2013/2014 ISSN 0341-0161 79 Jahresbericht 79 Jahresbericht

Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart

Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde Serie C zur Naturkunde Serie Stuttgarter Beiträge Jahresbericht Projekte und Aktionen 2013/2014

Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde Serie C Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart Schloss Rosenstein

1 Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart

Jahresbericht

Projekte und Aktionen 2013/2014

Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde

Serie C, Band 79, 2014 4 Editorial 6 Ausstellungen 2013 12 Sammlung 16 Forschung 36 Grabungen & Freilandforschung 42 Labore 43 Tagungen & Lehre 46 Wissenschaft populär 47 Museumspädagogik 48 Veranstaltungen 52 Leute 56 Förderer 59 Zu guter Letzt 60 Museum in Zahlen 62 Impressum

3 Editorial

„Bizarre Welten“ – Paläozoikum S. 7 „forever young“ – Präparationsausstellung S. 8 Burmesischer Bernstein S. 12 Brückenechsen-Kiefer S. 31

Liebe Leserinnen und Leser, Die Sonderausstellung „forever young“ Unsere diesjährigen Ergebnisse wurden in Exzellente Forschung braucht eine gute In- S. 8 gab Einblicke in die Vielfältigkeit und rund 150 Artikeln publiziert. An dieser Stelle frastruktur. In diesem Jahr konnten wir, dank viel Energie investierten wir in diesem Jahr in hohe Kunst der Präparation – gleichermaßen seien wenigstens die Funde aus Vellberg er- der Unterstützung des Ministeriums für Wis- die Schärfung unseres Forschungsprofils und wichtig für unsere Ausstellungen wie für die wähnt. Dort läuft eine unserer bedeutends- senschaft, Forschung und Kunst, unser Mo- die Stärkung der inneren Vernetzung – eine Qualitätsentwicklung unserer Sammlungen. ten langfristigen Forschungsgrabungen, die lekularlabor ausbauen S. 42. Für den jungen Empfehlung der Leibniz-Gemeinschaft, in der in der internationalen Forschergemeinschaft und nun stetig wachsenden Sammlungskom- zahlreiche außeruniversitäre Forschungsins- 150-180 Gastforscher arbeiten jedes Jahr immer wieder großes Aufsehen erregt. Zuletzt plex von DNA und Gewebeproben richteten titute zusammengeschlossen sind. bei uns – schon das zeigt die international gelang mithilfe eines Brückenechsen-Kiefers wir ein zentrales Tiefkühlmagazin mit auto- Unser Markenzeichen in der deutschen For- anerkannte Qualität unserer Sammlungen. der Nachweis, dass die Echsen mit ca. 240 matisierter Temperaturüberwachung ein. Wir schungslandschaft ist die intensive Verknüp- Wir haben uns deshalb um die Aufnahme als Millionen Jahren wesentlich früher entstan- vernachlässigen aber auch die klassischen fung von biologischer und paläontologischer Partner in das europäische Programm SYN- den als bisher angenommen S. 31. Sammlungen keineswegs: Im Schloss Rosen- Forschung. THESYS3 beworben und wurden aufgenom- stein wurde mit der Sanierung des Dachge- Unsere Ausstellungen bilden die Brücke zwi- men, nachdem eine Expertenkommission Mit der Universität Hohenheim verbindet uns schosses begonnen. Davon versprechen wir schen der Forschung und Ihnen, zwischen von unserer Sammlungsqualität und unserem bereits seit Jahren eine sehr gute Zusam- uns wesentliche Verbesserungen für die dort Wissenschaft und breiter Öffentlichkeit. Sammlungsmanagement tief beeindruckt war. menarbeit in Forschung, Lehre und Öffent- untergebrachte ornithologische Sammlung. Jetzt können sich junge Wissenschaftler um lichkeitsarbeit. Jetzt haben wir eine formelle Im Museum am Löwentor erweiterten wir un- die Finanzierung von Forschungsaufenthal- Kooperationsvereinbarung geschlossen – eine Liebe Leserinnen und Leser, ich hoffe, mei- sere Dauerausstellung um den neuen Bereich ten am Museum bewerben. klassische Win-win-Situation. Wir begeistern ne einleitenden Worte haben Ihnen Lust aufs "Erdaltertum", der Epoche, in der entschei- immer mehr Studenten für sammlungsbezo- Lesen gemacht. Ich wünsche Ihnen viel Spaß dende evolutionäre Entwicklungen wie der Auch in diesem Jahr verzeichnen wir bedeu- gene Forschungsprojekte. Und die Universi- und neue Erkenntnisse. Ich danke Ihnen für Übergang vom Wasser- zum Landleben und tende Sammlungszugänge. Nur ein Beispiel: tät Hohenheim profitiert in der Lehre durch Ihr Interesse und Ihre Unterstützung und in die Luft stattfanden S. 7. Dank der Unterstützung durch die Gesellschaft unsere wissenschaftliche Expertise, vor allem freue mich auf Ihre nächsten Besuche, Mit unserer weltweit einmaligen Sammlung zur Förderung des Naturkundemuseums er- auf dem Gebiet der Taxonomie. von Ichthyosauriern starteten wir die neue hielten wir wissenschaftlich hoch interes- Ihre Reihe „museum spezial“. Damit werden wir sante, 99 Millionen Jahre alte Insekten aus in den kommenden Jahren gezielt unsere burmesischem Bernstein S. 12. Die nächsten Sammlungen ins Rampenlicht rücken S. 9. Jahre werden spannende Forschungsergeb- nisse bringen!

4 5 Ausstellungen 2013

Die große Zeitreise im Museum am Löwentor begann bisher mit dem Erdmittelal- ter vor 250 Millionen Jahren. Jetzt erzählen wir auch die Vorgeschichte. Ein neuer Damit endet Ihre Reise durch das Erdalter- Wir sind sicher: Sie werden Ihre Reise ins Teil der Dauerausstellung zeigt Schlüsselereignisse der Evolution im Paläozoikum tum und Sie landen direkt in der Buntsand- Erdaltertum, die Zeit vor den Sauriern, nicht oder Erdaltertum. Bis zum Mai blühten im Schloss noch die Orchideen, im Oktober steinzeit, mit der das Erdmittelalter beginnt. bereuen! eröffneten wir mit „forever young“ eine Sonderausstellung, die sich der Kunst und den zahlreichen Facetten der Präparation widmete. Fischsaurier aus unserer weltbe- Die neue Dauerausstellung besticht durch Museum am Löwentor, ab 22.1.2013 eine Kombination von Fossilien und rekon- kannten Sammlung gab es zur Premiere des neu entwickelten Ausstellungsformats struierten Lebensräumen mit originalgetreuen E „museum spezial“, mit dem wir immer wieder Einblicke in Magazine und Forschung Modellen, die neueste Forschungsergebnisse Now the story is complete. The new perma- geben werden. widerspiegeln. Ein spannender interaktiver nent exhibition “Bizarre worlds” tells about Medientisch liefert den nötigen Hintergrund the time before the dinosaurs colonised the zu Klima, Plattentektonik, Lagerstätten, Fos- earth. Visitors to the Museum am Löwentor silien und Wissenschaft. can immerse themselves in exciting prehisto- Bizarre Welten – die Zeit vor den Sauriern ry – the Palaeozoic, the time when life on land first appeared. Die Ausstellung im Museum am Löwentor Präkambrium, Kambrium, Ordovizium, Silur, zeigt alles, was die weltberühmten Fossilla- Devon, Karbon und Perm. Jeder dieser Be- gerstätten Südwestdeutschlands hergeben griffe benennt eine ganze Ära. In unserer – vor den Augen der Besucher entfaltet sich neuen Ausstellung verbinden wir dies mit die Welt der Saurier des Erdmittelalters in al- den wichtigsten Schritten der Geschichte des len ihren Facetten. Was bisher gefehlt hat- Lebens: Sie erleben Evolution im Zeitraffer. te, war die Vorgeschichte. Denn die fossile Sie sind bei der „kambrischen Explosion“ Überlieferung hierzulande reicht kaum mehr dabei, der Entwicklung einer unglaublichen als 250 Millionen Jahre zurück. Vielfalt überwiegend kleiner Lebewesen im Meer. Viele von ihnen sehen äußerst bizarr aus, manche sogar eher wie „Minimonster“, und allesamt haben sie die Forscher lange vor schwer lösbare Rätsel gestellt. Sie erfahren, dass die Besiedelung des Landes ein relativ spätes Ereignis war und dass der Landgang der Pflanzen eine Voraussetzung für den der Tiere war. Im Devon erleben Sie in detailge- treuen Lebensräumen, wie sich aus Flossen die Arme und Beine der Landwirbeltiere ent- wickelten – der Start einer eindrucksvollen Die Vorgeschichte – das ist das Paläozoikum Erfolgsgeschichte. Später begegnen Sie im oder Erdaltertum, eine Zeit, in der sich das üppigen Wald der Karbonzeit den ersten rep- Leben auf der Erde entfaltete. In diese Zeit tilartigen Tieren, daneben Riesenlibellen und steigen die Besucher nun sofort ein, wenn gigantischen Tausendfüßern. Anschließend, sie die Ausstellung im Museum am Löwen- im beinahe wüstenartigen Perm, sieht die tor betreten. In einer kompakten, ebenso Tierwelt schon ein klein wenig vertrauter inhaltsreichen wie lebendigen Präsentati- aus. Die Vorfahren der Säugetiere spielten on geht es in fremde Welten ferner Zeiten: damals eine große Rolle.

6 7 forever young – WELT-Meisterwerke der Präparation

Ewige Jugend! Nicht mehr zu altern ist ein re Ansprüche haben Präparatoren, wenn sie wir sie zum Teil einer größeren Schau, die uralter Menschheitstraum. In der Sonderaus- für Ausstellungen möglichst lebensecht die das ganze Spektrum der zoologischen, bota- stellung "forever young" machten wir ihn Seele des Tieres einfangen. nischen und paläontologischen Präparation wahr, wenn auch nur partiell: Wir verspre- Genau darum geht es bei einer Weltmeister- für Wissenschaft und Ausstellung darstellte. chen ewige Haltbarkeit, nicht ewiges Leben. schaft. 130 Präparatoren aus 22 Ländern Die Kunst der Präparation hat viele Facetten. stellten sich mit über 400 Präparaten im Wir reagierten damit auch auf unser Publi- Steht die optimale Langzeitarchivierung für Jahr 2012 in Salzburg dem Urteil einer kri- kum, das sich immer sehr auch für die tech- die Forschung im Vordergrund, spielt die Äs- tischen Jury. Dabei wird schon mal die Ta- nischen Seiten hinter unseren Ausstellungen thetik eine untergeordnete Rolle. Ganz ande- schenlampe gezückt, um zu prüfen, ob auch interessiert. Keine Museumsführung, bei der das Innere einer Hirschnase noch naturge- nicht irgendwann die Frage fällt: „Ist das treu gestaltet ist. alles echt?“ Wer könnte diese Frage besser beantworten Präparatoren aus Deutschland – auch vom also die, die diese Dermoplastik, diese Ske- Museum in Stuttgart – errangen bei der WM lettmontage oder das Modell angefertigt ha- in mehreren Kategorien Weltmeistertitel. In ben? Beim umfangreichen Rahmenprogramm der Masterklasse "Best in the World" über- demonstrierten die Präparator/inn/en des Mu- zeugten sie mit neun von zwölf vergebenen seums in ihren Werkstätten, bei abendlichen WM-Medaillen besonders. Zu schade, solche Führungen und sonntäglichen Schaupräpa- herausragenden Präparate nur einem Fach- rationen ihr Können. Allein am Aktionstag E publikum zu zeigen! Die Ausstellung „WELT- Präparation am 16. Februar 2014 zählten wir The special exhibition “Forever young” show- Meisterwerke der Präparation“ machte sie allen 2700 Besucherinnen und Besucher. cased world masterpieces of preparation, zugänglich. Konzipiert wurde sie vom Natur- which were honoured during the world cham- kundemuseum Erfurt. In Stuttgart machten Schloss Rosenstein, ab 25.10.2013 pionship of preparation in Salzburg 2012.

8 9 im fokus sen Wunsch, so oder ähnlich immer wieder in unserem Gästebuch festgehalten, haben Ein Schaufenster in die aktuelle Forschung wir mit der neuen Afrika-Lounge jetzt erfüllt. Museum spezial – Fischsaurier am Museum: Alle zwei Monate bietet die Vi- Bei der Gestaltung haben wir uns durch ei- trine "im fokus" ein neues Thema. Im Jahr nen Blick aus den Fenstern des Raumes in- Unsere Sonderausstellungen spannen den Bo- 2013 ging es unter anderem um eine Weg- spirieren lassen: Er fällt auf den überdach- gen weit: Evolution, Klima, Sex, Orchideen Exemplar dem anderen. Jedes Fossil erzählt wespenart, die ihren Nachwuchs mit Rot- ten Innenhof des Schlosses mit dem großen – das waren die Themen der letzten Jahre. eine eigene Geschichte. Viele davon sind ganz rückenspinnen großzieht und dadurch zum Afrikanischen Elefantenbullen, auf Giraffe, Mit „Museum spezial“ starteten wir im Jahr neu: Die Fischsaurier stehen im Zentrum ak- natürlichen Gegenspieler dieser berüchtigten Nashorn und Kudu, alles Tiere der afrikani- 2013 parallel eine neue Reihe kleiner, feiner tueller Forschungen. australischen Gifstspinne wird. Ein Flugsau- schen Savannenlandschaften. Präsentationen, die auf einen Schwerpunkt Als "Geschichtenerzähler" führte Dr. Rainer rier landete direkt aus der Nusplinger For- Im Museum am Löwentor haben wir uns selbst fokussieren und mit besonders attraktiven, Schoch, der Saurierexperte des Museums, per schungsgrabung in der Vitrine. Und zum einen Wunsch erfüllt: Eine "Fußgängerbrü- sonst nicht gezeigten Stücken aus den Samm- Audioguide durch die Ausstellung. 100. Geburtstag von Willi Hennig S. 49 gab cke" verbindet jetzt Dauer- und Sonderaus- lungen auch den besonderen Flair der Maga- Ergänzt wurden die faszinierenden Fossilien es einen Einblick in Leben und Werk dieses stellungsfläche. Jetzt können unsere Besu- zine spüren lassen. durch das Modell einer Fischsauriergeburt – bedeutenden Biologen. cher ihre Zeitreise in der Gegenwart beenden, auch dieses Ereignis ist fossil belegt – und ohne das Erdmittelalter nochmals durchleben Den Anfang von „Museum spezial“ machten eine Computer-Animation dieser dramatischen zu müssen. Auch für künftige Sonderausstel- die Fischsaurier. Die auf den ersten Blick Szene aus dem Erdmittelalter. lungen gibt uns die Brücke mehr Flexibilität. großen Fischen oder Delfinen gleichenden Meeresechsen werden nirgends auf der Erde E Orchideen so zahlreich gefunden wie im Posidonienschie- There is a new series of small but mighty dis- E fer von Holzmaden. Das Stuttgarter Museum plays in addition to the special exhibitions: „Orchideen – Vielfalt durch Innovation": Bis 63543 visitors came to the special exhibi- verfügt deshalb über eine weltweit einma- “Museum spezial”. The series started in 2013 Ende Mai zog die Sonderausstellung zu die- tion “Orchids” in Schloss Rosenstein to ad- lige Sammlung glänzend erhaltener Stücke. with an exhibition of ichthyosaurs. About ser faszinierenden Pflanzenfamilie 63 543 mire these wonderful plants. The vitrine “in Etwa 30 von ihnen standen im Mittelpunkt 30 brilliantly preserved fossils and a model Besucher an. focus” provides a look at current research von „Museum spezial“. Dabei gleicht kein of the birth of an ichthyosaur were shown. at the museum, with changing topics every Schloss Rosenstein, 25.10.2012 bis 26.5.2013 two months. At Schloss Rosenstein, a long- expressed wish of museum guests became true: the Africa-Lounge. Visitors are welcome Brücke und Lounge to relax there with a wonderful view over the African savanna. At the Museum am Löwen- „Ein wunderbares Museum. Aber wir wün- tor, another wish came true: the permanent schen uns einen Platz im Schloss, an dem exhibition area is now linked to the special wir zwischendurch entspannen und vielleicht exhibition area via skyway. auch mal einen Kaffee trinken können.“ Die-

10 11 Sammlung

Bernsteine, Fossilien, Mineralien, Moose – die Sammlungen des Museums umfassen Objekte aus allen Bereichen der Natur. Als Grundlage für Forschung und Ausstellung werden sie laufend ausgebaut. Quantität ist dabei nicht das Ziel. Die Beispiele der nächsten Seiten zeigen: Jeder Sammlungszuwachs bringt einen neuen Impuls für unsere Forschung. Nicht weniger wichtig ist die sichere Unterbringung – schließlich bewahren wir für Generationen. Mit dem Aufbau einer Tiefkühlzentrale im Museum am Löwentor haben wir die Aufbewahrung der sensiblen DNA- und Gewebesamm- lung des Museums optimiert.

