DER LANDBOTE DIENSTAG, 10. JANUAR 2012 BANKRAT IM VISIER TAGESTHEMA l 3 «Es gibt keine Alternative zu Jordan» BERN. Der Rücktritt von Nationalbankchef Hildebrand hat Peter Hildebrand war acht Jahre im Direkto- Nachfolge zu regeln – und zwar deini- Wer trägt die Verantwortung für das V. Kunz überrascht. Der Professor für Wirtschaftsrecht an der Uni Bern rium der Nationalbank. Welches sind tiv. So zeigte man Stärke, damit man heutige, schwache Reglement? seine herausragendsten Leistungen? auch im Ausland sieht und glaubt: Die Verantwortung liegt beim Bankrat. fürchtet um den Umgang mit Amtsträgern, wünscht professionelle In seine Zeit fallen zwei markante Er- Auch der neue Präsident wird die Dieser muss sich die kritische Frage Bankräte und sieht in Thomas Jordan den idealen Nachfolger. eignisse: die Rettung der UBS und die Wechselkursuntergrenze von 1.20 stellen lassen, ob man bei der National- Festlegung einer Wechselkursunter- Franken pro Euro verteidigen. Danach bank die Corporate Governance ver- INTERVIEW: SIMON HUNGERBÜHLER führt. Hildebrand war nicht irgendein grenze zum Euro. Wichtige Arbeit hat geht es darum, die Glaubwürdigkeit schlafen hat. In der Privatwirtschaft ist Gemeindepräsident, sondern der wich- er auch bei der Verschärfung der Stabi- der Nationalbank die Corporate Go- Nationalbankpräsident Philipp Hilde- tigste Amtsträger in der Schweiz. litätskriterien, Stichwort «Too big to wiederherzustellen. vernance, also das brand hat sein Amt zur Verfügung ge- fail», geleistet. Persönlich inde ich, war Das heisst, dass Einhalten von stellt und seine Beweggründe an einer War ein Rücktritt wirklich notwendig? die Arbeit von Hildebrand sehr gut. Ich dieses ominöse Re- «Das Problem des Unternehmenskon- Medienkonferenz erläutert. Wie haben Heute nicht. Am vergangenen Don- möchte aber anmerken, dass man seine glement zügig über- trollgrundsätzen, Sie seinen Auftritt erlebt? nerstag hatte Hildebrand einen souve- Leistung auch nicht überschätzen soll- arbeitet wird. Bankrates ist, dass er ein wichtiges The- Peter V. Kunz: Die Si tua tion hat mich ränen Auftritt. Und in den letzten Ta- te. Das Direktorium der Nationalbank nicht aus Fachleuten ma. Sie gilt aber beelendet. Ich konnte nicht nachvoll- gen war die Kritik an ihm erheblich zu- besteht aus drei Personen. Was sind dabei die besteht» auch für Staatsbe- ziehen, war um Philipp Hildebrand zu- rückgegangen. Er war nicht mehr im zentralen Punkte? triebe. Die Eidge- rückgetreten ist. Und wenn ich unzy- Fokus der «Affäre». Man hat plötzlich Der Bundesrat muss nun einen Nach- Im Vordergrund nossenschaft hat nisch unterstelle, es stimme, was Hilde- über die Bank Sa- folger bestimmen. steht die Regelung eigene Regeln zur brand bis jetzt gesagt hat – und ich habe rasin gesprochen, Gibt es geeignete über die Zulässigkeit von Devisen- Corporate Governance, deren Umset- noch nichts anderes gehört –, ist es be- die SVP oder den Kandidaten? transaktionen durch die Direktoren der zung hier aber schiefgelaufen ist. denklich, dass man einfach unter dem Bankrat. Umso un- «Nationalbank und Im konkreten Fall SNB und neu auch der Mitglieder des Druck von Gerüchten solche Positio- verständlicher in- gibt es keine Alter- Bankrates. Das derzeitige Re- Dann könnte das schwache Reglement nen aufgeben muss. de ich es, dass er Bundesrat sind native zu Thomas glement gilt nur für die Direktoren. In- Konsequenzen für den Bankrat haben? zurückgetreten ist. aufgefordert, sofort die Jordan – und das ist teressanterweise ist es bei der Europäi- Seit vielen Jahren kritisiere ich vor mei- Hildebrand sagte, er trete zurück, weil Nachfolge zu regeln» auch gut so. Jordan schen Zentralbank nicht so. Dort gelten nen Studenten, dass der Bankrat falsch er seine Unschuld nicht beweisen kön- Hildebrand sagte, ist einer der zwei die Regelungen auch für die Bankräte. zusammengesetzt ist. Ich konnte ein- ne. Das ist unüblich: Bislang war doch die