17. Wahlperiode Plenarprotokoll 17/43

43. Sitzung

Donnerstag, den 26.10.2017

Mainz in der Steinhalle des Landesmuseums

Mitteilungen des Präsidenten...... 2526 ...... 2545, 2546 Abg. Horst Gies, CDU: ...... 2544 Fragestunde Abg. Arnold Schmitt, CDU: ...... 2544 – Drucksache 17/4436–...... 2526 Abg. Andreas Rahm, SPD: ...... 2544 Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS Clemens Hoch, Staatssekretär: ...... 2526, 2528 90/DIE GRÜNEN: ...... 2544 ...... 2529, 2530 Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: ...... 2545 ...... 2531 Abg. Gabriele Bublies-Leifert, AfD: . . . . 2545 Abg. Martin Haller, SPD: ...... 2526, 2529 Abg. Johannes Zehfuß, CDU: ...... 2546 Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Abg. Hedi Thelen, CDU: ...... 2546 NEN: ...... 2528, 2534 Abg. Christine Schneider, CDU: . . . . . 2528 Die Mündlichen Anfragen Nummern 6 bis Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE 18 werden wegen Ablaufs der Fragestunde GRÜNEN: ...... 2529, 2539 gemäß § 98 Abs. 4 GOLT in Kleine Anfragen ...... 2545 umgewandelt...... 2547 Abg. Monika Becker, FDP: ...... 2530 Abg. Johannes Klomann, SPD: ...... 2530, 2534 AKTUELLE DEBATTE ...... 2547 Prof. Dr. Salvatore Barbaro, Staatssekretär: 2531, 2533 ...... 2534, 2535 Die neue Seidenstraße – Chancen für Abg. Gerd Schreiner, CDU: ...... 2531, 2532 Rheinland-Pfalz durch internationale Wirt- ...... 2533, 2534 schaftsbeziehungen ...... 2535 auf Antrag der Fraktion der FDP Abg. Marion Schneid, CDU: ...... 2533 – Drucksache 17/4450–...... 2547 Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Abg. Steven Wink, FDP: ...... 2547, 2553 Jugend, Integration und Verbraucherschutz: 2535, 2537 Abg. Alexander Schweitzer, SPD: . . . . 2548, 2554 ...... 2538, 2539 Abg. Gabriele Wieland, CDU: ...... 2549, 2554 ...... 2540 ...... 2555 Abg. Uwe Junge, AfD: ...... 2535, 2537 Abg. Matthias Joa, AfD: ...... 2550, 2555 ...... 2539 Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS Abg. Dirk Herber, CDU: ...... 2537 90/DIE GRÜNEN: ...... 2551 Abg. Joachim Paul, AfD: ...... 2537, 2539 Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Abg. Katharina Binz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau: . . 2552 NEN: ...... 2537 Abg. Michael Frisch, AfD: ...... 2538 Ehe für alle in Kraft getreten – Rheinland- Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: ...... 2538 pfälzischer Erfolg im Bund Abg. Heribert Friedmann, AfD: ...... 2539 auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Abg. Adolf Kessel, CDU: ...... 2539 GRÜNEN Abg. Thomas Roth, FDP: ...... 2540 – Drucksache 17/4448–...... 2556 Herbert Mertin, Minister der Justiz: . . . . 2540, 2541 ...... 2542 Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE Abg. Christian Baldauf, CDU: ...... 2541, 2542 GRÜNEN: ...... 2556, 2562 Abg. Andreas Hartenfels, BÜNDNIS 90/DIE Abg. Simone Huth-Haage, CDU: . . . . . 2557, 2562 GRÜNEN: ...... 2542 Abg. Jaqueline Rauschkolb, SPD: . . . . 2558, 2564 Dr. Thomas Griese, Staatssekretär: . . . 2542, 2544 Abg. Michael Frisch, AfD: ...... 2559, 2563

2523 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017

Abg. Helga Lerch, FDP: ...... 2560, 2563 Abg. Dr. Tanja Machalet, SPD: ...... 2586 Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: ...... 2587 Jugend, Integration und Verbraucherschutz: 2561 Abg. Marco Weber, FDP: ...... 2588 Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Fragwürdiger Einsatz von Fremdfirmen bei NEN: ...... 2589 rheinland-pfälzischen Finanzämtern Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für auf Antrag der Fraktion der CDU Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demogra- – Drucksache 17/4449–...... 2564 fie: ...... 2590 Abg. Hedi Thelen, CDU: ...... 2592 Abg. Gerd Schreiner, CDU: ...... 2564, 2571 Abg. Dr. Anna Köbberling, SPD: . . . . . 2565, 2566 Mit Besprechung erledigt...... 2593 ...... 2572 Abg. Iris Nieland, AfD: ...... 2566 Rechtlichen Rahmen der geplanten Au- Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: . . . 2567 tobahngesellschaft des Bundes prüfen – Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Standort Montabaur erhalten NEN: ...... 2568, 2573 Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und Doris Ahnen, Ministerin der Finanzen: . . 2569 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/4404–...... 2593 Die Aktuelle Debatte wird dreigeteilt. .... 2574 Abg. Gabriele Wieland, CDU: ...... 2594 Jeweils Aussprache gemäß § 101 GOLT. .. 2574 Abg. Benedikt Oster, SPD: ...... 2594 Abg. Jens Ahnemüller, AfD: ...... 2595 Eine zukunftsweisende Wirtschaftspolitik Abg. Thomas Roth, FDP: ...... 2596 für Rheinland-Pfalz Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS Antrag der Fraktion der CDU 90/DIE GRÜNEN: ...... 2597 – Drucksache 17/4148– Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau: . . 2598 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Mehrheitliche Ablehnung des Antrags auf Aus- Wirtschaft und Verkehr schussüberweisung...... 2600 – Drucksache 17/4399– Mehrheitliche Annahme des Antrags – Druck- Starker Mittelstand, erfolgreiche Industrie, sache 17/4404 –...... 2600 nachhaltiges Wachstum – Grundlagen unseres Wohlstandes Durch Reanimation Leben retten – Wieder- Antrag (Alternativantrag) der Fraktionen der belebungskompetenz stärken SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/4454–...... 2574 – Drucksache 17/4418–...... 2600

Abg. Christian Baldauf, CDU: ...... 2574, 2581 Abg. Dr. Christoph Gensch, CDU: . . . . 2600 ...... 2583 Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD: . . . . 2601 Abg. Dr. Denis Alt, SPD: ...... 2576 Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: ...... 2602 Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: ...... 2577 Abg. Steven Wink, FDP: ...... 2603 Abg. Steven Wink, FDP: ...... 2578 Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung: 2604 Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS Abg. Katharina Binz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- 90/DIE GRÜNEN: ...... 2579 NEN: ...... 2604 Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau: . . 2580, 2582 Einstimmige Annahme des Antrags – Drucksa- ...... 2583 che 17/4418 –...... 2605

Mehrheitliche Ablehnung des Antrags – Druck- Lehren aus dem IQB-Bildungstrend 2016: sache 17/4148 –...... 2584 Klare Unterrichtsformen und regelmäßiges Üben statt weiter so Mehrheitliche Annahme des Alternativantrags Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/4454 –...... 2584 – Drucksache 17/4421–

Umsetzung des Landesgesetzes über dazu: Wohnformen und Teilhabe (LWTG) – Bildungstrend 2016 – Konsequenzen Qualitätssicherung in Einrichtungen mit aus dem schlechten Abschneiden der umfassendem Leistungsangebot rheinland-pfälzischen Grundschulen zie- Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion hen der CDU und der Antwort der Landesregierung Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/4455–...... 2605 – Drucksachen 17/3249/3611/4204 – . . . . 2584 Abg. Michael Frisch, AfD: ...... 2605 Abg. Michael Wäschenbach, CDU: . . . . 2584 Abg. Bettina Brück, SPD: ...... 2606

2524 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017

Abg. Anke Beilstein, CDU: ...... 2607 Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Ener- Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung: 2608 gie, Ernährung und Forsten: ...... 2615

Mehrheitliche Ablehnung des Antrags – Druck- Mehrheitliche Annahme des Antrags – Druck- sache 17/4421 –...... 2609 sache 17/4407 –...... 2616 Mehrheitliche Ablehnung des Alternativantrags – Drucksache 17/4455 –...... 2609 Mehrheitliche Ablehnung des Alternativantrags – Drucksache 17/4462 –...... 2616 Vogelgrippe in Rheinland-Pfalz – Heraus- forderung für die Kleinhalter und Züchter Freiheit für die Schulen – Schulische Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und Abläufe eigenverantwortlich gestalten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/4407– – Drucksache 17/4419– dazu: dazu: Vogelgrippe in Rheinland-Pfalz – Maßnah- Selbstverantwortung an rheinland- men für Rassegeflügel ergreifen pfälzischen Schulen weiter ausbauen Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU Antrag (Alternativantrag) der Fraktionen der – Drucksache 17/4462–...... 2609 SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Abg. Andreas Rahm, SPD: ...... 2609, 2611 – Drucksache 17/4463–...... 2616 Abg. Christine Schneider, CDU: . . . . . 2610, 2612 Abg. Jürgen Klein, AfD: ...... 2612 Jeweils einstimmige Überweisung des Antrags Abg. Marco Weber, FDP: ...... 2613 – Drucksache 17/4419 – und des Alternati- Abg. Andreas Hartenfels, BÜNDNIS 90/DIE vantrags – Drucksache 17/4463 – an den GRÜNEN: ...... 2614 Ausschuss für Bildung...... 2616

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Präsidium:

Präsident Hendrik Hering, Vizepräsident Hans-Josef Bracht, Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund.

Anwesenheit Regierungstisch:

Malu Dreyer, Ministerpräsidentin; Doris Ahnen, Ministerin der Finanzen, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie, Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung, Roger Lewentz, Minister des Innern und für Sport, Herbert Mertin, Minister der Justiz, Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz, Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, Prof. Dr. Konrad Wolf, Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur; Clemens Hoch, Staatssekretär, Prof. Dr. Salvatore Barbaro, Staatssekretär, Dr. Thomas Griese, Staatssekretär.

Entschuldigt:

Abg. Michael Billen, CDU, Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU; Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten; Heike Raab, Staatssekretärin.

2525 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017

43. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz 2. Wie wird der Verlauf dieser beiden Tage aus organi- am 26.10.2017 satorischer Sicht beurteilt?

3. Welche Rolle spielten ehrenamtlich engagierte Bür- Beginn der Sitzung: 09:30 Uhr gerinnen und Bürger für die Einheitsfeier und das Rahmenprogramm? Präsident Hendrik Hering: 4. Wie ist die Bilanz der beiden Tage unter dem Aspekt Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Her- der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu bewer- ren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie zur ten? 43. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz.

Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, dürfen wir Frau Präsident Hendrik Hering: Gabriele Wieland gratulieren, die am heutigen Tag Ge- burtstag hat. Herzlichen Glückwunsch! Für die Landesregierung antwortet Herr Staatssekretär Hoch. (Beifall im Hause)

Wer das große Glück hat, im Kreise der Landtagskollegin- Clemens Hoch, Staatssekretär: nen und -kollegen seinen Geburtstag zu verbringen, be- Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Damen und kommt auch eine Flasche Wein. Frau Wieland, den Wein Herren! Am 2. und 3. Oktober waren Gäste aus nah und können Sie sich nachher vorn bei mir abholen. fern zu Besuch in Rheinland-Pfalz und hier in Mainz. Wir (Abg. Julia Klöckner, CDU: Wieso eine haben gemeinsam ein buntes, fröhliches und vor allem Flasche Wein? Es war doch immer eine friedliches Fest anlässlich des Tages der Deutschen Ein- Kiste!) heit gefeiert. Die Bürgerinnen und Bürger in Mainz wie auch eine Vielzahl beteiligter Institutionen haben sich als – Nein, es gibt nur eine Flasche Wein. Auch wir müssen weltoffene und freundliche Gastgeberinnen und Gastgeber sparen. bewiesen und zusammen mit einer halben Million Men- schen Einheit, Freiheit und Demokratie gefeiert. (Abg. Christine Schneider, CDU: Herr Präsident, das ist Sparen am falschen Es ist ein Signal der Weltoffenheit und Gastfreundschaft Ende!) von Rheinland-Pfalz ausgegangen. Alle Beteiligten können – Irgendwo muss begonnen werden. stolz auf dieses Einheitsfest sein. Wir haben es gemein- sam gestaltet und durchgeführt, und ohne die Hilfe vieler Zu schriftführenden Abgeordneten berufe ich die Kollegen helfender Hände, großzügiger Sponsoren und engagierter Steven Wink und Reinhard Oelbermann. Herr Oelbermann Institutionen wäre dieses große Projekt nicht zu stemmen führt die Redeliste. gewesen, geschweige denn ein solcher Erfolg geworden.

Entschuldigt sind für heute die Abgeordneten Michael Bil- An beiden Tagen kamen trotz des zumindest am ersten len und Marlies Kohnle-Gros. Weiterhin fehlen entschul- Tag wechselhaften Wetters etwa 510.000 Menschen in die digt seitens der Landesregierung Frau Staatsministerin Stadt. Wer am Tag der Deutschen Einheit selbst da war, Ahnen ab 15:30 Uhr, Frau Staatsministerin Höfken, Herr hat auch gemerkt, wie voll es war. Vor allem die protokolla- Staatsminister Professor Dr. Wolf ab 14:00 Uhr und Frau rischen Veranstaltungen wie der Festakt, der Gottesdienst Staatssekretärin Raab. und der Empfang des Bundespräsidenten waren sehr fest- lich, emotional und haben nachhaltig die Botschaft und Wir beginnen mit Punkt 8 der Tagesordnung: das Motto des Tages der Deutschen Einheit „Zusammen sind wir Deutschland“ vermittelt. Fragestunde – Drucksache 17/4436– Namens der Landesregierung beantworte ich die Mündli- che Anfrage der Abgeordneten Martin Haller und Johannes Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Mar- Klomann demnach wie folgt: Ich erlaube mir, zu Frage 1 tin Haller und Johannes Klomann (SPD), Tag der einen etwas zusammengefassten Überblick zu geben; die Deutschen Einheit 2017 – Nummer 1 der Drucksache Fragesteller fragen zwar nach Veranstaltungen und Aktivi- 17/4436 – betreffend, auf. täten im Einzelnen, (Abg. Martin Haller, SPD: Wir können ja Herr Kollege Haller trägt die Fragen vor. noch einmal nachhaken!)

aber im Hinblick auf die Redezeit liefere ich dies gern auf Abg. Martin Haller, SPD: Nachfrage nach. Vielen Dank, sehr geehrter Herr Präsident! Wir fragen die Landesregierung: Die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in der Landeshauptstadt boten den Gästen ein abwechslungsrei- 1. Welche Veranstaltungen und Aktivitäten haben im ches und vielfältiges Programm. Neben den Präsentatio- Einzelnen stattgefunden? nen der Verfassungsorgane war vor allem die Ländermeile

2526 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 ein Anziehungspunkt, auf der sich die 16 Länder und – mir Konzept zur differenzierten Besucherlenkung und die früh- persönlich ein besonderes Highlight – der Zipfelbund mit zeitige Einrichtung eines Sicherheitsstabes haben zum ihren besonderen Kompetenzen und Spezialitäten vorstell- störungsfreien Ablauf der Feierlichkeiten beigetragen. ten. Ehrenamtliche Bürgerinnen und Bürger haben dieses Fest Auch das Land Rheinland-Pfalz präsentierte sich inhaltlich möglich gemacht und ihm den besonderen Charakter ge- mit den fünf Themenfeldern Wirtschaft, Wissenschaft, Um- geben. Wie beim Tag der Deutschen Einheit traditionell welt, Demokratie, Europa und Partnerschaften sowie, wie üblich, waren Bürgerdelegationen aus allen 16 Ländern es sich für unser Bundesland gehört, mit viel Kulinarik und eingeladen. Entsprechend des Wunsches von Minister- Wein. präsidentin und dem Schwerpunkt ihrer Bun- desratspräsidentschaft setzten sie sich überwiegend aus Aber auch mit der Blaulichtmeile und der Selbsthilfemeile, jungen Menschen zusammen, die sich für Demokratie und die Sie von den Rheinland-Pfalz-Tagen kennen, und einer ein freies, einiges Europa engagieren. Die Bürgerdelega- Sponsorenmeile und dem Weindorf waren weitere Ange- tionen nahmen als Ehrengäste an den protokollarischen bote für die Besucherinnen und Besucher vorhanden. Veranstaltungen teil und trafen beim Empfang des Bundes- präsidenten mit dem Staatsoberhaupt zusammen. (Zuruf der Abg. Christine Schneider, CDU) Den Gottesdienst gestalteten ehrenamtlich Engagierte Mit dem dm-Kinderland, Deutschland bewegt sich, dem durch Statements und Fürbitten mit. Sie setzten sich für Ak- AOK-Kindertheater und dem Streetfood Start-Up waren tion Tagwerk, für Obdachlose sowie für das Miteinander mit auf dem Festgelände vier weitere Aktionsflächen für Groß Muslimen und Juden ein. Im Rahmen des Einladungskrei- und Klein verteilt. Vor allem die Gastgeberstadt Mainz prä- ses des Landes Rheinland-Pfalz zu den protokollarischen sentierte sich toll auf dem Bischofsplatz. Veranstaltungen wurden Engagierte aus den verschiede- nen Bereichen berücksichtigt, wie zum Beispiel der Part- Auf den großen Bühnen von SWR, RPR 1 und bei der nerschaft mit Ruanda, der Arbeitsgemeinschaft Frieden ZDF-Show traten Stars wie Karat, Die Münchner Freiheit, e.V., dem Europahaus Marienberg, dem Pulse of Europe, Andi Ost, Laith Al-Deen, Tim Bendzko, Culcha Candela Givat Haviva und vielen mehr. und Max Giesinger auf und viele andere mehr. Daneben gab es zwei weitere Großbühnen der Stadt Mainz und von Es war unser ausdrücklicher Wunsch, freiwillige Bürgerin- Rockland Radio. nen und Bürger bei der Organisation und Durchführung des Festes zu beteiligen. Auf den Aufruf der Staatskanzlei Zu den protokollarischen Veranstaltungen zählten nicht nur zusammen mit der Stadt Mainz meldeten sich rund 280 en- der Eintrag ins Goldene Buch, der ökumenische Gottes- gagierte Menschen aus der Bevölkerung, die insbesondere dienst und der Festakt, sondern auch die Eröffnung des an den Informationspunkten und als Guides eingesetzt wa- Bürgerfestes, der Empfang der Bürgerdelegationen in der ren. Insgesamt waren rund 1.000 Freiwillige im Einsatz, Staatskanzlei und im Museum für Antike Schifffahrt, die die übrigen 720 davon aus den Reihen der Landes- und Staffelstabübergabe an den nächsten Bundesratspräsiden- Stadtverwaltung. Sie waren an den verschiedensten Punk- ten, den Regierenden Bürgermeister von Berlin Michael ten eingesetzt, im Rahmen der Landespräsentation, bei Müller, und als Abschluss der beiden Festtage fand eine den protokollarischen Veranstaltungen, als Platzmanager, große Abendshow mit Musikern, Tänzern, Akrobaten und in Aufbau und Organisation, und auch an den zahlreichen Feuerwerk auf dem Rhein statt. der bereits zu Frage 1 genannten Veranstaltungen waren ehrenamtlich Engagierte eingebunden, ohne die die meis- Aus organisatorischer Sicht ziehen wir ein sehr positives ten Institutionen eine solche Großveranstaltung nämlich Fazit zum Verlauf der Feierlichkeiten. Das Land als Veran- nicht hätten stemmen können. stalter – dies hat uns natürlich sehr gefreut – ist mit viel Lob versehen worden in der öffentlichen Berichterstattung, Jeder, der dabei war, und auch alle anderen konnten den aber vor allem auch bei den positiven Rückmeldungen der Medien entnehmen, dass wir nicht nur ein erfolgreiches Besucherinnen und Besucher, besonders auch derjenigen, und schönes Fest hatten, sondern auch ein nahezu stö- die in den vergangenen Jahren schon andere Tage der rungsfreies und friedliches Fest. Dementsprechend kann Deutschen Einheit mit der Stimmung an anderen Orten man als Bilanz, auch unter dem Aspekt der öffentlichen erlebt haben. Es hat sich gezeigt, dass ein frühzeitiger und Sicherheit und Ordnung, sagen, es war ein voller Erfolg. strukturierter Beginn der Planungen unter Einbeziehung der zuständigen städtischen Behörden sowie der Polizei Der Einsatz rund um die Feierlichkeiten hat die Polizei al- die Basis für eine erfolgreiche Durchführung einer solchen lerdings vor besondere Herausforderungen gestellt, die sie Großveranstaltung auch unter den Herausforderungen des erfolgreich gemeistert hat, und dafür darf ich namens der Jahres 2017 bildet. Landesregierung vor allem noch einmal der Polizei, aber auch den weiteren Rettungsdiensten, die dies möglich ge- Wesentliche Säulen waren neben der Festlegung des Fest- macht haben, von ganzem Herzen Danke sagen. geländes in der Mainzer Innenstadt die darauf aufbauen- den Sicherheits- und Verkehrskonzepte, die in knapp zwei (Beifall der SPD, der FDP und des Jahren Vorbereitung erarbeitet wurden. In der frühzeitigen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Umsetzung haben wir stets auf Kommunikation gesetzt und in mehreren Bürgerversammlungen, mit Hauswurfsen- Die Balance der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen mit dungen, persönlich und durch die Schaltung von Anzeigen der entsprechenden polizeilichen Präsenz einerseits und über den jeweiligen Planungsstand informiert. Auch ein die Gestaltung eines fröhlichen Bürgerfestes andererseits