Bernstein aus Myanmar 2 mm Die berühmte Bernsteinsammlung wird seit Das Besondere an dieser Fundstelle: Unmit- Jahrzehnten konsequent aufgebaut und wei- telbar unterhalb und oberhalb der bernstein- terentwickelt. Die exquisite Erhaltung der führenden Sedimente wurden vulkanische führte dazu, dass beide Gruppen extrem ar- – Erstnachweis eines wasserlebenden Tau- einmaligen Stücke ist eine wichtige Grund- Aschen abgelagert. Solche Schichten lassen tenreich und vielfältig wurden. melkäfers. lage unserer Forschungsarbeiten zur Stam- sich mittels Isotopenuntersuchung von Zir- Die drei Sammlungen umfassen insgesamt – Erstnachweis der Ordnung der Steinfliegen. mesgeschichte der Insekten. konkristallen sehr genau datieren. Danach ist 83 Stücke, jedes einzelne von ihnen von so – Erster Nachweis der Insektenordnung Man- Im Jahr 2013 konnten wir, vor allem durch der Bernstein 99 Millionen Jahre alt, stammt außerordentlichem wissenschaftlichen Wert, tophasmatodea (Gladiatoren) für den Burma- die großzügige Unterstützung der Gesellschaft also aus der unteren Kreidezeit. Das war eine dass es bei der "Arbeitsgruppe Burma-Bern- Bernstein. zur Förderung des Naturkundemuseums, drei besonders spannende Phase in der Evolution stein" helle Begeisterung hervorrief. Diese – Drei neue Libellengattungen. bedeutende Sammlungen von Insektenein- der Insekten, geprägt durch den Beginn ei- besteht aus dem Paläoentomologen Dr. Günter – Zwei neue Heuschreckenfamilien. Dabei schlüssen in Burmesischem Bernstein erwer- ner wunderbaren Beziehung: Die gemeinsame Bechly (Bernstein und fossile Libellen) und ist auch eine grillenähnliche Heuschrecke, ben. Der Fundort liegt im gebirgigen Norden Evolution (Ko-Evolution) zwischen Blüten- den beiden Entomologen Dr. Arnold Stani- die Raubbeine hat wie eine Gottesanbeterin des südostasiatischen Staates Myanmar, frü- pflanzen und Insekten kam ins Rollen und czek (Wasserinsekten) und Dr. Lars Krog- – eine Anpassung, die von keiner der zahl- her Burma oder Birma genannt. mann (parasitoide Wespen), die wiederum reichen heute noch lebenden Heuschrecken- in zahlreiche internationalen Kooperationen arten bekannt ist. eingebunden sind. – Einzigartige Sammlung von 23 parasito- iden Wespen, mit zahlreichen neuen Gat- Einige Kostproben? tungen und Arten. – Ein Netzflügler aus der Familie Dilaridae, der erste Nachweis dieser Tiergruppe für das Erdmittelalter und zudem überhaupt erst der zweite Fossilnachweis. Die gefiederten Fühler E zeigen, dass es sich um ein Männchen han- We expanded our famous amber collection by delt und belegen auch, dass Männchen die the acquisition of three important collections Weibchen schon vor 100 Millionen Jahre über from Myanmar. The 99 million-year-old weite Entfernungen mittels Lockduftstoffen inclusions provide many first occurrences of (Pheromonen) aufspürten. important species. The collection dates back – Erste Landassel aus dem Erdmittelalter. to the , when the coevolution of – Zweiter mesozoischer Nachweis eines Spin- flowering plants and began. nenläufers (Scutigeridae).

12 13 Mineralien

Die Mineraliensammlung des Museums um- fasst weit über 30 000 Objekte, die teils nach Fundkomplexen, teils systematisch geordnet sind. Für Besucher zugänglich ist dieser Teil unserer Sammlungen allenfalls an Tagen der offenen Tür. An einem solchen kam Ursula Möder (Stuttgart) mit dem Betreuer der Mi- neraliensammlung, Dipl.-Min. Franz Xaver Schmidt, ins Gespräch. Das gab den Aus- Moosherbar Reimann schlag zur Stiftung ihrer im Lauf von über 20 Jahren aufgebauten Mineraliensamm- Ein Kenner der heimischen Moose, wie es nur Libelle lung. Die etwa 200 Stücke wurden zwar ur- wenige gibt: Markus Reimann sammelt Moose, sprünglich nicht nach wissenschaftlichen seit er vierzehn ist. Legendär ist sein schar- Libellen sind eine besonders alte Insek- Kriterien zusammengetragen, ergänzen die fer Blick, mit dem er kleinste Arten nicht nur tengruppe, das heißt: Sie sind bereits sehr systematische Sammlung aber ausgezeich- findet, sondern bereits im Gelände bestimmt früh in der Evolution der Insekten entstan- net. Im Fokus der Sammlerin standen unter – andere brauchen dazu wenigsten eine Lupe, den. 150 Millionen Jahre alt ist dieses Fos- anderem interessante Vergesellschaftungen oft sogar ein Mikroskop. In den dunkelsten sil einer vollständig erhaltenen Libelle aus von Mineralien (Paragenesen). Das macht Ecken von Schwarzwald-Halbhöhlen wachsen der Oberjura-Zeit, gefunden im Solnhofener die gestifteten Kristalle auch zu exquisiten zum Beispiel die kaum einen Millimeter ho- Plattenkalk in Bayern. Interessante Einzel- Ausstellungsstücken. hen Vierzahnmoose (Tetrodontium). Sie un- stücke wie dieses erwerben wir dann, wenn terscheiden sich an der Form der noch viel sie die bestehende Sammlung hervorragend E kleineren Blätter des Vorkeims. Weltweit gibt ergänzen und unmittelbaren Bezug zu unserer The museum’s collection of minerals compri- es drei Arten. Zwei davon galten bei uns als Tiefkühlzentrale Forschung haben. Bei Dr. Günter Bechly ist ses more than 30000 samples and has now extrem selten, eine davon gar als verschol- die Libelle an der richtigen Stelle gelandet. increased thanks to the donation of Mrs. len – bis Markus Reimann sie an mehreren In vergangenen Zeiten waren Tiefkühltruhen Der (Paläo-)Entomologe erforscht die Früh- Möder from Stuttgart. She collected about Stellen nachweisen konnte. überwiegend Durchgangsstationen für unprä- geschichte der ursprünglichen Insekten seit 200 minerals over 20 years. Das über 3100 Belege aus Baden-Württem- pariertes Material oder wurden zur giftlosen Jahren und beschreibt anhand des Fossils berg umfassende Herbar Reimann ergänzt die Bekämpfung von Sammlungsschädlingen ein- nun eine neue Gattung und Art der mesozo- Sammlung des Museums hervorragend. Das gesetzt. Mit dem Aufbau von DNA- und Ge- ischen Libellenfamilie Stenophlebiidae. Vier meiste Material ist so frisch, dass es auch webesammlungen steigen die Anforderungen verschiedene Arten der verwandten Gattung für den "German Barcode of Life" S. 16 ge- an die Betriebssicherheit. Dem Ausfall einer Stenophlebia waren von dieser Fundstelle netisch analysiert werden kann. Kühlanlage kann die Arbeit von Jahren zum schon bekannt. Opfer fallen. E Um dieses Risiko zu minimieren, werden jetzt The Herbarium Reimann is an exceptional die Kühlanlagen aller Sammlungen in drei E acquisition for the museum. The collection Räumen im Untergeschoss des Museums am A completely preserved 150 million-year-old contains over 3100 samples from Baden- Löwentor zentralisiert. dragonfly was found in the Solnhofen lime- Württemberg, including very rare and tiny stone and was acquired to complement our moss species. Mosses have fascinated Mar- E collection. The paleoentomologist Dr. Günter kus Reimann since he was fourteen years old, The Museum am Löwentor now is equipped Bechly is working on the description of a new and he was able to find a lost species of Te- with a central freezer system to ensure the genus and species based on this specimen. trodontium from the Black Forest. optimal preservation of all collections.

14 15 Forschung

Etwa 120 Forschungsprojekte laufen derzeit am Museum – die folgenden Seiten ent- halten eine repräsentative Auswahl. So verschieden die Themen auf den ersten Blick scheinen, so konsequent stehen sie alle in Zusammenhang mit unseren wichtigsten Zielen: Der Erfassung (und Ordnung) des Lebens heute und in vergangenen Erdzeit- altern, der Evolution von Organismen und Lebensräumen.

German Barcode of Life

Amsel oder Spatz? Manche Arten lassen sich Mithilfe von kurzen DNA-Abschnitten, den auf den ersten Blick erkennen. Bei ande- sogenannten DNA-Barcodes, können Arten ren ist eine exakte Bestimmung wesentlich schneller und sicherer identifiziert werden. schwieriger oder gar nur dem Spezialisten Ziel des GBOL-Projektes ist der Aufbau ei- möglich. Von denen allerdings gibt es im- ner DNA-Barcode-Bibliothek des Lebens, in mer weniger – und das in einer Zeit, in der der alle in Deutschland vorkommenden Ar- der enorme wirtschaftliche, ökologische und ten vertreten sind. Das Museum in Stuttgart ideele Wert der Artenvielfalt zunehmend er- übernimmt in diesem Projekt das Barcoding kannt wird. Der Erhalt der Biodiversität ist der Erzwespen und der Spinnentiere. Bisher eine der großen gesellschaftlichen Aufgaben sind schon fast 1000 Arten auf diese Wei- wespe legt ihre Eier an einer seltenen Pflanze inzwischen Suchlisten und Fundprämien. Wir der Gegenwart und Zukunft. se erfasst. Dazu sind Dr. Lars Krogmann und ab. Wenn die Larven schlüpfen, klettern sie hoffen, dass sich viele Artenkenner an der Tanja Kothe für die Erzwespen und Dr. Joa- auf vorbeikommende Ameisen und lassen sich Spinnenjagd beteiligen, damit wir die ange- Um die Erfassung der noch unbekannten Bio- chim Holstein für die Spinnen in Deutsch- von ihnen ins Nest tragen. Dort parasitieren strebte Vollständigkeit erreichen. diversität zu beschleunigen und damit auch land unterwegs, mit einem Schwerpunkt auf sie die Ameisenbrut. eine wichtige Grundlagen für politisches Han- Baden-Württemberg. Viele Arten konnten bei Mit dieser Geschichte schaffte es die Amei- deln zu schaffen, haben sich die professio- dieser gezielten Suche erstmals in Deutsch- sen-Erzwespe, in die lokale Presse zu kom- E nellen Artenkenner Deutschlands zu einem land nachgewiesen werden, ja, es gelang so- men, die über den interessanten Fund in The aim of the GBOL-project is to generate Netzwerk zusammengeschlossen: GBOL - Ger- gar, neue, also bisher noch völlig unbekannte einem Streuobstgebiet am Schönbuchrand DNA barcodes for every species in Germany. man Barcode of Life. Federführend sind dabei Arten zu entdecken. bei Mönchberg nahe Herrenberg berichtete. The museum is responsible for the barcoding die großen deutschen Forschungsmuseen, Zukünftig sollen dort die Streuobstwiesen et- of chalcid wasps and arachnids. 600 species an denen das Gros der Spezialisten arbeitet. Dr. Lars Krogmann konnte auch die Erzwes- was später im Jahr gemäht werden, um die of spiders and 1000 species of chalcid wasps penfamilie Eucharitidae erstmals in Baden- Gelege der Erzwespen zu verschonen – damit have already been recorded, including previ- Württemberg nachweisen: Die Ameisen-Erz- mündet die Grundlagenforschung umgehend ously unknown species. in die Praxis des Naturschutzes.

Von den etwas über 1000 Spinnenarten, die in Deutschland nachgewiesen sind, haben wir inzwischen rund 600 Arten in GBOL bearbeitet. Ihre Barcodes sind ermittelt, die Sequenzen in der GBOL-Datenbank hinterlegt. Viele der noch ausstehenden Arten wurden sehr selten gefunden, einige nur ein einziges Mal. Es wird also zusehends schwieriger, Exemplare für die Untersuchungen zu erhalten. Deshalb gibt es

16 17 Mehrere Arten und Gattungen einer anderen Tenebrioniden-Gruppe (Cossyphodini) leben in den Abfallkammern von Ameisennestern. Diese haben eine andere Strategie entwickelt, um nicht aus den Nestern vertrieben zu wer- den: Sie betreiben keinen Tauschhandel wie die Rhyzodina-Arten, sondern machen sich unangreifbar. Die winzigen, nur 2-3 mm lan- gen Käfer sind flach linsenförmig. Ihre kurzen Beine und Fühler können an der Unterseite in Gruben verborgen werden. So entsteht 1 mm eine völlig glatte Oberfläche, die den Amei- Käfer als Untermieter sen keinerlei Angriffsmöglichkeiten bietet („Trutz-Typ“). Mit über 20 000 bekannten Arten sind die viel Nahrung zur Verfügung steht, stellen Schwarzkäfer oder Tenebrionidae eine der ar- sie eine bedeutende Nahrungsressource für tenreichsten und vielfältigsten Käferfamilien. viele andere Insekten dar. In abgestorbenen Sie stehen seit langem im Fokus des Käfer- Termitennestern hat man Pilzkörper von bis spezialisten Dr. Wolfgang Schawaller, der sich zu 50 kg gefunden, an denen sich Tausen- in den letzten Jahren vor allem auf die Bio- de verschiedener erwachsener Insekten und diversität in Afrika und Asien konzentriert deren Larven gütlich taten. hat. Sowohl bei zahlreichen, manchmal auch Zu solchen Termitengästen gehört auch die ziemlich strapaziösen Sammelexkursionen im Schwarzkäfer-Gattung Rhyzodina mit sechs Freiland als auch in den Sammlungen der bislang bekannten Arten, alle von etwa 10 Museen hat er dabei bereits zahlreiche neue mm Körperlänge. Diese haben eigentümlich Arten entdeckt. Mit zusammenfassenden Ar- geformte Antennen, an denen auffällig gold- beiten bringt er Stück für Stück Ordnung in gelbe Haare stehen. Damit zahlen sie ihre die Systematik der Schwarzkäfer – eine der Miete: An diesen Haaren bieten sie Sekrete wichtigsten Grundlagen für alle weiterge- an, die von den Termiten aufgeleckt wer- henden Arbeiten zur Biodiversität und Öko- den. Deshalb werden die Käfer im Termiten- logie von Lebensräumen. bau geduldet. Jetzt hat Wolfgang Schawaller zwei biologisch besonders interessante Gruppen aus Afrika bearbeitet. Beide haben eine sehr spezielle E Lebensweise: Sie kommen in Ameisen- und The beetle specialist Dr. Wolfgang Schawaller Termitennestern vor. Eigentlich ein gefähr- worked with two biologically very interesting liches Terrain, denn Ameisen und Termiten darkling beetle groups from Africa: Rhyzo- können sich gegen unerwünschte Eindring- dina and Cossyphodini. These groups live in linge sehr effektiv zur Wehr setzen. Aber die termite and ant nests and evolved special Abfallkammern von Ameisen und die Pilzgär- adaptive strategies to survive in this hostile ten, die Termiten für ihre eigene Versorgung environment. The Rhyzodina group provides in ihren Nestern anlegen, sind eben auch secretions to placate the termites. The Cossy- höchst attraktiv. Besonders in trockenen phodini group has very smooth surfaces to Wüstengebieten, in denen oberirdisch nicht deflect attacks by ants.

18 19 geln, die nur zusammengeklappt, aber nicht Käfer-Parfüm flach über den Leib gelegt werden können. Aber Systematiker wollen mehr als nur eine Pheromonfallen: Wer schon ein Problem mit Idolus, die in Europa vorwiegend in felsigen Libelle als solche erkennen. Sie gruppieren Kleider- oder Lebensmittelmotten hatte, kennt Gegenden von den Pyrenäen bis zum Kauka- sehr nahe verwandte Arten zu Gattungen sie vermutlich. Sie locken die unerwünsch- sus vorkommt. und diese wiederum zu Familien innerhalb ten Mitbewohner ganz spezifisch an. Was wir Obwohl die Käfer sehr variabel sind, wurden der Ordnung der Libellen. Dieses System darf uns dabei zunutze machen, sind chemische sie bisher einer einzigen Art zugeordnet, Ido- nicht willkürlich nach Ähnlichkeit ordnen, Substanzen, die von einem Insekt abgege- lus picipennis. Christian König konnte jetzt sondern soll die Evolution widerspiegeln. ben werden, um einen Paarungspartner zu zeigen, dass sich dahinter in Baden-Württ- Die Abstammung von einem gemeinsamen gewinnen. Damit auch wirklich nur das andere emberg mindestens zwei Arten verstecken. Vorfahren entscheidet, wer in eine Gattung Geschlecht der eigenen Art angelockt wird, Die weiblichen Tiere produzieren nämlich oder eine Familie gehört und wer nicht. Das sind solche "Parfüme" streng artspezifisch. unterschiedliche Pheromone und die artei- ist uns eigentlich vertraut: Nahe Verwandt- In der Arbeitsgruppe Tierökologie an der genen Männchen lassen sich auch nur mit schaft, nicht äußere Ähnlichkeit, kennzeich- Universität Hohenheim um Dr. Till Tolasch diesen chemischen Substanzen anlocken. So net die Mitglieder einer Familie. Nahe Ver- und Prof. Dr. Johannes Steidle werden sol- kommt es auch in Gebieten, in denen bei- wandtschaft führt zwar oft zu Ähnlichkeit, che Pheromonwirkungen analysiert. In den de Arten gleichzeitig vorkommen, zu keiner aber eben nicht immer. letzten Jahren standen dabei Schnellkäfer Vermischung. Im Einzelfall sind solche Verwandtschafts- (Elateridae) im Fokus. Auf den Rücken ge- fragen nicht immer leicht zu lösen. Immer- fallene Käfer dieser Familie schnellen sich In Gruppen, die sich äußerlich kaum oder hin hatten es die Libellenforscher mit 5952 mit deutlichem Klicken in die Höhe – da- gar nicht unterscheiden lassen, hilft die Zu- Arten zu tun, die sie schließlich auf der her der Name. sammensetzung der Pheromone also bei der Grundlage morphologischer Merkmale und In Kooperation mit der Universität Hohen- Enttarnung kryptischer Arten – ein wichtiger molekularer Daten in 652 Gattungen und 30 heim untersucht der Biologe Christian Kö- Beitrag zur Lösung der umfassenden Frage, Ordnung bei Libellen Familien gruppierten – eine wichtige Basis nig am Museum die Schnellkäfergattung wieviele Arten es überhaupt gibt. für alle weiteren Forschungen über die fas- Manchmal muss man Ordnung schaffen und zinierenden Flugkünstler. E den Stand der Wissenschaft zusammenfas- Chemical communication is widely used sen: Das haben nun 19 der weltweit führen- in insects. Sex pheromones are used to den Experten unternommen, die sich mit der attract mating partners from the own Systematik der Libellen beschäftigen. Dazu species. The specificity of these chemicals gehört auch Dr. Günter Bechly vom Museum E is used as a taxonomic character in the für Naturkunde Stuttgart. Now there is an order within the dragon- genus Idolus (Elateridae). flies. The world’s leading experts, including Eine Libelle zu erkennen, ist nicht schwie- Dr. Günter Bechly from the Stuttgart State rig. Sie hat riesige Augen und einen langen Museum of Natural History, grouped 5952 schmalen Hinterleib. Ihr Flugapparat besteht species into genera and families using mor- aus vier extrem leistungsfähigen, starren Flü- phological and molecular data.

