Erfolgreiche Brut des Kolkraben (Corvus corax) 2018 auf einem Hochspannungsmast im Eisbachtal bei Grünstadt

von Anita Bastian , Hans-Valentin Bastian , JohannesB raun , Manfred Ilzhöfer , Kerstin Piehl, JörgP osywio , Bernd Remelius und Tobias Staats

Inhaltsübersicht

Zusammenfassung S ummary 1 Nachweis und Brutverlauf 2 Diskussion 3 Literatur

Zusammenfassung

In Grünstadt-Asselheim brütete 2018 erfolgreich ein Kolkrabenpaar (Corvus corax). Das Nest befand sich auf einem Hochspannungsmast. Es wurden drei Nestlinge be­ stätigt, von denen zwei ausflogen. Es ist der erste Brutnachweis eines Kolkraben im Leinigerland und am nördlichen Haardtrand seit der Wiederbesiedlung von Rheinland- Pfalz ab Mitte des 20. Jahrhunderts, und es ist für Rheinland-Pfalz der erste bekannte Brutnachweis auf einem Hochspannungsmast.

Summary

In Griinstadt-Asselheim in 2018 a pair of ravens (Corvus corax) successfully bred. The nest was constructed on a pylon. Three nestlings were observed, but only two of them fledged. It is the first breeding record of a raven in the Leinigerland and in the northern Haardtrand since the repopulation of Rhineland-Palatinate from the mid-20th century and it is for Rhineland-Palatinate the first known breeding record on a pylon.

1 Nachweis und Brutverlauf

Am 2. April 2018 gelangen Beobachtungen zweier Kolkraben ( Coi'vus corax), die laut rufend an einem Felsband im Eisbachtal bei Grünstadt-Asselheim entlangflogen. In der Nähe des Felsbandes umherfliegende Mäusebussarde (.Buteo buteo) wurden attackiert und vertrieben. Eine Woche später beobachteten wir an derselben Stelle er­ neut zwei Kolkraben, die sich brutverdächtig verhielten. Überfliegende Mäusebussarde wurden wiederum vertrieben, ansonsten saß ein Vogel lange auf dem oben genannten Felsband und rief gelegentlich. Das Felsband erschien uns jedoch wegen seiner gerin­ gen Größe und des Fehlens geeigneter Felshöhlen oder -plattformen als Neststandort ungeeignet. Am Nachmittag desselben Tages entdeckten wir das Nest mit einem brü­ tenden Altvogel (Abb. 1 a) auf einen Hochspannungsmast. Es befand sich auf der mitt­ leren Ebene des Stahlfachwerkmastes nahe dem zentralen Gittermast (Abb. 2), ca. 160 m von dem oben genannten Felsband entfernt. Der Standort liegt in der Verbandsgemein­ de in Grünstadt-Asselheim (TK25 6414). Bei einer angenommenen Brutdauer von 19 Tagen (18-21 Tage: Glandt 2003) und einer Nestlingszeit von 43 Tagen (40-47 Tage: Glandt 2003) lässt sich die Eiablage etwa auf Ende März zurückdatieren. Bei der Erstbeobachtung am 2. April war das Ge­ lege somit erst seit ca. einer Woche bebrütet. In den folgenden Wochen kontrollierten wir in unregelmäßigen Abständen den Brut­ verlauf (Tab. 1). Am 22. April beobachteten wir bei einer Fütterung drei Nestlinge (Abb. lb), bei allen späteren Kontrollen waren nur noch zwei Jungtiere im Nest. Diese flogen am 30. oder 31. Mai aus. In den Folgetagen gelangen lediglich wenige Beob­ achtungen in der Umgebung des Brutstandortes, so am 27. Juni ca. 1 km entfernt auf dem Grünstadter Berg (T urznik , pers. Mitt.) und am 2. Juli zwei Jungtiere ca. 6,5 km entfernt in Hettenleidelheim. Wir gehen davon aus, dass Alt- und Jungvögel Anfang Juni den Brutstandort verließen und seitdem in der weiteren Umgebung umherflogen.

