wer- sollte die klammer eine politisch eindeuti- sten daran, dass viele rechte das papier den. wir wissen selbst, dass das nicht ge bestimmung haben. denn beabsichtigt nicht wert sind, auf dem sie festgehalten immer einfach ist, schließlich ist sozialer ist ja nicht, werbepsychologisch geschickt werden. in diesem sinne möchten wir für widerstand keine seminarveranstaltung. alle unsere themen unter einen hut zu krie- ein politisches verständis in sachen globa- aber eine balance sollte doch gehalten gen; ziel ist es vielmehr - jedenfalls in ler rechte werben: globale rechte sind werden. wir finden (als einer von mehreren unseren augen - einen kristallisationspunkt nichts, was einfach einklagbar wäre (die kritikpunkten), dass dies im kölner aufruf- zu finden, mittels dessen sich die unter- klage ist allenfalls ein element der politi- entwurf überhaupt nicht geglückt ist: dieser schiedlichen themen & kämpfe inhaltlich schen strategie, nämlich dann, wenn wirkt auf uns bestenfalls wie ein brainstor- auf einen gemeinsamen nenner bringen bestimmte rechte bereits schriftlich fixiert ming. was wir absolut vermissen, sind und somit - trotz vielfalt - politisch über- sind). globale rechte sind vielmehr etwas, roten fäden, gewichtungen und kristallisa- zeugend nach ‚außen' und ‚innen' vermit- das es zu erkämpfen gilt. sie werden mit tionspunkte. teln lassen. anderen worten wirklichkeit, insoweit es einzig: selbst wenn mensch viele dieser konkret möchten wir als eine solche gelingt, sich das dauerhaft (!) anzueignen, themen kompetent in unserer organisie- klammer das motto "globale rechte aneig- was einer/m zusteht. rung unterbringen und außerdem einiger- nen!" vorschlagen. wir begreifen diesen "globale rechte aneignen!" ist nicht nur maßen gehaltvoll miteinander kurzsch- vorschlag als (experimentelle) alternative eine offensive forderung, sie geht auch ins ließen würde, es bliebe die frage, wie das zum bereits in hamburg intensiv diskutier- grundsätzliche. dirk hauer hat das aus ganze zugespitzt werden könnte - eine ten konzept der hanauer/innen: "globali- anti-kapitalistischer perspektive in einem frage, die uns ja das gesamte hamburger sierung von unten. angeignung - migrati- thesenpapier unter dem titel "wir wollen treffen über begleitet hat. im lichte der viel- on - prekarisierung". das politische hantie- alles - supermärkte und bäckereien" poin- falt und jeweiligen bedeutsamkeiten der ren mit globalen (sozialen und anderen) tiert auf den punkt gebracht: "worum es in oben aufgelisteten themen (und im lichte rechten ist innerhalb der radikalen linken einer linken aneignungsperspektive viel- davon, dass sie alle einen klaren bezug zu eher eine jüngere erscheinung. in der anti- mehr gehen muss, ist die kollektive (wider- g8 aufweisen) denken wir nicht, dass es rassistischen linken ist es zwar schon seit )aneignung des eigenen lebens, d.h. der sachlich gerechtfertigt wäre, bestimmte längerem üblich - stichwörter wären "glei- bruch mit der kapitalistischen herrschaft themen eigens herauszuheben. deshalb che rechte für alle", "recht auf globale und kontrolle über unsere tätigkeiten, können wir dem von den hanuer/innen bewegungsfreiheit" oder "recht auf rechte", unsere zeit, unsere bedürfnisse (...) ‚aneig- gemachten vorschlag nicht zustimmen auch in der debatte um bedingungsloses nung der arbeit' als aneignung der eige- (auch wenn er nah an unserer eigenen grundeinkommen spielt der bezug auf nen existenzbedinungen, als kampf gegen politischen ausrichtung liegt), "aneignung, "globale soziale rechte" nicht erst seit vor- die herrschaft und kontrolle im arbeitspro- migration und prekarisierung" als rich- gestern eine zentrale rolle; doch zess, in den arbeitsbedingungen, in der tungsweisenden untertitel einer gemeinsa- grundsätzlich dürften es erst die letzten 1- arbeitsorganisation, im technikeinsatz." men anti-g8-organisierung zu wählen: 3 jahre gewesen sein, in denen die rede wir denken, dass sich sämtliche der über das konzept "aneignung" gibt es zwar von "sozialen rechten" - meist im direkten oben aufgelisteten themen mehr oder brückenschläge zu allen möglichen the- zusammehang mit "aneignungskämpfen" - weniger bruchlos auf je konkrete (!!!) glo- men (da stimmen wir hanau zu - s.u.), fuß innerhalb größerer teile der radikalen bale rechte beziehen und außerdem - so

39 denn gewollt - in entsprechende richtungs- tische, d.h. gender-kritische thematisierung insgesamt scheint uns an diesem punkt forderungen übersetzen lassen, ganz der reproduktionssphäre schon einmal noch eine ganze menge debatte und gleich, ob es sich um das recht auf wasser, wesentlich besser gestanden ist). unter'm gemeinsamer wissensaneignung ins haus das recht auf grundeinkommen, das recht stich kann das zu durchaus paradoxen zu stehen. auch hinsichtlich anderer auf unversehrheit, das recht auf körperli- situationen führen. zwei beispiele: aspekte der patriarchalen geschlechterver- che selbstbestimmung, das recht auf medi- hältnisse, etwa zur frage, ob und in wel- zinische versorgung, das recht auf globale a) im kölner papier wird den patriarcha- chem ausmaß das weltweit hohe, teils bewegungsfreiheit oder was auch immer len geschlechterverhältnissen eine ganze sogar steigende gewaltlevel gegen frauen, handelt. wie flexibel das rechte-konzepte menge platz eingeräumt - was wir natür- mädchen, jungen, homosexuelle und ist, zeigt sich auch daran, dass andere lich gut finden. am ende des aufrufent- transgender - ganz gleich ob in europa, netzwerke und bewegungen ebenfalls wurfs ist jedoch lediglich von "g8 verhin- lateinamerika oder anderswo - als ergeb- damit arbeiten: so fordert via campensina dern - kapitalismus abschaffen - soziale nis eines komplexen zusamenspiels zwi- (ein weltweites netzwerk von kleinbauern revolution weltweit" die rede. hier fordert schen patriarchaler kultur und neoliberal und -bäuerinnen, landlosen und landar- also das strategische schweigen auf der bedingten ohnmachts- und deklassie- beiter/innen mit ca. 200 millionen mitglie- ebene der forderungen doch noch seinen rungserfahrungen verstanden werden kann dern) schon seit langem das recht auf tribut. für uns ist das mehr als ein missge- (eine frage, die sich im übrigen auch hin- Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen ernährungssouveränität. es versteht darun- schick, wir sehen darin eine klare themati- sichtlich männerinterner gruppen- und ein- ter nicht nur das recht auf nahrung, son- sche prioritätensetzung, die wir auch als zel-gewalt stellt). dern auch freien zugang zu den für die relativierung der geschlechterbezogenen last but not least: wir möchten mit diesen selbstbestimmte nahrungsproduktion abschnitte im aufrufentwurf interpretieren. anmerkungen nicht den eindruck erforderlichen ressourcen, insbesondere b) auch im six hills-papier wird den patri- erwecken, dass sich hinsichtlich der patri- land, wasser und saatgut. archalen geschlechterverhältnissen eine archalen geschlecherverhältnisse inner- erklärtermaßen große bedeutung einge- halb linker politik gar nichts bewegen c) patriarchale räumt. dennoch reproduziert six hills würde. zwei (unmittelbar g8-bezogene) geschlechterverhältnisse: (sicherlich ungewollterweise) die leerstel- beispiele seien stellvertretend erwähnt: a) len, die das strategische schweigen inner- die auseinandersetzungen mit der situation der umgang mit diesen scheint uns auch halb linker mainstream-kapitalismus-ana- (papierloser) hausarbeiterinnen - selbst ein im neuen jahrtausend mehr als unausge- lysen hinterlassen hat: dort, wo six hills den geschlechterpolitisches thema - ist in den goren zu sein. zwar bestreitet niemand, globalisierten kapitalismus analysiert, wer- vergangenen jahren sehr ausdrücklich mit dass es sich um ein zentrales herrschafts- den die patriarchalen geschlechterverhält- verschiebungen im geschlechterverhältnis verhältnis handelt, aber passieren tut im nisse nicht mit einem wort erwähnt. das der mittel- und oberklassen verknüpft wor- regelfall wenig - eigentlich nur dann, wenn aber führt in die irre, denn die weltweit vor- den: zunehmend wird es selbstverständli- auf der ‚persönlichen' ebene wieder mal angetriebenen liberalisierungs-, deregulie- cher, dass frauen aus diesen klassenseg- ‚etwas' vorgefallen ist. auf der politischen rungs- und privatisierungsregime nehmen menten ebenfalls erwerbsarbeit nachge- ebene hingegen wird das thema meist die patriarchalen geschlechterverhältnisse hen, möglich wird das dadurch, dass frau- dadurch (ruck-zuck) abgehanelt, dass die nicht nur als eine ihrer zentralen (aber en aus den subalternen klassen die haus- besondere auswirkung von herrschaftsver- ungenannten) voraussetzungen in regie, arbeit übernehmen. b) im antimilitaristi- hältnissen auf frauen beschrieben wird sie modeln sie auch grundlegend um - im schen spektrum wird schon seit längerem (was im übrigen immer unterstellt, dass die süden wie im norden. wir möchten an die- der zusammenhang zwischen militär, krieg norm männlich ist). hintergrund davon ist, sem punkt stellvertretend arianne brenssell und geschlecht/zwei-geschlechtlichkeit dass frauen gemeinhin für kinder und zitieren, die das bereits vor 5 jahren in thematisiert; in der auf dem hamburger andere reproduktive aufgaben zuständig einem iz3w-sonderheft zur "zwischenbilanz treffen verteilten zeitungs-ausgabe von sind und deshalb meist einer spezifischen der globalisierungskritik" mit deutlichen "resista! wiederentwaffnung jetzt!" ist dieser situation unterliegen, sei es in der migrati- worten benannt hat: "begleitet vom umbau thematik auf seite 3 ein langer artikel on, im falle der privatisierung von wasser der staatlichen und überstaatlichen institu- gewidmet. wir erwähnen das, weil wir auf oder der streichung von lebensmittelsub- tionen und arrangements - abbau des gar keinen fall eine (meta-)debatte darü- ventionen im zuge eines iwf-strukturanpas- sozialstaats, privatisierung der öffentlichen ber führen wollen, wie in der linken politi- sungsprogramms (um nur einige beispiele aufgaben und zuständigkeiten - kommt es schen arena mit patriarchalen geschlech- zu nennen). sachlich sind das zweifelsohne zu nachhaltigen verschiebungen zwischen terverhältnissen zu verfahren sei. wir wol- richtige aussagen, insofern ist es auch öffentlichen und privaten sowie zwischen len nur, dass damit verfahren wird. nicht richtig, dass sie eigens genannt werden, profit- und non-profit-bereichen, die das mehr und nicht weniger! dennoch finden wir es falsch, dass zu sel- soziale ökonomisieren und es effizienzkri- ten erwähnt, geschweige denn politisch terien unterwerfen. was diesen kriterien d) globalisierung/aneignung/ ausbuchstabiert wird, dass dies mit einer nicht unterworfen werden kann, wird noch internationalismus/anti- bestimmten geschlechtlichen arbeitsteilung weiter ins gesellschaftliche abseits katapul- imperialismus etc.: und somit patriarchalen geschlechterver- tiert. damit sind diese tätigkeiten aber hältnissen zu tun hat, einem verhältnis, wo noch lang nicht überflüssig. sie werden dieses feld scheint mittlerweile (das hatte der mann ja ebenfalls eine ‚besondere' vielmehr nebenbei und unbezahlt geleistet, sich in hamburg bereits abgezeichnet) zu position innehat. hierfür hat sich schon seit jenseits der kriterienkataloge, in geringer einem äußerst vielschichtigen gebilde längerem der begriff des "strategischen werdenden zeitlücken. und zwar oftmals angewachsen zu sein - weshalb wir die schweigens" etabliert: mensch weiß zwar von frauen. daher ist ein ‚hinterland', das diesbezügliche bezugnahme im aktuellen um ‚etwas' bestens bescheid, thematisiert nicht unmittelbar nach kapitalgesetzen einladungspapier ("globalisierung von ‚es' aber trotzdem nicht, mit dem effekt, reguliert ist und nicht den gesetzen von unten vs. internationalismus") absolut ver- dass dieses ‚etwas' zunehmend in der ver- profiten und produktivitätssteigerungen kürzt finden. konkret sehen wir mindestens senkung verschwindet und darin eine art gehorcht, eine zentrale bedingung, eine 4 strömungen am werk: erstens sozialrevo- zweite naturalisierung erfährt ("zweite natu- art untergrund neoliberaler globalisie- lutionäre optimist/innen wie die ralisierung" deshalb, weil es ja um die poli- rung." hanauer/innen, die vor allem auf weltwei-

40 te aneigungsbewegungen setzen und des- )imperialismus sehen. wir denken, allen spezifischen historischen bedingungen halb das motto "globalisierung von unten" beteiligten gruppen dürfte klar sein, dass betrifft). antworten auf diese und ähnliche stark machen, zweitens skeptiker/innen (zu es kaum möglich sein wird, sämtliche die- fragen zu geben, fänden wir auch im hin- denen wir uns zählen), die zwar gerne ser strömungen auf einen nenner zu brin- blick auf bündnisfragen wichtig. konkret genauso optimistisch wie hanau wären, gen. vor diesem hintergrund ist es uns ein wäre es in unseren augen hilfreich, würde sich gleichzeitig aber auch von den nega- anliegen, dass wir uns gemeinsam verstän- sich auf dem berliner treffen intensiver tiven destruktionspotentialen des herr- digen, worüber wir tatsächlich diskutieren über die frage verständigt, wo die herr- schenden globalisierungsprozess nachhal- möchten und worüber nicht. denn wir fän- schende (globale) gesellschaft hinsteuert tig beeindrucken lassen, drittens apokalyp- den es fatal, wenn immer wieder die glei- und welche rolle die (globale) linke in die- tische melancholiker/innen wie die chen diskussionen hochkochen würden, sen prozessen spielt bzw. spielen könnte. genoss/innen aus köln, denen - so jeden- deren verlauf ohnehin jede/r kennt. die in wir sagen das nicht zuletzt im hinblick auf falls haben wir ihr papier gelesen - fast unseren augen beste lösung wäre, konkret die initiative der interventionistischen lin- jede hoffnung auf emanzipatorische ver- zu bleiben. wir glauben nicht an den erfolg ken, die ja ihr plädoyer für ein breites änderungsprozesse flöten gegangen ist von debatten, wo mensch von der okto- bündnis unter anderem mit der zeitdiagno- und viertens anti-imperialistische gruppen, berrevolution über den vietnam-krieg bis stischen einschätzung begründet, dass es die in bastionen wie kuba und vietnam, nach bolivien (und zurück) jettet. erfolgrei- reale chancen gibt, durch explizit breite aber auch in den "nationalen befreiungs- cher sind unseres erachtens debatten, die bündnispolitik die neoliberale hegemonie Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen beweungen, etwa in kolumbien und vene- anhand konkreter beispiele wie z.b. vene- noch stärker als bislang zum bröseln zu zuela, in nepal, in palästina, kurdistan und zuela über strittige fragen geführt werden bringen. im baskenland" (input-papier für hamburg) (etwa die frage, was die etwaige notwen- I no lager bremen, wichtige kontra-punkte gegen den (g8- digkeit sog. "vertikaler strukturen" unter Januar 2006 Kapital Macht Krieg die Beherrschung verlieren!

In Teilen des linksradikalen Spek- 1. Ist der Kapitalismus nur So ist trotz der Frauenbewegung der trums gehört es zum guten Ton, poli- ein Teil der Sexismus immer noch gesellschaftsfähig tische Begriffe wie Kapitalismus, Unterdrückungsverhältnisse? und hat sich verbrecherisch etabliert und Imperialismus und Internationalismus ausgeweitet - ein Beispiel dafür ist der zu verwischen oder zu vermeiden und Der Kapitalismus ist nicht "nur ein Teil Frauenhandel. Der Rassismus ist institutio- sie unreflektiert durch den neuen Modebegriff "Globalisierung" zu der Verhältnisse"(1), er schafft diese Unter- nalisiert und abrufbar. Noch mal: Der ersetzen. Damit geht nicht nur eine drückungsverhältnisse, wie Sexismus, Ras- Kapitalismus ist das Treibhaus aller inhaltliche Relativierung von realen sismus und so weiter immer wieder neu. Es Unmenschlichkeiten. Nicht die alleinige weltpolitischen Zusammenhängen ist nicht entscheidend, ob es auch außer- Geburtsstätte. Es gibt in ihm keine Mög- einher, sondern auch eine Diffamie- halb des Kapitalismus Unterdrückungsme- lichkeit für die kollektive/gesellschaftliche rung der Linken, die an diesen chanismen gibt, wir leben im Kapitalismus Überwindung der archaischen Unmensch- Zusammenhängen ihre politische Pra- und entscheidend ist, dass er sie ständig lichkeiten. Und darum geht es. Nicht xis orientieren. neu gebiert, weil er sie für sein uraltes Kon- darum, was das einzelne Individuum oder zept "teile und herrsche" braucht. Wir wer- eine kleine Schicht für sich zu erreichen in den sie niemals los, wenn wir den Kapita- der Lage ist. lismus nicht loswerden. Der Kampf in Teil- ir wollen versuchen einige Argu- bereichen hat seinen Sinn - seine politische 2. Imperialismus oder mente/Begriffe, die schon fast Perspektive nur dann, wenn in ihm ein Globalisierung? standardartig und nicht mehr hin- W Bewusstsein und eine Praxis stecken, die terfragt innerhalb der Linken kursieren, immer das Gesamte im Blick hat. Alles Wie ist die kriegerische Zerstörung der durch konkrete Sachverhalte zu definieren. andere ist entweder Illusion oder linke ökonomischen und kulturellen Grundla- Damit wollen wir die inhaltliche Vorberei- Sozio-Kultur. Innerhalb der kapitalistischen gen des Trikonts durch die Zentren zum tung zum G8-Gipfel schärfen. Wir bezie- Gesellschaft ist jeder humanistische Fort- Zwecke der Ausbeutung der natürlichen hen uns dabei auf Papiere, die bereits in schritt, jeder kollektive emanzipative Ressourcen und der Arbeitskräfte anders zu der Diskussion sind. Schritt, der Opportunität des Systems nennen als Imperialismus! unterworfen und jederzeit rücknehmbar. Im Das gesellschaftliche Prinzip des Kapita- letzten Jahrhundert ist das allein in der lismus ist Konkurrenz. Sein Grundgesetz deutschen Geschichte schon ablesbar: ist, dass der durch Ausbeutung erpresste 1. Ist der Kapitalismus nur ein Teil der Weimarer Republik, dann Faschismus, der Profit in neue Produktion investiert wird zur Unterdrückungsverhältnisse? alles erledigte was zuvor an Freiheiten Erzeugung höheren Profits. Das verlangt 2. Imperialismus oder Globalisierung? erkämpft wurde, danach auf der einen die ständige Eroberung neuer Märkte, die 3. Emanzipation als ideologischer Standort Seite die DDR mit ihrem Sozialismusver- Konzentration von Kapital und Produktion, und ideologisches Maß? such, auf der anderen Seite die kapitalisti- Fusionen und feindliche Übernahmen von 4. Sind nationale Befreiungsbewegungen sche Kontinuität, Postfaschismus, dann die Konkurrenten, die Verschmelzung der Ban- reaktionär und nicht mehr solidaritäts- 68er Rebellion, die wieder Räume ken mit dem Industriekapital, bis hin zur würdig? erkämpfte, jetzt seit mehr als zehn Jahren Schaffung der Multis - der ganze ökono- 5. Sind die gegenwärtigen Kämpfe in Palä- wieder die Verdichtung, das Rollback, die mische Ausdruck, den wir hier nicht näher stina und Irak reaktionär? völlige Verwertung, Besetzung und Kontrol- beschreiben wollen. In diesem Rahmen le. vollzieht sich die Politik: Innenpolitisch in

41 der Ausbalancierung der Widersprüche gegen ihre Pläne der weltweiten Ausbeu- jeder Amtsstube, jeder Fabrik, an jeder und der Unterdrückung des Widerstandes, tung und reden dabei vom "Kampf gegen öffentlichen Kamera, an jeder Bullenhun- außenpolitisch als Ausweitung von Macht den Terrorismus". dertschaft, an jedem Bankschalter, vor durch ökonomische Erpressung und nöti- Der G8-Gipfel ist das Treffen der Impe- jedem Gericht und in jedem Supermarkt, genfalls mit Krieg. rialisten, auf dem das Zusammenspiel der der uns Nahrung aufzwingt, von der wir Die Einverleibung ganzer Kontinente Rollen - einschließlich der Konkurrenzen - keine Ahnung haben, was drin ist. durch heutige Industriestaaten hat im ausbaldowert wird. Sie besprechen die Wie "selbstbestimmt" und "frei" sind wohl sechzehnten Jahrhundert mit der Koloni- Reibungslosigkeit ihrer imperialistischen die Individuen in Bolivien, Venezuela, sierung begonnen, wurde einige Jahrzehn- Strategien, handeln ihre Anteile an der Chiapas, Palästina, Irak, Nepal und so te lang durch die Oktoberrevolution und Ausbeutung der Welt und ihre Anteile bei weiter. Ist es nicht eher so, dass die zentra- die nachfolgende Blockbildung des Sozia- der Unterdrückung des Widerstands aus. le Voraussetzung für politische Aktivitäten - listischen Lagers gebremst, um nach des- Sie sind keine "Global Player", keine "Glo- wir sagen lieber die Voraussetzung zum sen Zerfall mit entfesselter krimineller Ener- balisierer", sondern die schamlose impe- kämpfen - das Bewusstsein von Unter- gie nach dem Rest der Welt zu greifen. Der rialistische Führungsbagage. drückung ist und dass gerade dieses "Rest", das sind nicht nur die Territorien des Die neoliberale Ideologie und Praxis Bewusstsein hier bei uns fehlt und stattdes- ehemaligen sozialistischen Lagers, das bringt keine "Globalisierung" hervor, son- sen eine elitäre Ideologie Fuß gefasst hat, Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen sind alle Ressourcen der Welt und das sind dern mit konkreten Programmen schafft sie die in ihrem Wesen nur auf ihre eigenen die staatlichen Dienstleistungen: Bildung, neue Erscheinungsformen von Abhängig- Prozesse und Diskurse schaut? Gesundheit, Wasserversorgung. keitsverhältnissen. Das ist Neokolonialis- Mit welchem Recht werden diese Prozes- mus. Sie schafft neue Formen der Beherr- se für universal gehalten und hegemonial Der Krieg und seine propagandistische schung, der Sklaverei und des Rassismus. in Beziehung gesetzt zu den Realitäten Maskierung ist schon immer das erste und Zum Beispiel ist eine Arbeit im Bereich der anderer, weit entscheidenderer Prozesse? letzte Mittel der imperialistischen Mächte Migration nur dann sinnvoll, wenn ihre Die Vision einer befreiten Gesellschaft, gewesen. Die Einverleibung ist von jeher Ursache, das heißt der Imperialismus, in der dem Individuum alle Möglichkeiten mit Heilsbringung legitimiert worden. bekämpft wird. seiner Emanzipation offen stehen, ist eine Zuerst war es das "Christentum", dann die "Globalisierung" ist eine Bezeichnung, Sache. Eine andere Sache ist, anzuneh- "Demokratie", jetzt die "Menschenrechte". die mit einem Pokerface daherkommt und men, diese Vision sei nur realisierbar über Der Widerstand wird immer von "Barba- harmlos tut. Sie legt dem kapitalistischen Ansätze/Konzepte, die sich im Wesentli- ren" geführt. Die mächtigsten imperialisti- Unterwerfungsprozess einen Mantel über, chen im europäischen Diskurs entwickelt schen Blöcke treiben heute die Ausbeu- unter dem die konkreten Machenschaften haben, und die nicht den tatsächlichen tung der Welt voran. Hier in Konkurrenz, verschwinden sollen, damit alles ganz Kämpfen in der Welt entsprechen. da gemeinsam. Die Gemeinsamkeiten lie- zwangsläufig und alternativlos aussieht. Es gab ja vielfältige Ansätze: das Avant- gen vor allem in der Bekämpfung des Ein Begriff aus den neoliberalen Denkfa- gardekonzept, die zentralistischen Part- Widerstands gegen ihre Pläne. Und briken - in die Linke transportiert durch die eistrukturen und Staatssozialismus, die gemeinsam ist ihnen die Meinung, dass NGOs. Die ideologischen Strategien des nationalen Befreiungsbewegungen, die die Welt ihnen gehört. Die USA geben seit Gegners zielen immer erst auf die Neutra- Guerilla in den kapitalistischen Ländern. dem ersten Weltkrieg ökonomisch, seit lisierung und Entschärfung von Eindeutig- Es gab den basisdemokratischen Ansatz dem zweiten militärisch und politisch den keit. Auf die Umwandlung von Begriffen bei den spanischen Anarchisten, bei den schmutzigen Ton an. Europa konsolidierte mit geschichtlicher Erfahrung in leere Hül- Räten, es gab große militante Massenbe- seine militärische und ökonomische Macht len. wegungen et cetera ... Alles falsch? Und im profitablen Windschatten der USA und Wieso sollen wir uns diese Hülle aneig- nur noch der Distanzierung wert? Was ist hat mittlerweile das ökonomische Potential nen! Dass dieser Begriff auch im "linksra- das für ein Bewusstsein! Die Geschichte der USA übertroffen. dikalen" Spektrum verteidigt wird, zeigt das der Befreiung ist keine Wegwerfgeschichte. Die Traditionslinien der imperialistischen Ausmaß des Verfalls von kritischem Den- Das alles sind unsere Wurzeln. Was wir uns Interessen Deutschlands/Europas, und der ken. Es gibt auch keine "Globalisierung an Bewusstsein angeeignet haben kommt USA können wir hunderte Jahre zurückver- von unten"(4). Es gibt nur den Widerstand aus diesen Kämpfen. Es werden nach wie folgen, ausgehend von den heutigen von unten, der sich organisiert, vernetzt vor in der Welt heftige Kämpfe nach diesen Brennpunkten und Kriegen. Warum soll und vielleicht lernt miteinander zu kämp- Konzepten ausgefochten (Baskenland, das plötzlich nicht mehr Imperialismus, fen. Alles andere ist modernistische Nach- Kurdistan, Kolumbien, Nepal, Palästina sondern Globalisierung sein. Unser Kampf quatscherei, unerkannt geschluckter Herr- ...). Wir haben keinen Grund, ihnen die kann nur ein antiimperialistischer sein.(2) schaftsschleim. Solidarität aufzukündigen. Die USA sind kein "Synonym für Unter- drückungsmechanismen"(3), die funktio- 3. Emanzipation als 4. Sind nationale nieren in allen kapitalistischen Gesell- ideologischer Standort und Befreiungsbewegungen schaften ähnlich umfassend, hier subtiler, ideologisches Maß? reaktionär und nicht mehr da brutaler. Der US-Imperialismus treibt solidaritätswürdig? eine am Ende zerstörerische Perspektive für "Selbstbestimmung ist nicht nur ein fer- die Menschen und ihre Umwelt brutaler nes Ziel, sondern zentrale Voraussetzung Kommen wir noch mal zu der unsägli- vorwärts, als jede andere imperialistische politischer Aktivität"(5). Welch fatale Illusi- chen Geschichtslosigkeit, die sich nach Macht. Weil sie noch die Stärksten sind. on: die privilegierten Räume für die 1989 wie ein schleichendes Gift der Lin- Die Herrschenden tragen ihre sinnent- Bewusstseinsbildung hier in den kapitalisti- ken bemächtigt hat. Mit zwei Sätzen wer- leerte Lebensphilosophie von der Freiheit schen reichen Zentren für eine Vorausset- den - schwupp - die nationalen Befrei- der Ware in jeden Winkel der Welt. Ihre zung zur Emanzipation zu halten. Wer ist ungsbewegungen aus der Geschichte der Mittel und Methoden sind Korrumpierung, hier frei? Unsere Emanzipation (Selbstbe- Befreiung - in der unsere Geschichte ja nur Betrug, Raub, Krieg und Folter. Ohne stimmung) ist ein ideologisches Ghetto, ein kleiner Ausschnitt ist - herauskritisiert. irgendwelche Bemäntelung proklamieren eine Pseudofreiheit im Kopf. Unsere Frei- Die mehr als dreißig Jahre lange interna- sie die Vernichtung jeden Widerstandes heit endet doch an jedem Arbeitsamt, vor tionalistische Arbeit und Solidarität sowohl

42 der BRD-Linken, als auch der DDR, wird nationaler Befreiung (EZLN). Will sie gegen Besatzung, Unterwerfung, soziale mit all ihren Facetten in die Tonne getre- jemand als nationalistisch oder aussch- und kulturelle Auslöschung, Feudalismus, ten. Weil "wie der Name [nationale Befrei- ließend verleumden, beziehungsweise ihre neokoloniale Ausplünderung. Also kon- ungsbewegung] schon sagt, sie auf aus- emanzipatorische Bedeutung in der Region kret: Die Kämpfe in Palästina/Israel, Irak, schließenden Prinzipien aufbauen und die wegkritisieren? Kolumbien, Nepal, Kurdistan, Baskenland. gleichen Strukturen reproduzieren"(6). Hier Die heutigen Deformierungen (Korrupti- ist wieder dieser Blick, der sowohl die on, Rückschritt, Aufgabe alternativer/anti- Dazu zitieren wir einen Auszug aus einer historischen, als auch die gegenwärtigen kapitalistischer Konzepte) bei nahezu allen Rede(7) von Arundhati Roy: Prozesse in der Welt mit einem Bewusstsein einstmals emanzipatorischen Bewegungen erfasst, das sich im privilegierten Ghetto und Organisationen, kann ihre geschicht- "Der irakische Widerstand kämpft auf linker Debatten deutsch/europäischer Her- liche Rolle als emanzipatorischen Impuls in der Frontlinie des Kampfes gegen das kunft herausgebildet hat. Hier würden wir einer ganz bestimmten weltpolitischen Imperium. Und daher ist dieser Kampf den bösen Vorwurf "eurozentristisch" aus- Kräftekonstellation des 20. Jahrhunderts unser Kampf. sprechen. nicht auslöschen. Die Geschichte aus der Wie jede Widerstandsbewegung verei- Dass in der bürgerlichen Herrschaft die heutigen Deformierung wahrzunehmen ist nigt diese bunt zusammen gewürfelte Frak- eigene Nation stets ein ausschließendes zwar ein Trend, aber es ist dumm. tion frühere BaathistInnen, Liberale, Islami- Projekt ist, ist eine Binsenweisheit. Der Pro- Wer die einfache Erklärung für diesen stInnen, beleidigte Kollaborateure, Kom- Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen zess der nationalen Befreiungen ist in der Niedergang in den politischen und organi- munistInnen, und andere. Selbstverständ- Geschichte aber eine historische Realität. satorischen "Fehlern" findet, macht sich lich ist sie voll von Opportunismus, inne- Für die vom Kolonialismus ausgebeuteten keinen Begriff von der komplexen Macht ren Streitigkeiten, Demagogie und Krimi- Menschen war - und ist - der durch die und der komplexen Erfahrung des Systems nalität. Aber wenn wir nur makellose Kolonisatoren gegründete und dominierte - in hunderten von Jahren gesammelt und Bewegungen unterstützen, dann wird keine Nationalstaat der nahe liegende und perfektioniert - mit der Widerstand zer- Widerstandsbewegung unserer morali- zwangsläufige Bezugspunkt ihrer Kämpfe schlagen, Alternativen verhindert, aufge- schen Reinheit würdig sein. um Befreiung. Oder sollen die Bewegun- löst oder integriert werden. Das soll nicht heißen, dass wir Wider- gen in Mexiko, Nepal oder sonst wo in der Und schauen wir doch hier in Europa in standsbewegungen nicht kritisieren sollen. Welt gemeinsam gegen das nebulöse den Spiegel: die gesamte Linke, die radi- Viele von ihnen leiden an einem Demo- Empire antreten? kale ausdrücklich eingeschlossen, ist dem kratiemangel, an einer Verherrlichung Eine Bevölkerung, die in ihrem eigenen eigenen Deformierungsprozess nicht ent- ihrer "Führer", einem Mangel an Transpa- Territorium besetzt und unterdrückt ist und kommen. Und das Problem ist: weil die renz, einem Mangel an Vision und Ziel- für die keine anderen Werte als die der Deformierung hier über die Enteignung richtung. Aber am meisten leiden sie an Kolonialisten gelten dürfen, vollbringt von Bewusstsein und Geschichte läuft, ihrer Verteufelung, Unterdrückung und einen Akt der Emanzipation, wenn sie sich kann sie es nicht mal reflektieren. einem Mangel an Ressourcen. befreit. Die Befreiungsbewegung ist das Es ist politisch unverantwortlich, den Bevor wir vorgeben wie ein moralisch Subjekt, das diesen Akt vorwärts treibt, Widerstand der nationalen Befreiungsbe- hochwertiger irakischer Widerstand seinen indem sie organisiert gegen die Herrschaft wegungen, der sich auf linke und demo- weltlichen, feministischen, demokrati- kämpft. Das ist objektiv so, und völlig kratische Inhalte bezieht, zu diskreditieren schen, gewaltfreien Kampf zu führen hat, unabhängig davon, wie diese Befreiungs- und jede Solidarität als politisch anrüchig sollten wir den Widerstand auf unserer bewegung strukturiert und organisiert ist. zu verwerfen. Seite verstärken, und die USA, sowie die Natürlich wird der Befreiungsprozess nicht Der Begriff "national" wird in anderen mit ihr verbündeten Staaten, dazu zwingen von einem kollektiven Subjekt (einer Klas- Ländern von linken und fortschrittlichen sich aus dem Irak zurückzuziehen. se) allein geführt, allerdings ist der Kräften inhaltlich anders gefüllt, als wir es In den Vereinigten Staaten fand die erste geschichtliche Impuls für den Prozess sehr mit der speziellen chauvinistischen und militante Konfrontation zwischen der wohl abhängig von einem konkreten revo- faschistischen deutschen, und der europäi- Bewegung für weltweite Gerechtigkeit und lutionären Subjekt. Einem kollektiven revo- schen kolonialistischen Geschichte tun. der neoliberalen Junta, wie gut bekannt lutionären Subjekt, das im bestimmten Die sozialen Massenbewegungen zum Bei- ist, im September 1999 bei der WTO-Kon- Moment beginnt, die Machtfrage zu stel- spiel in Bolivien und Venezuela haben ferenz in Seattle statt. Für viele Massenbe- len. dazu ein ganz anderes Verhältnis. wegungen in Entwicklungsländern, wo sie Wer will widerlegen, dass die Befrei- Unverantwortlich deshalb, weil erstens schon seit langem einsam und isoliert ungsbewegungen im Trikont, einen Weg damit auch den reaktionären und religiö- gekämpft hatten, war Seattle das erste zur Entkolonisierung geöffnet haben, dass sen Kräften, die durch den entfesselten erfreuliche Zeichen, dass ihr Zorn und ihre sie die scheinbar gottgegebenen Unter- Kampf um Profite nach dem Zerfall des Vision für eine andere Art von Welt, von drückungsverhältnisse zum Tanzen sozialistischen Lagers auf die politische Menschen in den imperialistischen Län- gebracht und dann zunächst zu ihren Gun- Bühne gespült wurden, die Räume über- dern geteilt wird." sten verändert haben. Es gibt keine natio- lassen werden. Zweitens, weil damit die nale Befreiungsbewegung mit der wir soli- staatliche Definition "Terrorismus" und die Alle gegenwärtigen antiimperialistischen darisch waren, die nicht die universellen imperialistischen Programme für "den Kämpfe beinhalten sowohl emanzipative Ideale von der Befreiung des Menschen Kampf gegen den Terrorismus" implizit als auch reaktionäre Momente. Das ist ja von Ausbeutung als Perspektive hatte. legitimiert werden. nichts Neues, die Geschichte kennt es gar Nicht umsonst haben sie die Linken in nicht anders. Es hängt doch auch von den Europa inspiriert. Die Organisierung von 5. Sind die gegenwärtigen unterstützenden Kräften ab, welche Widerstand im nationalen Rahmen ging im Kämpfe in Palästina und Irak Momente erstarken und eine fortschrittli- 20. Jahrhundert keineswegs mit nationali- reaktionär? che Perspektive einleiten können. Es ist ja stischen - im Sinne von chauvinistischen, kein Zufall, dass die reaktionären und reli- ausschließenden - Ideologien einher. Und da sind wir jetzt bei dem, worum es giösen Kräfte nach dem Zerfall des sozia- Weder in Lateinamerika, noch in Afrika. heute geht: Die teilweise Unübersichtlich- listischen Lagers überall die Felder besetz- Selbst heute sprechen die Zapatisten von keit der heutigen militärischen Kämpfe ten, die von den Linken verlassen wurden.

43 Diese reaktionären Kräfte waren bis dahin nicht unterliegen. Fußnoten: immer die heimlichen Verbündeten der Das gleiche gilt für Palästina. Der Wider- 1 aus "Unser Nein ist das Ja zum Nichts des Ganzen" imperialistischen Politiker gewesen. Dass stand der PalästinenserInnen gegen die der Inhalte-AG Mannheim-Heidelberg sie jetzt ein Teil des Widerstands gegen die israelische Besatzung wird nicht dadurch 2 Mit welchen ineinander greifenden Strategien, imperialistische Besatzung sind, ist eine illegitim, dass es einen von den deutschen welchen Mitteln und Methoden und mit welchen Auswirkungen auf unser Leben die Eroberung und Realität, die uns nicht gefällt, die aber Faschisten zu verantwortenden Holocaust Zerstörung der Welt gegenwärtig betrieben wird nicht den Widerstand grundsätzlich delegi- gab. Wer sagt: wir sind zwar gegen die können wir in dem Papier der Kölner GenossInnen timiert. Besatzung, aber der Widerstand dagegen "Kapital Macht Krieg" nachlesen Ein reaktionäres Regime wie im Irak, das ist reaktionär, der kann sich sein Lippenbe- 3 aus "Unser Nein ist das Ja zum Nichts des Ganzen" der Inhalte-AG Mannheim-Heidelberg den Interessen der Besatzer dient, das die kenntnis gegen die Besatzung sparen. 4 Vorschlag für das Motto der G8-Gegenaktivitäten Sharia wieder einführt, die Ressourcen des der Glocal Group (Hanau) Landes plündern lässt, jedem US-Soldaten Schluss 5 aus "Dissent - dem globalen Kapitalismus entgegentreten" von der Gruppe Six Hills und herscharren von Söldnern privater 6 aus "Unser Nein ist das Ja zum Nichts des Ganzen" Konzerne das Recht zu morden, zu foltern, Die PGA-Hallmarks bieten ein breites der Inhalte-AG Mannheim-Heidelberg zur Freiheitsberaubung gibt, hat keinerlei politisches Fundament, das den verschie- 7 gehalten am 16. August 2004 in San Francisco, Legitimität. Das Recht zum Widerstand denen Spektren der radikalen Linken, Kalifornien mit dem Titel "Die Macht der Zivilgesellschaft in einer imperialen Zeit" Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen dagegen ist selbst nach dem Völkerrecht sowohl Handlungseinheit, wie auch Hand- verbrieft. Wir müssen die fortschrittlichen lungsfreiheit erlaubt. In ihnen sind die Kräfte des Widerstands moralisch und wesentlichen Grundlagen linken Bewusst- politisch unterstützen, damit sie in einem seins enthalten. von der Besatzung befreiten Irak den fun- damentalistischen Kräften bei der Gestal- I tung der gesellschaftlichen Verhältnisse Gegeninformationsbüro Berlin | Januar 2006 Über die Notwendigkeit einer Wiederentdeckung Globale Landwirtschaft und die Macht kapitalistischer Agrarindustrie

So erfreulich die Tatsache an sich klärungsbemühungen stets in konkrete moralischen Adrenalins begründet, das war, es hatte etwas Eigentümliches, politische Arbeit gewesen, nicht nur kam- anno dazumal in zahlreichen Aktionen und streckenweise auch Befremdliches, pagnenförmig, etwa durch die von der Kampagnen mit am Start gewesen sei. mit welcher Ausführlichkeit und BUKO lancierte Kampagne "Stoppt Futter- freimütigen Sachlichkeit (nicht nur) mittelimporte", sondern auch praktisch- die Mainstream-Medien dem The- 30 Mio. Hungertote sind eine menkomplex globale Landwirtschaft solidarisch, sei es beim Brigadeneinsatz politische Herausforderung vor und während der WTO-Tagung in auf dem Feld in Nicaragua oder durch den Hongkong im Dezember 2005 Auf- Aufbau direkter Vermarktungsstrukturen für So berechtigt die Kritik in vielerlei Hin- merksamkeit zollten. Kaum zu über- Kaffee und andere Produkte (Stichwort: sicht ist, die Konsequenzen, die daraus sehen war allerdings auch, dass dies Sandino-Dröhnung). Politischer Höhe- gezogen werden, sind dennoch falsch, ohne nennenswertes Zutun größerer punkt dürfte die Anti-IWF-Kampagne 1988 mitunter auch zynisch: Erstens gilt es wei- Teile der Bewegungslinken erfolgt ist. gewesen sein; die unmittelbaren Auswir- terhin, die barbarische, jede konkrete Vor- Vielmehr blieb es hier zu Lande (wie kungen der IWF-Strukturanpassungspro- bereits in den vergangenen Jahren) stellungskraft sprengende Zahl von jährlich vor allem attac und Resten der BUKO, gramme wurden seinerzeit insbesondere ca. 30 Mio. Hungertoten weltweit als poli- einigen wenigen NGOs sowie klein- anhand der (Ernährungs-)Situation sowohl tische Herausforderung zu begreifen, sie bäuerlichen Zusammenschlüssen, z.B. von Kleinbauern und -bäuerinnen als auch taugt nicht als diskursiver Einsatz, weder der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher der subalternen Klassen in den Städten um Aktivismus zu erpressen, noch politi- Landwirtschaft, überlassen, diesbe- bzw. slum-cities verdeutlicht. sche Indifferenz zu rechtfertigen. Zweitens: züglich überhaupt so etwas wie kriti- An diese Kämpfe kann heute nicht mehr Landwirtschaft ist im globalen Maßstab sche Öffentlichkeit herzustellen, mit- nahtlos angeknüpft werden. Nicht nur weil immer noch die dominante Realität hin zu simulieren. das Thema in der Zwischenzeit an Kom- schlechthin - konkreter: Weltweit lebt etwas plexität reichlich zugenommen hat, son- mehr als die Hälfte der erwerbsfähigen dern auch deshalb, weil es innerhalb der Bevölkerung von der Landwirtschaft, ob als ie Zeiten scheinen längst vergessen, radikalen Linken im Zuge der 1990er (subsistenzorientierte) Kleinbäuerinnen und als sich ganze Generationen junger Jahre zu einem handfesten Bewusstsein- -bauern oder als LandarbeiterInnen. DLinker nicht zuletzt an der so seinbruch in Sachen globaler Landwirt- Die Konsequenzen agrarpolitischer genannten Hungerfrage (und somit an der schaft gekommen ist, oder ungeschmink- Beschlüsse durch die WTO und anderer, Macht kapitalistischer Agrarindustrie) poli- ter: zu regelrechter kollektiver Amnesie. gleichfalls auf Liberalisierung, Privatisie- tisierten, meist sogar radikalisierten. Exem- Der gesamte Themenkomplex gilt als out, rung und Deregulierung abzielender Ver- plarisch erwähnt seien in dieser Hinsicht er wird lieber NGOs überlassen (auf die tragswerke betreffen also unmittelbar Hun- der 1975 erstmalig veröffentlichte Klassi- mensch gleichzeitig schimpft) oder klassi- derte Millionen Menschen, womöglich ker "Vom Mythos des Hungers", die Film- schen Hilfswerken (von denen mensch mehr. Dem entspricht in Europa, dass zwar Doku "Septemberweizen" über die (mittler- eigentlich weiß, dass sie Teil des Problems die Produktion landwirtschaftlicher Roh- weile verblichene) Marktmacht von Getrei- sind). Im Regelfall werden besagte Kämp- stoffe eine ökonomisch nur noch unterge- dehändlern und das heute noch (in vielen fe als Sinnbild einer Epoche linker Politik ordnete Rolle spielt, dass jedoch die wei- Abschnitten) aktuelle BUKO-Handbuch begriffen, um die mensch vorzugsweise terverarbeitende Ernährungs- und Geträn- "Wer Hunger pflanzt und Überschuss ern- einen Bogen schlägt. Gemeinhin wird dies keindustrie (als eine zentrale Säule des tet" (1987). Eingebettet sind diese Auf- - wenn überhaupt - mit dem Überschuss Agrobusiness) mit einem Umsatz von rund