Glaubwürdig- bisherigen Vizedi- fach nie belegen, dass Fehler passiert jemandem eine Schuld zu beweisen? keit sei das höchste rektoren und hat Dann ist die Schweizer Regelung la- sind. Durch diese Vorkommnisse habe Das ist ja das Traurige. Durch die Kri- Gut der SNB. Lässt sich sein Rücktritt bereits bis auf Weiteres den Vorsitz des scher als jene der EU? ich jetzt ein Beispiel. Das Problem des tik in den Medien und der Politik ist ju- vor diesem Hintergrund verstehen? Direktoriums übernommen. Er ist ein Ja. In der EU sind Devisentransaktio- Bankrates ist tatsächlich, dass er aus ristisch gesprochen eine Beweislastum- Zuerst wollte er sicher die Insti tu tion hervorragender Zentralbanker und ist nen prinzipiell verboten. Nur gewisse Interessenvertretern besteht, solchen kehr entstanden. Das inde ich unglaub- Nationalbank schützen. Er war sich qualitativ mindestens so gut wie Phil- Ausnahmen sind zugelassen. In der von Wirtschaft, Gewerkschaft, Kanto- lich. Hildebrand konnte gar nicht mehr wohl bewusst, dass die ganze Geschich- ipp Hildebrand. Schweiz ist es genau umgekehrt. Hier nen. Es sind keine Überwachungsfach- tun, als das, was er gemacht hat. Eigent- te, hätte sie noch weiter vor sich hinge- lässt man Devisentransaktionen zu, leute. Es liegt an Bundesrat und Parla- lich hätten die Leute, die ihn kritisier- modert, zu einem Problem geworden Hat Hildebrands Rücktritt Folgen für ausser sie seien ausdrücklich verboten. ment, Regelungen vorzusehen, dass im ten, Beweise bringen müssen. Wenn wäre. Ich glaube aber auch, dass er ein die Nationalbank? Es wäre also sicher ein erster Ansatz, Bankrat primär Bankfachleute sind das das Muster für den künftigen Um- zweites, persönliches Motiv hatte und Nicht wenn die Verantwortlichen dass man einen Systemwechsel vorneh- und keine Interessenvertreter. Der gang mit hohen Amtsträgern sein soll, seine Familie vor der öffentlichen Auf- schnell reagieren. Nationalbank und men würde hin zu einem Verbot mit Bankrat der Nationalbank ist dringend dann weiss ich nicht, wo das noch hin- merksamkeit schützen wollte. Bundesrat sind aufgefordert, sofort die Erlaubnisvorbehalt. zu professionalisieren.

Vizepräsident Blocher ortet weitere Vertuschungen Jordan steht für Führung bereit BERN. Die SVP und ihr Vizeprä- sident Christoph Blocher sehen BERN. Während sich mit Thomas sich in ihrer Kritik am zurückge- Jordan, Vizepräsident der Natio- tretenen Nationalbankpräsiden- nalbank, ein schneller Wechsel ten bestätigt. Nun müsse alles im Präsidium der Nationalbank politisch untersucht werden, abzeichnet, sieht der Bankrat fordert der SVP-Nationalrat. Er keinen Handlungsbedarf. vermutet noch mehr Skandale. Thomas Jordan, Vizepräsident der SVP-Nationalrat Christoph Blocher Schweizerischen Nationalbank (SNB), begrüsst den Rücktritt von National- bedauerte gestern vor den Medien den bankpräsident Philipp Hildebrand. Rücktritt von Philipp Hildebrand als Dieser hätte sein Amt nicht mehr aus- SNB-Präsident. «Wir verlieren einen üben können, sagte Blocher gestern vor hervorragenden Kollegen», sagte Jor- den Medien. Dass seine Attacke auf dan (Bild), der nun bis auf Weiteres den Hildebrand letztlich der Nationalbank Vorsitz im SNB-Direktorium über- und am Ende den Unternehmen scha- nimmt. Zugleich sig- den könnte, verneinte Blocher. Viel- nalisierte Jordan die leicht leide das Ansehen der Schweiz Bereitschaft, dieses etwas, sagte er. Er glaube jedoch nicht, Amt auch dauernd zu dass der Rücktritt des SNB-Präsiden- übernehmen. Er sei ten für den Franken eine Bedeutung bereit, die deinitive habe. Auf die Frage, ob die SVP ihr Nachfolge des zu- Ziel erreicht habe, sagte er: «Wir haben rückgetretenen SNB- nicht so bescheidene Ziele.» Präsidenten zu über- nehmen, sagte Jordan. Dies, wenn der «Wir destabilisieren Personen» Bundesrat ihm die Aufgabe zutraue. Blocher stritt auch ab, dass es ihm dar- Wichtig sei es nun, dass rasch Ruhe in um gehe, In sti tu