2527 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 ist aus unserer Sicht sehr gut gelungen. Aus polizeilicher (Abg. Julia Klöckner, CDU: Ja, das tun sie Sicht konnten die Ziele des Einsatzes durch die verfolgte schon seit Jahren! Die Rheinland-Pfälzer Einsatzstrategie und vor allem auch dank des Engage- bringen unendlich viel Geduld auf mit dieser ments und der Leistungsbereitschaft der Einsatzkräfte er- Landesregierung! Sie sind leidensfähig!) reicht werden. Alle Veranstaltungen verliefen störungsfrei und ohne übermäßige Einschränkungen. und zwar nicht nur an den beiden Tagen, sondern vor allem auch im Vorfeld. Sie wissen es von privaten Feierlichkeiten: Vorbereitungszeiten führen schon zu enormen Beeinträch- Auch aus Sicht der Feuerwehr und des Sanitätsdienstes tigungen, und manchmal sind sie spürbarer als an dem kann beim Bürgerfest und den protokollarischen Veranstal- eigentlichen Fest selbst. tungen anlässlich des Tages der Deutschen Einheit vor allem auf ruhige Feierlichkeiten ohne besondere Vorkomm- Wir haben eine Informationshotline eingerichtet, die über nisse zurückgeblickt werden. Alle beteiligten Organisatio- unser Bürgerbüro lief. Die telefonische Hotline hat im Vor- nen – das Deutsche Rote Kreuz, der Arbeiter-Samariter- feld der Veranstaltungen und an den Tagen selbst etwa Bund, der Malteser Hilfsdienst, die Johanniter Unfallhilfe, 3.200 Anrufe entgegengenommen. Davon konnten wir die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft und die Feuer- 95 % der Menschen tatsächlich durch eine Auskunft helfen, wehr – zogen trotz oder gerade wegen der intensiven und aber für einen kleinen Prozentsatz kann man nicht unmit- zeitlich sehr aufwendigen Vorbereitungsmaßnahmen ein telbar Abhilfe schaffen, wenn sich in der ganzen Stadt über durchweg positives Fazit. Die frühzeitige Einbindung der zwei Tage hinweg 500.000 Menschen bewegen. Dann nicht polizeilichen Gefahrenabwehr bei der Erstellung ei- kann nicht in jedem Einzelfall geholfen werden. Aber ich nes Sicherheitskonzepts hat sich als richtig und zielführend glaube, es ist im Großen und Ganzen ziemlich gut gelau- und vor allem als prägend auch für zukünftige Veranstal- fen, und im Nachgang dieser Veranstaltungen waren die tungen erwiesen. allermeisten Mainzer sehr stolz darauf, dass es möglich war, in dieser Stadt eine solche Veranstaltung abzuhalten. Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass das gemeinsam von Staatskanzlei, Stadt und dem Polizeiprä- sidium Mainz erarbeitete Sicherheitskonzept gegriffen hat Präsident Hendrik Hering: und es zu keinen nennenswerten Vorfällen kam. Die öffent- liche Sicherheit und Ordnung wurde aus Sicht der genann- Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Schneider. ten Behörden und Institutionen vollumfänglich gewährleis- tet. Abg. Christine Schneider, CDU: Herr Staatssekretär, vielen Dank, dass Sie noch einmal die Präsident Hendrik Hering: Bedeutung des Tages der Deutschen Einheit und das Ent- gegenkommen der Mainzer Bevölkerung dargelegt haben Vielen Dank. und geschildert haben, wie er in Rheinland-Pfalz gefeiert wurde. Wir dürfen Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrü- ßen. Dies sind Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangs- Da ich insbesondere großen Wert auf die Weinbaupolitik stufe und der Oberstufe des Raiffeisen-Campus aus Dern- lege und darauf, dass unsere Winzer repräsentiert wer- bach und Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe den, habe ich mich gefreut, dass es auch ein Weindorf der Hildegardisschule aus Bingen. Herzlich willkommen gab. Können Sie mir sagen, aus welchen Regionen wel- bei uns! che Weinsorten ausgeschenkt wurden?

(Beifall im Hause) (Heiterkeit im Hause)

Es gibt eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Köbler. Clemens Hoch, Staatssekretär: Ich kann Ihnen sagen, dass Weinsorten aus allen Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: rheinland-pfälzischen Weinanbaugebieten ausgeschenkt Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Ausführungen. wurden. Vielen Dank, dass es in meiner Heimatstadt möglich war, (Abg. Julia Klöckner, CDU: Welche so tolle Tage zu verbringen und so viel Aufmerksamkeit Jahrgänge? – zu erfahren. Dennoch ist es auch immer mit Einschrän- Vereinzelt Heiterkeit im Hause) kungen verbunden. Deswegen ist meine Frage: Können Sie ungefähr quantifizieren, wie viele Beschwerden oder Ich sage es einmal so: Der Riesling und der Sauvignon Nachfragen es aus der Bürgerschaft aufgrund etwaiger Blanc, den ich getrunken habe, waren sehr lecker. Frau Einschränkungen im alltäglichen Leben gab? Klöckner könnte die Frage wahrscheinlich eher beantwor- ten als ich, welchem Jahrgang sie zuzuordnen sind.

Clemens Hoch, Staatssekretär: (Abg. Julia Klöckner, CDU: Zu jeder Jahreszeit und zu jeder Tageszeit kann ich Ich glaube, dieses Fest wurde nur möglich, weil die Main- Ihnen das sagen!) zerinnen und Mainzer unendlich viel Geduld aufgebracht haben, Ich habe bei 510.000 Menschen keine einzige Beschwerde

2528 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 darüber vernommen, dass die Weinauswahl nicht gelun- haben, was – glaube ich – niemand als besonders schön gen gewesen wäre. empfindet, der solche Feierlichkeiten begeht. Dass das der neue Standard wird, hoffe ich nicht. Ich glaube viel- (Heiterkeit und Beifall bei SPD, CDU, FDP mehr, dass es ein lernender Prozess ist, auch mit den und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sicherheitsbehörden, welche Maßnahmen im Vorfeld von solchen Großveranstaltungen zwingend notwendig sind Präsident Hendrik Hering: und welche Maßnahmen diesmal dem Einzelfall geschul- det waren, dass man sich in einem besonderen Umfeld Nachdem das geklärt ist, eine Zusatzfrage des Herrn Ab- bewegt hat. geordneten Haller. Wenn nächstes Jahr Berlin Ausrichter des Tages der Deut- schen Einheit wird, wird es wahrscheinlich noch einmal Abg. Martin Haller, SPD: besondere Anforderungen an die Sicherheit geben, und Herr Präsident, vielen Dank. Eine wichtige Nachfrage: Wir trotz allem werden sie möglicherweise in Berlin anders hatten da schon einmal fast eine Staatskrise. wahrgenommen werden als bei uns, nämlich vielleicht viel weniger, weil es dort im normalen Stadtbild und den Abläu- (Abg. Christine Schneider, CDU: Ja, fen vielleicht alltäglicher als in Rheinland-Pfalz erscheint. gelernt!)

Ich möchte jetzt noch einmal auf einen Punkt eingehen, Präsident Hendrik Hering: der mir wichtig erscheint. Generell möchte ich noch ein- mal sagen, wir stimmen mit Ihrer Bewertung, dass es ein Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Braun. großer Erfolg für Rheinland-Pfalz, aber auch für die Lan- deshauptstadt war, natürlich überein. Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: (Abg. Julia Klöckner, CDU: Deshalb diese Auch ich habe im Weindorf keinen Wein aus dem Rhein- zufällige Nachfrage!) gau entdeckt, sondern leckere rheinland-pfälzische Weine.

Dennoch möchte ich das Thema Sicherheit noch einmal (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr aufgreifen. Ein gutes Sicherheitskonzept, ein durchdach- gut!) tes Sicherheitskonzept, aber uns würde doch noch einmal interessieren: Ist das jetzt der neue Standard hinsichtlich Es war eine sehr gute Stimmung im Zelt von Rheinland- des Aufwands und des Umfangs, was Sicherheitsmaßnah- Pfalz bis zum Schluss der Veranstaltung. men bei Großveranstaltungen in Rheinland-Pfalz angeht? – Vielleicht könnten Sie zur geänderten Sicherheitslage bei (Abg. Julia Klöckner, CDU: Bis du solchen Veranstaltungen Ausführungen machen. gegangen bist!)

– Zumindest solange, bis ich gegangen bin. Clemens Hoch, Staatssekretär: (Abg. Julia Klöckner, CDU: Da hat er Wir sind es in Rheinland-Pfalz gewöhnt, sehr zünftig zu abgeschlossen!) feiern – auch mit sehr vielen Menschen – und bei den vielfältigsten Veranstaltungen immer ein Höchstmaß an Ich will deswegen eine Frage stellen. Es gab sehr viele Mit- Sicherheit zu gewährleisten. Die besondere Herausforde- arbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Ministerien und aus rung beim Tag der Deutschen Einheit waren die Eindrücke, der Staatskanzlei, die geholfen haben. Gibt es für diese die wir in dem Dreivierteljahr vorher hatten, angefangen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter außer einem Dankeschön beim Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt auf dem auch eine weitere Anerkennung? Breitscheidplatz, aber auch eine Festivalunterbrechung bei „Rock am Ring“ im Spätfrühling des gleichen Jahres. (Abg. Christine Schneider, CDU: Eine Dadurch haben wir natürlich mit gesteigerten Sicherheits- Flasche Wein aus dem Rheingau!) anforderungen zu tun gehabt. Wird innerhalb der Bundesländer diskutiert, ob das Kon- zept so weitergeführt wird? Für uns alle war es ein neues Bild – zumindest aus rheinland-pfälzischer Sicht, andere Bundesländer kennen das schon länger –, dass wir nicht nur für die Sicherheit Clemens Hoch, Staatssekretär: eines Bürgerfests garantieren mussten und auch jederzeit wollten, sondern dass eine protokollarische Veranstaltung Zum ersten Teil der Frage: Die Mitarbeiterinnen und Mitar- mit allen fünf Verfassungsorganen eine besondere Heraus- beiter, die dort mitgeholfen haben, haben nicht nur Über- forderung darstellt und aus Sicht der Sicherheitsbehörden obligatorisches geleistet, sondern in Einzelfällen nahezu auch möglicherweise ein einladendes Ziel für Menschen Unmenschliches, um diese Veranstaltung überhaupt mög- ist, die entsprechend agieren wollen. lich zu machen. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einmal eben Schichten Dementsprechend waren besondere Sicherheitsmaßnah- hintereinander fahren, damit eine solche Veranstaltung men notwendig, die allen Beteiligten, die zum Beispiel an möglich wird. Selbstverständlich sehen auch unsere Tarif- diesem Dienstagmorgen vom Dom in die Rheingoldhalle systeme und unser Landesbesoldungsgesetz Möglichkei- gingen, ein eigenes Bild eines solchen Festes vermittelt ten vor, das in einem gewissen Umfang zu vergüten oder

2529 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017

Freizeitausgleich zu nehmen. Präsident Hendrik Hering:

Sie können aber sicher sein, wir haben mit denen, die Dann hat sich das schon erledigt. geholfen haben – und nicht nur mit denen, die besonders geholfen haben, sondern auch mit allen anderen, weil je- der kleinere Anteil im Rahmen seines Vermögens hat es Abg. Johannes Klomann, SPD: möglich gemacht –, auch im Nachgang der Veranstaltung – – zur Größe des Festes, aber ich möchte gern noch eine und nicht nur an den Abenden im Zelt des Landes ausge- Frage als Ortsvorsteher hintendran stellen. Der Rasen in lassen gefeiert. der Mitte der Kaiserstraße ist ein Stück weit durch die Ver- fassungsorgane des Bundes in Mitleidenschaft gezogen Ich kann bestätigen, was Sie ausführen: Das Herz der worden. Party war im Landeszelt, offiziell nur bis Mitternacht, aber die Uhren blieben dann komischerweise kurz vor zwölf Trägt der Bund die Kosten, oder wer trägt die Kosten dafür, scheinbar alle stehen, und es ging auch noch leicht länger. dass der Rasen wieder normal gemacht wird?

Im Kollegenkreis wird das Zusammenfassen eines Bür- (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Der gerfestes mit den protokollarischen Veranstaltungen sehr Ortsvorsteher! – aufmerksam beobachtet und diskutiert, vor allem unter den Zuruf der Abg. Christine Schneider, CDU) Eindrücken der Veranstaltung in Dresden im letzten Jahr, die für viele Beteiligte nicht so ein positives Bild eines fried- lichen, fröhlichen und weltoffenen Deutschlands vermittelt Clemens Hoch, Staatssekretär: hatte. Zum Zustand des Rasens in der Kaiserstraße, aber auch Wir haben uns deshalb entschieden, in Rheinland-Pfalz am Ernst-Ludwig-Platz, am Fischtorplatz und an vielen – auch wenn wir das gar nicht so empfunden und gemerkt anderen Stellen habe ich in Vorbereitung auf die heutige haben – unsere Veranstaltungen wesentlich kleiner zu ma- Sitzung viel gelernt. Und es ist natürlich so, wie man es chen, als es in den letzten Jahren üblich war. Wer dabei erwartet, wenn man auf einer Rasenfläche kräftig gefeiert war, glaubt das kaum, aber die letzten Ausrichterstädte hat. hatten eine viel größere Präsentationsfläche und auch eine viel aufwendigere Abendshow. Ich glaube, aus den Erfahrungen mit der Ausrichtung die- ses Tags der Deutschen Einheit ist eine besondere Be- Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch ich, wa- reitschaft des Bundes, dem ausrichtenden Land Geld zu ren im Vorfeld der Veranstaltung manchmal an einem geben, nicht zu erhoffen. Es sind aber jetzt schon Maß- Punkt, an dem man gesagt hat: Ist das alles noch so nahmen durchgeführt worden, wie man sicherstellen kann zeitgemäß, wie wir es aufziehen? – Ich kann Ihnen nach – auch mit dem städtischen Grün- und Umweltamt –, dass der Veranstaltung sagen: Ja, das ist es. Wenn wir aufhö- im nächsten Frühjahr dort wieder Rasen wächst, und zwar ren, an diese friedliche Revolution zu erinnern – und zwar, wieder, wie es die Natur vorsieht: ziemlich von allein. mit den Menschen auf der Straße zu feiern und ihnen das Gefühl zu geben, das ist unser gemeinsames Deutsch- (Heiterkeit der Abg. Julia Klöckner, CDU) land –, dann wird das zu einer reinen Veranstaltung, in der Menschen gegenseitig gut über sich reden, ohne dass es Man hat sich auch im Hinblick auf die Witterung, die jetzt aber die Breitenwirkung entfaltet, die es bei einem solchen einsetzt, und die bevorstehende Jahreszeit, bewusst da- Fest entfalten sollte. Wie sich die Länder und die Verfas- gegen entschieden, durch das Verlegen von Rollrasen sungsorgane in dieser Stadt für 510.000 Bürgerinnen und kaschieren zu wollen, dass man dort gefeiert hat. Man Bürgern präsentiert haben, hat einen nachhaltigen Wert hat vielmehr beschlossen, den Boden wieder einzuebnen, für unsere Demokratie. aber auch aufzulockern und nachzusäen, sodass die Hoff- nung besteht, dass im Frühjahr dort wieder eine Rasenflä- che entstanden ist, wie sich die Mainzer das wünschen. Präsident Hendrik Hering: Mir liegen noch zwei weitere Zusatzfragen vor. Danach Im Zuge dessen hat man auch davon Abstand genom- betrachte ich die Anfrage als beantwortet. Zunächst Herr men, die Mauer, die kurzzeitig zur Neustadt gebaut wurde, Kollege Klomann. stehen zu lassen, weil die Sorge vor der Ausrufung der Unabhängigkeit der Neustadt dann doch zu groß war. (Abg. Julia Klöckner, CDU: Sie war eigentlich schon vorher beantwortet!) Präsident Hendrik Hering:

Abg. Johannes Klomann, SPD: Nachdem die wichtige Frage geklärt ist, jetzt Frau Abge- ordnete Becker mit der abschließenden Frage. Herr Staatssekretär, vielen Dank. Wir Mainzer haben nicht nur viel Geduld gehabt, sondern wir haben natürlich an diesen Tagen auch sehr viel Spaß gehabt, und es war ein Abg. Monika Becker, FDP: sehr großes Fest. Sie haben meine Frage jetzt auch schon beantwortet – – Vielen Dank. Herr Staatssekretär, nachdem wir auch ge- klärt haben, dass im Frühjahr jetzt wieder frisches Gras (Heiterkeit im Hause) wächst, möchte ich noch einmal auf die Sicherheitsfragen

2530 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 zurückkommen. Herr Haller hatte das schon angespro- Es trägt Herr Abgeordneter Schreiner vor. chen.