44 800 Mrd. Euro und ca. vier Mio. Beschäf- campesina, einem weltweiten Zusammen- handelsabkommen geschuldet. tigten weiterhin der größte verarbeitende schluss von Kleinbauern und -bäuerinnen, 3. Sämtliche Phasen der Agrar-Wert- Sektor in der EU ist - noch vor der Auto- LandarbeiterInnnen und Landlosen mit ca. schöpfungskette sind von jeweils wenigen mobil- und Chemieindustrie. 200 Mio. Mitgliedern. Ernährungssouverä- transnationalen Konzernen bestimmt - mit Drittens steht globale Landwirtschaft für nität umfasst mehr als das Recht auf freien katastrophalen Auswirkungen für die klein- zahlreiche weitere Problemkomplexe. Bei- Zugang zu einer ausreichenden Menge bäuerlichen ProduzentInnen: Die Saatgut- spielhaft genannt seien nur die massiven gesunder, nahrhafter und kulturell üblicher konzerne nutzen ihre Marktmacht, um ökologischen (und somit sozialen) Verwer- Lebensmittel; vielmehr ist auch das Recht immer höhere Preise für Saatgut durchzu- fungen im Zuge kapitalistischer Agrarindu- gemeint, Nahrung in bäuerlicher, d.h. setzen, so wie es das ebenfalls im WTO- strie oder Landflucht, zu deren Kehrseiten nicht-industrialisierter Produktion herstellen Rahmen abgeschlossene TRIPS-Abkom- unter anderem die Existenz gigantischer, zu können und somit das Recht, über die men den Saatgut-Konzernen zusätzlich jeder Beschreibung spottender slum-cities hierfür erforderlichen Produktionsmittel zu ermöglicht, qua Patentrecht die Saatgut- im globalen Süden gehört (s.u.). verfügen, insbesondere Land, Wasser und Abhängigkeit der ProduzentInnen perma- Feststehen sollte demnach zumindest Saatgut. Grundlegende Eigentums- und nent zu vergrößern - einschließlich Biopira- soviel: Der Themenkomplex globale Land- Verteilungsfragen sind demnach durch das terie und weiteren, meist gentechnologisch wirtschaft harrt neuerlicher Aneignung Recht auf Ernährungssouveränität eben- fundierten Schikanen. (vgl. ak 499) Die durch politische und soziale Bewegungen falls adressiert. Allein: Im globalisierten großen Zwischenhändler kaufen aus Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen in (West-)Europa; damit könnte auch eine Kapitalismus ist dieses Recht mehr denn je Kosten- und anderen Gründen (Ver- (neue) Brücke zu den unterschiedlichen für unzählige Menschen in Frage gestellt, packungsstandards etc.) ihre Produkte bäuerlichen Bewegungen rund um den ja außer Kraft gesetzt; verantwortlich ist überwiegend bei GroßproduzentInnen; Globus geschlagen werden - als dem wohl hierfür ein Bündel ganz unterschiedlicher Kleinbauern und -bäuerinnen haben dem- immer noch stärksten Arm innerhalb der Ursachen. gegenüber immer weniger Möglichkeiten, globalen Multitude. Und doch: Es dürfte ihre Produkte überhaupt zu vermarkten. kaum bestreitbar sein, dass eine derartige 1. Seit den frühen 1980er Jahren hat Am Ende der Wertschöpfungskette sitzen Renaissance politischer Auseinanderset- der IWF im Rahmen seiner Strukturanpas- die Supermarktketten, sie zahlen den Zwi- zung mit globaler Landwirtschaft derzeit sungsprogramme zahlreiche Länder des schenhändlern immer weniger, was diese wenig wahrscheinlich ist. Dennoch lohnt globalen Südens zur Reduzierung von wiederum den ProduzentInnen vom Preis es, einen (groben) Überblick über die ein- Lebensmittelsubventionen, zur weitgehen- abziehen. Konsequenz hiervon ist, dass es zelnen damit verknüpften Facetten und den Aufgabe staatlicher Infrastrukturlei- zu einer immer stärkeren Umverteilung Kämpfe herzustellen. Nicht nur weil die stungen im landwirtschaftlichen Sektor zwischen ProduzentInnen und den nachge- Problematik weiterhin existiert und deshalb (z.B. staatliche Vertriebsstrukturen, von lagerten Instanzen in der Agrar-Wertschöp- von Zeit zu Zeit in Erinnerung gerufen wer- denen vor allem Kleinbauern und -bäue- fungskette kommt: So hat sich zwar der den sollte. Nein, genauso wichtig ist, dass rinnen profitiert haben), zur umfassenden Kaffee-Umsatz im weltweiten Einzelhandel derzeit mindestens zwei politisch bedeutsa- Öffnung ihrer Agrarmärkte und zur Aus- zwischen 1990 und 2003 verdoppelt, die me Anknüpfungspunkte existieren. richtung landwirtschaftlicher Produktion Einnahmen der kaffeeproduzierenden Län- Einerseits die Proteste und Organisie- auf cash-crop-Exportprodukte wie z.B. der hingegen halbiert. rungen, die sich im (aktuellen) WTO-Kon- Kakao, Zuckerrohr oder Baumwolle text herausgebildet haben; sie sind vor gezwungen (hinter Letzterem stand das 4. Durch gezielte Ausweitung der auf allem deshalb bedeutsam, weil ja in Hon- Interesse, dass die betroffenen Länder die Großplantagen betriebenen Exportproduk- gkong kaum konkrete agrarpolitische für ihre Schuldentilgung erforderlichen tion (s.o.), Übertage-Goldabbau, Ölpipe- Beschlüsse gefällt wurden, es also auch in Devisen verdienen mögen). Im Gegenzug lines, Großstaudämme etc. - alles Maß- den nächsten Jahren massive Auseinan- haben die EU und die USA das genutzt, nahmen, die nicht selten im Namen von dersetzungen darüber geben wird, wo, ihre systematisch erzeugten Agrar-Über- IWF und Weltbank erfolgen - werden durch wen und unter welchen (Produkti- schüsse loszuschlagen: Mittels Exportsub- Kleinbauern und -bäuerinnen systematisch ons-)Bedingungen zukünftig landwirt- ventionen wurden die Märkte der betref- von ihrem Land vertrieben. Ohnehin schaftliche Rohstoffe sowie Nahrung und fenden Länder mit Getreide, Milchproduk- bestehende Verteilungsungerechtigkeiten Getränke weltweit produziert werden. ten, Zucker, Fleisch etc. zu Dumpingprei- in Sachen Land werden dadurch ver- Andererseits ist der im Mai 2007 im Ost- sen überschwemmt. Folge war, dass viele schärft, zumal IWF und Weltbank nichts seebad Heiligendamm/Mecklenburg-Vor- Kleinbauern und -bäuerinnen (auch aus unversucht lassen, umfassende Landrefor- pommern gastierende G8-Gipfel zu nen- anderen Ländern des globalen Südens) men aus prinzipiellen (d.h. politischen) nen. Klar scheint nämlich, dass sich hier zu ihre Produkte nicht mehr losschlagen Gründen zu verhindern. Lande (nahezu) die gesamte Linke - von konnten und Pleite machten. (vgl. ak 500) entwicklungs- und umweltpolitischen Im Zangengriff von IWF, WTO NGOs über attac bis hin zur radikalen Lin- 2. Das im Rahmen der WTO 1995 und transnationaler Konzerne ken - auf den Gipfel beziehen wird. Hierin abgeschlossene Agrarabkommen hat die liegt die Chance, den Themenkomplex durch den IWF hervorgebrachten Verhält- Die Konsequenzen der hier geschilder- globale Landwirtschaft innerhalb linker nisse einerseits im globalen Maßstab ver- ten, sich häufig überlappenden Prozesse Zusammenhänge zumindest wieder dis- ankert, andererseits vertieft und unumkehr- sind vielfältig, sie lassen sich nicht auf kurs- und somit salonfähig zu machen. bar gemacht. Ein einfaches Beispiel möge einen Nenner bringen: dieses Zusammenspiel illustrieren: Zwi- Für das Recht auf schen 1990 und 2000 wurden die Zölle 1. Hunger: Etwa 850 Mio. Menschen Ernährungssouveränität auf landwirtschaftliche Produkte in den hungern weltweit, ca. 30 Mio. sterben Ländern des globalen Südens von 30 Pro- jährlich, davon ungefähr 6 Mio. Kinder. Ausgangspunkt jeder Auseinanderset- zent auf 18 Prozent gesenkt: Diese Redu- Weitere Konsequenzen sind unter anderem zung mit globaler Landwirtschaft sollte das zierungen waren zu 66 Prozent IWF-Vorga- Kleinwüchsigkeit, Blindheit und stark ein- Recht auf Ernährungssouveränität sein. Die ben, zu 25 Prozent dem WTO-Agrarab- geschränkte Arbeitsfähigkeit. 80 Prozent Forderung stammt ursprünglich von via kommen und zu 10 Prozent anderen Frei- der Hungernden sind (landlose)

45 Klein(st)bauern und -bäuerinnen, 20 Pro- aufwenden. Hinsichtlich cash-crop-Pro- nis zu nehmen, ist wichtig. Denn sie zent lebt in der Stadt, meist Menschen, die duktion sei noch angemerkt, dass deren machen deutlich, dass die "Verteidigung" vom Land geflohen sind. Hunger ist stets Nutzen für die Bevölkerung tendenziell kleinbäuerlicher Landwirtschaft nichts mit das Ergebnis komplexer Prozesse, auf kei- gleich Null ist. Erstens werden auf den rückwärts gewandter Romantisierung bäu- nen Fall sollte er als Mengenproblem Plantagen nur wenige und obendrein erlicher Lebensart zu tun hat (wie in linken beschrieben werden (Stichwort: "Vom schlecht bezahlte Arbeitsplätze geschaffen, Zusammenhängen gerne kolportiert), statt- Mythos des Hungers"). zweitens ist das Land nicht für kleinbäuerli- dessen jedoch mit praktischen Fragen des che Nahrungsmittelproduktion verfügbar nackten Überlebens. 2. Die in den vergangenen zweieinhalb und drittens kommen die dort erwirtschaf- Jahrzehnten forcierten Umstrukturierungs- teten Gewinne vornehmlich den Planta- 6. Industrialisierte Landwirtschaft schlägt prozesse in der Landwirtschaft enden genbesitzern zu Gute. Die gerne zitierten auch ökologisch negativ zu Buche (inklusi- immer häufiger im weitgehenden Verlust trickle-down-Effekte zu Gunsten allgemei- ve sozialer Rückkoppelungseffekte wie kleinbäuerlicher Existenzgrundlagen und ner Infrastrukturentwicklung u.ä. fallen Landflucht etc.). Stellvertretend seien somit in (absoluter) Armut. Das gilt - bei demgegenüber eher läppisch aus. genannt: Bodenerosion bzw. Boden- allen Niveau-Unterschieden - für Klein- Katastrophale Folgen der Agrar-Wert- auslaugung, Versteppung, Wasserver- bauern und -bäuerinnen im Süden genau- schöpfungskette schmutzung, Senkung des Grundwasser- Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen so wie im Norden. Denn überall stehen spiegels, Verlust von Biodiversität, Qua- diese unter massivem Konkurrenzdruck; 4. Nahrungsmittelproduktion und -zube- litätsverlust der Nahrungsmittel (nebst auch in der EU ist das endgültige Aus für reitung ist auf das Allerengste mit patriar- gesundheitlicher Folgekosten) und Wald- die Mehrzahl kleinbäuerlicher Betriebe nur chalen Geschlechterverhältnissen ver- rodungen. Schätzungen vermuten, dass noch eine Frage der Zeit. Dies sich in aller schränkt. Konkret: Auf lokaler Ebene sind z.B. in Indien jeder US-Dollar, der aus Deutlichkeit vor Augen zu führen, ist wich- es weltweit überwiegend Frauen, die mit Agrarexporten erzielt wird, einen ökologi- tig. Denn der eigentliche Interessensge- Nahrungsdingen zu schaffen haben. Sämt- schen Schaden von etwa fünf bis zehn US- gensatz verläuft nicht - wie immer wieder liche der hier geschilderten (Negativ-)Ent- Doller verursacht. suggeriert - zwischen Norden und Süden, wicklungen müssen demnach insbesonde- Das Recht auf Nahrungssouveränität ist sondern zwischen einerseits agrarindustri- re von Frauen aufgefangen werden, sind eingangs als archimedischer Bezugspunkt eller und andererseits kleinbäuerlicher also ohne Verschiebungen in den patriar- der politischen Auseinandersetzung mit Landwirtschaft. Während z.B. in der EU ein chalen Geschlechterverhältnissen nicht globaler Landwirtschaft vorgestellt worden. Großteil der Agrar-Subventionen in die denkbar. Erschwert wird die Gesamtsituati- Dieses Recht kann auch als Richtungsfor- Taschen agrarindustrieller Großbetriebe on außerdem durch oftmals klassisch-sexi- derung verstanden werden. (vgl. und der weiterverarbeitenden Nahrungs- stische Verhältnisse; z.B. dürfen Frauen vie- Seibert/Rätz in ak 499) Denn enthalten mittelindustrie (Molkereien, Zuckerraffine- lerorts weder Land besitzen noch Kleinkre- sind nicht nur Bezugnahmen auf konkrete rien, Schlachtereien etc.) fließt, sind es im dite aufnehmen. Kämpfe im Hier und Jetzt (einschließlich Süden allenfalls die großen cash-crop- mehr oder weniger realpolitischer Forde- Plantagenbesitzer, die von Marktöffnungen 5. Es ist in jüngerer Zeit vor allem Mike rungen, z.B. des Rechts einzelner Staaten, im Norden profitieren. Letzteres ist z.B. auf Davis gewesen, der die Entstehung riesiger ihre eigenen Agrarmärkte durch Zölle zu dem Zuckerweltmarkt zu beobachten: Dort slum-cities mit weltweit knapp 1 Mrd. (sic) schützen). Vielmehr gibt es auch Bezug- stehen sich brasilianische Zuckerbarone BewohnerInnen auf die insbesondere nahmen auf weiterreichende Perspektiven. und kleinbäuerliche ZuckerproduzentInnen durch IWF und WTO hervorgerufene Verkörpert werden diese nicht zuletzt durch (unter anderem aus zahlreichen afrikani- Abwanderung überflüssiger landwirtschaft- soziale Bewegungen im globalen Süden, schen Ländern) unversöhnlich gegenüber. licher Arbeitskräfte zurückgeführt hat - ein seien es Landbesetzungen in Brasilien, Derartige Süd-Süd-Interessensgegensätze Prozess, der laut Davis auch unabhängig koreanische Bauern und Bäuerinnen auf zu betonen, heißt im übrigen nicht, die Tat- davon stattfindet, dass die Städte schon den Barrikaden von Cancun und Hon- sache zu leugnen, dass die KonsumentIn- lange ihren Status als Jobmaschinen ein- gkong oder Baustellenbesetzungen in Indi- nen im Norden hochgradig von den gebüßt haben. Samir Amin, Direktor des en - etwa im Kampf gegen Großstaudäm- Machtungleichgewichten auf den globalen Dritte Welt Forums in Dakar, wird diesbe- me. Agrarmärkten profitieren, nicht zuletzt in züglich noch deutlicher: "Eine Forcierung Gestalt niedriger Preise. der Kapitalisierung der Landwirtschaft wird I Gregor Samsa nämlich nichts weniger als den sozialen 3. Sowohl die radikalen Marktöffnungen Genozid der Hälfte der Menschheit nach erschienen in: ak, 502, Januar 2006 als auch die Ausrichtung landwirtschaftli- sich ziehen. Für sie cher Produktion auf cash-crop-Exportpro- gäbe es keinen Platz dukte haben die Importabhängigkeit der mehr." Das mögen betroffenen Länder massiv erhöht: So ist zwar drastische Worte z.B. in Kenia der Wert der Nahrungsmit- sein, sie verweisen telimporte in den ersten drei Jahren nach aber darauf, dass In-Kraft-Treten des WTO-Agrarabkommens Landflucht im 21. um 30 Prozent gewachsen, in Indien sogar Jahrhunderts anders um 168 Prozent. Faktisch heißt das, dass als im Europa des 19. aus vielen Nettoexporteuren Nettoimpor- Jahrhundert keines- teure in Sachen Nahrung geworden sind. falls bedeutet (mit ten- Da im Gegenzug jedoch der Wert für die denzieller Ausnahme meisten cash-crop-Produkte auf den Welt- von China), automa- märkten massiv gesunken ist (Stichwort: tisch ein neues Aus- terms of trade), müssen viele Länder mitt- kommen zu finden. lerweile beträchtliche Summen ihrer Devi- Solcherart Zusam- sen-Exportgewinne für Nahrungsimporte menhänge zur Kennt-

46 Von G8 zu COP9 - Zwei Gipfel, ein Protest! Wir mobilisieren gegen den Raub der Zweck dienen Patent-, Sortenschutz- und Schutzempfehlungen der CBD in starke biologischer Vielfalt und die Patentierung Markenrecht sowie internationale Verträge juristische Instrumente. von Leben wie das TRIPS-Abkommen der Welthan- Die Kämpfe sozialer Bewegungen gegen Wir – die BUKO-Kampagne gegen Bio- delsorganisation (WTO). Die Verschärfung Patente, gegen Machtkonzentration, piraterie – beteiligen uns an den Protesten dieser "Schutzmechanismen" wird in den gegen Privatisierung und gegen die Kon- gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligen- informellen Gesprächen der Regierung- trolle über biologische und kulturelle Viel- damm. Wir wollen unterbinden, dass bio- schefs vorangetrieben. falt müssen gestärkt werden. logische Vielfalt und traditionelles Wissen weiterhin zur grünen Beute von Konzernen Von G8 zu COP9 So wehren wir uns gegen die Kontrolle werden. Wir sehen aber auch die Konti- unserer Ernährung und unserer Gesund- nuität dieser neuen Form des Kolonialis- Die Spur führt vom G8-Treffen in Heili- heitsversorgung durch Agrar-, Pharma- mus, bei der das G8-Treffen nur ein Forum gendamm geradewegs nach Bonn, wo und Nahrungsmittel-konzerne. unter vielen ist. Nach der Enteignung von sich 2008 die COP9 versammeln wird, Land und der Versklavung von Menschen das neunte Nachfolgetreffen der Teilneh- Wir wollen eine Kampagne initiieren, die Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen im Laufe der kolonialen Eroberung der merstaaten der UN-Konvention über Bio- sich über den G8-Gipfel hinaus auf die Welt ist Biopiraterie eine weitere große Ent- logische Vielfalt (CBD). Während es bei COP9 richtet. Dazu suchen wir noch Mit- eignungswelle im Rahmen der kapitalisti- G8 um die Absicherung (nicht nur) der streiterInnen, die Interesse und Lust haben, schen Expansion. grünen Beute geht, steht bei COP9 die gemeinsam kreative Aktionen zu ent- Reglementierung dieses Diebstahls auf wickeln. Wir laden Euch zu einem Auftakt- G8 – geistige Eigentums- dem Programm. Die CBD setzt auf eine wochenende im November ein (der rechte auf dem Vormarsch Kombination von Schutz und Nutzung der genaue Termin wird in Kürze bekannt Natur, die ausdrücklich ihre Kommerziali- gegeben), um uns gemeinsam zu informie- Die Regierungschefs der G8-Länder sierung einschließt - eine Gleichung, die ren, zu diskutieren und mit vielen Mitstrei- sprechen auf ihren jährlichen Gipfeltreffen so nicht aufgeht. Schutz der Biodiversität terInnen diese Kampagne zu starten: Bio- das politisch-strategische Vorgehen ab. gelingt nur mit den Menschen vor Ort piraterie ist exemplarischer Ausdruck kapi- Die weitere Durchsetzung „geistiger Eigen- unter Respektierung ihrer Rechte ? etwas, talistischer Verhältnisse; Diskussionen und tumsrechte" wird ein Schwerpunkt der das die CBD bislang nicht leisten kann und Aktionen im Vorfeld und während der Absprachen in Heiligendamm sein. Unter will. bevorstehenden Gipfel sind eine gute anderem geht es dabei um Patente auf Deshalb fordern wir: Gelegenheit, hierzulande Contrapunkte Pflanzen und Tiere, deren Gene sowie · die Abschaffung geistiger Eigentums- gegen die herrschende Politik zu setzten. Gene des Menschen - mit anderen Worten rechte auf Leben, wie Patente, Sorten- um Biopiraterie. schutzrechte u.a.; I BUKO Kampagne gegen Biopiraterie, Juni 2006 Biopiraterie bedeutet: biologische Sub- · die volle Anerkennung der Rechte der stanzen und das dazu gehörige traditionel- indigenen und kleinbäuerlichen Gemein- Weitere Infos unter www.biopiraterie.de le Wissen werden zu Privateigentum schaften sowie ihre Beteiligung an jegli- Kontakt: BUKO Kampagne gegen Biopiraterie, c/o gemacht. Es klingt paradox, aber es ist so: cher Entscheidungsfindung im Rahmen der BUKO Agrarkoordination, CBD; Nernstweg 32-34, 22765 Hamburg; zuerst wird gestohlen und danach wird das [email protected] bzw. 040 - 39 25 26 Diebesgut rechtlich geschützt. Diesem · die Umwandlung der schwachen SUBJEKTIVES PROTOKOLL...... ZUM TREFFEN DER INHALTE AG IN BERLIN

Am Ende des letzten Treffens der gültiges Protokoll des letzten Tref- re verorten und alle anderen Widersprüche Inhalte AG in Berlin wurde der Vor- fens zu sein, sondern es will eines (Nationalismus, Rassismus, Sexismus, etc.) schlag gemacht, dass alle teilneh- neben vielen sein, die den Stand der von diesem ableiten, anstatt sie als gleich- menden Gruppen den Verlauf der Diskussion vor dem nächsten Treffen wertig anzusehen? Meine Position dazu ist Diskussion anhand subjektiver Proto- reflektieren. kolle festhalten. Das Anliegen dahin- bekannt. ter ist, aufzuzeigen, wie sich Positio- Im Verlauf des Treffens der Inhalte AG in nierungen nach Berlin entwickelt Berlin hangelte sich die Diskussion auch haben. Damit soll der Inhalte AG für an diesen Punkten entlang. Dabei wurde Leipzig ein Anstoß gegeben werden, m Vorfeld des letzten bundesweiten Tref- sowohl über die gesellschaftsanalytische indem die verschiedenen subjektiven fens sind durch Positionspapiere ver- Positionierung verhandelt als auch davon Eindrücke des inhaltlichen Verlaufs ausgehend über den Rahmen einer des letzten Treffens wiedergegeben Ischiedener Gruppen inhaltliche Span- gemeinsamen konkreten Mobilisierung und im Vorfeld zur Diskussion nungs- und Konfliktlinien aufgebrochen. gestellt werden. Da wir diesen Vor- Der Streit entzündete sich vor allem an nach Heiligendamm. Entlang dieser Linie schlag gut fanden, hat die teilneh- einigen wenigen Begriffen: Ist es angemes- wird sich auch dieses subjektive Protokoll mende Einzelperson der Inhalte AG sen von Imperialismus oder von Globali- des letzten Treffens entwickeln. Begriffliche des g8-plenums mannheim-heidel- sierung zu sprechen oder greifen beide Positionierungen und Differenzen sollen so berg ihren persönlichen Eindruck in analytischen Ansätze zu kurz, weil sie den weit wie möglich geklärt und verdeutlicht diesem subjektiven Protokoll zusam- Hauptwiderspruch zu emanzipatorischen und eine Perspektive auf die Mobilisierung mengefasst. Dieser Text hat daher soll eröffnet werden. keinerlei Anspruch darauf, allgemein Bestrebungen in der ökonomischen Sphä-

47 Globalisierung vs. sich in einem weiten Rahmen. Transnatio- Menschen. Er kann nichts anderes sein. Imperialismus? nale Organisationen können beispielswei- Denn er steht für die ökonomische Aus- se als Diskussions- und Planungsforen für prägung herrschender Vergesellschaftung, Am Anfang einer jeden Diskussion steht die Vertreterinnen kapitalistischer Zentren die an und für sich nur ein Verhältnis zwi- der Gegenstand, über den diskutiert wird. zur Unterjochung der Peripherie gelesen schen Menschen sein kann. Gleichzeitig Im Fall der Debatte über die inhaltliche werden oder als Verwaltungsinstanzen glo- stellt er damit auch nicht nur das Problem Mobilisierung nach Heiligendamm heißt balisierter Finanzströme gelten. an und für sich dar, sondern ist nur ein Teil dieser „Kapitalismus“. Damit hat das Kind des Problems. Es kann nur gelöst werden, zwar einen Namen, sein Charakter ist aber Als Gegenbewegungen dazu werden wenn die herrschende Vergesellschaftung noch nicht festgelegt. Genauso setzt sich eine Vielzahl von Beispielen herangezo- als Ganze angegangen wird. Deshalb wol- die Mobilisierung einen Rahmen, inner- gen. Diese lassen sich im Wesentlichen len wir diese „in seiner Tiefe und Struktur halb dessen sie operiert, ohne genau zu entweder unter den Begriff „nationale begreifen und benennen, um in unserer wissen, mit welchen Inhalten sie argumen- Befreiungsbewegungen“ oder „soziale alltäglichen Praxis zu versuchen, mit den tiert. Und eine schlichte Reduktion auf die Bewegungen“ einordnen. Der Hauptunter- modernen Gesellschaftsverhältnissen zu kernaussage „kapitalismus abschaffen“ schied besteht dabei in der Organisations- brechen und ihre Reproduktion zu verwei- (nolager bremen) ist zwar förderlich dafür, struktur. „Nationale Befreiungsbewegun- gern“ (unser nein ist das ja zum nichts des Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen das heterogene Spektrum der radikalen gen“ können, meist aufgrund des mit dem ganzen, inhalte ag mannheim-heidelberg). Linken unter einen Hut zu bringen, aber Zweck der Machtübernahme von ihnen nicht dafür, konkreten Einfluss auf gesell- vertretenen Militarismus, auch vertikal Dass im Hinblick auf eine Mobilisierung schaftliche Diskurse auszuüben. Dazu ist organisiert sein, während „sozialen Bewe- nach Heiligendamm – und allgemein in es nötig, eine differenzierte Positionierung gungen“ eine themenbezogene Sponta- den Diskursen der radikalen Linken – Kapi- zu aktuellen Entwicklungen des Kapitalis- neität innewohnt und damit eine stringente talismus eine exponierte Stellung ein- mus herauszuarbeiten, die auf einer eben- Durchstrukturierung meist nicht zu Stande nimmt, hat insofern seinen Berechtigung, so differenzierten Analyse dessen basiert. kommt. dass in der ökonomische Sphäre die Diese ist auch gleichzeitig Voraussetzung, Grundlegung für das menschliche wenn die radikale Linke aus ihrem Status In Berlin wurden die unterschiedlichen (Über)Leben vorgenommen wird. „Erst als reagierende Akteurin herauskommen Ansätze dann am Beispiel der „sozialen kommt das essen, dann die Moral“ und zur Agendasetterin werden will. Dem- Bewegungen“ verhandelt – nachdem (Brecht). Damit wird aber der Tatsache nach bin ich der gleichen Meinung wie „nationale Befreiungsbewegungen“ als noch nicht Rechnung getragen, dass ande- nolager bremen, dass es vielmehr darum positive Bezugspunkte für eine Mobilisie- re Unterdrückungsverhältnisse (Nationalis- gehen sollte, den kapitalismus konkret und rung keinen Konsens fanden. Konkret dis- mus, Rassismus, Sexismus, etc.) ihren auf der höhe seiner zeit zu begreifen (nola- kutiert wurde dann, ob eine Machtüber- Ursprung nicht im physischen Überleben ger bremen & gregor samsa zur wto und nahme durch „soziale Bewegungen“ als des Menschen haben, sondern in seiner heiligendamm). Grundlage für emanzipatorische Prozesse Bewusstseinsstruktur. Es gibt auch hun- als notwendig erachtet wird oder ob sie gernde Nationalistinnen, Rassistinnen, Exemplarisch dafür war auf dem letzten auch immer einen Kampf gegen Herr- Sexistinnen, etc. Treffen der Inhalte AG die Diskussion dar- schaft fechten, um sich eigene Rechte über, ob von Globalisierung oder von anzueignen. An diesem Punkt griff die Diskussion in Imperialismus zu sprechen sei. Globalisie- Berlin meiner Ansicht nach zu kurz. Es trifft rung betont die transnationale Komponen- An diesem Punkt blieb die Diskussion zwar zu, dass sich ihm Rahmen internatio- te des aktuellen Zustands der Entwicklung ergebnisoffen. Es wurde nicht entgültig nalistischer Bewegungsgeschichte Kapita- des Kapitalismus. Verwertungsprozesse, geklärt, ob es nun darum ginge, sich lismus am besten als einendes Moment für konkret festzumachen an globalen Finanz- umkämpfte Räume anzueignen, um darin transnationale emanzipatorische Bestre- strukturen, werden primär nicht mehr auf eigene Ansprüche umzusetzen, oder bungen eignete und eignet. Dies ist aber (national)staatlich organisiertes Kapital darum, den Kampf um diese als Kampf der Tatsache geschuldet, dass sich die zurückgeführt, sondern anhand weltweiter gegen imperiale Vorherrschaft zu begrei- anderen – gleichwertigen – Unter- Entwicklungen betrachtet. Imperialismus fen. Die Diskussion entwickelte sich aber drückungsverhältnisse in ihrer Gewichtung dagegen sieht den globalisierten Kapitalis- dahingehend, dass versucht wurde, diesen lokal stark voneinander unterscheiden. mus als eine Konkurrenzveranstaltung Widerspruch unter dem Begriff „Neu- Sexismus beispielsweise gibt es in allen nationalen Kapitals. Die Staaten der kapi- Imperialismus“ aufzulösen. Gesellschaften. Wie er sich äußert, hängt talistischen Zentren streiten um (neue) aber ab von seinen konkret gegebenen Märkte und Ressourcen und sorgen so für multiple oppression => Erscheinungsformen. Ob Frauen dazu die Ausbreitung kapitalistischer Vergesell- multiple resistance gezwungen sind, die Öffentlichkeit ver- schaftungsformen. Damit einher geht die schleiert zu betreten, oder ob sie in Rollen Implementierung einer imperialen Herr- Nachdem in den ersten Abschnitten der gedrängt werden, die ihnen zwar ihre schaft des „Zentrums“ über die „Periphe- Verlauf der Diskussion anhand zweier „Individualität“ nach außen lassen, ihnen rie“. heterogener Positionen dargestellt wurde, aber in der Gesellschaft untergeordnete werde ich nun versuchen, die darin aufge- Positionen (z. B. als Hausfrau und Mutter) Befreiungsbewegungen? zeigten Widersprüche nun ausgehend von zuschreibt, ist zwar ein (immenser) gradu- der Position, die wir mit unserem letzten eller Unterschied, aber kein wesentlicher. Im Zentrum der Kritik beider analyti- Papier bezogen, aufzulösen. Dementspre- Dieser bestimmt nur, wie ihm begegnet schen Ansätze stehen transnationale Insti- chend werde ich auch von dem Schubla- werden muss, aber nicht, dass ihm begeg- tutionen: u. a. Weltbank, IWF, WTO und dendenken der ersten Abschnitte abstand net werden muss. (Das bedeutet aber kei- nicht zuletzt die G8. Sie sind deren konse- nehmen, das mir zur begrifflichen Darstel- nesfalls, dass ich es nicht als Fortschritt quente Ausprägung transnationaler politi- lung nötig erschien. erachte, wenn niemand mehr gezwungen scher Organisation. Die Rollen, die ihnen ist, die Straße verschleiert zu betreten.) dabei zugeschrieben werden, bewegen Kapitalismus ist ein Verhältnis zwischen

48 Kapitalismus ist also nicht das einzige in Teilen widerspricht. Wer von „Neu- anti-g8-vorbereitungstreffen in berlin) ist Unterdrückungsverhältnis, das sich überall Imperialismus“ spricht, spricht von Haupt- für mich allgemein „die Wurzel für den auf der Welt breit gemacht hat. Deshalb und Nebenwiderspruch, von Zentrum und Menschen der Mensch selbst“ (Marx). sollten die transnationalen Organisationen Peripherie, kurz: von Schwarz und Weiß. Dementsprechend teile ich auch die eben auch nicht nur als symbolisch für ihn Demnach wäre es „auch nicht entschei- Ansicht, dass „die verschiedenen, weltweit angesehen werden. Vor allem die G8 ste- dend, ob es außerhalb des Kapitalismus auszumachenden ‚probleme’ nicht als ein- hen genauso für u. a. nationalistische, ras- Unterdrückungsmechanismen gibt, [...], zelmissstände interpretiert werden [dürfen], sistische und sexistische Verhältnisse. Es und entscheidend ist, dass er sie ständig die je einzeln zu bearbeiten wären. sie sind geht mir daher im Rahmen der Mobilisie- neu gebiert, weil er sie für sein uraltes Kon- stattdessen als ausdruck unterschiedlicher, rung nach Heiligendamm darum, diesen zept ‚teile und herrsche’ braucht“ (Kapital wechselseitig und global verschränkter Aspekt mit zu berücksichtigen. Der oben Macht Krieg, gegeninformationsbüro). herrschaftsverhältnisse zu begreifen.“ aufgezeigte Widerspruch, ob wir es mit Wenn Mensch davon ausgeht, dass Kapi- (input-papier, nolager). „Globalisierung“ oder mit „Imperialismus“ talismus ein dem Menschen übergeordne- zu tun haben, ist demnach für mich ter Mechanismus ist, dann mag diese Ana- Für die thematische Ausrichtung des zunächst ein untergeordneter. Wesentlich lyse korrekt sein. Tatsache aber ist, um es Camps und der Aktionen gegen den G8- erscheint es mir, den Verhältnissen als ein an dieser Stelle nochmals zu betonen, dass Gipfel ist uns wichtig, dass sowohl unsere Ganzes etwas entgegenzusetzen. Dazu alle gesellschaftlichen Verhältnisse Verhält- Ablehnung der G8 konkret offensichtlich Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen möchte ich einen „dritten Weg“ der radi- nisse zwischen Menschen sind. Daher ist es wird als auch die Absicht, eine starke inter- kalen Linken – nicht zu verwechseln mit auch wichtig, alle „Unterdrückungsmecha- nationalistische Bewegung über den Gip- dem „dritten Weg“ Schröder/Blairs – vor- nismen“ gleichwertig und ?zeitig zu pro- fel hinaus auf die Beine zu stellen. Vor- schlagen, der ausgehend von unserem blematisieren. Vor allem wenn an vertika- schläge, die dafür bis jetzt gemacht wur- analytischen Konzept der multiple oppres- len Strukturen festgehalten wird(„[...], die den, sind u. a.: „G8 stoppen! Gipfel sion versucht, alle Unterdrückungsverhält- Repression zwingt uns dazu, vertikale blockieren“ (Imperialismus pur, berliner nisse gleichwertig zu behandeln. Strukturen zu unterhalten.“ Antwort der gruppen), „aneignung, migration und pre- „Kampfgruppe Berlin“ auf die Kritik der karisierung“ (hanau) und „globale rechte Was tun! mit Heiligendamm G8-Vorbereitung Mannheim-Heidelberg), aneignen!“ (nolager bremen). Aus dieser werden aus der richtigen Analyse kapitali- Aufzählung wird bereits deutlich, dass sich Nachdem ich nun versucht habe, die stischer Verhältnisse die falschen Schlüsse die Diskussion vom „Gemischtwarenla- verschiedenen Positionierungen auf analy- gezogen. Kapitalistische Strukturen sind den“ wegbewegt hat und sich auf eine tischer Ebene dar- und gegenüberzustel- repressiv, aber aufgrund ihres kapitalisti- „thematische Klammer“ geeinigt zu haben len, soll im nun folgenden Abschnitt ver- schen Charakters und nicht aufgrund ihrer scheint. In dieser Entwicklung sehe ich den sucht werden, eine konkrete, politische Vertikalität. Menschen, deren Zusammen- Vorteil, dass sich die Mobilisierung dabei Perspektive für die Mobilisierung nach Hei- leben in vertikalen Strukturen organisiert auf einen Punkt konzentriert und gleichzei- ligendamm zu eröffnen. Dies will ich ist, sind wegen der hierarchisch geglieder- tig der Heterogenität der radikalen Linken anhand der in Berlin angerissenen Diskus- ten Zuschreibung gesellschaftlich determi- Raum gewährt wird. Nach außen wird sion über einen „Gemischtwarenladen“ nierter Rollen immer Repression ausge- Geschlossenheit suggeriert, nach innen oder eine „thematische Klammer“ setzt. Demnach gibt es nach meiner multi- wird diskutiert. machen. ple oppression-Analyse sowohl den Unter- drückungsmechanismus „Kapitalismus“ (in Offen bleibt dann noch die Frage, mit Das letzte Treffen in Berlin war geprägt der ökonomischen Sphäre) als auch das welchen Inhalten sich diese „thematische von Auseinandersetzungen über politische Unterdrückungsmechanismus „Vertikale Klammer“ füllen wird. Bis jetzt zeichnet sich Positionierungen, die nicht zuletzt aufgrund Struktur“ bzw. „Hierarchie“ (in der politi- ab, dass die meisten Gruppen „Aneig- unseres letzten Inhaltspapiers zustande schen Sphäre). Ich begreife „den gesamt- nung“ und/oder „Migration“ favorisieren. kamen. Denn durch unsere eindeutige gesellschaftlichen Unterdrückungsmecha- Mir erscheinen beide Themen geeignet, Stellungnahme zu bestimmten Themen nismus“ damit als Summe von atomaren denn jedes für sich greift aktuelle globale hatten wir die cleavages innerhalb der Unterdrückungsmechanismen. Dement- Entwicklungen auf. Dementsprechend wird radikalen Linken aufgezeigt und den Gra- sprechend würde ich es begrüßen, wenn es auch Aufgabe des nächsten Treffens der ben zwischen inhaltlichen Verortungen auf- auf dem nächsten Treffen der Inhalte AG in Inhalte AG in Leipzig sein, einen Rahmen gerissen. Welche Auswirkungen dies auf Leipzig die Diskussion darüber fortgesetzt für die Mobilisierung zu diskutieren, um die inhaltliche Debatte hatte, habe ich ver- würde, unter welchen Begriff der gegen- die inhaltliche Ausrichtung des Camps sucht, oben darzustellen. Dass sich die wärtige Stand der kapitalistischen Entwick- 2006 und der Aktionen 2007 vorzuberei- Mobilisierung unserer Ansicht nach trotz- lung zu fassen sei. ten. dem auf einen Rahmen zu bewegt, inner- I Einzelperson der Inhalte AG des G8-Plenums halb dessen eine gemeinsame Zusammen- Als allgemeine Perspektive für eine Mannheim-Heidelberg, arbeit möglich scheint, begrüße ich. Trotz- Mobilisierung nach Heiligendamm und Februar 2006 dem gibt es für mich noch wesentliche darüber hinaus teile ich den Vorschlag von Punkte, die diskutiert werden sollten. nolager bremen, den Internationalismus neu zu begründen. Für die globale Aus- Der am Ende des letzten Inhalte-Treffens richtung linksradikaler Politik ist es meiner offen im Raum stehen gebliebene Begriff Ansicht nach von Vorteil, auf diesen Begriff „Neu-Imperialismus“ deutet zwar an, dass aus bewegungshistorischen Gründen eine allgemeine Bereitschaft dazu besteht, zurückzugreifen, auch wenn er meiner althergebrachte Begriffe zu überdenken analytischen Terminologie widerspricht und sie den modernen Entwicklungen ent- (vgl. dazu meine Antwort auf die Kritik von sprechend anzupassen, doch verweist er nolager). Denn wie für nolager „aus inter- auf eine analytische Herangehensweise, nationalistischer perspektive der nabel der die unserem multiple oppression-Konzept welt die welt selbst [ist]“ (input-papier zum

49 Autonome Hintereingänge in die Festung Europa?! Antirassistische Perspektiven in Sachen G8-2007

Ist von Flucht bzw. Migration die 30.000 - 50.000 Menschen allein aus Migration" gekommen (Transit Migration). Rede, durchzieht die (antirassistische) Deutschland abgeschoben werden; eine Die Menschen treten nicht mehr primär die Linke bereits seit Jahren ein tiefer Zahl, in der noch nicht einmal die rund Ochsentour durch das ohnehin aussichts- Riss: Während die einen von der 70.000 Menschen berücksichtigt sind, die lose Asylverfahren an (so denn sie über- "Festung Europa" sprechen und vor- nehmlich das immer ausgeklügelter jährlich - so der Behördenjargon - "freiwil- haupt die Möglichkeit haben, einen Asyl- organisierte Grenz-, Lager- und lig" ausreisen, die meisten von ihnen einzig antrag zu stellen), sie kommen aber trotz- Abschieberegime attackieren, favori- deshalb, um ihrer zwangsweisen Abschie- dem. Sie kommen als undokumentierte sieren andere das Konzept der "Auto- bung zuvorzukommen. Ermöglicht worden MigrantInnen, zu Hundertausenden, und nomie der Migration" als archimedi- ist diese zunehmend eskalative Repressi- meist aus den gleichen Gründen wie schen Bezugspunkt. Demnach dürfe onsdynamik durch eine Unzahl rechtlicher, früher. Dieser Umstand verweist auf das, nicht aus dem Blick geraten, dass administrativer und institutioneller Ver- was die Autonomie der Migration in ihrem Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen allen Abschottungsbemühungen zum schärfungen bzw. Neuentwicklungen seit Kern ausmacht, "nämlich dass Migration Trotz jährlich mehrere hundertausend Menschen irregulär in die EU einrei- Beginn der 1990er Jahre. Hierzu passt, ein Moment der Selbstständigkeit gegenü- sen und ihr Überleben unter selbst- dass die EU in ihrer erst jüngst verabschie- ber politischen Maßnahmen besitzt, die sie bestimmten, wenn auch äußerst deten Asylverfahrensrichtlinie das zu kontrollieren beabsichtigen." (Transit prekären Bedingungen organisieren ursprünglich von Deutschland ersonnene Migration) Hintergrund ist, dass sich würden. Migration sei in diesem Sinne Konzept so genannter "Sicherer Drittstaa- Flüchtlinge und MigrantInnen nicht allein, als "sozialer Protagonismus", d.h. ten" übernommen hat. Danach können sondern mit Hilfe von Community-Netz- Widerständigkeit zu dechiffrieren, ja sich Flüchtlinge, die über einen "Sicheren werken auf den Weg machen: "Sie werden sie könne sogar als "erfolgreichste Drittstaat" in ein EU-Land einreisen, nicht von einer Bewegung unterstützt, die Wis- soziale Bewegung" bezeichnet werden (Seibert/Rätz, ak 499). mehr auf das Asylrecht berufen. Zu den sen besitzt, eigenen Regeln folgt und ihre sicheren Drittstaaten der EU sollen zukünf- Praxis kollektiv organisiert" (Yann Moulier tig auch Länder gehören, die noch nicht Boutang). einmal die Genfer Flüchtlingskonvention ntworten auf die mit beiden Perspek- unterschrieben haben, etwa Libyen, Auslassungen und radikale tiven verknüpften Frage- und Pro- Marokko oder Weißrussland. Unmittelbare Vereinseitigungen Ablemstellungen zu suchen, ist nicht Konsequenz wäre nicht nur, dass die von nur aus prinzipiellen, sondern auch bewe- Italien schon seit längerem rechtswidrig Dass es Flüchtlingen und MigrantInnen gungspolitischen Gründen relevant. Aktu- praktizierten Abschiebungen von boat- gelinge, Migrationskontrollen zu "umge- eller Hintergrund ist der G8-Gipfel 2007 people-Flüchtlingen nach Libyen bald hen, ihnen auszuweichen und sie ins Leere in Heiligendamm. Verschiedene Gruppen rechtlichen Segen erhalten könnten. Viel- laufen zu lassen" (Transit Migration), habe und Netzwerke setzen sich dafür ein, mehr ist beabsichtigt, fortan alle an der allerdings nicht nur mit der Autonomie der ‚Migration' zu einer zentralen thematischen EU-Außengrenze aufgegriffenen Flüchtlin- Migration selbst zu tun. Genauso wichtig Säule des Anti-G8-Widerstands zu ge und MigrantInnen direkt zurückzuschie- ist, dass die vom Festung Europa-Diskurs machen. Offen ist jedoch der Blickwinkel, ben - nicht zuletzt in diesem Kontext sind behauptete Abschottung überhaupt nicht aus dem das geschehen soll. Hinzu die mit EU-Unterstützung in Libyen, Mau- Ziel moderner Migrationspolitik ist. Beab- kommt, dass sich andere, ebenfalls an der retanien oder der Ukraine errichteten Auf- sichtigt ist vielmehr, auf der Basis beschäf- Mobilisierung beteiligte Gruppen in fang- bzw. Abschiebelager zu begreifen. tigungspolitischer Bedarfsrechnungen Sachen Migration reichlich bedeckt halten. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch die "einen aktiven Prozess der Inklusion Prominentestes Beispiel ist zweifelsohne neoliberale Dauerbeschallung, mit der seit migrantischer Arbeit durch ihre Klandesti- attac. Hervorzuheben ist deswegen, dass nunmehr anderthalb Jahrzehnten das Ende nisierung zu produzieren" (Sandro Mezza- der Themenkomplex Migration im Schnitt- des fordistischen Sozialstaatsmodells pro- dra). An der Grenze wird mit anderen feld zahlreicher Kämpfe um (globale) pagiert und somit die rassistische Ausgren- Worten weniger über die Quantität der soziale Rechte steht. Es wäre mit anderen zungsbereitschaft großer Teile der Gesell- Zuwanderung gewacht, wichtiger ist dem- Worten geradezu sträflich, die einschlägi- schaft massiv angestachelt wird. Davon gegenüber die qualitative Stellung von gen Zusammenhänge nicht systematisch künden nicht nur "national befreite Zonen" Flüchtlingen und MigrantInnen. Denn erst auszuloten, auch im Hinblick auf die für in Ostdeutschland, sondern auch nicht ihre (hierarchisch gestaffelte) Entrechtung den G8-Gipfel allenthalben ins Auge enden wollende Integrationsdebatten um macht sie zu flexibel verfügbaren und in gefasste Kooperation unterschiedlicher Kopftücher, Beliner Schulhöfe oder pseu- Sachen Lohn und Arbeitsbedingungen Protestspektren. do-homophile Einbürgerungstests. mehr oder weniger einfach erpressbaren Demgegenüber zeichnen die Protagoni- ArbeitsnomadInnen. Im Schnittpunkt der Kämpfe stInnen der Autonomie der Migration ein Und doch: So prekär die Aufenthalts-, um globale soziale Rechte ungleich helleres, ja opulenteres Bild: So Beschäftigungs- und Lebensverhältnisse sei die Behauptung schlicht falsch, wonach sein mögen, eines darf aus Sicht der Auto- Die Rede von der Festung Europa zielt heutzutage weniger Flüchtlinge und nomie der Migration keineswegs hinten im Kern auf drei Entwicklungen: Erstens, MigrantInnen nach Europa kämen. Richtig runterfallen: Ist von migrantischen Kämp- dass es immer weniger Menschen gelingt, ist aus ihrer Sicht vielmehr, dass die im fen die Rede, sind die alltäglichen, seitens überhaupt als AsylbewerberInnen nach Festung Europa-Diskurs minutiös geschil- des Staats nur schwer kontrollierbaren Europa zu kommen. Zweitens, dass es in derten Technologien der Migrationskon- Überlebensstrategien von Flüchtlingen und den meisten EU-Ländern kaum noch mög- trolle die Bedingungen, unter denen MigrantInnen an sich gemeint. Diese lich ist, als AsylbewerberIn anerkannt zu Migration stattfindet, verändert haben. mögen zwar größtenteils keine politische werden. Drittens, dass Jahr für Jahr ca. Konkret: Es ist zu einem "Formwechsel der Artikulation erfahren (was oftmals auch