20 21 Ausgestorben! Papageien in Stuttgart

Im Fokus von Dr. Ira Richling, der Mollus- Der kleine Archipel der Gambierinseln liegt Neozoen – vom Menschen eingeschleppte kenexpertin des Museums, stehen die Land- am östlichen Ende von Französisch-Polyne- Tierarten – werden meist kritisch beäugt: schnecken der pazifischen Inselwelt. Inseln sien im Südpazifik. Von den insgesamt nur Konkurrieren sie mit einheimischen Arten? sind Laboratorien der Evolution. Isoliert vom 26 km2 großen Inseln war bis 1997 lediglich Besteht die Gefahr der Verdrängung? Welches Festland entwickelt sich hier eine ganze ei- eine Helicinidenart bekannt. Ira Richling Ausbreitungspotential haben sie? Wie fügen gene Flora und Fauna. Typisch sind „Radiati- und Philippe Bouchet beschrieben nun neun sie sich in die Ökosysteme ein? onen“: Die Entwicklung einer ganzen Vielfalt weitere Arten als neu für die Wissenschaft. Seit 1984 leben Gelbkopf-Amazonen in Stutt- von Arten aus einer Stammart. Von acht dieser Arten waren ebenso wie von gart, gut taubengroße Papageien, die weni- Eine solche Radiation von Landschnecken der ursprünglich einzigen bekannten Art nur ger durch ihr farbenprächtiges Gefieder als der Familie Helicinidae haben Ira Richling noch leere Gehäuse zu finden. Nicht besser durch ihr durchdringendes Krächzen auf sich und Philippe Bouchet vom Muséum National erging es den Landschnecken anderer Fami- aufmerksam machen. Maximal wurden bisher d'Histoire Naturelle in Paris auf den Gam- lien. Von ursprünglich mindestens 46 Arten 48 Vögel gezählt. bierinseln entdeckt. Aber leider: Sie kamen überlebten ganze drei! Wovon ernähren sich die Papageien, die hier zu spät! Neun der zehn heimischen Schne- Alle Indizien sprechen dafür, dass die nahe- eine ganz andere Flora vorfinden als in ihrer ckenarten waren bereits ausgestorben, als zu vollständige Vernichtung der Lebensräu- südamerikanischen Heimat? Das untersuchten Bouchet die Insel im Jahr 1997 besuchte. me auf diesen winzigen Inseln nach Ankunft Johanne Martens (Universität Hohenheim) der Europäer die Ursache dieses massiven und Dr. Friederike Woog vom Museum. Artensterbens ist. Die Amazonen erwiesen sich als nicht sehr Die Geschichte der Landschnecken der Gam- wählerisch. 64 verschiedene Pflanzenarten bierinseln ist kein Einzelfall: Überall auf der aus 23 Familien stehen auf ihrem Speisezet- Nadeln und Samen von Eiben. Die farbenfro- Welt sind Inselfaunen besonders gefährdet. tel. 37 der genutzten Arten sind heimisch, hen Vögel nutzen damit viele Pflanzen oder 27 stammen selbst aus fernen Ländern. Das Pflanzenteile, die unsere heimischen Vogel- E spiegelt den Lebensraum der Papageien wi- arten verschmähen. Land snails have had a hard life after the der, die sich überwiegend in den städtischen Europeans colonised the Gambier Islands – Parks aufhalten, in denen viele exotische only three of at least 46 original species sur- Bäume und Sträucher wachsen. vived. Dr. Ira Richling from the museum and Kräuter interessieren die Amazonen nicht. Zur E Prof. Dr. Philippe Bouchet described eight Nahrungsssuche sind sie fast ausschließlich For naturalised Amazon Parrots in the city of previously unknown extinct land snail spe- in Bäumen und größeren Sträuchern unter- Stuttgart, food resources seem to be widely cies using only the shells. However, they also wegs und nur manchmal auch auf dem Bo- available. We found a total of 64 plant taxa identified one new living species. den, um heruntergefallene Früchte zu fressen. from 23 plant families in their diet. With Mit ihren starken, scharfen Schnäbeln und 37 species native plants dominated, but 27 geschickten Greiffüßen erschließen sie sich exotic tree and scrub species were also used. Nahrungsquellen wie Rinde, junge Sprosse, Food does not seem to be a limiting factor Blüten- und Blattknospen, Blüten, Samen for this small population. und Früchte. Sie können sogar die Kerne von Pflaumen und Kirschen knacken, um an das Innere zu kommen. Die Papageien fressen oft bittere, unreife Früchte und auch (für den Menschen giftige) Pflanzenteile, wie die

22 23 Fälblinge Alten Moosen auf der Spur

Wie viele Arten? Die Frage ist einfach, die Manche Organismen sind streng konserva- werden; allerdings braucht man dazu ein Anwort unmöglich. tiv: Sie durchlaufen eine extrem langsame Mikroskop. Ganz egal, ob man sich Tiere, Pflanzen oder, Evolution und bleiben lange Zeit mehr oder Neue Erkenntnisse auch zur Verbreitung: Zum wie Dr. Ursula Eberhardt, die Pilze vornimmt: weniger unverändert. Dazu zählen zum Bei- Beispiel gibt es eine äußerlich nicht unter- Überall existiert eine große Dunkelziffer unbe- spiel die Beckenmoose (Pellia), einfach ge- scheidbare genetische Varietät des Salat- kannter Arten. Auf unbeschriebene Pilzarten baute Lebermoose, die "Lager" bilden, also mooses, die ein anderes Verbreitungsgebiet kann man selbst bei uns bei einem harmlosen nicht in Stängel und Blätter gegliedert sind. hat. Und ein von dem Moosforscher Alfons Sonntagsspaziergang im Wald stoßen, im Vor- Sie besiedeln feuchten bis nassen Boden in Schäfer-Verwimp an einer Schiffsanlegestelle garten oder sogar im eigenen Badezimmer. Gewässernähe – Pionierstandorte, an denen des sibirischen Flusses Lena gesammeltes Zuordnungen und Mehrfachbeschreibungen bevorzugt ursprüngliche Pflanzenarten wach- Beckenmoos erwies sich als Pellia megaspo- Nach vorsichtigen Schätzungen gibt es welt- ein und derselben Art. Auf der anderen Sei- sen, die nicht besonders konkurrenzfähig sind. ra, eine Art, die bisher nur aus dem Osten weit 1,2 Millionen Pilzarten – damit würden te wurden doch zahlreiche neue Fälblingsar- der USA bekannt war. Martin Nebel, Nicole sie die Pflanzen (zu denen sie nicht gehören) ten gefunden, die zuvor übersehen oder mit Reliktgruppen wie die Beckenmoose sind Schütz und Dietmar Quandt konnten die Art bei weitem übertreffen. Von diesen Pilzarten anderen Arten verwechselt worden waren. oft artenarm. Insgesamt sind nur acht Ar- nun auch im Westen des Landes nachweisen sind aber erst ungefähr 1 % beschrieben. Um sicher zu sein, was sich wirklich hinter ten beschrieben. Obwohl sie schon seit län- und vermuten, dass es über Alaska Verbin- Selbst bei den Großpilzen, die mit bloßem jedem Artnamen verbirgt, müssen alle Ty- gerer Zeit Ziel intensiver Forschung sind, sind dungen nach Sibirien gibt – zu untermauern Auge erkennbare Fruchtkörper bilden, gibt pen untersucht werden, also die in Museen viele Fragen zur Lebensweise und Evolution ist diese Vermutung aber erst mit weiteren es noch viel zu entdecken. Eine dieser Pilz- (im Fall der Pilze auch Bibliotheken) aufbe- noch ungeklärt. Sammlungsbelegen. gruppen sind die Fälblinge (Gattung Hebelo- wahrten Eichstücke, die jede Art verbindlich Bei der Untersuchung der Erbsubstanz der ma), die von Prof. Dr. Henry Beker (Brüssel) definieren. Pellia-Arten machten Dr. Martin Nebel und E und Dr. Ursula Eberhardt erforscht werden. Erst darauf aufbauend können überflüssig Dr. Nicole Schütz vom Naturkundemuseum Pellia, thallose liverworts, are plants colo- gewordene Namen aus dem Verkehr gezo- Stuttgart und Prof. Dietmar Quandt von der nising pioneer sites. This old moss group Die Fälblinge, für den Menschen giftig, leben gen und neue Arten beschrieben werden. Universität Bonn eine erstaunliche Entde- consists of only eight species, and despi- mit Bäumen (auch kleinen, wie den Zwergwei- Ziel des Projekts ist eine Gesamtdarstellung ckung: Trotz ihres sehr ähnlichen Aussehens te intensive research little is known about den auf dem Bild oben) und einigen anderen der Fälblinge Europas. Erst wenn alle Arten unterscheiden sich die Arten genetisch ganz them. Surprisingly, the almost identical loo- Pflanzen in Symbiose, also einer gegensei- zuverlässig bestimmbar sind, können wir erheblich. Für die Arten aus der Verwandt- king Pellia species differ enormously in their tigen Abhängigkeit zu beiderseitigem Vorteil. Aussagen über ihre Verbreitungs- und Ent- schaft des Salatmooses (Pellia endiviifolia) genetic make-up. New insights to the distri- Im Hebeloma-Projekt werden klassische und wicklungsgeschichte, Lebensbedingungen wurde daraufhin eine neue Gattung aufge- bution of the species can be expected based neue Untersuchungsmethoden kombiniert – und Wirtspflanzen machen. stellt. Diese kann auch anatomisch erkannt on these findings. das ist inzwischen Standard für zahlreiche Ansätze bei der Beschreibung und Erfassung von Biodiversität. Die vergleichende Analyse des Erbguts liefert wertvolle Daten, gleichwohl E sind die lichtmikroskopischen Merkmale für Fungal species of the genus Hebeloma (i.e. die Pilzbestimmung nach wie vor unerlässlich. poison pie) are generally considered to be difficult to identify. Species limits are often Aus Europa sind mehr als 250 Fälblingsarten unclear. Aided by classical and DNA based beschrieben. Das sind mehr als dreimal so methods, Henry Beker (Bruxelles) and Ursula viele, wie es nach den Ergebnissen des He- Eberhardt (Staatliches Museum für Naturkun- beloma-Projekts tatsächlich gibt. Zustande de Stuttgart) are working on a monograph kommen solche Abweichungen durch falsche of the genus in Europe.

24 25 Klappertopf oder Klappertöpfe? Teufelskrallen können kugelige und langge- streckte Blütenstände haben. Danach teil- Der Zottige Klappertopf (Rhinanthus alec- R. Blattner und Dr. Mike Thiv. Sie vermaßen ten Botaniker bereits vor über 100 Jahren torolophus) ist eine weit verbreitete und 798 Pflanzen aus 39 Populationen, die über die Gattung in zwei Verwandtschaftsgrup- häufige Art unserer Wiesen. Als Halbparasit ganz Baden-Württemberg verstreut waren, pen ein – eine Klassifikation, die durch neue zapft er die Wasserleitungsbahnen im Wur- und gewannen von 187 dieser Pflanzen zu- genetischen Untersuchungen am Museum in zelbereich anderer krautiger Pflanzen und sätzlich genetische Daten. Das Ergebnis: Nach Stuttgart und der Universität Wien weitge- von Gräsern an. der Wuchsform ließen sich drei verschiedene hend bestätigt wurde. Die Arbeitsgruppe ana- Auffällig ist sein Saisondimorphismus: Im Unterarten des Zottigen Klappertopfs unter- lysierte für diese Studie Proben sämtlicher Frühjahr wächst er oft unverzweigt, im Herbst scheiden; eine eindeutige Zuordnung war aber 24 Phyteuma-Arten. Im Einzelnen erwies sich wird er höher und zeigt mehr Internodien. nicht für jedes Individuum möglich. Die ge- die in den Genen festgeschriebene Evoluti- Diese Beobachtung führte zur Beschreibung netischen Daten spiegelten diese Unterarten onsgeschichte der Teufelskrallen als reichlich von "saisonalen Unterarten" und Ökotypen. oder Ökotypen nicht wider, sondern ließen kompliziert. Sie ist geprägt von Habitatän- Schweizer Forscher hatten herausgefunden, eher auf eine engere Verwandtschaft geogra- derungen einschließlich eines Wechsels der dass die jahreszeitlichen Unterschiede in der fisch benachbarter Populationen schließen. Höhenlagen und des Untergrundes. Chromo- Wuchsform auch mit unterschiedlichen Wirt- Die praktische Konsequenz aus der Erkenntnis, somenmutationen, geografische Trennung schaftsformen zusammenhängen, insbeson- dass Wuchsform und Genetik keine überein- und ökologische Differenzierung trugen zur dere verschiedenen Mähzeiten. Aussaatexpe- stimmende Aussage liefern: Für die Kartierer Artbildung bei. rimente bestätigten, dass die Ökotypen des bleibt es bei einem Zottigen Klappertopf. Zottigen Klappertopfs wohl eine genetische Grundlage haben. E Damit stellte sich für die Botaniker des Mu- The evolutionary basis of seasonal ecoty- seums für Naturkunde Stuttgart eine ganze pic variation was studied. Populations of konkrete Frage: Wie sollten sie bei der Floris- Rhinanthus alectorolophus were analysed. Teufelskrallen tischen Kartierung des Landes Baden-Württ- The morphological variation is mostly emberg (www.flora.naturkundemuseum-bw.de) continuous and confirms the intraspecific Aus der Sicht der Pflanzen ist Europa ein verfahren? Gibt es einen Zottigen Klappertopf classification only to a certain extent. ziemlich unbedeutender Kontinent. Wäh- oder sollen Ökotypen separat erfasst werden? The genetic data revealed 3 main clusters rend andere Erdteile über zahlreiche Gat- Das war der Ansatz für eine Untersuchung von which are geographically structured. Con- tungen verfügen, die nur dort vorkommen Dr. Thekla Pleines, Dr. Korinna Esfeld, Dr. Frank sequently, it is recommended to resign the (also endemisch sind), fehlt es Europa weit- use of subspecies. gehend an derlei Exklusivität. Es gibt nur wenige Pflanzengattungen, die auf Europa beschränkt sind. Eine solche pflanzengeo- grafische Besonderheit ist die Gattung der Teufelskrallen (Phyteuma). Mit 24 Arten ist sie die größte endemische Gattung in Euro- pa; lediglich eine Art erreicht auch das At- E lasgebirge in Nordafrika. Rampion (Phyteuma) is one of the rare plant Teufelskrallen haben eine hohe ökologische genera endemic to Europe. The genus compri- Bandbreite. Es gibt Arten, die in Tieflandwäl- ses 24 species with a biodiversity hotspot in dern wachsen und solche, die alpine Matten alpine regions. New genetic data of all spe- besiedeln. Die größte Artenvielfalt weisen cies, analysed at the museum, largely confirm die Hochgebirge auf. the 100-year-old classification of Phyteuma.

26 27 2 mm

Denkbar ist ein Wechsel in den ökologischen Am schlüssigsten erscheint Arnold Staniczek Kälteliebende Insekten im subtropischen Bernsteinwald? Ansprüchen dieser Insekten: Früher wärme- und Roman Godunko aber die dritte Möglich- liebend, könnten sie sich allesamt an käl- keit: Gebirge. Hohe Berge sind Kälteinseln – Im Bernsteinwald, der vor 40-28 Millionen Dabei stießen sie auf Formen, die ganz und tere Klimate angepasst haben. Darauf fanden selbst der Kilimandscharo trägt eine Eiskappe, Jahren – im Eozän und Oligozän – in Nord- gar nicht zu den gängigen Klimatheorien die Wissenschaftler aufgrund des ähnlichen obwohl er nahe am Äquator in den Himmel europa wuchs, herrschte subtropisches Kli- passten. Eingeschlossen im baltischen Bern- Aussehens der erwachsenen fossilen und re- ragt. Fanden die kälteliebenden Larven der ma. Das ist durch unzählige Einschlüsse im stein fanden und beschrieben die beiden zenten Arten aber keine Hinweise. Metretopodidae vielleicht in kühlen Bergbä- baltischen Bernstein belegt. Dabei gehen wir Wasserinsektenspezialisten zahlreiche fossile chen geeignete Lebensbedingungen? davon aus, dass Tiere und Pflanzen, die heu- Arten der Eintagsfliegenfamilie Metretopo- Zweite Möglichkeit: Der Baltische Bernstein te in subtropischem Klima leben, das auch didae. Diese gibt es noch heute – allerdings entstand in einer langen Zeitspanne von etwa Wie auch immer: Warum sie letztlich im Oli- damals taten. Damit werden Geckos, Termi- nicht in den Subtropen, sondern in der bo- 18 Millionen Jahren. Gegen Ende des Eozäns gozän aus Mitteleuropa verschwanden und ten oder Palmen im baltischen Bernstein zu realen Zone, den kaltgemäßigten Regionen sanken die Temperaturen jedoch dramatisch. ihre Nachfahren bis auf wenige Ausnahmen Klimazeugen. der Nordhemisphäre. Die meisten Gattungen Haben die Insekten den Bernsteinwald viel- nur in Nordamerika überdauert haben, bleibt Unterstützt werden solche biologischen Daten der Familie sind in Europa, der Heimat ih- leicht erst besiedelt, als sich das Klima bereits fürs Erste ein Rätsel. durch Untersuchungen von Sauerstoffisoto- rer Vorfahren, ausgestorben. Heute lebt die deutlich abgekühlt hatte? Schade, dass sich pen. Diese erlauben inzwischen verlässliche überwiegende Zahl der Arten im nördlichen nicht sagen lässt, wann genau die Eintags- Aussagen über die gesamten Klimaverhält- Amerika, einige wenige in Skandinavien und fliegen in die Harzfallen gerieten. E nisse im Palaeogen und Neogen (66 bis 2,5 der asiatischen Tundra. Allesamt zeichnen sie The mystery of the family Metretopodi- Millionen Jahre vor heute). sich durch Larven aus, die sich in den kühlen dae: Fossil species of this family are found in nordischen Gewässern am wohlsten fühlen. the subtropical amber forest existing around Eigentlich sitzen Dr. Arnold Staniczek und Die Frage drängt sich auf: Wie passen diese 40 million years ago in Northern Europe. Their sein Kollege Dr. Roman Godunko vom Natur- fossilen Vertreter einer heute an kaltes Kli- living descendants are restricted to the boreal kundemuseum Lviv, Ukraine, an ganz ande- ma angepassten Insektengruppe zum subtro- region with larvae living in cold waters. Was ren Fragen: Sie bringen Ordnung in die Welt pischen Bernsteinwald, in dem Palmen und there a change in ecology since the ? der Eintagsfliegen des Bernsteinwalds – es Termiten lebten? Or were the Metretopodidae in the Eocene geht, in der Sprache der Wissenschaftler, um Um es gleich zu sagen: Eine schlüssige Ant- restricted to higher mountain regions with eine "taxonomische Revision". wort gibt es (noch) nicht. cold water brooks?