Ich habe die Sicherheitskräfte, die Polizei und die Ord- Abg. Gerd Schreiner, CDU: nungssicherheitskräfte als ausgesprochen freundlich emp- Wir fragen die Landesregierung: funden. Trotzdem: Es wurde sehr viel kontrolliert. Haben Sie von den Sicherheitskräften, der Polizei oder den ande- 1. Wie begründet die Landesregierung das jüngst be- ren Sicherheitskräften Berichte bekommen, dass sich von kannt gewordene extrem hohe Defizit der Universi- den Bürgerinnen und Bürger, die dort kontrolliert wurden, tätsmedizin Mainz für das Jahr 2016 in Höhe von mehrere über diese Kontrollen beschwert haben, oder hat 26,1 Millionen Euro? die Bevölkerung das in ihrem Sicherheitsgefühl als bestär- kend empfunden? 2. Welchen zeitlichen Horizont hält die Landesregie- rung für realistisch, das Defizit auf null zu senken?

Clemens Hoch, Staatssekretär: 3. Wie will die Landesregierung mittelfristig mit der im- Ich glaube, Letzteres ist der Fall. Beschwerden sind bei mer drückender werdenden Gesamtverschuldung uns nicht eingegangen. Ich kann das teilen. Bei uns kam der Universitätsmedizin vor dem Hintergrund eines vielmehr eher Ihr Eindruck an, dass Bürger, die bei uns drohenden Zinsrisikos umgehen? waren, sich Rat suchend an die Polizei gewendet haben. Aber auch viele Standbetreiber, die das auch aus ande- Präsident Hendrik Hering: ren Orten kennen, haben der rheinland-pfälzischen Polizei und den angeforderten Sicherheitskräften ein großes Lob Für die Landesregierung antwortet Herr Staatssekretär ausgesprochen, weil sie jederzeit ein sehr freundliches Dr. Barbaro. und gelassenes Bild dieses Landes vermittelt haben und jederzeit sehr hilfsbereit waren. Prof. Dr. Salvatore Barbaro, Staatssekretär: Alle Menschen, die zu einer solchen Veranstaltung kom- Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! men, wissen, es gibt Sicherheitsanforderungen. Dazu ge- Der Jahresabschluss der Universitätsmedizin (UM) ist be- hören im Einzelfall auch Taschenkontrollen. Das hat man lastend. Er ist belastend für den Vorstand, den Aufsichtsrat aber auch bei anderen Großveranstaltungen gelernt. und für alle die, die mit der UM verbunden sind. Er ist vor allem aber auch für die über 8.000 Mitarbeiterinnen und Ich glaube, Menschen haben sehr subjektiv ein gutes Ge- Mitarbeiter belastend, die mit ihrer großartigen Arbeit eine fühl der Sicherheit, wenn sie eine Polizeipräsenz wahrneh- wichtige, zum Teil lebenswichtige und ohne Übertreibung men und es aber auch bei den Sicherheitskräften eine gesprochen auch unersetzliche Arbeit für die Menschen in entspannte Stimmung gibt, wenn man im Einzelfall etwas der ganzen Region leisten und die ihr Engagement nicht länger an einem Durchlass anstehen muss, weil einmal ei- mit einem guten Bilanzergebnis abgebildet sehen. ne Tasche auf den Inhalt kontrolliert wird. Die allermeisten haben doch das Gefühl: Es wird bei jedem gemacht, und Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage wie folgt: das sichert meine individuelle Sicherheit. Zu Frage 1: Wie in jedem Jahr, setzt sich der Jahresab- Deswegen gab es an keinem mir bekannten Punkt dazu schluss aus strukturellen Effekten einerseits und Einmal- irgendein Vorkommnis. Es gab vielmehr an dem Montag- effekten andererseits zusammen. Im vergangenen Jahr abend irgendwann einen Zwischenlagebericht der Polizei, schlugen diese Einmaleffekte mit rund 15 Millionen Euro zu der damit abschließt, dass es zwei meldepflichtige Vor- Buche. Im Rahmen der letzten Ausschusssitzung habe ich kommnisse an dem Abend gab. Das eine war ein Taschen- über die jeweiligen Punkte bereits berichtet, auch schon diebstahl, und das andere war ein Drohneneinsatz, der zuvor im Haushalts- und Finanzausschuss. Ich möchte festgestellt wurde. Ich glaube, an jedem normalen Mon- dennoch auch von dieser Stelle zumindest in aller Kürze tagabend ist die Sicherheitslage in der Stadt Mainz eher hierauf noch einmal eingehen. angespannter als an diesem Tag der Deutschen Einheit. Im Bereich der Drittmitteladministration gab es im Rahmen der Prüfung der vergangenen Jahre die Empfehlung und Präsident Hendrik Hering: auch den Wunsch, hier einen Schwerpunkt im aktuellen Damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet. – Vielen Jahresabschlussprüfungsprozess zu legen. Dies wurde für Dank. den Jahresabschluss 2016 vorgenommen. Hieraus ergab sich, dass sowohl Forderungen als auch Verbindlichkeiten (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS berichtigt werden mussten. Zum einen mussten Forderun- 90/DIE GRÜNEN – gen um über 12 Millionen Euro korrigiert werden. Auf der Abg. Julia Klöckner, CDU: Das war sehr anderen Seite mussten auch Verbindlichkeiten abgeschrie- wichtig!) ben werden, was einer Korrektur von 7,3 Millionen Euro entspricht. Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Gerd Schreiner und Marion Schneid (CDU), Defizit der Main- Insgesamt entspricht dies einem kumulierten Wertberichti- zer Universitätsmedizin – Nummer 2 der Drucksache gungsbedarf von knapp 20 Millionen Euro, der sich saldiert 17/4436 – betreffend, auf. mit 5 Millionen Euro zu Buche schlägt, weitgehend oder

2531 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 fast vollständig nicht liquiditätswirksam, aber vollumfäng- Vorstandes in einer Größenordnung von 70 Millionen Euro lich finanzwirksam. Mit einer Größenordnung von 8 Millio- finanzieren. nen Euro hat es 2017 Verrechnungen der Kassen gegeben, die Abrechnung aus einer Kooperation betreffend, die bi- (Beifall des Abg. Johannes Klomann, SPD) lanziell in 2016 in Form von Rückstellungen abgebildet wurden. Bezüglich des strukturellen Defizits weist die Uni- Zu Frage 3: Die gesamte Verschuldung, die auf infrastruk- versitätsmedizin Bereiche auf, die zum einen aufgrund der turelle Maßnahmen zurückzuführen ist, insbesondere auch gesetzlichen Rahmenbedingungen vorgehalten werden bauliche Maßnahmen, ist vollumfänglich vom Land abgesi- müssen und sich nicht ohne Weiteres durch Maßnahmen chert. Da gibt es kein Zinsrisiko, auch kein Tilgungsrisiko, steuern lassen. weil das durch Ihren Beschluss im Haushalt abgebildet ist. Also das, was das Land tun kann, hat es vollumfänglich Beispielhaft seien hier die Extremkostenfälle genannt, die getan. im Einzelfall weit über 100.000 Euro Kosten verursachen und im Krankenhausfinanzierungssystem nicht entspre- Der Bereich der Verschuldung, der nicht auf infrastruktu- chend abgebildet werden. Da diese Fälle fast ausschließ- relle Maßnahmen zurückzuführen ist, sondern aus dem lich an Universitätsklinika behandelt werden, tragen sie Bereich der Krankenversorgung kommt, unterliegt, wie Sie auch zum Defizit unserer Universitätsmedizin bei. wissen, einer Beihilfethematik, die sich nicht ohne Weite- res auflösen lässt. Es ist der Landesregierung bekannt, Im Bereich der Notaufnahme ergibt sich durch die Vergü- dass hier ein Zinsrisiko besteht. Aktuell zahlt die Universi- tungsstruktur im Gesundheitswesen ein negativer Effekt. tätsmedizin pro Jahr für diesen Bereich der Schulden etwa Es zeigt sich, dass die Notaufnahme der Universitätsmedi- 450.000 Euro. Das können aber bei einem anderen Zinsni- zin zunehmend mit leichten Krankheitsbildern aufgesucht veau auch schnell einmal 1 bis 2 Millionen Euro werden. wird. Deren pauschale Vergütung deckt nicht annähernd die hohen Infrastrukturkosten. Allein die internistische Not- Insofern sind wir bestrebt – das habe ich schon ausge- aufnahme trägt so mit 3,4 Millionen Euro zum jährlichen führt –, das beihilferechtliche Thema auch im Verbund Defizit bei. mit anderen Klinika und anderen Ländern noch einmal zu adressieren. Das werden wir auch angehen. Eine weitere strukturelle Belastung sind die Hochschulam- bulanzen, deren Vergütung im Hochschulambulanzvertrag Vielen Dank. festgeschrieben und auf eine Patientenzahl von 83.000 ge- deckelt ist. Während schon die Vergütung für die Behand- lung der behandelten 83.000 Patienten im Durchschnitt Präsident Hendrik Hering: nicht kostendeckend ist, wird für die ca. 11.000 in 2016 Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schreiner. darüber hinaus behandelten Patienten gar keine Vergü- tung gezahlt. Hieraus ergibt sich ein weiteres Defizit im mittleren bis oberen einstelligen Millionenbetrag. Abg. Gerd Schreiner, CDU: Diese Punkte stellen Universitätsklinika bundesweit Herr Staatssekretär, vielen Dank. Ich kann unmittelbar an- vor Herausforderungen. Für unsere Universitätsmedizin schließen und habe in diesem Zusammenhang eine Frage kommt hinzu, dass sie aus dem städtischen Krankenhaus zur Vorlage 17/2116. Herr Professor Dr. Wolf bittet uns entstanden ist und in den Augen der Bevölkerung diese um eine Erhöhung des Überziehungskreditrahmens der Rolle als wohnortnaher Grundversorger weiterhin wahr- Universitätsmedizin. Aktuell sind es schon 134 Millionen nimmt. Dies ist ein Vertrauensbeweis gegenüber unserer Euro. Das sind im Wesentlichen die aufgelaufenen Altfehl- Universitätsmedizin, macht es aber auch noch schwieriger, beträge. Der Überziehungskreditrahmen soll jetzt von 135 diese Hochleistungsmedizin zu finanzieren. Millionen Euro auf 205 Millionen Euro hochgesetzt werden, dies eben nicht nur wegen der 20 Millionen Defizit, die Sie Zu Frage 2: Vor dem Hintergrund der geschilderten Rah- eben dargestellt haben, oder 21,6 Millionen Euro menbedingungen wäre es nicht seriös, einen Zeitpunkt für das – vor allem auch: dauerhafte – positive Jahresergebnis (Staatssekretär Prof. Dr. Salvatore Barbaro: zu nennen. Das wirtschaftliche Ergebnis der Universitäts- 26,1 Millionen Euro!) medizin hängt in weiten Teilen von gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen ab. Unter den aktuellen strukturellen – 26,1 Millionen Euro Defizit, es wäre schön, wenn es an- und bundespolitischen Voraussetzungen wird eine kosten- ders wäre, es sind 26,1 Millionen Euro Defizit –, sondern deckende Arbeit nicht möglich sein. Ob sich die Rahmen- auch wegen der Vorfinanzierung im Haushalt nicht veran- bedingungen ändern, werden die nächsten Wochen und schlagter Investitionen. Monate sicherlich zeigen. Wir warten gespannt auf den Koalitionsvertrag. In dem Schreiben heißt es: „Das Land hat die Finanzierung der Investitionsvorhaben in Aussicht gestellt.“ Das haben Die notwendigen Maßnahmen hat der Verband der Univer- Sie eben auch noch einmal wiederholt. Der Herr Kollege sitätsklinika, der VUD, formuliert. Sie sind allen bekannt, hat daraufhin Beifall gespendet. die in Berlin verhandeln oder bald verhandeln werden. Sind Sie der Auffassung, dass diese Investitionen von Aber auch das Land kann durch die infrastrukturelle Basis 70 Millionen Euro unabweisbar sind? Warum wählen Sie der Gesundheitsversorgung einen Beitrag leisten. Deshalb dann den Weg einer Vorfinanzierung der Investitionen über wird die Landesregierung ein Investitionspaket des UM- einen Überziehungskredit der Universitätsmedizin, statt

2532 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 den durchaus auch möglichen Weg zu gehen und zu sa- Präsident Hendrik Hering: gen, wir machen an der Stelle einen Nachtrag? Es ist unsere Verantwortung als Land, diese Investitionen, die Eine Zusatzfrage der Frau Kollegin Schneid. wir für unabweisbar halten – auch zeitlich –, durchzufüh- ren. Wir liegen weit über der Grenze von 5 Millionen Euro, Abg. Marion Schneid, CDU: und deshalb wählen wir einen anderen Weg und entlasten die Universitätsmedizin von den Zinszahlungen für diese Vielen Dank. Herr Staatssekretär, meine Frage geht in eine Vorfinanzierung. andere Richtung. Sie hatten gesagt, dass die Notaufnah- men besonders stark von den Bürgern in Anspruch genom- men werden. Wie sieht die Kapazität von Notaufnahmen, Prof. Dr. Salvatore Barbaro, Staatssekretär: insbesondere auch von internistischen Notaufnahmen, im Umkreis aus? Ist daran gedacht, dass man die Menschen Vielen Dank, Herr Schreiner. Sie haben eine Vorlage für noch einmal aufklärt und damit ein anderes Verhalten be- den Haushalts- und Finanzausschuss aufgerufen, der, fördern könnte? glaube ich, noch gar nicht terminiert ist. Dies wollen Sie jetzt schon diskutieren. Ich mache das gern auch schon Danke schön. jetzt an dieser Stelle. Prof. Dr. Salvatore Barbaro, Staatssekretär: Zum Sachverhalt: Sie haben im Koalitionsvertrag gele- Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Ich kann Ihnen über die sen, dass SPD, Grüne und FDP beschlossen haben, dass Kapazitäten der anderen internistischen Notaufnahmen in die Universitätsmedizin, was diese infrastrukturellen Maß- der Region nicht präzise Auskunft geben, da ich sie nicht nahmen betrifft, nach Vorlage entsprechender Pläne fi- parat habe. nanziert werden soll, damit auch klar ist, dass die Gelder sachgerecht und zielgerichtet eingesetzt werden können. Deswegen gibt es den Baumasterplan, die verabschiede- Wir beobachten aber in der Universitätsmedizin eine te Strategieentwicklung und das Paket der Maßnahmen, zunehmende Inanspruchnahme, übrigens insbesondere die sich im Bereich der Investitionen, insbesondere Gerä- nicht in den Zeiten, in denen die Hausärzte nicht da sind. te, konzentrieren, die auch vorgelegt und geprüft worden Man würde erwarten, dass eine Notaufnahme beispiels- sind und sozusagen jetzt vorliegen. Es war klar, dass die weise insbesondere zu Nachtzeiten aufgesucht wird, wenn Landesregierung dies umsetzt, wenn die entsprechenden also irgendetwas passiert. Die Hauptinanspruchnahme ist Maßnahmen vorliegen. tatsächlich zwischen 07:00 und 18:00 Uhr, also genau in der Zeit, in der das eigentlich klassisch vorgesehene An- gebot vorhanden ist. Jetzt liegt dieses Investitionspaket seit dem 19. Juli vor. Es konnte nicht früher vorliegen, weil erst der Baumasterplan Versuche, aufzuklären und darauf hinzuwirken, hat es im- und die Strategieentwicklung abgewartet werden mussten. mer gegeben. Man muss sagen, sie fruchten nicht allzu Jetzt stellt sich die Frage: Warten wir, was regulär wäre, bis stark. Das mag verschiedene Gründe haben, der Zeitpunkt zum Haushaltsjahr 2019, veranschlagen dann und fangen unter der Woche, dass man also sagt, ich kann während dann auch erst an, die Investitionsmaßnahmen zu tätigen, der Arbeit nicht zum Arzt gehen, will es vielleicht nicht, oder finden wir einen Weg, früher zu beginnen? ich halte mir dafür den Freitagabend vor oder gehe noch einmal schnell dorthin, oder das zunehmende Bedürfnis Der Weg, früher zu beginnen, ist tatsächlich der, dass die der Menschen, vollumfänglich untersucht zu werden, wenn Universitätsmedizin dies vorfinanziert. Ich glaube, es ist bei man das Gefühl hat, man muss einen Arzt aufsuchen. Zu der jetzigen Zinslage – wir reden über 0,5 % – überschau- erwähnen sind sicherlich an vielen Stellen aber auch an- bar. Es gibt somit die Möglichkeit, jetzt sofort anzufangen. dere Themen. Nach Dafürhalten der Universitätsmedizin und auch von uns sind die Erträge aus diesen Investitionen deutlich hö- Wir kommen mit einer reinen Aufklärungskampagne nicht her als die Zinsbelastung. gut voran. Einen Effekt sollten wir nicht übersehen. Wir re- den über eine deutlich wachsende Region. Das heißt, die Zahl der Menschen, die in der Region leben, hat deutlich Dann war Ihre Frage, ob wir es für unabweisbar halten. zugenommen. Auch das hat natürlich auch einen Effekt Nein. Wenn wir es für unabweisbar halten würden, dann auf die Nachfrage in der internistischen Notaufnahme. könnten wir es über überplanmäßige Ausgaben machen. Dann bräuchten wir keinen Nachtragshaushalt. Insofern hat sich die Frage damit auch schon erledigt. Weil es nicht Präsident Hendrik Hering: unabweisbar ist, gehen wir diesen Weg, der, glaube ich, Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Schreiner. erstens normal ist. Es ist genau das, was im Gesetz vorge- sehen ist, nämlich eine Kreditaufnahme der Universitäts- medizin nach Zustimmung des Haushalts- und Finanzaus- Abg. Gerd Schreiner, CDU: schusses nach entsprechender Vorlage. Man geht diesen Weg so, wie es, glaube ich, auch normal ist. Das schließt Vielen Dank. Herr Staatssekretär, ich möchte jetzt nicht nicht aus, dass es auch andere Wege hätte geben können. kommentieren, dass eine Überziehungskrediterhöhung auf Aber es gibt einen Weg, den der Gesetzgeber so vorsieht, 205 Millionen Euro nicht normal ist, sondern ich möchte und den schlagen wir auch ein. lieber eine Frage stellen.