50 gar nicht so einfach wäre), sie stellen zurückgeschoben werden (zuzüglicher namik aufweisen; und auch stimmt es, jedoch eine ständige Herausforderung der derer, die ‚freiwillig' ausreisen). Zweitens, dass die neoliberale EU aus ganz verschie- herrschenden Ordnung dar, ja durch ihre dass Jahr für Jahr Zehntausende - womög- denen Gründen an (undokumentierten) pure Faktizität verändern sie die Europäi- lich mehr - Europa gar nicht erst erreichen. Niedriglohnarbeitskräften aus der Periphe- schen Gesellschaften ständig - es mag Erinnert sei an den Kosovo-Krieg 1999, rie interessiert ist. Vor diesem Hintergrund diesen gefallen oder nicht. als ca. 550.000 von 800.000 kosovari- gewinnt die These, dass aktuell (in Südost- schen Flüchtlingen direkt in temporäre und europa) ein Migrationsregime entsteht, Bei aller Vorläufigkeit in der Darstellung, streng bewachte Flüchtlingslager in Alba- "welches den Transit und eine prekäre Ein- es lässt sich bereits festhalten, dass das nien und Mazedonien ‚gelotst' und so an wanderung mit ihren informalisierten Öko- Konzept der Autonomie der Migration in der Weiterreise in die EU gehindert wurden nomien institutionalisiert" (Transit Migrati- dreierlei Hinsicht eine wertvolle Ergän- (Stichwort: Regional Protection Areas). on), ihre spezifische Plausibilität. Genauso zung, mithin Relativierung des Festung Drittens, dass regelmäßig Menschen auf richtig ist es aber auch, dass das Gros der Europa-Diskurses darstellt: Erstens wird dem Weg in die EU ums Leben kommen. MigrantInnen aus ordnungspolitischen und dessen tendenziell flüchtlingspolitische Allein seit Anfang des Jahres sollen vor finanziellen Erwägungen unerwünscht ist, Engführung aufgebrochen und somit der den Kanarischen Inseln (im Zuge der ver- das gilt insbesondere für Flüchtlinge. Inso- politische bzw. antirassisti- fern zielt Migrationspolitik sche Raum weit geöffnet. in ihrer Gesamtheit stets Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen Das geht zweitens mit einem auf beides: Illegalisierung in seiner politischen Bedeut- einerseits, Abschottung samkeit kaum überschätz- andererseits - eine Dop- baren Brückenschlag ins pelfunktion, die durch den Feld (prekarisierter) Begriff des Filters treffend Erwerbsarbeit einher - Stich- auf den Punkt gebracht wort: Kommunikation der wird. Bewegungen. Drittens wird 2. VerfechterInnen der jeder Form von Viktimisie- Autonomie der Migration rung eine offensive Absage beäugen die politische erteilt. Die Degradierung Auseinandersetzung mit von Flüchtlingen und strukturellen Hintergrün- MigrantInnen ist zwar mit- den von Flucht und Migra- nichten ein fester bzw. kon- tion kritisch - so wie sie stitutiver Bestandteil des sich z.B. in dem Karawa- Festung Europa-Diskurses; ne-Slogan artikuliert "Wir indem dieser jedoch vorran- sind hier weil ihr unsere gig - auch aufgeladen mit Länder zerstört". Eine sol- apokalyptischer Rhetorik - che Thematisierung laufe das Moment der Abschottung in den Mit- schärften Überwachung des Mittelmeers) Gefahr, Menschen zum Spielball objektiver telpunkt rückt, passiert es regelmäßig, dass bis zu 7.000 Menschen ertrunken sein. Zwangssituationen zu degradieren; auf sowohl im linken als auch im bürgerlich- Viertens, dass Flucht und Migration durch diese Weise würde einem humanistischen liberalen Verständnis der Festung Europa- migrationspolitische Maßnahmen nicht nur Diskurs in die Hände gespielt, der Flücht- Metapher Flüchtlinge und MigrantInnen teurer, sondern auch risikoreicher gewor- linge und MigrantInnen einzig als hilflose kaum noch als handelnde Subjekte auf- den sind, mit der Konsequenz, dass sich Opfer wahrzunehmen, ja zu akzeptieren tauchen. immer mehr Menschen abschrecken las- im Stande sei, nicht aber als gesellschaftli- sen und gar nicht erst aufbrechen che Akteure, die (offensiv) ihre Rechte ein- Allein: Auch die Autonomie der Migrati- (während zugleich die Zahl aufbruchwilli- fordern bzw. wahrnehmen. Diese Kritik ist on ist nicht sakrosankt. Sie enthält eben- ger MigrantInnen permanent im Wachsen zweifelsohne wichtig, mensch sollte sich falls Auslassungen und radikale Vereinsei- begriffen ist). Hierfür sprechen nicht zuletzt jedoch davor hüten, Potemkinsche Dörfer tigungen, und auch ist ihr - allen Dementi zahlreiche Berichte und Untersuchungen zu errichten. Denn dass Voluntarismus vs. zum Trotz - immer wieder ein die migranti- aus Ländern wie Algerien, Marokko oder Determinismus bzw. Subjektivismus vs. schen Kämpfe glorifizierender Zungen- Nigeria, wo zwar große Teile der überwie- Objektivismus falsche Gegensätze und schlag eigen, zumindest werden State- gend arbeitslosen Jugend geradezu beses- folglich ungeeignet sind, die komplexe, ments aus dieser Ecke häufig so aufgefas- sen von der Idee zu sein scheinen, ihr mitunter widersprüchliche Dynamik von st. Glück in Europa oder den USA zu suchen, Flucht und Migration angemessen zu wo in letzter Konsequenz jedoch relativ beschreiben, darauf lässt sich in der kon- Fallstricke des Festung- wenige tatsächlich den Sprung wagen. kreten Debatte meist relativ einfach ver- Europa-Diskurses Konkret folgt hieraus: Es ist irreführend, ständigen - und sei es mit Marx: "Die Men- Migrationspolitik als defensive (sic) Reakti- schen machen ihre eigene Geschichte, 1. Die These, wonach Migrationskon- on des Staates zu bestimmen, welcher es aber sie machen sie nicht aus freien trollen die Wege von Flüchtlingen und darum ginge, Flüchtlinge und MigrantIn- Stücken, nicht unter selbstgewählten, son- MigrantInnen nicht aufhalten, sondern nen zu illegalisieren (und somit der Über- dern unter unmittelbar vorgefundenen, allenfalls "verlängern und umleiten" könn- ausbeutung preiszugeben), gleichsam als gegebenen und überlieferten Umständen." ten (Transit Migration), ist - jedenfalls in Kompensation dafür, dass es ihr nicht ihrer Buchstäblichkeit - absurd. Wer so gelinge, die Zugänge nach Europa effektiv Leerstellen im Konzept der argumentiert, reißt Zusammengehöriges zu regulieren. Es stimmt zwar, dass allem Autonomie der Migration auseinander und blendet zentrale Sachver- Potenzgehabe europäischer Innenpolitike- halte aus: Erstens, dass jährlich weit über rInnen zum Trotz die Bewegungen der Politisch spricht indessen vieles dafür, die 500.000 Menschen aus der EU ab- bzw. Migration eine bewundernswerte Eigendy- konkrete Situation in den Herkunftsländern

51 von Flüchtlingen und MigrantInnen mit auf Städten wie Frankfurt, München oder Stutt- tInnen projektiv als ‚Überzeugung qua die antirassistische Tagesordnung zu set- gart, wo über 20% der Bevölkerung einen Position' zugeschrieben werden. Vielmehr zen: Flucht und Migration sind tief in die migrantischen Hintergrund aufweist. Mit dürfte die Idee globaler Bewegungsfreiheit globalen Peripherie-Zentrums-Beziehun- anderen Worten - die auf den ersten Blick ihre praktische Wirkmächtigkeit einzig gen eingebettet. Beispielhaft erwähnt seien etwas gewöhnungsbedürftig anmutende unter der Bedingung entfalten, dass sie in die dramatischen, insbesondere durch Argumentation beruht auf der Prämisse, politischer Absicht kollektiv und massen- IWF, WTO und transnationale Konzerne dass der Begriff der ‚sozialen Bewegung' haft Aneignung erfährt - sei es durch vorangetriebenen Zerstörungsprozesse nicht politizistisch verkürzt, sondern um die Flüchtlinge und MigrantInnen selbst oder kleinbäuerlicher Existenzgrundlagen, wel- Dimension alltäglicher, oft still von statten durch Dritte. Erst also wenn sich politische che seit den frühen 1980er Jahren nicht gehender Widerständigkeit ergänzt werden und alltägliche Widerständigkeiten im nur in Mittelamerika, sondern auch in sollte. Konkret folgt hieraus, dass es auch Rahmen gemeinsamer sozialer Bewe- zahlreichen Subsahara-Ländern oder auf die Alltagskämpfe von MigrantInnen als gungspraxen überlagern, mithin amalga- den Philippinen massive Flucht- und Wan- politische Widerstandsakte zu begreifen mieren und auf diese Weise zum wechsel- derungsbewegungen nach sich gezogen gilt, d.h. als Versuche, die Grenzen der seitigen Resonanzraum werden (ohne je haben (ak 502). Einen Brückenschlag zwi- Staatsbürgerschaft aufzubrechen, neue deckungsgleich zu sein), sind die Voraus- schen hiermit verknüpften Forderungen - Räume der Freiheit und Gleichheit zu setzungen geschaffen, aus denen substan- Teil II: Inhhaltliche Auseinandersetzungen z.B. das ‚Recht auf Ernährungssouveränität' erschließen, transnationale Räume aufzu- tielle Verschiebungen im gesamtgesell- - sowie migrationsbezogenen Forderungen bauen, das Recht auf Mobilität einzufor- schaftlichen Kräfteverhältnis hervorgehen - z.B. ‚Für globale Bewegungsfreiheit' - dern bzw. in Anspruch zu nehmen etc. (vgl. können. herzustellen, würde erstens soziale Bewe- Frassanito-Netzwerk 2006). Als Paten die- Bis das jedoch tatsächlich der Fall ist, gungen zusammenbringen, die gemeinhin ser Argumentation fungieren meist - das gilt es, auch jenen Fragen und Wider- nichts miteinander zu tun sprüchlichkeiten stärker haben und somit deren Pro- Aufmerksamkeit zu schen- teste wechselseitig stärken. ken, die im Diskurs der Zweitens dürfte auf diese Autonomie der Migration Weise deutlicher als sonst regelmäßig ins Hintertref- sichtbar werden, dass fen geraten. Gemeint sind Migration elementare Fra- hiermit - über das bereits gen globaler (Verteilungs- Gesagte hinaus - die )Gerechtigkeit aufwirft - fürchterlichen Arbeitsver- woraus z.B. die Forderung hältnisse im prekarisierten erwächst, europrotektioni- Niedriglohnsektor, oder stischen Lösungsstrategien die Tatsache, dass die rei- prinzipiell eine Absage zu chen Industrieländer erteilen: Einerseits weil der- bereits seit langem auf artige Optionen politisch- Niedriglohnarbeitskräfte ethisch nicht legitimierbar angewiesen sind und es sind - Stichwort: Globale deshalb auch von dieser Rechte. Andererseits weil Warte aus fragwürdig ist, sich soziale Verwerfungen, (undokumentierte) migran- die im Zuge kapitalistischer tische Arbeit als subversi- Globalisierung auch in ven Aneignungsakt zu eti- Europa verstärkt auftreten, weder kurz- nur am Rande - Toni Negri und Michael kettieren. Selbst die viel zitierten Rücküber- noch langfristig dadurch abfedern lassen, Hardt, die "Desertion, Exodus und Noma- weisungen durch ArbeitsmigrantInnen an dass Flüchtlinge und (undokumentierte) dismus" in ihrem Buch "Empire" als zeit- ihre Familien gehen Hand in Hand mit MigrantInnen entrechtet und strukturell in gemäße "Grundform von Widerstand", ja systemstabilisierenden Effekten: Denn vie- Lohn- und andere Konkurrenzen zu EU- als "machtvolle Form des Klassenkampfs" lerorts, etwa in El Salvador, fördert der BürgerInnen gebracht werden. konzeptualisieren. Staat die Rücküberweisungen als hoch Und doch: es spricht einiges dafür, poli- willkommene Kompensation für Einnah- Ins Blickfeld nehmen: Fragen tische und alltägliche Widerständigkeiten meausfälle, mit denen sich die Menschen und Widersprüchlichkeiten nicht umstandslos ineineinander aufgehen im Zuge neoliberaler Politiken konfrontiert zu lassen. Denn es gibt keinen automati- sehen. 3. Aus Sicht der Autonomie der Migrati- schen Umschlag von individuellen (wenn on gehörten die kollektiv organisierten auch netzwerkförmig organisierten) Über- Es dürfte klar sein, die Debatte ist an Flucht- und Migrationsbewegungen zu den lebensstrategien zu kollektiv strukturierten diesem Punkt nicht beendet. Eine Chance, erfolgreichsten sozialen Bewegungen Prozessen emanzipatorischer Gesell- sie fortzusetzen, könnte die bereits ange- überhaupt. Begründet wird dies damit, schaftsveränderung. Oder ungeschmink- laufene Anti-G8-Mobilsierung sein, dass es Flüchtlingen und MigrantInnen ter: Wer Grenzen undokumentiert über- womöglich auch im Hinblick auf die von immer wieder gelingt, temporär oder dau- schreitet und somit das Grenzregime fak- verschiedenen Gruppen vorgeschlagene erhaft in den reichen Industrieländern Fuß tisch unterminiert, ist noch lange keinE Großaktion für ‚Bewegungsfreiheit' und zu fassen - ob durch schrittweise Statusfe- KämpferIn für globale Bewegungsfreiheit ‚Gleiche Rechte' kurz vor Gipfelbeginn stigung, Heirat, Familienzusammen- (und muss es auch gar nicht sein). Mas- (vgl. www.nolager.de). führung, undokumentierten Aufenthalt senhafter Nomadismus ist zwar die zentra- I Gregor Samsa (NoLager Bremen) oder staatliche Massenlegalisierung. Auf le Quelle, aus der sich die Idee globaler diese Weise ist selbst Deutschland in den Bewegungsfreiheit speist, dennoch sollte erschienen in: letzten 50 Jahren wider Willen zum fakti- dieses ‚theoretisch' gewonnene Konstrukt ak - analyse & kritik - Zeitung für linke Debatte und schen Einwanderungsland geworden - mit auf keinen Fall Flüchtlingen und Migran- Praxis / Nr. 506 / 19.5.2006

52 Teil III: Kampagnen- und Aktionsvorschläge

Teil III: Kampagnen- und Aktionsvorschläge

53 Erster Aufruf zu einer Großaktion unter dem Motto "Für globale Bewegungsfreiheit" und "Gleiche Rechte für Alle" ("freedom of move- ment" and "equal rights") im Rahmen der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel 2007 in Deutschland

ir sind hier, weil ihr unsere Länder Seit vielen Jahren kämpfen wir gegen ten Großaktion aufzurufen, wahrscheinlich zerstört." In diesem zentralen Slo- das brutale EU-Grenzregime, gegen in Form einer Großdemonstration einen Wgan der "Karawane für die Rechte Abschiebungen, gegen rassistische Kon- Tag vor dem Beginn des Gipfels, auf jeden der Flüchtlinge und MigrantInnen" wird trollen wie z.B. die "Residenzpflicht", gegen Fall mit den zentralen Forderungen nach ausdrücklich ein Zusammenhang zwischen Lager etc.. Insbesondere der Widerstand globaler Bewegungsfreiheit und gleichen kapitalistischer Zerstörung einerseits und gegen Lager und Abschiebeknäste hat an Rechten (und womöglich weiteren Slo- Flucht und Migration andererseits herge- Bedeutung zugenommen, seit das Lagersy- gans). stellt. Die G8-Regierungen - wie auch stem nicht nur innerhalb der EU ausgebaut WTO, IWF und Weltbank - tragen jedoch sondern sogar "externalisiert" wird, also Hiermit laden wir die verschiedenen

Teil III: Kampagnen- und Aktionsvorschläge nicht nur die Verantwortung für neokolo- vorverlagert z.B. in Länder wie die Ukraine, Netzwerke und Organisationen, die an niale Ausbeutungsverhältnisse im globalen Libyen oder Tunesien. Als antirassistische den kommenden Protesten gegen den G8 Süden. Sie setzen vielmehr auch gezielt auf Netzwerke werden wir unsere Kämpfe beteiligt sein werden, dazu ein, diesen Vor- Prozesse verschärfter Auslese und Aus- gegen diese Politik fortsetzen, 2006 z.B. schlag aufzugreifen und damit unser Anlie- grenzung in den nördlichen Teilen des mit weiteren NoLager-Aktionen, aber auch gen zu unterstützen, globale Bewegungs- Globus, auf Hierarchisierungen in rechtli- auf der alltäglichen Ebene dadurch, dass freiheit und gleiche Rechte gegen das welt- cher, sozialer und politischer Hinsicht. wir den permanenten Prozess unterstützen, weite Apartheidregime zu einer zentralen Diese und weitere Entwicklungen - ob im mit dem das rassistische Migrationsregime Säule der gemeinsamen Anti-G8-Mobili- Norden oder Süden - sind es, was uns von Jahr für Jahr hunderttausendfach unterlau- sierungen zu machen. Im Gegenzug globaler Apartheid sprechen lässt. fen wird. bedeutet das für uns natürlich auch, dass wir Schwerpunkte und Forderungen ande- Als im Oktober 2005 Tausende Flücht- Globale Bewegungsfreiheit (freedom of rer Netzwerke ebenfalls unterstützen wol- linge und MigrantInnen kollektiv die Gren- movement) war bereits der zentrale Slogan len. Denn genau in solchen Querverbin- zzäune in Ceuta und Melilla stürmten, einer migrationsbezogenen Großdemon- dungen und Kooperationen liegt unser drangen die zentralen darin zum Ausdruck stration während der Anti-G8-Mobilisie- Interesse an einer starken und gemeinsa- kommenden Forderungen nach globaler rung in Genua 2001. Für Bewegungsfrei- men Anti-G8-Mobilisierung. Bewegungsfreiheit und Teilhabe ("gleiche heit und Bleiberecht lautete im April 2005 I NoLager-Netzwerk im Dezember 2005 Rechte") für einen kurzen Moment ins auch das Motto des europaweiten Aktions- http://nolager.de/ Bewusstsein der allgemeinen Öffentlich- tages, der auf dem Dritten europäischen keit. Gleichzeitig traten auch die Sozialforum in London beschlossen und Weitere ErstunterzeichnerInnen: Karawanegruppe Bre- men, Karawanegruppe München, Antirassismusple- unmenschlichen und repressiven Maßnah- entsprechend in der dortigen Abschlusser- num Göttingen, kein mensch ist illegal Hamburg, men des europäischen Migrationsregimes klärung festgehalten worden war. Wir wol- Kanak Attak Hamburg, Aktionsbündnis gegen mehr als deutlich zu Tage: Todesschüsse, len diesen und ähnlichen Beispielen folgen Abschiebung Rhein-Main, Bürengruppe Paderborn, Internierungen, Massenabschiebungen und schlagen deshalb vor, im Rahmen der Initiative gegen das Chipkartensystem Berlin, kein mensch ist illegal Hanau und dergleichen mehr. Anti-G8-Aktivitäten 2007 zu einer erneu- FelS zu Migration

Liebe Mobilisierung gegen den G8-Gip- zung von der Idee des "Gemischtwarenla- lung der Inhalte ist unserer Auffassung fel 2007 in Heiligendamm, dens", darauf, einen "roten Faden" und nach ein zentraler um nicht zu sagen der innerhalb der Mobilisierung gegen den eine gute Art der "Zuspitzung" zu erreichen. neuralgische Punkt: Wer bringt wie die G8 dreht es sich im Rahmen von Dissent! Deshalb wollen wir den zuletzt in Hamburg eigenen Inhalte an die Öffentlichkeit? mit den Fragen nach Namen und Bedeu- unterbreiteten Vorschlag aus Hanau, Dabei verweisen die Erfahrungen darauf, tung der Hallmarks darum, so etwas wie bestimmte Themenfelder stärker ins Auge dass RegierungsvertreterInnen mit ihren eine Identität zu finden und den Charakter zu fassen, aufgreifen. Denn wir als FelS- Verlautbarungen und (v)erklärten Verhand- der Mobilisierung auszuhandeln. Über AG plädieren ebenfalls für eine themati- lungsergebnissen Rang eins, danach diese zwei Punkte hinaus besteht, wie sich sche Klammer bei der Mobilisierung und NGOs und nahestehende KünstlerInnen in Hamburg abzeichnete, die Frage nach wollen Euch vorschlagen, das Thema mit Rang zwei in der Wahrnehmbarkeit der Struktur der Mobilisierung. Wir wollen Migration ins Zentrum zu rücken. "der Öffentlichkeit" stehen. Linke und links- an dieser Stelle nun einen Beitrag zur radiale Themen und Ansätze sind häufig inhaltlichen Diskussion einbringen. I. Plädoyer für eine auf dem "Siegertreppchen" nicht vorhan- "thematische Klammer" den, sind von Außen nur sporadisch und Wie auch bei den jüngsten Texten aus zufällig erkennbar, und wenn doch, dann Bremen ausgedrückt, meinen wir, dass die Wir möchten gerne, dass die linksradi- steht die Berichterstattung von Riots im Debatte um eine inhaltliche Stoßrichtung kale Mobilisierung ein Profil hat, das auch Vordergrund. Unsere Rolle besteht traditio- im Vordergrund stehen und weitergeführt innerhalb einer gesellschaftlichen Debatte nell in der Störung des Gipfels, und uns werden sollte. Wir beziehen uns dabei erkennbar ist. bleibt in der Regel, die massive Gegenmo- nicht auf den Ansatz, "Internationalismus bilisierung und die vielfältigen Aktionsfor- neu zu begründen", sondern, in Abgren- Das mediale Szenario bzw. die Vermitt- men hervorzuheben und zu loben.

54 Wir (als FelS) beteiligen uns an der ständigen und unabhängigen Themen- Rechts und Rechtspopulisten bedeutet. Wie Mobilisierung zu den G8-Protesten in Hei- wahl die Möglichkeit, von einer thematisch die Erfahrungen der Gipfelmobilisierungen ligendamm, weil wir den Versuch unter- defensiven in eine offensive Haltung zu in den letzten Jahren gezeigt haben, wur- nehmen wollen, darüber hinaus zu gehen. kommen: Nicht wir hängen davon ab, was den linke Forderungen/Themenfelder Das ist auch ein wesentliches Argument von oben an Themen diktiert wird, sondern immer wieder, insbesondere von NGO- dafür, dass wir Teil der Interventionistischen wir sind selbst diejenigen, die wissen, was Seite, in den herrschenden Diskurs über- Linken sind und uns für einen breiten wichtig ist und woran wir arbeiten wollen. setzt. (Dies wurde und wird besonders Bündnisprozess einsetzen, in dem eine deutlich anhand der Debatten rund um linke Strömung klar sichtbar ist. Eine thematische Klammer ist gleichbe- Verschuldung.) Mit der Einforderung von deutend mit einer Energiebündelung. Eine globalen sozialen Rechten entgeht mensch Die Mobilisierung wird darin bestehen Konzentration auf emanzipationshaltige einerseits weitgehend dieser Vereinnah- die erfolgreiche Störung und mittelfristige Themen erleichtert die Abgrenzung gegen mungsproblematik, knüpft andererseits Abschaffung des Gipfels zum Ziel zu liberale und rechte Versuche der Verein- aber zugleich an aktuellen gesellschaftli- haben. Oder sie kann darin bestehen, die nahmung. Die Vorstellung, die Mobilisie- chen Debatten an: Migration und Prekari- Verschiebung gesellschaftlicher Diskurse rung gegen den Gipfel (strategisch, auf sierung sind in aller Munde. Diese not- zu erreichen. Oder sie kann BEIDES sein! mittel- bis langfristige Ziele gerichtet) auch wendige Anschlussfähigkeit an gesell- als "Transmissionsriemen" zu anderen schaftliche Debatten sehen wir bei ande- Teil III: Kampagnen- und Aktionsvorschläge Wir haben uns als ein wesentliches Ziel Bewegungen zu sehen, klang auch bei ren möglichen Themenfeldern (z.B. Privati- gesetzt, eigene Inhalte deutlich in einem anderen Vorschlägen, zuletzt beim Inhalts- sierung, Militarisierung) weniger gegeben. bestehenden gesellschaftlichen Diskurs AG-Treffen in Berlin, durch. unterzubringen. Es sollte bei der Mobilisie- Auch innerhalb eines breiten Bündni- rung auch darum gehen, aus der besagten Unser Vorschlag bedeutet keineswegs, sprozesses ist es möglich über das Thema Rolle auszubrechen und die Grenzen zu dass es inhaltliche Vorgaben oder Zwänge Migration und über die Forderung nach verschieben, die andere, aber auch wir geben soll, wie sich Einzelne oder Grup- gleichen sozialen globalen Rechten immer selbst, uns gesetzt haben. pen auf den G8 vorbereiten. Sondern bei wieder auf Auswirkungen der Politik der der vorgebrachten Überlegung handelt es G8-Staaten im hier und jetzt und die damit Deshalb machen wir den Vorschlag, ein sich lediglich um einen strategischen Vor- verbundenen Ausgrenzungsmechanismen Thema (oder ein Themenbündel) offensiv schlag: parallel zu dem Ziel, den G8 zu zu verweisen in den Vordergrund zu rücken, das weder verhindern, inhaltlich markante Pflöcke in von der G8-Agenda noch von den NGOs eine breitere gesellschaftliche Debatte ein- Das Thema Migration in den Mittelpunkt bestimmt wird. Diesen thematischen zuschlagen. zu stellen bedeutet, Bündnisse mit denen Schwerpunkt wollen wir innerhalb der Pro- zu schließen, die von der neoliberalen teste stark machen, um eine linksradikale Es geht unserer Ansicht nach darum, Attacke im globalen Maßstab am ärgsten Position sichtbar werden zu lassen, die sich Themen heraus zu greifen, die möglichst betroffen sind: den Menschen im Trikont nicht so schnell im Wust parallel vorgetra- weitreichende Wirkung sowie Potenzial zur und denjenigen, die gekommen sind, um gener Meinungen und Forderungen ver- Polarisierung und Abgrenzung haben, und im industrialisierten Norden leben. Dabei liert. Die Auseinandersetzung mit der kon- sie in eine gute Mobilisierung gegen den wollen wir versuchen, die Zusammenhän- kreten Agenda des G8-Gipfels (zum jetzi- G8-Gipfel einzubetten. Denn diese Ver- ge zwischen Kolonialismus und Neokolo- gen Zeitpunkt noch unbekannt) wird knüpfung verspricht den größten gesell- nialismus, der Abschottungspolitik der G8, sicherlich vom NGO-Spektrum abgedeckt schaftlichen Effekt. Und den wollen wir. der IWF-Auflagenpolitik, mangelnden Ein- werden. (Wie wir uns dazu verhalten, müs- kommensmöglichkeiten in Herkunftslän- sen wir im Laufe des Prozesses ausloten.) II. Schwerpunktthema dern, Krieg und Verfolgung und den Mit einer eigenen Schwerpunktsetzung lau- Migration Flucht- und Wanderungsbewegungen auf- fen wir nicht Gefahr, vom Gravitationsfeld zuzeigen. Der Gegensatz, den globaler der NGOs angezogen und dann inhaltlich Wir schlagen vor, sich auf Migration als Kapitalismus hervorbringen kann, drückt übertönt zu werden. Und selbst wenn wir inhaltliches Schwerpunktthema der Mobili- sich deutlich im Nord-Süd-Gefälle aus. mit unserem Themenschwerpunkt nicht so sierung gegen den G8-Gipfel 2007 zu Eine Linke, die sich radikal gesellschaftli- deutlich an die Öffentlichkeit kommen konzentrieren. chen Veränderungen verschreibt, wird sich sollten, haben wir dennoch den wichtigen zu dieser Situation verhalten. In traditionel- Schritt getan, für uns weitergekommen zu Die Stärke der undogmatischen Linken ler Lesart könnten wir schreiben, dass es sein. ist mitunter ihr Problem: die Vielfalt. Daher sich um die global gestellte Klassenfrage wünschen wir uns, bei der Mobilisierung handelt. Migration ist der Anspruch auf Dieser Gedanke beruht auf den Erfah- aus der Vielfalt heraus das Thema Migrati- Teilhabe am Reichtum - und bedeutet rungen der letzten Gegengipfel, und der on heraus zu greifen: denn durch die damit: die soziale Frage global neu zu stel- vielfach geäußerten Erkenntnis, neben den Fokussierung ist die Wahrscheinlichkeit am len. Aktionen eine nachhaltige Entwicklung größten, außerhalb "unserer" Strukturen politischer Projekte schwer aufrecht erhal- Öffentlichkeit zu erreichen, einen eindeuti- Fest steht, dass die Freiheit der Kapital- ten zu können. Dabei handelt es sich auch gen Kontrapunkt zu Regierungspositionen ströme zusammen mit dem Versuch, um den Wunsch, konstruktive Debatten zu beziehen, und von der Anti-Haltung zu "unqualifizierte" Arbeitskräfte in den armen innerhalb der Bewegung anzustoßen, die einer konstruktiven Haltung zu kommen. Ländern festzuhalten, zu einem Merkmal ihr über den Anti-Kapitalismus hinaus ein wenn nicht der tragenden Säule des heuti- schärferes Profil verleihen und damit die Die Vorteile des Themas bestehen darin, gen Kapitalismus und seiner Ausbeutungs- Schlagkraft erhöhen. Davon völlig unbela- mit einer linksradikalen Forderung neben strukturen geworden ist. Wesentlich ist stet ist eine rasante Mobilisierung gegen NGOs ein eindeutiges Profil zu haben, das dabei die Kontrolle der Grenzen sowie ent- den Gipfel selbst. deutliche Position gegen die gnadenlose sprechender Maßnahmen, die MigrantIn- EU-Abschottungs-Politik einnimmt und nen abschrecken sollen - das Ganze wird Wir sehen mit dem Ansatz einer eigen- auch eine eindeutige Abgrenzung gegen "Zuwanderungssteuerung" genannt. Sich

55 eindeutig und positiv auf aktive und Auch Krieg und Flucht sind Migrations- als auch bei Aktionen und Aktivitäten das, unkontrollierte Migration und damit offene gründe, die im Zusammenhang mit dieser was wir uns vorstellen. Wir wollen gerne Grenzen zu beziehen, beinhaltet eine Schwerpunktsetzung stark gemacht werden einen Aktionstag zum Thema "Bewegungs- Menge Sprengkraft. können. freiheit" oder Forderung nach gleicher Teil- habe im Vorfeld des G8-Gipfel unterstüt- Was wir bei einer Mobilisierung gegen Das Thema Migration im Rahmen der zen oder mitinitiieren, der in der Größe den G8-Gipfel unserer Auffassung nach Mobilisierung in den Vordergrund zu und Schlagkraft eher an den Aktionstag in brauchen, ist ein deutliches Zeichen glo- rücken, bedeutet für uns als Fels in einem Genua erinnert, als an die Stadtrundgän- baler Solidarität. Wir denken, dass unkon- ersten Schritt, uns in Kommunikation mit ge "make borders history" in Glasgow. trollierte Migration ein wichtiger Teil unse- den dazu arbeitenden migrantischen und Sicherlich waren letztere von der themati- rerunserer "Globalisierung von unten" und nicht-migrantischen Gruppen zu begeben. schen Ausrichtung her gut, aber in der damit eine Antwort auf den globalen Kapi- Dazu ist es sinnvoll, die Ergebnisse der bis- Öffentlichkeit nicht oder kaum sichtbar. talismus ist. Die Schwerpunktsetzung herigen Zusammenarbeit mit Flüchtlings- Wir wollen damit gerne mit Euch zusam- Migration bietet das Potenzial, in beste- organisationen zu beachten, bewußt ein men versuchen, die europäische Grenzpo- hende Debatten zu intervenieren - und gleichberechtigtes Verhältnis anzustreben litik, die Ausgrenzung von MigrantInnen aktuell einen klaren Kontrapunkt gegen und beispielsweise Raum und Zeit für und die Forderung nach Teilhabe in die EU-Politik ("dynamische EU-Migrationspo- Übersetzung fest einzuplanen. Öffentlichkeit zu bringen. Und dies durch Teil III: Kampagnen- und Aktionsvorschläge litik" und "Kampf gegen illegale Einwande- eine starke Mobilisierung gegen den G8 in rung") zu setzen. Ein weiterer wichtiger Starke und aktive Einbindung von Heiligendamm. Zusammenhang wäre, das Thema Migra- migrantischen Gruppen ist gerade im Vor- I FelS-G8-AG tion mit Prekarisierung zu verknüpfen. feld der Vorbereitungen zur Mobilisierung [email protected] aufmerksamkeit auf den widerstand antirassistischer und selbstorganisierter flüchtlingsgruppen aus mecklenburg-vorpommern lenken

in den letzten wochen und monaten wichtig zu sein, weil ja diese frage vor der togoischen flüchtlinge mit duldung aus ist immer wieder die forderung erho- allem unter bündnispolitischen gesichts- m-v soll in den nächsten 6-12 monaten ben worden, dass wir mit ‚unserem' punkten bereits mehrmals zu äußerst kon- stattfinden (jedenfalls wenn es nach dem g8-widerstand nicht einfach in meck- troversen debatten unter ‚uns' geführt hat willen der behörden geht). dafür ist u.a. lenburg-vorpommern einfallen dürf- (und im zusammenhang mit dem von der eine sammel-charterabschiebung nach ten. vielmehr müsste sich konkret auf die lokale situation bezogen werden. interventionistischen linken angestoßenen togo im april von hamburg aus geplant. vor allem gelte es, die sozialen breiten bündnis noch führen dürfte). charterabschiebungen heißt, dass sich an kämpfe, die bereits ausgefochten board des flugzeugs (neben der crew) aus- werden, als wichtige bezugspunkte 1. ausgangspunkt ist, dass in mecklen- schließlich flüchtlinge und abschiebebullen zu begreifen. nur so sei es möglich, burg-vorpommern (m-v) derzeit mehr als (und ggf. -ärzte) befinden. solche sammel- nicht in die ‚wir-die'-falle zu tappen, 300 flüchtlinge allein aus togo akut von abschiebungen soll es laut eu-beschluss in sondern den widerstand gegen den abschiebung bedroht sind. ‚akut bedroht' zukunft häufiger geben. denn bei solchen g8 als einen gemeinsamen prozess zu heißt, erstens, dass die betreffenden nur flügen sind keine proteste durch passagie- gestalten - mit politischer (signal- )wirkung über die tage des gipfels noch eine duldung haben (d.h. umgehend re oder aktivist/innen am flughafen zu hinaus. abgeschoben werden können, sobald alle erwarten, außerdem sind die piloten auf für die abschiebung erforderlichen reise- ihre ‚gäste' eingestellt, es ist also nicht papiere vorliegen und auch ansonsten davon auszugehen, dass eine abschie- keine hindernisse wie z.b. krankheit im bung an der crew scheitert. m großen und ganzen teilen wir diese weg stehen), zweitens dass sich die deut- einschätzung. wir möchten deshalb die schen behörden in direkter kooperation 2. wie ernst es den behörden (u.a.) in Iaufmerksamkeit auf den (lokal und mit der togoischen überregional organisierten) widerstand botschaft derzeit antirassistischer und selbstorganisierter erfolgreich um die flüchtlingsgruppen gegen abschiebungen erforderlichen reise- aus mecklenburg-vorpommern nach togo papiere bemühen lenken (als dem derzeit wohl wichtigsten (dafür gab es u.a. im antirassistischen kampf in mecklenburg- juni 2005 zwangsvor- vorpommern). wir möchten das aus drei führungen mehrerer gründen tun: erstens finden wir diesen und hundert togoischer vergleichbare kämpfe wichtig (wir sind an flüchtlinge aus meh- ihnen deshalb auch beteiligt), zweitens reren bundesländern) befindet sich der kampf gegen abschie- und drittens dass es bungen nach togo derzeit in einer äußerst seitens der innenmi- kritischen phase und drittens lassen sich nister den konkreten aus den dort (erst jüngst wieder) gemach- beschluss gibt, auch ten erfahrungen interessante rückschlüsse langjährig geduldete ziehen, welch' ambivalenter prozess es ist, flüchtlinge zukünftig konkret mit der linkspartei.pds zusammen- vermehrt abzuschie- zuarbeiten. letzteres scheint uns deshalb ben. die abschiebung

56 landesvorsitzende das darf nicht vergessen werden, an der derregierung in m-v beteiligt. mit anderen lankspartei.pds. worten: die linkspartei.pds hätte es durch- peter ritter in m-v aus in der hand gehabt, diese konkrete hat sich in einem abschiebung zu verhindern. sie hätte dafür langen brief direkt der spd allerdings klar machen müssen, ans außenministe- dass mit ihr an diesem punkt nicht zu rium gewandt und scherzen ist. das hat die linkspartei.pds die lageberichte nicht getan - die gründe müssen an dieser (u.a. über togo) stelle wohl kaum erläutert werden. aus kritisiert. auch unserer sicht folgt hieraus nicht, dass nie petra pau (mdb) und auf keinen fall mit der linkspartei.pds und dietmar zusammengearbeitet werden sollte, der bartsch (bundes- ‚fall' allassane moussbaou ist aber ein geschäftsführer gutes beispiel, wo die absoluten grenzen dereiner zusammenarbeit liegen - oder positiv linkspartei.pds) formuliert: wo eine kritische zusammenar- Teil III: Kampagnen- und Aktionsvorschläge haben sich gegen beit mit der linkspartei.pds ansetzen muss. m-v mit abschiebungen nach togo ist, zeigt eine abschiebung konkret für die nächsten monate sollte das die gestern als nacht- und nebel-aktion von allassane mousbauou ausgesprochen. aus unserer sicht heißen: mehr denn je durchgeführte abschiebung von allassane tobias pflüger (mitglied des eu-parla- dürfte es nun gelten, die linkspartei.pds moussbaou. allassane moussbaou saß seit ments), hinrich küssner (spd, ehemaliger beim wort zu nehmen. die linkspartei.pds dem 2. dezember in abschiebehaft im präsident des landtags in schwerin) und hat sich in sachen togo sehr weit aus dem abschiebegefängnis bützow, zusammen wolfgang dietrich (landesvorstand links- fenster gehängt. dies gilt es, in der ausein- mit dem ebenfalls aus togo stammenden partei.pds und sprecher der landesarbeits- andersetzung offensiv an die regimegegner adzrakou komi anani gemeinschaft migrationspolitik und antifa- linkspartei.pds als forderung heranzutra- befand er sich seit über 2 wochen im hun- schismus) haben sich in eigenen presseer- gen. denn in dieser positionierung (genau- gerstreik und war deshalb bereits auf die klärungen nicht minder klar positioniert. so wie in der positionierung vieler anderer krankenstation verlegt worden. nachdem hinzu kamen der unhcr (der darauf hinge- einzelpersonen, gruppen, parteien, institu- eine abschiebung am 10. januar am wiesen hat, welche konkrete gefahr allas- tionen etc.) liegt auch die chance, zumin- widerstand von allassane moussbaou sane moussbaou im falle seiner abschie- dest in m-v. einen abschiebestopp für togo gescheitert war (auf diesen termin hatten bung drohen würde), der m-v-landesver- zu erreichen (auf jeden fall standen die verschiedene flüchtlingsaktivist/innen band von bündnis90/die grünen und zu chancen noch nie so gut wie heute). ein während des berliner treffen immer wieder guter letzt der petitionsausschuss des solcher vorläufiger abschiebestopp wäre hingewiesen), kamen die abschiebebullen schweriner landtags, der ausdrücklich sicherlich ein erster konkreter sieg über gestern nacht und brachten allassane darum gebeten hatte, von einer abschie- moussbaou direkt zum flughafen. bung allassane moussbaous abzusehen und stattdessen die vorherige anhörung Hintergrund- 3. der ‚fall' allassane moussbaou ist von expert/innen abzuwarten. nicht nur deshalb wahnsinnig bitter, weil und doch: es hat nicht sein sollen: allas- informationen allassane moussbaou in togo direkte ver- sane moussbaou ist abgeschoben worden. folgung droht (laut amnesty international dies darf auf keinen fall einzig dem für landen viele abgeschobene flüchtlinge seine brachialität einschlägig bekannten zu Togo: direkt im knast, dort erleiden sie folter, spd-innenminister timm angelastet werden viele verschwinden oder sind 1-2 jahre (seines zeichens: ex-pastor). in der tatsa- für die, die mehr über togo wissen ohne jeden prozess eingesperrt; darüber che, dass diese abschiebung trotz aller möchten, haben wir im anhang bzw. hinaus müssen auch familienmitglieder proteste stattfinden konnte, drückt sich als link einige (mehrheitlich grundsätz- und freund/innen mit direkten repressio- vielmehr ein gesamtgesellschaftliches kräf- lich ausgerichtete) texte zu togo mit nen rechnen). vielmehr zeigt dieser verlo- teverhältnis aus: die behörden wissen, auf die reise geschickt: rene kampf auch, wie schwach die linke dass solche abschiebungen (d.h. abschie- derzeit ist. oder ungeschminkter: wir, die bungen von etwas prominenteren leuten) a) text aus le monde diplomatique (radikale) linke, sind derzeit noch nicht ein- stets einiges an staub aufwirbeln, sie wis- (april 2003) mal in der lage, erfolgreich unsere sen aber auch, dass ihnen hierdurch der- b) karawane-flugblatt (april 2004): genoss/innen zu verteidigen - jedenfalls zeit (noch) kein politisches ungemach http://carava.net/download/auf- nicht im größeren maßstab (von mehr droht. sie können mit anderen worten ruf.togo.2004.de.pdf ganz zu schweigen). was diese schwäche davon ausgehen, dass sich solcher staub c) telepolis-artikel (märz 2005) konkret bedeutet, kann mensch sich am bald wieder legen wird. in diesem sinne d) taz-artikel von dominic johnson ‚fall' allassane mousbaou klar machen: für müssen die für die nächsten monate (mai 2005) allassane mousbauou haben sich geplanten massenabschiebungen nach hinsichtlich aktueller entwicklungen unglaublich viele leute stark gemacht: togo sehr ernst genommen werden!!! sei des weiteren auf die karawane- einerseits gab es über 1000 direkt an die 4. der ‚fall' allassane moussbaou und website verwiesen (www.thecara- behörden gerichtete briefe und faxe sowie die linkspartei.pds: es dürfte bereits deut- van.org) und auf einen aktuellen mehrere aktionen. andererseits haben sich lich geworden sein - die linkspartei.pds ist bericht auf der website von zahlreiche prominente politer/innen, ngos eine der maßgeblichen kräfte, die sich für umbruchbildarchiv: http://www. und politische gremien für allassane allassane moussbaou eingesetzt hat, und umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/ mousbauou ausgesprochen. genauer: der zwar mit politer/innen aus der ersten ereignis/280106alassane_mous- reihe!!!. gleichzeitig ist die pds aber auch, sbaou.html

57 den g8 in m-v - wie es ein aktivist von the anlässlich des berliner treffens veröffent- unseres erachtens sollte die länder-bezo- voice auf einem treffen formulierte. gleich- lichten deklaration des nolager-netzwerks gene perspektive genauso bestandteil des zeitig ist aber auch klar: ein togo-abschie- und anderer gruppen formuliert wurden g8-widerstands sein (zumindest dort, wo bestopp allein genügt nicht. denn erstens (vgl. www.gipfelsoli.org). das durch die konkreten verhältnisse gibt es noch viele andere flüchtlinge in m- geboten erscheint) wie die quer zu einzel- v (die genauso von abschiebung bedroht 5. togo mag zwar nur (wie es immer nen ländern liegende auseinandersetzung sind) und zweitens gilt natürlich immer heißt) ein handtuchgroßes land in westafri- mit bestimmten problemkomplexen wie noch das motto: "für globale bewegungs- ka sein - und obendrein eine völlig ana- z.b. iwf, wto, kampf um wasser, globale freiheit! gleiche rechte für alle!" konkret chronistische diktatur (wie es sie in dieser landwirtschaft etc. etc. (vgl. unser input- könnte das aus unserer sicht heißen, dass form heutzutage ungleich seltener gibt als papier für das berliner treffen). sich der anti-g8-widerstand in nächster zeit noch vor 20 jahren), und doch: togo steht neben dem, dass togo als ‚exemplari- auch praktisch (!) mit dem widerstand auch (mit bestimmten aspekten) exempla- sches land' in sachen post-koloniale ent- gegen abschiebungen nach togo solidari- risch für die die art und weise, wie sich in wicklung zu begreifen ist, darf aber auch siert. aktionen (z.b. morgen, am 2. febru- den letzten 6 jahrzehnten die postkolonia- nicht übersehen werden, dass hier & heute ar in schwerin) und kritische zeitpunkte len beziehungen zwischen globalem süden konkrete menschen - vor allem direkt (z.b. geplante sammelabschiebung im und globalem norden entwickelt haben. in betroffene - gegen abschiebungen nach april) gibt es ja zuhauf. eine solche prakti- dieser hinsicht ist die bezugnahme auf togo kämpfen. und mecklenburg-vorpom- Teil III: Kampagnen- und Aktionsvorschläge sche beteiligung würden wir als (erste) togo und vergleichbare länder in afrika mern ist ein ort dieser kämpfe... konkrete realisierung einiger der vorschlä- (und anderswo) etwas, was im g8-wider- I nolager bremen , ge und forderungen begreifen, die in der stand geradezu zu hause sein sollte. d.h. Folterwelten. Militarisierung - Repression - Weltwirtschaft: Kampagnenvorschlag gegen G8/2007

G8 - rammen und versenken. Ange- ligkeit sind nicht nur alltäglich, sondern Mobilisierung gegen den G8-Gipfel 2007 sichts des bisherigen Mangels guter durch ein juristisch-bürokratisches Regel- in Heiligendamm. Daraus entwickeln wir Slogans könnten wir uns mit diesem werk legitimiert. Dieser Krieg dient unmit- den Vorschlag - oder: die zwingende Not- anfreunden. Auch mit anderen. Aber telbar der Disziplinierung und autoritären wendigkeit -, die Frage von Krieg und Fol- darum wird es in diesem Text nicht gehen. Strukturierung der Gesellschaft. Immer ter zu einem zentralen Strang in den Aktio- mehr Menschen landen im Niemandsland nen und Argumenten der gegen den Gip- der Rechtlosigkeit. Was bereits in den fel gerichteten Aktivitäten zu machen. Ab wenigen Jahren dieses Anti-Terror-Krieges jetzt und unüberhörbar. Nicht alternativ ünf Jahre dauert der so genannte durchgesetzt wurde - trotz, oder auch oder gar konkurrent zu anderen zentralen “Krieg gegen den Terror” schon an. gerade durch den täglichen Skandal, wird Achsen des Angriffs auf die imperialen FDieser Krieg dient der Absicherung nicht über Nacht wie ein böser Spuk ver- Zustände dieser Welt. des Weltmarktes und der damit verbunde- schwinden. nen “westlichen Lebensweise” in den Die Gipfel der selbst ernannten Führer Wohlstandsinseln der Welt. Die Folter formiert soziale und politische der Welt sind ein Brennpunkt neoliberaler Er ist nicht lokal begrenzt. Verhältnisse; es ist jetzt schon abzusehen, und imperialer Politik. Der Widerstand dass die Anstrengung diese Formierung gegen diese Verhältnisse muss solche Mal offen, mal verdeckt ist er längst wieder loszuwerden immens sein wird. Events nutzen, diese Zurichtung der Welt Weltinnenpolitik, um die vielfältigen sozia- und der Menschen grundsätzlich in Frage len und politischen Krisen in den Griff zu Das ist unser Ausgangspunkt. Angesichts zu stellen und anzugreifen. Denn in Punk- kriegen. Seinem Wesen nach ist er endlos. dieser Entwicklung ist es notwendig, to Sicherheit, Ökonomie und Governance Krieg heißt Folter - und Folter ist Krieg grundsätzlich gegen Folter und Lagerhaft geht es bei diesen Gipfeln um den Zugriff gegen die Gesellschaft. aufzutreten. Und weil jede Legitimierung der neoliberalen Ideologie und Praxis der von Folter dazu beiträgt, diese gesell- Herrschenden auf alle Lebensbereiche. Die Herrschenden sagen: Das sind die schaftlich durchzusetzen, ist es darüber Der G8-Gipfel bietet die Möglichkeit, Kosten der Freiheit, die wir tragen müssen. hinaus notwendig, gegen alle Folter-Befür- von der entgegengesetzten, emanzipatori- Wir sagen: Folter und bürgerliche Demo- worter entschieden vorzugehen. Für uns schen Seite unterschiedliche Kritiken und kratie schließen sich so wenig aus, wie spielt da die Differenz zwischen dem Folte- alternative Vorstellungen zusammenzu- Krieg und Kapitalismus. Im Gegenteil. rer und denjenigen, die sie gutheißen, führen, zu vernetzen und zu zuspitzen - Deswegen: Gegen die Kosten der Freiheit! keine große Rolle. seien es feministische, antifaschistische oder antimilitaristische, sei es von Alle wissen es und niemand bestreitet Aber - auch als Klarstellung: Antifolter- Migrant/innen, Erwerbslosen, Ökoakti- ernsthaft, dass im Rahmen dieses Krieges kampf ist nicht Angelegenheit von Men- vist/innen oder Antikapitalist/innen - und Menschen entführt, in geheime Gefängnis- schenrechtsgruppen. Es geht nicht um damit die menschenverachtende Politik se verschleppt und dort gefoltert werden. Themenpolitik, sondern um verantwortli- sichtbar zu machen und der G8 die Legiti- Der “Krieg gegen den Terror” setzt neue che politische Intervention in die Verhält- mation und politische Deutungshoheit Maßstäbe: im globalen rechtsfreien Raum nisse. Menschenrechte gelten für alle - abzusprechen. sind die Menschenrechte im Namen der bedingungslos, unteilbar und ohne jedes Menschenrechte außer Kraft gesetzt. Wenn und Aber. Dabei haben wir nicht die Illusion, dass Entführung und Folter der ausgemach- der Gipfelprotest, wie erfolgreich auch ten Feinde westlicher Freiheit und Glückse- Mit diesen Prämissen gehen wir in die immer, die Verhältnisse grundsätzlich zum