Tab. 1: Chronologie der im Jahr 2018 dokumentierten ersten Kolkrabenbrut im Leiningerland bei Grünstadt-Asselheim 02. April Erstbeobachtung zweier revierverdächtiger Vögel______09. April erneut revierverdächtiges Verhalten beobachtet, Nest gefunden, ein Alt­ vogel brütet 22. April Altvögel füttern drei Jungtiere (Fotodokumentation) 27. April - regelmäßige Beobachtungen von max. zwei Jungvögeln, die gefuttert 21. Mai werden 30. Mai ein Jungvogel sitzt auf einem benachbarten Hochspannungsmast, ein Jungvogel ist noch im Nest ab 31. Mai keine Kolkraben am Brutstandort 2 Diskussion

Nach dem Verbreitungstief Anfang des 20. Jahrhunderts und dem Erlöschen des Brutbestandes in Riieinland-Pfalz spätestens Ende der 1930-er Jahre erholten sich die Brutbestände des Kolkraben nach dem zweiten Weltkrieg wieder, wobei eine Wieder­ besiedlung von Rheinland-Pfalz ab den 1990er Jahren von Hessen, vom Saarland oder vom Eisass her zu vermuten ist (Dietzen 2017). Der erste dokumentierte Brutversuch in der Pfalz fand im Jahr 2004 statt (Niehuis & Grimm 2004), der erste Brutnachweis erst 2012 (Ramachers 2012). Die Neubesiedlung der Oberrheinebene setzte im Ver­ gleich zu anderen rheinland-pfälzischen Regionen spät ein, und für den Landkreis Bad Dürkheim (Dietzen 2017) sowie für das Leiningerland und den nördlichen Haardtrand stand bisher ein Brutnachweis noch aus. Jedoch haben Vogelkundler Kolkraben in der Region um Grünstadt seit mehreren Jahren jährlich beobachtet. Die Art ließ sich dabei mit Ausnahme des Julis in jedem Monat feststellen, mit Häufungen zwischen Novem­ ber und April. Für die TK25-Fläche des Brutstandortes (6414) und die acht Nachbar- TK25-Flächen (6313, 6314, 6315, 6413, 6415, 6513, 6514, 6515) sind seit 2011 zu­ sätzlich zu unseren Beobachtungen am Brutstandort weitere 68 Beobachtungen mit insgesamt 106 Tieren in ornitho.de dokumentiert (Stand: Ende Juni 2018, Tab. 2).

Tab. 2: Die in ornitho.de dokumentierten Beobachtungen von Kolkraben der TK25-Fläche des Brutstandortes (6414) und der acht benachbarten TK25-Flächen. Dargestellt ist jeweils links vom Schrägstrich die Anzahl der Meldungen, rechts die der beobachteten Individuen (Stand 30. Juni 2018). Der grau schattierte Bereich beschreibt den Zeitraum in 2018, der nicht ausgewertet ist. Unsere Beobachtungsdaten im Rahmen der Brutkontrollen sind hier nicht mit eingeflossen. Monate Gesamt Jahr Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan - Dez 2011 1/2 1/2 2012 2/2 1/1 2/3 1/2 6/8 2013 2/4 1/1 2/2 2/3 7/10 2014 1/2 4/6 1/2 1/1 1/2 2/3 1/1 11/17 2015 1/2 1/2 1/1 1/1 2/5 1/1 1/1 8/13 2016 4/6 2/3 1/1 1/1 8/11 2017 1/2 4/6 4/6 5/9 2/4 16/27 2018 2/3 1/1 1/2 4/7 1/2 2/3 11/18 Summe 4/7 7/11 15/22 14/21 1/2 3/4 0/0 3/6 3/5 4/5 7/12 7/11 68/106

Davon entfielen 44 Beobachtungen auf die erste, 24 auf die zweite Jahreshälfte. Be­ obachtungen in der ersten Jahreshälfte, also in der Phase von Brutplatzwahl und Brut (G landt 2003, Haffer & Kircfiner 1993), gelangen ab 2015 häufiger, mit einem Ma­ ximum von elf Meldungen mit 18 Tieren im Jahre 2018 (Abb. 3). Offensichtlich hiel­ ten sich Kolkraben in den letzten Jahren regelmäßig in der Region auf. Da Kolkraben eine sehr ausgeprägte Brutorttreue haben (z. B. Dare 1986, Glandt 2003) und die nächsten Brutvorkommen vermutlich erst im ca. 10 km entfernten Donnersberggebiet bestehen (Dietzen 2017), gehen wir davon aus, dass es sich bei dem Grünstadter Kolk­ rabenpaar um Jungvögel handelte.

Abb. 3: Kolkraben-Meldungen in ornitho.de für die TK25-Fläche 6414 und den acht Nachbar- TK25-Flächen der Jahre 2011 bis 2018, jeweils differenziert nach erster und zweiter Jahreshälfte. Für das Jahr 2018 standen nur Daten für die erste Jahreshälfte zur Verfügung. Unsere Beobach­ tungsdaten im Rahmen der Brutkontrollen sind in dieser Abbildung nicht mit eingeflossen. Die Zahlen geben die Anzahl der Meldungen, nicht der Individuen wieder.