2533 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017

Sie haben angesprochen, dass die Defizite in der Vergan- Herr Schreiner, ich würde sagen, diese „Wasch mich, aber genheit durchaus gesunken waren und wir in diesem Jahr mach mich nicht nass-Politik“ hilft uns da nicht weiter. Be- Sondereffekte hatten, trotzdem aber auch aus dem laufen- handelt die Leute ohne Entgelt, aber schreibt bitte eine den Betrieb – das Stichwort, was die Frau Kollegin genannt schwarze Null. Ich glaube, das ist etwas, was ein Akt von hat – weitere Defizite entstehen. Unehrlichkeit ist, wenn man dies so vorträgt.

Vor dem Hintergrund, dass die Universitätsmedizin sich (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Wohl schon sehr stark bemüht, ist das Ziel, wirklich einmal bei wahr!) der Universitätsmedizin auf eine schwarze Null zu kom- men und einen ausgeglichenen Haushalt zu haben, sehr Präsident Hendrik Hering: ambitioniert. Das Ziel, die dann bis dahin aufgelaufenen Altfehlbeträge zurückzuzahlen, ist noch ambitionierter. Da- Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Klomann. zu haben Sie ausgeführt, Sie hätten das Thema in der Runde Ihrer Kollegen adressiert. Abg. Johannes Klomann, SPD: Das Thema zu benennen, dass es in dem Bereich ein Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Die Universitätsmedizin Problem gibt, ist das eine. Was ist denn der konkrete Lö- Mainz ist nicht die einzige Universitätsklinik in Deutschland. sungsvorschlag? Wir müssen zu einem Zeitpunkt x die Sind diese Dinge mit der Notfallambulanz und Ähnlichem aufgelaufenen Altfehlbeträge von jetzt in einer Größen- ein Problem, das auch andere Universitätskliniken betrifft, ordnung von 150 Millionen Euro ohne Investitionskredite oder betrifft das nur uns? zurückzahlen.

Prof. Dr. Salvatore Barbaro, Staatssekretär: Präsident Hendrik Hering: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Es betrifft natürlich Herr Schreiner, Sie sollen bitte eine Frage formulieren. alle, aber in unterschiedlichen Größenordnungen. Zu- nächst gibt es, was die Hochschulambulanzen angeht, immer individuelle Verträge, also keine bundesweiten Abg. Gerd Schreiner, CDU: Verträge. Aber es gibt eine Rahmengesetzgebung, die sich übrigens zugunsten der Universitätsklinika im letz- Was ist Ihr Lösungsvorschlag, wie das geschehen soll? ten Jahr auch geändert hat, und zwar durch das GKV- Selbstverwaltungsstärkungsgesetz und den Gesetzen mit Prof. Dr. Salvatore Barbaro, Staatssekretär: großen Komposita, die vorher erlassen worden sind. Herr Schreiner, Sie haben zwei verschiedene Themen mit- Es gibt auch Unterschiede im Vergleich der Universitäts- einander vermischt. Das eine ist die Frage, wie man mit klinika hinsichtlich der Frage, wie stark die Stadtkranken- dem Thema umgeht, ob eine Übernahme der Verschul- hausfunktion einer Universitätsklinik gegeben ist. dung aus dem Bereich der Krankenversorgung beihilfe- rechtlich möglich ist. Das ist der Effekt, den die Universi- Es gibt Kliniken, die tatsächlich in einem gut versorgten tätsmedizin derzeit mit etwa 450.000 Euro pro Jahr belas- Gebiet auf die Hochleistungsmedizin spezialisiert sind und tet. Das ist viel Geld, aber das ist ein Teil des Problems. unterdurchschnittlich Leistungen der allgemeinen Versor- gung übernehmen, insbesondere eben einer Stadtkran- Den anderen Teil des Problems können Sie nicht an den kenhausfunktion. Sie haben dann natürlich auch andere Länderkreis adressieren. Das ist vielmehr eine klare Adres- Zahlen, was die Notaufnahme angeht als etwa die Univer- sierung an die Bundesgesundheitspolitik. Deswegen habe sitätsmedizin in Mainz, die historisch gesehen auch immer ich schon darauf hingewiesen. Es ist die Frage, wie eigent- ein städtisches Krankenhaus war und so heute auch noch lich die Vergütungssystematik ist. in der Bevölkerung wahrgenommen wird.

Wenn wir 83.000 Patienten im Jahr behandeln dürfen – dies war im letzten Jahr so –, für die wir eine nicht aus- Präsident Hendrik Hering: kömmliche Finanzierung bekommen, dann heißt das, dass Es liegen noch zwei Zusatzfragen vor. Danach betrachte das Ziel der schwarzen Null implizieren würde, ab dem 15. ich die Anfrage als beantwortet. Zunächst eine Zusatzfra- Oktober eines Jahres damit aufzuhören, Menschen in der ge von Herrn Kollegen Köbler. Klinik aufzunehmen. Sie werden nicht mehr finanziert.

Wir haben im letzten Jahr allein in den Hochschulambulan- Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: zen 11.000 Menschen behandelt und damit auch erheb- Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Sie haben es gerade liche Kosten verursacht und einen Ertrag in der Größen- ausgeführt, die Unimedizin ist historisch als Stadtkranken- ordnung von null bekommen. Es gibt kein Unternehmen haus erwachsen. Meines Wissens ist diese Funktion sogar in der Welt, das in der Lage ist, ein Produkt herzustellen, noch im Gründungsvertrag oder Gesellschaftervertrag bis in dem Fall eine gute Gesundheitsversorgung, und dabei heute gegeben. Deswegen ist die Vergleichbarkeit nicht einen Gewinn zu erzielen, wenn der Erlös daraus genau immer gegeben. null ist. (Abg. Christian Baldauf, CDU: Das ist wie Ich glaube, das Problem ist auch ein Stück weit die Koope- beim Hahn!) ration mit den ärztlichen Bereitschaftsdiensten. Wie sind

2534 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 dort die Erfahrungen, dass die Menschen zunächst die zu machen. Das will ich ausdrücklich festhalten, weil es ärztlichen Bereitschaftsdienste aufsuchen und nicht direkt nicht nur eine Frage von Verhandlungen ist. Die Rahmen- in die internistische Notaufnahme der Unimedizin gehen? bedingungen müssen auch stimmen.

Was jene Schulden der Uniklinika angeht, die kumulierte Prof. Dr. Salvatore Barbaro, Staatssekretär: Verluste der vergangenen Jahre sind – nur um diese geht Das knüpft an das an, was die Abgeordnete Schneid schon es –, habe ich im Grunde schon eine Antwort gegeben. gefragt hat. Wir haben die Beobachtung gemacht, nicht Der Aufsichtsrat kann doch beim besten Willen nicht sa- nur in Mainz, dass die Menschen zunehmend direkt in gen: Ich finde das irgendwie nicht gut, und jetzt tue ich die Notfallaufnahme kommen. Das hängt allerdings auch einmal so, als gäbe es das Beihilferecht nicht. – ein bisschen damit zusammen, dass wir die Zentren für die Bereitschaftsversorgung aufgelöst haben oder sie sich Wenn wir etwas im Land gelernt haben, ist es doch, dass aufgelöst haben. Denken Sie in dieser Region einmal an das Beihilferecht etwas ist, das man zu beachten hat. die große Zentrale, die wir in Nieder-Olm hatten. Sie ist Ich würde uns sehr raten, dass wir das auch tun und jetzt weg. Wo gehen die Menschen hin? Dann eben an die nicht sagen, jetzt machen wir einen Schnellschuss, um Unimedizin. die 450.000 Euro irgendwie anzugehen. Wir gehen das stattdessen strukturiert mit anderen an. Stellen Sie sich in diesem Zusammenhang vor, wir hätten die Notaufnahme in Ingelheim nicht weitergeführt und wo Meine große Bitte ist, dass wir uns darauf fokussieren, dann die ganzen Menschen hingegangen wären, die jetzt dass wir die wesentlichen Rahmenbedingungen der Unikli- dort sind, wenn wir das nicht übernommen hätten. nika verbessern. Dort geht es nicht um 450.000 Euro. Dort geht es um zweistellige Millionenbeträge. Das heißt, es ist momentan noch gar nicht absehbar, dass sich das Problem reduziert. Man muss andere Wege su- Vielen Dank. chen, eine bessere Steuerung hinzubekommen. Wir hoffen immer noch, dass wir in laufenden Gesprächen mit den Präsident Hendrik Hering: Kassen zu einem guten Abschluss kommen können. Vielen Dank. Damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet.

Präsident Hendrik Hering: (Beifall bei SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eine abschließende Frage des Kollegen Schreiner. Ich rufe die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Uwe Junge (AfD), Brandstiftung in der GfA Ingelheim am Abg. Gerd Schreiner, CDU: 18. Oktober 2017 – Nummer 3 der Drucksache 17/4436 – Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, Sie ha- betreffend, auf. Bitte, Herr Junge. ben eben noch einmal ausgeführt, was die Defizite der Zukunft angeht, dass man Verhandlungen über Entgelte mit den Kassen führen muss, um die Defizite in der Zukunft Abg. Uwe Junge, AfD: auf null zu bringen. Ich frage die Landesregierung:

Meine Frage zielte auf die aufgelaufenen Altbeträge der 1. War der Brandverursacher bereits straffällig gewor- Vergangenheit ab, wozu Sie mit Recht ausführen, dass den, und falls ja, welche Delikte hatte er begangen? es dort um beihilferechtliche Fragen geht. Dazu bräuch- ten wir aber jetzt auch einen Lösungsansatz. Sie kosten 2. Hatte es bereits Versuche gegeben, den Brandverur- im Moment 400.000 Euro. Auf Sicht, haben Sie gesagt, sacher abzuschieben? kann das schnell einmal 1 Millionen Euro oder 2 Millionen Euro kosten. Was ist der Lösungsansatz von Ihnen als 3. Welche Konsequenzen werden sich aus der Brand- Aufsichtsrat, wie man mit diesen aufgelaufenen Altfehlbe- stiftung für den Aufenthaltsstatus des Brandverursa- trägen umgehen soll? chers ergeben?

4. Wo hält sich der Brandstifter gegenwärtig auf? Prof. Dr. Salvatore Barbaro, Staatssekretär: Herr Schreiner, ich habe ausdrücklich nicht gesagt, dass sich die strukturellen Probleme allein durch Verhandlungen Präsident Hendrik Hering: lösen lassen. Ich habe ausdrücklich gesagt, dass andere Rahmenbedingungen auch der Bundesgesundheitspolitik Für die Landesregierung antwortet Staatsministerin Spie- zwingend notwendig sind. Sie kennen die entsprechenden gel. Papiere des Verbandes der Universitätsklinika, des VUD. Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Wenn das DRG-System die hochkomplexen Fälle und die Integration und Verbraucherschutz: Bereitstellung von infrastrukturellen spitzenmedizinischen Leistungen nicht entsprechend abbildet, wird es auch nicht Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen möglich sein, tatsächlich nennenswerte Schritte nach vorn und Herren! Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten

2535 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017

Uwe Junge der Fraktion der AfD mit dem Titel „Brand- Wie es dazu kommen konnte, dass der Mann ein Feuer stiftung in der GfA Ingelheim am 18. Oktober 2017“ be- entzünden konnte, wird von der GfA momentan intern un- antworte ich namens der Landesregierung wie folgt – ich tersucht. Durch den herbeigerufenen Notarzt wurde er erst- beantworte die gestellten Fragen im Zusammenhang –: versorgt und zur weiteren Behandlung in die Universitäts- klinik Mainz eingewiesen. Aufgrund einer psychischen Auf- Es handelt sich bei besagter Person um einen mutmaßlich fälligkeit wurde der Mann von dort zur Untersuchung und marokkanischen Staatsangehörigen, der erstmals im Juli Behandlung am 20. Oktober in die Rheinhessen-Fachklinik 2016 in die Bundesrepublik eingereist ist, sich anschlie- in Alzey verlegt, wo er auf eine offene Station aufgenom- ßend nicht nur in der Bundesrepublik, sondern in vier wei- men wurde. teren Mitgliedstaaten der EU aufhielt und im Juni 2017 in die Bundesrepublik rücküberstellt wurde. Infolge der Brandstiftung erfolgt natürlich keine Änderung der statusrechtlichen Situation. Es besteht bereits eine Der 27-Jährige wurde Rheinland-Pfalz zugewiesen und vollziehbare Ausreisepflicht. Unabhängig davon hat die lebte, bevor er dem Landkreis Mayen-Koblenz zugeteilt Ausländerbehörde schon zuvor ein Ausweisungsverfahren wurde, in der Erstaufnahmeeinrichtung in Speyer. Dort war in die Wege geleitet. Hierdurch wird nach einer Rückfüh- er mehrfach abgängig und hat sich in stationärer Behand- rung die Wiedereinreise erschwert. lung in der Psychiatrie befunden. In der Rheinhessen-Fachklinik erfolgte die Bewachung wie Es liegen zwei strafrechtliche Verurteilungen zu Geldstra- üblich während der ersten drei Tage zunächst durch die fen wegen gefährlicher Körperverletzung, Körperverlet- GfA, die hierfür einen privaten Sicherheitsdienst einsetz- zung und Leistungserschleichung vor. Darüber hinaus ist te. Dieser war pro Schicht mit zwei Beschäftigten vor Ort. eine hohe Zahl von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungs- Nach Ablauf der ersten drei Tage war die Kommune, al- verfahren anhängig, die bislang noch nicht zu einer Verur- so der Landkreis Mayen-Koblenz, für die Bewachung des teilung geführt haben. Dabei handelt es sich um Straftaten, Mannes in der Rheinhessen-Fachklinik zuständig. die insbesondere unter Alkoholeinfluss begangen wurden. Ab dem 21. Oktober 2017 um 21:10 Uhr wurde die Bewa- Seit der Zuweisung an den Landkreis Mayen-Koblenz am chung somit von einem anderen von der Kreisverwaltung 10. August 2017 ist die dortige Ausländerbehörde unver- Mayen-Koblenz beauftragten Sicherheitsdienst übernom- züglich tätig geworden, um so rasch wie möglich eine men, der entsprechende Erfahrung besitzt. Dieses Vor- Entscheidung über den Asylantrag zu erwirken und ihn gehen, also eine Bewachung durch die GfA während der im Falle einer Ablehnung möglichst zeitnah nach Marokko ersten drei Tage und anschließend durch die zuständige zurückzuführen. Ausländerbehörde, ist in diesen Fällen üblich und gängige Praxis. Dies entspricht der Vorgabe meines Ministeriums bei Straf- tätern, das Asylverfahren beschleunigt zu betreiben, damit Am Sonntag, den 22. Oktober 2017, ist es dem Marokkaner die entsprechenden Personen schnellstmöglich zurückge- dennoch gegen 09:35 Uhr gelungen, aus der Rheinhessen- führt werden können. Eine entsprechende Absprache gibt Fachklinik zu entweichen. Der mit zwei Personen anwe- es auch mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. sende Sicherheitsdienst hat sofort die Polizei informiert.

So hat die Kommune so schnell wie möglich einen Ter- Wie die Situation im Hof genau war, aus dem der Betroffe- min beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erwirkt, ne entwichen ist, gehört zu den Dingen, die im Nachgang damit dort die Anhörung erfolgen konnte. Das Asylverfah- genau untersucht werden müssen, um ähnliche Situatio- ren wurde dementsprechend beschleunigt durchgeführt, nen künftig von vornherein zu vermeiden. und der ablehnende Bescheid ist am 18. September 2017 ergangen. Am 28. September 2017 wurde er bestandskräf- Die eingeleitete Fahndungsaktion der Polizei, bei der auch tig. Polizeidiensthunde eingesetzt wurden, führte nicht zur Er- greifung des Flüchtigen. Ferner war der private Sicher- Daraufhin wurde sofort die Zentralstelle für Rückführungs- heitsdienst auch mit vier Personen im Einsatz. fragen eingeschaltet, um Identifizierungs- und Rückfüh- rungsmodalitäten zu klären. Wegen bestehender Flucht- Der aktuelle Aufenthalt des flüchtigen Mannes ist seither gefahr wurde am 10. Oktober 2017, also drei Wochen, unbekannt. Er wurde zur Festnahme ausgeschrieben. Von nachdem das BAMF den Asylantrag abgelehnt hatte, un- der Polizei wird öffentlich nach ihm gefahndet. mittelbar ein Abschiebehaftbeschluss erwirkt. Vorherige Abschiebeversuche gab es nicht. Der Fall macht Folgendes deutlich: Personen wie dieser marokkanische Staatsangehörige gehören so schnell wie Wegen der bestehenden Erkenntnisse erfolgte in der Ge- möglich abgeschoben. Hier muss der Staat wehrhaft sein. wahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige eine engma- schige Überwachung und Personenkontrolle. Dies umfass- (Zurufe von der CDU: Oh! – te auch eine engmaschige Kontrolle des Haftraums. Abg. Matthias Lammert, CDU: Das ist ja mal eine Erkenntnis!) Gleichwohl ist es dem Betroffenen am Abend des 18. Okto- ber 2017 gegen 19:52 Uhr gelungen, in seiner Zelle Feuer – Entschuldigung, ich hatte zuvor bereits erläutert, dass zu legen, indem er die Matratze in Brand setzte. Dieser das eine ausdrückliche Entscheidung meines Ministeriums Brand wurde dank eines Rauchmelders jedoch schnell ist und die Zusammenarbeit mit den Ausländerbehörden entdeckt. in Rheinland-Pfalz so läuft, dass genau diese Straftäter so