58 Tanzen bringt. Aber er ist ein guter Anlass, unseren Rhythmus auszuloten - und das heißt, eine gemeinsame Praxis über den Gipfel hinaus zu finden. So Die Gruppe der 8 gehen wir in die nächsten Monate, wis- send um die “Mühen der Ebene”, die vor und nach den Gipfeln liegen. Seit 1975 treffen sich die Staats- und 1985 in Bonn die ersten Aktionen auf der Regierungschefs der führenden kapitali- Straße. Ab den 1990er Jahren, als nach Darin verorten wir unseren Vorschlag stischen Industriestaaten jährlich zu Welt- Wegfall der Blockkonfrontation die propa- zu einer wirtschaftsgipfeln. Seit einigen Jahren gierte “Neue Weltordnung” dominant inklusive Russland. Sie diskutieren ihre wurde, mehrten sich die Gegenaktionen zu - die G8-Mobilisierung begleitenden politischen Angelegenheiten, tragen Mei- den Gipfeln und Tagungen anderer neoli- Anti-Folter-Kampagne nungsverschiedenheiten aus und koordi- beraler Organisationen wie IWF, WHO - für Aktionen gegen Bundesweh- nieren das gemeinsame Vorgehen in und Weltbank (1988 Berlin, 1989 Paris, reinsätze und den drohenden Krieg internationalen Institutionen. Beinahe 1992 München etc...) Eine Kulmination gegen den Iran keine sicherheits- und wirtschaftspoliti- fand der Protest 1999 in Seattle, wo es zig- - für Initiativen gegen Lagerhaft, ob sche Entscheidung oder Initiative in Inter- tausenden Aktivist/innen ausgerechnet in Teil III: Kampagnen- und Aktionsvorschläge nun von Flüchtlingen oder Gefangenen, nationalen Organisationen der letzten den vermeintlich sicheren USA gelang, das ausgehend z.B. von den Camps 2006 Jahre wurde nicht vorab im Rahmen der Treffen der WTO massiv zu stören, sowie in und 2007 G8 diskutiert und vorstrukturiert. Dabei Genua, wo Hunderttausende auf der - für einen Aktionstag gegen Krieg stellen die Gipfel nur die symbolischen Straße gegen die G8 und ihre menschen- und Folter während des Gipfels 2007, Höhepunkte eines weit gespannten Net- verachtende Politik demonstrierten. wie es ihn auch gegen das Migrations- zes von Beratungs- und Entscheidungs- regime geben muss. treffen dar. Obwohl keine gewählte Insti- Der diesjährige Gipfel in St. Petersburg tution oder offizielles Gremium, inszenie- hat die Themen Energiesicherheit, Bildung In einer gemeinsamen Kampagne ren sich die Chefs als Sachwalter der glo- und Infektionskrankheiten auf der Agenda. können wir die Zusammenhänge impe- balen Probleme und kreieren Lösungen, Als informelles Treffen im Geiste des rialistischer Interessen - Funktionalisie- worüber sie sich in der öffentlichen Kamingesprächs sind öffentliche Protokolle rung und Liquidierung der Menschen- Wahrnehmung legitimieren. Verstärkt nicht vorgesehen - die Prozesse der Ent- rechte aufzeigen, die Heuchelei sowohl wird diese Legitimierungsstrategie noch scheidungsfindung verschleiern die der ?Koalition der Willigen? wie die der dadurch, dass vorwiegend “populäre” Abschlusspapiere. Wer “gerechte Lösun- ?Unwilligen? angreifen, den Legenden Themen wie Armut und Entschuldung gen” erwartet, kann sicher zu Recht als der ?Ausrutscher? die Systematik medial nach außen getragen werden naiv bezeichnet werden. Vielmehr geht es gegenüber stellen, - eben Stellung und dass durch die Einladung von Regie- um die geostrategische Sicherung der beziehen gegen Krieg, Folter, gezielte rungsvertretern der betroffenen Länder Energievorkommen für die Metropole auf Tötungen, Lager etc. und NGOs scheinbar auch die Stimme Kosten der Peripherie, um Megaprojekte, der Kritik Gehör findet. Jenseits des gefördert von der Weltbank, wie Staudäm- Die Aktivitäten sollen den Bogen eigentlichen Gipfels und abseits des me, die den westlichen Firmen viel, den spannen von Guantánamo-Bay, über Medienhypes treffen sich im Vorfeld z.B. Menschen aber wenig bringen, um Biore- Abu-Ghraib, den staatlichen gezielten die Finanzminister, die Außenminister, gulation statt um Gesundheitsversorgung Tötungen, den Folter-Joint-Ventures z.B. sowie zahlreiche Expertengruppen. für Alle umsonst, um Privatisierung des Bil- zwischen den USA und Marokko bis zu dungssektors statt um das Recht auf Bil- den europäischen Folterbefürwortern Mit einem Stimmenanteil von nahezu dung aller. Und im Zuge der jüngsten und -nutznießern. Verknüpfungen sollten 50 % im IWF und in der Weltbank und Eskalation ist auch das Thema Iran, bzw. und können hergestellt werden zu den mit 4 von 5 Stimmen im ständigen ein imperialer Krieg, nicht ausgeschlossen. Abschottungsstrategien gegen Flüchtlin- Sicherheitsrat, mit mehr als 65% des ge und Migrant/innen und der entspre- weltweiten Bruttonationaleinkommens 2007 tagen die selbsternannten Chefs chenden exterritorialen Lagerpolitik, Iso- (BNE) und 60% der Militärausgaben, der Welt in Deutschland, in Heiligen- lationshaft in Europa, EU-Antiterrorliste konzentriert sich in den G8-Staaten der damm. Was sie dort auszuhandeln geden- und neue Sicherheitsgesetze, DNA-Datei Großteil der institutionellen, ökonomi- ken, ist bisher nur grob bekannt. Vermut- und Islamisten-Kartei.... schen und militärischen Macht. Das lich steht das ?geistige Eigentum? auf der ermöglicht, quasi alle Entscheidungen in Tagesordnung. Dieser unscheinbare Ziel ist dabei auch, z.B. konkret den relevanten Institutionen zu dominieren Begriff hat es in sich, dahinter verbirgt sich Vorbereitungen weiterer Kriege gezielt in und somit die kapitalistische Wirtschafts- ein Kosmos unterschiedlichster neolibera- die Quere zu kommen. Oder, ebenso ordnung und imperiale Weltordnung ler Zugriffsinteressen. Die Bandbreite konkret in die Folterdebatte in Deutsch- auszubauen bzw. zu sichern. reicht vom Schutz vor Raubkopien bei land einzugreifen und die hiesigen “Fol- Musik und Videos, von Patentschutz von ter-Sympathisanten” anzugreifen und Je mehr politische Felder die G8 für Medikamenten beispielsweise gegen HIV blosszustellen. sich beanspruchten, je stärker der Neoli- bis hin zur Biopiraterie, der Patentierung Dabei geht es uns darum, die interna- beralismus als herrschende Ideologie von Gensequenzen von Pflanzen. Es wird tionale Entwicklung (“Globalisierung”, und Praxis propagiert und durchgesetzt also darum gehen, die “Investitionssicher- permanente Kriege, Menschenrechts- wurde, desto stärker und breiter wurde heit” herzustellen und somit weitere Shutdown...) mit der Entwicklung in auch die Kritik und der Protest. 1984 in Lebensbereiche der marktförmigen Ver- Europa/Deutschland (Verschärfung der London gab es mit “The Other Economic wertungslogik unterzuordnen. “Inneren Sicherheit”, Durchsetzung der Summit” den ersten Gegengipfel, und x-ten “Anti-Terror-Pakete”) zu verknüpfen - und Aktionsmöglichkeiten zu schaffen.

59 Foltern für die Als Beispiel nehmen wir die aktivistische des G8-Gipfels in Heiligendamm. Gerade Menschenrechte Verknüpfung der Frage von Krieg und Fol- im Rahmen der Gipfeltage muss es einen ter während der NATO-Sicherheitskonfe- Aktionstag gegen Krieg, Folter und Lager 1948 wurde in der UN-Charta das Fol- renz im Februar 2006 in München. Mit geben. terverbot als zwingendes Gewohnheits- dem Transparent “Stoppt den globalen Anlässe vor dem Gipfel 2007 sind z.B. recht niedergeschrieben. In der Anti-Folter- Krieg der NATO-Staaten” wurde die die nächste Münchner Sicherheitskonfe- konvention von 1984 wurde sie als abso- Demonstration von einem “Gefange- renz im Februar 2007, der NATO-Gipfel lutes Verbot, d.h. als “notstandsfeste nentransport” der besonderen Art ange- im Mai 2007 in Portugal oder die im Früh- Norm”, ohne Einschränkungen festgelegt. führt: eine Gruppe von Menschen in oran- jahr 2007 stattfindenden Treffen der EU- Trotzdem wurde natürlich weiter gefoltert - gefarbenen Overalls marschierte durch Minister, oder die der zahlreichen ?Exper- werden heute immer noch in über 100 Münchens Straßen. Guantánamo-Bay ist tenrunden?, die den Gipfel 2007 vorbe- Staaten Gefangene mit allen nur erdenkli- überall. reiten. chen Techniken unter Druck gesetzt, Solche verbindenden Aktionen wün- drangsaliert und misshandelt. schen wir uns zahlreich vor und während Also: welchen Wert haben solche

Teil III: Kampagnen- und Aktionsvorschläge Krieg - sicher nicht das letzte Mittel der Politik Am 11.Dezember 1994 marschierten russische Truppen war nach dem “Sieg” nicht mehr die Rede. Nach Schätzungen nach Tschetschenien ein, nachdem sich das Land für unab- sind während der Bombardierungen bis zu 100.000 Menschen hängig erklärt hatte. Nach dem Einsetzen einer Regierung getötet worden; jeden Monat kommen bis zu 1.000 zivile durch die russische Besatzungsmacht hat sich am permanen- Opfer dazu. Der Irak ist heute ein Schlachtfeld des nicht ten Kriegszustand nichts geändert. Die zivile Infrastruktur ist endenden Gemetzels. Die “Koalition der Willigen” hat das weitgehend zerstört, die Hauptstadt Grosny ein riesiges Rui- Land ins Chaos gestürzt. nenfeld, 100.000de von Zivilist/innen waren und sind Opfer der fortdauernden Kämpfe. Putin ließ ab 2000 in Tschet- An den meisten Kriegen der Ära nach dem Ende der Block- schenien “Bärenzwinger” anlegen: ca. fünf Meter tiefe Erd- konfrontation hatten und haben G8-Staaten wesentlichen löcher, in die willkürlich festgenommene Menschen hinein Anteil: Durch die direkte Beteiligung, Billigung oder Initiierung gesteckt wurden und bei eisiger Kälte stundenlang stehen mus- der Kämpfe, durch Bereitstellung der eingesetzten Waffen, sten. In so genannten “Filtrierungslagern” wurden “Verdächti- durch die ursprüngliche Aufrüstung der später bekämpften ge” zu Tode geprügelt, mit Strom gefoltert und Menschen mit Kriegsgegner und durch die Abschöpfung der Gewinne aus Messern verstümmelt. dem so genannten “Wiederaufbau”. Krieg wird nicht als abwe- giges, sondern als durchaus sinnvolles Mittel angesehen, z.B. Am 24. März 1999 eröffnete die NATO den Krieg gegen um unbotmäßige lokale Machthaber zu disziplinieren, oder Jugoslawien. Zum Anlass genommen wurden die Kämpfe zwi- sich gegebenenfalls den Zugriff auf strategische Ressourcen, schen der Belgrader Zentralregierung und der Kosovo-Unter- wie z.B. Erdöl zu sichern. So wie die deutschen Interessen am grundarmee UCK, die sich nach der Aufhebung des Autono- Hindukusch verteidigt werden (laut Ex-Kriegsminister miestatus der Provinz Kosovo 1989 gebildet hatte. Das Ein- Struck/SPD), wird “unser” Erdöl im Irak gesichert. greifen der NATO beendete die Existenz des Staates Jugosla- Das betrifft nicht nur die offiziell erklärten Kriege, auch die wien. Der erreichte “Friede” im Kosovo wird nur mit Hilfe einer Konflikte, die in vielen Teilen der Welt von Söldnerheeren und internationalen Besatzungsarmee aufrechterhalten. Immer wie- paramilitärischen Einheiten geführt werden, ausgerüstet und der kommt es zu bewaffneten Auseinandersetzungen. ausgebildet von den G8-Staaten.

Nach den Anschlägen auf das World Trade Center und das Oft treten in diesen Kriegen die ökonomischen Gründe in Pentagon am 11. September 2001 stellte die NATO erstmals den Hintergrund. Einfluss und Macht müssen gesichert und in ihrer Geschichte den Bündnisfall fest. Militärisch wurde die westliche Ideologie und “Wertvorstellungen” durchgesetzt wer- Herrschaft der Taliban in Afghanistan zerschlagen und eine den. Im propagierten “Kampf der Kulturen” triumphiert die Leit- neue Regierung eingesetzt. Nach fünf Jahren NATO-Truppen- kultur imperialistischer Prägung als allein gültiges Modell - und präsenz in Afghanistan glaubt niemand mehr an ein “vorüber- subsumiert gelegentlich auch nationalistische oder religiös-fun- gehendes Engagement”. Ein weiteres Dauerprotektorat wurde damentalistische Kräfte, die es an anderer Stelle zum rechtlo- eingerichtet. sen Feind erklärt. Dieser Krieg ist längst Dauerzustand. Jeder- zeit und überall können kleinere Staaten zum Ziel eines Angriffs Am 20. März 2003 begann der Krieg gegen den Irak. Unter mit nachfolgender Besatzung werden. Anders als zu Zeiten der Führung US-amerikanischer und britischer Truppen wurde das Ost-West-Konfrontation, als die “sowjetische Gefahr” an jeder Land angegriffen und besetzt. Nach dem Sturz des Diktators Ecke dieser Welt lauerte, entdeckt die westliche Wertegemein- Saddam Hussein begann der Krieg erst richtig. Private Militär- schaft Demokratie und Antifaschismus als militärisch durchzu- firmen stellen mit 30.000 Einsatzkräften das zweitgrößte Kon- setzende Zwecke. Mal gilt es “ein neues Auschwitz zu verhin- tingent nach den regulären US-Truppen. Sie decken fast das dern”, hiltlergleiche Diktatoren zu entfernen, ABC-Waffenfreie gesamte Spektrum von Armeen, Polizei und Geheimdiensten Zonen zu errichten - und überhaupt alle Welt glücklicher zu ab. Sie betreiben Ausbildungslager und stellen Vernehmungs- machen. Derartige Propaganda verfängt durchaus auch bei experten, die auch als Übersetzer getarnt an Verhören in Abu- “aufgeklärten” Menschen, und so manche europäische Ex-Lin- Ghraib teilnahmen. Insgesamt sind Konzerne und private ken wandelten sich zu Bellizisten, schmieden Koalitionen mit Militärfirmen maßgeblich an Entscheidungen, ob und wie Krie- Besatzungstruppen oder hoffen auf alternative imperialistische ge geführt werden, beteiligt. Vom offiziellen Kriegsgrund, der Lösungen àla Eurotruppen. Entwaffnung des Iraks in Bezug auf Massenvernichtungswaffen,

60 Abkommen, wenn sie sowieso nicht von Polizeischüler in lateinamerikanischen Län- sich dieser Macht entgegenzustellen oder allen Staaten eingehalten werden? Als all- dern in Verhörmethoden für den Anti-Gue- über sie zu richten. gemeine Richtlinien werden sie zur Basis rilla Kampf zu unterrichten. Wie diese Im Zuge der globalen Machtpolitik der Verständigung zwischen Menschen Methoden auszusehen hatten, demon- wurde neben “Schurkenstaaten” auch eine und Völkern erklärt. Alle Menschen sind strierte er bereits in seinen Unterrichtsstun- neue Menschenklasse erschaffen: “The gleich, aber manche sind gleicher. Das gilt den, in denen er vier Obdachlose mit Elek- unlawfull enemy combatant”. Einen ähnli- auch für Staaten. Abgesehen also von der troschocks zu Tode folterte. Sein Motto chen Status des “Gesetzlosen” benutzte die Möglichkeit der individuellen Klage vor lautete: “Der richtige Schmerz am richtigen französische Regierung bereits im Algeri- dem europäischen oder internationalen Ort zur richtigen Zeit”. enkrieg, um die Gefangenen aus dem Menschengerichtshof, ist gegenwärtig die Befreiungskampf ohne Schutz durch die Frage der Menschenrechte vor allem eine Über dreißig Jahre später, dem Motto Genfer Konventionen foltern zu können. ideologische Waffe in den Händen derer, stets treu geblieben und die Methoden Ein ungehöriges Maß an Rassismus und die sie machtvoll aushebeln. weiter ausgefeilt, wird die Folter heute als Menschenverachtung ist vonnöten, um notwendiger Teil des Kampfes für Men- diese Selektion zwischen den “Zivilisierten” Darin ist der Westen geübt. Das Anpran- schenrechte legitimiert. Der Zweck heiligt und “Nicht-Zivilisierten” zu betreiben oder gern von Menschenrechtsverletzungen im also die Mittel. Internationale Abkommen, zu unterstützen. “sozialistischen Lager” war Bestandteil des wie z.B. die Anti-Folterkonvention der Teil III: Kampagnen- und Aktionsvorschläge antikommunistischen Rollbacks. Im Unter- UNO von 1984, die jede physische und Weder die Genfer Konventionen, die die schied zu heute brauchte es allerdings aus psychische Misshandlung von Gefangenen Behandlung als Kriegsgefangene ermögli- Gründen der Systemkonkurrenz die feste verbietet, oder die Genfer Konvention zur chen, noch die amerikanische Gerichts- Behauptung, dass so was im eigenen Behandlung von Kriegsgefangenen wer- barkeit werden den Gefangenen in den Lager nicht vorkommt. Heute gehen die den von der USA, Großbritannien oder Lagern zugestanden. Noch immer befin- Hauptmächte viel ungenierter zur Sache, anderen ihr beigetretenen Staaten igno- den sich 400 dieser rechtlosen Menschen nach dem Prinzip “Wer die Macht hat, hat riert, bzw. ausgesetzt, wie Bush 2002 aus 35 Nationen in Lagern des US-Stüztz- das Recht” - oder kreiert es halt neu. bekannt gab. Justizminister Gonzales punkts in Guantánamo-Bay auf Kuba. Wie erklärte 2005 öffentlich, dass sich ameri- viele insgesamt in geheimen Lagern und Als im Frühjahr 2004 die Fotos der kanische Agenten nicht in jedem Fall an Folterkammern gefangen gehalten wer- gefolterten Gefangenen in Abu-Ghraib die Antifolterkonvention halten müsse. den, wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass öffentlich wurden, verharmloste die US- Kriegsminister Rumsfeld erließ ein sie existieren, und dass die US-Regierung Regierung zunächst diese erschütternden Geheimprogramm zur Verfolgung der Al- in ihrem Krieg durchaus bereitwillige Hel- Misshandlungen als isolierte Fälle und Qaida-Führung, das Folter und Mord fer und Begleiter hat, die ebenso wenig wälzte die Verantwortung auf Einzeltäter genehmigt, und CIA-Direktor Porter Goss Skrupel haben, schlimmste Menschen- der US-Streitkräfte (“Bad Apples”) ab. Zu erklärte das “waterboarding” zur offiziellen rechtsverletzungen im Kreuzzug für Men- halten war diese Verteidigungslinie aller- Verhörmethode. Parallel dazu wird die schenrechte zu begehen oder aus ihnen dings nicht, zu viele Fakten und digitale Definition von Folter eingeschränkt, mit Profit zu schlagen. “Schnappschüsse” drangen in die Öffent- der Absicht den Taten die Schärfe zu neh- lichkeit. Bis eindeutig klar war: Die Anwei- men und ungehindert agieren zu können. Ein System, “rendition” genannt, ermög- sungen, die Genfer Konventionen zu ver- Durch die Verharmlosung von Folter wer- licht die Übergabe von Gefangenen an letzen und die Gefangenen zu misshan- den weltweit Maßstäbe gesetzt und Präze- Länder wie Syrien, Ägypten, Marokko oder deln, kamen direkt aus dem Weißen Haus denzfälle geschaffen. Pakistan zum Zwecke der “Nachrichtenge- und dem Pentagon. Von denen wurde winnung”. Bush erließ 2001 eigens dafür natürlich bis heute niemand belangt. In aller Öffentlichkeit eine Direktive, die diese Maßnahmen legi- timiert. “Verdächtige Personen” werden Von Panama bis Abu-Ghraib Darin unterscheidet sich die Situation von der CIA entführt und in entsprechende heute von der vor 30 Jahren: Folter und befreundete Folterregime zum Verhör Die Fotos aus Abu-Ghraib dokumentie- Menschenrechtsverletzungen finden quasi gebracht. Gleichzeitig prangert der US- ren Foltermethoden, die die CIA seit über in aller Öffentlichkeit statt; sie werden nicht Menschenrechtsbericht Folter in Ägypten 50 Jahren anwendet, perfektioniert und in grundsätzlich geleugnet, sondern relati- an. In dieses geheime CIA-Foltersystem andere Länder importiert. viert und gerechtfertigt. Es ist nicht notwen- sind dutzende Staaten involviert, solche, In der “School of the Americas (SOA)” - dig Folterspezialisten zu entführen, um die Stützpunkte und Kerker zur Verfügung seit 2001 in “Institut der westlichen Hemis- Skandale aufzudecken. Diese decken sich stell(t)en, die die Verschubung der Gefan- phäre für Sicherheitszusammenarbeit” durch heutige Informationstechnologien genen durch Zwischenlandungen erlaub- umbenannt - wurden im Rahmen des und dem kolonialistischen Siegergehabe ten, oder an Verhören teilnahmen. Counter Insurgency Programms ca. der Täter fast schon von selbst auf. Die 60.000 Lateinamerikaner in gezieltem ganze Welt weiß mittlerweile darüber Das Geheime ist allerdings nur bedingt, Töten, psychologischer Kriegsführung und Bescheid, wenn auch nicht um jedes denn die Öffentlichkeit weiß um die Tatsa- Verhörmethoden ausgebildet. Zur “Förde- Detail. Während andere Staaten in solch che - und soll es auch wissen. So wie alle rung der Demokratie in Lateinamerika” einem Fall längst Strafsanktionen unter- wissen, dass die Menschenwürde auf Poli- wurden hunderttausende Menschen durch worfen worden wären, besteht diese zeirevieren, in Gefängnissen oder bei Absolventen der SOA gefoltert, massa- Gefahr für die Weltmacht nicht. Abschiebungen nicht gerade eine Heim- kriert, zum Verschwinden gebracht und statt hat. Willkür und Gewalt von Polizei- ermordet. Als die Tupamaros 1970 einen Die US-Regierung präsentiert sich als beamten, Bundesgrenzschutz oder angeblich zivilen Berater einer US-Hilfsor- grenzenlose Macht, die im “Enduring Fre- Gefängniswärtern haben bereits mehrere ganisation namens Mitrione entführten, edom” genannten Anti-Terror Krieg über Todesopfer gefordert. Die Isolationshaft konnten sie den Zweck seines Aufenthaltes jedes Recht erhaben ist. Nicht umsonst wurde jahrzehntelang als “weiße” Folter enttarnen. Als Mitglied des Office of Public lehnt sie den Internationalen Strafgerichts- gegen politische Gefangene in der BRD Safety hatte er die Aufgabe, Militärs und hof als Instanz ab. Niemand soll es wagen eingesetzt und in andere Länder exportiert.

61 Während aber die deutschen Regierungen der Misshandlungen, die sexuelle Erniedri- en. Auch in Europa vertieft sich der Bruch öffentlich und vor Menschenrechtsgremien gungen als gängige Praxis zeigen, die zwischen denen, die noch Arbeit haben, abstritten, dass politische Gefangene auch in den USA an der Tagesordnung also noch gebraucht werden und denen, gefoltert würden, und wer das Gegenteil sind, ist Teil der Macht- und Unterwer- die keine mehr haben, also auch nicht behauptete, strafrechtlich verfolgt wurde, fungsstrategie. Demonstriert an den gebraucht werden. interessiert das die US-Regierung wenig. Gefangenen, während die Besatzungs- Kapitalistische Globalisierung bedeutet macht ansonsten im Irak nur Niederlagen nichts anderes als Fragmentierung und Folter ist Krieg gegen die erleidet. soziale Ausgrenzung. Dafür sorgen elek- Gesellschaft tronische Überwachungssysteme, die an Regime jeder Sorte bedienen sich der den Grenzen aufgestellt werden. Dafür Folter ist eine allmächtige Waffe, die Folter, um ihre Herrschaft zu stabilisieren sorgt die Diskrepanz zwischen Industrie- nicht nur bei den gefolterten Menschen und oppositionelle Bewegungen abzu- staaten und Billiglohnländern. Dafür sorgt Schmerz und Ohnmacht erzeugen soll, schrecken. Die ganze Gesellschaft soll dis- die Einteilung in Menschen mit und ohne ausgeliefert und ohne Hoffnung. In der zipliniert und autoritär organisiert werden. Grundrechte. Gefangenschaft steht der Staat dem Men- Die Gewalt, die von “oben” kommt, legiti- schen in voller Machtentfaltung gegenü- miert und forciert gewalttätige und rassisti- Der “Krieg gegen den Terrorismus” ist ber. Gefangene zum Sprechen zu zwingen sche Strukturen in allen gesellschaftlichen mit der Ausweitung des Welthandels ver- Teil III: Kampagnen- und Aktionsvorschläge und Geständnisse zu produzieren ist nur Bereichen. Mitwissende werden zu Mittä- koppelt und legitimiert jede Brutalität. eine Funktion von Folter. Letztendlich geht tern. Die Verteidigung der westlichen Letztlich ist auch der Freihandel nur eine es um die Beherrschung von Menschen - Lebensform fordert diesen Preis. Wer nicht andere Kriegswaffe. Die neoliberale Ideo- in der Folter ist das konkret und unmittel- dagegen ist, ist dafür. Und dagegen zu logie verkauft die Gesetze des Marktes als bar. Sie manifestiert die gewaltsame sein, beinhaltet deswegen auch die ziem- zwangsläufig und naturgemäß. Jeder Dimension der Macht und zielt darauf ab, lich fundamentale Kritik einer Lebensweise, Widerstand für Veränderungen soll zweck- den Willen eines Menschen zu brechen. die damit leben kann. Nur oberflächlich los erscheinen. Die Menschen sollen, ver- Der gefolterte Mensch soll verdinglicht, verdeckt die behauptete Normalität kolo- dinglicht, als Material in den Profitmaschi- d.h. zu einer Sache herabgewürdigt wer- nialistisches Denken und rassistische Struk- nen eingesetzt werden oder als nutzloses den. Auch das zeigen die Fotos von Abu- turen. Die Rechtfertigung für den “Anti-Ter- Überbleibsel vermodern. Für dieses kapi- Ghraib: Die Entmenschlichung der einen ror-Krieg” und die Folter produzieren talisierte Verhältnis zum Menschsein und durch ihr eigenes grausames Tun, und die dabei nicht die Regierungen, sondern die- den Grundbedürfnissen könnten zahllose Entwürdigung und Demütigung der ande- jenigen, die sie zulassen. Beispiele aufgezeigt werden. Armut, Hun- ren. Diese Folterszenen dienten nicht dem Diese autoritäre Formierung durchdringt ger, wieder aufkommende Seuchen, die Verhör, sondern der moralischen und reli- alle sozialen Beziehungen, vergiftet sie. mit wenigen Mitteln verhindert werden giösen Erniedrigung, die sich auch an die Und das ist durchaus gewollt. könnten, die Privatisierung von Trinkwasser Zuschauer richtete. Die Dokumentation Wenn also nach Abu-Ghraib in Kinder- oder die Patentierung von Nahrungsmit- gärten das Räuber und Gendarm-Spiel teln sind nicht Auswirkungen, sondern Teil Materialien gegen durch das Spielen der Folter abgelöst der neo-liberalen Strategie. Ehemals vor- wurde, ist das nur folgerichtig. So was handene soziale und politische Kontroll- kommt von so was. und Schutzmechanismen werden im Zuge Folter der Deregulierung und Privatisierung ab- Krieg und prekäre bzw. aufgelöst. Verhältnisse Libertad! hat unter dem Motto “Soli- Ausnahmezustand ist darität & Widerstand / Stoppt Folter, Dass der Krieg die Lebensbedingungen demokratische Normalität Hinrichtungen, Sonder- und Lagerhaft” der Betroffenen zu einer äußeren Angele- eine Plakatserie entwickelt. Mit ihnen genheit macht, ist allen bewusst. Aber ist Die Politik des permanenten Ausnahme- werden exterritoriale Lagerhaft, extrale- nicht genau das der Zweck dieses nicht- zustandes, die seit dem 11.9. 2001 auf gale Tötungen und Todesstrafe, Folter, enden-dürfenden Anti-Terror-Krieges? allen Ebenen die globalen Strukturen Isolations- und Sonderhaft, Folterbefür- Soziale Sicherheiten werden weltweit bestimmt, stellt den Geltungsanspruch ver- wortung und Selektionslager für Flücht- abgebaut und immer größere Teile der fassungsrechtlicher Garantien und interna- linge aufgegriffen und thematisiert. Die Bevölkerungen können an den produzier- tionaler Verpflichtungen, also den Gel- farbigen Plakate sind durch identische ten Reichtümern nicht mehr teilhaben. Die tungsanspruch von Recht überhaupt, Elemente als Serie wiedererkennbar. So neoliberale Ausrichtung des Kapitals offensiv in Frage. “Verdächtigen Personen” wird der Bogen gespannt von erzeugt neue Formen einer globalen Kolo- - ein der politischen Konjunktur unterwor- Guantánamo-Bay, über Abu Ghraib, nisierung. So genannte Sonderprodukti- fener und nur dadurch bestimmbarer Per- den staatlichen gezielten Tötungen, den onszonen wie die Maquiladoras, in denen sonenkreis - werden in Folge Grund- und Folter-Joint-Ventures, der Folterdebatte die Arbeiter/innen keinerlei Rechte haben, Bürgerrechte abgesprochen. Ständig in Deutschland bis zu den Abschot- erfahren globale Ausweitung. Bis zu 30 erweiterte restriktive Sicherheitsmaßnah- tungsstrategien gegen Flüchtlinge und Millionen Menschen, insbesondere Frau- men schränken die bürgerlichen Freiheits- den neuen Sicherheitsgesetzen, DNA- en, auf 70 Länder verteilt, von China bis rechte auf innenpolitischer und globaler Datei usw. Einige dieser Plakate sind Honduras schuften in diesen Fabriken. Ebene immer stärker ein. Dafür werden bereits gedruckt. Außerdem so genann- Im Zuge der Privatisierung und Deregu- gesetzliche Grundlagen geschaffen, vor- te “Fahrgastinfos” zum Aufhängen in lierung wird das Heer der Ausgebeuteten handene Gesetze verändert und der über- Bus und Bahnen. und Arbeitslosen immer größer. Neo-Libe- gesetzliche Notstand zum Normalzustand Die Materialien können bestellt wer- ralismus, der in seiner Ideologie häufig mit umdefiniert. den: Libertad!, Falkstr. 74, 60487 dem Begriff der “Freiheit” jongliert , ist Frankfurt - oder im Internet: nichts anderes als ein globalisierter Kapi- Wir nennen nur einige Beispiele: Die http://www.libertad.de/antifolter talismus mit transkontinentalen Oligarchi- EU-”Terrorliste”, der europäische Haftbe-

62 fehl, der Flugdatenabgleich, die Aufnahme mitteln und das Recht auf Ausbeutung von Kein ruhiges Hinterland für biometrischer Daten in Personaldokumen- Menschen und Natur. Die soziale Verelen- Folterer und ihre te, der allgemeine Ausbau von Datenban- dung des entstehenden Proletariats Befürworter ken und Sicherheitsbehörden, Überwa- während der Industrialisierung war also chungskameras im öffentlichen Raum, durchaus menschenrechtskonform. Des- Es wäre tatsächlicher purer Antiamerika- Militäreinsätze im Inneren, Repression wegen begriffen Marx und die sich ent- nismus, Folter als ausschließliche US-Pra- gegen Arbeitskämpfe, Flugüberwachung wickelnde Arbeiter/innenbewegung die xis zu thematisieren. Die amerikanisch-bri- bei der Fußball-WM und, und, und... individuellen Freiheitsrechte als bourgeoi- tische Koalition mitsamt ihren polnischen, ses Konzept, das dazu diente, die Position spanischen, italienischen u. a. Hilfstruppen Die Institutionalisierung der Ausnahme der herrschenden Klasse zu festigen, und bilden eine internationale Foltergemein- zeigten schon die Sondergesetze, die forderte die sozialen Rechte ein. schaft im Irak. Und die hat auch Bestand ursprünglich gegen die bewaffneten Grup- im weltweiten System der geheimen Kerker. pen nach 1970 eingeführt wurden. Der Konflikt über die Gleichrangigkeit Und da machten (und machen) auch die Obwohl es diese Gruppen nicht mehr gibt, zwischen den sozialen und individuellen Staaten, wie Deutschland, mit, die nicht werden die Gesetze weiter angewandt und Menschenrechten findet sich in den globa- direkt im Irak militärisch eingreifen wollten. ausgebaut, Sonderhaftbedingungen staa- len Auseinandersetzungen bis heute wie- Täglich werden uns neue Beispiele präsen- tenübergreifend angeglichen und gegen der. In diesem Konflikt drückt sich auch der tiert: Die kanadische Regierung torpedier- Teil III: Kampagnen- und Aktionsvorschläge immer größere Gruppen von politischen Klassenkampf aus - und Rechtsdefinitionen te ein Abkommen, welches das “Ver- Gefangenen angewendet. enthüllen den Klassencharakter ihrer Pro- schwindenlassen von Gefangenen” verbie- tagonisten, selbst wenn es nur auf Papier ten sollte. Die EU-Staaten schieben in Der permanente Kriegszustand in “Zei- steht und nicht Wirklichkeit ist. So war es großer Einigkeit Gefangene in Folter-Staa- ten des Terrors” bietet und bildet den Rah- natürlich eine wichtige Entwicklung, als in ten ab. Deutsche Sicherheitsdienste besu- men, die früher als Notstandsmaßnahmen den 70er und 80er Jahren des vergange- chen Folteropfer und übersehen die Bles- definierte Außerkraftsetzung demokrati- nen Jahrhunderts auf Druck der so suren. Bundeskriminalamt und der Bunde- scher Prinzipien als Norm zu verankern. genannten Entwicklungsländer das Recht snachrichtendienst machen sich unter Fol- Das ist das, was wir die Etablierung des der Völker auf Selbstbestimmung in ihrer ter erpresste Aussagen zu nutze. Undso- Rechts, keine Rechte zu haben, nennen. wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen weiterundsofort. Dies ist die Art von Weltinnenpolitik, wie Entwicklung als Konvention angenommen sie auf G8-Gipfeln besprochen, beschlos- wurde. 1993 wurde auf der Weltmen- Das alles verwundert nicht, gibt es doch sen und in der Folge weltweit durchgesetzt schenrechtskonferenz in Wien ein Verhält- seit Jahren hierzulande eine Debatte, die wird. Bei so viel Extra-Legalität, normalisie- nis der “Nichtselektivität” zwischen den das absolute Folterverbot zunehmend in render Ausnahme, dauerhaft temporären zivilen und politischen und den wirtschaft- Frage stellt. Die potentiell vorhandene Sondermaßnahmen, scheinen die Herr- lich, sozialen und kulturellen Menschen- gesellschaftliche Bereitschaft, diesen Tabu- schenden nur bedingt nach dem Motto zu rechten definiert. Die in diesen Jahren fest- bruch zu vollziehen, zeigte sich in der Dis- verfahren: legal, illegal, scheißegal. gelegten Rechte für Frauen, gegen Rassen- kussion um das Verhalten des damaligen diskriminierung, gegen Folter oder gegen Frankfurter Polizeivizepräsidenten Menschenrechte revolutionär die Apartheid verweisen auf internationale Daschner, der im Herbst 2002 einem Kin- durchsetzen? gesellschaftliche Prozesse, die ihren Ein- desentführer Folter androhen ließ, um fluss geltend machten. Denn ohne die rea- Informationen über das Versteck zu erzwin- Die schon erwähnte Menschenrechtsde- len Bewegungen gegen Kolonialismus, gen. Er konnte auf das Verständnis von klaration von 1948 behauptete eine glo- ohne die Frauenbewegung und die Kämp- Repräsentanten aus Justiz, Politik und bale Gültigkeit und gab den klassischen fe der Anti-Apartheidsbewegung hätten Medien zählen. Auf die des Stammtisches Freiheitsrechten universelle Geltung. Sie diese Konventionen niemals Einzug in die ohnehin. war nicht nur Konsequenz der maßlosen UNO gehalten. Menschenrechtsverletzungen im Faschis- “Die auf Lebensrettung gerichtete Fina- mus und 2. Weltkrieg, sondern ihr gingen Wenn wir also von Menschenrechten lität” lässt die “Androhung oder Zufügung 200 Jahre heftige Auseinandersetzungen reden, beziehen wir uns nicht auf die körperlichen Übels” schon mal zu. Das voraus. Seit der Aufklärung wurden die Papiere und Konventionen, sondern in heisst, wenn Leben gerettet werden kann, wichtigsten Eigenschaften der Menschen- erster Linie auf die Prozesse, die sie formu- dann ist der Einsatz von “ein bisschen Fol- rechte mit ihrer Vorstaatlichkeit und ihrer lieren und für ihre Umsetzung kämpfen. ter” durchaus legitim. Auf diesem Niveau Unveräußerlichbarkeit begründet. wurden Positionen geltend gemacht, Unbeeindruckt von diesen Definitionen Grundrechte gegeneinander gerechnet, Der Realität entsprach dies allerdings verschärft sich die soziale Entwicklung und die Menschenwürde in neuen Kom- nie. Obgleich die bürgerlichen Menschen- weltweit. Die Widersprüche zwischen Arm mentaren zum Grundgesetz feinsinning rechte z.B. in den “Virginia Bill of Rights” und Reich verschärfen sich zusehends. In juristisch angetastet. Damit andere die 1776 in den Vereinigten Staaten Verfas- jedem Moment werden immense Reichtü- Hand anlegen können. Bedrohungsszena- sungsrang hatten, wurden weiter Sklaven mer geschaffen, während gleichzeitig über rien werden erschaffen, um die Notwen- gehalten und das Land kolonisiert. zwei Milliarden Menschen in absoluter digkeit für Ausnahmen salonfähig zu Armut leben. Täglich sterben ca 100 .000 machen. Begründet mit einer verschärften Die Menschenrechte wurden zu einem Menschen an Hunger oder seinen Folgen. Sicherheitslage in Europa nach den Kampfbegriff - gegen Monarchismus und Um diese Wirklichkeit geht es - und um Anschlägen von Madrid und London wird feudale Strukturen. Die Durchsetzung der das Regime, das diese Wirklichkeit zuerst argumentativ die Geltung der Men- Bourgeoisie, aber auch die Abschaffung braucht, produziert und sichert. schenrechte für Alle zur Disposition gestellt der Sklaverei oder das allgemeine Wahl- - um dann den handgreiflich werdenden recht erfolgten in ihrem Namen. Und zu Folterknechten und ihren Vorgesetzten ein diesen Bürgerrechten gehörte auch das Notwehrrecht einzuräumen. Recht auf Eigentum an den Produktions-

63 Der Trick ist die grundsätzliche Unan- zweitrangige Frage gehalten wird. nalen wie internationalen Zusammenarbeit tastbarkeit in einen zu schützenden Kern Tatsächlich berührt die Frage von Krieg vertiefen und gemeinsame Ziele klarer und ein angreifbares Außen des Menschen und Folter einen Zentralbereich linker Poli- werden lassen. Wir sind da nicht nur guten aufzusplitten. Die Befürwortung der Zuläs- tik und Vorstellung. Ignorieren und Nicht- Mutes, sondern auch zu allen Schandtaten sigkeit von Folter in Ausnahmefällen führt Verhalten stellt die Fähigkeit, gesellschaft- bereit. Schon jetzt sind verschiedene direkt in den Ausnahmestaat, der den Aus- liche Perspektiven zu entwickeln, in Frage. Schwerpunkte der politischen Arbeit und nahmezustand institutionalisiert. Aber Wie andererseits jedes taktische Lavieren Praxis in der Mobilisierung vertreten. Wir allein schon, dass am Beispiel des (nicht ganz unbekannt in der Geschichte halten das für eine große Bereicherung. Daschner-Falls Folter diskutabel wurde linker Bewegungen) Befreiungsansätze zer- Da die globalen Themen der Ausbeutung und das Für und Wider abendliches Unter- stört. jeder Couleur miteinander verbunden haltungsprogramm in Talk-Shows wurde, sind, muss es unser Widerstand auch sein. zeigt den “moralischen Dammbruch” auf, Globales Handeln ist möglich Gegen ein System der Privatisierung setzen den die Gesellschaft bereits vollzogen hat. wir einen Prozess der Kollektivierung. Deswegen auch: kein ruhiges Hinterland Ein zentrales politisches Anliegen in der Gegen soziale Ausgrenzung setzen wir auf für Folterer und ihre Befürworter! G8/2007-Mobilisierung von uns ist, diese eine Welt ohne Grenzen. Zusammenhänge in den Aktivitäten aufzu- Anti-Folter-Kampf ist kein greifen und Widerstandsperspektiven zu Diese Ziele wollen wir in der Mobilisie- Teil III: Kampagnen- und Aktionsvorschläge Thema, keine Sache von entwickeln. Der Kampf für des Menschen rung, während des Gipfels und danach als Menschenrechtsgruppen Recht stellt das globale Ausbeutungssystem Inhalte praktisch erfahrbar machen. grundsätzlich in Frage und kann unserer Gegen die Verdinglichung setzen wir unse- Das meinen wir wörtlich und in jedem Meinung nach nur antikapitalistisch ren Widerstand gegen alle Instanzen, die Sinne. Zuerst mal, dass dieser Kampf von geführt werden. Der Kampf gegen Folter den Menschen nicht mehr als autonomes so zentraler Bedeutung für den eigenen und Todesstrafe richtet sich gegen die Zer- Subjekt verstehen. Begriff sozialer Perspektiven ist, dass man störung jeglicher menschlicher Werte und es gar nicht irgendwelchen “Spezialgrup- Würde. Die neoliberale Ideologie will Soli- Für eine radikale Intervention in die Ver- pen”, auch nicht Libertad!, überlassen darität zerstören - wir wollen sie aufbauen, hältnisse. darf. Deswegen ist es auch kein Thema, an jedem Punkt, an dem Menschen Für das produktive Chaos des Aufruhrs. einzureihen in der Vielfalt linker Themen zusammentreffen, die die kapitalistische Für einen Widerstand, der auf Befreiung und dem seit einigen Jahren grassierenden Verwertung ablehnen und sich andere zielt. Verständnis von Themen-Politik statt gesell- Gesellschaftsformen vorstellen können. I Initiative Libertad!, Mai 2006 schaftlicher Organisierung. Dass es aber kaum ein Thema in der Argumentation Dafür ist der G8-Gipfel eine gute Mög- [ Libertad!, Falkstr. 74, D-60487 Frankfurt -eMail: und Praxis linker Gruppen ist, hat wieder- lichkeit. Der Prozess der Vorbereitung und [email protected] - Internet: www.libertad.de ] um sicher damit zu tun, dass es für eine Organisierung kann Strukturen der natio-

Carlo Giuliani auf der Via Tolemaide, nachdem die Carabinieri die genehmigte Demonstration angriffen. Eine Stunde später wurde er erschossen. 64 Teil IV: Positionspapiere

Teil IV: Positionspapiere

65 "Kapital - Macht - Krieg" Widerstand gegen Verelendung, Entwertung und Vernichtung Entwurf für einen Aufruf/ Positionspapier des Kölner Anti-G8-Bündnisses (Stand: 18. November 05)

Im Sommer 2007 findet das nächste die herrschenden Eliten innerhalb der ver- die Saatgutherstellung des BAYER-Kon- Treffen der Staaten der so genannten