28 29 Kageronia fuscogrisea – ein lebendes Fossil?

Evolution bedeutet Veränderung. Keine Art bleibt davon verschont. So schnell, dass man sich damit in die illustre Gesellschaft der dabei zuschauen kann, verändern sich Arten "lebenden Fossilien" ein. Dazu gehören so allerdings nicht. Fossilien helfen, den zeit- bekannte Arten wie das Perlboot Nautilus lichen Ablauf des Artenwandels zu rekonstru- und der Quastenflosser Latimeria. Viele der ieren. Sie verraten zum Beispiel, dass unsere "lebenden Fossilien" haben unter langfris- Vorfahren vor fünf Millionen Jahren zwar be- tig gleichförmigen Umweltbedingungen in Brückenechse reits auf zwei Beinen liefen, aber noch Af- isolierten Lebensräumen mit wenig Konkur- fenköpfe hatten. Moderne Menschen – Homo renz überdauert. Kageronia nicht: Die Art Brückenechsen wirken auf den ersten Blick sen, die sie mit ihren kräftigen Zähnen zer- sapiens – gibt es erst seit 200 000 Jahren. ist heute an kalte Lebensräume angepasst nicht besonders spektakulär. Sie werden beißen und sogar regelrecht kauen können. und lebt nicht wie damals in einem subtro- nicht einmal einen Meter lang, sind nacht- Ebenso interessant wie die Frage, wie schnell pischen Wald. aktiv und bevölkern mit zwei Arten heute Im Gegensatz zu den echten Echsen – Legu- sich Arten verändern, ist die, wie lange Arten Warum spiegeln sich die belegbaren Verän- nur noch einige wenige Inseln vor der Küste anen, Eidechsen, Waranen, Schlangen – waren unverändert bestehen können. derungen ihres Lebensraumes nicht in ihrer Neuseelands. Ihre Sonderstellung innerhalb die Brückenechsen in der späten Trias (vor Eine überraschende Entdeckung machten die Evolution wider? Auch hier kann man nur Ver- der Reptilien sieht man ihnen kaum an. Auf 220 Mio. Jahren) bereits artenreich vertreten. Wasserinsektenforscher Dr. Arnold Staniczek mutungen anstellen: Konnten sich die Tiere die meisten Betrachter wirken sie wie "ganz Unser neuer Fund ist noch einmal 20 Milli- und Dr. Roman Godunko bei der Untersuchung im ökologischen Kontinuum eines Gewässers normale" Echsen. Mit diesen sind sie aber onen Jahre älter und belegt, wie weit diese Baltischen Bernsteins S. 28/29: eine in fos- vielleicht immer die Zone aussuchen, die ih- nur sehr entfernt verwandt. Tiergruppe und ihr erfolgreicher Kieferappa- silem Harz eingeschlossene, 30 Millionen nen ermöglicht hat, unverändert die Zeiten rat in der Erdgeschichte zurückreichen. Die Jahre alte Eintagsfliege, die nicht von der zu überdauern? Brückenechsen sind die älteste heute noch nun entdeckten Skelettreste machen diese heute lebenden Art Kageronia fuscogrisea existierende Gruppe von Reptilien. Das wis- älteste Brückenechse der Welt gleichzeitig zu unterschieden werden kann. Zwar hat das sen wir allerdings erst, seit das Grabungsteam einer anatomisch gut bekannten neuen Art, fossile Insekt ein wenig gelitten – der Körper E von Dr. Rainer Schoch im unteren Keuper von die wertvolle Einblicke in die frühe Evolution ist zum Teil deformiert und eingeschrumpft – Species change over time and become adap- Vellberg (Baden-Württemberg) Kiefer und dieser interessanten Tiere liefert. doch in allen relevanten Merkmalen gleicht ted to new environmental conditions. This is zerfallene Skelette fand, die eindeutig von es seinem heute lebenden Pendant wie ein Ei evolution, but there are some living fossils Brückenechsen stammen. Das beweisen die E dem anderen. Das gilt insbesondere für den which have not changed for millions of ye- dreieckige Form der Zähne und deren feste Tuataras are the most ancient lineage of li- kompliziert gebauten Genitalapparat, der bei ars. Known examples of living fossils include Verankerung am Kiefer. Beobachtungen an ving reptiles on earth and are today endemic vielen Insekten artspezifisch ist – beim Ver- Nautilus and Latimeria, and now there is a den heute lebenden Brückenechsen (Spheno- to New Zealand. The latest finds of Dr. Rainer gleich der beiden Bilder (oben) werden Sie new one, Kageronia fuscogrisea. This living don) zeigen, dass die Tiere bevorzugt große Schoch’s team, 240 million-year-old skeletal keinen Unterschied finden! mayfly cannot be distinguished from the 30 Insekten wie Heuschrecken und Käfer fres- remains of a tuatara, demonstrate how anci- Seit wenigstens 28, vielleicht gar 40 Milli- million-year-old fossil. ent these living fossils really are. onen Jahren unverändert – Kagerionia reiht

30 31 Uralte Einsiedler zusammen. Dafür untersuchten Sylvain Char- bonnier vom Muséum National d’Histoire na- Manche Entdeckungen haben eine lange Vor- Die kleine Schere aus Degerloch ist noch turelle in Paris, Alessandro Garassino vom geschichte. Diese hier begann im Jahr 1937, deutlich älter, nämlich etwa 198 Millionen Ordnung unter Krebsen Museo di Storia Naturale Milano, der eng- als der Tübinger Geologiestudent Helmut Jahre. Die Datierung wurde dadurch erheblich lische Crustaceen-Experte Martin Simpson Hölder – später Professor für Paläontolo- erleichtert, dass sich der inzwischen 98jäh- Was die Insekten an Land sind, sind die Krebse und Günter Schweigert vom Stuttgarter Na- gie an der Universität Münster – im unteren rige Prof. Helmut Hölder noch genau an den unter Wasser: Die mit Abstand artenreichste turkundemuseum nahezu 1000 Objekte. Schwarzen Jura von Stuttgart-Degerloch eine exakten Fundort erinnern konnte. Ihm zu Gruppe der Gliederfüßer. Ihre große Vielfalt, Dass alle vier beteiligten Wissenschaftler Pa- fossile Krebsschere fand. Er stiftete das nicht Ehren heißt die neue, uralte Krebsart nun ihre Häufigkeit und nicht zuletzt der oft sehr läontologen sind, hat einen einfachen Grund: besonders spektakuläre Stück dem Museum. Schobertella hoelderi. stabile Panzer sorgten dafür, dass auch fos- Die beiden Krebsfamilien hatten ihre Blüte- Der 1987 verstorbene Krebsexperte Reinhard sil sehr viele Krebse bekannt sind. Hier den zeit in der Vergangenheit. Die Litogastroidae Förster von der Paläontologischen Staats- Überblick zu behalten, ist gar nicht so ein- lebten vor 251-183 Millionen Jahren. Die äl- sammlung in München erkannte das gerade fach. Bei den Glypheidae und den Litogastro- testen Glyphaeidae sind 235 Millionen Jahre vier Millimeter lange Fossil als Schere eines idae, zwei Familien der Zehnfußkrebse, hat alt und galten ebenfalls als ausgestorben, bis Einsiedlerkrebses. Anscheinend war er sich ein internationales Forscherteam mit einer im Jahr 1975 ein bereits 1908 gesammelter der Bedeutung dieses Fundes aber nicht be- umfassenden Monographie nun Ordnung ge- Krebs als Mitglied dieser Familie identifiziert wusst, sonst hätte er es nicht bei einer la- schaffen. Das Grundlagenwerk überprüft die wurde – ein echtes "lebendes Fossil". Mitt- pidaren Notiz auf dem Sammlungsetikett in den letzten Jahrzehnten erzielten Fort- lerweile sind zwei Gattungen bekannt, Neo- belassen: Der Fund von Degerloch ist der schritte der Forschung und fasst sie kritisch glyphea und Laurentaeglyphea. Dass sie so weltweit älteste Nachweis eines Einsiedler- spät entdeckt wurden, liegt nicht nur an ihrer krebses! Diese bewohnen Hohlräume, meist Seltenheit, sondern auch an ihrer heimlichen leere Schneckengehäuse, mit denen sie auch Lebensweise in selbst gegrabenen Tunnelsys- mobil sind. Bei Gefahr ziehen sie sich völlig temen im Meeresboden. in ihre Behausung zurück und verschließen den Eingang mit der größeren ihrer beiden Scheren – an eben diesen Scheren lassen sich die Krebse sicher identifizieren. E Die wahre Bedeutung des Fossils entdeck- All glypheid and lithogastrid lobsters, te erst Dr. Günter Schweigert, am Museum among them the only two extant genera in Stuttgart zuständig für die Wirbellosen Neoglyphea and Laurentaeglyphea, have des Erdmittelalters. Der unmittelbare An- been revised in an exhaustive monograph lass, sich im Magazin die alten Funde wie- E which appeared in the end of 2013. der vorzunehmen, waren Fossilien aus dem In the palaeontological collection a mittleren Schwarzen Jura von Franken. Diese tiny chela from the earliest of hatte der Spezialist für Krebstiere aus dem Stuttgart-Degerloch could be identified as Erdmittelalter zur Begutachtung erhalten. the worldwide oldest remain of a hermit Günter Schweigert erkannte sie als Reste von crab. It is named Schobertella hoelderi Einsiedlerkrebsen und beschrieb danach die after Helmut Hölder, who discovered the neue Gattung Schobertella. specimen in 1937 and donated it to the museum.

32 33 nun 12 Wissenschaftler des Museums und zwei Blätter im Netz weitere Spezialisten unter der Federführung von PD Dr. Michael Rasser ein umfassendes Fossile Blätter stellen eine wahre Fundgrube In vielen europäischen Museen gibt es eben- Bild des Sees und seiner Umgebung vor 16 an Informationen dar. Blätter sind die Son- so wie am Museum in Stuttgart zahlreiche Millionen Jahren entworfen – eine Zusam- nenkollektoren der Pflanze – mit Sonnenener- teilweise bedeutende Sammlungen fossiler menfassung von 150 Jahren Forschung am gie werden energiereiche Zucker aufgebaut. Blätter. Um diesen Sammlungsschatz für die Maar, ein Blick in die Zeit des miozänen Kli- Grundstoffe sind Kohlendioxid aus der Luft Wissenschaft einfacher und effizienter nut- maoptimums. Damals lebten noch wärmelie- und Wasser. Über Spaltöffnungen, die geöff- zen zu können, haben wir unter der Leitung bende Pflanzen und Tieren in Zentraleuropa; net und geschlossen werden können, regeln von PD Dr. Anita Roth-Nebelsick und Prof. Dr. anschließend wurde es ständig kühler. die Blätter den Gas- und Wasserhaushalt der Johanna Eder MORPHYLL ins Leben gerufen, Pflanze. Das ist oft eine ziemliche Gratwan- eine sammlungsübergreifende Datenbank für In größerer Tiefe war der See sauerstoffarm derung zwischen Abschottung (wenn zu ho- klimatisch und ökologisch informative Daten und damit lebensfeindlich. Fische fehlen na- her Wasserverlust droht) und Öffnung (um fossiler Blätter. hezu. Im flachen Wasser lebende Insektenlar- Kohlendioxid hereinzulassen). Das Projekt wird von der Deutschen For- ven wurden dagegen massenhaft gefunden. Blätter haben deshalb zahlreiche Anpassungen schungsgemeinschaft (DGF) gefördert. Die Das Ufer säumte ein schmaler Schilfgürtel. an Klima und Standort. Große und "saftige" technische Seite der Datenbanknutzung wird Maarsee Die Hänge des Kratersees waren übersät mit Blätter zeigen, dass die jeweilige Art eher durch das Projekt „BinHum – Biodiversitäts- Weißjura-Kalkblöcken, die bei der Explosion feuchte und eventuell sogar mehr schattige netzwerk des Humboldt-Ringes“ unterstützt. Angenehmes Klima, aber ein Tanz auf dem ausgeschleudert worden waren. Hier lebten Standorte bevorzugt. Kleine und harte (skle- Vulkan: Vor 15-17 Millionen Jahren war das Kornschnecken und wärmeliebende Insekten. rophylle) Blätter hingegen signalisieren eher Leben auf der Schwäbischen Alb nicht ganz In der Umgebung wuchsen mäßig feuchte bis trockene und heiße Bedingungen. Die typische E ohne Risiko. Davon zeugen über 350 vulka- mäßig trockene Wäldern, belebt von Land- Mittelmeerflora mit Oleander, Ölbaum oder Fossil leaves are a treasure trove of informa- nische Explosionskrater des Urach-Kirchheimer schildkröten und großen Säugern wie Pfer- Steineiche spiegelt solche klimatischen Be- tion about earlier climate conditions. Based Vulkangebiets. Es krachte, wenn aufsteigendes den, hornlosen Nashörnern und Rüsseltieren dingungen wider. on leaves, scientists can get important in- Magma mit Grundwasser in Berührung kam. der Gattung Gomphotherium. Weil es diesen engen Zusammenhang zwi- sights into temperature and precipitation re- Viele der Explosionstrichter füllten sich spä- ischen Blattmerkmalen und Standortfaktoren gimes of the past. The database ‘MORPHYLL’ ter mit Wasser, kleine kreisrunde Maarseen Abgeschlossen ist die Arbeit am Maar damit gibt, lassen sich aus fossilen Blättern weit- combines all these data. entstanden. Nur einer dieser Seen ist heute noch lange nicht: Neue Forschungsergeb- reichende Schlüsse ziehen: Aus Blattmerkma- noch im Landschaftsbild deutlich erkennbar: nisse werfen immer auch neue Fragen auf! len, die mit Klimaparametern wie Tempera- das Randecker Maar südwestlich von Kirch- Die nächste Grabung in Kooperation mit der tur oder Feuchtigkeit variieren, lassen sich heim unter Teck. Wasser sucht man allerdings Universität Tübingen und unter der Beteili- Klimainformationen oder andere ökologisch vergebens. Der bei einem Durchmesser von gung vieler Studenten ist für 2015 geplant. interessante Aspekte herauslesen – die fos- etwa 1200 Metern mit bis zu 130 Metern au- silen Floren werden zu Paläoklimazeigern. ßerordentlich tiefe See ist später verlandet und heute durch den stetig nach rückwärts verlagerten Nordrand der Alb angeschnitten. E Außer dem landschaftprägenden Amphithea- The Randecker Maar is a former volcanic pipe ter des ehemaligen Sees bleiben eine außer- formed about 16 million years ago. Scien- gewöhnlich reichhaltige Überlieferung von tists from the museum and external experts See-Sedimenten und Fossilien von 360 (!) have reconstructed the environment of the Arten. In einer Gemeinschaftsarbeit haben Miocene lake using fossils of 360 species.

34 35 Grabungen & Freilandforschung

Langfristige wissenschaftliche Grabungen sind zeitaufwendig, aber enorm frucht- bar: Am Ende steht oft die Rekonstruktion eines komplexen Ökosystems. Das ist in vielerlei Hinsicht aufschlussreicher als ein Einzelfund eines Fossils, weil sich damit weitreichende Schlüsse zum Beispiel auf die Entwicklung des Klimas ziehen lassen. Auch die Biologen kombinieren Datenerfassung und Sammeln im Gelände mit der Riesenfisch aus Nusplingen Untersuchung und Archivierung im Museum. Sie sehen: Die Übergänge zum vorigen Treffer am zweiten Tag der Grabungskampa- Forschungskapitel sind fließend. gne 2013: Ein riesiger, komplett erhaltener Raubfisch der Art Strobilodus giganteus ging Batrachotomus aus Vellberg Dr. Günter Schweigert und seinem Grabungs- team ins Netz. Viel mehr als einige der ge- Der Steinbruch bei Vellberg im nordöstlichen teltrias handelte, des Lurchenschlächters Ba- waltigen Zähne war nicht zu sehen, als das Baden-Württemberg gehört zu unseren wis- trachotomus. Ungewöhnlich sind die Größe Fossil geborgen wurde. Das lockte das Gra- senschaftlich ergiebigsten Forschungsgra- und die Vollständigkeit der entdeckten Ske- bungsteam zunächst auf eine falsche Fährte: bungen. Hier wird Muschelkalk abgebaut. lettteile; so ist etwa der Hals im Zusammen- War man auf ein kleines Meereskrokodil ge- Dabei wird auch der darüber liegende Unter- hang erhalten. stoßen? Inzwischen hat der Präparator Olav keuper erschlossen – die Schicht, die Dr. Rai- Die Bergung war ein echter Kraftakt, erschwert Maaß schon große Teile des etwa 1,3 Meter Gesteinslage fiel durch große Austernansamm- ner Schoch und sein Team aus Wissenschaft- durch Regen, Schlamm und eine Steilkante. langen Fisches aus dem Stein befreit. lungen auf. Siedelten sie vielleicht auf dem lern und Technikern besonders interessiert. Dank der bereitwilligen Hilfe von Sammlern Knochenfische aus dem Nusplinger Plat- ansonsten lebensfeindlichen Meeresboden? Seit dem Jahr 2000 graben sie dort und im- gelang es, das wertvolle Fossil in dreiwö- tenkalk sind meist zerfallen – dieser nicht. Und wie fast alljährlich war auch wieder ein mer wieder machen sie sensationelle Funde chiger harter Arbeit ins Museum zu schaffen: Scheinbar vollständige Vergleichsstücke aus Meerengel dabei, das Wappentier der For- bisher unbekannter Arten. Die Brückenechse 20 schwere Blöcke, die anschließend sofort den Solnhofener Plattenkalken weisen stets schungsgrabung – der Lohn für die große S. 31 gehört zum Beispiel dazu. Nicht minder in die Präparation gingen. Ergänzungen auf, sodass dem vollständigen Geduld, mit der sich unser ehrenamtlicher interessant sind Exemplare bereits bekann- Diese ist inzwischen bereits weit fortge- Nusplinger Fund nicht nur als Schaustück, Mitarbeiter Burkhart Ruß aus Nusplingen ta- ter Arten in ungewöhnlich guter Erhaltung. schritten. Soviel ist schon klar: Wir können sondern auch wissenschaftlich eine beson- gelang durch eine fast fossilleere, sehr harte neue Erkenntnisse über die Anatomie und dere Bedeutung zukommt. Kalkschicht gearbeitet hatte: Direkt darunter Im September 2013 fand Werner Kugler, ein das Wachstum des bis sechs Meter langen Weitere Highlights unter den etwa 290 Fossil- fand er den fossilen Hai. passionierter Sammler und erfahrener Saurier- Scheinkrokodils erwarten. Auch die Einbet- funden der Grabungskampagne 2013 sind ein jäger, im harten Dolomit über der eigentlichen tungsgeschichte lässt sich rekonstruieren: kleiner Quastenflosser und zwei Pfeilschwän- Fundschicht große Knochen. Er erkannte so- Offenbar zerfiel der Kadaver des Raubtieres ze, die zu den besterhaltenen gehören, die je fort, dass es sich um ein zerfallenes Skelett auf einer dolomitischen Schlammebene un- im Nusplinger Plattenkalk gefunden wurden. des größten Raubtieres der deutschen Mit- ter ganz seichter Wasserbedeckung. Unter den Mollusken ist ein Nautilide – ein Perl- bootverwandter – samt Kieferapparat und Ma- geninhalt hervorzuheben. Er hatte sich vor- wiegend von Krebsen ernährt. Eine spezielle E An extraordinary find from Vellberg – the E entire skeleton of a six-metre long Batra- During the 2013 excavation campaign about chotomus. Many volunteers transported the 290 fossils were recovered from the Upper valuable archosaur fossil to the museum Jurassic Nusplingen Lithographic Limestone. where preparation immediately started. New Most spectacular are the completely preser- findings about the anatomy of Batrachoto- ved specimens of a male angel shark and a mus are expected. very large predatory fish.