Haffer & Kirchner (1993) beschreiben, dass Raben bereits im 2. Lebensjahr ver­ paart sind und es im 3. Lebensjahr zu Kopulationsversuchen und Nestbautätigkeit, nicht aber zur Eiablage kommt. Diese erfolgt erstmals im 4. Kalenderjahr. Demnach sollte das Grünstadter Brutpaar bereits seit 2016 verpaart gewesen sein. Ob es sich bei den beobachteten Kolkraben der letzten Jahre um das 2018-er Brutpaar handelte, ist unsicher, bei einem Aktionsraum von bis zu ca. 50 km2 (Haffer & Kirchner 1993) je­ doch nicht auszuschließen. Eine Gelegegröße von mindestens drei Eiern liegt am unteren Ende der bekannten Spannweite von 3-6(7) Eiern (Glandt 2003). Jedoch sind zwei ausgeflogene Jungtiere durchaus vergleichbar mit Ergebnissen aus anderen Untersuchungen mit Nachwuchs­ raten von etwa 2-3,5 Jungvögeln pro revierhaltendem Paar (Zusammenfassung bei Haffer & Kirchner 1993). Kolkraben brüten in aller Regel auf Bäumen oder in Felsnischen (z. B. Grünkorn 1993, Haffer & Kirchner 1993, Glandt 2003, N iehuis & Grimm 2004, Ramachers 2011, Dietzen 2017). Für Großbritannien ist beschrieben, dass Kolkraben vereinzelt auf Leitungsmasten brüten (Haffer & Kirchner 1993). In Schleswig-Holstein waren fünf von 344 untersuchten Nestern in Hochspannungsmasten angelegt (Grünkorn 1993). Glandt (2003) erwähnt Bruten auf Gittermasten nur am Rande. Für Rheinland- Pfalz sind bisher keine Bruten auf Gittermasten beschrieben (Dietzen 2017). Damit scheint die hier beschriebene Brut nicht nur der erste Brutnachweis im Leiningerland und am nördlichen Haardtrand zu sein, sondern für Rheinland-Pfalz auch der erste Nachweis einer Brut auf einem Hochspannungsmast. Da ein erfolgreicher Neststandort über Jahrzehnte beibehalten werden kann (G landt 2003) ist zu hoffen, dass auch das neue Brutvorkommen bei Grünstadt in den kom­ menden Jahren Bestand haben wird.

5 Literatur

Dare , P. J. (1986): Raven Corvus corax populations in two upland regions of north Wa­ les. - Bird Study 33: 179-189. London. Dietzen , C. (2017): Kolkrabe Corvus corax Linnaeus , 1758. - In: Dietzen , C., Folz, H.-G., Grünwald , T., Keller , R, Kunz , A., N iehuis , M., Schäf , M., Schmolz , M. & M. Wagner : Die Vogelwelt von Rheinland-Pfalz. Bd. 4.1 Singvögel (Passerifor­ mes). - Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz, Beih. 49: 139-148. Landau. Glandt , D. (2003): Der Kolkrabe - Der „schwarze Geselle“ kehrt zurück. - 140 S., Wiebelsheim. Grünkorn , T. (1993): Brutbestandsentwicklung und Verbreitung des Kolkraben ( Cor­ vus corax) in Schleswig-Holstein. - Corax 15: 203-210. Kiel. Haffer , J. & H. Kirchner (1993): Corvus corax - Kolkrabe. - In: Glutz von B lotz- heim, U. N. & K. Bauer (Hrsg.): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bd. 13/III. Passeriformes (4. Teil) Corvidae - Stumidae. - 1947-2022, Wiesbaden. N iehuis , M. & F. Grimm (2004): Erster Brutversuch des Kolkraben ( Corvus corax) in der Pfalz. - Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz 10: 553-570. Landau. Ramachers , P. (2011): Die Vogelwelt im Raum Kaiserslautern. - Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz, Beih. 43: 1-336. Landau. - (2012): Brutnachweise des Kolkraben ( Corvus corax) im Landkreis Kaiserslautern. - Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz 12: 755-756. Landau.

Manuskript eingereicht am 11. Juli 2018.

Anschriften der Verfasser: Anita Bastian , Geschwister-Scholl-Straße 15, D-67304 Kerzenheim E-Mail: [email protected] Hans-Valentin Bastian , Geschwister-Scholl-Straße 15, D-67304 Kerzenheim E-Mail: [email protected] Johannes B raun , Parkallee 6a, D-67295 Boianden Manfred Ilzhöfer , Westlicher Graben 6, D-67209 Grünstadt Kerstin Piehl, Robert-Schumannstraße 48, D-67304 Steinborn Jörg Posywio , Marnheimerstraßel5, D-67295 Boianden Bernd Remelius , Bahnhofstraße 9, D-67310 Hettenleidelheim Tobias Staats , Bockenheimer Straße 12, D-67283 Obrigheim