Teil IV: Positionspapiere elendenden Trikontstaaten sowie ein Teil zerns verkauft. G-8-Gruppe in Deutschland statt, das der Bevölkerung in Westeuropa, Norda- erste Mal seit 1999 in Köln. merika und Japan profitieren von diesen U. a. in Lateinamerika breitet sich die Auf diesen Gipfeltreffen regeln die Verhältnissen. Doch auch in den Metropo- imperialistischen Hauptländer ihre Cholera wieder aus, weil sich Hunderte gegenseitige Konkurrenz und spre- len nehmen Erwerbslosigkeit, Verelendung Millionen Menschen kein sauberes Wasser chen sich ab über die Aufteilung der und mangelhafte Ernährung zu, wird der leisten können. RWE, der französische Absatzmärkte, Wechselkurse, Rüstung Sozialterror gegen u. a. Alte, Schwache Konzern Suez und andere Konzerne kaufen und das Niederhalten von Opposition. und Kranke gesteigert, wachsen Ghettos, z. B. in Indonesien die Trinkwasserleitun- Der Club des internationalen Kapitals, Slums und Obdachlosensiedlungen. gen auf und erhöhen die Wasserpreise die Konzerne und Banken aus den G- drastisch. Coca Cola gefährdet durch die 8 - Ländern und der EU beherrschen Der Kapitalismus zerrüttet und ruiniert Entnahme und Verschmutzung von Grund- die Weltwirtschaft und bilden eine heute das Leben von Milliarden von Men- Front gegen die Menschen im Tri- wasser für die Softdrink-Produktion in Indi- kont und gegen revolutionäre schen durch seinen totalitären Zwang zur en die Gesundheit und Wasserversorgung Bewegungen. Lohnarbeit und durch die Zerstörung der der Armen. Hunderte von verelendeten Nach den antikapitalistischen Gipfel- Natur. Das Kapital setzt die Ausgebeuteten Menschen erfrieren im Winter in den protesten u. a. in Seattle, Göteborg am Arbeitsplatz gefährlichen Giften und Innenstädten von Metropolen wie New und Genua finden die Treffen nicht einem dramatischen Anstieg von arbeits- York oder London. mehr in Großstädten statt, sondern in bedingten Todesfällen aus. Zur Zeit ster- Luxushotels und Schlössern. Im ben weltweit jeden Tag mindestens 5.000 Frauen müssen aufgrund der exklusiven Kurort Heiligendamm an Menschen an ihrem Arbeitsplatz. Dazu der Ostsee will man im Sommer 2007 geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung fast abgeschottet und von Polizei und kommen tödliche Berufskrankheiten, wie z. überall unbezahlte Reproduktionsarbeit Militär geschützt im Kempinski-Hotel B. Krebs. In den Regionen, in denen noch wie Kindererziehung, Hausarbeit, soziale tagen. eine materielle Grundversorgung besteht, Versorgung, Nahrungsmittelherstellung werden Millionen Menschen in psychische usw. leisten, die als 'Nichtarbeit' unsichtbar Verelendung getrieben. zu machen versucht wird. Insgesamt ver- richten sie zweidrittel aller Arbeit und den ie Entwicklung des Kapitalismus In jeder Sekunde stirbt ein Mensch an größten Anteil an ungesicherter Arbeit, beruht auf mehr als 500 Jahren den Folgen von Unterernährung. Die Zahl erhalten aber nur ein Zehntel des Einkom- DAusbeutung, Naturzerstörung und der Menschen, die an chronischer Unte- mens und besitzen nur 1 Prozent des Terror in Asien, Afrika und Lateinamerika. rernährung leiden, nimmt weltweit wieder Eigentums. Sie bekommen im Durchschnitt Mit der Eroberung Lateinamerikas ab zu und liegt bei etwa einer Milliarde Men- 40 Prozent weniger Lohn als männliche 1492 wurde die vorher in Afrika begonne- schen. Nach Berechnungen der FAO, der Arbeiter. Frauen werden bei Ernährung, ne Ausplünderung des Trikont auf die UN-Organisation für Landwirtschaft und Ausbildung sowie der Gesundheitsversor- ganze Welt ausgedehnt. Die Regionen Ernährung, könnten nach heutigem Stand gung benachteiligt. 70 Prozent der Armen außerhalb der kapitalistischen Zentren der Lebensmittelerzeugung 12 Milliarden weltweit sind Frauen. sind heute Lieferanten von Rohstoffen, Menschen ernährt werden, wenn nicht aus Lebensmitteln und Billigwaren, Absatz- Profitgründen der Zugang zu Nahrungs- Im Trikont zwingen extensive Landvertrei- märkte für Industrieprodukte aus den mitteln, Produktionsmitteln und Böden bungen und die Intensivierung der Land- Metropolen und Reservoir für billige künstlich verknappt würde. Der Global wirtschaft für die Exportproduktion immer Arbeitskräfte. Nach dem Zerfall des RGW Health Watch Report 2005-2006 verzeich- mehr Frauen, sich zu entscheiden: Entwe- wird Osteuropa im Rahmen der sogenann- net die massive Eskalation der Armut und der in den Zulieferbetrieben, in der Textil- ten Osterweiterung der EU durch das in ihrem Gefolge eine Verschlechterung und Elektronikproduktion für die Metropo- Kapital aus Westeuropa kolonialisiert. Die des Gesundheitszustandes vieler Men- len zu schuften oder in die kapitalistischen BRD versucht die Region zu ihrem Hinter- schen in Asien, Afrika und Lateinamerika. Zentren zu emigrieren. Die Schwemme von hof auszubauen. Der normale, stille Gang des Kapitalis- Fertigungsbetrieben in den Exportsonder- mus tötet mehr Menschen als alle seine zonen in Mittelamerika, Institutionen wie der IWF und die Welt- scheinbaren Ausnahmen wie Kriege, Pan- Südostasien/China und z. T. in Osteuropa bank, GATT/WTO und seitens der EU die demien und kapitalismusbedingte Natur- hat verheerende Folgen: 80 Prozent der Lomé/Cotonou-Abkommen erzwangen katastrophen. ArbeiterInnen dort sind Frauen, die mörde- nach der Entkolonialisierung die Öffnung rischem Arbeitstempo, direkter sexualisier- der Märkte im Trikont für europäisches Immer mehr Menschen müssen Teile ter Gewalt und fehlendem Gesundheits- Kapital und Waren, die Privatisierung von ihres Körpers verkaufen, um finanziell und Arbeitsschutz ausgesetzt sind. Infrastruktur, Böden und Wasser, den überleben zu können, wie z. B. in Bombay, Abbau von Sozial- und Gesundheitsaus- einem Zentrum des Organhandels. Men- Die Deregulierung und Umstrukturie- gaben und Lohnkürzungen. Als Folge schenhandel und Sklavenarbeit von Kin- rung der kapitalistischen Produktionsver- davon leben dreiviertel der Menschheit in dern nimmt zu. Mehr als eine Million Kin- hältnisse geht zu Lasten der Frauen: Die Armut, Unterernährung, Krankheit und der werden jährlich für sexuelle Ausbeu- ungesicherte Teilzeit- und Niedriglohnar- Analphabetismus. Konzerne und Banken, tung oder als billige Arbeitskräfte z. B. für beit im Rahmen der jeweiligen "Bündnisse

66 für Arbeit" sind eine Ausbeutungsform, die tödlich. Ungezählte Flüchtlinge ertrinken ordnung fast nichts mehr im Wege, um mehrheitlich Frauen vorbehalten ist. Frau- jeden Monat im Mittelmeer beim Versuch, jeden Widerstand zu brechen und jede en stellen einen überproportionalen Anteil die EU zu erreichen. Die Ufer der Festung Region für die hemmungslose Ausbeutung an SozialhilfeempfängerInnen. Frauenar- Europa werden mit deutschen Schnellboo- zu öffnen. Für sein grenzenloses Verwer- beit soll einhergehend mit der Zerstörung ten und Überwachungsgeräten, mit tungsinteresse und unter dem Zwang der von erkämpften sozialstaatlichen Garanti- NATO-Stacheldraht und sechs Meter Profitmaximierung geht das Kapital rück- en als soziales Auffangnetz herhalten. hohen Mauern verteidigt. Otto Schily ist in sichtslos über Leichen. Das Kapital führt der EU zum Vorreiter dafür geworden, Krieg gegen die Menschen an mehreren Laut einer Untersuchung von Amnesty Flüchtlinge in Nordafrika und Osteuropa Fronten: Nach außen über nationalstaatli- International vom September 2005 ist jede in Internierungslagern zu sammeln. Kapi- che Grenzen hinweg, als imperialistische Teil IV: Positionspapiere dritte Frau weltweit bereits Opfer einer talismus heißt auch Rassismus heißt Pogro- Kriege; nach innen bei der Zerstörung "schlimmen Gewalterfahrung" geworden. me und Jagd auf MigrantInnen. erkämpfter und zeitweise zugestandener Sexuelle Gewalt ist weltweit das Verbre- sozialer Sicherungssysteme, durch die Vor- chen, das am schnellsten zunimmt. Frauen Für diesen Kapitalismus und seine Zivili- enthaltung medizinischer Leistungen für sind vielfältigen Formen patriarchaler, sexi- sation 'befreien' NATO oder Bundeswehr Arme und Menschen mit niedrigem Ein- stischer Gewalt und Tortur ausgesetzt. Afghanistan und den Irak, wo zuerst mit kommen, bis zur Vernichtungsdrohung Etwa zwei Millionen Frauen werden jähr- Unterstützung von Fischer und Schröder gegen 'unproduktive' Menschengruppen lich Opfer von Genitalverstümmelung, die Scharia als "Quelle der nationalen Kul- und durch eine intensivierte Naturzer- damit von Folter und Versklavung. tur" in den Verfassungen positiv erwähnt störung. Während in Teilen Afrikas und des wird und die danach lokal praktiziert wer- Nahen Ostens, z. B. im Irak, zunehmend den darf; mit der Scharia werden Frauen Durch immer wieder umgewälzte und Frauen durch die Scharia gedemütigt wer- zur Verschleierung gezwungen oder wegen erneuerte Produktivkraftentwicklung ver- den, droht in den USA die Revision der Ehebruch gesteinigt und werden Men- sucht das Kapital, die Mehrwertauspres- juristischen Abtreibungsfreiheit durch die schen wegen Diebstahls Gliedmaßen sung und Ausbeutung zu steigern und reaktionär-konservative Umbesetzung des abgehackt. seine Kontrolle über Menschen und Natur Supreme Court. Befreiung a la NATO bedeutet Folter- zu vertiefen - u. a. seit einiger Zeit durch und Internierungslager wie im Abu- die Gentechnik und die Informations- und Ihr Körper wird als Ware gehandelt, u. Ghraib-Gefängnis bei Bagdad und in Kommunikationstechnik; zur Zeit durch die a. durch den Frauen- und Mädchenhandel Guantanamo. In der BRD wird Folter als Nanotechnologie oder demnächst durch aus Südostasien und Osteuropa und den Ermittlungsmethode durch die deutsche die Atomfusion. Sextourismus u. a. der deutschen Männer Polizei illegal eingesetzt. Durch Vorstöße Das Atomkapital bereitet eine neue auf den Philippinen, in Thailand und wie die von Daschner in Frankfurt oder Runde für die Modernisierung der Atom- Kenia. Mindestens vier Millionen Frauen durch den Professor an der Bundeswehr- energie in der EU vor: werden jährlich zum Zweck der Prostitution hochschule München, Michael Wolffsohn In der BRD wurde 1999 von der und Sklaverei verkauft. Deutschland soll daraus tendenziell eine legale Metho- SPD/Grünen Bundesregierung eine importiert nach Schätzungen der IMO de werden. Wolffson befürwortete die Bestandsgarantie für die bestehenden jährlich ca. 50.000 Frauen und Kinder. Anwendung von Folter als Druckmittel Atomkraftwerke z. T. bis zum Jahr 2030 Frauen leben weltweit in wirtschaftlicher gegen 'Terroristen': "Als eines der Mittel gegeben. Die Forschung an neuen Atom- und rechtlicher Abhängigkeit von gegen Terroristen halte ich Folter oder die technologien für Energiegewinnung und (Ehe)Männern. Der Kampf gegen diese Androhung von Folter für legitim." Atombombenbau wurde genehmigt. Der Gewaltverhältnisse wird nicht als politi- Atombombenreaktor FRM II nahm 2004 scher Widerstand akzeptiert. Frauenspezifi- Die im kapitalistischen Zentrum BRD seinen Betrieb auf. Die Kapazität der Uran- sche Fluchtgründe werden nicht aner- zeitweilig bestehenden relativen sozialen anreicherungsanlage in Gronau wurde kannt, und Frauen ohne eigenen Pass kön- Sicherungen entsprangen aus einem Klas- erweitert und die Atomfusion in Greifswald nen in der BRD keinen Asylantrag stellen. senkompromiss, der auf weltweiter Aus- vorangetrieben. beutung und Naturzerstörung und auf der Der Europäische Druckwasserreaktor In den kapitalistischen Zentren wie im Entmündigung der ArbeiterInnenklasse EPR (European Processurized Watercooled Trikont sind sie Objekte bevölkerungspoli- basierte. Reactor) wurde in den neunziger Jahren tischer Maßnahmen. Mit Hilfe von Gen- Die Realität des Kapitalismus weltweit von Siemens und Framatome entwickelt. und Reproduktionstechnologien wird Frau- aber war und ist Terror: Ausbeutung, Hun- Das Atomkapital aus der BRD und Frank- en die Kontrolle über ihre Gebärfähigkeit ger und Verelendung, das Leiden und Ster- reich hat sich zusammengeschlossen, um entzogen. Das Ziel ist, genügend 'weißen' ben an vermeidbaren Krankheiten und zer- die mörderische Technologie weiter zu ent- und 'gesunden' Nachwuchs zu sichern. störter Natur, Krieg und Diktatur. Die wickeln und weltweit zu verkaufen. In der Frauen in Afrika, Lateinamerika, Asien und Lebenserwartung der Menschen wird welt- EU-Konvention hat die Förderung und Ozeanien sowie schwarze Frauen, die in weit brutal gesenkt. Nach der Öffnung Nutzung der Atomenergie u. a. mit Zustim- den Zentren leben, werden Zwangssterili- Russlands für das Kapital sank z. B. die mung von Fischer (Grüne) Verfassungs- sierungen, Zwangsabtreibungen (z. B. von Lebenserwartung je nach Region und Klas- rang erhalten. Der Neubau eines AKW in weiblichen Embryonen in Indien) und senzugehörigkeit dramatisch, im Schnitt für Finnland wurde von der EU-Kommission gesundheitsgefährdenden Verhütungsex- Männer um knapp 5 Jahre. Ein solcher All- genehmigt. Bei dem Reaktor in Olkiluoto perimenten ausgesetzt. Auf der anderen tag soll auch in der BRD und in der EU handelt es sich um den ersten Auftrag zum Seite wird versucht weiße, nichtbehinderte normal werden. Wirksamer, antikapitalisti- Neubau eines AKW in der EU seit 13 Jah- Frauen durch so genannte "Lebensschutz"- scher Widerstand der Menschen dagegen ren und um den ersten Bau eines EPR. Der Propaganda und strafbewehrte Abtrei- soll ausgeschaltet werden. bis zu drei Milliarden teure Neubau wird bungsverbote zum Gebären zu erpressen. seit Anfang September 2005 von Siemens Nach dem Zusammenbruch der Sowjet- und Framatome errichtet. Aufgrund dieser Verhältnisse sind täglich union und des RGW-Blockes steht dem Nach jahrzehntelangem innerimperiali- Menschen auf der Flucht; sie endet häufig Kapital und seiner weltweiten Herrschafts- stischen Gerangel um Standort, Kosten

67 und Konzept wurde Juni 2005 der Bau bedroht. Der Bestand aller Fischarten in Logik der Entwertung und Vernichtung eines Experimental-Fusionsreaktors ITER allen Weltmeeren ist in den letzten 50 Jah- nicht fremd. Die kapitalistische Produkti- (International Thermonuclear Experimental ren auf 10 Prozent ihrer Ausgangszahlen onsweise war von Beginn an menschen- Reactor) beschlossen. Beteiligt an den gesunken. Wüstenbildung breitet sich in und naturvernichtend, z. B. bei der Erobe- Kosten von ca. 4,6 Mrd. Euro sind die EU einem Gürtel von Afrika über Vorder- und rung Südamerikas. Die Begrenzungen, die zu 50 Prozent und Russland, Japan, die Zentralasien bis nach China weiter aus. dem Kapitalismus zeitweise in den Zentren USA, die VR China und Südkorea. Die EU Teile Südeuropas und der USA versteppen. auferlegt wurden, galten nicht für seine hat sich in der Standortfrage gegenüber Binnenmeere wie der Aralsee trocknen aus Peripherie. Mit anderen Worten: Der rela- Japan und den USA durchgesetzt. EU-For- und schrumpfen, spalten sich in versalze- tive Wohlstand hier aufgrund von materiel- Teil IV: Positionspapiere schungskommissar Janez Potocnik sprach ne, gifttriefende Lachen. Unerforscht len Zugeständnissen der Herrschenden ist von einem "historischen Moment für Euro- gehen natürliche Ressourcen verloren, aufgebaut auf der Zerstörung der ökono- pa".Gebaut werden soll der ITER ab Ende deren möglichen Nutzen zur Bekämpfung mischen und sozialen Grundlagen des Tri- 2005 bis ca. 2022 im erdbebengefährde- von Krankheiten wir noch nicht einmal kont seit dem 15. Jahrhundert. ten Cadarache (Südfrankreich). kennen. Mehr als eine Milliarde Menschen Das Kapital setzt technologische Ent- Die Atomfusion ist keine "saubere Alter- hat nach UN-Angaben keinen Zugang zu wicklungen ein, um immer mehr Produkti- native", sondern eine kapitalintensive, zen- sauberem Trinkwasser. Binnen einer Gene- onsabläufe zu automatisieren und neue tralistische Destruktivkraft, die auf dem ration werden zwei Drittel der Menschheit Produkte zu schaffen, um seine Profitmas- Prinzip der Wasserstoffbombe basiert. Ein von akuter Wassernot bedroht sein. se zu steigern. Technische Entwicklungen Atomfusionskraftwerk (AFKW) gibt im Nor- Gleichzeitig steigt der Meeresspiegel stetig sind Teil der Produktivkraftentwicklung und malbetrieb tausendmal mehr Radioakti- an. Teile von pazifischen Staaten sind senken den Wert der Ware Arbeitskraft. vität ab als ein AKW und produziert fünf bereits überschwemmt und die regelmäßi- Der Einsatz von menschlicher Arbeitskraft mal so viel radioaktiven Abfall wie ein heu- gen Überflutungen z. B. in Bangladesh wird dadurch zurückgedrängt. tiges Atomspaltungskraftwerk. erreichen neue Höchstwerte. Sowohl das Menschenbild des Christen- Flutkatastrophen kosten Hunderttausen- tums und des Judentums als auch das der 2004 trat die EU-Richtlinie zur Kenn- de von Toten, weil sich für die Menschen französischen Revolution enthielten einen zeichnung von genmanipulierten Organis- im Trikont kein Erdbebenfrühwarnsystem utopischen, humanistischen Überschuss men in Kraft, die die Verbreitung der Gen- 'lohnt' oder für die Armen und Schwarzen und stehen jetzt zur Disposition. Ein Men- technologie in der Landwirtschaft ermög- in den Slums von New Orleans kein schenbild, das den Menschen über seine licht. Das seit 1998 bestehende inoffizielle Küstenschutz. klassenmässige soziale Zuordnung hinaus Moratorium, das die Zulassung und Aus- als Träger von unveräußerlichen Rechten saat genmanipulierter Pflanzen für kom- Anstatt über die in der kapitalistischen sieht, als einzigartiges, mit Würde ausge- merzielle Zwecke verhinderte, war damit Produktionsweise liegenden Ursachen von stattetes Wesen, kann die Durchsetzung obsolet. Die Patentierung von menschli- Naturzerstörung aufzuklären, werden in einer schrankenlosen Verwertung des chen Keimzellen wurde in der EU erstmalig der bürgerlichen Öffentlichkeit und Wis- Menschen bremsen. Das heute noch exi- genehmigt. Das ist der Einstieg in gentech- senschaft, aber auch innerhalb von Teilen stierende Bewusstsein der Menschen über nische Menschenzüchtung und Selektion. der Ökologiebewegung reaktionäre, bio- sich selbst als soziale Wesen, über ihr indi- logistische und ökofaschistische Weltbilder viduelles Menschsein, über ihre sozialen Die EU wird zu einem zweiten imperiali- verbreitet. Rechte, über ihre bedrohten Freiheiten soll stischen Zentrum ausgebaut. Die u. a. auf- beseitigt werden. Der Einsatz der Gentech- grund der damaligen Frontstellung zum Das geschichtlich errungene Men- nik zog neue Erscheinungsformen einer RGW in einigen Regionen abgemilderten schenbild soll eingeebnet werden, indem unmenschlichen Ethik nach sich, die Arbeits- bzw. Ausbeutungsverhältnisse und die Menschen herabgestuft werden zu Bioethik, um diese Produktivkraftentwick- zugestandenen besseren sozialen Absiche- einer Tiergattung neben vielen anderen. lung durchsetzbar zu machen. Diese Ethik rungen sollen beseitigt werden und die Der Bezug auf die angebliche Gleichwer- kommt oft human ummantelt daher, um technische diktatorische Kontrolle über die tigkeit aller Lebensformen - vom Menschen möglichen Widerstand zu neutralisieren. Lohnabhängigen vertieft werden. Die über den Schimpansen bis zur Kakerlake - ungleiche Verteilung des gesellschaftlichen ist bei so genannten BioethikerInnen und Im Rennen um die größte Profitmasse Reichtums hat in der BRD wieder das ökofaschistischen Organisationen und versucht jedes Kapital, seine Konkurrenten Niveau der 50er Jahre erreicht. Heute IdeologInnen die Quelle einer totalitären, aus dem Feld zu schlagen und setzt dazu müssen auch immer mehr Menschen in menschenfeindlichen Weltanschauung. Sie den Staat ein, um Extraprofite zu sichern. der BRD zwei bis drei Jobs annehmen, um enthält wie z. B. bei den international in Seit dem Zweiten Weltkrieg spielt sich die ihre materielle Grundversorgung sicherzu- vielen Anti-Gipfel-Bündnissen tolerierten Konkurrenz der Hauptkontrahenten zwi- stellen. ÖkofaschistInnen von Earth First eine schen drei kapitalistischen Zentren ab: umfassende Vernichtungsdrohung gegen USA, EU-Europa - mit der BRD als stärkster Die Zerstörung der Natur hat weltweit alles in ihren Augen Entartete. Beim Grün- Macht - und Japan. Seit dem Untergang verheerende Ausmaße erreicht. An jedem der dieser Organisation, Dave Foreman, des gemeinsamen Hauptgegners Sowjet- einzelnen Tag verschwinden 55.000 Hek- hieß es: "Das Schlimmste, was wir in Äthio- union wird der Wettbewerb zwischen die- tar tropischer Regenwald und 100.000 pien (- angesichts einer Hungersnot -) sen Zentren verschärft ausgetragen. Auf Hektar fruchtbaren Ackerlandes. Täglich machen können, ist helfen - das Beste, die dem EU-Gipfel in Lissabon wurde 2000 heizen weitere 60 Millionen Tonnen Koh- Natur ihre eigene Balance finden zu lassen beschlossen, die EU bis zum Jahr 2010 lendioxyd das Treibhausklima an. Das und die Leute dort einfach verhungern las- zum "wettbewerbsfähigsten und dyna- Klima spielt verrückt. Hitzewellen, Torna- sen". Foreman will durch einen mit allen mischsten wissensbasierten Wirtschaftraum dos und Überflutungen quälen vor allem Mitteln herbeigeführten industriellen der Welt", zum ökonomisch führenden die Ärmsten. Jeden Tag sterben 100 bis Zusammenbruch das Sterben lassen von imperialistischen Zentrum zu machen. 200 Tier- und Pflanzenarten aus. Ein Vier- 80 Prozent der Bevölkerung erreichen. Tony Blair seinerzeit: "Der Gipfel hat die tel aller Säugetiere und ein Drittel aller Sozialpolitik der 80er Jahre hinter sich Amphibien sind akut vom Aussterben Der bürgerlichen Gesellschaft ist die gelassen; er bezeichnet damit den Über-

68 gang von einer Politik der Wahrung der diese Vorgabe umgesetzt: Folter, nachge- Im Verfassungsentwurf für die EU hieß Rechte der Beschäftigten zu einer aktiven stellte Geiselerschießungen und Vergewal- es: "Die Mitgliedstaaten unterstützen die Beschäftigungspolitik", das heißt zu dem, tigungen, Beleidigungen und Misshand- Gemeinsame Außen- und Sicherheitspoli- was heute unter 'Fördern und Fordern' lungen sind feste Bestandteile der Ausbil- tik (GASP) der Union aktiv und vorbehalt- bekannt ist: Keine Zugeständnisse zur dung zum neuen Typen des Bundes- los im Geiste der Loyalität und der gegen- Befriedung der Lohnabhängigen mehr und wehrsoldaten, exemplarisch für die Anfor- seitigen Solidarität". Der ausdrückliche Zerstörung von sozialen Auffangnetzen. derungen der imperialistischen Kriegs- Zwang zur regelmäßigen Aufrüstung soll führung weltweit. Ex-Verteidigungsminister für die EU-Staaten Verfassungsrang Der aggressive Expansionsdrang des Struck klopfte dazu die passenden bekommen und die Mitgliedsstaaten sollen Kapitals findet z. Zt. seinen Ausdruck in Sprüche: "Wir sind keine einsame Insel. sich verpflichten, ihre militärischen Fähig- Teil IV: Positionspapiere einer Kette imperialistischer Kriege. Die (,,,) Es wäre ein Irrtum anzunehmen, nur keiten ständig zu erweitern. USA sind aufgrund ihrer wirtschaftlichen weil wir nicht am Irak-Krieg teilgenommen Die noch hinter das Grundgesetz von und militärischen Stärke das dominierende haben, würden wir verschont bleiben", 1949 zurückfallende, den Kapitalismus als kapitalistische Zentrum, auch in diesen sagte Struck August 2005 der Welt am einzig legale Wirtschaftsordnung fest- Kriegen. Sie brauchen aber trotz ihrer Stär- Sonntag. Kurz: "Es wird Tote geben". schreibende EU-Verfassung wurde im EU- ke die Kooperation mit den anderen kapi- Konvent von CDU bis PDS von allen Par- talistischen Zentren. Innerimperialistische EU-Europa ist dabei, sich auch teien unterstützt. Konflikte, Konflikte zwischen den Zentren, militärisch als eigenständiger Block zu for- werden dem untergeordnet. Neue impe- mieren. Die BRD im Verbund mit Frank- Mit der Verschärfung des Klassenkamp- rialistische Kriege um Rohstoffe und Ein- reich und mit Unterstützung Belgiens und fes von Oben ist eine Erweiterung polizei- flusszonen werden vorbereitet, wie z. B. im Luxemburgs, dem so genannten Kerneuro- staatlicher Maßnahmen bis hin zur staatli- Sudan, mit Beteiligung deutschen Öl- und pa, treibt diese Formierung voran. Kurz chen Lizenz zum Mord erfolgt. Sie hat die Transportkapitals und der Bundeswehr. nach der Eroberung Bagdads im April BRD zum Polizeistaat auf Abruf verändert, 2003 beschloss die EU zum ersten Mal im mit einer immer breiteren, kontinuierlichen Die Bundeswehr wurde schrittweise zu Rahmen eines eigenen Militärkonzepts die Überwachung von immer mehr Lebensbe- einer imperialistischen Armee aufgerüstet: "präventive" Anwendung von militärischer reichen. Die Tendenz zum totalen Überwa- Bis 2006 soll die Zahl der so genannten Gewalt, um EU-Interessen durchzusetzen. chungsstaat spiegelt sich auch in DNS- Krisenreaktionskräfte auf 150.000 Solda- Im "European Defence Paper", das unter Massenuntersuchungen wider, die die in tInnen verdreifacht werden. Dazu kommen Mitwirkung eines ehemaligen deutschen Rechtsstaaten gültige Unschuldsvermutung -zig Milliarden teure Anschaffungen von Staatssekretärs erarbeitet wurde, werden umkehren in den für Diktaturen typischen Mordwerkzeugen für weltweite militärische der EU-Erstschlagstrategie jetzt auch Generalverdacht gegen Alle. Sie führt zur Überfälle, für See- und Luftkriegführung. Atomwaffen zugeordnet. In die Präventiv- Sonderermächtigung für den Staat, von Im Mai 2004 wurde die Fusion der Thys- kriegsoption könnten britische und franzö- den Notstandsgesetzen bis zu den neue- sen-Krupp-Werften, Blohm+Voss und der sische Nuklearstreitkräfte "explizit oder sten 'Anti-Terrorgesetzen'. 2004 ist der Kieler Werft HDW beschlossen, damit implizit" einbezogen werden, so das Strate- legalisierte staatliche Massenmord durch deutsche Rüstungskonzerne mehr und giepapier. den Abschuss eines Flugzeuges bei einem schlagkräftigere Kriegsschiffe für die impe- Die EU will weltweit Angriffskriege zur sogenannten Notstand wie z. B. einer rialistische EU-Hochrüstung liefern kön- Sicherung ihrer ökonomischen Interessen Flugzeugentführung hinzugekommen. nen, eine Art EADS zur See. Eine weitere führen können. "Daher müssen wir bereit Polizeiliche Todesschüsse werden nur Konzentration der Bundeswehrkapazitäten sein, vor dem Ausbrechen einer Krise zu noch in seltenen Fällen skandalisiert, wie z. auf "Eingreifkräfte, die (...) für friedenser- handeln. Konflikten und Bedrohungen B. anlässlich der Auflösung eines SEK- zwingende Einsätze (...) auf hohem techni- kann nicht früh genug vorgebeugt wer- Kommandos in Köln, dessen Mitglieder in schen Niveau schnell verlegbar und durch- den." In der EU-Militärdoktrin heißt es: "Als weitere kriminelle Aktivitäten verwickelt setzungsfähig sind", die so genannte Kon- eine Union mit 25 Mitgliedern, die insge- waren. Menschen, die allein schon durch zeption der Bundeswehr (KdB), wurde mit samt 160 Milliarden Euro für die Verteidi- ihr Aussehen das law-and-order-Klima in Mehrheit von SPD/Grünen beschlossen. gung aufwendet .... müssen (wir) eine stra- den Innenstädten stören, werden z. B. in tegische Kultur entwickeln, die ein frühzei- Berlin aufgrund eines Alkoholverbots Mit dem KSK (Kommando Spezialkräfte) tiges, rasches und wenn nötig robustes inzwischen zu Tausenden von der Polizei verfügt die BRD über ihr eigenes Mord- Eingreifen begünstigt". an den Stadtrand deportiert und bleiben kommando, das an geheimen Einsätzen Kern einer einsatzfähigen Interventions- dort sich selbst überlassen. überall in Afghanistan beteiligt war. Zwölf armee der EU sollen laut einem Beschluss Die Möglichkeiten für staatliche Willkür Jahre ist es her, seit bayrische Feldjäger in der EU-Kriegsminister Einsatzgruppen von in Deutschland werden ausgebaut: Straftä- Belet Huen im Rahmen des damaligen 1.500 SoldatInnen sein, so genannte Batt- terInnen können ohne Gerichtsurteil in UNO-Einsatzes in Somalia ZivilistInnen le Groups. Die BRD ist an vier der 13 eine lebenslange Sicherheitsverwahrung folterten. Vor vierzig Jahren ermordete die geplanten Battle Groups beteiligt und gesteckt werden. Sozialdemokratische US-Spezialtruppe green berets in Vietnam damit größter Truppensteller. Ab 2007 sol- Idole wie Oskar Lafontaine sprechen sich zehntausende GegnerInnen der US-Besat- len die Elitekampftruppen als multinatio- für die Anwendung von Folter aus; die zung. Die besondere inhumane Qualität nale Einheiten zur Verfügung stehen. Die Anwendung von Folter gegen 'Feinde' des KSK soll auf die ganze Bundeswehr EU-Eingreiftruppe soll innerhalb von 15 gehört zum Ausbildungskanon der Spezial- ausgeweitet werden: "Wir brauchen den Tagen am gewünschten Angriffsort einsatz- kräfte der Bundeswehr. archaischen Kämpfer, der den High-Tech- bereit sein. Um "die Lücke zwischen Streit- Krieg führen kann", also völlig enthemmte kräften und Polizei zu schließen" beschloss In der BRD treibt die Krieger mit animalischen Eigenschaften, die EU die Zusammenstellung einer 'EU- CDU/CSU/SPD/Linkspartei.PDS/FDP/Grü die dem Menschenbild der Vorgeschichte Gendarmerie' aus 900 Personen bis Ende ne Einheitspartei das umfangreichste Ver- entsprechen - so das faschistoide Denken 2005. Sie soll als eine Art Militärpolizei bei armungs- und Verelendungsprogramm in des Heeresinspekteurs Generalmajor Kriegseinsätzen niederer Intensität einge- der BRD-Geschichte voran. Es handelt sich Budde. In realitätsnahen Übungen wird setzt werden. dabei nicht um einen schrittweisen Prozess,

69 verharmlosend 'Sozialabbau' genannt, rerInnen und "Fremdarbeiter" und gegen Zwang zur Konkurrenz, zu Egoismus, sondern um einen qualitativen Bruch. Leit- sozialdemokratische nationale Umvertei- Ellenbogengesellschaft und Konsum. linie soll sein: Den Brotkorb höher hängen, lungs-Phantasien gehen wir von einer "Der Weg dorthin beginnt mit dem Strafen verschärfen, Zwangsarbeit auswei- internationalen Perspektive sozialer Revolte Widerstand heute: Wehren wir uns gegen ten, oder: "Wer nicht arbeitet, soll auch und Revolution aus. Das Lebensrecht der den alltäglichen Terror der Lohnarbeit, nicht essen!" Was kümmert die Herrschen- Unterdrückten und Ausgebeuteten weltweit gegen alltägliche rassistische und sexisti- den Menschenwürde, individuelle Selbst- ist gleichrangig mit dem derer, die zufällig sche Diskriminierung und Bevormundung! verwirklichung oder die Freiheit der Berufs- im Besitz eines deutschen Passes sind. Wer Kämpfen wir hier in den kapitalistischen wahl! die soziale Frage an eine nationale Zentren gegen diejenigen, die die Ausbeu- Teil IV: Positionspapiere Zugehörigkeit bindet, schürt einen reak- tung des Trikont und ökologische Zer- Der Durchmarsch des Kapitals wird tionären Protest! Die hohen Wahlergebnis- störung weltweit organisieren! Streuen wir durch Spaltungs- und Integrationsmecha- se von NPD, DVU und anderen faschisti- Sand in das Getriebe des militärischen und nismen erleichtert. Die Gewerkschaften schen Organisationen und die regionale polizeilichen Sicherheitsapparats des Fest- vertreten nur noch ständische Interessen Etablierung von faschistischer Hegemonie ung Europa" (Linksradikales bundesweites eines Teils der Lohnabhängigen. Bei Tarif- im Alltagsleben zeigen, wohin eine ver- Bündnis gegen EU- und Weltwirtschafts- abschlüssen wie bei Daimler/Chrysler und kürzte Kapitalismuskritik führen kann. gipfel '99 in Köln, März 1999). Siemens erkauften sie den Erhalt des status quo für Teile der Kernbelegschaft mit der Der Kapitalismus ist nicht reformierbar. "Auch Rom ist nicht an einem Tag zer- verschärften Ausbeutung von randständig Seine weltweite Verwertungslogik mit dem stört worden" ("Blick nach vorn im Zorn", Beschäftigten (z. B. Kantinenangestellte) Zwang zu Ausbeutung, gnadenloser Kon- Aufruf linksradikaler Gruppen gegen den oder Jüngeren bzw. Neuangestellten. Für kurrenz und hemmungsloser Profitmaxi- WWG 1992 in München). Wenn sich die eine nebulöse Arbeitsplatzgarantie werden mierung bewirkt die Zerstörung der Natur staatlichen Vollstrecker der kapitalistischen Lohneinbußen und Arbeitszeitverlängerun- und die Verelendung und Vernichtung von Weltordnung im Sommer 2007 treffen, gen in Kauf genommen (Karstadt, Opel, Menschen zum Vorteil einer verhältnis- werden wir Widerstand leisten. Widerstand Volkswagen AG: Reduktion von Lohnko- mäßig kleinen, immer mehr Reichtum gegen die Organisation von Unter- sten um 30 Prozent bis 2011, Abbau der anhäufenden Klasse. Die Produktivkräfte drückung und Ausbeutung, Widerstand Haustarife). sind längst so weit entwickelt, dass alle gegen die feiste Zurschaustellung von blu- Der Druck auf die Belegschaften und auf Menschen weltweit ihre Bedürfnisse befrie- tiger Macht, Widerstand gegen die Lobhu- das erkämpfte Lohnniveau wird durch die digen könnten, und das bei einem Bruch- deleien über die BRD, die EU, die NATO, per Hartz verordnete Zwangsarbeit und teil der Arbeitszeit von heute. Dazu müssen gegen den Krieg nach Innen und Außen. durch Ein-Euro-Jobs erhöht. Inzwischen die Produktionsmittel vergesellschaftet und stellten sogar die sechs kapitalkonformen die destruktiven Technologien wie z. B. G-8 verhindern - Kapitalismus abschaf- Wirtschaftsinstitute in ihren 'Herbstgutach- Atomkraftwerke stillgelegt werden. fen - Soziale Revolution weltweit ten' fest, dass die Ausdehnung des Nied- riglohnsektors massiv die tariflich gesicher- Wir wollen eine Gesellschaft ohne Lohn- I Kölner Anti-G8-Bündnis, ten Arbeitsverhältnisse bedroht. arbeit, Geld und Waren, eine Gesell- November 2005 schaft, die Gebrauchsgüter herstellt, ohne Die gemeinsame, objektive Lage im Pro- diese Herstellung asketisch zwanghaft zu duktionsprozess erleichterte die Erkenntnis regulieren, aber auch ohne das grenzenlo- der Menschen über gemeinsamen Interes- se, naturzerstörerische Wachstum des sen und über Ansätze von Organisierung, kapitalistischen Wirtschaftens mit seinem über Keime von Klassenbewusstsein und Gegenmacht: "Gemeinsam sind wir stark" und "Alle Räder stehen still, wenn dein star- ker Arm es will". Durch die Zerlegung und Auslagerung von Teilen der Produktion aus den zentralen Fabrikhallen an abhängige Zulieferbetriebe und die erhöhte soziale Kontrolle durch die neue Arbeitsorganisa- tion in Gruppen von Lohnabhängigen wer- den materielle Grundlagen für die Entste- hung von Solidarität kaputtgemacht. Die Zersetzung kollektiver Bewusstwerdungs- und Handlungsfähigkeit ruft bei vielen der Ausgebeuteten Resignation, Ohnmacht und Selbstzerstörungstendenzen hervor. Darum finden nationalistische, sozialro- mantische und sozial reaktionäre Mobili- sierungen ein Publikum. Ein Beispiel sind Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV unter Einschluss bzw. Tolerierung von NPD und anderen faschistischen bzw. antisemi- tischen Gruppen wie der BüSo und von Gesellianern.

Gegen völkische Gemeinschaftspropa- ganda, gegen die Hetze gegen Zuwande-

70 G8 delegitimieren, soziale Bewegungen stärken, Alternativen leben Erwartungen an den G8-Prozess - ein Diskussionspapier des Arbeitsschwerpunktes Weltwirtschaft

Eine Welle von Vernetzungs- und Konkurrenz und Marktkräfte uneinge- Bewegungsansätzen andererseits" (Martin Teil IV: Positionspapiere Kampagnentreffen, die Planung von schränkt wirken können, blamiert sich täg- Dieckmann, in: ak 498, 16. September Camps und Aktionen ist im Gange. lich. Selbst die Brosamen, die angeblich 2005) zu tun.1 Bereits gut ein Jahr bevor sich die bei genügend ökonomischem Wachstum In diesem Kontext sind sowohl die Tref- "Gruppe der 8" im mecklenburgischen Heiligendamm trifft, richten NGOs, auch unten ankommen - im Vokabular der fen der politisch und ökonomisch mächtig- Netzwerke wie Attac und Gruppen Herrschenden trickle down genannt - sten Regierungschefs wie auch die Proteste des linksradikalen Spektrums ihre schmecken nach Ausbeutung und Elend, zu verorten. Grundsätzlich unterschiedli- Aktivitäten auf das Thema G8 aus, Krieg und Militarisierung, Umweltzer- che Vorstellungen von der Gestaltung welches quer durch alle Spektren der störung, Rassismus und patriarchalen Ver- gesellschaftlicher Verhältnisse treffen hier Linken ein gewaltiges Mobilisie- hältnissen, nach Massenentlassungen bei aufeinander. Diese Differenzen deutlich zu rungspotenzial zu besitzen scheint. gleichzeitig hohen Gewinnen der Unter- machen, die herrschende Sichtweise zu Das große Bedürfnis nach Protest und nehmen, nach der Erhöhung von Risiken schwächen und emanzipatorische Perspek- Organisierung wird sichtbar. Die inhaltlichen Auseinandersetzungen im Krankheitsfall oder im Alter durch die tiven zu stärken, das ist ein Anliegen der und Aktionen im Umfeld des G8- "Reform" der sozialen Sicherungssysteme. Proteste. Treffens könnten, wie schon in Seatt- Garniert wird das neoliberal-imperiale le 1999, Genua 2001 und anderswo, Modell mit Durchhalteparolen, mehr 2. Die G8 als Teil globaler zu einem dynamischen "Kristallisati- Zwang und Gewalt, aber auch mit offe- Herrschaftsverhältnisse onsmoment" für emanzipative Bewe- nem Zynismus. Die "unsichtbare Hand des gungen werden. Marktes" benötigt immer stärker die "Faust" Die G8 sind weniger als ein Machtzen- des Staates und des Militärs. trum zu begreifen, von dem aus Entschei- Immer mehr Menschen sagen ¡ya basta! dungen globaler Reichweite getroffen wer- (es reicht!). Die Kritik an der liberalen den, sondern bilden einen Knoten im Netz- ies bietet große Chancen, wirft aber Demokratie und am kapitalistischen Welt- werk globaler Hegemonie, in dem sich auch einige Fragen auf: markt, an den repressiven Antworten der Herrschaftsverhältnisse verdichten und D Herrschenden und der zunehmenden Aus- umkonfigurieren. Dieses Netz von Trennli- · Wie kann der Gipfel der 8 kritisiert grenzung von Menschen wächst. Die nien und Machtbeziehungen zieht sich werden, ohne in eine problematische Sicht Suche nach Alternativen hat längst begon- durch die gesamte Gesellschaft und lässt der "bösen 8 gegen den Rest der Welt" zu nen - hier zu Lande entwickelt sie bislang sich nicht auf ein einfaches ‚oben' und verfallen, der den Blick auf dieses schein- weniger Dynamik, in anderen Gesellschaf- ‚unten' reduzieren. bare Machtzentrum verengt und dabei ten ist das jedoch sehr deutlich zu beob- Vergegenwärtigt man sich die Geschich- globale Herrschaftsverhältnisse und -syste- achten. Das Suchen ist nicht einheitlich te der Gruppe der 8, so wird deutlich, dass me ausklammert? und von Widersprüchen durchzogen. die Regierungen sowohl Getriebene inne- · Wie ist Protest möglich, ohne sich in In Zeiten, in denen ökonomische Krisen rer und äußerer Gegensätze und Verhält- die Inszenierung des G8 einzufügen, ja sie unberechenbarer und häufiger werden, nisse sind, als auch Antreiber einer wirt- sogar zu stärken? sehen die Herrschenden auch ihre Interes- schaftsliberalen Politik. Ins Leben gerufen · Wie kann die Mobilisierung genutzt sen gefährdet. Im Establishment wird um wurde die heutige G8 1975 im französi- werden, um statt einer einmaligen und eine Neuausrichtung des neoliberal-impe- schen Rambouillet. Die beteiligten sechs punktuellen Konzentration der Kräfte dau- rialen Projekts gerungen, um den globalen Regierungen2 wollten sich in einem infor- erhaft handlungsfähige Strukturen zu Kapitalismus effektiver zu gestalten und zu mellen Rahmen über Maßnahmen verstän- schaffen? Wie können in der Mobilisierung relegitimieren. Auch wenn die Legitimation digen, mit denen auf den drastischen Alternativen aufgezeigt und aufgebaut schwindet, steckt das neoliberal-imperiale Ölpreisanstieg, die ökonomische Rezessi- werden? Modell (noch) nicht in einer Funktionskrise, on und die monetären Turbulenzen, die sondern dominiert staatliche Politik nicht sich nach der Aufhebung der Goldbin- Dieser Text ist Teil eines Diskussionspro- nur in den kapitalistischen Metropolen. dung des Dollars 1971 und der Freigabe zesses innerhalb des Arbeitsschwerpunktes Die bestehenden Verhältnisse werden- der Wechselkurse 1973 ergeben hatten, Weltwirtschaft (ASWW) der BUKO. Wir wenn auch oft murrend- akzeptiert und reagiert werden konnte. Mit der Schulden- wollen dazu beitragen, eine fundierte Kritik aktiv mitgestaltet. Das Vertrauen in die krise 1982/83 wurde die liberale Welt- an der G8 als Teil und Ausdruck globaler politischen und ökonomischen Entschei- marktintegration der südlichen Länder und Herrschaftsverhältnisse zu erarbeiten. dungsträgerInnen ist noch nicht grundle- die Liberalisierung der Kapitalmärkte erst- Ebenso wichtig finden wir, dass der Protest gend erschüttert. In Deutschland äußert malig explizit gefordert. Spätestens Anfang über das Event Heiligendamm inhaltlich sich Kritik weniger organisiert und emanzi- der 1980er Jahre wurde die G8 zu einer und organisatorisch hinausweist. patorisch als vielmehr diffus und im Sinne aktiven Vertreterin eines marktförmigen einer autoritären Sozialstaatlichkeit. Währungssystems, später dann zu einer 1. Die aktuelle Situation Schlimmstenfalls kommt sie im rechtsextre- Verfechterin von Strukturanpassungsmaß- men Gewand daher. Insofern haben wir es nahmen der Weltbank und des Internatio- Das neoliberale Projekt steuert in eine mit einer "Diskrepanz zwischen der extre- nalen Währungsfonds sowie zur Antreibe- Legitimationskrise. Das Versprechen von men Beschleunigung des Umbruchs einer- rin der Welthandelsorganisation. Glück und Wohlstand für alle, wenn denn seits und nur schwach ausgebildeten Seit dem Bestehen der G8 werden die