2536 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 schnell wie möglich abgeschoben werden. Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz: (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP) Sehr geehrte Frau Abgeordnete Binz, in jedem Fall würde diese Person in die sofortige Abschiebehaft kommen. Das Die getroffenen Absprachen zur beschleunigten Rückfüh- ist völlig klar. Ob eine Untersuchungshaft angeordnet wird, rung von Straftätern in die Maghrebstaaten haben funktio- ist Sache der Staatsanwaltschaft, dies zu entscheiden. niert. Die Behörden haben in diesem Fall Hand in Hand gearbeitet. Die Ausländerbehörde der Kreisverwaltung Natürlich wären die weiteren Schritte, dass die Klärung der Mayen-Koblenz hat vorbildlich gehandelt, indem sie al- Identifizierung der betreffenden Person so schnell wie mög- le Möglichkeiten zur Beschleunigung des Asylverfahrens lich herbeigeführt werden kann. Ich hatte zu Beginn ge- genutzt hat. sagt, dass es sich um einen mutmaßlich marokkanischen Staatsangehörigen handelt. Er hatte aber auch Aliasna- Offen sind die Fragen, wie es dem Mann gelingen konnte, men. Es könnte auch eine algerische Staatsangehörigkeit in der GfA ein Feuer zu legen, und wie er aus dem bewach- sein, sodass im Moment ein Abgleich des Fingerabdrucks ten Hof der Rheinhessen-Fachklinik entweichen konnte. bei den Behörden in Marokko und Algerien läuft, um diese Mögliche Versäumnisse des Sicherheitsdienstes bei der Frage zu klären, weil sie für die Frage der Rückführung Bewachung des Mannes in der Klinik sind zu untersuchen. essenziell ist, und wir hoffen, dass diese Fragen so schnell wie möglich geklärt werden können, damit die Person so Mein Haus wird daher das gemeinsame Gespräch mit schnell wie möglich zurückgeführt werden kann. der betroffenen Kommune, der Polizei und dem Sicher- heitsdienst suchen. Ich darf Ihnen versichern, dass wir vonseiten der Landesregierung an einer lückenlosen Auf- Präsident Hendrik Hering: klärung dieses Falles in höchstem Maß interessiert sind. Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Junge. Wir wollen vermeiden, dass sich dies so oder so ähnlich in der Zukunft wiederholen kann. Abg. Uwe Junge, AfD: (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP) Vielen Dank, Herr Präsident. Frau Ministerin, wir können feststellen, dass die betreffende Person gefährlich war. Sie war suizidgefährdet und im Grunde schon zur Abschiebung Präsident Hendrik Hering: bereit. Ich frage Sie: Wie konnte es dennoch zu der Flucht Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Herber. kommen? – Sie haben es versucht zu erklären. Warum haben Sie die Öffentlichkeit, wo doch die Flucht am Sonn- tag stattgefunden hat, erst am Mittwoch informiert? Es war Abg. Dirk Herber, CDU: auch heute erst in den Medien herauszufinden. War viel- Frau Ministerin, vielen Dank für Ihre Ausführungen. leicht unsere Anfrage der Hintergrund? Sie haben beschrieben, dass eine offene Station der Rheinhessen-Fachklinik gewählt wurde. Warum wurde für Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, die Unterbringung des Ausreisepflichtigen keine geschlos- Integration und Verbraucherschutz: sene Station – und wenn es diese in der Fachklinik nicht gibt, in einer anderen Einrichtung – gewählt? Sehr geehrter Herr Abgeordneter Junge, ich selbst habe weder die Öffentlichkeit informiert noch dazu Entscheidun- gen getroffen. Das war eine Angelegenheit und eine Ent- Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, scheidung der örtlich zuständigen Polizei. Das hat mit der Integration und Verbraucherschutz: Fahndung zu tun. Es liegt auch in der Entscheidungshoheit Sehr geehrter Herr Abgeordneter Herber, das ist eine Ent- der Polizei festzustellen, inwieweit – das ist in diesem Fall scheidung der zuständigen Ärztinnen und Ärzte vor Ort. Er passiert – zunächst eine interne Fahndung läuft, die aus wurde aufgrund einer psychischen Auffälligkeit von der Uni- taktischen Gründen zunächst einmal intern lief. Danach versitätsklinik Mainz in die Rheinhessen-Fachklinik nach hat sich die Polizei aus polizeitaktischen Gründen entschie- Alzey verbracht. Dort erfolgten die Untersuchung einer den, diese Fahndung auch öffentlich zu machen, wie das möglichen psychischen Auffälligkeit und dann die Entschei- in solchen Verfahren üblich ist. dung, ihn dort auf einer offenen Station unterzubringen. Präsident Hendrik Hering: Präsident Hendrik Hering: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Paul. Eine Zusatzfrage der Kollegin Binz.

Abg. Joachim Paul, AfD: Abg. Katharina Binz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frau Ministerin, vielen Dank für die Ausführungen. Dieser Frau Ministerin, vielen Dank für die sehr detaillierte Dar- Pseudomarokkaner hat uns ganz schön auf Trab gehalten stellung dieses Falles und den Ablauf. Was passiert mit – Sicherheitsbehörden, Privatbehörden, Verwaltungstätig- der betreffenden Person, wenn sie dann hoffentlich bald keiten, medizinische Behandlung und die Zuwendungen aufgegriffen wird? für seinen Lebensunterhalt. Ich gehe davon aus, dass er

2537 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 keiner geregelten Arbeit nachgegangen ist bzw. auch nicht raschen Rückführung kommt, ein Abschiebehaftbeschluss konnte. Gehe ich recht in der Annahme, dass diese Per- erwirkt wird und die Sicherheit der Bevölkerung eine ganz son seit der Einreise 2016 den Staat und damit auch den große Rolle spielt. Die Frage der Unterbringung in der Steuerzahler viele zehntausend Euro gekostet hat? Rheinhessen-Fachklinik Alzey hat aber mit psychiatrischen und psychologischen Kategorien und Einschätzungen so- wie mit der Frage von Suizidalität und Eigen- und Fremdge- Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, fährdung zu tun. Das ist eine Sache, die die Ärztinnen und Integration und Verbraucherschutz: Ärzte und nicht Behörden in diesem Fall zu entscheiden Sehr geehrter Herr Abgeordneter Paul, wie ich bereits aus- haben. geführt hatte, war die Person, als sie 2016 in die Bundes- republik einreiste, danach in vier weiteren Mitgliedsstaaten Präsident Hendrik Hering: der Europäischen Union unterwegs, sodass sie sich nicht fortlaufend in der Bundesrepublik Deutschland aufgehal- Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Frisch. ten hatte. Sie wurde dann im Juni 2017 rücküberstellt in die Bundesrepublik und Rheinland-Pfalz zugeteilt. Der Auf- enthalt in Rheinland-Pfalz ist ab Juni 2017 dort zunächst Abg. Michael Frisch, AfD: in der Erstaufnahmeeinrichtung erfolgt. Dann wurde die Frau Ministerin, wir haben mit Interesse zur Kenntnis ge- Angelegenheit dem Landkreis Mayen-Koblenz zugeteilt. nommen, dass Sie sich jetzt für eine konsequente Rück- führung oder Abschiebung von straffällig gewordenen Per- Ich hatte eben ausgeführt und möchte dies auch noch sonen ausgesprochen haben. einmal betonen, dass die zuständige Ausländerbehörde von Beginn an in guter Zusammenarbeit mit den ande- (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das ist ren Behörden alle richtigen Schritte unternommen hat, um die Politik dieser Landesregierung! – zum einen das Asylverfahren zu beschleunigen, was auch Unruhe im Hause) passiert ist, und zum anderen dafür zu sorgen, dass ein Abschiebehaftbeschluss erwirkt wurde und die Person so- Kann ich jetzt weitermachen? mit zeitnah hätte zurückgeführt werden können. Präsident Hendrik Hering: Es waren im Übrigen keine Privatbehörden im Einsatz, sondern ich hatte von einem privaten Sicherheitsdienst Fahren Sie fort, Herr Frisch. gesprochen.

Abg. Michael Frisch, AfD: Präsident Hendrik Hering: Gleichzeitig haben Sie im Integrationsausschuss mehr- Es liegen noch sieben weitere Zusatzfragen vor. Danach fach betont, dass die Plätze in der GfA Ingelheim, die für betrachte ich die Anfrage als beantwortet. Rheinland-Pfalz ohnehin sehr eingeschränkt sind, vollkom- men ausreichend seien. Ich sehe hier einen gewissen Wi- Zunächst hat Herr Abgeordneter Dr. Bollinger das Wort. derspruch. Sind Sie denn jetzt der Auffassung, dass man, wenn man es konsequent betreibt, alle Straftäter auch zurückzuführen und, wenn man sich den Fall anschaut, Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: mit den entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen versieht, Vielen Dank, Herr Präsident. Frau Ministerin, Sie sagten vielleicht doch über einen Ausbau der Plätze in Ingelheim gerade eben auf eine Anfrage, dass über die Unterbrin- nachdenken sollte, wie wir es gefordert hatten? gung des Delinquenten in einer offenen Abteilung anstelle einer geschlossenen Ärzte entschieden hätten. Jetzt ist Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, aber aufgrund einer Diagnose durch Ärzte davon auszuge- Integration und Verbraucherschutz: hen, dass es vor allem um medizinische Befunde und die Situation des Betreffenden geht. Ich frage Sie: Inwiefern Sehr geehrter Herr Abgeordneter Frisch, die Anzahl der hat die Landesregierung Sorge dafür getragen, dass auch Plätze in der Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige der Schutz der Bevölkerung und der öffentlichen Sicherheit in Ingelheim beträgt 40 Plätze. Wir halten die Zahl dieser gewährleistet wird? Plätze, die vorgehalten werden, nach wie vor für ausrei- chend. Es ist hingegen so, dass nicht alle Bundesländer eine Abschiebehafteinrichtung vorhalten. Deswegen wäre Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, es dringend geboten, darüber nachzudenken, inwieweit Integration und Verbraucherschutz: sich auch andere Bundesländer stärker in diesem Bereich Sehr geehrter Bollinger, die zuständigen Behörden – ich engagieren können. dachte, ich hätte das auch ausgeführt – Es ist für mich kein Widerspruch, und es ist im Übrigen (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Haben auch nichts Neues. Es ist möglicherweise etwas, was Sie Sie auch!) nicht so gehört haben. Es ist etwas, was ich mehrfach im Parlament und im Ausschuss gesagt hatte. Es ist keine haben sehr gut zusammengearbeitet und zu jedem Zeit- neue Entwicklung, dass wir seitens des Ministeriums eine punkt das ihnen Mögliche getan, um dafür zu sorgen, dass priorisierte Behandlung der Asylverfahren für Straftäter einerseits das Asylverfahren beschleunigt wird, es zu einer vorgesehen haben mit dem Ziel, diese Leute rasch in ihre

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Herkunftsländer zurückzuführen. Das steht für mich nicht Präsident Hendrik Hering: im Widerspruch, und das ist nichts Neues. Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Junge. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP) Abg. Uwe Junge, AfD: Herr Präsident, vielen Dank. Frau Ministerin, alle Maßnah- Präsident Hendrik Hering: men müssen sich letztlich am Ergebnis messen lassen. Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Braun. Das Ergebnis ist, dass ein selbstmordgefährdeter Straf- täter die Bürger und die öffentliche Sicherheit gefährdet. Meine Frage: Ist es richtig, dass in Ingelheim zunehmend Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: gefährliche Straftäter von privaten Sicherheitsdiensten be- wacht werden? Das war prinzipiell auch meine Frage. Frau Ministerin, Sie hatten am Anfang gesagt, es gibt eine Priorisierung bei Straftätern. Das Interesse, Straftäter möglichst schnell ab- Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, zuschieben, ist auch seitens der Landesregierung sehr Integration und Verbraucherschutz: groß. Trifft das auf Entgegenkommen auch bei den Bundes- Sehr geehrter Herr Abgeordneter Junge, die Gewahrsam- behörden, gerade bei den Ländern, in denen es schwierig seinrichtung für Ausreisepflichtige existiert schon seit vie- ist? Welche Erfahrungen haben Sie? len Jahren im Land Rheinland-Pfalz. Es war auch in der Vergangenheit so, dass dort Personen, die straffällig in Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Erscheinung getreten sind, untergebracht sind. Es ist des Integration und Verbraucherschutz: Weiteren so – das möchte ich noch ergänzen –, dass wir nicht nur einen privaten Sicherheitsdienst in der GfA Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Braun, das ist ein haben, sondern auch Landesbedienstete und Vollzugsbe- gemeinsam klar erkennbares Interesse sowohl der Auslän- amte dort tätig sind. derbehörden in Rheinland-Pfalz als auch der Landesregie- rung sowie des zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und – angedockt an das Bundesinnenmi- Präsident Hendrik Hering: nisterium – auch des Bundesinnenministers. Hier gibt es Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Paul. eine klare Einigkeit. Ich hatte das in diesem Fall ausgeführt. Es gibt auch eine gute Zusammenarbeit in dieser Frage. Abg. Joachim Paul, AfD:

Präsident Hendrik Hering: Vielen Dank. Frau Ministerin, Sie haben eben das Itinerar eines Mannes, der aus einem klassischen Urlaubsland Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Kessel. stammt, offengelegt und gesagt, wo er überall gewesen ist. Ich hatte allerdings nach Ihrer Einschätzung gefragt, welche Kosten dieser Mann verursacht hat – private Si- Abg. Adolf Kessel, CDU: cherheitsdienste, staatliche Sicherheitsdienste, Fahndun- Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie hatten auf die Frage gen, Lebensunterhalt, ärztliche Betreuung und Behand- der Kollegin Binz geantwortet, dass der jetzt Flüchtige lung. Können Sie das irgendwie eingrenzen? Ich denke, bei seiner Festnahme wieder in Abschiebehaft genom- das ist eine Frage, die den Steuerzahler sehr interessiert. men werden soll. Frage: Wer wird dann die Entscheidung Gehen die Zahlen in die Zehntausende, oder haben Sie treffen, ob er dann wieder in der offenen oder in der ge- eventuell andere Zahlen? schlossenen Abteilung untergebracht werden soll? – Eine Unterbringung in Ingelheim ist nicht möglich, weil er psy- Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, chisch erkrankt ist. Integration und Verbraucherschutz: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Paul, ich kann die Frage Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, nach den Kosten nicht genau beziffern. Dazu liegen mir Integration und Verbraucherschutz: keine genauen Erkenntnisse vor, um diesen Betrag ein- grenzen zu können. Sehr geehrter Herr Abgeordneter Kessel, die Entschei- dung, ob eine sofortige Abschiebehaft nach seiner Fest- nahme oder eine Untersuchungshaft erfolgt, ist eine Ent- Präsident Hendrik Hering: scheidung, die die Staatsanwaltschaft zu treffen hat. Er war, als er sich in der Gewahrsamseinrichtung für Ausrei- Eine abschließende Frage des Herrn Kollegen Friedmann. sepflichtige befunden hat, in einer Einzelzelle allein und nicht gemeinsam mit anderen untergebracht. Ich hatte Abg. Heribert Friedmann, AfD: auch darauf hingewiesen, dass er auch aus den von Ihnen genannten Gründen und den Auffälligkeiten, die er zeigte, Frau Ministerin, Sie haben uns erzählt, dass er einmal in eine engmaschige Bewachung erfahren hat. Das würde Deutschland und in vier anderen Ländern war und dann natürlich im Falle einer weiteren Abschiebehaft genauso nach Deutschland rücküberstellt wurde. Sie wissen aber sichergestellt werden. nicht, ob es ein Marokkaner oder ein Algerier ist. Ich frage

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Sie: Von woher kam dieser nach Deutschland, und mit wel- Herbert Mertin, Minister der Justiz: chen Papieren oder Argumenten ist er nach Deutschland Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren und nicht zum Beispiel, wenn er von Italien gekommen ist, Abgeordnete! Namens der Landesregierung beantworte nach Italien rücküberstellt worden? ich die Mündliche Anfrage der Frau Abgeordneten Willius- Senzer und des Herrn Abgeordneten Roth wie folgt – Sie Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, sehen, ich habe entsprechend dem Thema die Antwort Integration und Verbraucherschutz: auch in elektronischer Form mitgebracht –:

Es ist so, dass sich im Rahmen der geltenden Dublin- Als einer der ersten praktischen Schritte zur Einführung der Regelungen die Sachlage so darstellt, dass dasjenige elektronischen Akte in der Justiz wurde festgelegt, dass Land in der Europäischen Union, in dem derjenige zu- in Rheinland-Pfalz zeitnah eine erste Pilotierung der E- erst einen Asylantrag stellt und sich zuerst meldet, für das Akte in Angelegenheiten der Zivilgerichtsbarkeit bei einem Asylverfahren zuständig ist. Sie merken das an dem, was Landgericht angestrebt wird. Insofern beantworte ich die ich erläutert hatte, dass seit dem Juni 2016, als er erstmals Frage 1 dahin gehend, dass Hintergrund der Festlegung in die Bundesrepublik eingereist war und sich danach in war, dass mit dem elektronischen Integrationsportal eine vier europäischen Ländern aufhielt, die Bundesrepublik betriebsfertige E-Akten-Software für diesen Verfahrensbe- Deutschland in diesem Fall für die Durchführung des Asyl- reich existiert und in Bayern bereits erfolgreich pilotiert verfahrens von ihm zuständig war. Die Zuteilung, welches wurde. Bundesland das Asylverfahren zu übernehmen hat, erfolgt nach einem festgelegten Schlüssel, dem sogenannten Kö- Da sich mit der Einführung der E-Akte auch der gewohnte nigsteiner Schlüssel, sodass er Rheinland-Pfalz zugewie- Arbeitsablauf verändern wird, wurde beschlossen, mit der sen wurde. technisch risikoärmsten, weil bereits erfolgreich erprobt, Variante zu pilotieren. Ferner ist beim Landgericht wegen Ich habe keine Erkenntnisse darüber, wie genau die Flucht- des Anwaltszwangs eine deutlich höhere elektronische route nach Deutschland war. Ich werde versuchen, das Eingangsquote zu erwarten, was einen wesentlich gerin- noch einmal zu recherchieren. Sobald wir dazu neue Er- geren Digitalisierungsaufwand zur Folge hat. kenntnisse haben, werde ich Ihnen dazu die Information nachreichen. Im Einvernehmen mit den beiden Oberlandesgerichten ist deshalb Anfang des Jahres beschlossen worden, die E- Akte ab dem 1. Juni 2018 beim Landgericht Kaiserslautern Präsident Hendrik Hering: zu pilotieren. Gemeinsam mit den beiden Oberlandesge- richten ist die Wahl auf Kaiserslautern insbesondere we- Vielen Dank, damit ist die Anfrage beantwortet. gen der guten Erreichbarkeit, der schnellen Umsetzbarkeit (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, von baulichen Veränderungen in den Sitzungssälen und der SPD und der FDP) der guten Anbindung an das RLP-Netz gefallen.

Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Tho- Im Rahmen des gemeinsamen eJustice-Programms der mas Roth und Cornelia Willius-Senzer (FDP), Digitale rheinland-pfälzischen Justiz wird die Pilotierung in enger Gerichtssäle in Rheinland-Pfalz – Nummer 4 der Druck- Abstimmung mit dem Präsidenten des Landgerichts Kai- sache 17/4436 betreffend –, auf. serslautern sowie unter Einbindung der dortigen Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter in insgesamt neun Projekten, die Wer trägt vor? – Herr Abgeordneter Roth, bitte. alle Aspekte des digitalen Arbeitens in der Justiz beleuch- ten, vorbereitet. Voraussichtlich im vierten Quartal 2018 wird eine zweite Pilotierung beim Landgericht im Bezirk Abg. Thomas Roth, FDP: des OLG Koblenz folgen. Dies ist allerdings noch nicht festgelegt. Wir fragen die Landesregierung: Zu Frage 2: Es ist nicht beabsichtigt, die bereits vorhan- 1. Unter welchen Aspekten wurde das Landgericht Kai- denen Akten nachträglich zu digitalisieren. Die Pilotpro- serslautern als Pilotgericht ausgesucht? jekte in Bayern und Baden-Württemberg haben gezeigt, dass der personelle und organisatorische Aufwand für 2. Ist es angedacht, die bereits vorhandenen Ak- eine rechtskonforme Digitalisierung sämtlicher Bestands- ten, welche noch Aufbewahrungsfristen unterliegen, verfahren in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Auch nachträglich zu digitalisieren? die Leitungskapazitäten würden bei einer systematischen Bestandsdigitalisierung enorm belastet werden. 3. Welche – technischen – Voraussetzungen benötigen Rechtsanwälte und sonstige Beteiligte, um am elek- Gemeinsam mit den Geschäftsbereichen hat man sich tronischen Rechtsverkehr teilzunehmen? dennoch darauf verständigt, kein personalintensives Be- standsscannen durchzuführen. Angestrebt ist stattdessen eine Stichtagslösung, nach der in Kaiserslautern alle ab Präsident Hendrik Hering: dem 1. Juni 2018 eingehenden neuen erstinstanzlichen Zi- vilverfahren mit der elektronischen Akte bearbeitet werden. Für die Landesregierung antwortet Herr Staatsminister Dies bietet den betroffenen Dienststellen und insbesonde- Mertin. re den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit,

2540 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 sich sukzessive mit der neuen Art der Akten- und Verhand- beim Einsatz zur Verfügung stehen, da sichere Kommuni- lungsführung vertraut zu machen, und versetzt zudem die kationswege ermöglichen, am elektronischen Rechtsver- einzurichtende Scanstelle künftig in die Lage, mit einem kehr teilzunehmen. geringen, aber kontinuierlichen Aufwuchs der Fallzahlen zu arbeiten. So weit die Antwort der Landesregierung.

Zu Frage 3: Rheinland-Pfalz blickt auf eine langjährige Tradition im elektronischen Rechtsverkehr zurück. Es war Präsident Hendrik Hering: im Jahre 2004 eines der ersten Länder, die den elektro- Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Baldauf. nischen Rechtsverkehr damals beim Oberverwaltungsge- richt eröffnet haben. Ab dem 2. November 2017 werden nunmehr alle Gerichte in Rheinland-Pfalz über den elektro- Abg. Christian Baldauf, CDU: nischen Rechtsverkehr in allen Verfahrensarten, die dies Vielen Dank, Herr Minister. Ich finde, dass man sich nicht bisher erlauben, erreichbar sein. zu sehr loben sollte, weil wir zeitlich ganz weit im Verzug Stand heute sind in Rheinland-Pfalz noch verschiedene sind. elektronische Kommunikationswege wie etwa die E-Mail Ich würde gern von Ihnen wissen, wenn Sie die Stichtags- oder Web-Upload vorgesehen. Zum Jahreswechsel 2018 frage stellen, die durchaus sinnvoll sein kann, und natürlich werden die elektronischen Übermittlungswege zur Ver- nicht von jetzt auf gleich plötzlich alle Akten digital geführt einheitlichung bundesweit konsolidiert, um damit mehr werden, sondern normalerweise auch noch in Papierform Rechtssicherheit zu schaffen. vorhanden sein werden, wie hoch Sie die zusätzlichen Ziel des elektronischen Rechtsverkehrs ist es, eine sichere Kosten schätzen, die durch die Umstellung entstehen. Übertragung von sensiblen Verfahrensdaten und eine si- chere Identifikation der Kommunikationspartner zu ermög- Wie viele Stellen wollen Sie zusätzlich beantragen, dass lichen. Daher hat der Bundesgesetzgeber sichere Über- die Scanvorgänge, die ganze Umwandlung dann auch mittlungswege definiert, mit denen Rechtsanwältinnen und funktionieren? Rechtsanwälte und sonstige Verfahrensbeteiligte ab dem Jahr 2018 bidirektional, also gegenseitig, mit den Gerich- Herbert Mertin, Minister der Justiz: ten rechtssicher elektronisch kommunizieren können. Wir haben bereits entsprechende Vorkehrungen im Haus- Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind durch das be- halt getroffen. Es ist schwer abzuschätzen, wie hoch der sondere elektronische Anwaltspostfach, das jeder Rechts- Aufwand tatsächlich sein wird. Wir minimieren deshalb anwältin und jedem Rechtsanwalt durch die Rechtsan- schon den Aufwand, weil wir den Bestand bis zu diesem waltskammer zum Zeitpunkt seiner Zulassung eröffnet Stichtag nicht mehr einscannen werden, sondern diese wird, quasi automatisch zur Kommunikation mit den Ge- Akte, soweit sie noch nicht zu Ende bearbeitet worden ist, richten in der Lage. Sie können das besondere Anwalts- wird dann auf Papier zu Ende bearbeitet und nicht insge- postfach entweder über eine Weboberfläche oder direkt samt digitalisiert. Das senkt den Aufwand beträchtlich. aus ihrer Kanzleisoftware heraus nutzen. Inwieweit dann Einscankosten und Ähnliches anfallen, ist Für Notare ist mit dem besonderen elektronischen Notar- schwer zu beurteilen. Das hängt davon ab, in welchem Um- postfach eine vergleichbare Situation vorhanden. fang insbesondere unser Berufsstand dann elektronisch einreicht oder nicht, da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts verpflichtet ist, elektronisch einzureichen, sondern er kann haben die Möglichkeit, über das besondere elektronische weiterhin in Papierform einreichen. Das würde dann dazu Behördenpostfach am elektronischen Rechtsverkehr teil- führen, dass die Gerichte das einscannen müssten. zunehmen und auf diese Weise sicher und einfach mit den Gerichten wie mit den Rechtsanwältinnen und Rechts- Insofern ist das kostenmäßig schwer abzuschätzen. Das anwälten oder Notarinnen und Notaren elektronisch zu muss abgewartet werden, weswegen es die Pilotierung kommunizieren. gibt, um erste Erfahrungen zu gewinnen und näher ein- schätzen zu können, inwieweit der Aufwand durch andere Auch für die sonstigen Beteiligten und Bürgerinnen und Maßnahmen reduziert werden kann. Bürgern stehen geeignete Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung. Diese Gruppe der nicht professionellen Ich gehe davon aus – wir beide haben den gleichen Beruf; Einreicher kann insbesondere über das elektronische wir sind diejenigen, die das meiste an Schriftverkehr mit Gerichts- und Verwaltungspostfach mit den Gerichten den Gerichten auslösen –, dass irgendwann die Rechts- rechtssicher kommunizieren. Die Nutzung kann dabei ent- anwälte schon erkennen werden, dass es für sie auch weder über eine entsprechende Zugangssoftware erfolgen, kostengünstiger ist, elektronisch einzureichen. Sie wissen, die teilweise sogar kostenfrei angeboten wird, oder ab dass eine bisherige Klageschrift immer mit einer Menge dem Jahr 2018 ohne Registrierung und Softwaredown- von Anlagen verbunden war, bei der die Anwälte das Papier loads über ein von der Zentrale im Justizportal des Bundes bezahlten. Wenn sie das elektronisch einreichen, werden und der Länder zur Verfügung gestelltes Onlineformular, diese Kosten natürlich auch gespart werden. das sogenannte Web-EGVP. Wie sich das im Einzelfall auswirken wird, lässt sich beim Es wird also ohne besondere technische Voraussetzungen besten Willen derzeit nicht vorhersagen.

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Präsident Hendrik Hering: (Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Baldauf. Ich rufe die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Andreas Hartenfels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Dra- Abg. Christian Baldauf, CDU: matischer Rückgang von Fluginsekten: Gefahr für Nur als Anmerkung: Sie sparen aber zunächst einmal das gesamte Ökosystem – Nummer 5 der Drucksache nichts; denn wenn Sie es elektronisch haben, müssen 17/4436 – betreffend, auf. Sie dem Mandanten im Zweifel die dicke Strafakte auch Bitte, Herr Abgeordneter Hartenfels. zeigen. Dann bräuchten Sie zwei Bildschirme und müssten einen zweiten Bildschirm kaufen. Abg. Andreas Hartenfels, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Deshalb meine Frage: Gibt es von Ihrer Seite Erfahrungs- werte aus anderen Bundesländern, die auch Pilotierungen Vielen Dank, Herr Präsident. und Ähnliches durchführen? Wenn ich es richtig im Kopf habe, ist Bayern hier wesentlich weiter. Ich kann mich täu- Ich frage die Landesregierung: schen. 1. Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnis- Ich wüsste gern von Ihnen, wie dort mit diesem Thema se der Studie hinsichtlich des Insektensterbens in umgegangen wird, weil es zunächst einen Mehraufwand Deutschland und Rheinland-Pfalz? geben wird. Das werden Sie nicht abstreiten können, das tun Sie auch nicht. 2. Mit welchen Auswirkungen durch das Insektenster- ben rechnet die Landesregierung auf Grundlage der Ergebnisse dieser Studie? Herbert Mertin, Minister der Justiz: 3. Mit welchen konkreten Maßnahmen versucht die Es ist so, dass wir nicht ins kalte Wasser gesprungen, son- Landesregierung zur Vielfalt unserer Kulturland- dern dem Entwicklungsverbund beigetreten sind, in dem schaft und zur Artenvielfalt beizutragen? Bayern führend ist und dem andere Bundesländer und auch die Republik Österreich angehören. Schon auf diese 4. Inwieweit sieht die Landesregierung die Fruchtfolge Art und Weise werden die Kosten minimiert. Es wäre völlig und Diversität im ökologischen Landbau als förder- utopisch, wenn das Land Rheinland-Pfalz für sich allein so lich für die Lebensraumqualität für Insekten an? etwas entwickeln wollte.

Insofern greifen wir selbstverständlich auf die Erfahrun- Präsident Hendrik Hering: gen der Pilotierung in Bayern zurück. Die Entscheidung, in Für die Landesregierung antwortet Herr Staatssekretär Dr. Kaiserslautern mit der Stichtagsregelung nur künftig ein- Griese. gehende neue Verfahren elektronisch zu führen und die bisherigen Bestandsakten in Papierform zu Ende zu bear- beiten, ist zum Beispiel ein Ergebnis der Pilotierung aus Dr. Thomas Griese, Staatssekretär: Bayern und Baden-Württemberg, die uns beide mitgeteilt haben, dass der Aufwand beträchtlich ist, weil sie nicht Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Da- einfach nur scannen können, sondern es sehr detaillierte men und Herren! Namens der Landesregierung darf ich Vorschriften gibt, wie das im Einzelfall zu geschehen hat. die Anfrage wie folgt beantworten:

Der Aufwand ist beträchtlich, und der Nutzen steht in kei- Zu Frage 1: 50 % der rund 72.000 Tier- und Pflanzenarten nem Verhältnis dazu. Das war zum Beispiel ein Ergebnis in Deutschland stehen auf der Roten Liste. Dazu gehören der Bayern und der Baden-Württemberger. Insofern sind inzwischen auch Insektenarten. wir froh, dass sie an der Stelle etwas weiter waren als Die Studie, die in der Frage angesprochen ist, beruht auf wir und wir so von ihren Erfahrungen profitieren und uns der Analyse von standardisierten Auswertungen in ver- entsprechend verhalten können. Deswegen haben wir die schiedenen Naturschutzgebieten. Teilweise wurden die Entscheidung schon so getroffen. Gebiete über 27 Jahre beprobt, teilweise aber auch nur einmal. Trotzdem lässt es sich letztlich nicht prognostizieren, wann und zu welchem Zeitpunkt. Eines steht fest, der Gesetzge- Durch Simulationsmodelle und komplexe Computermodel- ber hat festgelegt, zum 1. Januar 2026 müssen alle, die le wurden die Ergebnisse hochgerechnet. Danach geht professionell mit dem Gericht zusammenarbeiten, elektro- die Studie davon aus, dass sich die Masse an fliegenden nisch einreichen, und es muss dann mit allen elektronisch Insekten um 76 % verringert hat. Das gilt nicht nur für ein- kommuniziert werden. Einzig der normale Bürger, der sich zelne Gruppen wie Schmetterlinge oder Bienen, sondern ans Gericht wendet, ist dann noch befreit. alle fliegenden Insekten insgesamt.

Der Rückgang, unterstellt man die Richtigkeit der Ergebnis- Präsident Hendrik Hering: se dieser Studie, ist drastischer, als vielfach angenommen Es liegen keine weiteren Zusatzfragen vor. Damit ist die wurde. Für unser Ökosystem ist das ein alarmierendes Zei- Anfrage beantwortet. Vielen Dank. chen; denn Insekten sind im Ökosystem deshalb wichtig,

2542 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 weil sie Nahrungsgrundlage für Vögel und als Bestäuber besserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ eine von Wild- und Nutzpflanzen unverzichtbar sind. weitere Möglichkeit geben, Mittel zur Förderung der Anla- ge von Lebensraumstrukturen in der Kulturlandschaft zur Dazu passt, dass die EU in einer Untersuchung 2013 fest- Verfügung zu stellen. gestellt hat, dass die Bestände vieler Schmetterlingsarten seit Jahren zurückgehen. Auch die Rote Liste der Groß- Ich will auch noch ein anderes Beispiel nennen. Wir fördern schmetterlinge in Rheinland-Pfalz zeigt diesen Trend auf. mit Mitteln unseres Ministeriums das Programm „Leuchten fürs Klima“, in dem es darum geht, bisherige Beleuch- Zu Frage 2: Das Insektensterben hat für die Menschen tungen – vor allem Straßenbeleuchtungen – durch LED- erhebliche Folgen; denn 80 % unserer Kulturpflanzen brau- Leuchten zu ersetzen. Das spart nicht nur viele Kosten chen die Bestäubung. Ein Rückgang der Insekten heißt, und viel Energie – ungefähr drei Viertel der Energie wird dass wir auch Einbrüche bei der Nahrungsmittelproduktion dabei eingespart –, sondern es ist auch gut zu befürchten hätten. (Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU) Insekten stellen eine wichtige Gruppe von Arten in vielen Ökosystemen dar. Es sind Schlüsselarten, die an entschei- – Frau Klöckner – für Insekten; dender Stelle im Nahrungskreislauf stehen. Insekten sind übrigens auch zentral dafür mitverantwortlich, dass Humus (Abg. Julia Klöckner, CDU: Was?) entsteht, Pflanzen bestäubt werden und der Boden frucht- bar gehalten wird. denn die LED-Leuchten führen sehr viel weniger als nor- male Straßenbeleuchtung dazu, Nicht nur Nahrungsgrundlage und Lebensraum vieler In- (Abg. Julia Klöckner, CDU: Man kann sie sekten und Agrarvögel sind verloren gegangen, auch wich- auch aus lassen!) tige Ökosystemdienstleistungen können dadurch weniger erbracht werden. Berechnungen in der Schweiz haben dass Insekten angezogen werden und durch die Lampen ergeben, dass allein die Bienenvölker durch ihre Bestäu- verbrennen. Man schätzt, dass nur etwa 5 % bis 10 % bungsleistung dort, also nur in der Schweiz, eine Agrarpro- der Insektenverluste, die wir ansonsten haben, bei LED- duktion im Wert von mehr als 200 Millionen Euro sicher- Leuchten auftreten werden. stellen. (Abg. Christian Baldauf, CDU: Was ist denn Die Universität Dresden hat zusammen mit der Universität eigentlich mit den Bienen auf dem Freiburg und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Landtagsdach?) in einer Studie ermittelt, dass die Gesamtbestäubungs- leistung weltweit auf einen Wert von 265 Milliarden Euro Zu Frage 4: Die Beiträge des Ökolandbaus zur Förde- geschätzt wird. rung der Lebensqualität für Insekten sind systemimmanent. 10 % der landwirtschaftlichen Fläche, also 70.000 ha, wer- Sollten sich die Ergebnisse der Studie bestätigen, wären den in Rheinland-Pfalz bereits ökologisch bewirtschaftet. verschärft gemeinsame Gegenmaßnahmen einzuleiten, Das ist eine Verdopplung gegenüber 2010. um negative Folgen auf unsere Natur und auf uns selbst zu verhindern. Wir haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir das Ziel verfolgen, den Ökolandbau auf 20 % der Fläche aus- Zu Frage 3: Mit der Aktion Grün greift mein Ministerium zubauen. Im Ökolandbau systemimmanent sind vielfältige diese Probleme auf und fördert mit dem Programmteil Fruchtfolgen, die natürlich nicht nur die Bodenfruchtbarkeit „Rheinland-Pfalz blüht“ die Aufwertung bzw. die Anlage erhöhen und das Bodenleben fördern. Vielmehr wird durch von artenreich bepflanzten und gestalteten öffentlichen die Strukturvielfalt und die damit einhergehende Lebens- Grünflächen. raumvielfalt für Wildtiere auch für Insekten eine zusätzliche Nahrungsgrundlage geschaffen. Auch in den agrarisch geprägten Lebensräumen werden bestäuberfreundliche Blühstreifen an Ackerrändern geför- Dazu ist der Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz dert. Das erfolgt über die ELER-Mittel, durch Maßnahmen systemimmanent, insbesondere der Einsatz von Herbi- aus dem EULLE-Programm und dem Vertragsnaturschutz. ziden. Das wiederum schafft günstige Voraussetzungen für Ackerwildkräuter wie Klatschmohn und Kornblume, Meine Damen und Herren, insgesamt werden in diesem aber auch für seltenere Arten wie Kornrade, Frauenspie- Bereich seit der EU-Förderperiode 2014 hier in Rheinland- gel oder Rittersporn. Damit werden weitere wichtige Nah- Pfalz rund 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, davon rungsgrundlagen für Wildinsekten geschaffen, genauso allein 5 Millionen Euro für den Vertragsnaturschutz. Sowohl übrigens wie das durch den Anbau der Leguminosen zur im Koalitionsvertrag als auch in der Biodiversitätsstrategie Stickstoffsammlung, blühende Untersaaten und Gemenge- des Landes wird dabei dem kooperativen Naturschutz eine kulturen, die typisch für den ökologischen Landbau sind, zentrale Leitfunktion zugemessen. Hier ist das Land auch geschieht. mit der Naturschutzberatung, der Gewässerschutzbera- tung, dem Partnerbetrieb Naturschutz und der Biotopbe- Vielen Dank. treuung sehr gut aufgestellt. Präsident Hendrik Hering: Zukünftig wird es durch den neuen Fördergrundsatz zum investiven Naturschutz in der Gemeinschaftsaufgabe „Ver- Zunächst eine Zusatzfrage des Abgeordneten Rahm.