tio nen zu destabilisie- die SNB zurückkehre, betonte Jordan. ren, wie Bundespräsidentin Eveline Zur Affäre äusserte sich auch Bank- Widmer-Schlumpf dies jüngst sugge- ratspräsident Hans ueli Raggenbass. riert habe. «Wir destabilisieren höchs- «Wer das Bankkundengeheimnis bricht, muss belangt werden», sagt SVP-Nationalrat Christoph Blocher. Bild: key Dem Bankrat als Aufsicht über die tens Personen, die ihre Verantwortung SNB wurde eine «geschönte» und zu nicht wahrnehmen», sagte der SVP- «alles unter den Tisch gewischt». Diese befassen wird. Die nötigen Unterschrif- desrat keine Bankauszüge vorlegte, unkritische Beurteilung der Affäre Stratege. Zwar habe die SVP schon vor Unabhängigkeit möchte Blocher ein- ten sind laut Blocher beisammen. Die stritt allerdings nicht ab, dass er andere Hildebrand vorgeworfen. Für Raggen- einem Jahr den Rücktritt Hildebrands schränken: «Die Nationalbank muss Aufsicht über die Schweizerische Na- Dokumente vorlegte. Blocher sieht in bass steht ein Rücktritt nicht zur De- gefordert, räumte er ein. Damals sei es zwar unabhängig sein, darf aber nicht tionalbank funktioniere nicht, und dies seinem Vorgehen auch keine Verlet- batte. Er ginge nur, wenn er den Ein- aber um Verluste der Nationalbank we- tun, was sie will.» Mit dem Rücktritt sei gravierend. Das Parlament habe da- zung des Bankgeheimnisses und keinen druck hätte, der Nationalbank zu scha- gen Euro-Käufen gegangen. Dass die Hildebrands ist für Blocher die Affäre für zu sorgen, dass sie funktioniere. Widerspruch zu dessen Verteidigung den. Er sei der Meinung, seine Aufgabe Schweiz wegen Hildebrands Rücktritt noch lange nicht zu Ende: Bankratsprä- Blocher sprach von einer «äusserst ge- durch die SVP. «Wer das Bankkunden- richtig wahrgenommen zu haben, sagte den Sitz im Financial Stability Board sident Hansueli Raggenbass werde sich fährlichen» Gewaltenvermischung. Es geheimnis bricht, muss belangt wer- er. Der Bankrat habe keine Aufsichts- verliert, sieht Blocher auch nicht als seiner Ansicht nach ebenfalls nicht hal- sei in den letzten Tagen nicht klar ge- den», konstatierte er. Es sei dann am plichten verletzt. «Der Bankrat Problem. Für den Nationalbankpräsi- ten können, stellte er fest. Weiter be- wesen, ob Hildebrand der Chef von Gericht, zu beurteilen, ob es überge- braucht jetzt Kontinuität. Es wäre nicht denten habe der Einsitz im Gremium kräftigte er seine Forderung nach einer Widmer-Schlumpf sei oder umgekehrt. ordnete Interessen gegeben habe. gut, wenn auch noch im Bankrat eine zur Regulierung der Finanzmärkte Parlamentarischen Untersuchungs- Nicht äussern wollte sich Blocher zur Destabilisierung erfolgte.» Eine Exper- einen Interessenkonlikt dargestellt. kommission (PUK). Denn für Blocher Keine Bankauszüge vorgelegt Frage, ob er die Wahl von Thomas Jor- tenkommission prüft nun, ob es von Hart ins Gericht ging Blocher mit scheint klar, dass noch weitere Bundes- Zu seiner eigenen Rolle in der Affäre – dan, welcher die SNB interimistisch lei- 2009 bis 2011 zu umstrittenen Transak- dem Bankrat. Dieser und der Bundes- stellen Insiderwissen missbraucht ha- er hatte sich mit Informationen über tet, zum neuen Nationalbankpräsiden- tionen der sechs Mitglieder des Erwei- rat haben seines Erachtens ihre Auf- ben dürften, um Währungsgeschäfte zu Hildebrands Banktransaktionen an ten begrüssen würde. Wenn er Jordan terten Direktoriums gekommen ist. sichtsplichten nicht wahrgenommen. tätigen. Konkreter wurde er aber nicht. den Bundesrat gewandt – gab Blocher lobe, werde dieser nicht gewählt, und Jordan sagte vor den Medien, er habe Der Bundesrat habe mit Hinweis auf Fest steht, dass sich das Parlament in nichts Neues bekannt. Er wiederholte wenn er ihn kritisiere, werde er womög- in den letzten Jahren keine derartigen die Unabhängigkeit der Nationalbank einer Sondersession mit dem Thema frühere Aussagen, wonach er dem Bun- lich deswegen gewählt. (sda/mob) Geschäfte getätigt. (sda)