71 Themen beständig ausgeweitet und den zur Sicherung der bestehenden Machtver- a) Delegitimieren neuen ‚Anforderungen' angepasst. Der hältnisse. Die Bearbeitung von Wider- bereits Ende der 1970er Jahre thematisier- sprüchen zwischen den G8-Staaten stößt Der G8 mangelt es in zweifacher Hin- te ‚Kampf gegen den Terrorismus' ist in den jedoch auch an Grenzen, wie die sicht an Legitimation: Sowohl gemessen an letzten Jahren (wieder) Gegenstand der gegensätzlichen Positionen zum Irak-Krieg, den für viele Menschen katastrophalen G8-Beratungen. Mit den Themen Ent- zu umwelt- und zu handelspolitischen Fra- Ergebnissen ihrer Politik, als auch gemes- schuldung und Entwicklungsfinanzierung gen zeigten. sen am eklatanten Missverhältnis zwischen reagieren die beteiligten Regierungen seit Drittens entfalten insbesondere die Tref- den Beteiligten und den Betroffenen der Birmingham 1998 auf Kritik an ihrer ein- fen der Regierungschefs eine hohe symbo- G8-Entscheidungen. Was dieses Missver- Teil IV: Positionspapiere seitig wirtschaftsliberalen Ausrichtung. Auf lische Wirkung. "Schaut her, wir packen die hältnis angeht, so erfüllt die G8 nicht ein- dem Treffen in St. Petersburg 2006 steht Probleme der Welt zusammen an! Wir sind mal die selbst gesetzten Standards libera- der Dauerbrenner ‚Energiesicherheit' wie- die Chefs!" Neben der direkten Einflus- ler Demokratie. Acht Regierungen maßen der im Zentrum. snahme erfüllt die G8 also die Funktion, sich an Beschlüsse zu treffen, deren sym- Allerdings sollten die Abschluss-Kom- Zustimmung für sich zu erzeugen und bolische und materielle Auswirkungen muniques der G8-Treffen nicht überschätzt somit Spielräume für ihre Politik zu schaf- weltweit zu spüren sind. Die Regierung- werden. Neben dem durch die Medien fen. Die symbolische Inszenierung von schefs der G8 sind auf nationalstaatlicher sichtbaren jährlichen Treffen der Regie- Herrschaft und Legitimität verkörpert und Ebene zwar formal demokratisch legiti- rungschefs besteht der G8-Mechanismus stabilisiert die Verhältnisse, da die Gipfel miert, faktisch agieren sie aber auf ver- aus vielen anderen informellen Zusam- auf dieser Ebene bis in den Verstand und machteten Terrains, auf denen nur diejeni- menkünften, etwa der Außen- und Finanz- die Gefühle der ‚Beherrschten' wirken. Auf gen gesellschaftlichen Interessen Wirkung minister oder der Umwelt- und Entwick- Grund der wachsenden Kritik werden in entfalten können, die mit den herrschen- lungsminister. Die G8-Finanzminister etwa der Öffentlichkeit weniger grundlegende den Problemdefinitionen vereinbar sind. treffen sich unter anderem im Rahmen der wirtschaftpolitische Fragen präsentiert, Dazu kommt, dass im Falle Putins selbst Frühjahrs- und Herbsttagung von IWF und sondern medienwirksam aufbereitete The- die formaldemokratische Legitimation in Weltbank. Somit sind die ‚Weltwirtschafts- men wie Entschuldung und Entwicklungs- Frage steht und dass politische Herrschaft gipfel' selbst eher eine große P.R.-Veran- hilfe. Im Rahmen solcher Kampagnen wer- sich auch in den so genannten westlichen staltung. Im Grunde findet innerhalb der den auch RegierungsvertreterInnen von Demokratien ihres liberal-demokratischen G8 ein permanenter Kommunikationsfluss Nicht-Mitgliedern eingeladen (etwa aus Mantels immer weiter entledigt, zuneh- auf den unterschiedlichsten Ebenen statt. Afrika) oder von internationalen Organisa- mend autoritäre Züge annimmt und sich Die Gruppe der 8 erfüllt verschiedene tionen wie der UNO-Generalsekretär. damit gemessen an den eigenen Legitima- Funktionen: Erstens hat sie zwar als solche Diese Kampagnen greifen allgemeines tionsstandards selbst in ein Legitimations- keine eigenständige formelle Entschei- Unwohlsein und konsensfähige Forderun- problem manövriert. dungsgewalt, ja noch nicht einmal ein gen von Teilen der Zivilgesellschaft auf und Dass Delegitimierung eine schlagkräfti- Gründungsdokument. Aber über die kanalisieren sie zu scheinbar unumstritte- ge Forderung sein kann, zeigen die Kon- mächtigen Regierungen werden die nen Maßnahmen, die letztlich auf eine flikt- und Mobilisierungsformen in der Absprachen in andere internationale Foren Relegitimierung der G8 abzielen. Die G8 argentinischen Krise. Die Parole " ¡que se eingebracht (etwa in Weltbank, IWF, WTO, kann sich hier auf ein fest im Alltagsver- vayan todos!" (sie sollen alle abhauen!) OECD) bzw. über nationale Politiken stand verankertes Politikverständnis stüt- brachte hier eine Strategie der Delegiti- umgesetzt. In den Abschlusserklärungen zen, für das ein Delegieren an Regierun- mierung auf den Punkt, d.h. verdichtete sie werden häufig Initiativen in internationalen gen selbstverständlich ist. Zusammen mit in einer griffigen und einleuchtenden For- Organisationen angekündigt oder ange- einem vermeintlich neutralen Fokus auf derung, die eine hohe Mobilisierungswir- mahnt. Die Gruppe der 8 übt zudem über ‚Problemlösung' und einer Ideologie der kung entfalten konnte. ‚Empfehlungen' oder konkrete Forderun- Effizienz wirkt ein solches Verständnis de- Delegitimierung beinhaltet grundsätzlich gen Druck auf andere Regierungen aus. politisierend und verdeckt die bestehenden drei Elemente: Erstens spricht sie den Sie kann über ihre vielfältigen Mechanis- Herrschaftsverhältnisse. Regierenden das Recht ab, Entscheidun- men flexibel agieren, ohne ihre Entschei- gen in der Form und mit den Inhalten zu dungen in demokratischen Prozessen legi- 3. Delegitimierung der G8 treffen, wie sie es tun, weil diejenigen, die timieren zu müssen. und darüber hinaus die Suppe auslöffeln müssen, nicht mitko- Zweitens werden im Rahmen der G8 chen durften (Element eins: Ihr habt nicht Differenzen und Widersprüche zwischen Die zentrale Forderung einer internatio- das Recht!). Zweitens macht sie deutlich, den weltpolitisch und -ökonomisch domi- nalistischen Linken kann unseres Erachtens dass die gesellschaftlichen Möglichkeiten, nierenden Staaten ausgetragen und bear- nur die Delegitimierung der G8 sein. Dar- ein menschenwürdiges Leben jenseits vom beitet. Gemeinsame Interessen der Mit- über hinaus schlagen wir vor, dass sich im Zwang zu sinnloser Arbeit zu führen, gege- gliedsstaaten werden destilliert, koordiniert G8-Prozess die verschiedenen emanzipati- ben sind, dass diese Potenziale aber nicht und nach außen gebündelt. Beim Ver- ven Spektren mit ihren Anliegen finden und ausgeschöpft, sondern interessengeleitet schuldungsmanagement in den 1980ern, austauschen und gleichzeitig nach thema- negiert werden (Element zwei: Es ist genug den Währungskrisen in den 1990ern tischen Zuspitzungen suchen, die einer für alle da!). Drittens verweist sie auf sowie bei der heutigen Durchsetzung von breiteren Öffentlichkeit verständlich bereits praktizierte bzw. angedachte Alter- Strategien ‚globaler Sicherheit' und der gemacht werden können. Der Protest soll- nativen selbstbestimmten und solidari- Sicherung der Energieversorgung waren te sich nicht in inhaltlicher Analyse schen Zusammenlebens und postuliert und sind die G8 jeweils ein zentraler Ort erschöpfen, sondern Raum bieten, Alterna- deren Verallgemeinerungsfähigkeit (Ele- der Entwicklung von Strategien des Kri- tiven zu entwickeln und auch zu leben. ment drei: Wir können es besser!). senmanagements. Diese waren stets dar- Schließlich müssen wir uns mit den Strate- Eine Herausforderung besteht darin, auf ausgerichtet, eine inhärent krisenhafte gien von Regierungen und herrschenden diese Kritik nicht nur auf die G8 zu bezie- Weltwirtschaft durch politische Rahmenbe- Medien auseinander setzen, die oft versu- hen, sondern auf soziale Konflikte in unter- dingungen zu stabilisieren; im Sinne chen, durch eine Aufteilung der Proteste in schiedlichen Kontexten anzuwenden und ‚makroökonomischer Stabilität', aber auch ‚gut' und ‚böse' Spaltungen hervorzurufen. radikaldemokratische Alternativen aufzu-

72 zeigen. Nicht nur die G8 als ein Ausdruck gleichzeitig über den Kreis der ohnehin Gipfel in Russland und Deutschland die- globaler Herrschaftsverhältnisse muss Überzeugten hinaus zu begeben. nen können. delegitimiert werden, sondern die zu · Unsere Kritik ist berechtigt, auch wenn Grunde liegenden Formen und Definitio- wir keinen umfassenden Gegenentwurf d) Spaltungen vorbeugen nen von Politik, Entscheidungsfindung und präsentieren. Wir haben keinen, und wir gesellschaftlicher Struktur. Emanzipatori- wollen keinen. Eine andere Welt kann Auf drei Entwicklungen müssen wir sche Veränderungen müssen sich klar nicht autoritär geplant und durchgesetzt gefasst sein. So wird es erstens von herr- gegen den kapitalistischen und patriarcha- werden, sondern muss in Lernprozessen, schender Seite den Versuch geben, die len Staat und internationale politische durch Erfahrungsaustausch und Beteili- Proteste zu delegitimieren. Die Staatslen- Institutionen, gegen herrschende Poli- gung aller entstehen. ker präsentieren sich als die moralisch auf- Teil IV: Positionspapiere tikvorstellungen und Naturverhältnisse geklärten RealpolitikerInnen und weisen positionieren, aber auch gegen sich quer Darüber hinaus muss es ein Teil der Pro- uns in die Ecke der Spinner. durch die Gesellschaft ziehende Hierarchi- teste sein, den Unsichtbaren, Stimmlosen Zweitens - das lehren die Erfahrungen en in Bezug auf Herkunft, Geschlecht, und Marginalisierten hier zu Lande und aus vergangenen Protesten - wird es Ver- Klasse und gesellschaftlichen Vorstellun- international dazu zu verhelfen, dass sie suche geben die Bewegung zu spalten. Bei gen von Normalität. gesehen und gehört werden und ihre Kritik verschiedenen Gipfeln der letzten Jahre und Alternativen formulieren können. Das wurde versucht, kritische Stimmen durch b) Zuspitzen und bedeutet, einige Themen systematisch zu eine Strategie der Vereinnahmung zum Sichtbarmachen bearbeiten und in einer breiteren Öffent- Schweigen zu bringen. Events wie ‚Live Aid' lichkeit zu verankern: beispielsweise und die ‚make poverty history'-Kampagne, Der G8-Prozess kann von emanzipatori- Migration und die Lebensverhältnisse der die den G8 2005 in Gleneagles begleite- scher Seite dazu genutzt werden, dass sich Menschen, die aus anderen Ländern nach ten, haben Protest erfolgreich kanalisiert unterschiedliche soziale und politische Westeuropa kommen; die Situation der und die G8 so als legitime Adressatin von Spektren stärker aufeinander beziehen und vielen Ausgegrenzten hierzulande ohne Forderungen nach einer ‚gerechteren Glo- nach gemeinsamen Handlungsansätzen Stimme und ohne Gesicht oder die balisierung' stilisiert. Den ‚dialogbereiten suchen: Sozialpolitische Gruppen und Lebensverhältnisse in den sogenannten Globalisierungskritikern' wird zugehört Erwerbslosen-Initiativen, gewerkschaftliche peripheren Gesellschaften. oder gar - wie in Davos mit dem von offi- Linke, feministische Gruppen, selbstorga- Diese Themen sollten mit den Politiken zieller Seite so genannten ‚Spielwiesen- nisierte MigrantInnen, anti-rassistische und im Rahmen der G8, mit Verschuldung und Szenario' - ein offenes Forum geschaffen, anti-faschistische Gruppen, die Umweltbe- Weltmarktkonkurrenz, aber auch mit den auf dem sie ihre Anliegen vortragen dür- wegung, Studierende, die Bewegung hiesigen Produktions- und Konsumweisen fen. Die anderen werden als ‚Gewaltberei- gegen den Krieg und die für eine andere in Verbindung gebracht werden. te' diffamiert. Wie erfolgreich die Mobili- Globalisierung. Schließlich: Vielleicht gelingt es, Begriffe sierung gegen den Gipfel 2007 wird, Unterschiedliche Kämpfe in unterschied- zu finden, in denen sich die aktuellen hängt auch davon ab, ob es gelingt, auf lichen Bereichen folgen unterschiedlichen Kämpfe und Anliegen verdichten und den Versuch einer solchen Vereinnahmung Logiken: Widerstand gegen repressive ihnen eine gemeinsame Perspektive nicht mit Spaltung und Abgrenzung zu rea- Migrationspolitik funktioniert anders als geben. Das zapatistische "¡ya basta!" oder gieren, sondern die geäußerte Kritik aufzu- der Aufbau betrieblicher Gegenmacht, "Eine andere Welt ist möglich!" haben nehmen und zu radikalisieren. Damit Politik gegen Nazistrukturen ist etwas diese Funktion. zusammenhängend ist es drittens wahr- anderes als Protest gegen Hartz IV usw. Die scheinlich, dass gegen die Proteste oder Mobilisierung nach Heiligendamm erfor- c) Gelebte Alternativen zumindest bestimmte Protestformen repres- dert einen offenen Umgang mit Unter- siv vorgegangen wird. Daher ist es wichtig, schieden und Widersprüchen, und kann Globaler Protest darf sich nicht in inhalt- dass bereits heute Antirepressions-Kampa- als Experiment mit gemeinsamen themati- licher Kritik erschöpfen, sondern muss sich gnen entstehen und die lokale Bevölke- schen Zuspitzungen dienen. in einen kreativen Prozess umwandeln. rung gewonnen wird. Einen breiten Konsens könnte es inhalt- Dabei geht es um das fragende Voran- Um diesen Strategien zu begegnen, lich dahingehend geben: schreiten hin zu einer Veralltäglichung von benötigen wir solidarische Diskussionen. · Wir fordern erstens die Auflösung der Widerstand, dem Aufbau und Leben von Da Diskussionen Zeit brauchen, sollten wir Gruppe der 8 und nicht ihre Erweiterung Alternativen. Die G8-Mobilisierung muss nicht, wie es in der Bewegungslinken etwa durch die Einbeziehung anderer Län- sich als Teil verschiedener Formen des immer wieder passiert, unter dem zeitli- der. praktizierten sozialen Protests verstehen, in chen Druck zur Aktion auf Klärung und · Wir verweigern uns dem Dialog mit all seiner Widersprüchlichkeit. Ein Bewusst- produktiven Streit verzichten. Vielmehr gilt den Regierungen, die im Rahmen der G8 werden dieser Widersprüche aus einer kri- es, diese zu nutzen, um die Dynamiken des die global herrschenden Interessen koordi- tischen Betrachtung der eigenen Bewegun- Protests zu reflektieren, aus ihnen zu lernen nieren. Damit laufen wir nicht Gefahr, dem gen heraus kann ebenso wie das bewusste und so handlungsfähiger zu werden. Prozess durch ‚konstruktive Kritik' Legiti- Umsetzen alternativer Organisations- und mität zu verleihen. Lebensformen Perspektiven aus dieser Ausblick · Wir sehen, dass viele Menschen in den Widersprüchlichkeit öffnen. Dieser Prozess Metropolen die herrschenden Verhältnisse muss von vornherein darauf angelegt sein, Die Bundeskoordination Internationalis- entweder passiv-resignierend hinnehmen sich über die thematischen, gesellschaftli- mus (BUKO) als ein Dachverband interna- oder sogar aktiv unterstützen - ein schlich- chen, nationalen Grenzen hinweg zu tionalistischer Gruppen möchte diesen tes ‚die da oben, wir hier unten' geht also erstrecken. Das dissent!-Spektrum kann Prozess der Verständigung und Vernetzung nicht auf. Wir benötigen überzeugende hierfür in mancher Hinsicht ein Beispiel unterstützen und ein Forum bieten, Diskus- Argumente und müssen für interessierte sein: Vor dem Gipfel in Schottland 2005 sionen in der nötigen Breite und Pluralität Menschen und Medien ansprechbar sein. gelang eine europaweite Mobilisierung, zu führen - unter anderem auf den beiden Die Kunst besteht darin, radikale Kritik und deren Ausrichtung und Strukturen nun als kommenden Kongressen.3 Forderungen zu formulieren und sich Basis für die Mobilisierungen gegen die Der Erfolg der Proteste hängt zum einen

73 davon ab, in wieweit es gelingt, nicht nur legend emanzipative Perspektiven, d.h. I Arbeitsschwerpunkt Weltwirtschaft der Bundeskoordi- inhaltlich, sondern auch in Bezug auf die anti-imperiale und kapitalismuskritische, nation Internationalismus (BUKO), März 2006 Organisation über den G8-Gipfel hinaus anti-rassistische, feministische und radi- Der ASWW möchte mit diesem Text zur Diskussion zu gehen. In der Vergangenheit wurden kalökologische Positionen innerhalb und einladen. Erreichen könnt ihr uns unter [email protected]. Auf dem BUKO 29 in Berlin wird vielfältigen Erfahrungen in ähnlichen jenseits des Protestspektrums gestärkt wer- es einen Workshop geben, in dem das Papier zur Dis- Mobilisierungen gemacht. Diese gilt es kri- den; wenn rechte Positionen keine Chance kussion gestellt wird. Alle Interessierten sind herzlich tisch-reflektierend aufzunehmen, anstatt hatten, ihre ‚Kritik' hörbar zu machen; eingeladen! jede Gipfelmobilisierung neu zu erfinden. wenn mehr Menschen bereit sind, sich auf Ziel muss sein, dauerhafte und konsistente vielfältige Weise in ihrem Alltag gegen die Fußnoten: Teil IV: Positionspapiere Strukturen aufzubauen, die lokale mit glo- wirtschaftsliberalen und repressiven Muster balen Kämpfen in Verbindung setzen, zu verhalten; wenn solidarische Formen 1 Raum für eine Analyse der Bewegung und für vertiefende Auseinandersetzung mit der G8 bietet sozialen Protest vernetzen und stärken. politischen, sozialen, kulturellen und öko- die demnächst erscheinende Broschüre des ASWW. Zugleich heißt es aber auch, keinen nomischen Zusammenlebens gestärkt und 2 USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, ‚Großen Wurf' vorzubereiten, sondern die neue entwickelt werden. Italien, Japan; 1976 kam Kanada hinzu, 1977 die EU-Kommission. Die russische Regierung nimmt seit Mobilisierung als einen offenen Prozess zu Wenn eine emanzipatorische Linke stär- 1994 an den Treffen teil und ist seit 1998 formelles betrachten, in dessen Rahmen Alternativen ker wird und sich darüber hinaus mit ihren Mitglied (allerdings bis 2006 nicht für alle bereits gelebt werden können. unterschiedlichen Perspektiven und Erfah- Bereiche). Die Mobilisierung gegen den G8-Gipfel rungen kritisch-solidarisch aufeinander 3 Der 29. Bundeskongress "re:control. antworten, abweisen, aneignen" findet vom 25. bis zum 28. hat viel erreicht: Wenn die herrschenden bezieht - dann können gerechte und freie, Mai in Berlin statt. Einer der Schwerpunkte wird die Verhältnisse klug und kreativ kritisiert und friedliche und nachhaltige Verhältnisse G8 sein, weitere Informationen unter delegitimiert wurden, d.h. die verschiede- geschaffen werden. www.buko.info. nen Aktionen und Veranstaltungen gegen den Gipfel breit ausstrahlen; wenn grund-

Imperialismus pur

Das Schmieröl der Weltwirtschaft soll lage im Vietnamkrieg und einer Erschütte- von Fachministern. So berieten die Finanz- im Zentrum des nächsten G8-Gipfels rung der US-Vorherrschaft wurde ein regel- minister der sieben wichtigsten Industrie- 2006 in St. Petersburg stehen. Im mäßiges "informelles" Treffen zur Koordi- nationen Ende September in Washington schottischen Gleneagles erklärte nierung gemeinsamer globaler Politik, zum über Maßnahmen zur Senkung des Ölprei- Putin "Energiesicherheit" und "Bil- Umgang mit innerimperialistischen ses und zur Milderung der hohen Energie- dung" zu Hauptthemen für 2006. Die G8-Staaten vereinbarten außerdem, Gegensätzen wie zur Bestimmung gemein- kosten für die Weltwirtschaft. die Anstrengungen im Kampf gegen samer weltpolitischer Interessen notwen- den Terror zu verstärken und auf dig. Im Visier der Proteste dem Petersburger Gipfel über das In den 70er und 80er Jahren standen Erreichte Bericht zu erstatten. die Koordinierung gemeinsamer wirt- Nicht erst seit dem Gipfel von Seattle schaftlicher Maßnahmen und das Führen zum Ende der 90er Jahre werden die des Kalten Krieges im Zentrum. Die G7 Tagungen von IWF, WTO, der G8 oder der 007 findet der G8-Gipfel in Deutsch- war nie eine "Quatschrunde", sondern EU von Massenprotesten begleitet. Schon 2land, in Heiligendamm, das rund 20 führte immer wieder zu konkreten gemein- in den 80er Jahren waren die Zusam- Kilometer von Rostock entfernt liegt, statt. samen Aktionen der großen imperialisti- menkünfte der Herrschenden im Visier der Im Oktober tagt das erste Vorbereitungs- schen Staaten wie z.B. der Vorbereitung antiimperialistischen Linken, so in Bonn treffen zur Mobilisierungen gegen den des Plaza-Abkommens von 1985, das eine 1985, als 50 000 die Verabredung zur Gipfel in Hamburg, nachdem es schon am starke Abwertung des Dollars zur Belebung Ausplünderung der Welt durch die sieben Erfurter Sozialforum mehrere Workshops der US- und Weltwirtschaft beinhaltete. reichsten Staaten behindern wollten, und gegeben hat und die Mobilisierung für Nach dem Zusammenbruch des Ost- ein Jahr später in Tokio, wo neben Mas- 2007 zu einem Schwerpunkt der "sozialen blocks reklamierte sich Gorbatschows senaktionen eine Guerillagruppe Raketen Bewegungen" erklärt wurde. Sowjetunion und später Russland in die gegen den Weltwirtschaftsgipfel einsetzte. Runde, das 1996 als Vollmitglied in die Vielen werden zudem noch die Proteste Entstehung und Politik G8 aufgenommen wurde. gegen den IWF-Gipfel 1988 in Berlin in der G8 Die Gipfel widmeten sich in den 90ern Erinnerung sein, bei dem über 100 000 der Durchsetzung der kapitalistischen Glo- das Demonstrationsverbot durchbrachen Die heutigen G8 entstanden Mitte der balisierung und der Restauration des Kapi- und viele militant intervenierten. Egal ob 70er Jahre. Der erste "Gipfel der Sechs" talismus in Osteuropa und der GUS, der friedlich oder militant - alle zusammen fand 1975 in Rambouillet (Frankreich) Etablierung einer "globalen Wachstums- drückten ihre Sympathie und Unterstützung statt. Ein Jahr später gesellte sich auch strategie" (u.a., um der chronischen Sta- mit den Befreiungsbewegungen in aller Kanada zur illustren Runde der führenden gnation Japans entgegenzuwirken), der Welt aus. Erst mit dem Zusammenbruch imperialistischen Staaten - USA, Japan, Bestimmung der Politik des IWF, aber auch der realsozialistischen Staaten ebbten die Deutschland, Italien, Britannien und Frank- der Kontrolle halbkolonialer "Krisenherde" Proteste gegen die Gipfel ab, doch kaum reich. und dem "Kampf gegen den Terrorismus". 10 Jahre nach dem Fall der Berliner Es ist kein Zufall, dass die Gipfeltreffen Neben den jährlich stattfindenden Gip- Mauer sah sich der globale Kapitalismus der Staats- und Regierungschefs in dieser feln der G8 besteht diese Imperialistenrun- in Seattle wiederum Massenprotesten Periode entstanden. Nach dem Zusam- de auch aus Arbeitsgruppen und Treffen gegenüber. Seit den Protesten in Genua menbruch von Bretton Woods, der Nieder-

74 2001 werden die G8-Treffen aber nicht len Strukturen ist. Es kommt für uns daher vom Gipfel zur organisieren und radikale- mehr in den Metropolen abgehalten, son- darauf an, wie und für welche Ziele diese re Kräfte und Aktionsformen von der dern in teils schwer zugängliche (und leich- (Gegen)Macht benutzt wird. Wenn die "Masse" der Protestes zu isolieren. Diesen ter zu kontrollierende) Orte verlegt. In Bolivarianische Revolution in Venezuela Befriedungs- und Spaltungsversuchen Genua demonstrierten Hunderttausende aufgrund ihrer Macht beispielsweise den müssen wir entgegentreten und dafür aus Italien und anderen Ländern Europas. vom Fischfang Lebenden die Möglichkeit Unterstützung auch in Massenorganisatio- Nach der Ermordung Carlo Giulianis kam bietet, Kooperativen zu gründen und damit nen- und Bewegungen suchen: in Gewerk- es zu Massendemonstration, die von den endlich am gesellschaftlichen Reichtum schaften, in bei der Mitgliedschaft von Sozialforen im Land organisiert worden teilzuhaben, dann können wir diese Linkspartei/WASG, in den sozialen Bewe- waren. Machtausübung nicht verurteilen. Und gungen usw. Das ist nicht nur deshalb Teil IV: Positionspapiere Wie die Demonstration in Gleneagles Befreiungsbewegungen wie in Nepal und nötig, um die Bewegung möglichst groß zu zeigt, an der sich rund 300.000 Menschen Kolumbien wären schon längst zerschla- machen, sondern auch, um die reformisti- beteiligten, bedeutet diese Taktik der G8 gen, wenn sie nicht Strukturen aufgebaut schen Führungen mit dem Druck ihrer jedoch nicht, dass keine Massen zu mobi- hätten, die fürs Überleben notwendig sind. eigenen Basis zu konfrontieren. Wir müs- lisieren wären. Die Befreiungsbewegungen haben sen damit rechnen, dass z.B. Lafontaine Im Sommer 2007 kommt der jährliche erkannt, daß wer die Machtfrage stellen die Mobilisierungen gegen den Gipfel nut- G8-Gipfel also nach Deutschland. Das will, auch bereit sein muß, die Macht zu zen wird, um seine Ideen einer Reformie- Treffen wird im Kempinski Grand Hotel in übernehmen. Die Frage ist nach wie vor: rung der G8 und einer "neuen globalen Heiligendamm in Mecklenburg-Vorpom- Sitzen wir hier in Westeuropa auf unserem Finanzarchitektur" - nicht zuletzt auch zur mern stattfinden, einem exklusiven Kurort Sofa und schauen Glotze oder sind wir uns Freude solcher Kräfte wie attac - zu prä- direkt an der Ostsee. bewusst, dass wir uns im Herzen der Bestie sentieren. Davor wird es in St. Petersburg eine befinden und deshalb anfangen müssen, Dagegen müssen alle Kräfte, die für wichtige Mobilisierung der russischen unsere eigene Gegenmacht vor Ort gegen eine antiimperialistische Ausrichtung ste- Bewegung geben. Wie die Massendemos die imperialistische Herrschaft aufzubau- hen, vorbereitet und gut organisiert agie- gegen die Rentenkürzungen im Jahr en. ren. Dazu sind eine politische Plattform 2004/2005 zeigten, gibt es auch in Rus- Die Mobilisierung soll daher von Beginn und ein politischer Kampf um die Hege- sland ein Potential für Aktionen gegen die an auf einer internationalistischen und monie in der Bewegung und breite Mobili- G8. Aufgrund der staatlichen Repression klassenkämpferischen Basis geführt wer- sierungen nötig. (z.B. Einreisebestimmungen) wird es den. Wir wissen, dass der Imperialismus Nächste Schritte zur Mobilisierung soll- schwer werden, nach St. Petersburg mas- nicht in Heiligendamm geschlagen werden ten Aktionen gegen das Weltwirtschaftsfo- senhaft zu mobilisieren. Deshalb ist es wird, sondern dass dazu der Widerstand rum in Davos, die Demo gegen die Mün- umso wichtiger, in anderen Ländern paral- im Irak und in Palästina, die Revolution in chner-Sicherheitstagung und Solidarität- lel zum Gipfel in Russland zu protestieren Bolivien oder Massenstreiks gegen die saktionen mit den Protesten gegen den und Solidarität mit den russischen Aktivi- Angriffe in Europa unterstützt und propa- G8-Gipfel in St. Petersburg sein. stInnen zu bekunden. Das kann zugleich giert werden müssen. auch zur Mobilisierung für 2007 genutzt Eine solche Ausrichtung und die dazu werden. notwendigen Bündnis- und Koordinie- Berlin, Oktober 2005 rungsstrukturen müssen jetzt diskutiert und Politische Mobilisierung auf den Weg gebracht werden. Das ist auch deshalb notwendig, weil wir es - wie I Autonome KommunistInnen Es ist zu begrüßen, dass die politische zuletzt auch in Gleneagles - mit politischen Mobilisierung gegen den G8-Gipfel in Vereinnahmungsversuchen von Kirchen, Rote Aktion Berlin (RAB) Heiligendamm schon jetzt diskutiert wird. NGOs, von PDS/Linkspartei/WASG, Soziale Initiative Neukölln (SiNN) Schließlich wird der Gipfel auch von der Gewerkschaftsführungen, den Grünen und Regierung bewusst genutzt werden, um die gar der SPD zu tun haben. Inhaltlich wer- Gruppe Arbeitermacht Weltmachtambitionen des deutschen den diese versuchen, die Forderungen und Imperialismus bzw. der von ihm geführten Ziele der Bewegung auf eine illusionäre revolution! Berlin EU zu verdeutlichen. "Reformierung der G8" zurechtzustutzen. Daher treten wir für eine klare politische Bei den Aktionen werden sie versuchen, Ausrichtung der Proteste ein. Unser Kampf diese zeitlich oder örtlich möglichst abseits richtet sich gegen die G8 und das kapita- listische und imperialistische Weltsystem, für das sie stehen, und gegen das wir täg- lich und kontinuierlich vor Ort kämpfen müssen!. Wir wollen keinen andere, refor- mierte G8, sondern treten für das Motto "G8 stoppen! Gipfel blockieren!" an. Unser Kampf ist aber auch eine Unter- stützung der nationalen Befreiungsbewe- gungen, etwa in Kolumbien und Venezue- la, in Nepal, in Palästina, Kurdistan und im Baskenland. Sicher wollen wir alle eine staatenlose Gesellschaft, aber angesichts eines Imperialismus, der hochgerüstet bereitsteht, in jedes beliebige Land einzu- fallen, ist es nicht möglich, eine Gegenge- sellschaft aufzubauen, die frei von vertika-

75 76 Teil V: Texte zu vergangenen Gipfeln und Teil V: Texte zu vergangenen Gipfeln und Reflexionen über die Bewegungen Reflexionen über die Bewegungen

77 militant errors - Auswertung Thessaloniki 2003 von der Un-Ästhetik des Widerstands - Eindrücke, Kritik und Fragen zu den Protesten gegen den EU-Gipfel in Thessaloniki und an die anarchistische Bewegung in Griechenland, Juni 2003

Dieser Text wurde kurz nach den ohne vorherige Genehmigung und Einver- Gleich zu Anfang eskalierte ein Streit in Protesten gegen den EU-Gipfel in ständnis der Universitätsleitung und der die erste von zahllosen Schlägereien. Thessaloniki Sommer 2003 Gewerkschaft der ProfessorInnen das Die AnarchistInnen, die in die Philoso- geschrieben und sollte einen Gelände zu betreten. Ein bisschen ver- phische Fakultät eingedrungen waren, Diskussionsprozess anregen. Eigentlich wollten ihn Leute, gleichbar mit dem Kirchenasyl, allerdings brachen in die Kantine ein und in Räume die mit uns beim Gipfel waren, ist dieses Asyl in Griechenland viel stärker von ProfessorInnen und zerstörten Compu- überarbeiten und verbessern. im öffentlichen Bewusstsein verankert. Es ter. Darüber eskalierte die Auseinanderset- Leider ist das aus verschiedenen geht auf die Zeit der Militärdiktatur (1967- zung mit denen, die damit nicht einver- Gründen (wie das eben so läuft) 1974) zurück, als im Jahr 1973 die Poli- standen waren. nicht passiert. Wir haben uns technische Universität in Athen vom Militär Bis auf eine, verließen daraufhin anar- entschlossen, ihn trotz erhebli- gestürmt wurde, die von widerständischen chistische Gruppen aus Athen geschlossen cher Verzögerung und obwohl er StudentInnen besetzt war. Dabei wurden die Philosophische. nur unsere Meinung wiederspie- gelt zu veröffentlichen, da wir etwa 200 StudentInnen vom Militär ermor- Andere Gruppen aus Griechenland die angesprochenen Fragen für det. oder auch Italien, Frankreich u.s.w. blie- zeitlos halten - wie Formen und ben in dem "Black Bloc Squat". Taktiken von Militanz und Wider- Die Besetzte Uni Zu einem späteren Zeitpunkt, am Sams- stand, Sexismus und Machismo, tag nach der sogenannten Black Bloc - den Umgang mit Medien, um die Unterschiedlichste anarchistische Grup- Demo drehten einige völlig durch : Neben wesentlichsten Punkte zu benen- pen, zum Teil heftigst untereinander zer- zerstörten Computern und Arbeitszimmern nen. Dieser Bei- stritten, was für uns nicht unbedingt immer wurden einige sehr alte Bücher der philo- trag, der sich an die radikale nachvollziehbar war, richteten sich also an Linke richtet und nicht auf sophischen Fakultät in Brand gesteckt Teil V: Texte zu vergangenen Gipfeln und Reflexionen über die Bewegungen Griechenland beschränkt bleibt, der Uni ein. (konnten noch gelöscht werden ), auf die möge trotz aller Kritik und Die Anti-Authoritären, Salonika 2003, Flure gekackt und sexistische und gewalt- Infragestellung als solidarisch die mehr mit Mainstream-Medien zusam- verherrlichende Parolen an die Wände ver- standen werden. menarbeiten und Bündnisse mit anderen gesprüht. Denn schließlich sind Kritik und politischen nicht-anarchistischen Gruppen Quasi permanent waren wir mit einer Selbstkritik wesentlicher eingehen, von anderen aber zum Teil als aggressiven Grundstimmung konfrontiert. Bestandteil einer revolutionären sehr autoritär bezeichnet werden, besetz- Anmache , sexistische Sprüche, das Utopie einer befreiten Gesell- ten die Theologische Fakultät, der Black schaft. Ignorieren von Frauen, dominantes Rede- Also - für eine konstruktive und Bloc, Internationale und andere griechi- verhalten auf Treffen waren keine Selten- faire Diskussion und Auseinan- sche AnarchistInnen die Philosophische heit. dersetzung. und Indymedia, das Medical Team und Bereits am Montag kam es aufgrund all andere Gruppen die Juristische Fakultät dieser Vorkommnisse und der Stimmung der Universität. zu einem Frauenplenum, am Dienstag- SALONIKA 2003 wurde am Anfang Abend dann zu einer Frauen-Aktion auf schnell zum Anlaufpunkt vor allem für die der Bühne des auf dem Uni-Campus statt- Der Gipfel aus anderen Ländern Angereisten. Es gab gefundenen Rock-Konzertes, wo circa 20 eine Infowand, eine Cafeteria und Plena Frauen auf der Bühne ein Anti-sexistisches wurden mehrsprachig durchgeführt. Diese Manifest verlasen. Die Reaktion des Publi- m den Protesten gegen den EU-Gip- minimale Infrastruktur, die hier vorhanden kums waren sehr zweigeteilt. Von Zustim- fel vom 19.-21.Juni 2003 in Thessa- war, wurde von anderen anarchistischen mung, Applaus bis zu derben sexistischen Aloniki und Chalkidiki beteiligten sich Gruppen aus Griechenland leider nicht Sprüchen und Buhrufen war alles vorhan- sehr unterschiedliche Gruppen, von Sozi- oder kaum zur Verfügung gestellt. Eine den. In den darauffolgenden Tagen gab es alforen über die Kommunistische Partei, Ausnahme bildeten hier sicherlich Indyme- gemischte Plena, die Einrichtung eines Gewerkschaften, diverse sozialistische dia, die einen Super-Stadtplan mehrspra- Schutzraumes und Anlaufstelle für direkt Grüppchen bis zu unterschiedlichen anar- chig verteilten, und das Medical Team. Ein von Anmache oder Ähnlichem Betroffenen chistischen Gruppierungen - insgesamt an großes Lob auch an die Internationale sowie ein in englischer und griechischer die 100.000 Menschen. Fahrradkarawane, die jeden Tag für Hun- Sprache verteiltes Anti-Patriarchales Flug- Die AnarchistInnen (aber auch sozialisti- derte kochten und kochten. blatt über die Ereignisse an der UNI. sche Studi-Gruppen und Teile des Sozial- forums) besetzten Teile der Aristotelus Uni- Machismo und Sexismus Antisexist Manifesto versität in Thessaloniki, um sie als Anlauf- stelle, Unterkunft und Koordinierung für Die Situation auf dem Uni-Gelände war Antisexist Manifesto of women squatting die Proteste der kommenden Tage zu nut- ziemlich krass. Die Atmosphäre war extrem the stage at Thessaloniki anti-authoritarian zen. machoid und gewalttätig. Jeden Tag eska- camp Die Uni war bewusst und gut gewählt, lierten Streits, kaum ein Plenum wurde (slightly modified version of the first dec- da für die Universitäten allgemein ein Asyl ohne Geschrei und sehr häufig auch mit laration from the stage on 17th of June) gilt, sprich sie sind eine no-go-area für handfesten Prügeleien und Faustkämpfen Bullen. Der Polizei ist es nicht gestattet, beendet. We are here today because we all feel

78 uncomfortable as women and men in this Thessaloniki ausgeschlossen wurde. es Freitag morgens los. Da im Vorfeld letzt- space. There have been cases of sexual Überall hingen Plakate, wo ein brennen- lich zu wenig über realistische Einschätzun- harassment and also women have been des Presseauto zu erkennen war mit der gen und Ablauf der Aktion gesprochen suppressed or not taken seriously because Überschrift wurde und der Konvoi mittlerweile sogar of their gender. " no kamera-no problem ". Auch bei im Radio angekündigt worden war, war There have been violent muggings and zahlreichen unabhängigen, "unseren" schon auf der griechischen Seite der Gren- fistfights. Medien-und Kamera-Leuten führte das zu ze erst mal Schluss: Als Reaktion auf das In this camp men have sexually insulted einiger Verunsicherung und spaeter gar zu martialische Bullenaufgebot mit Sonder- women and reduced them to sexual objec- ernsthafteren Problemen. einheiten, Grenzpolizei, Gasmasken und ts - all this continues. Je größer die Kamera, desto schwieriger wurfbereiten CS-Granaten fiel uns nicht Additionally, women have not been schien es, zu filmen. mehr ein als uns ebenso martialisch aufzu- listened to, not taken seriously and not Andererseits - und dies ist nicht neu und bauen, Parolen zu brüllen - und das war treated as equal persons. schon gar kein rein griechisches Phäno- es. Schnell war klar, dass mit der Taktik Even when we tried to point it out from men - wurden später mit gierigen Blicken kein Blumentopf zu gewinnen war und so this stage two nights ago, the response saemtliche Riot-Szenen aus Fernsehen und wurden (für die griechischen Leute schwe- was insulting and disrespectful. Zeitungen bewundert und mit Eifer gesam- ren Herzens) Verhandlungen aufgenom- All together, the atmosphere in the camp melt. Ein spaeter innerhalb der anarchisti- men. is very masculine-dominated. schen Szene Griechenlands zirkulierender Nach einigem Hin und Her war klar, To our knowledge, this camp is sup- Video enthielt viele Riot-Images , aufge- dass EU-BürgerInnen mit Reisepass ein posed to be anti-authoritarian and anti- nommen von staatlichen und privaten Grenzübertritt nicht verwehrt werden kann. hierarchical, but in this camp the sexism Fernsehanstalten. "Riot-Porn" pur ohne Die ganze Story war mittlerweile schon that exists in society is being reproduced. Reflektion und Kritik. beim Innenministerium und in den Vorhal- len des EU-Gipfels angekommen. So wur- Sexism is a form of oppression as is Antirassistische Demo - La den kleine Gruppen über die Grenze racism and homophobia. Mejor Parte gelassen. Plötzlich nur noch fünf Leute. Der Rest ist sauer, fängt an zu drücken, We will not tolerate masculine oppressi- Am Donnerstag fanden die ersten bekommt Schlagstöcke ab. Einzelne Jour- on within this camp anymore. großen Demos in Thessaloniki statt. Motto nalisten aus dem Konvoi können ihre EU-

war die Thematisierung der Situation bzw. Akkreditierung für einen Grenzübertritt Teil V: Texte zu vergangenen Gipfeln und Reflexionen über die Bewegungen Smash sexism - smash patriarchy! Solidarisierung mit ImmigrantInnen. Ein- samt Lebensmittel nutzen. Auf einmal ist mal eine Demo des Sozialforums, parallel der Umgang klar: Nein, niemand kommt eine Demo der verschiedensten anarchisti- mehr rüber, alle sollen verschwinden und Medien-Konflikt schen Fraktionen, auf der an die 3.500 zwar in Richtung Griechenland. Nix zu Leute waren. Diese Demo führte durch machen. An einem Tag kam es erneut zu einer MigrantInnen-Kieze und war sehr laut und Die Romas bekamen von dem ganzen Schlägerei aufgrund des unterschiedlichen powerful. Ständige Parolen und perma- Trouble per Handy mit und begannen zu Umgangs mit Medien. Einige wollten ein nente Sprühaktionen rund um die Demo rufen - wir beantworteten das mit "no bor- Interview mit dem Fernsehteam von ARTE prägten das Bild. Gerade im Nachhinein der - no nation - stop deportation". Eigent- machen, andere fanden das allerdings war das wohl die beste Demo mit super lich ziemlich frustig. keine gute Idee. Vielleicht drei, vier Leute Stimmung und einem Miteinander der ver- Fazit: Wäre das ganze etwas konspirati- bespritzten das Fernsehteam mit Wasser schiedenen Fraktionen, die sich weder zu ver geplant worden und wäre es nicht und wurden daraufhin von den anderen, Gewalttätigkeiten untereinander hinreißen gerade vor den Augen der Bullen von der ca. 30 Leute , den BefürworterInnen ver- ließen noch auf die Bullenprovokation ein- Uni aus losgegangen, wäre vielleicht mehr prügelt, zu Boden gezerrt und immer wie- stiegen. drin gewesen. Außerdem hätten schon der mit Tritten traktiert. tausend Leute an der kleinen Grenze drän- Klar, dass sich dahinter der Konflikt im gen und schubsen müssen um zu errei- Umgang mit Medien verbirgt. Antirassistische Aktion an chen, dass eine Delegation samt Lebens- SALONIKA 2003 zB. gibt Interviews, der Grenze - buen accion mitteln ins Roma-Camp gelangt wäre. Ein waehrend der Grossteil der AnarchistInnen Durchbruchversuch hätte sicherlich zu vie- in Griechenland jegliche Zusammenarbeit Von den gleichen Gruppen, die Tags len Verletzten und Festnahmen geführt. mit Mainstream-Medien konsequent zuvor die Antira-Demo organisiert hatten, Auf jeden Fall wurde ein internationaler ablehnt. ging für Freitag auch die Initiative aus, zu Grenzkonflikt mit der klaren Aussage "Hilfe Buergerliche Medien, einschliesslich der einem aus Roma-Familien bestehendes für die Roma" produziert und einige anwe- linksliberalen ELEFTIROPIA, seien fuer sie Flüchtlingscamp an der griechisch-maze- sende JournalistInnen berichteten über die nur Handlanger des Staates und Vertreter donischen Grenze zu fahren. In einer kon- Aktion. Die Situation der Roma wurde der kapitalistischen Welt. Ihre Erfahrungen kreten Solidarisierung und der Thematisie- publik gemacht und auch in Griechenland seien schlichtweg negativ, die Berichter- rung der Behandlung von Flüchtlingen an zum Thema. stattung sei verzerrend und linke Medien den EU-Außengrenzen sahen viele Leute oder wohlwollende Medien wuerden bei mehr Sinn, als in einem symbolischen Angriff auf die Rote Zone Ihnen so nicht existieren. Sturm auf die Festung in Chalkidiki. Ziel (Tagungsort in Chalkidiki) - Sie wuerden lieber auf ihre eigenen Kra- war, mit möglichst vielen Lebensmittel, what a show efte vertrauen. Trinkwasser, Windeln etc. fehlende huma- Das fuehrte jedoch soweit, dass selbst nitäre Hilfe zu leisten und den Leuten Die restlichen Leute machten sich auf ein Mitglied von Indymedia Athen, der ab potentiell auch zu ermöglichen, über die zum Tagungsort, der von einer Roten Zone und an für bürgerliche Medien schreibt, Grenze zu kommen. umgeben war. Diese sollte symbolisch vom Indymedia-Zentrum der Juristischen Mit drei Bussen (ca. 250 Leuten), drei angegriffen werden. Zwölf Busse wurden Fakultät auf Betreiben von Indymedia Anwälten und Asylantragsformularen ging mit Steinen, Farbeiern, Schleudern etc.