2543 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017

Abg. Andreas Rahm, SPD: Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Staatssekretär, ich habe zwei Fragen. Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrter Herr Staats- sekretär, wie bewertet die Landesregierung die Rolle der Acker- und Beikräuter und vor diesem Hintergrund den Ein- Präsident Hendrik Hering: satz von Glyphosat im Hinblick auf das Insektensterben? Jeweils immer nur eine Frage, bitte. Sie können sich dann noch einmal melden. Dr. Thomas Griese, Staatssekretär: Die Diskussion über Glyphosat ist in vollem Gange. Ich Abg. Andreas Rahm, SPD: darf daran erinnern, dass es dazu gerade in den letzten Tagen Entscheidungen der EU gab. Das Europäische Par- Gut, dann stelle ich nur eine Frage. Was hält die Landesre- lament hat eine Fortdauer der Zulassung abgelehnt, und in gierung von der Forderung der Naturschutzverbände nach der EU-Kommission gab es keine Mehrheit für eine weitere einem landesweiten Insekten- und Biodiversitätsmonito- Zulassung. ring? Die Auswirkungen von Glyphosat werden in erster Linie in Bezug auf die menschliche Gesundheit debattiert. Was Dr. Thomas Griese, Staatssekretär: die Auswirkung auf das Insektensterben angeht, wird es Sehr geehrter Herr Abgeordneter Rahm, vielen Dank für eher die Begleitauswirkung sein, dass ein Totalherbizid die Frage. Wir glauben, es ist richtig, dies im Gesamt- – Glyphosat ist ein Totalherbizid – dazu führt, dass Bei- zusammenhang zu untersuchen. Das tun wir auch. Ich kräuter und Unkräuter vollständig vernichtet werden und habe eingangs berichtet, dass wir nicht nur bei den Insek- damit als Nahrungsgrundlage für Insekten nicht mehr zur ten, sondern insgesamt bei den Tier- und Pflanzenarten Verfügung stehen. Diese indirekte Wirkung ist ein Abwä- einen besorgniserregenden Artenrückgang haben. Des- gungsgesichtspunkt, der bei der Glyphosatbetrachtung wegen halten wir es nicht für sinnvoll, ein abgegrenztes eine Rolle spielt. Insektenmonitoring einzuführen, sondern sind für eine Ge- samtbeobachtung. Das tun wir auch, unter anderem mit einem Monitoring in den FFH-, Vogelschutz- und Natur- Präsident Hendrik Hering: schutzgebieten. Über diesen Weg haben wir eine Ge- Eine Zusatzfrage des Kollegen Schmitt. samterkenntnis, die über den Insektenbereich hinausgeht.

Abg. Arnold Schmitt, CDU: Präsident Hendrik Hering: Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin gesagt, wenn die Eine Zusatzfrage des Kollegen Gies. Studie sich so bestätigt, werden Sie Gegenmaßnahmen einleiten. Mit welchen Gegenmaßnahmen muss die Land- wirtschaft in Rheinland-Pfalz rechnen? Abg. Horst Gies, CDU: Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, mich Dr. Thomas Griese, Staatssekretär: interessiert, inwiefern Sie sich unter Umständen damit be- schäftigt haben, welchen Einfluss die invasiven Arten in Die Studie ist nicht etwas, das völlig neu ist. Sie stellt einen diesem Zusammenhang haben, speziell auch auf das Ster- dramatischeren Blick auf die Verhältnisse dar, aber dass ben von Insekten. Gibt es diesbezüglich Erkenntnisse? wir es mit Artensterben zu tun haben, ist keine völlig neue Entwicklung. Deswegen fangen wir auch nicht erst heute mit Maßnahmen – ich würde sie nicht Gegenmaßnahmen Dr. Thomas Griese, Staatssekretär: nennen – an, die Entwicklung wieder in eine positive Rich- tung zu drehen. Sehr geehrter Herr Abgeordneter Gies, dazu gibt es bisher keine Erkenntnisse. Wenn wir über die Ursachen reden, ist Ich will sagen, dass mit diesen Maßnahmen bereits begon- bisher nicht erkennbar, dass invasive Arten dafür mitverant- nen worden ist – auch durch rheinland-pfälzische Initiati- wortlich sein könnten. Dafür liefert bislang auch die Studie ven –, beispielsweise dadurch, dass die EU-Förderung im keine Erkenntnisse, die Gegenstand der Frage ist. Wir Agrarbereich schon seit Beginn der Förderperiode 2014 müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Veränderung in umgestellt worden und das sogenannte Greening einge- der Landschaft – nicht nur in der Landschaft im ländlichen führt worden ist. Dieses Greening hat dazu geführt und be- Raum, sondern auch im städtischen Gebiet –, offenbar dingt, dass zum Beispiel in der Landwirtschaft die Flächen- eine erhebliche Mitursache dafür ist, dass wir es speziell prämien daran gekoppelt werden, dass die betreffenden bei den Insekten mit dieser Entwicklung zu tun haben. Landwirte 5 % ihrer Fläche als ökologische Vorrangfläche zur Verfügung stellen müssen. Präsident Hendrik Hering: Wir erhoffen uns, dass diese Änderung, die seit 2014/2015 Mir liegen jetzt noch zehn weitere Zusatzfragen vor. Da- praktiziert wird, schon zu einer Verbesserung der Situati- nach betrachte ich die Anfrage als beantwortet. Zunächst on führt, weil die 5 % Vorrangflächen einen erheblichen Frau Blatzheim-Roegler bitte. positiven Effekt auf die Ökosysteme insgesamt haben.

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In diesem Zusammenhang ist vielleicht auch bedeutsam, Landesregierung die Ausbringung von Bti zwecks Schna- dass durch die EU-Agrarreform, die, wie gesagt, seit Be- kenbekämpfung und den Anbau von gentechnisch verän- ginn der Förderperiode 2014 besteht, auch in vielfacher dertem Bt-Mais am Insektensterben ein? Weise der Anbau von Zwischenfrüchten wieder ausgebaut worden ist. Auch das ist aus unserer Sicht ein Beitrag zum Insektenschutz, weil die blühenden Zwischenfrüchte gera- Dr. Thomas Griese, Staatssekretär: de jetzt in der Spätsommer- und Herbstzeit dazu beitragen, Sehr geehrte Frau Abgeordnete, was den Einsatz der Mit- Insekten auch am Ende der Vegetationsperiode noch aus- tel zur Schnakenbekämpfung angeht, muss man sehen, reichend Nahrung zu bieten. dass dies ein ganz anderer Sachverhalt ist, weil wir dort bewusst, und zwar sehr lokal begrenzt, Mittel einsetzen, Präsident Hendrik Hering: um die Lebens- und Aufenthaltsqualität der Menschen in den Rheinauen zu gewährleisten. Dort ist es gerade das Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Böhme. Ziel, dass die Insektenbestände dezimiert werden. Das ist eine zielgerichtete Aktion. Natürlich führt sie dazu, dass lokal und regional die Insekten – in diesem Fall die Schna- Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: ken – entsprechend dezimiert werden. Das ist aber ein Herr Staatssekretär, in den letzten Jahrzehnten wurden gewollter Effekt und keine unbeabsichtigte Nebenfolge. sehr viele Maßnahmen ergriffen, um die Natur zu schützen. Es gab sehr viele Initiativen: Der Einsatz von Insektiziden Was das Thema Bt-Mais angeht, darf ich Ihnen sagen, wurde eingeschränkt, hier gerade auch als Beispiel die dass dies in der Tat auch ein Beitrag sein kann und wir uns Neonicotinoide, die jetzt nur noch als Beizmittel einge- in der Landwirtschaft insgesamt – übrigens auch im Gar- setzt werden dürfen, Ausweitung des Ökolandbaus, FFH- tenbau, und dort nicht nur im Erwerbsgartenbau, sondern Gebiete, Greening, Vertragsnaturschutz, Biodiversitätspro- auch im Haus- und Freizeitgartenbau – genau anschauen jekte. Trotzdem sinkt die Anzahl der Insekten, wenn man müssen, was zu überprüfen und zu ändern ist, damit wir dieser Studie Glauben schenken kann. Wie erklären Sie keinen weiteren Beitrag zum Insektensterben leisten. sich, dass zum Beispiel die Ausweitung des Ökolandbaus negativ mit der Anzahl der beobachteten Insekten korre- liert? – Zumindest statistisch kann man das so betrachten. Präsident Hendrik Hering: (Heiterkeit des Abg. Dr. Bernhard Braun, Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Braun. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dr. Thomas Griese, Staatssekretär: Herr Staatssekretär, Sie hatten Zahlen genannt zu den Sehr geehrter Herr Abgeordneter Böhme, was die statisti- Schäden, die in der Landwirtschaft zu erwarten sind. Wird sche Auswertung angeht, muss ich Ihnen klar widerspre- denn mit den Verursachern gesprochen, ob und wer diese chen. Die Studie, die hier der Gegenstand der Befragung Schäden übernehmen kann? Wie kann die Landwirtschaft ist, hat den Zeitraum der letzten 27 Jahre untersucht. Die mit den Schäden umgehen? Wann sind diese Schäden zu Maßnahmen, über die wir jetzt sprechen, also die EU- erwarten, haben Sie eine Zeitlinie? Agrarreform, die erst seit dem Jahr 2014 gilt, der Ausbau des Ökolandbaus – ich habe es ihnen dargelegt – seit 2010, die Aufwendungen für den Vertragsnaturschutz in Dr. Thomas Griese, Staatssekretär: Höhe von 5 Millionen Euro pro Jahr, all das ist jetzt erst in Sehr geehrter Herr Abgeordneter Braun, nein, eine ge- den letzten zwei, drei Jahren angelaufen. naue Zeitvorstellung können wir nicht haben. Wir gehen aber davon aus, dass es im ureigenen Interesse der Land- Die biologischen Zusammenhänge sind nicht so, dass wir wirtschaft und des Gartenbaus ist, solche Schäden zu heute die Neonicotinoide verbieten – was ein richtiger und vermeiden, weil wir wissen, dass zum Beispiel der Obst- wichtiger Schritt war – und morgen schon eine Verbes- und Weinbau in geradezu existenzieller Weise von der serung eintritt, sondern wir müssen in Rechnung stellen, Bestäubungsleistung der Bienen abhängt und deshalb die dass sich der Negativpfad, den es in den vergangenen Dezimierung der Bestände eine existenzielle Auswirkung Jahrzehnten – wie gesagt, die Studie geht 27 Jahre zu- auf den Erwerbsgartenbau haben würde. rück – gegeben hat, erst Stück für Stück wieder verbessern wird. Das heißt, dass wir die Erfolge der Maßnahmen, die Deswegen engagiert sich die Landesregierung auch in wir jetzt umsetzen, erst in den nächsten Jahren und vor den Feldern, die ich vorhin genannt habe. Wir fördern ins- allem Jahrzehnten sehen werden. besondere – wenn ich noch einmal auf den Obstbau zu sprechen kommen darf – die Anlage von Streuobstwiesen Präsident Hendrik Hering: und deren Bewirtschaftung. Auch dafür werden mehre- re Millionen Euro aus dem Landeshaushalt zur Verfügung Eine Zusatzfrage der Kollegin Bublies-Leifert. gestellt. Deshalb begleiten wir natürlich auch die Diskussio- nen um die Frage, welche Mittel noch zugelassen werden können oder nicht – Stichwort Bienengefährlichkeit –, und Abg. Gabriele Bublies-Leifert, AfD: die Frage nach den vorhin schon angesprochenen Neo- Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Staatsse- nicotinoiden sehr aufmerksam, um dafür zu sorgen, dass kretär Griese! Ich habe die folgende Frage: Wie schätzt die solche schädlichen Einwirkungen unterbleiben.

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Präsident Hendrik Hering: aber auch den Stadtgrünbereich im Sinne von Vielfältigkeit weiterentwickeln. Eine Zusatzfrage des Kollegen Hartenfels.

(Abg. Andreas Hartenfels, BÜNDNIS Dasselbe gilt für den Agrarbereich insgesamt. Wir haben 90/DIE GRÜNEN: Hat sich erledigt!) zum Beispiel seit 2014 – das ist in dieser Legislaturpe- riode auch fortgeführt worden – ein besonderes Förder- Eine Zusatzfrage des Kollegen Rahm. programm „Vielfältige Fruchtfolge“, mit dem wir den Land- wirten, auch konventionellen Landwirten, eine Förderung (Abg. Andreas Rahm, SPD: Hat sich auch anbieten, wenn sie mindestens eine fünfgliedrige Frucht- erledigt!) folge praktizieren. Das ist ein Förderprogramm, das sehr gut angenommen worden ist. Es werden etwa pro Jahr Wir kommen dann zu einer Zusatzfrage der Kollegin The- 2 Millionen Euro aufgewandt. Es ist 2014 begründet wor- len. den. Nunmehr ist es in der Zuständigkeit der Kollegen des Wirtschafts- und Landwirtschaftsministeriums fortgeführt worden. Das zeigt, dass man mit solchen Förderprogram- Abg. Hedi Thelen, CDU: men auch Impulse setzen kann. Man muss sich aber auch Sehr geehrter Herr Staatssekretär, der Befund ist sicherlich sehr klar bewusst sein, die Effekte werden nicht gleich besorgniserregend. Wichtig für Maßnahmen ist es aber zu im nächsten Jahr messbar sein, sondern das wird eine wissen, was die Ursachen sind. Deshalb meine Frage: Ist längerfristige Entwicklung sein. Ihnen bekannt, ob es wissenschaftlich fundierte Erkennt- nisse über die Ursachen gibt, oder gibt es zurzeit laufende wissenschaftliche Untersuchungen, um zu Erklärungen zu Präsident Hendrik Hering: kommen? Eine abschließende Zusatzfrage des Herrn Kollegen Zeh- fuß. Dr. Thomas Griese, Staatssekretär: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, es gibt laufende Untersu- Abg. Johannes Zehfuß, CDU: chungen. Es gibt bisher eine Reihe von Einzelerkenntnis- Herr Staatssekretär, zu Ihren vorherigen Ausführungen sen. Aber natürlich gibt es noch keine Gesamtschau. und zu den Auswirkungen zu Totalherbiziden möchte ich Sie fragen: Wie beurteilen Sie die durch die DLR Bad Ich möchte es am Beispiel der Neonicotinoide noch einmal Kreuznach gemachten Untersuchungen im Mainzer Be- deutlich machen. Da gibt es die Einzelerkenntnis, dass reich, dass gerade im Glyphosatstreifen eine höhere Biodi- Neonicotinoide in der Tat für Bienen nicht verträglich sind versität herrscht als im Grünlandstreifen außen herum? bzw. einen Beitrag dazu geleistet haben, dass Bienenbe- stände dezimiert wurden. Deswegen ist man dort dazu übergegangen, dieses Mittel nicht mehr zuzulassen und Dr. Thomas Griese, Staatssekretär: es nicht zum Einsatz kommen zu lassen. Sehr geehrter Herr Abgeordneter Zehfuß, auch solche Un- Ich glaube, wir müssen uns aber klarmachen, dass wir ins- tersuchungen sind wichtig und fließen in die Bewertung ein. gesamt ein Bündel von Ursachen vor uns haben. Natürlich Aber ich hatte ausgangs der Beantwortung der zweiten ist die Frage, wie die landwirtschaftliche Nutzung betrie- Frage schon gesagt, dass die Entscheidung über Glypho- ben wird. Da geht es vor allem auch um die Strukturen sat nicht in erster Linie über den Aspekt der Artenvielfalt landwirtschaftlicher Nutzung bei den Schlägen, also die bedingt ist, sondern dass es in dem Bereich – das hat Saumstrukturen, die Feldgehölze, die Zwischenstrukturen, auch die entscheidende Rolle in den Beratungen bei der die zwischen Ackerflächen liegen. Wenn diese dezimiert EU gespielt – in erster Linie um die Auswirkungen auf die werden, ist eine deutliche Konsequenz, dass dann auch menschliche Gesundheit geht, und dass die Frage, ob das die Insektenbestände zurückgehen. zum Insektensterben beiträgt, bei der Glyphosatentschei- dung eher nachrangig ist. Da ist es der mehr nachrangige Ich sagte eben schon in einem Halbsatz, wir müssen uns Aspekt, ob dadurch für die Insekten noch ausreichend Nah- aber auch den Freizeit- und Hausgartenbereich anschau- rung oder mangels Vielfältigkeit nicht mehr ausreichend en. Wir haben zum Beispiel als Ministerium zusammen Nahrung zur Verfügung steht. Ich möchte aber noch ein- mit der Landeszentrale für Umweltaufklärung eine Aktion mal betonen, das ist bei der Glyphosatentscheidung eher gestartet, die an die Privat- und Hobbygärtner gerichtet ist: eine zweitrangige Frage. Da geht es mehr um die Frage Entsteint Euch! – Ich glaube, man versteht schnell, was menschlicher Gesundheit. damit gemeint ist. Wenn man sich heute die Gestaltung von Freizeit- und Privatgärten anschaut, dann gibt es eine Sie wissen, dass das EU-Parlament und jetzt auch die beängstigende Artenverengung bzw. schon Pflanzenver- EU-Kommission eine Entscheidung vorbereiten bzw. ge- engung. troffen haben, die gegen eine Verlängerung der Zulassung gerichtet ist. (Abg. Christine Schneider, CDU: Japanischer Standard!) Präsident Hendrik Hering: Auch das ist eine Ursache, an die wir herangehen müssen, dass wir also auch den Freizeit- und Kleingartenbereich, Vielen Dank. Damit ist die Mündliche Anfrage beantwortet.

2546 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Logistik und des Ingenieurwesens kann dieses Projekt der SPD und der FDP) eine enorme Chance bedeuten.

Damit ist nach 110 Minuten auch die Fragestunde beendet. Klar muss allerdings bei der Erschließung neuer Märkte Die Geschäftsordnung sieht vor, dass die schriftlich vorlie- und dem Ausbau bestehender Wirtschaftsbeziehungen genden Fragen durch die Landesregierung in fünf Minuten auch sein, dass die Intentionen der Wirtschaftspartner beantwortet werden. Heute wurden sie bei den fünf Fra- beleuchtet werden. Es ist bekannt, dass das Wirtschafts- gen in acht Minuten und 30 Sekunden, in sechs Minuten wachstum der Volksrepublik China derzeit stagniert und und 30 Sekunden, in sieben Minuten und 30 Sekunden, diese sich um neue Absatzmärkte bemühen. Wer wie wir in sechs Minuten und 40 Sekunden sowie noch einmal auf Export setzt, kann sich darüber erst einmal nicht be- in sechs Minuten und 40 Sekunden beantwortet. Wir er- schweren. Dennoch gilt gerade im Umgang mit Nationen, warten, dass die Landesregierung künftig die Zielgrößen die politisch und wirtschaftlich ein konträres System zu etwas besser einhält. dem unseren haben, besonders genau hinzuschauen.