36 37 Kartierung 2.0 Wasserinsekten – eine Langzeitstudie

Bestandsaufnahme: Veränderungen in der Flora Als Grunderhebung eines Rasterfeldes gilt das Der Goldersbach im Schönbuch: Generati- der genetische Fingerabdruck gewonnen und eines Gebietes sind zuverlässige Indikatoren Ziel von etwa 400 Arten. Damit entstehen onen von Biologiestudenten der Universität in einer internationalen Gen-Datenbank zu für langfristige Trends. Solche auf harten Da- aus 1100 Feldern schon mindestens 440 000 Tübingen hatten dort ihren ersten Kontakt Vergleichszwecken abgelegt. ten basierenden Fakten sind in der aktuellen Datensätze! Weitere Begehungen steigern mit den Lebewesen des Makrozoobenthos, Debatte über Landnutzung und Klimawandel die erfasste Artenzahl oft noch enorm. Das den wasserlebenden Larven von Libellen und E (um nur zwei Beispiele zu nennen) von un- artenreichste Rasterfeld kommt zur Zeit auf von Eintags-, Stein- und Köcherfliegen, mit The Goldersbach is one of the most pristine schätzbarem Wert. 908 Arten – bei einer Gesamtzahl von ca. Egeln, Schnecken, Krebsen. Kaum zu glau- streams in Baden-Württemberg. Dr. Arnold 2500 einheimischen, eingebürgerten und ben, dass grundlegende langfristige Unter- Staniczek, expert for aquatic insects, and his Das ist der Grund, warum sich die Wissen- unbeständigen Pflanzenarten. suchungen dieses typischen naturbelassenen team observed this stream for one year. They schaftler der Naturkundemuseen in Stuttgart Mittelgebirgsbaches bisher fehlten. sampled aquatic insect larvae in the stream, und Karlsruhe um den Stuttgarter Botaniker Das schafft man natürlich nicht alleine. Derzeit Der Wasserinsektenspezialist Dr. Arnold Sta- adult aquatic insects near the stream, and Dr. Arno Wörz nicht zufrieden zurückgelehnt sind etwa 180 ehrenamtliche und professio- niczek hat das mit seinem Team nun geän- measured various water parameters. The aim haben, nachdem die Floristische Kartierung nelle Kartierer unterwegs, oft noch klassisch dert. Ein Jahr lang erfassten sie an elf Pro- of the study was to document all insects li- im Jahr ab 1998 angeschlossen war. Seit 2008 mit einer Artenliste auf Papier. Wir arbeiten bestellen von der Quelle bis zur Mündung die ving in the natural stream Goldersbach. arbeiten sie an der Kartierung 2.0. aber auch an der Erprobung der digitalen Er- Wassertiere mit standardisierten Verfahren. fassung gleich im Gelände. Das ging nicht ohne klamme Finger. Wer im Wie wird nun vorgegangen, um eine solche Was draußen nicht sicher bestimmt werden Januar im Wasser steht und alle Steine sei- enorme Datenmenge zu erheben und aus- kann, kommt unter das Binokular und wird ner ein Quadratfuß (= 929,0304 cm²) großen zuwerten? im Herbar des Museums archiviert. Spezia- Probefläche ober- und unterseits abschrubbt, Zunächst haben die Wissenschaftler das Land listen kümmern sich um schwierige Gruppen woraufhin im Durchschnitt etwa 100 Insek- in etwa 1100 Rasterflächen aufgeteilt, Recht- wie z.B. Habichtskräuter oder Brombeeren. tenlarven im stromab anschließenden Kescher ecke von etwa 5x6 Kilometern. Im Rahmen des Projekts wird auch für GBOL landen, kann anschließend kaum noch die Bei einer Grundbegehung – am besten zu Fuß S. 16 Material gesammelt. Tasse mit dem heißen Tee halten. Wissen- – werden sämtliche Arten aufgenommen. Das schaft fordert eben Opfer! können an einem einzigen Tag gut und ger- Derzeit umfasst unsere Datenbank 1,6 Milli- Darüber hinaus wurden erwachsene Wasserin- ne 300 sein! Die Standorte werden mit GPS onen Einträge, 600 000 davon aus der aktu- sekten von der Uferrandvegetation erfasst. Im punktgenau erfasst. ellen Kartierung, Tendenz steigend. Frühjahr wurden auch Lichtfallen eingesetzt. Im zweiten Schritt werden dann möglichst Die Ergebnisse werden laufend in die Ver- Mit dem Fang erwachsener Tiere können auch alle vorhandenen Lebensraumtypen oder breitungskarten von www.flora.naturkunde nah verwandte Arten unterschieden werden, besondere Flächen wie Naturschutzgebiete museum-bw.de eingearbeitet. deren Larven nicht sicher auseinander gehal- aufgesucht. ten werden können. Begleitend wurden an jeder Probestelle Temperatur, Sauerstoffge- halt und Säuregrad (pH) gemessen.

E Ziel ist es zum einen, das Arteninventar eines In 2008, florisitc “Mapping 2.0” started with der wenigen naturbelassenen Bäche in Baden- the remapping of the native, non-native and Württemberg möglichst vollständig zu erfas- impermanent plant species in Baden-Württ- sen. Zum anderen versprechen wir uns auch emberg. 600,000 records have been entered Aufschluss über die Häufigkeit der einzelnen into the database, and the amount of data Arten sowie deren räumliche und zeitliche is still increasing. Verteilung im Bach. Bei seltenen Arten wird im Rahmen des GBOL-Projektes S. 16 auch

38 39 Frosch & Ameise

Der Ameisenfrosch Lithodytes lineatus hat Saudische Schwarzkäfer den Herpetologen Dr. Andreas Schlüter sein ganzes Forscherleben begleitet. Für seine Auf den Spuren der Schwarzkäfer, einer überaus zum Roten Meer verlaufende, bis zu 3000 m Doktorarbeit untersuchte er auf der For- artenreichen Käferfamilie, hat Dr. Wolfgang hohe Asir-Gebirge. Dort stieß er auf Gebirgs- schungsstation "Panguana" die Froschfauna Schawaller schon die halbe Welt bereist S. habitate mit Baumbeständen aus Wacholder, des peruanischen Regenwaldes. Rufe spie- 18-19. Weil Wüsten, Savannen und Steppen Ölbaum, Akazien und Heidekraut. Bei einem len bei der Identifizierung von Froschlur- bau auf und entdeckte im tiefsten Inneren eine große Schwarzkäfer-Vielfalt aufweisen, jährlicheren Niederschlag von bis zu 1000 chen eine große Rolle – und es quakt, zirpt Kaulquappen: Der Ameisenfrosch entwickelt führen seine Forschungsreisen oft in Trocken- mm gibt es sogar einige wenige permanent und schrillt in den Tropen nicht nur aus den sich offenbar im Ameisenbau! gebiete. Im Jahr 2013 folgte er einer Einla- fließende Gewässer. Teichen, sondern allenthalben auch von den Wie aber unterläuft der Frosch die Abwehr der dung nach Saudi-Arabien zu Geländearbeiten Biogeographisch ist das Asirgebirge ein Teil Bäumen. Ziemlich verwundert war Andreas Ameisen? Benutzt er vielleicht eine chemische und einem Vortrag an der King Saud University Afrikas: Seine Flora und Fauna ist eher afro- Schlüter allerdings, als er den leisen Pfeifton Tarnkappe? Um das zu klären, reiste Andreas in Riyadh – eine willkommene Gelegenheit, tropisch geprägt als arabisch. Insbesondere von Lithodytes im Untergrund lokalisierte. Schlüter zusammen mit der wissenschaftli- die Fauna des ziemlich abgeschotteten Lan- bestehen enge Beziehungen zum äthiopischen Er erklang aus dem Bau von Blattschneider- chen Volontärin Nadine Hammerschmidt noch des zu untersuchen. Saudi-Arabien kann man Hochland. Außerdem gibt es zahlreiche En- ameisen. Die Blattschneiderameisenart Atta einmal dorthin, wo alles begonnen hatte: in nur mit einer offiziellen Einladung bereisen, demiten, also Arten die nur dort vorkommen. cephalotes lebt in weit verzweigten unterir- den Regenwald Perus. Mit Endoskop-Kameras ein normales Touristenvisum gibt es nicht. dischen Tunnelsystemen und begegnet Ein- ausgestattet, spürten sie die Frösche in den Wolfgang Schawaller hat von dieser Reise 550 dringlingen äußerst aggressiv. Ameisennestern auf. Im Labor von Prof. Dr. In den Vereinigten Arabischen Emiraten hat- Belege mitgebracht und sitzt nun gemein- Was treibt den Frosch in diese seltsame Gesell- Eric Cosio an der Universidad Católica del te Wolfgang Schawaller bereits im Jahr 2010 sam mit Hathal Al Dhafer von der King Saud schaft und warum überlebt er dort überhaupt? Perú in Lima folgten gaschromatographische gesammelt und sich einen Überblick über die University in Riyadh an einer Revision der Analysen von fast 100 Hautabstrichen – das Fauna verschafft. In Saudi-Arabien interes- Schwarzkäferfauna Saudi-Arabiens. Andreas Schlüter versuchte, der Frage expe- Geheimnis des Frosches sollte sich damit nun sierten ihn nun besonders einige für die Ara- rimentell auf den Grund zu gehen. Im Labor endgültig entschlüsseln lassen. bische Halbinsel ungewöhnlichen Lebensräu- im Museum in Stuttgart und am Muséum me: Seine Expedition führte in das parallel d'histoire naturelle de Genève, wo lebende Blattschneiderameisen gehalten wurden, E funktionierte das aber nicht: Die Ameisen Dr. Wolfgang Schawaller was invited to Sau- fielen über die Frösche her. di Arabia for fieldwork and to give a presen- Warum sich Lithodytes im Ameisenbau auf- tation. He took the opportunity to explore hält, blieb damit ungelöst. Also zurück ins the interesting fauna of this very isolated Freiland: Ein von Andreas Schlüter darauf country and brought some samples of dar- angesetztes Filmteam grub einen Ameisen- kling beetles from the Arabian Peninsula to Germany. He plans to revise the darkling E beetles of Saudi Arabia. The mystery of how the frog Lithodytes line- atus survives in nests of the leafcutter ant Atta cephalotes will be solved very soon. The herpetologist Dr. Andreas Schlüter performed gas chromatographic analyses of frog skin to unravel their chemical camouflage.

40 41 Labore Tagungen & Lehre

Vor wenigen Jahren noch Zukunftsmusik, heute Routine: Die Möglichkeit, das Erbgut Tagungen sind wichtige Foren des wissenschaftlichen Austausches. Nicht weniger von Organismen in großem Maßstab zu analysieren, gibt uns völlig neue Einblicke. wichtig ist die Weitergabe von Wissen an die nächste Generation. Den naturkund- Die DNA-Analyse beflügelt die Forschung ähnlich wie die Erfindung des Mikroskops. lichen Forschungsmuseen kommt dabei bei zwei zentralen Themenkreisen eine In den letzten Jahren haben wir unser Labor deshalb immer weiter ausgebaut. Aber Schlüsselrolle zu: Evolution und Biodiversität. Wir haben deshalb eine weitreichende auch die "konventionelle" Präparation wird laufend optimiert. Kooperationsvereinbarung mit der Universität Hohenheim abgeschlossen.

Robotik im Molekularlabor Kritisch-Punkt-Trocknung

Die molekulare Systematik ist in der Biodi- Um die Biodiversität von Insekten zu er- versitäts- und Evolutionsforschung zu einem fassen, werden meist Fallen verwendet, bei unverzichtbaren Handwerkszeug geworden. Wir denen der Fang sofort in einem Gefäß mit entwickeln unser DNA-Labor deshalb konse- Alkohol konserviert wird. Will man die Tiere quent weiter. Inzwischen stehen den Wissen- anschließend zur genauen Untersuchung schaftlern des Museums acht voll ausgestat- trocknen und in die Sammlung einreihen, tete Arbeitsplätze zur Verfügung. Zahlreiche genügt es nicht, sie einfach aus dem Alko- hochmoderne Geräte konnten angeschafft hol zu holen. Beim Verdunsten der Flüssigkeit Uni & Museum werden. Ein Roboter, der schnelles und prä- entstehen Kräfte, die das Insekt kollabieren zises Pipettieren ermöglicht und 96 Proben lassen. Das geschieht nicht, wenn man die Mit der Universität Hohenheim verbindet auf einmal bearbeiten kann, beschleunigt "Kritisch-Punkt-Trocknung" anwendet (wer uns eine langjährige Tradition in Forschung, die Arbeit ganz erheblich. So können große es genau wissen will: Erklärt ist sie im Jah- Lehre und Öffentlichkeitsarbeit. Jetzt haben Mengen von Proben gleichzeitig bearbeitet resbericht 2011/12 S. 34). wir die Zusammenarbeit förmlich besiegelt. werden. Dies wird unter anderem für die Ex- Ein 2013 neu beschafftes Gerät verarbeitet Im Juni 2013 setzten Prof. Dr. Stephan Da- traktion von DNA aus Wespen und Spinnen nun in einem weitgehend automatisierten Ver- bbert, der Rektor der Universität, und Prof. Museum & Museum eingesetzt, die im GBOL-Projekt bearbeitet fahren bis zu 52 Proben gleichzeitig – vorher Dr. Johanna Eder, Direktorin des Museums, werden S. 16. Die genetischen Daten, die im waren es, bei zeitraubender manueller Bedie- ihre Unterschriften unter den Vertrag. Am 31. Mai 2013 unterzeichneten Dr. Andrey Molekularlabor gesammelt werden, helfen nung, nur vier. Das spart vor allem die Zeit Engere Kontakte bestehen in Forschung und Shapavalov vom Novosibirsk State Museum bei der Identifizierung von neuen Tier- und des Entomologen Dr. Lars Krogmann und der Lehre auch mit den Universitäten Heidel- und Prof. Johanna Eder ein Abkommen zur Pflanzenarten, bei Verwandtschaftsanalysen Präparatorin Tanja Kothe, die für das GBOL- berg, Bonn und Jena. Darüber hinaus ko- Kooperation beider Institutionen. Vorrangi- oder bei Untersuchungen zur Besiedlungsge- Projekt S. 16. sehr viele Tiere bearbeiten. operieren wir in vielen einzelnen Forschungs- ges Ziel ist, die wissenschaftliche Zusam- schichte bestimmter Lebensräume. projekten mit zahlreichen Universitäten im menarbeit zu intensivieren und technisches E In- und Ausland. Knowhow weiterzugeben. In diesem Rahmen The laboratories of the museum are regular- Von Wissenschaftlern des Museums wurden lotete der Paläontologe Dr. Rainer Schoch im ly updated to meet the highest standards of 10 Dissertationen, 4 Diplom- und Master- April 2013 die Möglichkeiten gemeinsamer research. The latest acquirements are pipet- arbeiten sowie 3 Bachelorarbeiten betreut. Forschungsarbeiten aus, während der palä- te robots for the DNA lab and a device to ontologische Präparator Olav Maaß die dor- improve the critical point drying of insects. E tigen Kollegen in Theorie und Praxis schulte. Since last year, the Stuttgart State Museum Im Dezember hielt Franz Xaver Schmidt einen of Natural History is an official cooperation zweitägigen mineralogischen Workshop. Für partner of the University of Hohenheim. das Jahr 2014 ist eine Ausstellung in Novo- This cooperation is based on collaborative sibirsk geplant, bei der die Mineralien aus research, courses and lectures, and also in- der Stuttgarter Königin-Olga-Sammlung ge- cludes public relations. zeigt werden.