79 beladen und fuhren, ohne ein einziges Mal Zwei Black-Bloc-Demos - tialisch ausgerüstet mit Einkaufswagen voll angehalten zu werden, von der Uni direkt Grande Finale oder ein Ende mit Mollies, grossen Schildern, Helmen, zum kleinen Örtchen Chalkidiki. Vor Ort mit Schrecken? Gasmasken, jede Menge Tüten mit Wurf- war erst mal viel Rumstehen in sengender material u.s.w. Hitze angesagt. Der Black-Bloc war Am Samstag gab es, neben einer riesi- Doch es kam alles ganz anders. erstaunlich groß, einige tausend Leute, gen Bündnisdemo der Sozialforen und Die Demo, die in losen Formationen und recht überraschend hatten sich Teile anderer Gruppen und einer Demo der sich vorwärts bewegte, führte zunächst von des Sozialforums (sprich reformistische bis kommunistischen Partei mit insgesamt an der Uni direkt auf die Egnatia, die Haupt- kommunistische Kräfte) der Aktion ange- die 100.000 Leuten, zwei anarchistische strasse mit vielen Geschäften Richtung schlossen, die eigentlich von Anarchos Demos, die beide vom Unigelände loszo- Innenstadt. So ziemlich alles wurde geplät- ausging. Es wurde dann ewig verhandelt gen. tet und entglast. Doch zu unserem Entset- (wer an welcher Stelle geht oder auch Ein Teil der AnarchistInnen und andere zen nicht nur Banken oder McDonalds nicht), während wir (schwarz vermummt, antirassistische und anti-autoritäre Grup- etwa, sondern auch kleine Läden, wie ein schwer beladen, schwitzend) am Strand pen demonstrierten mit ca. 1800 Leuten Schlüsselladen, Apotheken oder kleine saßen und auf Ergebnisse warteten. Etliche eine ähnliche Route, wie bereits am Don- Mobil-Telefon-Shops von Pächtern. Doch Boote und Hubschrauber kreisten und die nerstag, nicht direkt in der City, etwas wei- zu noch viel mehr Erschrecken führten die Absperrungen in Form von riesigen Con- ter ab mit dem Ziel zur makedonischen zahllos und völlig wahllos in die Geschäf- tainern und Betonblöcken waren deutlich Bezirksregierung zu gelangen, entglasten te geworfenen Mollis, vor allem dort, wo zu sehen. und zerstörten dort eine Bank sehr erfolg- klar erkennbar über eben jenen Geschäf- Letztlich setzte sich der Demozug in Rich- reich und gingen danach zur Uni zurück ten Wohnungen und Apartments sind. tung Bullenabsperrung über eine kleine bzw. schlossen sich den anderen anarchi- Dorfstrasse in Bewegung. An der Spitze stischen inzwischen schon in der Innen- Dieses völlig unverantwortliche Handeln ging die Gruppe Virus, die ganz im "tute stadt versprengten Gruppen oder dem diskreditiert nicht nur politisch sinnvolle biance - style" für die direkte Konfrontation Ende der anderen Demo an. Militanz, wo es auch nach aussen nichts mit den Bullen mit Helmen und Schutzklei- Sie hatten im Vorfeld ihre Ziele klar mehr zu vermittlen gibt, sondern bedarf dung ausgerüstet war. abgesteckt und votierten deutlich für eine auch einer absolut notwendigen Auseinan- Das Ganze fand letztlich ein jähes Ende. gezielte und klar begrenzte Militanz, die in dersetzung und Kritik innerhalb der grie- Schon bei der ersten Absperrung, an der der Zerstörung der Bank auch ihren Aus- chischen und international angereisten

Teil V: Texte zu vergangenen Gipfeln und Reflexionen über die Bewegungen sich die Bullen hinter Steinblöcken und druck fand. AnarchistInnen und Linksradikalen über Wannen verschanzt hatten (die Presse Es schien alles relativ geplant, koordi- Ziel, Sinn und Zweck einer Strassenmili- gesammelt dahinter), wurde der Demon- niert und organisiert vorbereitet gewesen tanz. Oder um es noch drastischer zu for- strationszug auseinander getrieben. Nach zu sein. mulieren - mit dieser Form und diesen ein wenig Schieben und Drücken und ein Während der Demo war auffallend, Aktionen wollen wir nix mehr zu tun haben paar Steinen wurde direkt mit Tränengas dass sie bunter wurde: auf der einen Seite - das ist nicht unsere Politik. reingeschossen. Das Gas war so stark, viele Vermummte, auch einige mit Brech- dass ohne Gasmaske einfach nichts zu stangen und Knüppeln, aber keine Molo- Nachdem die Bullen in der ersten Sei- machen war - und viele hatten auch trotz tovcocktails, andererseits Andere locker tenstrasse, in der sie auftauchten, massiv Gasmaske ihre Schwierigkeiten. Nach den Gekleidete. Entschlossen und lautstark zog mit Mollis eingedeckt worden waren und ersten Erstickungs- und Panikanfällen war die Demo unter den Blicken der Migran- sich auch tatsächlich ein wenig von dieser mensch für die nächste halbe Stunde tInnen weiter, bis sie sich schließlich nach Stelle zurückzogen und auswichen, starte- außer Gefecht. Blind vor Tränen, nach Luft der Zerstörung der Bank auflöste. ten sie kurz danach über andere Seiten- ringend, torkelten die meisten davon Fazit für zumindest einen Teil von uns : strassen und von vorne den massiven während einige andere, die eine vernünfti- Die beste Alternative für diesen Tag, die es Angriff auf die Demo mit dem Einsatz von ge Gasmaske aufgetrieben hatten, sich im Angebot gab. Andere anarchistische extrem heftigem Tränengas. Schließlich noch kleinere Gefechte mit den Pigs liefer- Gruppen wiederum kritisierten die zu auto- gelang es Ihnen relativ schnell die Demo ten. ritär strukturierte Demo. zu spalten und nach und nach aufzureiben Allerdings bleib es gefährlich, da hinter und auseinander zu treiben. jedem Hügel und bei jeder Biegung Bullen Die zweite Demo, der wir uns größten- Die Demo konnte dem nicht wirklich postiert waren, die uns noch auf dem teils angeschlossen hatten, mit dem gros- etwas entgegensetzen, zu wenige hatten Rückzug angriffen. Es gab einige wenige sen anarchistischen Black Bloc mit viel- wirklich Vollgasmasken, die diesem Trä- Festnahmen. Wirklich großartig war die leicht bis zu 3000 Personen war da schon nengas standgehalten hätten, es gab Versorgung durch das Medial Team, die deutlich offener konzipiert aber auch kaum Ketten und eine geringe Organisie- schnell und flächendeckend allen ein vager, unklarer und chaotischer in dem, rung von Blöcken oder Verantwortlichkei- Gegenmittel ins Gesicht sprühten. was zu erwarten sei. ten. Die, die am Anfang mit Schildern Fazit: Mehr als ein symbolischer Angriff Schliesslich beteiligten sich auch nur noch die erste Reihe stellten, waren auf war wohl nicht drin und dafür hätte es vergleichsweise wenige an den Plenas und einmal weg, wobei sich auch die Frage eigentlich viel schlimmer laufen können. Vorbereitungstreffen fuer diese Demo. aufdrängt, warum ausgerechnet die Inter- Vor allem waren wir nun alle vorgewarnt, Selbst wir wussten bis 30 Minuten vor nationalen, nicht unbedingt die Ortskun- was das Tränengas anging. Und alle hat- Beginn nicht wirklich, wo wir mitlaufen digsten, vorneweg gelaufen sind. ten das Gefühl: Der nächste Tag kann sollten. Alles schien innerhalb weniger Minuten kommen. Klar war nur, dass die Demo durch die ins Chaos zu gleiten, nach dem Motto, Innenstadt Richtung Bankenviertel gehen rette sich wer kann. Auch gab es kein Plan sollte und dass es auf jeden Fall heftige B, was passieren würde , wenn.... Auseinandersetzungen mit den Bullen Das abrupte Ende war aus unserer Sicht geben wuerde. eine strategische Katastrophe - unsere Sie startete von der UNI und war mar- Handlungsfähigkeit war sofort dahin und

80 eine Kommunikation unter uns war nicht hen gegeben wurde, dass er das lassen immer wieder auf ihre Situation aufmerk- mehr möglich. Schlimmer noch : ein Teil soll. Hat er aber nicht, sondern stelle sich sam gemacht. Und mit der Stärke und der Demo wurde von beiden Seiten von mitten in die Menge vor dem Cafe und öffentlichen Präsenz dieser Antirepressi- Bullen eingekesselt und massiv mit Tränen- fotografierte munter weiter. ons-Bewegung wurden doch noch so eini- gas beschossen. Panik kam auf, es ging Eine der gefilmten Personen wollte den ge innere Sicherheits-Pläne der griechi- weder in die eine noch in die andere Rich- Film von ihm und ihm auch die Kamera schen Regierung zumindest erschwert. tung, Gruppen wurden gesprengt, Leute abnehmen. Einige andere mischten sich haben sich gegenseitig verloren, und ein- ein, plötzlich ging alles sehr schnell, der unterm Strich...Kritik - Re- zelne wurden verhaftet. In der Panik, wo du Typ wurde gewürgt, Leute gingen schrei- sümee - Selbstkritik und... nix mehr sehen konntest geschweige denn end aufeinander los, die Scheiben klirrten, atmen wurden Türen von Wohnhäusern es war ein richtiger Tumult. Genau in die- Trotz der Teilnahme von mehreren Tau- und Geschäften aufgebrochen, um sich in sem Moment griffen die Bullen an. Mit senden zeigte sich auch, dass Mega-Prote- frische Luft zu retten. Pfefferspray, Tränengas und Knüppeln gin- ste wie in Genua 2001 zumindest in dieser Nachdem die Demo also zersprengt gen sie auf uns los, zielten auf Köpfe und Groesse nicht so wiederholbar sind. Auch war, konnte ein Teil der Demo-Teilnehme- alles was sich bewegte. sind die unterschiedlichen Rahmenbedin- rInnen zurück zur Uni gelangen, wo die Um es kurz zu machen: Eine Person ver- gungen im jeden Land, die allgemeine Auseinandersetzungen mit den Bullen, die lor das Bewusstsein, der Notarzt musste politische Lage und der Charakter des immer wieder beworfen wurden und ihrer- kommen, ein kleiner Junge ging der Mut- Treffens der Mächtigen der Welt nicht seits Tränengas aufs Gelände schossen, ter verloren die völlig hysterisch wurde, alle unwesentlich für das Ausmaß und die noch ein paar Stunden auf "low-level- zerstreuten sich in heller Panik. An diesem Intensität der Proteste. Niveau" andauerten. Punkt war ich schon fast beeindruckt, wie Auch dürfen wir nicht vergessen, dass Ein Zivi-Bulle, der auf dem Uni-Gelände bei diesem Gipfel jede noch so friedlich- selbstverständlich die Herrschenden auch auftauchte, wurde fast gelyncht, konnte harmlose Situation ihre schlimmstmöglich- dazu lernen und ihre Taktiken und Konzep- aber noch von einigen Beherzten in Sicher- ste Wendung nahm. te ändern oder anpassen. Der EU-Gipfel heit gebracht werden. 2003 fand deshalb auch sehr weit außer- Die Bullen betraten das Uni-Gelände Applaus für die halb von einer Stadt, nämlich am Strand nicht, doch am Abend hieß es, dass die Antirepressions-Arbeit von Chalkidiki statt, sowie auch der G-8- griechische Regierung und die Bullen die Gipfel 2003 in Evian (Frankreich). Das

Uni-Leitung um Erlaubnis baten, das Asyl Nach dem Gipfel waren einige Leute Ausweichen auf kleinere bzw. abgelegene Teil V: Texte zu vergangenen Gipfeln und Reflexionen über die Bewegungen zu brechen. lange Zeit im Knast. Und es sah ziemlich Orte ist sicherlich aber auch als Erfolg der Der Vertreter der ProfessorInnenschaft, übel aus: In ähnlichen Fällen hatten die massenhaften weltweiten Proteste der letz- dessen Zustimmung benötigt wird, stimmte Gerichte in Griechenland sich von wider- ten Jahre zu werten. jedoch dagegen. sprüchlichen und lückenhaften Bullenaus- Aber auch die Polizei war bestens auf sagen und offensichtlich gefälschten die Proteste eingestellt: Ein zweites Genua Der Tag vor Gericht Beweisen selten abschrecken lassen, mar- sollte unbedingt vermieden werden. Und tialische Strafen zu verhängen. Besonders das ist Ihnen auch gelungen. Sie haben Am Sonntag sollten die Verhafteten dem krass war die Situation, als sich sieben die Proteste laufen lassen, in entscheiden- Richter vorgeführt werden. Ein paar Dut- Gefangene bereits seit Wochen im Hun- den Momenten aber eingegriffen, vor zend Leute hatten sich also gegenüber gerstreik befanden und kein Einlenken der allem mit massivem Einsatz von Tränen- dem Gerichtsgebäude eingefunden, um Behörden in Sicht war. Vor einem gas, auf den ein Teil der DemonstrantIn- ihre Solidarität mit den Eingefahrenen aus- Geschworenengericht hätten ihnen nen so auch nicht vorbereitet gewesen war. zudrücken und auf ihre Ankunft zu warten. Haftstrafen von 5 bis 20 Jahren gedroht. Die Anzahl der Festnahmen war nicht so Nach Samstag war die Stimmung in der Und dann kam alles anders: Die Anklage hoch. Dafür saßen sie Monate im Knast Stadt sehr aufgeheizt. Überall hing noch gegen zwölf Personen wurde fallen gelas- und erreichten erst durch einen langen das Tränengas in der Luft, die Cops waren sen. Und auch elf weitere Leute, die noch Hungerstreik ihre "Freiheit". Sie sollen aggressiv, vereinzelt wurden noch Leute mit Verfahren zu rechnen hatten, wurden exemplarisch verurteilt werden. festgenommen, Zwillen, Hassis(Masken) ohne Meldeauflagen aus der U-Haft ent- Während die Berlusconi-Regierung nach etc. beschlagnahmt, links Aussehende auf lassen. Es kam sogar zu einer Untersu- den Protesten in Genua und den Gewal- offener Strasse zusammen geprügelt. chung von Folter-Vorwürfen. Denn auch texzessen der Polizei gegen Demonstrie- Vor dem Gericht beschränkten wir uns wenn die Folter in Griechenland seit 20 rende und Schlafende nicht mehr heraus- zunächst aufs sporadische Slogans-Rufen, Jahren verboten ist wurde noch nie ein kam, gab sich die sozialdemokratische gingen immer wieder auf die Strasse und Polizist dafür verurteilt. Regierung von Simitis, einem ehemaligen präsentierten den Bullen den Slogan "no Diese überraschende Entwicklung ist vor Mitglied der bewaffnet kämpfenden PAK justice - no peace" auf nackten Hintern. allem der hervorragenden Antirepressions- gegen die Papadopoulos -Diktatur (1967- Stück für Stück wurde dann der Verkehr arbeit, die international aber vor allem 1973/74), die seit den Parlamentswahlen umgeleitet, die Bullen bauten sich im auch in Griechenland gelaufen ist, zu ver- 2004 vom neuen Ministerpräsidenten Halbkreis zwischen uns und dem Gerichts- danken. Auch wenn so mancheR es nicht Griechenlands Karamanlis Nea Dimokra- gebäude auf der Strasse auf und zogen mehr für möglich gehalten hätte: Die ver- tia (ND) abgelöst worden ist, moderat und langsam einen Kessel um uns rum zu. schiedenen zerstrittenen Gruppen haben liberal. Genau in dieser Situation kam es zum x- zusammen eine unglaubliche Öffentlich- Demonstrieren ja - aber ansonsten alles ten Zwischenfall wegen einer Kamera. keit für die Gefangenen hinbekommen. unter Kontrolle. Diese Devise ging auf. Ein Szene-Fotograf aus Deutschland, Mit großen Solidaritätsdemos und Konzer- Dennoch haben sich Tausende vor allem der u.a. Fotos für AntiFa-Berichterstattung ten, Besetzungen öffentlicher Gebäude, aus Griechenland versammelt, um gegen macht, hatte Bilder auch hinter den Bul- Medienzentralen und Radiosender, in die Politik der EU zu protestieren. Im Mit- lenreihen gemacht und Einzelleute aufge- denen Unterstützungserklärungen für die telpunkt der Kritik stand vor allem die län- nommen, obwohl ihm deutlich zu verste- Gefangenen verlesen wurden, haben sie derangleichende Abschottungspolitik

81 gegen MigrantInnen. So gesehen waren weg schicken wollen, dass sich diese Kritik nicht von dieser Intensität und Dichte, aber die Proteste wie an der Grenze oder die selbstverständlich nicht nur an griechische von der Struktur und dem Erscheinungsbild Demos auch nur konsequenter Ausdruck GenossInnen richtet, sondern an alle gab es auch in Genova (2001) beim G8- der formulierten Kritik. anderen Internationalen aus sämtlichen Gipfel oder beim jährlichen 1.Mai in Ber- Was uns als Internationale unklar blieb Ländern, eben an alle, die zu dieser lin-Kreuzberg, und sie werden wahrschein- und nicht ausreichend vermittelt werden Atmosphäre mit beigetragen haben. lich immer wieder auftauchen. Nur - kön- konnte, war der Konflikt und die de-facto Sexismus und das Patriarchat, so banal nen wir das auch verändern oder gegebe- Spaltung zwischen einem Teil der anarchi- das eben ist, existieren überall auf der nenfalls müssen wir eben unsere eigene stischen Bewegung Griechenlands und Welt, auch wenn es in verschiedenen Län- Sachen machen. einem anderen Teil, Salonika 2003. dern verschiedene Erscheinungsformen gibt. Denn natürlich sind wir überhaupt nicht Das der unterschiedliche Umgang mit Neben der bereits erwähnten Kritik an gegen MILITANZ. Ganz im Gegenteil, wir Medien ein Punkt des Konfliktes ist, wurde der Stimmung und Atmosphäre in der Uni, halten es für richtig und auch sinnvoll uns ja bewusst. dem Redeverhalten, den Prügeleien, sind gerade auch bei Gipfeln die Symbole der Wobei sich schon die Frage stellt, das für uns vor allem die ritualisierte und Herrschaft und die Arroganz der Macht warum werden alle Mainstream Medien immer wiederkehrende Gewaltverherrli- anzugreifen und wenn möglich dem generell ohne Differenzierung als Feind chung und der Militanzfetischismus. auch konkreten materiellen Schaden zu und pauschal immer als Handlanger des Das fand seinen Ausdruck in Sprüherei- zufügen - doch bitte gezielt. Militanz ist Staates gesehen. en an der Uni aber auch in Plakaten und eben kein Selbstzweck und Wohnhäuser (no kamera - no problem) Ist das wirk- Demoaufrufen wie z.B. bei einem Plakat, und Apotheken sind keine Banken oder lich so oder gibt es auch einzelne kritische auf dem ein brennendes Auto und ein ein- Konzerne. JournalistInnen, wo unterschieden werden zelner Mann Fäuste reckend auf dem Auto Wir sind auch oft in unseren Erschei- müsste ? Kann es nicht auch Momente stehend zu sehen sind - der "heroische Ein- nungsformen zu eingefahren und bere- geben, in denen eine Öffentlichkeit, gera- zelkämpfer", "Held der Strasse" fehlt nur chenbar. Wo bleibt der spielerische, krea- de auch Mainstream gut sein kann, zum noch der Hauch von Abenteuer. Ähnlich tive Aspekt unseres Widerstands ? Gerade Beispiel im Falle der Solidarität mit den platte Plakate kennen wir allerdings auch die Vielfalt und die Überraschungsmomen- Gefangenen ? Warum müssen immer von Mobilisierungen für den 1.Mai in Ber- te wie Pink-Silver in Prag 2000 zum Bei- gleich die Kamera-Leute mit körperlicher lin. spiel machen unsere Stärke aus. Und das

Teil V: Texte zu vergangenen Gipfeln und Reflexionen über die Bewegungen Gewalt angegangen werden, wenn es Völlig unklar für uns auch die Frage, ob ohne an Militanz oder Ausdrucksstärke manchmal auch ausreichen würde, den und wie viele der Fußballfans von PAOK einbüssen zu müssen. Film zu beschlagnahmen.? oder anderen Vereinen bei Demos mitmi- Klar sind uns die Probleme gerade mit schen ? Gibt es da Absprachen oder zählt In diesem Sinne Medien bekannt, und wir haben auch nicht als gemeinsamer Nenner nur noch der Vamos - No Pasaran - Venceremos !!!! die Antwort, sondern vielmehr Fragen, die äußere Feind - die Bullen ? Führt das nicht aber auch gestellt werden sollten. zu Beliebigkeit und Entpolitisierung und I D r e i L e u t e a u s B e r l i n Klar ist aber auch, dass gerade auch genau zu jener Ungenauigkeit von Mili- Berlin im Juli 2003 unabhängige und linksradikale, anarchisti- tanz, wie wir sie in Thessaloniki gesehen sche MedienvertreterInnen sich über unter- haben ? zuerst erschienen auf indymedia.de: schiedliche Bedingungen in den jeweiligen Nun ja, ähnliche Geschichten, vielleicht von drei-aus-berlin - 26.10.2004 16:46 Ländern informieren sollten. Da ist mehr Sensibilität angesagt. Das hätte auf jeden Fall solch unnötigen Eskalationen wie vor dem Gerichtsgebäude verhindern können. Fehlende Sensibilität auch in anderen Berei- chen wie z.B. das Nichtwissen von Kon- flikten und Trennlinien innerhalb der anarchi- stischen Szene ist sicherlich auch ein Ausdruck der eigenen Ignoranz, sich vorher nicht eingehender damit beschäftigt zu haben.

Mackertum, Mili- tanzfetisch, und Sexis- mus sind für uns jedoch die wesentli- chen Kritikpunkte, wobei wir gleich vor-

82 Der Papst ist tot! 25 Jahre Schwarzer Block" - ein Bericht

Über Pfingsten 05 lud eine schweizer dass mit Privelegien nie revolutionär gear- kont betreffen. Dass es sich explizit nicht Gruppe -bestehend aus Einzelperso- beitet werden kann ohne eigenen Macht- nur um Unterdrückung, sondern auch um nen und Teilen verschiedener Zusam- verlust. Herrschaft und ihre verschiedenen Ausbeutung handelt. menhänge- zu einem Austausch- und Ebenen werden aufgezeigt, dass sie z.B. im Der Billiglohnsektor beschäftigt vorwie- Diskussionswochenende nach Win- terthur. Das ganze wurde mit "Der Trikont anders wirkt als in Europa, oder gend Frauen, bis hin zu unbezahlter Arbeit Papst ist tot! - 25 Jahre Schwarzer wenn ich mich dagegen zu Wehr setze im Haushalt und Erziehung (interne und Block" betitelt, die Themen gingen anders als wenn ich das nicht tue. externe Kolonien, doppelt und dreifach aber auch über diesen Geburtstag Rasse wird als Konstrukt dargestellt, was Belastung von Frauen). Soziale Arbeit wird hinaus: es standen ebenfalls triple soziale Unterschiede biologisch erklären immer mehr in den informellen Sektor ver- oppression, Sexismus, Kriminalisie- und naturalisieren will. Rassismen können drängt. Daneben gibt es (erzwungene) Bil- rung und Taktik/Stategie radikaler ausserdem als Identität für Randgruppen ligarbeit von Flüchtlingen, Knastarbeit, Politik in unserer Zeit auf dem Plan. dienen und um fürs Selbstbewusstsein Behindertenwerkstätten, Kinderarbeit und Dies soll der Versuch eines kleinen subjektiven Berichtes sein. Die Wie- doch auch Tritte nach noch weiter unten auch die Ausbeutung der Natur. Nicht nur dergabe der Vorträge und Diskussio- verteilen zu können. Konzerne profitieren von dieser Ausbeu- nen spiegelt nicht automatisch meine Weiter wird im Text gesagt, dass antipa- tung, sondern auch die Menschen hier, die Meinung wieder. Auch kann nicht triachalische Kritik von Frauen vorgegeben so Zugang zu billigen Waren erhalten. jeder Vortrag und jede Diskussion in werden muss, da sie die Betroffenen sind. Danach wurde in Kleingruppen disku- ihrer Tiefe wiedergegeben werden, es Dabei kommt feministische Kritik nie ohne tiert und der Verlauf jeder Gruppe würde den Rahmen dieses Berichtes Kritik an Rassismen und auch Klasse nicht nochmal in der grossen Runde zusammen- sprengen und ich habe leider auch aus, da sonst die existierende Ungleichkeit getragen. nicht von allem Notizen. Anhand der Stichwörter ist es möglich weitere zwischen Frauen ausgeblendet wird. Der Informationen selber zu finden. schwarze Feminismus hat in dieser Rich- Aufständischer Anarchismus Wegen Kontroversen innerhalb der tung wichtige Analysen und nötige Kritik

Szene über die Idee eines solchen an der weissen Frauenbewegung aufge- Aufständischer Anarchismus und seine Teil V: Texte zu vergangenen Gipfeln und Reflexionen über die Bewegungen Treffens und daraus resultierenden zeigt. zentralen Begriffe wie Revolte/Aufstand, Raumverweigerungen wurde der Ort Die Selbstzentriertheit vieler Autonomen Affinitätsgruppe, Projekt und informelle von Zürich nach Winterthur verlegt. wird aufgezeigt, die verblindet mit ihrer Organisation wurden vorgetragen und dis- Auch der Termin musste verschoben weissen, männlichen Brille herum laufen kutiert. In Italien oder Spanien sei der werden, weshalb dann diverse bereits Begriff der Revolte weiter geläufig und zugesagte Gäste wieder absagten. und oft gar nicht selber in den Situationen Gleichzeitig kam es so zu Terminü- sind für die sie Analysen der Kämpfe auch sinngefüllt, während im deutschspra- berschneidung mit dem Auftakt einer machen. Ausserdem scheint klar: Linke chigen Raum selten wirklich von Aufstand Fahrradkarawane zum Häuserkampf können doch nicht sexistisch sein! Und gesprochen wird oder Wörter wie Affinität in der Schweiz. Trotzallem fanden dabei übersehen sie ihr eigenes Macho- zum Zusammenschluss von Kochgruppen sich Menschen aus Basel, Zürich und und Unterdrückungsverhalten gegenüber benutzt werden. Affinität im gewollten Sinn Winterthur ein und auch Leute aus Frauen. Weiter ist klar: Autonome haben bezeichnet eine Verbindung zwischen Leu- Deutschland, Italien und Frankreich kein Problem mit Rassismen! Wohl aber ten, die einmal ihre politischen Ansichten waren da, insgesamt also doch 40-50 leider nur aus dem Grund, dass Gruppen kennen und teilen (wenn auch nur punktu- Leute. all zu oft nur weiss sind und sie so gar nicht ell teilen) und sich so zu Projekten/Aktio- damit in Berührung kommen. Soweit der nen zusammenschliessen. Zweimal kennen Text. sie bei eben diesen Projekten/Aktionen die persönlichen Schwächen und Stärken der Triple Oppression Als Kritik in der Diskussion wurde ange- bracht, dass es nicht möglich wäre die anderen und können so gut zusammenar- Widersprüche selber aufzuheben, wenn beiten und aufeinander aufpassen. Sich dabei informell zu organisieren bedeutet, m Samstag begann die Veranstal- das System noch so ist wie es ist. Darauf- dass nicht eine beständige Organisation tung mit einer Einführung/Zusam- hin wurde dahingehend diskutiert, dass es gemeint ist, die zentral grosse menfassung des Textes "Drei zu Eins", eben um diese andere Sichtweise der A Aktionen/Demonstrationen leitet, sondern der Anfang der 90er aus einer Diskussion Unterdrückungen geht und sich nicht dass eine kleine bewegliche Gruppe wir- per Post (da auch Menschen im Knast Sexismus und Rassismen "von allein nach kende Projekte/Aktionen durchführt, sei es daran beteiligt waren) enstand. Dieser der grossen Revolution auflösen", sondern auch nur für einmal. Der Aufstand an sich behandelt die verschiedenen Unter- jetzt angegangen werden müssten und wird als permanenter bezeichnet. Die drückungsmechanismen und stellt Klasse, über die Schwierigkeiten, die dieses Vorha- Revolte passiert sowohl aussen als auch Rassismen und Sexismus nebeneinander, ben mit sich bringt. innen. Für den Anarchismus ist das leben- die wie ein Netz miteinander verbunden dige Individuum wichtig, das zum Vor- sind, anstatt viele Nebenwidersprüche Ergänzung: Unterdrückung und schein kommt (bzw. das Potential dafür), unter den Hauptwiderspruch Klasse zu stel- Ausbeutung aus feministischer wenn Menschen sich von Rollen, Unter- len. Der Begriff Arbeiterklasse oder Klas- Sicht drückung und Abhängigkeiten lösen und senkampf ist demnach zu kurz gefasst, da Es wurden Ergänzungen zu dem Text sich dann auch kollektiv mit anderen Indi- die Menschen in ihm selber rassistisch und "Drei zu Eins" vorgetragen. Dass es weitere viduen zur Revolte zusammen schliessen sexistisch sind. Es wird die These der Unterdrückungen und Ausbeutungen gibt, kann. Unteilbarkeit der Kämpfe aufgestellt. die Frauen, Knast, Psychatrie, alte Men- Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Als wichtiger Aspekt wird betrachtet, schen, behinderte Menschen und den Tri- Zusammenhang ist der Begriff der Revolu-

83 tionären Solidarität mit Gefangenen. Dies Hierzu waren Menschen aus Frankfurt Naziaufmarsch und viele Bullen, die die drückt sich vorallem darin aus, dass die geladen, die dann aber aus dem oben Stimmung und Resignation der Menschen Situation der Gefangenen bei weiteren genannten Grund nicht kommen konnten. noch verstärkten. Hier tauchten zum ersten Aktionen draussen mit einbezogen und So berichtete jemand über die Geschichte mal Demonstrantinnen geschlossen in rausgetragen wird, z.B. bei Kundgebungen anhand eines Gesprächs, dass er in Frank- schwarz auf, mit Helmen, Schutzpolster Banner getragen und Flyer verteilt werden furt geführt hat und mit Hilfe von einer und Stöcken und brachten neue Stimmung oder sich bei Anschlägen auf die Gefan- anwesenden Person, die in den 80ern und Energie in die Menge, der Naziauf- genen bezogen wird. Für die Schweiz wur- ebenfalls im Rhein/Main Gebiet aktiv war. marsch konnte wieder verhindert werden. den hier Aktionen im Zusammenhang mit Ein Jahr später dann also der erste offiziel- Marco Camenisch "so wenig es den fotografen gibt, der für le Aufruf zum Schwarzen Block. Viele (www.freecamenisch.net) als gelungenes uns fotoanschläge ausführte, so wenig gibt sahen Massendemonstrationen als über- Beispiel genannt. Als Texte wurde auf Alfre- es DIE geschichte des schwarzen blocks. holt und gescheitert an und wollten neue do Bonanno aus Italien Bezug genommen was es gibt sind märchen, gerüchte, Methoden entwickeln. Die Einheitsklei- (Die anarchistische Spannung, Bewaffnete geschichten, ungeschichten, spuren und dung schwarz sollte als Schutz dienen und Freude, Revolutionäre Solidarität...), auf urlaubspläne des schwarzen blocks. Stärke demonstrieren. So wollten neue Gabriel Pombo da Silva aus Spanien (die dazwischen bewegen wir uns und es wird Wege gegen Kessel gefunden werden oder delinquente Dialektik, Solidarität und weder die enthüllung noch die wahrheit mensch wollte als Kleingruppen aktions- Anarchie,...), die englische Zeitung "Insur- geben. fähiger handeln können. Es wurde noch rection" und auch auf das Buch "Tiqqun" wir begreifen uns als teil davon. wir betont, dass es nie als Abgrenzung zu den aus Frankreich. sprechen nicht für gruppen und zusam- Gewerkschaften gedacht war, sondern Abschliessend wurde noch von den Ver- menhänge, die sich ebenfalls mit dem dass sie den 1. Mai mit ihnen zusammen haftungen letzten Sommer von Jose Fern- schwarzen block identifizieren. wir spre- machen wollten, doch mit ihrer eigenen andez Delgado, Bart De Geeter, Gabriel chen vor allem nicht für bernhard, ändy Politik. Am 17. Juni 80 gab es eine Haus- Pombo da Silva und Begonia Pombo da und toni und auch nicht im namen jener, besetzung mit der Forderung nach einem Silva berichtet, über den bisherigen Pro- die immer noch per haftbefehl gesucht autonomen Zentrum, was in ganz zessverlauf und den Hintergrund der Ver- werden. sie müssen es selbst tun. Deutschland verbreitet war, eingebettet in hafteten(www.escapeintorebellion.info), es gibt kein programm, keine satzung die Kampagne gegen den "Standort sowie über das § 129a (terroristische Ver- und keine mitglieder des schwarzen Deutschland" (Export von Isolationshaft,

Teil V: Texte zu vergangenen Gipfeln und Reflexionen über die Bewegungen einigung) -Revisionsverfahren von Marco blocks. es gibt jedoch politische vorstellun- Sozialpolitik, Sicherheitgesetze, .....). In und Daniel aus Magdeburg (www.soli- gen und utopien, die unser leben und diesem Zeitraum gab es im Rhein/Main gruppe.de). unseren widerstand bestimmen. dieser Gebiet viele Aktionen und Anschläge von Es wurde dann darüber diskutiert, wie widerstand hat viele namen. einer davon diversen Gruppierungen, auch im Namen immer wieder Distanzierungen zu militan- heisst: schwarzer block." des Schwarzen Blocks. Ab 81 schlug dann tem Aufstand gezogen werden oder durch aus: radikal Nr.98, 9/1981, entnom- die Repressionskeule zu, es gab Verhaftun- Diffamierung als "Strategie der Spannung", men der: Vollautonom Nr.4 gen und § 129a- Verfahren. Es herrschte also als Bullen/Staatskonstrukt, gar ganz Unfähigkeit mit dieser Repression umzuge- der politische Boden entzogen wird. Am "Der Schwarze Block war ein lose orga- hen, sie zeigte ihre Wirkung und brachte Beispiel der Briefanschläge der FAI in Itali- nisierter Haufen von Affinitätsgruppen und jegliche Aktivität zum erliegen. Es gab en wurde angedacht, wie solche Aktionen Individuen, die in Downtown in Seattle Distanzierungen, vorwiegend aus Angst auch aufbrechend wirken können, da herumstreiften, durch eine zerbrechliche vor eigener Repression, bis dahin dass der dann Organisationen gezwungen sind und bedeutende Ladenfront bald in diese Schwarze Block nur als ein Bullen/Staats Stellung zu beziehen, daraus Auseinander- Richtung gezogen und durch den Anblick Konstrukt dargestellt wurde, von der Presse setzungen entstehen und sich Fronten einer Polizeiformation bald in jene. Anders genau wie von dem politischen Umfeld. klären (die grosse FAI -internationale anar- als die Mehrheit der Aktivistinnen, die Danach tauchte das Konzept Schwarzer chistische Föderation- distanzierte sich mehrmals mit Pfefferspray und Tränengas Block vereinzelt wieder auf. Z.B. formierte sofort von den Anschlägen, die unter der angegriffen wurden und mit Gummischrot sich Anfang der 80er Jahre in Göttingen gleichen Abkürzung z.B. als informelle beschossen, gelang es den meisten in der Antifa M Schwarze Block, dem nach- anarchistische Föderation begangen wur- unserer Sektion des schwarzen Blockes gesagt wird, dass er mit einer medialen den). Die Notwendigkeit dieser Auseinan- ernsthafte Verletzungen zu vermeiden, weil Taktik mehr auf Bilder als auf Aktion setzte. dersetzung wurde herausgestellt, und dass wir immer in Bewegung waren und Zusam- Ab 85 setzte die Kriminalisierung ein. Und die Ernsthaftigkeit auf wackeligen Beinen menstösse mit der Polizei vermieden, wir 1992 gab es einen Aufruf zum 1.Mai nach steht, wenn sich voreilig sogar von Bom- blieben dicht beieinander und hielten uns Winterthur, in dem auch mit dem Begriff ben distanziert wird, die es noch nicht mal gegenseitig die Rücken frei." aus: N30 Schwarzer Block gearbeitet wurde. gab (auf einem Festival in Italien). Black Bloc Communiqué (deutsch) Vom 1999 tauchte das Konzept Schwarzer ACME Kollektiv, 4. Dezember 1999 Block zu den WTO-Protesten in 25 Jahre Schwarzer Block - Seattle/USA als Aktionsgruppen und mit historischer Rückblick Für den 1. Mai 1980 in Frankfurt gab es einem Kommunique des ACME Kollektiv den ersten Aufruf zum Schwarzen Block. wieder auf. Von da an weiter bei diversen Am Sonntag ging es dann um den Titel Diesem Jahr gingen um 1977 eine Radi- Gipfeltreffen (Quebec, Genua, Göteburg, der Veranstaltung. Die Entstehung des kalisierung der Bewegung vorallem im ... ) und auch ausserhalb dieser als politi- Schwarzen Blocks und was dann daraus Häuserkampf und Anti-AKW vorraus. Die sche Aktion z.B. in den USA (siehe diverse wurde sollte beleuchtet werden, da immer Repression daraufhin war enorm und indy-Seiten der einzelnen Staaten). Weiter noch und immer wieder der Schwarze erzielte die gewünschte Zerschlagung. Im und wieder zeigt sich politische Motivation Block als unpolitisch dargestellt wird oder Juni 77 gab es einen grossen Nazi-Auf- und überlegte Organisation, auch Publi- als Konstrukt der Bullen/Staates und dass marsch, der nicht verhindert werden konn- zierungen in Kommuniques. Weiter und nicht nur in der sogenannten öffentlichen te, im darauffolgenden Jahr sah es nicht wieder wird herausgestellt, das Schwarzer Meinung, auch in der sogenannten Linken. besser aus. 1979 gab es ebenfalls einen Block eine Taktik/Strategie ist und keine

84 "Identität". Dass das Konzept über Affi- dreht sich weiter. Die Diskussion verschiebt Reschersche vorgestellt, die zu der Darstel- nitätsgruppen funktioniert. Dass es eigene sich immer mehr von einer radikalen Rich- lung des Schwarzen Blocks in den schwei- Ziele verfolgt. Weiter und wieder gibt es tung hin zu "Bürgerrechten" und bricht die zerischen Medien erarbeitet wurde. Dabei auch Kritik und Diskussion, um die Effekti- Richtung des Widerstandes. Massenprote- ging es darum, als was oder wer der vität dieser Taktik, die Gewalt und auch ste werden immmer weniger möglich. Die Schwarze Block dargestellt wird, seine um die Thematik des Bullenkonstruktes. Leiter des "Illegalen" wird zunehmends Ideologie, seine Grösse und die darausfol- nach unten verschoben und selbst die gende Bedeutung und seine Taktik. Sie Kriminalisierung Bewegung übernimmt diese Definitionen kann hier nur sehr knapp zusammengefas- in "Selbstdisziplin". Soweit die Einschätzung st wiedergegeben werden, auch ohne das Weiter ging es am Sonntag mit dem Feld (zur Schweiz). Herzstück der Zitate aus diversen Zeitun- Kriminalisierung. Als zweiter Vortrag wurde über Prakti- gen. Als erstes wurde eine kleine Geschichte sche Hinweise für Demos/Aktionen gere- Es wird in Kategorien eingeteilt: 1."der der Repression seit 1968 in der Schweiz det, sowie über die Aussageverweigerung harte Kern" der politischen Überzeu- vorgetragen, um einen Überblick zu schaf- bei der Polizei. gungstäterinnen: Autonome, Anarchistin- fen und zu sehen, wie sich Repression ver- Als dritter Vortrag wurde auf die persön- nen, militante Neomarxisten etc. 2. radika- ändert oder entwickelt hat. 1968 gab es lichen Ängste bei Aktionen oder vor lisierte Mitläufer 3. Apolitische Mitläufer. diverse militante Gruppen und Aktionen, Repression eingegangen über die unter- Die Ideologie wird meist entpolitisiert und im Anti-AKW und Anti-Militär Bereich und einander vielzuwenig bis gar nicht geredet auf blinde Gewalt und Extremismus redu- die JURA. 1976 wurden Bespitzelungen wird. Als ob wir uns ihrer schämem müssen ziert. Zahlen tauchen auch oft auf, was öffentlich und es kam zu Verhaftungen. oder sie verdrängen aus Angst vor der den Schwarzen Block zu einer fassbaren 1977 wurde der Staatsschutz weiter aus- Angst. Besonders Männer haben da wenig Gruppen machen lässt, um ihn nicht als gebaut. 1978 konnte ein Spitzel in der Worte für, da sie sich immer als die Starken Position verstehen zu müssen. Diese klei- Anti-AKW Bewegung enttarnt werden. In zeigen müssen. Wie wichtig diese Ausein- neren Zahlen werden dann meist mit der dieser Zeit gab es eine grosse Medienhet- andersetzung letzlich ist, zeigt sich nicht grösseren Anzahl der "besorgten Bürger" ze gegen Widerstand und allgemein herr- nur daran, dass viele Menschen nach verglichen. Für die Taktik des Schwarzen schte ein sehr repressives Klima. Es gab Repressionserfahrung aufhören aktiv zu Blocks mit seinen Kleingruppen und der viele Hausdurchsuchungen, Wanzen, Raz- sein. Auch im Umgang miteinander und Beweglichkeit klingt trotz seiner Verurtei- zien, Spitzel etc. 1979 gab es politische im Widerstand kann es viel Kraft geben lung doch irgendwie Bewunderung mit, da

Terror-Prozesse gegen 2 Anti-AKW Aktive sich mit Ängsten auseinanderzusetzen und darüber oft in einer fast schon poetischen Teil V: Texte zu vergangenen Gipfeln und Reflexionen über die Bewegungen (einer von ihnen Marco Camenisch) und einander zu helfen, statt sie zu verdrängen Sprache geschrieben wird: "huschen sie wurden exemplarisch für alle für relativ und allein von ihnen aufgegessen zu wer- schwarze Schatten", "lodern Flammen". Die kleine Aktionen zu sehr hohen Haftstrafen den. Liebe zum Detail dabei hat schon beinah verurteilt, Marco sitzt bis heute. In den Nach diesen drei Teilen gab es Klein- voyeuristische Qualität, gleichzeitig wird 80er Jahren gab es die Opernball-Proteste gruppendiskussionen, die dann in der sich aber über Gaffer beschwert, die die und einige Knastaufstände. 1982/83 gab grossen Runde wieder zusammengetragen Krawallanten so unterstützen. Doch die es drei Verhaftungen und Verurteilungen wurden. In einer Gruppe wurde über die Zeitungen sind in ihrem Sinne selber Gaf- wegen Waffen-und Sprengstoffbesitz. Es konkrete Situation des berüchtigten Bullen- fer und stürzen sich auf die Berichterstat- gab es viel Repression, Verfolgungen, kessel diskutiert und nach neuen Wegen tung über Krawalle und tragen so auch Urteile, Verletze und Tote. 1984 wurden in gesucht, wie aus ihm ausgebrochen wer- selber zur Mobilisierung für Demonstratio- Winterthur in einer sehr aktiven Zeit exem- den kann bzw. wie er ganz vermieden wer- nen bei. Durch die Darstellung der "Profes- plarisch 30 Menschen verhaftet, eine Frau den kann. In einer anderen Gruppe wurde sionalität" der Taktik wird aber auch ein begann nach einem mehrstündigen Verhör über die Schwierigkeit der Aussageverwei- Bild von "schwarzen Geheimbünden" oder Selbstmord in ihrer Zelle. Danach war jeg- gerung diskutiert, da das geltende Recht "Guerillaorganisationen" erzeugt, was liche Aktion erstmal gelähmt und musste dazu spätestens vor Gericht endet (ausser dann wiederum der Polizei als Legitimation langsam wieder aufgebaut werden. natürlich für die Angeklagte selber und für Repression dient. Während dieser Zeit gab es auch Spreng- Verwandte und wenn ich mich selber bela- Weiter die Gegenüberstellung mit dem stoffanschläge der "Autonomen Zellen". ste) und ich dann mit Sanktionen zu rech- "vernünftigen, friedlichen und berechtigten 1989 werden geheime Staatsschutzpapie- nen habe. Es wurde das Beispiel der Mag- Protest". In der Diskussion um "Gewalt" re öffentlich (Fischen-Affäre), in denen deburger Prozesse genannt, wo mehrere erfahren abgrenzend zum Schwarzen Berichte von sozialdemokratischen als Zeuginnen geladene Menschen eine Block andere Aktionsformen -selbst solche Stammtischrunden bis Radikalen Zusam- Erklärung zu ihrer Aussageverweigerung die eigentlich auch nicht auf der willkom- menhängen dokumentiert waren. Es gab geschrieben haben und ihnen somit Beu- menden Liste stehen, wie der z.B. der Pinke viele Demos und auch Zerstörungsaktio- gehaft bis zu 6 Monaten droht. Die ande- Block- eine Aufwertung, was dem Auffri- nen der Akten. Daran anknüpfend (89-91) re Seite der Aussagen vor Gericht wurde schen des grundlegenden Konsens über wurden von Seiten des Staates Namen von anhand einiger Roten Brigaden Prozesse in einige zentrale Stützen des Systems Aktiven öffentlich gemacht, es gab Dro- Italien diskutiert, bei der -wie üblich- ver- (Respektierung des staatlichen Gewaltmo- hungen und Anschläge und falsche Flug- sucht wurde (teils "unschuldige") Menschen nopols, Tabuisierung nichtstaatlicher blätter. In den 90er flaute der Widerstand mit dem Versprechen auf Haftmilderung zu Gewalt, der Glaube an die Repräsentati- etwas ab, es gab weiter Antifa-Arbeit, Aussagen gegen andere zu erpressen. on, "Zivilisation", "Gesellschaftsvertrag" Besetzungen, Gruppen zu Kurdistan, .... etc.) dient. Der Konsens aller (einschliess- Die Repression hielt aber immer an. Fort- Schwarzer Block vs. lich des Staates!) zum friedlichen Protest laufend kam es zu einer immer grösseren Blocksatz (Analyse der haucht Begriffen/Konstrukten wie "Volk von Verteufelung von Militanz. Die Bullen Berichterstattung zum SB Seattle", "globale Zivilgesellschaft" und arbeiteten mehr präventiv und auf Spal- aufgezeigt in schweizer "Bürger Europas" Leben ein und es-darf- tung hin. Massenkriminalisierungen wie Tageszeitungen) demonstriert-werden. Aktionen im Rahmen am 1. Mai setzen ein. Und die Mühle von des Schwarzen Blocks werden diesem Pro- Repression, Kriminalisierung und Angst Am Abend des Sonntags wurde eine test als störend und ihn ausnutzend

85 gegenübergestellt. Die Gewalt der Polizei Riots. Ein weiterer Punkt ist das herausstel- männlichen Reaktion auf Krisen/Schwie- hat demnach nichts mit dem Staat und sei- len des oft jungen Alters der Aktiven im rigkeiten gehört immer ganz oben Gewalt, nem Gewaltmonopol zu tun, sondern wird Schwarzen Block. Als "Kinder" wird ihnen "Gewalt" als Reaktion ist Teil des Schwarz- einizg und allein von Schwarzen Blöcken schon aufgrund dessen der Boden für eine en Block Konzeptes). Von dort zur Frage provoziert. Dieser Gegensatz wird nicht politische Handlung entzogen und ihr Tun von dem (Gebrauch vom) Symbol des nur von Seiten des Staates oder der Presse stattdessen als "Hilferuf", als pupertäre maskierten Menschen. Einmal inwiefern so propagiert, sondern auch aus dem Störung dargestellt. Jugendpsychologen dieser Mensch immer direkt als männlich Widerstand selber gibt es immer wieder werden mit ihrer These zur Nachahmung wahrgenommen wird, wo doch das unifor- Distanzierung. Daneben kommt es zu von medial konsumierter Gewalttätigkeit me Schwarz auch das Geschlecht ver- Erklärungen, dass der schwarze Block mit zitiert. Diese Erklärung blendet die Gesell- decken wollte. Bilder die explizit weiblich Faschisten und Polizei durchsetzt sei. schaft völlig aus: "Die naheliegenste Über- sind und mit Gewalt in Verbindung stehen Dadurch kann weiter das Bild von besorg- legung, dass nämlich die Bereitschaft wirken auf den ersten Moment noch immer ten aber friedlichen Bürgerinnen aufrech- Gewalt auszuüben in erster Linie eine Ent- fremd (z.B. maskierte Frauen, Frauen mit terhalten werden und "Gewalt" als Überre- sprechung der gesellschaftlichen Grund- Waffen, ...). Weiter inwiefern dieses Bild aktion/Fehler des Staates. Zu diesem Para- strukturen ist, dass sie aus der zugespitzten einen Schimmer von Macht umgibt, des- dox ein Zitat aus "Tiqqun 2, Belles-Lettres, Ellbogenmentalität der Dominanzkultur sen Gefühl auch gerne genossen wird, 2001" -übersetzt:Vorbereitungsgruppe resultiert, würde die gegenwärtig verbreite- ebenfalls auf der Strasse. Dass auf der Winterthur: "Die Beunruhigung, die den te Erfolgsstory des universellen Kapitalis- einen Seite dieses "aufgeilen" an Macht Bürgerinnen angesichts der Fotografien mus erheblich in Zweifel ziehen." (Aufsatz (auch eher wieder als männlichen Teil defi- von als Demonstranten verkleideten Zivil- "Kritik der Medienkritik" aus "Medienranda- niert) kritisch beleuchtet werden muss, bullen erfasste, die sich gelassen in den le"). genau wie gewisse Machtpositonen, die Reihen ihrer uniformierten Kollegen auf- Als letzter Punkt wird nochmal darauf Menschen deswegen einnehmen können. halten, erinnert in hohem Masse an die eingegangen wie sich Politiker und Bullen Dass aber auf der anderen Seite auch auf- Furcht des Kindes vor der dürftigen Ver- -besonders nach diversen Gipfel-Treffen- gepasst werden muss nicht die Darstellung kleidung ihres Vaters in einen Weihnachts- in Zeitungen präsentieren, um auf die Not- der Medien zu reproduzieren, schliesslich mann. Jene, die getäuscht in der demo- wendigkeit von neuer Gesetzgebung hin- war uniformes und auch maskiertes Auftre- kratischen Illusion verharren, gestikulieren zuweisen. Wie andere Konstruktionen von ten ein Beitrag zum Gefühl der Stärke und angesichts des Bildes der notwendigen "Anderen" bietet sich der Schwarze Block dem Aufbrechen der eigenen Ohnmacht.

