Michael Stolberg

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Michael Stolberg Gute medizinische Sterbebegleitung und ein menschen- würdiger Tod besitzen in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Auch in früheren Jahrhunderten bemühten Michael Stolberg sich Ärzte und Pflegekräfte, den Sterbenden einen qualvollen Tod zu ersparen – nur wissen wir darüber noch sehr wenig. Die Geschichte der Dieses Buch verfolgt erstmals die Geschichte der Palliativ- medizin von der Renaissance bis zur Gegenwart. Anhand Palliativmedizin zahlreicher gedruckter und handschriftlicher Quellen beschreibt es die lange Tradition der Sorge um das Medizinische Sterbebegleitung körperliche und seelische Wohl der Sterbenden ebenso wie die alltägliche Praxis am Sterbebett. von 1500 bis heute Der Autor untersucht auch die Ausführungen von Sterbenden und ihren Angehörigen und beleuchtet den Umgang mit ethischen Fragen, die bis heute nichts von ihrer Dringlichkeit verloren haben. Die Geschichte der Palliativmedizin Die Geschichte Michael Stolberg www.mabuse-verlag.de ISBN 978-3-940529-79-4 Mabuse-Verlag Die Geschichte der Palliativmedizin Der Druck dieser Publikation wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziell unterstützt. Michael Stolberg, geb. 1957, hat in München Medizin studiert und zunächst als Arzt in der Inneren und der Intensivmedizin gearbeitet. Nach einer Zweit- promotion in Geschichte und Philosophie widmete er sich ganz der Medzin- geschichte und veröffentlichte zahlreiche Beiträge und mehrere Bücher zu verschiedenen Aspekten der Sozial- und Kulturgeschichte der Medizin. Seit 2004 ist Michael Stolberg Professor für Geschichte der Medizin an der Universität Würzburg. Michael Stolberg Die Geschichte der Palliativmedizin Medizinische Sterbebegleitung von 1500 bis heute Mabuse-Verlag Frankfurt am Main Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar. Informationen zu unserem gesamten Programm, unseren AutorInnen und zum Verlag finden Sie unter: www.mabuse-verlag.de. Wenn Sie unseren Newsletter zu aktuellen Neuerscheinungen und anderen Neuigkeiten abonnieren möchten, schicken Sie einfach eine E-Mail mit dem Vermerk „Newsletter“ an: [email protected]. elektronische Auflage 2015 © 2011 Mabuse-Verlag GmbH Kasseler Str. 1 a 60486 Frankfurt am Main Tel.: 069-70 79 96-13 Fax: 069-70 41 52 [email protected] www.mabuse-verlag.de Satz: Björn Bordon/MetaLexis, Niedernhausen Umschlaggestaltung: Caro Druck GmbH, Frankfurt am Main Umschlagabbildung: Louis Hersent (1777–1860), Bichat mourant assisté par les docteurs Esparon et Roux (mit freundlicher Genehmigung des Musée de l’Histoire de la Médecine, Paris)/Archives Charmet/The Bridgeman Art Li- brary eISBN: 978-3-86321-249-0 ISBN: 978-3-940529-79-4 Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten Inhalt Einleitung 7 Teil I: Die Frühe Neuzeit (1500–1800) 21 Unheilbare und Sterbende im ärztlichen Schrifttum 21 Cura palliativa. Archäologie eines modernen Begriffs 28 Ärztliche Sterbebegleitung: Cura mortis palliativa und Euthanasia medicinalis 43 Palliativmedizinische Praxis 51 Ärztliche Sterbebegleitung als professionspolitisches Dilemma 57 Ethische Herausforderungen 67 Gezielte Lebensverkürzung 67 Unabsichtliche Lebensverkürzung 74 Behandlungsverzicht 77 Ärztliche Moral und Laienkultur 83 Die Wahrheit am Krankenbett 85 Sterbeerfahrung und Sterbebegleitung im Alltag 91 Jenseitshoffnungen und die „letzte Stunde“ 91 Subjektive Erfahrung 96 Die Grauen des Sterbens 98 Behaustes Sterben 100 Die normativen Zwänge der Sterbekunst 104 Der plötzliche Tod 107 Bei wachem Verstand 108 Ärzte und Geistliche am Sterbebett 110 Teil II: Das Industriezeitalter (1800–1945) 117 Aufstieg und Niedergang der Euthanasia medica 119 Palliative Behandlungspraxis 132 Palliative Operationen 140 Pflege 144 Der Arzt als Seelsorger 149 5 Ethische Kontroversen 153 Aktive Sterbehilfe 156 Ungewollte Lebensverkürzung und Therapiebegrenzung 170 Konflikte zwischen Ärzten und Laien 175 Ein Recht auf Wissen? Die Mitteilung infauster Prognosen 178 Die Patientensicht 186 Sterben in der Institution 192 Vom Hospital zum Krankenhaus 192 Kein Platz für hoffnungslose Fälle 197 Unheilbarenhäuser 202 Einrichtungen für Krebskranke 210 Einrichtungen für Tuberkulöse 216 Tod im Krankenhaus – die Patientenperspektive 219 Die ersten Sterbehospize 226 Teil III: Die Zeit nach 1945 233 Die Anfänge der Hospizbewegung 237 Die ersten Palliativstationen 241 Ambulante Palliativmedizin 245 Die Patientenperspektive 247 Schluss: Kontinuität und Wandel 251 Medikalisierung 258 Tabuisierung 261 Stigmatisierung 266 Auswahlbibliografie 279 Index 295 6 Einleitung Einleitung Sterbebegleitung und Palliativmedizin genießen heute in Medizin, Öffent- lichkeit und Politik große Aufmerksamkeit. Kaum ein anderes