42 43 Museumspädagogik Präparatoren aus Bangladesh Museen sind herausragende Orte der kultu- rellen Bildung. Aber wie nutzen? Die viel- Naturkundliche Sammlungen, die nicht fach- fältigen Möglichkeiten standen im Zentrum gerecht gepflegt werden, zerfallen in kurzer von 26 Seminaren zur Museumspädagogik Zeit. Der Aus- und Fortbildung von Präpara- und Ausstellungsdidaktik für Lehrer in Aus- toren räumen wir deshalb einen hohen Stel- bildung und Praxis. lenwert ein. Wir geben unser Knowhow aber Tagungen und Workshops am Museum auch gerne weiter. Tagung wissenschaftlich 15.2. Jahrestagung AK Wildbienen-Kataster, Deshalb unterstützten wir gerne ein vom 14 Teilnehmer Floristische Kartierung Naturkundemuseum Erfurt organisiertes und Wissenschaftliche Tagungen beflügeln den 28.9. Sesien-Tagung. 15 Teilnehmer aus vom Deutschen Akademischen Austausch- Austausch von Ideen und Theorien und da- 7 europäischen Staaten Die Erfassung der aktuellen Verbreitung aller dienst (DAAD) finanziertes zweijähriges mit den Fortschritt wie kaum ein anderes 15.-27.10. 56. Deutsches Koleopterolo- Farn- und Blütenpflanzen in Baden-Württ- Ausbildungsprojekt, in dem drei Zoologen Forum. Was immer dazu gehört: Ein Erinne- gentreffen, Beutelsbach, 200 Teilnehmer emberg ist ein Projekt des Museums für Na- aus Rajshahi/Bangladesch eine Zusatzqua- rungsbild aller Teilnehmer, oben eines, das aus 10 europäischen Staaten turkunde Stuttgart, an dem sich zahlreiche lifikation als wissenschaftliche Präparatoren beim 5. Arbeitstreffen deutschsprachiger 9.11. Treffen der Koordinatoren der Inter- botanisch versierte Bürgerinnen und Bürger erhielten. Delowar Hossain, Abdullah Al Ma- Echinodermenforscher vor dem Museum am nationalen Wasservogelzählung in Baden- des Landes beteiligen. Ohne diese etwa 180 mun und Aminul Islam sind damit die ersten Löwentor entstand. Experten aus mehreren Württemberg, OGBW, 10 Teilnehmer ehrenamtlichen Mitarbeiter wäre das Mam- qualifizierten Präparatoren und Kuratoren, europäischen Ländern und Japan diskutier- 22.-24.11. 5. Arbeitstreffen deutschspra- mutprojekt nicht zu stemmen. Regelmäßige die in der Lage sein werden, in Bangladesch ten drei Tage lang über diese artenreiche chiger Echinodermenforscher, 28 Teilneh- Kartierertreffen, Exkursionen und Spezialkurse wissenschaftliche Sammlungen als Grundlage Tiergruppe, zu der unter anderem Seesterne mer aus 7 Ländern zur Bestimmung schwieriger Arten sorgen für für die internationale Biodiversitätsforschung und Seeigel gehören. einen intensiven Dialog zwischen Wissen- aufzubauen. Weiterhin werden sie Ausstellun- schaftlern und "citizen scientists". gen für Universitätsmuseen und für die brei- Tagung politisch Organisation von Tagungen te Öffentlichkeit konzipieren und umsetzen. 15.2. Deutschlands naturkundliche Samm- Am Museum in Stuttgart nahmen die zoologi- Die naturkundlichen Sammlungen Deutsch- lungen – Erhaltung der Vielfalt als gesamt- Floristische Kartierung schen Präparatoren Jan Panniger und Maurice lands umfassen mindestens 140 Mio. Objekte. gesellschaftliche Aufgabe, Tagung der DNFS, 17.3. Kartierertreffen, Stuttgart, Lunak die drei angehenden Kollegen jeweils Davon werden 100 Mio. in großen Museen be- Berlin, 100 Teilnehmer 60 Teilnehmer zwei Wochen unter ihre Fittiche. Sie lernten treut, 40 Mio. in kleineren. Vor allem letztere 30.5.-2.6. 52. Frühjahrstagung der Deut- dort insbesondere die aufwendige Plastinati- sind oft gefährdet. Die Tagung „Deutschlands schen Malakologischen Gesellschaft, Ebers- Kartierexkursionen: on von Präparaten mit PEG und packten auch naturkundliche Sammlungen – Erhaltung der walde, 54 Teilnehmer 6.4. Mühlacker, 12 Teilnehmer bei der Einrichtung der Sonderausstellung zur Vielfalt als gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ 13.4. Pfullinger Hochwiesen, 8 T. Präparation „forever young“ mit an. brachte erstmals Vertreter von Naturkunde- E 5.5. Tübinger Innenstadt, 6 T. museen, Träger und Förderer sowie Vertreter 10.5. Sindelfingen, 5 T. der Politik aus ganz Deutschland in Berlin Every year, very interesting scientific confe- 8.6. Großbottwar, 10 T. E zusammen. Das Fazit: Naturkundemuseen rences and workshops take place at the muse- 15.6. Bestimmungskurs Seggen, 12 T. Cultural education is one of the core tasks spielen mit ihrem Forschungspotential eine um. Scientists from many different countries 6.7. Krummbachtal, 11 T. of the museum. Several seminars about mu- essentielle Rolle für den Erhalt der biologi- flock to the museum for lively discussions 20.7. Dertingen, 10 T. seum education were offered for teachers. schen Vielfalt, unsere Zukunftsfähigkeit und among experts. A highlight was the meeting Regularly excursions and courses took place kulturelle Identität. Das ist wenig bekannt, of the Echinoderm researchers. to map the flora of Baden-Württemberg. weshalb naturkundliche Sammlungen vieler- A politically important conference about the Two museum preparators shared their know- orts akut bedroht sind. Die Tagung leistete diversity conservation of Germany’s natural ledge and knowhow with three colleagues einen wichtigen Beitrag zur Bewusstmachung. history collections was held in Berlin. from Bangladesh.

44 45 Wissenschaft populär Museumspädagogik

Schnittstellen zwischen dem Museum und der breiten Öffentlichkeit gibt es viele. Ein Museum spricht für sich, lädt ein zu einer individuellen Reise durch seine Aus- Ausstellungen und die klassische Museumspädagogik gehören ebenso dazu wie Vor- stellungen. Viele unternehmen die Reise durch die Fülle der Objekte aber lieber mit träge, Exkursionen, populärwissenschaftliche Publikationen und der erfolgreiche einem Pfadfinder – das zeigen nicht zuletzt die über 1800 Veranstaltungen der Mu- Stuttgarter Science Pub. seumspädagogik, an denen etwa 30 000 Besucher teilnahmen.

Naturkundliche Arbeits- Klassische Führung oder Projekt, Museums- Website mobil gemeinschaften übernachtung oder Kindergeburtstag, Ferien- programme, Aktionstage zur Sonderausstel- Unsere Website hat eine kleine Schwester Im „Steigenclub“ treffen sich die geologisch lung, Fachseminare für Studenten und Lehrer bekommen. Die wichigsten Informationen und paläontologisch Interessierten, im „Bo- – die differenzierten Vermittlungsangebote zum Museumsbesuch sind jetzt über einen tanischen Zirkel“ die Pflanzenkenner und im Science Pub des Museums erreichen Besuchergruppen mit für Smartphones und Tablets optimierten In- „Entomologischen Verein Stuttgart“ alle, die ganz unterschiedlichen Ansprüchen. Dass un- ternetauftritt abrufbar – was in den letzten Insekten schätzen. Der große Erfolg der ersten Runde des Stutt- sere beiden Ausstellungsgebäude im Rosen- drei Monaten des Jahres 2013 bereits von Das Museum bietet allen drei Arbeitsgemein- garter Science Pubs hat uns beflügelt. In der steinpark liegen, eröffnet Möglichkeiten weit über 6000 Menschen genutzt wurde. schaften eine Heimat – nicht nur räumlich, zweiten Staffel ging es in der fast immer bis über das Museum hinaus. In der Verbindung sondern auch durch den Dialog zwischen den auf den letzten Platz gefüllten Kulturknei- von draußen und drinnen steckt ja eigentlich Wissenschaftlern des Museums und den gro- pe Rosenau unter der Moderation von Ulrich das Wesen eines Naturkundemuseums: Natur ßenteils hoch versierten „Amateuren“. Hier Schmid um Music and the brain (Prof. Larry draußen beobachten und untersuchen, im treffen sich die Mitglieder regelmäßig zu Vor- Sherman, Portland; Moderation Prof. Mar- Museum analysieren und bestimmen. trägen, Literaturstudien, Bestimmungs- und tin Blum), Endlager Opalinuston? (Dr. An- Diskussionsabenden oder sie gehen gemeinsam dreas Gautschi, CH-Wettingen), Zufälle und E mit Wissenschaftlern des Museums auf Exkur- die Freuden (und Tücken) der Mathematik Important information for the next visit to sion zu einem Ziel in Baden-Württemberg. (Prof. Christian Hesse, Stuttgart), nachhal- the museum are now also available for smart- tige Stadtplanung (Prof. Helmut Bott und phone and tablet users. Den Entomologischen Verein Stuttgart, einen Dr. Stefan Anders, Stuttgart), Strom ohne der ältesten Vereine dieser Art (er besteht Kabel (Prof. Nejila Parspour, Stuttgart) und seit 1869), führt seit März 2013 eine Frau: Sklavenrebellionen in Ameisenstaaten (Prof. Dr. Karin Wolf-Schwenninger aus der Abtei- Susanne Foitzik, Mainz). lung Entomologie wurde als Nachfolgerin Der Science Pub ist eine Kooperation zwi- von Dr. Wolfgang Schawaller gewählt, der schen dem Museum, der Gesellschaft für Na- 30 Jahre im Vorstand tätig war. Der Termin- turkunde in Württemberg, Klett-MINT und kalender und das Programm des Entomolo- den Universitäten Hohenheim und Stuttgart. gischen Vereins stehen auf der Website des Vereins – wer sich für Insekten interessiert, E ist herzlich eingeladen mitzumachen! Science for the general public is an impor- www.entomologie-stuttgart.de/ tant subject. The museum provides space for seminars and discussions of three natural hi- story working communities. The Science Pub enjoys great popularity. In 2013, six outstanding scientists presented their research in the relaxing atmosphere of the cultural pub Rosenau.

46 47 Veranstaltungen

Unsere Ausstellungen sind immer für Sie da – außer montags. Aber wir bieten auch viele Möglichkeiten, das Museum von einer anderen Seite kennen zu lernen: am Tag 20.4.: Willi Hennig 100! der Offenen Tür, der Langen Nacht der Museen, bei Aktionstagen zu Sonderausstel- Willi Hennig, von 1961-1976 am Staatlichen lungen oder dem Sommerfest mit Open Air Kino. Museum für Naturkunde, zählt zu den bedeu- tendsten biologischen Theoretikern. Am 20. April 2013 feierten wir im Museum am Lö- 24.2.: Tag der Offenen Tür 16.3.: Lange Nacht wentor mit Vorträgen und der Vorstellung der ersten umfassenden Hennig-Biographie den Alle zwei Jahre laden wir zu einer Reise durch Orchideen gehören nicht zu den Pflanzen, 100. Geburtstag dieses Ausnahmebiologen. Dass Willi Hennig hierzulande wenig bekannt Magazine und Labore ein. Wir geben zahllose die ihre Blüten nachts schließen und sich ist, liegt sicher zum einen daran, dass die Einblicke in die elf Millionen Exemplare um- schlafen legen. Einmal erblüht, bleiben ihre Willi Hennig wurde am 20.4.1913 in Dürrhen- mit seinem Namen verbundene Theorie der fassenden Sammlungen eines der größten ungewöhnlich formenreichen Blüten Tag nersdorf in der Oberlausitz geboren. Der Vater phylogenetischen Systematik im Alltag der deutschen Naturkundemuseen. Wir zeigen und Nacht geöffnet. Die vielen Blüten in Eisenbahner, die Mutter zunächst Dienstmäd- Menschen keine wichtige Rolle spielt. Dazu manches Highlight, das unsere Besucher sonst der Sonderausstellung „Orchideen – Vielfalt chen, dann Fabrikarbeiterin – dem Jungen kam, dass Hennig nicht auftrumpfte, son- nicht zu sehen bekommen. Und wir machen durch Innovation“ gaben der Langen Nacht war eine Laufbahn als Wissenschaftler nicht dern seinen Beitrag zur Theoriebildung in Forschung und Präparation erlebbar. im Schloss Rosenstein ein besonderes Flair in die Wiege gelegt. Er fand aber bereits als der Biologie eher herunterspielte. So hat es Hinter den vielen Türen, die an diesem Tag und ihr diesjähriges Motto: Tanzcafé Orchidee. Schüler Mentoren, die ihn gezielt förderten. länger als in vergleichbaren Fällen gedau- offen standen, traf man nicht nur zahllose Das Crooner’s Quartet machte die Musik dazu. Schon der Sechzehnjährige hatte seine beiden ert, bis die intellektuelle Brillanz der Theo- Objekte in teils riesigen Magazinen, sondern Dazwischen immer wieder kleine Ausflüge in Lebensthemen gefunden: Die Entomologie rie der Phylogenetischen Systematik erkannt auch die Menschen, die zusammen „Museum die raffinierte Welt der Orchideen mit unter- (Insektenkunde) und die Theorie der biolo- und ihr Vordenker als der gewürdigt wurde, machen“: Forscher und Präparatoren, Päda- haltsamen Themenführungen wie „Love me gischen Systematik, also die wissenschaft- der er war: Einer der bedeutendsten Biolo- gogen und Bibliothekare zum Beispiel. tender“ zum speziellen Liebesleben mancher liche Begründung von Verwandtschaftsgrup- gen unserer Zeit. Mitmachstationen hinter den Kulissen boten Tiere oder „Sag mir, wo die Blumen sind“. pen. Davon zeugt eine Arbeit mit dem Titel „Happy birthday Willi Hennig!–Hyptia henni- an vielen Stellen unterhaltsame Wissenschaft „Die Stellung der Systematik in der Zoolo- gi sp. nov. (Hymenoptera: Evaniidae), a fos- für jugendliche Forscher. Lange Nacht auch für Kinder. Unter dem gie“, von Hennig bereits im Jahr 1931 ver- sil ensign wasp from Eocene Baltic amber“ Über 7000 Besucher nutzten die Gelegenheit, Stichwort „orchIDEEN“ ging es um die un- fasst. 45 Jahre später – Willi Hennig starb, – über dieses Geburtstagsgeschenk hätte um ins Gespräch zu kommen, Fragen rund glaublich unterschiedlich geformten Blüten erst 63-jährig, im Jahr 1976 – umfasste sein sich Willi Hennig sicher besonders gefreut. um die Naturkunde zu diskutieren und alle der Orchideen und die manchmal ziemlich wissenschaftliches Lebenswerk 155 Publika- Das zu seinen Ehren benannte Insekt gehört Aspekte eines naturkundlichen Forschungs- fiesen Tricks, mit denen sie Tiere anlocken, tionen. Darunter das Werk, das seinen Ruhm zur Bernsteinsammlung des Museums, deren museums kennen zu lernen. die ihnen auch prompt in die Falle gehen. begründete: „Grundzüge einer Theorie der Aufbau Willi Hennig einst anregte und die Phylogenetischen Systematik“. inzwischen zu den weltweit bedeutendsten Willi Hennig arbeitete bis 1961 am Deutschen gehört.. Entomologischen Institut in Berlin. Als Berlin E geteilt wurde, packte er seine Sachen. Sein E In February 2013, the museum organised an Institut lag hinter der Mauer, er selbst ver- On April 20th 2013, Willi Hennig would have open house. Everyone was invited to visit ortete sich im Westen. Angebote, seine Kar- been 100 years old. The museum celebra- the museum and look behind the scenes. The riere in den USA fortzusetzen, schlug er aus. ted this special day with talks about the museum’s staff showed highlights of the coll- Stattdessen kam er nach Stuttgart an eine outstanding biologist in the Museum am ections and amused the visitors with fascina- eigens für auf ihn zugeschnittene Abteilung Löwentor. As birthday present, an insect of ting stories about their work at the museum. für Stammesgeschichtliche Forschung, wo er the amber collection, was named after Willi bis zu seinem Tod arbeitete und forschte. Hennig: Hyptia hennigi sp. nov..