Teil V: Texte zu vergangenen Gipfeln und Reflexionen über die Bewegungen und konstitutiven Kriminalität der polizeili- für verschärfte Massnahmen zur Durchset- Dazu wurde dann noch angedacht auch chen Macht drollig und bitten flehentlich zung des Imperativs zum Konsens an, die andere Bilder/Symbole zur Verbindung mit mensch möge sie beruhigen: "Erzählt uns, dann rasch auf die gesamte Bevölkerung Militanz zu verwenden, wobei die Frage dass die Gewalttätigkeiten des Schwarzen ausgebreitet werden. gestellt wurde inwiefern sich diese Grup- Blocks die Folge von Polizeiprovokationen Abschliessend zu der Reschersche wird pierungen damit identifizieren könnten gewesen sind, aber erzählt uns auch, dass noch auf die Selbstkritik der autonomen (z.B. Homosexuelle, Pink Silver oä.). die Polizei gut ist, dass sie nur aus Verse- a.f.r.i.k.a.-Gruppe zu militanten Aktions- hen die friedlichen Demonstrantinnen nie- formen eingegangen (Aufsätze "Medien- Genua derknüppelt, dass sie die Bösen verschont, randale" 1994, Trotzdem Verlag), sowie ihr da dies ihre Kollegen sind, dass sie uns Weiterdenken von Strategien ("Kommuni- Nach dem Essen wurde noch ein Film trotzdem beschützt, dass sie für uns arbei- kationsguerilla"). über die Proteste in Genua angesehen, tet, was auch immer geschehen mag." Aus den Menschen von dort mitgebracht dem Blickwinkel der Bürgerinnen muss Die sich anschliessende Diskussion krei- haben, dazu gab es eine kleine Einleitung. Genua auf ein Führungsproblem zwischen ste um die Frage der Nutzbarkeit der Bilder In der Diskussion vorher ging es um den guten und lieben Bullen reduziert werden: aus Medien für die Mobilisierung. Gesichtspunkt, dass es bei Einschätzungen auf keinen Fall hat uns Papa belogen, der Um die Frage des nur-randalieren-wol- rund um Genua immer viel um die Gewalt Weihnachtsmann existiert." lens und die Definition davon und inwie- der Polizei (gegen friedliche Menschen) Es werden weiter noch mehr Beispiele fern sich political-correct-Menschen von geht, bis dahin, dass nach dem Tod von aufgezeigt, wie die Sinn-und Bedeutungs- "Ghettokids" abgrenzen, ohne deren Hin- Carlo Guliani Resignation aus einigen losigkeit des Schwarzen Blocks belegt wird. tergrund und ihren eigenen privelegierten Ecken zu hören war, da "soetwas nie wie- Wenn z. B. manchmal Krawallen nicht Standpunkt zu betrachten. Menschen aus der geschehen darf". Widerstand als Opfer grundsätzlich ein Gehalt abgesprochen Paris erzählten von Studentenprotesten, die der Repression. Einmal selbsternanntes wird, so wird dann aber die These eines von Vorstadtjugendlichen "angegriffen" Opfer (die bösen Bullen), was die eigene "unfriendly-takeover" von unpolitischen wurde, was zu heftigen Diskussionen in Aktion und seine vielen Formen in den Ghetto-Kids vertreten, die dann auch noch Paris führte. Sie meinten dazu, dass diese Schatten drängt, Opferkult statt Wider- mit Aussagen von alten Kämpfern belegt Jugendlichen eine ganz andere soziale standsgeist. Es lässt auch ausser Acht, dass wird, die sich davon distanzieren. Ist eine Realität er-leben und sich so ihre Wut/Pro- Menschen mit der Absicht und Organisati- Zusammenarbeit mit den gemeinten Leu- test ausdrückt gegen Privelegien, die sie on nach Genua gekommen sind, in die ten auch nicht unproblematisch (sofern es selber nicht besitzen. rote Zone einzudringen. Zweimal Opfer sie überhaubt gibt?), so ist doch die Rich- Um die Frage ob die Taktik des Schwarz- der Gegenreaktionen (Bullenknüppel, Pro- tung dieser Distanzierung bedenklich: en Block ein Steckenbleiben in immer glei- zesse, Tod,....), die zu Resignation führen, urbane Krawalle mit politischem Anspruch chen Kampfmethoden ist, worauf dann die was die Frage nach der Wahrnehmung sind weissen Mittelstandsmenschen vorbe- Bullen auch wiederum besser reagieren von und den Umgang mit Repression stellt. halten, alle gewalttätigen Handlungen von können. Ist der böse Bulle eine neue Erscheinung?! anderen Teilen der Bevölkerung sind stets Um die Frage der männlichen Repro- Wie Widerstand ohne Repression den- unpolitisch, selbstverliebtes Machogeha- duktion von Gewalt, inwiefern typisch ken?! be, krankhafte Gewalt etc. Diejenigen, die männliche Verhaltensmuster das Gewaltmonopol des Staates verurtei- unkritisch/unsichtbar Teil der Taktik des len vereinahmen für sich das Monopol auf Schwarzen Blocks sind/sein können (zur

86 Sexismus und Männlichkeit ner, aber die werden gleichzeitig von den Sexismus ganz besonders deutlich und es dominanten mitgetragen (es reicht oft ein ist wohl deswegen auch so schwer, da es Am Montag trugen 2 Männer einen Dia- blöder Spruch, um dabei zu sein, Frauen alle und jede Verbindung zwischen Men- log zu Sexismus und Männlichkeit vor. In müssen um jede Position kämpfen). Wenn schen betrifft. Diese Auseinandersetzung der Großgruppe wurde angefangen darü- sie über Sexismus reden wird das schon ist eine permanente und kann nicht immer ber zu diskutieren, aber nach einer Weile gar nicht für voll genommen, oft werden nur/erst dann stattfinden, wenn "wieder wurde entschieden in Kleingruppen weiter- sie dann als Provokateurinnen oder Eman- etwas passiert ist". Die Vorarbeit zu diesem zumachen, teils wegen der Grösse und zen bezeichnet oder ihnen gänzlich der Kampf kann nicht immer von den Frauen weil es für einige schwer bis unmöglich ist politische Anspruch abgesprochen (eine geleistet werden, auch die Männer müssen über dieses Thema in gemischten Grup- Frau aus Kroatien erzählte von einem poli- da eigene Initiative zeigen und den Willen pen zu diskutieren. So wurden eine männ- tischen Camp, wo Frauen nach Übergrif- aufzubrechen, anstatt in Unsicherheit liche, eine weibliche und gemischte Grup- fen ein Manifesto schrieben, die Bühne stecken zu bleiben, nur gutwillig halben pen gebildet und die Diskussionen später eines Konzertes besetzen mussten, um Herzens den Bitten der Frauen zu folgen nochmal zusammengetragen. überhaubt erhört zu werden und dann dar- oder als Zustimmung zu Schweigen. Die Männer tauschten eigene Situatio- auf sexistische Reaktionen bekamen) Dies nen und Erfahrungen aus, versuchten Kon- bewirkt auch, dass sogar viele Frauen sich So, das wars dann mal. Als Nicht- turen der "Männlichkeit" bei sich selber zu bei Sexismus-Kritik zurückhalten, um nicht Schweizerin hab ich einiges über die benennen. Sie dachten Möglichkeiten an, zu den Kampflesben zu gehören, die nie- Schweiz gelernt und war auch erstaunt wie damit gearbeitet werden könnte und mand politisch ernst nimmt. Es bleibt die wieviel es da zu lernen gab. Weniger weil was von alten Strukturen wie dem Männer- Wahl zwischen Emanze und Opfer, nicht es erstaunlich ist, dass viel passiert ist, son- rundbrief oder den Männergruppen/The- ernst genommen zu werden oder Mitleid dern mehr, dass ich sowenig darüber wus- rapien wertvoll sein könnte. Weiter redeten zu bekommen. In anbetracht dessen sehen ste. Was mich sehr beeindruckt hat war, sie über ihre Ängste bei Demonstratio- es die Frauen noch immer als wichtig an, dass auch viele junge Leute in der Schweiz nen/Aktionen. Allgemein gebe es viel dass sie sich untereinander selber organi- diese politische Geschichte kennen und Unsicherheit bei diesem Thema, aber das sieren, um einen bestimmten Zusammen- sich auf sie beziehen. Das ist denke ich an Bedürfniss darüber zu reden sei da und halt und Rückhalt zu haben. Aber selbst vielen Orten und bei vielen Menschen auch die Initiative, die von ihnen selber diese Organisation wird verpönt und als noch immer ein grosses Loch mit Folgen ausgehen müsse. Abspaltung und Männerhasserei abgetan für die eigene Positionierung und Aktion.

Die Frauen stellten erstmal fest, dass (Frauengruppen, Frauenräume... so auch Die Geschichte lernen und aus ihr lernen Teil V: Texte zu vergangenen Gipfeln und Reflexionen über die Bewegungen sich Diskussionen auf fast allen Ebenen die heftige Kritik an Frauenplätzen auf ist wohl unumgehbar. immer wiederholen, dass es anscheinend Camps! usw.). Als Konsequenz daraus den I noch nicht sehr viel Änderungen gegeben Rückzug aus männlichen/gemischten Ver- sturm und drang, [email protected] hat. Noch immer werden Frauen in der hältnissen zu ziehen wird als legitim politischen Diskussion/Aktion schwerer betrachtet, gleichzeitig aber als traurige Es gibt einen Reader zu dem Treffen und wohl auch noch Kopien von der Reschersche. Kontakt ernst genommen oder sind zurückhalten- Perspektive. "Das persönliche ist politisch [email protected] der. Sicher gibt es auch schüchterne Män- und das politische ist persönlich" wird bei militant manifesto

Der folgende Text ist ein Anfang und über diskutiert wird und ob es mög- Mythen und fremder Klischees? Versuchen soll zur Debatte, Ergänzung, Verbes- lich ist, für kommende Gipfel so wir, das Unverührbare zu mischen? Gab es serung anregen. Er kam zustande, etwas wie eine gemeinsame Ebene das nicht alles schon tausendmal? Hat es weil uns nach dem Genua-Gipfel der Militanten zu finden. Sinn, es trotzdem zu versuchen? Die Ant- erstens die öffentliche Unsichtbarkeit Unsere Idee ist, den Text entspre- wort auf alle diese Fragen kann für uns nur chend der Reaktionen weiterzubear- militanter Positionen, die kaum ver- sein: Ja! suchte Vermittlung unserer Aktionen beiten und in mehrere Sprachen zu auffiel; zweitens weil in Genau auch übersetzen, um eine grenzüber- von Seiten Militanter einiges passiert schreitende Wirkung zu erzielen. Nach dem "summer of resistance" 2001 ist, mit dem wir gelinde gesagt Pro- Vielleicht finden sich ja auch jetzt und unter dem Medienbombardement bleme haben. Auch wenn es nicht in schon spontan ÜbersetzerInnen? Ver- eines neuen alten Krieges wollen wir ver- dem Ausmaß vorgekommen ist wie öffentlichen tun wir ihn in ein paar suchen, freizulegen, was unter dem Schutt teilweise behauptet, gab es eben doch linksradikalen Zeitungen und im der Worte der letzten Monate wertvoll sein das Anzünden kleinerer Autos und Internet. Neben den ganz anonymen könnte. Das Zusammenkommen vieler Möglichkeiten des Kontaktes (etwa den Brand in einer Bankfiliale in radikaler Linker vor allem in Genua im Juli einem Wohnhaus. Wir gehen davon über Post an die Interim oder Kom- 2001 und die heftige Konfrontation mit aus, daß das nicht (nur) das Werk von mentare auf indymedia) können wir Provokateuren ist, sondern einen kontaktiert werden: e-mail-adresse: der herrschenden Gewalt hat viele Diskus- Hintergrund in verschiedenen Vor- [email protected] sionen ausgelöst. Fragen an die radikale stellungen von linksradikaler, mili- Linke, und eigene In-Frage-Stellungen, tanter Aktion hat. Darüber möchten bekamen viel Raum, meistens leider mehr wir gerne diskutieren, auch um her- als die entsprechenden Antworten. Die auszufinden, wovon die unterschied- Notwendige Vorbemerkung trotz aller intergalaktischer Kongresse lichen Herangehensweisen bestimmt geringe tatsächliche globale Vernetzung sind: von rein politischen Differen- wurde deutlich spürbar. Obwohl es in ver- zen? von länder-, sprachraum-, kul- s gab viele Gründe, diesen Text nicht turspezifischen Besonderheiten? oder schiedenen Ländern durchaus ähnliche wovon noch? Uns interessiert, wie in zu verfassen. Erfordert nicht die aktu- (selbst-)kritische Auseinandersetzungen Polen, Griechenland, Spanien oder Eelle Situation ganz andere Texte? über die linksradikalen Politik- und Akti- England innerhalb der Militanten dar- Machen wir uns zum Opfer eigener onsformen gab (wie wir teils wissen, teils

87 annehmen), bleiben diese an den Grenzen TheoretikerInnen, SyndikalistInnen, Antiau- 9. Politische Gewalt ist nicht indifferent. der Länder und politischen Strömungen toritäre, Feministinnen, Forschende, Ver- Sie schließt eine Vielzahl von Möglichkei- meist stehen. krüppelte, Queer, Unversöhnliche... ten ein, vom aktiven zivilen Ungehorsam Der Vorschlag des "militant manifesto" Wir sind nicht zufrieden mit der Gegen- bis zu bewaffneten Aktionen. Sie ist stets an ist, miteinander zu diskutieren - über Län- wart. Wir erklären die Zukunft für offen. ein gesellschaftliches Umfeld, an den dergrenzen und politische Grenzen hin- Kampf um Begriffe und Deutungen, weg. Es geht nicht darum, ein einheitliches 1. Unser Ziel: Die Herrschaft von Men- geknüpft. Welche Form welcher Situation politisches Programm zu formulieren. Es schen über Menschen beenden, gleich ob angemessen ist, müssen diejenigen ent- geht nicht darum, zu disziplinieren und zu sie ökonomisch, geschlechtlich, ethnisch, scheiden, die sich der Situation gegenü- organisieren. Es geht nicht darum, ande- religiös ist. bersehen. ren etwas aufzudrücken, sie zu repräsen- 2. Unser Weg: Die revolutionäre Umge- 10. Die Anwendung politischer Gewalt tieren. Es geht darum, der radikalen linken staltung der Gesellschaft. Wir sehen darin bedeutet daher die Übernahme einer Bewegung mehr politischen Spielraum zu einen Prozeß, der weder von heute auf hohen Verantwortung für sich selbst wie für verschaffen, indem sie sich über sich selbst morgen stattfinden kann noch lokal iso- andere. Sie darf nie terroristisch, d.h. und ihre Aktionsformen austauscht, sich liert, insbesondere nicht in den eng ver- gegen Unbeteiligte gerichtet sein. Unbetei- ihrer eigenen Rolle bewußter wird, auch flochtenen Metropolen. ligte sind für uns aber nicht diejenigen, die und gerade in ihrem Verhältnis nach 3. Wir bekennen uns zur Vielfalt der Pro- das Herrschaftssystem gewaltsam verteidi- außen - denen gegenüber, die sie für sich gramme. Die Erfahrung der gescheiterten gen, als Polizisten, Politiker oder Militäran- gewinnen will. "großen Pläne" und Vereinheitlichungen gehörige; ebensowenig diejenigen, die die des 20.Jahrhunderts führt uns zu einem Herrschaftsstrukturen noch verschärfen Darum ist der politische Rahmen bewußt globalen Prozeß der Kommunikation, des wollen, als Faschisten, Rassisten, Sexisten; sehr weit und unscharf gefaßt. Der Begriff Versuchens und Voneinander-Lernens, um und letztlich auch nicht die "oberen Zehn- "militant" wird in verschiedenen Sprachen eine bessere Welt vorstellbar zu machen. tausend", die Menschheit und Natur in sehr unterschiedlich verwendet. Er kann für Dazu gehören auch Konflikte, denen wir ihrem Privatbesitz wähnen. disziplinierte Parteifunktionäre stehen oder uns stellen müssen und wollen. 11. Wir übernehmen Verantwortung für für wilde Straßenkämpferinnen, für ent- 4. Wir anerkennen keine disziplinieren- unsere eigenen Taten, für Erfolge wie für schlossene Sozialdemokratinnen oder ein- de Vorherrschaft einer Partei oder ver- Fehler und Unzulänglichkeiten. Je mehr fach für Radikale. Versuchen wir, als kämp- gleichbaren Organisation. Die "reine wir zusammenkommen und uns miteinan-

Teil V: Texte zu vergangenen Gipfeln und Reflexionen über die Bewegungen ferische linksradikale Bewegung uns den Lehre" gibt es nicht. der austauschen, desto schwerer wird es Begriff anzueignen! 5. Wir wollen die Macht zersetzen. Wir sein, unsere Aktionsformen durch Provoka- möchten weder an der heutigen Macht tionen von außen oder eingeschleuste Wenn wir von der militanten, also kämp- teilhaben - wie manche reformerische Pro- Agenten zu beeinflussen. ferischen, Bewegung sprechen, dann jekte, etwa NGOs (Nicht-Regierungs- 12. Wer politische Gewalt anwendet, umfaßt das viele verschiedene politische Organisationen) - noch die Macht für uns muß sich stets fragen lassen können - auch Strömungen und Aktionsformen. Gemein- erobern - wie die alten hegemonialen Par- von GegnerInnen! - inwieweit das eigene sam ist ihnen, daß sie tei-Apparate. Wir mißtrauen allen Funk- Handeln moralisch und politisch vertretbar · mehr Gewicht auf Handlung und Wir- tionären, die auf diese Weise vor allem ist. Wir wissen: Begrenzte Auseinanderset- kung legen als auf Theorie-Arbeit, persönliche Macht erobern. Doch wir zungen heute wie revolutionäre Umwäl- · die gesellschaftlich vorgegebenen betrachten die Menschen, die sich dort zungen (irgendwann) morgen sind kein Spielregeln für politische Opposition engagieren, nicht als GegnerInnen, son- Krippenspiel. Sie gehen einher mit Fehlern bewußt brechen, dern als BündnispartnerInnen, die wir von und Irrtümern, mit Aggression und Opfern. · die bestehenden Herrschaftssysteme unserer Idee überzeugen möchten. Das spricht aber niemanden davon frei, für nicht reformierbar halten. Aber uns ver- 6. Selbstbestimmte Basisorganisationen die eigenen Handlungen am Respekt für bindet noch mehr - oder könnte es: bzw. -gruppen und deren überregionale das Leben und an der politischen Moral · Offenheit: Wir sind uns des Nebenein- Vernetzung betrachten wir als beste einer möglichen besseren Welt zu messen. anders vieler Theorien und Ideologien Grundlage für befreiende Prozesse bei den [http://www.nadir.org/nadir/aktu- bewußt. Sie sollen voneinander lernen und Einzelnen und in der Gesellschaft insge- ell/2001/11/18/7317.html] andere Wege ausprobieren. Wir verplanen samt. I Berlin, November 2001 keine Zukunft, ehe wir sie nicht haben. 7. Unsere Aktionsformen lassen wir uns · Hoffnung: Wir setzen darauf, daß das nicht diktieren, auch nicht von Bünd- Neue entsteht, wenn Menschen sich bewe- nispartnerInnen. Aber wir respektieren Kri- gen, rebellieren, ihre Potentiale erkennen - tik und das Bedürfnis anderer, ihre eigenen einzeln wie auch kollektiv. Dem gehen wir Aktionsformen verwirklichen zu können. nicht ohne Ideen, aber ohne Einheitsfront 8. Zu unseren Aktionsformen gehört entgegen. auch die Anwendung politischer Gewalt. · Aufklärung: Wir handeln aus freiem Sie ist für uns ein notwendiges, aber nicht Willen, nicht aus Pflicht gegenüber Orga- hinreichendes Mittel im politischen Kampf. nisationen oder Ideologien. Dazu gehört Solange die revolutionären Kräfte schwach die Reflektion, woher wir kommen, wohin sind, ist politische Gewalt ein symbolisches wir gehen, und: ebenso Menschenrechte Mittel der Propaganda und kann keine und Ethik wie die Analyse der Herrschafts- Machtfrage stellen. Sie ist kein Selbst- und Unterdrückungsverhältnisse. Neben zweck, sondern taktisches Mittel. Sie ist all dem sind wir AnarchistInnen, Autono- nicht identisch mit Militanz - unsere Mili- me, KommunistInnen, Antagonistische tanz äußert sich auch in vielen anderen Linke, Sozialrevolutionäre, Ökos, Punks, Bereichen, in unserem täglichen Leben, in RebellInnen, "Globalisierungsgegner", unserer politischen Arbeit, in Medien, WagenburglerInnen, Antifas, Entwurzelte, Gruppen, Zentren, usw.

88 Von der Afrika-Kommission zur Autobahnblockade Stichworte zum G8-Gipfel im schottischen Gleneagles

Wohl noch nie dürfte ein G8-Gipfel Strategien angesehen werden. Ebenfalls durchsetzen zu können. das Interesse derart vieler und unter- bemerkenswert ist, dass die reichen Indu- Anlässlich der Vorstellung des Afrika- schiedlicher Menschen auf sich gezo- strieländer in Hauptziel Nr. 8 die Verpflich- Berichts ließ Blair die britische Öffentlich- gen haben wie das diesjährige Stell- tung eingegangen sind, durch Schulden- keit wissen: "Es gibt keine Entschuldigung, dichein der laut Selbstauskunft acht mächtigsten Staats- und Regierung- abbau, Marktöffnungen etc. einen ernst- keine Verteidigung und keine Rechtferti- schefs Anfang Juli im schottischen haften Beitrag zur Umsetzung der Millenni- gung für das Elend von Millionen Mitmen- Gleneagles. Mit von der Partie sind umsziele zu leisten. Und doch: Zur Zeit schen im heutigen Afrika. Uns sollte nichts nicht nur die bereits hinlänglich scheint es, also ob die Millenniumsziele daran hindern, dies zu verändern." Was bekannten DarstellerInnen gewesen - genauso versanden könnten wie viele ver- das praktisch heißt, darüber gibt der Kom- als da wären: globalisierungskritische gleichbare Projekte in der jüngeren Zeit missions-Bericht an exponierter Stelle Aus- (Grassroot-)AktivistInnen, NGOs und auch. kunft: "Afrika ist letztlich deshalb arm, weil Polizei. Vielmehr hat auch die von der seine Wirtschaft nicht gewachsen ist. Der britischen Regierung wohlwollend Tony Blairs Afrika-Coup unterstützte Massenbewegung Make öffentliche und private Sektor müssen Poverty History eine zentrale Rolle zusammenarbeiten und ein Klima schaf- gespielt. Und natürlich die globale Just diese Verfahrenheit hat sich der in fen, das den Unternehmergeist der Völker Fangemeinde des Pop - im Zuge der großen Gesten ja einschlägig erfahrene in Afrika freisetzt, Beschäftigung schafft acht von Bob Geldof initiierten und britische Premier Tony Blair zu Nutze und in- und ausländischen Einzelpersonen weltweit ausgestrahlten Live-8-Kon- gemacht. Bereits früh kündigte er an, seine und Firmen den Anreiz zu investieren ver- zerte am 2. Juli. G8-Präsidentschaft dazu nutzen zu wollen, mittelt." dem ins Stocken geratenen Millennium- Teil V: Texte zu vergangenen Gipfeln und Reflexionen über die Bewegungen sprozess neuen Schwung zu verleihen. Unterm Strich sollte sich Blairs Kalkül Bereits im Februar 2004 rief er eine Afrika- einmal mehr als absolute Meisterleistung ine Analyse dieses Gemengelages Kommission ins Leben - schließlich sei die in Sachen Public Relation entpuppen: Je wird ohne Schwerpunktsetzungen Lage in Afrika dramatischer als überall näher der Gipfel rückte, desto stärker nicht auskommen. Dennoch gilt es, E sonst. Der Kommission gehörten überwie- schienen größere Teile der britischen die Gesamtdynamik nicht aus den Augen gend Persönlichkeiten aus afrikanischen Gesellschaft - allen voran die Medien - zu verlieren. Eine sorgfältige Beschäftigung Ländern an, aber auch zwielichtige Gestal- von einer regelrechten Euphorie einsch- mit den jüngsten Erfahrungen sollte hier zu ten wie der ehemalige IWF-Boss Michel ließlich nationalistischer Untertöne erfasst Lande auch deshalb erfolgen, weil 2007 Camdessus. zu sein. Die Wörter "Afrika", "Hilfe" und der G8-Tross im Ostseebad Heiligendamm "Entwicklung" waren in aller Munde, nie- (Mecklenburg-Vorpommern) Station Mit viel veröffentlichte die mand wollte den historischen Augenblick machen wird. Zahlreiche Gruppen, Bünd- Kommission im März dieses Jahres ihren verpassen, in dem Afrika dank britischer nisse und Netzwerke sitzen bereits in den 450-Seiten starken Abschlussbericht unter Initiative auf ein neues Gleis seiner Startlöchern, mehrere Aufrufe zirkulieren - dem vielsagenden Titel "Unser gemeinsa- Geschichte gesetzt würde. kurzum: Der G8-Widerstand steht vor der mes Interesse". Ihre insbesondere auf die Tür! (1) armen Länder Afrikas gemünzten Forde- Höhepunkt dieses mitunter grotesken rungen wie Schuldenerlass, Erhöhung der Spektakels war der 2. Juli, der Samstag vor Die Wurzeln der politischen Dynamik Entwicklungshilfe, Förderung so genannter dem G8-Gipfel: Einerseits gingen an die- rund um den diesjährigen G8-Gipfel sind guter Regierungsführung etc. dienten Blair sem Tag die vom Afrika-Kommissions-Mit- tief, sie reichen zurück bis zur Millennium- fortan als Blaupause seiner im Hinblick auf glied Bob Geldof relativ kurzfristig aus serklärung der UNO im September 2000. den G8-Gipfel formulierten entwicklungs- dem Boden gestampften Live-8-Konzerte Damals beschloss die UNO-Vollversamm- politischen Vorschläge. über die Bühne (8 = aid = Hilfe). Ande- lung, dass bis 2015 Armut und Hunger rerseits fand in Edinburgh eine maßgeblich weltweit halbiert, Krankheiten bekämpft, Vor allem zweierlei dürfte Blair mit seiner von Make Poverty History (Macht Armut zur Geschlechter-Gleichheit gefördert, ökolo- Initiative im Blick gehabt haben: Erstens, Geschichte) organisierte Großdemonstra- gische Nachhaltigkeit verankert etc. wer- sein eigenes Image aufzupolieren. Immer- tion mit 250.000 Menschen statt. Make den sollten. Festgehalten wurde dies in hin hatte er als Folge seiner Irak-Politik Poverty History ist eine britische, von über acht Haupt- und 18 Teilzielen sowie 48 enorme Sympathieverluste erleiden müs- 500 Organisationen getragene Kampa- Indikatoren - den Millennium Develop- sen, nicht nur im Ausland, sondern auch gne unter zentraler Beteiligung entwick- ment Goals. So sehr diese auch dem herr- zu Hause, insbesondere unter linken lungspolitischer NGOs. schenden, mithin kapitalistischen Status Labour-AnhängerInnen. Da kam ihm Quo verpflichtet sein mögen, sie zeichnen natürlich ein moralisch hochgejazztes Pro- Die Demonstration hat sich weniger sich - anders als das gemeinhin der Fall ist jekt à la Hilfe und Entschuldung bestens gegen die herrschende, durch den G8- - durch konkrete Prozentsätze und klare zupass. Zweitens weiß Blair nur zu gut, Gipfel verkörperte Weltordnung gerichtet. zeitliche Fristen aus. Das ist der Grund, dass gespreizte Mitmenschlichkeitsrhetorik Sie war vielmehr ein ernst gemeinter weshalb sie derzeit von der Mehrheit der immer noch ein äußerst vielversprechender Appell an die TeilnehmerInnen des Gipfels, Regierungen, NGOs etc. als verbindlicher Weg ist, ureigenste, in diesem Fall neoli- die Chance am Schopfe zu packen und Rahmen für so genannte Entwicklungs- berale Interessen ohne größeren Aufruhr endgültig, so eine Oxfam-Sprecherin, "der

89 Seuche extremer Armut" ein Ende zu berei- le Beteiligung betrifft: Mit durchschnittlich ten völlig, genauso wie ein Bezug auf die ten. Nichts hätte dieses (hochgradig illu- 5.000, lediglich am ersten Gipfel-Tag Forderungen des afrikanischen, zeitgleich sionenunterwanderte) Arrangement treffli- 10.000 G8-GegnerInnen (inklusive G8- in Mali tagenden, Anti-G8-Gipfels. Diese cher auf den Punkt bringen können als der Alternatives) konnte de facto nicht an die inhaltliche Leere setzte sich auch in der Umstand, dass Blair einer von über neun Mobilisierungserfolge der vergangenen Außendarstellung fort. Flugblätter, Zeitun- Millionen BritInnen gewesen ist, der das Jahre angeknüpft werden. Zukünftig dürfte gen, Transparente? Mehr oder weniger Symbol der Make-Poverty-History-Kampa- sich das nur verändern, sollte der Vorbe- Fehlanzeige! All das sollte in Zukunft auf gne, ein weißes Armbändchen, getragen reitungsprozess von Anfang an eine breite jeden Fall anders werden. Konkret dürfte hat. internationale Verankerung erfahren. das vor allem eine frühzeitige Bestimmung der Themen erforderlich machen, die Festzuhalten bleibt: Durch seine Strate- b) Die soziale Zusammensetzung von anlässlich einer Anti-G8-Mobilisierung gie der offensiven Umarmung ist es Blair Dissent! Network ist ebenfalls alles andere zum Gegenstand öffentlicher Auseinan- gelungen, relevante Teile des britischen als optimal gewesen: Mehrheitlich hat es dersetzung gemacht werden sollen. NGO-Spektrums milde zu stimmen, ja zu sich um eine stark subkulturell aufgela- vermeintlichen PartnerInnen hochzustilisie- dene Veranstaltung junger, weißer EU- Es bleibt: Bei aller Kritik, die positiven, ren und somit größere Proteste während EuropäerInnen gehandelt. MigrantInnen hier nur am Rande angedeuteten Erfahrun- des Gipfels zu verhindern. Es dürfte unstrit- bzw. Menschen mit migrantischem Hinter- gen überwogen bei weitem - es lohnt, tig sein, dass dies ein gewaltiges Manko grund, Flüchtlinge oder Menschen aus diese Fäden fortzuspinnen. Am ärgsten (nicht nur) für den eigentlichen, mehr oder dem Trikont waren kaum vertreten. Das ist dürften letztlich viele der NGOs zu knab- weniger radikalen G8-Widerstand gewe- zwar weder neu noch ändert es etwas an bern gehabt haben, denn deren hochflie- sen ist. Immerhin sind hierdurch sämtliche der über weite Strecken irrsinnig sympathi- gende Hoffnungen entpuppten sich im Synergieeffekte flöten gegangen, die nor- schen, mitunter grotesk-witzigen Camp- Lichte der konkreten Ergebnisse des Gip- malerweise entstehen, sobald unterschied- Atmosphäre, aber eine "andere" Welt sieht fels als das, was sie immer schon waren: liche Strömungen mit unterschiedlichen schlicht und ergreifend anders aus. Luftschlösser, leider nicht mehr! Positionen, Herangehensweisen und Akti- onsformen gemeinsam als kritische Masse Lehren für Heiligendamm I Gregor Samsa agieren. c) Kehrseite des anti-autoritären, über- Anmerkung:

Teil V: Texte zu vergangenen Gipfeln und Reflexionen über die Bewegungen Widerstand unter sich aus strukturpessimistischen Selbstverständ- nisses innerhalb des Dissent! Network ist 1) attac diskutiert über 2007, das Dissent! Network im Im Kern ist der G8-Widerstand von zwei ein zum Teil (!) nur schwer überbietbares deutschsprachigen Raum lädt Anfang Oktober groß in Hamburg ein und das Bündnis linker Gruppen großen Netzwerken getragen worden: Verantwortungs- und Informationschaos und Einzelpersonen hat unter dem Motto "Für eine Einerseits den G8-Alternatives, einem stark gewesen. Insbesondere während der Vor- interventionistische Linke" einen Aufruf veröffentlicht, in Schottland verankerten Bündnis, in dem bereitung des Blockadetags hat sich das ein breites Vorbereitungsbündnis aus allen Strömungen der linken sozialen Bewegungen und vor allem linke GewerkschafterInnen, (tra- negativ bemerkbar gemacht. Dass dieser Organisationen zu schaffen: www.g8-2007.de ditionssozialistische) FriedensaktivistInnen dennoch äußerst erfolgreich verlaufen ist, und diverse trotzkistische Gruppen zusam- hatte vor allem mit einer allenthalben mengeschlossen waren. Während sich die großen Entschlossenheit, viel Dusel und erschienen in: ak- Zeitung für linke Debatte und Praxis G8-Alternatives im Wesentlichen auf einen einer völlig überforderten Polizei zu tun. / Nr. 497 / 19.8.2005 eintägigen Gegengipfel in Edinburgh und Der Mangel klarer und durchschaubarer die zentrale Demonstration in Gleneagles Verantwortlichkeiten hat außerdem so am Auftakttag des Gipfels beschränkt hat- manches manipulatives Einfallstor geöffnet ten, ist das Dissent! Network als zweite - was in Sterling z.B. von einem scheinbar große Kraft deutlich umtriebiger gewesen: versierten, faktisch jedoch absolut manipu- Auf seine Kappe ging ein Großteil der lativ agierenden (weil Moderation und Aktionen während der gesamten G8- eigene Interessen nahtlos verklammern- Woche, insbesondere die Straßen- und den) Moderationsteam weidlich ausgenutzt Autobahnblockaden am ersten Tag des wurde. Die Frage, wie politische, Gipfels. mehrsprachig zusammengesetzte Groß- gruppen unter Zeitdruck sachlich und Das nicht nur auf Großbritannien effektiv sowohl kommunizieren als auch beschränkte Dissent! Network ist ein wilder entscheiden können, bleibt mit anderen Querschnitt durch sämtliche Sub-Szenen Worten eine spannende Herausforderung. undogmatisch linksradikaler bzw. anarchi- stischer Politik (gewesen) - einschließlich d) Das merkwürdigste Defizit dürfte genialer Neukreationen wie der Rebel indessen die weitgehende Abwesenheit Clown Army. Ausgangspunkt für die mei- nicht nur inhaltlicher Diskussionen unter sten Aktionen war das ca. 25 Kilometer den AktivistInnen, sondern auch politischer von Gleneagles entfernte Aktionscamp Positionierungen im öffentlichen Raum (namens Ecovillage) in Sterling - mit per- gewesen sein. Während sich andernorts manent etwa 3.000 AktivistInnen. Was die Köpfe über Fragen wie Landreform, lässt sich resümierend über das Tun insbe- Wasserrechte oder Verschuldung heiß sondere des Dissent! Network sagen? geredet wurden, schien hiervon das gemeine Dissent!-Network-Publikum reich- a) Der G8-Widerstand ist von linksradi- lich unbekümmert. Konkrete Brückenschlä- kaler Seite aus verdammt mickrig ausge- ge etwa zu den auf den Weltsozialforen fallen - nicht zuletzt, was die internationa- verhandelten Themen und Konzepten fehl-

90 Täuschung als PR-Strategie Was auf dem G8-Gipfel beschlossen wurde

Schenkte mensch den offiziellen Zins- und Tilgungszahlungen aufbringen. telbar an Konditionen gekoppelt sei; Verlautbarungen im Anschluss an Wie lächerlich gering diese Summe ist, lediglich allgemein ist u.a. von "guter den diesjährigen G8-Gipfel Glauben, dürfte im Lichte einer weiteren Zahl deut- Regierungsführung" als notwendiger Vor- so müssen die im schottischen Gle- lich werden: Sämtliche Entwicklungsländer aussetzung die Rede. Doch das ist neagles versammelten Staats- und Regierungschefs tatsächlich Unge- zahlen zusammen über 300 Milliarden bestenfalls untertrieben. Denn auch die wöhnliches vollbracht haben: Allent- Zinsen und Tilgungen jährlich. Nach Ein- 20 Länder, die sich derzeit um Qualifizie- halben war von historischen Durch- schätzung verschiedener NGOs deckt die rung bemühen, müssen zunächst das brüchen die Rede. eine Milliarde US-Dollar gerade mal zehn HIPC-Programm durchlaufen (von den Prozent des tatsächlichen Entschuldungs- bereits qualifizierten ganz zu schweigen). bedarfs. Bezugspunkt sind die so genann- Es schien, als wäre auf dem G8-Gipfel ten Millenniumsziele: Danach sei für 62 Entwicklungshilfe und Handel weltweiter Armut und Verschuldung end- hochverschuldete Länder die von der gültig das Totenglöckchen geläutet wor- UNO in ihrer Millenniumserklärung ange- e) Last but not least: Der aktuelle Schul- den. Bei genauerem Hingucken entpupp- peilte Halbierung der weltweiten Armut bis denerlass ist auch deshalb abzulehnen, ten sich diese Erfolgsmeldungen jedoch 2015 nur durch einen hundertprozentigen weil es sich um illegitime Schulden han- als dreiste Propaganda. Die Kritik selbst Schuldenerlass realisierbar. delt - und nicht etwa um unbezahlbare moderater NGOs fiel dementsprechend Schulden (eine Diktion, der sich selbst harsch aus. c) Von dem aktuellen Schuldenerlass viele westliche NGOs befleißigen). Dar- können laut Beschluss maximal 38 Länder auf hinzuweisen, ist während des G8- Was ist auf dem G8-Gipfel Anfang Juli profitieren. Hintergrund sind völlig willkür- Gipfels vor allem NGOs aus dem Süden konkret beschlossen worden? Wie lautet liche, bereits aus früheren Schuldenerlass- vorbehalten gewesen, allen voran Jubilee die Kritik - immanent wie grundsätzlich? Initiativen bekannte Unterstellungen darü- South als einer der größten unter ihnen.

ber, welche Schuldenrate (gemessen an Sie fordern ihrerseits sofortige Streichung Teil V: Texte zu vergangenen Gipfeln und Reflexionen über die Bewegungen Entschuldung: Bereits Mitte Juni hatten den Exporteinnahmen) als tragfähig gilt sämtlicher Schulden für alle so genannten die G7-Finanzminister (ohne Russland) und welche nicht. Demgegenüber ist fest- Entwicklungsländer - und überdies Repa- eine entsprechende Entscheidung getrof- zuhalten, dass es sehr viel mehr Länder rationen, nicht nur für die Folgen jahre- fen, sie wurde auf dem G8-Gipfel nur gibt, die auf einen teilweisen oder kom- langer IWF-Strukturanpassungsprogram- noch abgenickt. Danach sollen 18 Län- pletten Schuldenerlass angewiesen sind. me, sondern auch für Kolonialismus und dern, davon 14 aus Afrika, ihre Schulden Sklaverei. bei drei multilateralen Finanzinstitutionen d) In den Genuss des aktuellen Schulde- erlassen werden (IWF, Weltbank und Afri- nerlasses kommen ausschließlich so Entwicklungshilfe: In dieser Hinsicht ist kanischer Entwicklungsbank). Unter genannte HIPC-Länder (Heavily Indepted zwar eine Verdoppelung der Entwick- bestimmten Voraussetzungen können Poor Countries). Die 1996 von IWF und lungshilfe um 50 Milliarden US-Dollar noch neun, maximal 20 weitere Länder Weltbank lancierte und 1999 auf dem Köl- pro Jahr bis 2010 beschlossen worden. dazukommen. Praktisch handelt es sich ner G8-Gipfel neu aufgelegte HIPC-Initia- Doch auch dieser Beschluss ist nicht wirk- um einen sofortigen Schuldenerlass, tive ist ebenfalls ein Entschuldungspro- lich der Rede wert. Denn hierbei handelt zumindest für die Länder, die sich bereits gramm. Die beteiligten Länder haben als es sich überwiegend nicht um zusätzliches qualifiziert haben (s.u.). Der Schuldener- Voraussetzung für den Schuldenerlass ein Geld, sondern um solches, das bereits lass ist eine Mogelpackung sonderglei- dreijähriges so genanntes Strukturanpas- mehrmals versprochen wurde - das erste chen, er hält nicht im mindesten, was er sungsprogramm des IWF zu durchlaufen. Mal vor 35 Jahren (zumindest was die verspricht: Hierbei handelt es sich um ein Bündel Erhöhung der staatlichen Entwicklungshil- haushalts-, finanz-, handels- und arbeits- fe auf 0,7% des Bruttosozialprodukts a) Anders als von G8-Seite kolportiert, marktpolitischer Vorgaben (Konditionen), betrifft). wurde mitnichten ein hundertprozentiger die seitens der jeweiligen Regierungen auf Schuldenerlass in die Wege geleitet. nationaler Ebene umgesetzt werden müs- Handel: Hier wurde faktisch gar nichts Erlassen werden lediglich Schulden bei sen. Die dem Geist neoliberaler Denken erreicht. Einmal mehr wurden keine fest- oben genannten drei Finanzinstitutionen. ganz und gar verpflichteten Strukturanpas- en Zusagen zum Abbau der skandalösen Die restlichen Schulden - ob bei einzelnen sungsprogramme des IWF (die auch im Exportsubventionen im Agrarbereich Staaten, Privatbanken oder anderen mul- Falle von Kreditzahlungen greifen) sind gemacht, durch die Millionen Kleinbau- tilateralen Finanzinstitutionen, sind dem- hochgradig problematisch. Im Kern zielen ern im Trikont schlicht und ergreifend nie- gegenüber nicht Bestandteil des Deals. sie auf radikale Öffnung der Märkte, Pri- derkonkurriert werden. Lediglich von Für die betroffenen Länder hat sich also vatisierung, einseitige Förderung der einer Abschaffung "zu einem glaubwürdi- gerade mal ihr jeweiliger Schuldenstand Exportwirtschaft und umfassenden Abbau gen Zeitpunkt" ist diesbezüglich die Rede verringert - mehr nicht. staatlicher Regulierungen (z.B. Streichung gewesen. von Subventionen für Grundnahrungsmit- Mogelpackung Entschuldung I tel). Sie sind mit anderen Worten - jeden- Gregor Samsa falls letztinstanzlich - als Türöffner westli- b) Durch den aktuellen Schuldenerlass cher Interessen im Trikont zu verstehen. müssen die betroffenen Länder jährlich Offiziell heißt es zwar, dass der jüngst erschienen in: ak- Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 497 / 19.8.2005 etwa eine Milliarde US-Dollar weniger beschlossene Schuldenerlass nicht unmit-

91 G8 2007 Aktionsinfos Treffen, Konferenzen, Bündnisse, Demonstrationen, Aktionen, Soli-Parties, Texte, Bücher.... es ist Aktionsinfos bereits jetzt, ein Jahr vor dem Gipfel, gar nicht mehr so leicht, die Bewegung gegen G8 zu überblicken. Hier einige praktische Infos über Bündnisse und geplante Aktionen.

Bündnisstrukturen & Mobilisierungen: Wozu arbeitet dissent!?

Infotour: Seit Herbst 2005 ist die Infotour in Im dissent!-Netzwerk organisieren sich seit Frühjahr Deutschland und europäischen Ländern unterwegs. 2005 einige Hundert linksradikale, emanzipatorische, Ein Quiz zum G8 2007 sowie "Popular Education"- anarchistsiche, antiautoritäre AktivistInnen aus verschie- denen Ländern, Regionen und Städten (www.dissentnet- Konzepte für politische Bildung (Seminare, Works- work.org). hops oder Projekttage) gehören ebenfalls zum Repertoire. (www.dissentnetwork.org/wiki). Die AG ist mittwochs und donnerstags nachmittags tele- Zahlreiche Gruppen aus dem NoLa- fonisch im Berliner Anti-G8-Büro erreich- ger-Netzwerk sind sowohl bei dis- bar. sent! als auch im Rostock-Bünd- Trauma: Die Repression insbe- nis aktiv. Geplant ist unter sondere beim G8 2001 in anderem eine breite Bünd- Genua gab Anlaß zu einer nisdemo unter dem (vorläu- offensiveren Auseinanderset- figen) Motto: Für globale zung mit Traumatisierung und Bewegungsfreiheit! Glei- dem Umgang damit (www.dis- che Rechte für alle! sentnetwork.org/wiki) Zu dissent!-Treffen Fahrrad-/ Velokarawane: kommt auch das "Revolu- Nach mehreren Fahradkara- tionäre Bündnis", das "den wanen zu Gipfeln der letzten internationalistischen Wider- Jahre ist für Heiligendamm stand gegen Kapitalismus und auch eine in Planung. (www.dis- Imperialismus auf die Straße sentnetwork.org /wiki) tragen" will (www.antig8.tk). Aktionen: von "deutschlandweiten Unter dem Motto "Leben heißt in Kempinskihotel-Aktionen", Straßentheater, Bewegung bleiben" planen Polit-, Kunst- und Blockade-Ideen über "öffentliche Filmvorführun- MedienaktivistInnen eine Europa-Karawane. Hier gen" bis "Genfeldaktionen" zum übernehmen, aus- sollen Kultur-Events und Diskussionen quer durch bauen und ergänzen (www.dissentnetwork.org/wiki). Europa getragen werden. ([email protected]). Inhalte: Die AG trifft sich regelmäßig auf den all- Die Interventionistische Linke (www.g8-2007.de) gemeinen dissent!-Treffen. Unter hat mit attac (www.attac.de), Initiative für ein Sozial- www.gipfelsoli.org/Inhalt+Theorie.html finden sich forum in Deutschland, BUKO (www.buko.info) sowie Texte, die einzelne Gruppen verfasst haben. dem Bundesausschuss Friedensratschlag eine Akti- Großdemonstration und Blockaden: Auf der Akti- onskonferenz in Rostock ausgerichtet. Daraus soll onskonferenz in Rostock wurde beschlossen, eine sich ein breites, linkes Aktionsbündnis entwickeln. gemeinsame Großdemonstration zu planen. Außer- Die nächste, international ausgerichtete Konferenz dem wird es Blockadeaktionen geben, die die Infra- findet im Herbst 2005 statt. struktur des G8-Gipfels behindern sollen (blocka- Außerdem existieren Arbeitsgruppen bei der [email protected] ). BUKO, attac, Umwelt- und entwicklungsbezogenen Antirepression: Selbsthilfe und Solidarität gegen NGO´s und der Linkspartei (u.a. in regionalen die wohlbekannten Übergriffe des Staates und sei- Initiativen und ihrer Jugendorganisation solid). Dort ner Organe ([email protected]). sind verschiedene Gegengipfel in Planung.

In Berlin gibt es ein Anti-G8-Büro. Bisherige Öffnungszeiten sind Dienstag bis Donnerstag Nachmittag. Telefonisch zu erreichen unter 030/ 4098 5406. Dort gibt es Informationen, Flugblätter, Plakate, T-Shirts etc.

www.gipfelsoli.org 92