Feld der mo- dernen Gesundheitsversorgung weist eine vergleichbare Dynamik auf und findet ähnliche gesellschaftliche Resonanz. Tausende von Hospizen, Pallia- tivstationen und anderen Einrichtungen zur Versorgung Todkranker und Sterbender sind in den letzten Jahrzehnten entstanden, und ihre Zahl wächst weiter. Immer mehr Menschen können heute ihr Leben in Würde und ohne unerträgliche körperliche Qualen unter der fachkundigen Betreuung pallia- tivmedizinisch geschulter Pflegekräfte und Ärzte beschließen. Die Pallia- tivmedizin ist zu einem eigenständigen Fachgebiet geworden, dessen Ver- treter sich in nationalen und internationalen Fachgesellschaften organisieren und in eigenen Fachjournalen alljährlich Hunderte von wissenschaftlichen Beiträgen publizieren.1 In der Öffentlichkeit wie unter den palliativmedizinisch Tätigen selbst gilt die Palliativmedizin verbreitet als ein sehr junges Phänomen. Ihre An- fänge werden meist auf die 1960er und 1970er Jahre datiert. Damals grün- dete Cicely Saunders in London das St Christopher’s Hospice, das in der Folgezeit zum Vorbild für zahllose ähnliche Einrichtungen werden sollte.2 Bald darauf wurde in Montreal unter Balfour Mount die erste pallia- 1 Globale Überblicke bei David Clark, End-of-life care around the world. Achievements to date and challenges remaining, in: Omega 56 (2007), S. 101–110; ders., From margins (2007); Economist Intelligence Unit, The quality of death. Ranking end-of-life care across the world, 2010 (www.eiu.com/sponsor/lienfoundation/qualityofdeath); zur ak- tuellen Lage in Deutschland vgl. Deutsche Hospizstiftung, HPCV-Studie 2010 (http://www.biohospiz-bernstorf.de/Willkommen_files/HPCV-Studie2010.pdf); speziell zu Afrika: Michael Wright/David Clark, Hospice and palliative care development in Africa. A review of developments and challenges, Oxford 2006. 2 Du Boulay, Cicely Saunders (1984); Mary Campion, Ein Hospiz entsteht: von Pionie- rinnen der Hospizbewegung, Straubing 1997. Zur späten Datierung der Entstehung der Palliativmedizin vgl. z. B.: Susanne Ringskog/Danuta Wassermann, Hastening the end of life. History, research and current Swedish and international debate on the issue of eutha- nasia, Stockholm 2000, S. 86: „The palliative medicine takes its start in London, in 1967.“ 7 Einleitung tivmedizinische Station in einem modernen Krankenhaus eröffnet.3 Einzelne Historiker haben die Anfänge weiter zurückverfolgt, doch auch sie datieren die Wurzeln der Palliativmedizin und des Sterbehospizes bislang meist al- lenfalls auf das späte 19. Jahrhundert. Erst damals, so fasste Clare Joanne Humphreys, Autorin einer der besten Studien zur Geschichte des Sterbehos- pizes, ihre Ergebnisse zusammen, „gab es die ersten ernsthaften Versuche, die medizinische und pflegerische Betreuung Sterbender zur Aufgabe zu machen, und man begann sie als wichtige Bereiche der medizinischen und pflegerischen Praxis zu betrachten.“4 Manche Autoren haben sogar die Gründe benannt, warum die Notwendigkeit von Hospizen und eine gezielte palliativmedizinische Betreuung vor dem 19. Jahrhundert gar nicht zur De- batte stehen konnten. „Erst die moderne Medizin“, so hat beispielsweise Nicolaus Eschenbruch argumentiert, „machte es […] möglich, dass man das ‚Sterben‘ als eine längere Lebensphase, und damit als Gegenstand von Hos- pizarbeit, überhaupt eingrenzen konnte.“ In früheren Zeiten sei das Sterben dagegen „entweder kurz, kaum vorhersagbar und brutal“ gewesen „oder ein langes Siechtum, das als gottgegeben galt und einfach zum Leben gehörte.“ Erst dank der neuen therapeutischen Möglichkeiten der modernen Medizin habe das Sterben „von etwas Allgegenwärtigem und Selbstverständlichem zu einer enger und klarer umgrenzten Lebensphase werden“ können.5 Bereits ein kurzer Blick in das ältere medizinische Schrifttum und in all- tags- und praxisnahe Quellen und Zeugnisse früherer Jahrhunderte macht freilich klar, dass solche Einschätzungen an den historischen Gegebenheiten vorbeigehen, ja diese geradezu auf den Kopf stellen. Wie dieses Buch zei- gen wird, sind Palliativmedizin und ärztliche Sterbebegleitung definitiv keine Erfindung des 19. oder 20. Jahrhunderts. Ihre Geschichte reicht sehr viel weiter zurück. Das kann bei näherer Betrachtung auch schwerlich über- raschen. Gerade weil die Möglichkeiten der vormodernen Medizin nach heutigen Maßstäben sehr beschränkt waren, stellte sich nämlich früher die 3 Balfour Mount/J. Andrew Billings, What is palliative care?, in: Journal of palliative medicine 1 (1998), S. 73–81, hier S. 73. 4 Humphreys, „Undying spirits“ (1999), S. 210. 5 Nicholas Eschenbruch, Ein besseres Sterben? Die Entstehung der modernen Hospizbe- wegung und ihre historischen Voraussetzungen, in: Praxis 93
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