48 49 12.5.: Internationaler 7./21.6: Schlosskonzerte Museumstag: Aktionstag Orchideen „TalkingDrums“ – beim 1. Schlosskonzert am 7. Juni brachte ein Percussion Ensemble Am 26.5. ging die große Orchideenausstel- mit Marimbas, Gongs, Tamtams, Becken und 15.6.: Tag der Artenvielfalt lung im Schloss Rosenstein zu Ende. Kurz vor Trommeln die Säulenhalle zum Schwingen. Schluss nutzte über 1000 Besucher noch ein- Beim 2. Schlosskonzert am 21. Juni unter- 1000 Arten in 14 Stunden im Botanischen die Poster studieren oder einen Blick durchs mal die Gelegenheit, die Ausstellung am In- hielten Rebecca Madeleine Katz und Monika Garten der Universität Hohenheim? Das war Binokular werfen. ternationalen Museumstag zu besuchen, den Prima Kolar das Publikum mit frechen Chan- die (selbst gelegte) Messlatte für den Tag der wir zu einem „Aktionstag Orchideen“ mach- sons und Couplets der Goldenen Zwanziger. Artenvielfalt am 15. Juni 2013. Bereits am Nachmittag war klar: Die magische ten. Es gab es Expertenführungen durch die Dass das nur mit vereinten Kräften zu schaffen 1000 wird übertroffen. Am Schluss hieß die Ausstellung und zu heimischen Orchideen mit sein würde, war klar. Denn fast noch schwie- Bilanz 1265 Tier- und Pflanzenarten! Mitar- den Botanikern Dr. Mike Thiv und Dr. Arno 23.8.: Sommerfest mit riger, als Arten zu finden, ist es, Experten für beiter des GBOL-Projektes S. 16 konnten al- Wörz sowie Kinderführungen durch das Mu- Open Air Kino Arten zu finden. Und die Zahl der Experten lein 193 Hymenopteren-Arten nachweisen. seum. Mitgebrachte Orchideen konnten unter bestimmt den Erfolg der Aktion wesentlich Auch für unsere wissenschaftlichen Projek- professioneller Anleitung umgetopft werden. Sommerfest im Schloss Rosenstein – eine mit. Deshalb machten das Museum und die te war etwas dabei: 26 Pteromaliden-Arten Ein Orchideenverkauf half vor allem denen, wunderbare Möglichkeit, das reichhaltige Universität Hohenheim gemeinsame Sache. wurden ebenso gebarcodet wie 41 Arten von die den gleichzeitigen Muttertag vergessen Angebot des Museums und seine Umgebung Unterstützung kam auch vom Entomologischen Spinnentieren. hatten.. Mit einer Orchidee konnte das schnell zu genießen und schließlich beim Open-Air Verein Stuttgart e.V. S. 46. wieder gut gemacht werden. Kino zu entspannen. Das Motto dieses Jahr: Unter den Augen zahlreicher Besucher mach- E Wald. Dazu der aktuelle Kinofilm „Das grüne ten sich die Experten an die Arbeit. Wer Lust At the biodiversity day, far more than 1000 Der „Aktionstag Orchideen“ war Teil eines Wunder – unser Wald“ und ein vielfältiges Fa- hatte, konnte sich auch einem der Forscher species were determined in the Botanical umfangreichen Begleitprogramms zur Aus- milienprogramm mit Rätseln, Quiz, Aktions- für einen Pirschgang durchs Gelände an- Garden of the University of Hohenheim. stellung. Eine Vortragsreihe brachte führende tischen und Waldführungen. Nirgends lassen schließen, im „Bestimmungshauptquartier“ Many experts helped to identify, for examp- Experten ans Museum, die ganz verschiedene sich die heimlichen Bewohner der heimischen am Portal von Schloss Hohenheim kurzen le, 193 hymenopteran species. The museum Aspekte der Ökologie und Evolution dieser Wälder leichter beobachten als im Museum. Vorträgen und Zwischenberichten lauschen, also profited by new species for the barco- faszinierenden Pflanzen rund um das zentrale Ob Hirsch, Wildschwein, Dachs oder Fuchs: ding project. Thema „Vielfalt durch Innovation“ beleuch- Viele von ihnen sind überwiegend nachtak- teten. Stark nachgefagt war „Orchideen hoch tiv. Weshalb wir die Waldnacht nach dem 2“, bei der wir die Ausstellung im Schloss mit Film noch mit begeistert aufgenommenen einer Führung durch das Orchideengewächs- Taschenlampenführungen fortsetzten. haus und hinter die Kulissen des Zoologisch- Botanischen Gartens Wilhelma kombinierten. E During 2013, the museum offered a diverse variety of events including an action day about orchids, concerts, and the summer party at Schloss Rosenstein with open-air cinema.

50 51 Leute

Forschung, Präparation, Ausstellung, Vermittlung, Verwaltung: Museum wird von Menschen gemacht. Einige unserer Wissenschaftler stellen wir Ihnen hier vor – Forscher, die das Haus durch ihre Arbeit jahrzehntelang geprägt haben und solche, die diese Arbeit mit neuen Akzenten fortführen.

Die mehr als 50 000 Präparate umfassen- stitut für Ökologie, Evolution und Diversität dende Säugetiersammlung des Museums ist der Goethe Universität Frankfurt. Genauso in neuen Händen. Dr. Stefan Merker ist seit heimisch wie in den Laboren der Universi- 1.10.2013 als Mammaloge und Leiter der täten ist Stefan Merker aber im tropischen Abteilung Zoologie am Museum. In der ers- Regenwald der südostasiatischen Insel Sula- ten Funktion tritt er die Nachfolge von Dr. wesi. Dort hat er bereits früh die Tiergruppe Doris Mörike an. Sie hat ihm eine wohl ge- gefunden, die bis heute im Zentrum seiner ordnete Sammlung hinterlassen, die nach Forschung steht und an der sich modellhaft 30 Jahre lang, von 1984 bis 2014, war Jahrzehnten im Dachgeschoss von Schloss sehr viele grundätzliche Fragen klären las- Dr. Andreas Schlüter für die herpetologische sen: Wie werden Inseln besiedelt? Wie kommt Sammlung des Museums verantwortlich, also es zur Bildung neuer Arten? Wie stabil sind für die Amphibien und Reptilien. Seit 1998 Artgrenzen? Wie unterscheiden sich die Ar- leitete er (zunächst kommissarisch) die Ab- Sein Nachfolger als Herpetologe ist seit ten ökologisch? Und schließlich: Wie lässt teilung Zoologie. Viele Jahre lang war er zu- 15.1.2014 PD Dr. Alexander Kupfer. Dessen sich Artenvielfalt erhalten? Stefan Merker sätzlich stellvertretender Direktor und leitete berufliche Laufbahn führte ihn nach dem untersucht solche Fragen an Koboldmakis, das Haus als solcher zwischenzeitlich auch Studium in Bonn und Kassel an zahlreiche kleinen nachtaktiven Primaten, die auf Sula- vor der Berufung von Prof. Dr. Johanna Eder Stationen: Wissenschaftlicher Mitarbeiter wesi mit mehreren Arten vorkommen. Einige zur Direktorin im Jahr 2002. an der Technischen Universität Darmstadt, davon hat er dabei neu entdeckt; sie waren Postdoc am Natural History Museum London, der Wissenschaft vorher völlig unbekannt. Andreas Schlüter hat die herpetologische dann wieder in Deutschland an den Universi- Andersartige Rufe gaben erste Hinweise auf Sammlung konsequent geordnet und er- täten Jena, Siegen und zuletzt Potsdam, wo ihre Existenz. Genetische Untersuchungen schlossen. Dazu gehören unter anderem die er 2011-13 den Lehrstuhl Allgemeine Zoolo- verschafften Gewissheit. komplette digitale Erfassung, die Georeferen- gie und Evolutionsgenomik vertrat und sich Die Koboldmakis werden Stefan Merker wei- zierung vieler Belege und der Typenkatalog. 2011 habilitierte. ter beschäftigen. Andere Forschungsprojekte Als Forscher hat ihn Amazonien geprägt: Von Seine ersten wissenschaftlichen Projekte kommen dazu, wie zum Beispiel eines über bleibendem Wert sind insbesondere seine begannen direkt vor der Haustür: Besonders die Evolution der Afrikanischen Elefanten, das systematischen und ökologischen Langzeit- intensiv hat sich Alexander Kupfer mit der auch eine wichtiges naturschutzpraktisches studien an den Amphibiengemeinschaften Biologie des Kammmolchs auseinanderge- Rosenstein seit dem Umzug in ein modernes Ziel verfolgt: Effektive Methoden zu entwi- des peruanischen Regenwaldes. Diese For- Fahrregalmagazin im Museum am Löwentor ckeln, um zu erkennen, aus welcher Region schungen sind auch direkt in die biologische E auch kuratorisch gut aufgestellt ist. In der eine beliebige Elfenbeinprobe stammt. Damit Ausstellung im Schloss Rosenstein eingeflos- Since last October, the mammalian collec- zweiten Funktion ist er Nachfolger des Her- lässt sich zum Beispiel der illegale Handel sen: Ohne seine Erfahrung und das von ihm tion has a new curator. Dr. Stefan Merker petologen Dr. Andreas Schlüter. mit Elfenbein bekämpfen. gesammelte Material wäre die Amazonien- came to succeed Dr. Doris Mörike. However Stefan Merker hat in Göttingen und Santa Inszenierung im Tropenraum nicht zu reali- he also follows in the steps of Dr. Andreas Barbara (Kalifornien) studiert und anschlie- sieren gewesen. Dank Andreas Schlüter spie- Schlüter as head of the department zoolo- ßend in Göttingen promoviert. Anschließend gelt sie nun die vielfältigen und komplexen gy. Andreas Schlüter ran the herpetological war er als Postdoc an der Universität Mainz ökologischen Beziehungen dieses einmaligen collection for 30 years. His successor is PD und als Wissenschaftlicher Assistent am In- Lebensraums eindrucksvoll wider. Dr. Alexander Kupfer.

52 53 setzt – seine Ergebnisse sind für die Erhal- Fossile Fische aus allen Erdzeitaltern und tung der gefährdeten Art von grundlegender für die Erdneuzeit (also die letzten 66 Mil- Bedeutung. Seine große Erfahrung mit der lionen Jahre), zusätzlich auch noch Amphi- heimischen Fauna fließt jetzt direkt in ein bien, Reptilien und Vögel – das waren die Langzeitprojekt zum Monitoring der Amphi- Sammlungen, die der Geologe und Paläon- bien und Reptilien Baden-Württembergs ein, das vom Museum zusammen mit der Landesan- stalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) geleitet wird. Dr. Erin Maxwell, seit 7.1.2014 als seine Prof. Dr. Bernhard Ziegler ist der Vater des Primär gilt sein wissenschaftliches Interesse Nachfolgerin am Museum, hat im Jahr 2008 Museums am Löwentor. Konsequent und be- aber den „unbekannten Dritten“ unter den an der McGill University in Montreal über die harrlich hat er seit seinem Amtsantritt als Amphibien, den neben Froschlurchen und Evolution der Ossifikation bei Vögeln promo- Direktor des Museums (und gleichzeitig Pro- Schwanzlurchen meist vergessenen tropischen viert, also den Ablauf von Verknöcherungs- fessor für Paläontologie an der Universität Blindwühlen (oder Schleichenlurchen – so die prozessen – ein Thema von fundamentaler Stuttgart) im Jahr 1969 darauf hingearbeitet. von Alexander Kupfer bevorzugte Bezeichnung Bedeutung zum Verständnis von Wachstum. Im Jahr 1985 war er am Ziel: Das jahrzehn- für die wurm- oder schlangenartig ausseh- Es folgte ein Forschungsaufenthalt an der telange Nachkriegs-Exil in der Ludwigsburger enden unterirdisch lebenden Amphibien). Hier University of Alberta. Von 2010-12 arbeitete Arsenalkaserne war zu Ende. Die dort zum Teil gelangen ihm sensationelle Entdeckungen sie als Humboldtstipendiatin hier am Muse- vom Zerfall bedrohten Sammlungen zogen in zum Beispiel zur Brutpflege der oft lebend um, dann 14 Monate im Paläontologischen großzügig dimensionierte, nach aktuellen gebärenden Tiere: Bei einigen Arten ernäh- Institut und Museum der Universität Zürich. Standards gebaute Magazine. Wissenschaftler ren sich die Nachkommen von der Haut der Erin Maxwells wissenschaftliches Interesse und Präparatoren erhielten moderne Labore Mutter, die sie mit einem hoch spezialisier- gilt in erster Linie der Evolution und Biologie und Arbeitsräume – und die Besucher mit dem ten Gebiss in Fetzen abreißen. wasserlebender Wirbeltiere, und hier vor allem auch architektonisch gelungenen Museums- Am Museum wird Alexander Kupfer Forschung grundsätzlichen Fragen zur Veränderung im neubau wieder das, was das Museum bereits an Schleichenlurchen und anderen grabenden tologe Dr. Ronald Böttcher bis zu seiner Körperbau über lange Zeiträume. Bevorzugte im 19. Jahrhundert berühmt gemacht hat- Amphibien und Reptilien weiter vorantreiben. Pensionierung am 1.10.2013 betreute. Hier Forschungsobjekte sind die Fischsaurier. Un- te: Die spektakulären Funde aus der Urzeit. Gleichzeitig plant er zahlreiche neue Projekte lagen auch seine Forschungsschwerpunkte. sere exzellente Ichthyosaurier-Sammlung hat Als Mann der Wissenschaft (Schwerpunkt: Am- zusammen mit der Arbeitsgruppe des Saurier- In letzter Zeit untersuchte er in erster Linie Erin Maxwell die Entscheidung, nach Stuttg- moniten des Weißen Juras) und Lehrbuchau- experten Rainer Schoch. Die Verbindung von die Vielfalt und Ökologie der Fische des un- art zu kommen, sicher ebenso leicht gemacht tor setzte Bernhard Ziegler ebenso Maßstäbe Biologie und Paläontologie lässt spannende teren Keupers, als Baden-Württemberg kaum wie die Möglichkeit, die paläo-biologische wie mit dieser neuen umfassenden Schau zur Ergebnisse erwarten! über Meeresniveau lag, so dass Ronald Bött- Arbeitsgruppe um den Saurierexperten Dr. Erdgeschichte Südwest-Deutschlands. Mit der cher ganz verschiedene Artengemeinschaften Rainer Schoch und den Herpetologen Dr. Neugestaltung der Ausstellung in den letzten aus Süß-, Brack- und Salzwasser rekonstru- Alexander Kupfer zu verstärken. Jahren, die ihm gut gefallen hat, führen wir ieren konnte. Bei größeren Forschungspro- seine Arbeit mit neuen Akzenten fort. 2015 jekten zur Flora und Fauna von Fundstellen E planen wir die Wiedereröffnung des Eiszeit- aus der Erdneuzeit war er als Experte für die A further new staff member of the museum bereichs. Gerne hätten wir ihn dann wieder „niederen“ Wirbeltiere ein gefragter Partner. is Dr. Erin Maxwell. She came as successor in unserer Mitte gehabt, wie bei fast allen Ehrenamtlich wird er weiter für das Museum of Dr. Ronald Böttcher and her research fo- Ausstellungseröffnungen seit seiner Emeri- tätig sein. Große Meriten hat sich Ronald cuses on ichthyosaurs. tierung im Jahr 1994. Darauf müssen wir nun Böttcher auch als Redakteur unserer wissen- Last summer, the museum sustained a great verzichten. Am 17. Juli 2013 ist Bernhard schaftlichen Fachzeitschrift erworben, den loss – Prof. Dr. Bernhard Ziegler passed away. Ziegler im Alter von 83 Jahren verstorben. „Stuttgarter Beiträgen zur Naturkunde, Serie He was director of the museum from 1969 Wir verdanken ihm viel. B", seit 2008 „Palaeodiversity“. to 1994 and initiator of the Museum am Lö- wentor, which opened in 1985.

54 55 Förderer

Keine Pause nach dem 100jährigen Jubiläum: Auch im 101. Jahr ihres Bestehens ist die Gesellschaft zur Förderung des Naturkundemuseums auf vielen Feldern aktiv. Ihr verdankt das Museum zahlreiche Objekte für Forschung und Ausstellung, in diesem Jahr zum Beispiel eine wissenschaftlich enorm ergiebige Sammlung von Insekten in Bernstein S. 12. Monti ist da

Dank an Dr. Wolfram Freudenberg Zum Jubiläum der Gesellschaft – 2012 wur- de sie hundert – schenkten die Förderer dem Fast 30 Jahre hat Dr. Wolfram Freudenberg Museum zwei Mammuts, beeindruckend re- die Gesellschaft zur Förderung des Naturkun- alistische Nachbildungen der Eiszeitriesen. demuseums Stuttgart e.V. als 1. Vorsitzender Wir sind sicher, dass sie schnell zu Publi- geprägt, vom Jahr 1985 (der Eröffnung des kumslieblingen werden, sobald sie die Mam- Museums am Löwentor) bis zum Jahr 2013 mutsteppe bevölkern. (nach dem Hundert-Jahr-Jubiläum der Ge- Verbunden war das Geschenk mit einer Spen- sellschaft). Er erwies sich dabei als souve- denaktion, um die Mammutfamilie zu kom- räner und besonnener Steuermann auch in E plettieren. Die große Spendenbereitschaft turbulenten Zeiten. Unter seiner Führung The mammoth baby Monti is ready for the für Monti, das Mammutbaby hat uns sehr wuchs die Bedeutung des Vereins als wich- Tagesordnung in interessanten Diskussionen museum. Monti, which was sponsored by gefreut. Jetzt wartet Monti – 9 Monate alt, tiger Partner des Museums stetig. Gezielt über naturkundliche Themen und Beobach- friends and visitors of the museum, will be 90 cm hoch, 100 kg schwer, 58 cm Rüssel- und konsequent entwickelte Wolfram Freu- tungen. Prof. Bernhard Ziegler, der damalige presented to the public in 2015. länge – bereits im Magazin des Museums auf denberg die Gesellschaft weiter und achte- Direktor des Museums, hatte also einen idea- In 2013, many interesting lectures and ex- seinen Einsatz. Im Jahr 2015 ist es so weit. te vor allem darauf, dass sämtliche Bereiche len Anknüpfungspunkt, als im Jahr 1985 ein cursions were offered. Dann eröffnen wir den neu konzipierten Eis- des Museumslebens wohl austariert bedacht neuer Vorstand gesucht wurde. Schnell war zeitbereich im Museum am Löwentor. wurden. Neben dem traditionell verankerten Wolfram Freudenberg mit „seinem" Museum gezielten Ankauf herausragender Sammlungs- aber auch menschlich herzlich verbunden – stücke und den Zuschüssen für Forschungs- und das Museum mit ihm. Vorträge und Exkursionen 21.6. Schlosskonzert Katz & Kolar – Chan- reisen und für Publikationen fördert die Ge- Wir sind Wolfram Freudenberg für sein un- sons und Couplets. Im Vorprogramm be- sellschaft inzwischen auch Ausstellungen ermüdliches Engagement für das Museum 16.2. Expertenführung durch die Orchide- richtete Dr. Friederike Woog über ihre For- und öffentlichkeitswirksame Aktionen. Im überaus dankbar. Durch raffinierte Abschieds- enausstellung mit Dr. Mike Thiv. schungsreisen nach Madagaskar. Jahr 2008 wurde eine Geschäftsstelle ein- geschenke – spezielle Exkursionen mit den gerichtet und die Zahl der Mitglieder stieg Forschern des Museums – haben wir aber 17.3. Expertenführung durch den neuen 30.6. Besuch der Großen Landesausstel- wenig später auf über 1000. sicher gestellt, dass er uns nicht ganz ver- Dauerausstellungsbereich „Paläozoikum“ lung „Bodenlos“ im Staatlichen Museum Wieso kümmert sich ein beruflich enorm ein- loren geht. mit Dr. Günter Bechly. für Naturkunde Karlsruhe. gespannter Bankier und Wirtschaftsführer Zum Nachfolger von Wolfram Freudenberg so intensiv um die Belange eines Museums wurde bei der Mitgliederversammlung am 7.6. Schlosskonzert TalkingDrums-Percus- 27.7. Auf den Spuren der Saurier. Famili- – selbst wenn dieses zu den großen und be- 27.11.2013 Dr. Christoph Gritzka gewählt. sion-Ensemble. Vorprogramm für Förde- enführung mit Dr. Rainer Schoch. deutenden Naturkundemuseen Europas zählt? rer mit Dr. Michael Rasser: Grabungs- und Den Ausschlag gab zunächst sicher das Fach- Forschungsarbeiten rund um das Rande- 27.11. Mitgliederversammlung, anschlie- liche. Ob Fossilien, Mineralien, Orchideen oder E cker Maar. ßend Vortrag von Dr. Günter Bechly: Sen- steinzeitliche Artefakte – für all das begeis- Dr. Wolfram Freudenberg was chairman of the sationelle Neufunde fossiler Insekten im tert sich Wolfram Freudenberg. Manche Vor- society of friends and patrons of the natural kreidezeitlichen Burma-Bernstein. standssitzung endete nach Abarbeitung der history museum for nearly three decades.

56 57 Zu guter Letzt

Wer war der Täter? Das ist nicht nur die klassische Krimifrage, sondern treibt auch Paläontologen um. Wie die Tatort-Ermittler haben sie oft nur kleinste Indizien, um schlüssige Antworten zu finden. Das Rätsel, das hier und heute gelöst wird: Wer war der Schneckenmörder im See von Steinheim vor 15 Millionen Jahren?

Das Steinheimer Becken, ein durch einen ten Gesteinsschicht. Kleinere und fragilere Meteoriteneinschlag entstandener Krater Gehäuse aus anderen Schichten waren nicht auf der Ostalb, ist bekannt für seine Schne- betroffen. Die relativ regelmäßigen Löcher cken. Beim Graben stößt man noch heute auf kommen auch nur an bestimmten Stellen der „Schneckensande", die überwiegend aus den Gehäuse vor. Weiters gab es „unvollständige wenige Millimeter großen Gehäusen von Tel- Löcher": Kratzspuren und Dellen. lerschnecken der Gattung Gyraulus bestehen. Wer war's? Michael Rasser stand vor einem Sie müssen im Kratersee unglaublich häufig Rätsel. Dabei lagen die Tatwerkzeuge direkt gewesen sein. Berühmt wurden die Schne- daneben, wie ihm und seinem amerikanischen cken aus Steinheim aber nicht wegen ihrer Kollegen Alan Covich später dämmerte: Die Förderer werden! Zahl, sondern weil sich hier Evolution direkt fossilen Schlundzähne von Schleien! Die Fi- nachvollziehen lässt: Aus einer Stammart sche hatten die Schnecken geschluckt und Eine Mitgliedschaft in der Gesellschaft zur Museum am Löwentor. Sie erhalten über das entwickelten sich im Lauf der Zeit 16 Arten! versucht, die Gehäuse mit den Schlundzäh- Förderung des Naturkundemuseums hat viele zweimonatlich erscheinende Veranstaltungs- nen zu knacken. Manche Schalen waren so Vorteile. Das Engagement der Förderer gibt programm Einladungen zu vielen Veranstal- Welche Faktoren waren dafür ausschlagge- stabil, dass nur Löcher und Kratzer entstan- dem Museum seit über 100 Jahren Spielraum, tungen: Ausstellungseröffnungen, Previews, bend? Diese Frage beschäftigt die Wissen- den. Auch diese Schnecken überlebten die wertvolle und spektakuläre Sammlungsobjekte Vorträge und Sonderführungen und Exkur- schaft seit 150 Jahren und hat auch Dr. Mi- Attacken aber nicht: Es gab keine Gehäuse für Ausstellung und Forschung zu beschaffen. sionen mit Wissenschaftlern des Museums. chael Rasser in ihren Bann gezogen. Ihm mit verheilten Löchern. Der Eintritt in den Stuttgarter Science Pub fielen bei der Sichtung zahlreicher Gehäuse Was machen Schleien heute, wenn sie auf Den Förderern verdanken wir einmalige In- ist ebenfalls frei. Viele freuen sich besonders winzige Löcher mit einem Durchmesser von solche Beute treffen? Sie stürzen sich ge- sekten in Bernstein ebenso wie den großen über die aktuellen Bände der populärwissen- weniger als einem Millimeter auf. Zufall? Wohl zielt auf leichtere Beute. Anders werden es fossilen Wal im Schloss Rosenstein. Der far- schaftlichen Serie C der Stuttgarter Beiträge kaum! Durchlöchert waren nämlich nur mas- die Schleien vor 15 Millionen Jahren auch benprächtige Einblick in die Unterwasserwelt zur Naturkunde – in dieser Reihe erscheint sive und rundliche Gehäuse einer bestimm- nicht gemacht haben. Weil dünne Schalen der Weißjura-Zeit gehört zu den Highlights auch dieser Jahresbericht. beim Fressen komplett zerstört werden, feh- im Museum am Löwentor und hat schon Hun- E len sie unter den Fossilien. derttausende von Besuchern begeistert. Das Mitgliedsbeitrag pro Jahr: The mystery of the snail murderer seems to be Damit haben wir eine schlüssige Erklärung sind nur einige von vielen Projekten, die es Einzelmitglied 28.-/ Familienmitglied 38.-/ resolved – doctor fishes were the offenders. für die Entstehung dicker Schalen und kräf- ohne die Förderer nicht gegeben hätte. Aber ermäßigt 12.-/ Firmen 120.- Therefore snails from the Steinheimer Becken tiger Skulpturen bei der Evolution der Stein- der finanzielle Beitrag ist nicht das einzige, evolved thicker shells to protect themselves heimer Schnecken: Sie boten einen Schutz worüber wir uns im Museum freuen. Es sind against their fish predators. vor Räubern. der Schwung und die Freude, mit der viele E Mitglieder unsere Arbeit begleiten und an Join the society of friends and patrons of the vielen Stellen auch tatkräftig unterstützen. natural history museum and enjoy numerous advantages ranging from free admission to Als Förderer haben Sie oder Ihre ganze Fa- Schloss Rosenstein and Museum am Löwen- milie freien Eintritt in unsere beiden Aus- tor to special guides and excursions with re- stellungsgebäude Schloss Rosenstein und searchers from the museum.

58 59 Museum in Zahlen

Besucher im Jahr 2013 Drittmittelgeber (Forschung) Mitarbeiter des Naturkundemuseums... Mitarbeiter des Museums sind Insgesamt 205 033 Bundesamt für Naturschutz (BfN); Bundes- ... publizierten 123 ­fachwissenschaftliche ­Redakteure oder (Mit)Herausgeber Museum am Löwentor 123 864 ministerium für Wissenschaft und Forschung und 24 ­populärwissenschaftliche Artikel folgender­ Zeitschriften Museum Schloss Rosenstein 81 169 (BMBF); Deutscher Akademischer Austausch- und Buchbeiträge intern: Schüler in Schulklassen 23 148 (11,2 %) dienst (DAAD); Exzellenzinitiative II „Global ... leiteten/organisierten 17 Exkursionen (darunter­ Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde Change and Globalisation“, Universität Heidel- 4 populärwissenschaftliche) Serie A (Biologie): Hans-Peter Tschorsnig Zweigstellen: 23 574 berg; Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG); ... hielten 30 wissenschaftliche und 49 popu- Serie C (Wissen für alle): Ulrich Schmid Museum im Kräuterkasten, Albstadt 1 915 HJB Charitable Trust; Landesanstalt für Umwelt, lärwissenschaftliche ­Vorträge am Museum und Palaeodiversity: Günter Schweigert Federseemuseum, Bad Buchau (anteilig) 5 148 Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg anderen Institutionen Dokumentarischer Jahresbericht: Johanna Eder Museum für Brückenbau, Braunsbach 586 (LUBW); Ministerium für Ländlichen Raum und … präsentierten 38 Vorträge und 13 Poster auf Meteorkrater-Museum, Steinheim a.A. 3 770 Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR nationalen und internationalen Tagungen extern: Urmensch-Museum, Steinheim Murr 4 617 B.-W.); Naturschutzfonds; Portuguese Science ... nahmen 8 Lehraufträge wahr an den Univer- Aquatic Insects – International Journal of Heimatmuseum Auberlehaus, Trossingen 7 406 Foundation; Sino-German Center for Research sitäten Bonn, Heidelberg, Hohenheim, Jena, Fresh­water Entomology: Arnold Staniczek Hohenloher Urweltmuseum, Waldenburg 132 Promotion; Stiftung Energie und Klimaschutz Stuttgart und Tübingen Fossilien: Günter Schweigert B.-W.; VW-Stiftung; Synthesys (EU); World Wide ... betreuten 78 Wissenschaftler aus dem In- und Insect Systematics & ­Evolution: Lars Krogmann Museumspädagogik Fund For Nature (WWF). 65 aus dem Ausland Mitteilungen des ­Entomologischen Führungen für Vorschulkinder 64 ... organisierten 8 wissenschaftliche Tagungen, ­Vereins Stuttgart: Johannes ­Reibnitz Themenorientierte Führungen Haushalt Symposien und Workshops und Wolfgang Schawaller und Projekte für Schüler 594 Zuschuss des Landes Neues Jahrbuch für Geologie und Palä­ontolo- Führungen für Erwachsene, (Haushaltsmittel) 6 655 100,- Fundbergungen, Grabungen, gie: Günter Schweigert öffentliche Familienführungen etc. 256 Zusatzmittel des Landes 223 500,- Exkursionen und Forschungsreisen Paläontologische Zeitschrift: Museumspädagogische Projekte und Personalausgaben 6 135 000,- Deutschland: zahlreiche Regionen in Baden- Michael W. Rasser Aktionen (öffentliche Museumsstunden, Einnahmen (Eintritt, Führungen, Württemberg (Argen, Gäu, Hohenlohe, Schur- Ferienprogramme, Kindergeburtstage etc.) 646 Vermietungen etc.) 488 000,- wald, Schwarzwald, Schwäbische Alb, Schwä- In Redaktionsbeiräten / Editorial­ Boards Museumspädagogischer Dienst der Drittmittel für Forschung 459 004,- bischer Wald, Schwäbisch-Fränkischer Wald), ­wissenschaftlicher Zeitschriften arbeiten mit: Stadt Stuttgart (Führungen und Projekte) 227 weitere Drittmittel 14 000,- Niedersachsen, Nusplingen (Forschungsgra- G. Bechly, J. Eder, M.W. Rasser, I. Rich- Seminare und Veranstaltungen für Aus- bung), Vellberg (Forschungsgrabung) ling, W. Schawaller, U. Schmid, R. Schoch, und Weiterbildung 26 Mitarbeiter (Voll- und Teilzeit) Europa: Niederlande, Portugal, Spanien, G. Schweigert, F. Woog, A. Wörz, R. Ziegler Unbefristet angestellt 104 Schweiz Förderer, Sponsoren und Partner davon Wissenschaftler 22 Außereuropäisch: Australien, China, Costa (Ausstellungen und Vermittlung) davon Präparatoren 24 Rica, Mexiko, Peru, Saudi-Arabien, USA, Deutsche Orchideen-Gesellschaft e.V. Landesgruppe davon Museumspädagogik und Tasmanien Württemberg; Geo; Gesellschaft für Naturkunde in Ausstellungen 8 Württemberg e.V.; Klett MINT GmbH; Naturkunde- Befristet angestellt 45 museum Erfurt; Pflanzen Kölle Fellbach;Stiftun - davon Postdoc 1 gen Landesbank Baden-Württemberg; Wilhelma davon wissenschaftliche Volontäre: 13 Stuttgart; Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart davon technische Volontäre 2 (VVS); Verband Deutscher Präparatoren e.V. davon Drittmittelbeschäftigte 10 Ehrenamtlich 181

60 61 Impressum Lieferbare Hefte

Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde 4 Ammoniten, 3.– 5 Pflanzenwelt im Wandel, 3.– 6 Meteorite und Meteorkrater, 3.– Serie C – Wissen für alle, Band 79, 2014 9 Beuteltiere, 3.– 10 Vogelnester und Gelege, 4.– 12 Flechten, 4.– 13 Höhlen, 3.– Herausgeber: Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart und 14 Winterschlaf, 3.– 15 Der Mensch im Eiszeitalter, 3.– 16 Staatenbildende Insekten und ihre Gesellschaft zur Förderung des Naturkundemuseums in Stuttgart e.V. Bauten, 4.– 17 Asseln, 3.– 20 Vulkanismus, 4.– 21 Das Museum am Löwentor, 3.– 22 Umwelt © 2014, alle Rechte vorbehalten in Gefahr, 3.– 23 Der Weiße Jura der Schwäbischen Alb, 4.– 25 Das Stuttgarter Quartär, 4.– 26 Spinnentiere, 4.– 27 Führer durch das Museum am Löwentor, 4.– 28 Das Bernstein-Kabinett, Redaktion: Ulrich Schmid 5.– 29 Heilpflanzen, 4.– 30 Aus der Geschichte des Stuttgarter Naturkundemuseums, 4.– Gestaltung: Reimund Baumann 31 Bilder aus der Geschichte des Stuttgarter Naturkundemuseums, 3.– 32 Mineralien in der Druck: Ungeheuer und Ulmer, Ludwigsburg Technik, 4.– 33 Das Tertiär in Südwestdeutschland, 4.– 34 Schloß und Park Rosenstein, 4.– 36 Der Posidonien-Schiefer und seine Fossilien, 4.– (vergriffen) 37 Wirbellose Meeresbewohner, Lieferbar nur vom Herausgeber. 6.– 38 Die Pflanzenwelt Australiens, 4.– 39 Miozäne Großsäugetiere, 4.– 40 Auf gläsernen Herausgeber, Redaktion und Autoren sind zu erreichen unter: Schwingen: Schwebfliegen, 5.– 41 Mythos Schlange, 5.– 42 Parasiten, 5.– 43 Das Randecker Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart Maar, 6.– 44 Urmenschen, 5.– 45 Nusplinger Plattenkalk, 6.– (vergriffen) 46 Tiere im Stadtpark, Rosenstein 1, 70191 Stuttgart, Tel 0711/ 89 36-0, Fax 0711/ 89 36-100 7.– 47 Natur in der Stadt, 7.– 48 Regenwald, 7.– 49 Ur-Geziefer, 7.– 50 Indikator Flechte, www.naturkundemuseum-bw.de 7.– 51 Frösche und Co., 7.– 52 Mammut & Höhlenbär, 7.– 53 Eintagsfliegen, 7.– 54 Jahres- bericht 2002, 1.– 55 Jahresbericht 2003, 1.– 56 Farben der Natur, 7.– 57 Jahresbericht 2004, 1.– 58 Käfer in Holz, 7.– 59 Mineralien, 7.– 60 Jahresbericht 2005,1.– 61 Kupferzell, 7.– 62 Jahresbericht 2006, 1.– 63 Schloss Rosenstein, 7.– 64 Jahresbericht 2007/2008, 1.– 65 Gehölze, 7.– 66|67 Evolution, 12.– 68 Jahresbericht 2008/2009, 1.– 69 Jahresbericht 2009/2010, 1.– 70 Grad°wanderung, 10.– 71 Jahresbericht, 2010/2011, 1.– 72 SEX, 10.- (vergriffen) 73 100 Jahre, 5.- 74 Orchideen, 7,- (vergriffen) 75 Jahresbericht, 2011/2012, 1.– 76 Jahres-bericht, 2012/2013, 1.– 77 Fische im Süßwasser, 7.- 78 Unser Bodensee, 7.- Bildquellen

R. Baumann 6, 7 (m.), 11, 15 (l,r.); G. Bechly 14 (o.); H. J. Beker 24 (o.,r.); G. Bernhardt 55 Heft Nr. Titel, Preis (r.); C. Coete 41 (o.); J. Dynowski 44; U. Eberhardt 24 (l.); S. Ellenberger 12; Unternehmens- gruppe Freudenberg 56; N. Hammerschmidt / A. Schlüter 41 (m.,u.); J. Holstein 16, 17 (u.); Bestellung: C. König 21 (l.); T. Kothe 16; C. Krause 38; S. Leidenroth 33 (u.), 42, 59, 60-63; O. Maaß Gesellschaft zur Förderung des Naturkundemuseums Stuttgart 43; M. Nebel / N. Schütz 25; M. Pallman / A. Staniczek 28, 29, 30; J. Panninger 4 (r.), 9 (o.), Rosenstein 1, 70191 Stuttgart 45; F. Plachetta 46; M. Rasser 35; M. Rech 8 (o.), 36, 51, 58; J. Reibnitz 17 (o.), 18, 19, Mail: [email protected], Telefon: 0711/89 36-115, Fax: 0711/ 89 36-100 21 (r.), 40 (m.); I. Richling 22; A. Roth-Nebelsick 34; M. Sauer 15 (o.); W. Schawaller 40 (o.,u.); A. Schlüter / N. Hammerschmidt 41 (m.,u.); U. Schmid 14 (o.), 20, 23, 27, 47 (u.), Lieferung erfolgt gegen Rechnung 50; F.X. Schmidt 14 (u.), 54; R. Schoch 5 (r.), 31; G. Schweigert 32, 33 (o.), 37; N. Schütz 20% Rabatt ab 10 Exemplaren einer Nummer / M. Nebel 25; G. Stephan 53 (o.); U. Stübler 8 (u.), 9 (u.), 57; M. Nebel 25 (u.); A. Stani- czek / M. Pallman 28, 29, 30; A. Staniczek 39, 48 (o.), 49 (o.), 52, 53 (r.), 55 (o.,l.); V. Wäh- nert 26; M. Wahler 10; H. Weik 48 (u.); T. Wilhelm 2-3, 4 (l.), 7(o.,u.), 47(o.), 48 (u.); K. Wolf-Schwenninger 5 (r), 13, 49

Umschlagsgestaltung: J. Bergener; Coverfoto: K. Wolf-Schwenninger; Umschlag vorne: K. Wolf- Schwenninger, J. Reibnitz; Umschlag hinten: K. Wolf-Schwenninger, Gebäudeaufnahmen R. Harling

62 63 Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart Am Löwentor

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