(Vereinzelt Beifall im Hause) China gewinnt derzeit massiv an politischem Einfluss in Südosteuropa. EU-Präsident Juncker fordert nicht umsonst Wir kommen nunmehr zu Punkt 9 der Tagesordnung mit ein Investmentscreening. Unsere Haltung in der Frage der dem ersten Thema: Menschenrechte und der Produktpiraterie darf nicht von wirtschaftlichen Interessen überdeckt werden. AKTUELLE DEBATTE (Beifall bei FDP und SPD) Die neue Seidenstraße – Chancen für Rheinland-Pfalz durch internationale Wirtschaftsbeziehungen zu Ländern mit anderen politi- Wirtschaftsbeziehungen schen Systemen sind in einer globalisierenden Welt Reali- auf Antrag der Fraktion der FDP tät. Das heißt aber nicht, dass wir uns diesen Systemen – Drucksache 17/4450– unterwerfen. Daher ist es notwendig, ein vielfältiges au- ßenwirtschaftliches Engagement zu betreiben. Diesem Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Anspruch wird das rheinland-pfälzische Wirtschaftsminis- Wink das Wort. terium gerecht. Sehr geehrter Herr Minister Dr. Wissing, ich höre von vielen Abg. Steven Wink, FDP: Wirtschaftsdelegationen – ich durfte es selbst erleben –, dass Sie und ebenso Ihre Staatssekretärin und Ihr Staats- Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kolle- sekretär und die Mitarbeiter des Ministeriums viel dafür gen! Die rheinland-pfälzische Wirtschaft steht nicht nur in tun und außerordentlich viel Herzblut hineinstecken, den einer innerdeutschen Konkurrenz. Unsere Unternehmen Aufbau von außenwirtschaftlichen Beziehungen voranzu- und unsere hier ansässige Industrie haben sich auf dem treiben und zu halten. weltweiten globalisierenden Markt zu beweisen. Daher hal- ten wir Freien Demokraten es für ausgesprochen wichtig, (Beifall bei FDP und SPD) internationale Wirtschaftsbeziehungen zu fördern und un- sere Wirtschaft bei ihrem Engagement in allen Teilen der Neben den im Jahr 2017 geplanten Wirtschaftsreisen konn- Welt zu unterstützen und zu begleiten. Das heißt, auch ten schriftlich fixierte Handelsbeziehungen unter anderem internationale Projekte aufzunehmen und eine möglichst zu Vietnam, den Beneluxländern, Polen und dem Iran ge- gute Einbindung in diese zu gewährleisten. knüpft werden. Darüber hinaus nimmt Rheinland-Pfalz an zahlreichen in- und ausländischen Wirtschaftsmessen teil, Ein solches Projekt ist natürlich die „Neue Seidenstraße“ auf denen wir viele Kontakte knüpfen und diese pflegen oder „One Belt, one Road“ genannt. Ziel dieses Projek- können und müssen. tes, welches von der Volksrepublik China initiiert wird, ist es, neue Märkte in Asien, dem Nahen Osten, Afrika und Im Jahr 2016 sind die Ausfuhren aus Rheinland-Pfalz welt- Europa zu erschließen. Der geplante Wirtschaftsgürtel, weit um 2,5 % gestiegen. Der Bundesdurchschnitt liegt bei der Teile der alten Seidenstraße integriert, soll durch neue 1,1 %. Wirtschaftskorridore China mit Europa über Zentralasien verbinden. Die maritime Seidenstraße soll als weiterer Weg Noch erfolgreicher ist unser Land im Wachstum der Aus- über Südostasien, den Nahen Osten und Afrika nach Eu- fuhren nach Europa. Hier haben wir eine Steigerung von ropa führen. 4,9 %. Der bundesweite Schnitt liegt bei 2,2 %. Sie sehen, Rheinland-Pfalz bewegt sich überall über dem Bundes- Finanziert wird das Projekt durch die im Jahr 2014 gegrün- durchschnitt. dete asiatische Investmentstrukturbank. Auch Deutschland ist eine der 57 Gründungsnationen. Durch unsere Partner- Sehr geehrte Damen und Herren, die Zahlen sind ein provinz Shaanxi könnten wir eine gute Anbindung an diese Beleg für den Fleiß, die Qualität und den Mut unserer neue Wirtschaftsroute erreichen. rheinland-pfälzischen Unternehmen, den sie tagtäglich be- weisen. Es ist auch ein Beleg für die sehr gute Politik der Zudem besteht durch den von der HNS-Gruppe betriebe- Ampelkoalition. nen Flughafen Hahn eine besondere Verbindung. Beson- ders für mittelständische Unternehmen aus den Bereichen Danke schön.

2547 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017

(Beifall der FDP, der SPD und des Jetzt könnte man sagen: Warum diskutieren wir das im BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rheinland-pfälzischen Landtag? Warum interessiert uns Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist es!) das überhaupt? – Weil genau in diesem Bereich enorme Chancen für rheinland-pfälzische und deutsche Unterneh- men stecken. Steven Wink hat darauf hingewiesen, wir Präsident Hendrik Hering: sind in Rheinland-Pfalz in unserer Außenwirtschaftspolitik Als Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüße die in dieser Regierung – ich will aber auch die Vorgänger von Schülerinnen und Schüler der 10. Jahrgangsstufe des Herrn Dr. Wissing mit ansprechen – schon auf dem Weg Heinrich-Heine-Gymnasiums Kaiserslautern. Herzlich will- nach China und sehr erfolgreich auf diesem Weg. kommen bei uns! (Beifall bei SPD und FDP) (Beifall im Hause) – Danke schön. Für die SPD-Fraktion spricht deren Vorsitzender, Herr Alex- ander Schweitzer. (Abg. Martin Brandl, CDU: Bitte schön!)

Ich möchte auch sagen, dass die Chancen in der rheinland- Abg. Alexander Schweitzer, SPD: pfälzischen Wirtschaft darin liegen, dass wir eine Möglich- keit haben, mit unserer extrem kleinteiligen Aufstellung Guten Morgen. – Herr Präsident, meine Damen und Her- schnell zu agieren, auch unmittelbar passgenaue Lösun- ren! Gestern war in einem Leitartikel in der Süddeutschen gen zu finden, wie dies kaum ein anderes Bundesland hat. Zeitung zu lesen – Zitat –: „Die Welt wird es sich nun ge- nauer anschauen müssen, dieses China, das sein System Darum ist es gut, dass wir nicht nur auf die großen Player erstmals selbst als Modell anbietet, allen Entwicklungslän- setzen, die, mit Verlaub, uns vielleicht in der Außenhan- dern, aber auch all den scheinbar erschöpft darniederlie- delspolitik gar nicht brauchen. Die BASF braucht uns nicht, genden Demokratien des Westens.“ um ihnen Wege nach China zu ebnen. Es sind aber die Kleinen, die Handwerker oder handwerksnahen Dienst- Meine Damen und Herren, wer sich mit chinesischen Ge- leister. Es sind die „Hidden Champions“, die wir kennen, sprächspartnern unterhält, kann den Eindruck gewinnen, aber die natürlich auch die Zugänge brauchen und die dort dass genau das inzwischen die Sicht der Dinge ist. Wie erfolgreich sein können. Jede Reise, die dort stattfindet, stark sich China ökonomisch entwickelt hat, hat mein Vor- kommt zumindest mit den Absichtserklärungen zurück, die redner Steven Wink schon dargestellt. Die Zahlen sind danach durch Verträge unterfüttert werden. beeindruckend. (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS China konnte seit 2009 sein Bruttoinlandsprodukt nahezu 90/DIE GRÜNEN) verdoppeln. Chinas Anteil am globalen Bruttoinlandspro- dukt stieg von etwas über 13 % auf nahezu 18 %. China – Danke für den dynamischen Applaus. trug im selben Zeitraum zum globalen Wachstum nahezu 30 % bei. 30 %, meine Damen und Herren! (Heiterkeit bei SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Diese wirtschaftliche Erfolgsgeschichte Chinas ist nur Eine weitere Chance besteht darin, dass wir unser Land durch eine wirklich wachsende internationale Verflechtung öffnen. Die enormen Wachstumsentwicklungen und wirt- denkbar. Um auf diesem Wachstumspfad voranzukommen schaftlichen Entwicklungen haben natürlich auch zur Folge, und gleichzeitig dieses Modells neu zu justieren – das dass dort Wachstumsprobleme entstehen, gesundheitliche ist Aufgabe der neuen chinesischen Regierung –, ist die Probleme, auch bei der Mittelschicht. Da wird der Gesund- Schaffung neuer Wirtschaftskorridore dringend notwen- heitstourismus in ein ganz neues Augenmaß genommen. dig, um Rohstoffe, Energien, aber auch Technologie zu Auch dafür haben wir mit unseren Kliniken und unserer erhalten. Genau das verbirgt sich hinter der Seidenstraßen- Kliniklandschaft Möglichkeiten. Auch dafür können wir uns Strategie, der Strategie „One Belt, one Road“. öffnen. Es korrespondiert mit der nationalen Strategie: Made in Ein Weiteres ist da. Die chinesische Volkswirtschaft will China 2025. – Aber zum Erfolgsmodell gehört natürlich heraus aus dem reinen produktvolumenbezogenen Wachs- auch, dass man sich die Schattenseiten anschaut. Dieses tum. Sie wollen in Leistungskraft gehen. Das geht nur enorme und rasante Wachstum hat zunehmende Ungleich- durch nachhaltige Ausbildung, die dort so noch nicht statt- heiten in China zur Folge. Soziale, regionale, ökologische findet. Man ist also auf dem Weg, eine mehrstufige Aus- Balancen sind nicht mehr im Lot. Sie sind neu zu finden. bildung auch dort auf den Weg zu bringen. Dafür sind wir (Vizepräsidentin Barbara in Rheinland-Pfalz mit unserem System der dualen Aus- Schleicher-Rothmund übernimmt den bildung doch die besten Ansprechpartner. Dort liegen die Vorsitz) Chancen. Wir sollten sie nutzen.

Daraus entstehen Herausforderungen, denen sich die chi- Wir sollten aber auch nicht vergessen, dass wir es mit nesische Führung stellt, im Gesundheitswesen, im Bereich einem System zu tun haben, das zumindest folkloristisch der industriellen Automatisierung, aber auch im Bereich noch kommunistisch daherkommt, das aber eigentlich der Agrar- und Umwelttechnologie. nichts anderes als ein frühkapitalistischer staatsmonopo-

2548 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 listischer Laden ist, der vielleicht noch mit konfuzianischer immer wieder im Landtag zum Thema gemacht, Stichwort Philosophie verwirkt ist, der aber auf jeden Fall nichts an- Freihandel. Das ist das, was die internationalen Beziehun- deres als ein autoritäres Regime ist. gen von Rheinland-Pfalz, die Wirtschaftsbeziehungen, am besten fördert. Das hat auch der 19. Parteitag der Kommunistischen Par- tei noch einmal deutlich gemacht. Xi Jinping ist mächtiger Wir haben appelliert, dass sich der Landtag klar für gut als alle seine Vorgänger seit Mao Tsetung. Er hat das aber ausgehandelte Freihandelsverträge ausspricht, Stichwort mit dem Pragmatismus von Deng Xiaoping verbunden. TTIP und CETA. Leider wurden unsere Anträge von den Das bedeutet, wir haben es mit einem System zu tun, das Regierungsfraktionen immer abgelehnt. autoritär, zentral, zentralistisch geleitet ist und nie nur mit der Absicht kommt, zum eigenen Wohlstand beizutragen, (Abg. Martin Haller, SPD: Was hat das den sondern auch immer Technologie abzugreifen und dann mit dem Thema zu tun?) daraus eigene Technologie zu machen. Das sollten wir Bei den Beziehungen zu China darf es nun nicht weniger wissen. Bedenken geben. Das haben wir auch schon gehört. Wir (Glocke der Präsidentin) kennen die Probleme, die deutsche Unternehmen beim Marktzugang in China haben. Das heißt, unser Ziel muss Darum ist bei aller Bereitschaft, diese Wachstumsmärkte immer sein, dass es keine Einbahnstraße geben wird. für uns zu erschließen, immer auch Vorsicht geboten. Ich glaube, darüber werden wir in der zweiten Runde noch (Beifall bei der CDU) einmal sprechen können. Bei diesem Großprojekt Seidenstraße steckt immer auch Danke für die Aufmerksamkeit. dahinter, Überproduktionen aus China in der übrigen Welt abzusetzen. (Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir müssen im Verhältnis zu China auch darauf achten, dass internationale Standards zum Beispiel im Sozialbe- reich und bei der Nachhaltigkeit gelten. Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Wieland. (Beifall bei der CDU)

Klar ist aber, auch wir sagen, es gibt Chancen in der Zu- Abg. Gabriele Wieland, CDU: sammenarbeit mit China. Eigentlich dachte ich bei einer Ak- tuellen Debatte, dass der Aufhänger, neben dem Deutsch- Wir sind beim Punkt der Aktuellen Debatte. Heute Morgen landfunk, dachte ich, es hat wohl auch der Deutschlandfunk mitbe- kommen, dass wir einen aktuellen Aufhänger brauchen. (Abg. Julia Klöckner, CDU: Flughafen Hahn!) (Abg. Martin Haller, SPD: Sehr gut!) sein könnte, dass es vor Kurzem ein Weltwirtschaftsforum Heute Morgen hat der Deutschlandfunk das Thema Sei- im Landkreis Birkenfeld gab. denstraße in den Nachrichten gebracht. (Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU) (Abg. Julia Klöckner, CDU: Genau!) Dies wurde von Herrn Staatssekretär Becht eröffnet. Dort Es ging um die Reaktion von Japan auf das große Pro- gibt es einen Landrat, der sehr erfolgreich Wirtschaftsför- jekt der Seidenstraße. Das zeigt, welche Dimensionen derung betreibt, indem er chinesische Partner ansiedelt. dieses Projekt inzwischen angenommen hat. Es ist eine Das ist ein Projekt, das auf realistischem Grund basiert. In Balance, die weltweit wieder versucht wird, in einen neuen Bezug auf die gesamte rheinland-pfälzische Wirtschaft ist Zusammenhang zu bringen. China will eine neue Rolle es aber natürlich nur ein Projekt von vielen, wie wir es uns einnehmen. vorstellen, dass vor Ort Wirtschaftsförderung ganz konkret mit vernünftigen Partnern gemacht wird, die Region sich Wir sind im rheinland-pfälzischen Landtag. Was hat das einbringt und dann auch mit dem Wirtschaftsministerium mit uns zu tun? Wir haben schon gehört, Rheinland-Pfalz zusammenarbeitet. braucht gute internationale Wirtschaftsbeziehungen. Das wird vor allem deshalb klar, da wir wissen, wir brauchen (Beifall bei der CDU) weiterhin eine deutliche Steigerung des Bruttoinlandspro- dukts, um uns dem Bundesdurchschnitt anzunähern und Ja, die Landesregierung hat in den vergangenen Jahren diesen dann auch zu halten. immer wieder erläutert, welche Chancen in den Verbin- dungen mit dem riesigen Absatzmarkt China entstehen (Beifall der CDU) können. Es gab viele Delegationsreisen, Messen und Be- suche, auch aus China hier. Wenn wir bedenken, dass wir eine Exportquote von 55 % haben, beinhaltet das automatisch wachsende Auslands- Dennoch konstatieren wir Einbußen im Absatz der märkte als Ziel. Gerade das Thema Auslandsmärkte und rheinland-pfälzischen Unternehmen mit dem außereuro- Export hat die CDU-Fraktion in den vergangenen Jahren päischen Ausland und auch mit China. Es gab einen Rück-

2549 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 gang um 4 % von 2015 auf 2016 trotz dieser Maßnahmen. Beteiligungen dazu zwingen, dass Know-how-Abfluss am Ende steht. Auch dies muss thematisiert werden. An Chi- (Abg. Hedi Thelen, CDU: Das ist die na an sich und am Thema China werden wir jedoch nicht Realität!) vorbeikommen. Das zeigt, unsere Maßnahmen müssen vielleicht noch ziel- China ist im Zwiespalt zwischen Planwirtschaft und entfes- gerichteter ausgerichtet werden. seltem Kapitalismus. China ist schon lange nicht mehr die bloße Werkbank der Welt, sondern ein Land mit Ambitio- (Vereinzelt Beifall bei der CDU) nen und ehrgeizigen Menschen. Herr Wink, ich muss doch noch einen kleinen Ansatz ma- Die Aussicht auf den florierenden Handel sollte uns nicht chen, nachdem Sie so gelobt haben. Was heißt zielgerich- blauäugig machen. Lassen Sie uns nüchtern analysieren, tet? Zielgerichtet bedeutet auch, dass bei den Partnern was China mit der Initiative für eine Neue Seidenstraße der Adressat richtig ankommen muss. In diesem großen bezweckt. Dann sollten wir ausloten, welche Chancen und Birkenfelder Projekt wird auf der Homepage die Zusam- Risiken sich für Rheinland-Pfalz, unser Bundesland, erge- menarbeit mit dem Wirtschaftsminister Dr. Joe Weingar- ben. ten beschrieben. Herr Dr. Wissing, vielleicht müssen Sie denen einmal erklären, wer in Rheinland-Pfalz der Wirt- Was also will China? China plant ein gigantisches Investiti- schaftsminister ist. onsprogramm von 900 Milliarden Dollar, eine Art Marshall- (Abg. Julia Klöckner, CDU: Ja, genau! Er plan, nur, umgerechnet nach heutiger Kaufkraft, erheblich wollte Bundestagsabgeordneter werden!) höher. China geht es vor allem um Infrastruktur, um Stra- ßen, Eisenbahnlinien, Häfen und Flughäfen. Nutznießer Dann funktioniert auch die Zielrichtung noch besser. werden in erster Linie die Länder sein, deren Infrastruk- tur schwächer als die Deutschlands ist, also vor allem die (Beifall bei der CDU) armen Länder in Afrika bzw. Asien. Dass China sich im Ge- genzug jedoch auch politischen Einfluss erhofft, versteht Die Zusammenarbeit mit China hat viele Chancen, aber sich von selbst. natürlich auch viele Risiken. Dabei können wir an dem Stichwort Hahn nicht vorbeigehen. Dort haben wir viel Und Rheinland-Pfalz? Beim Stichpunkt chinesische Inves- Lehrgeld bezahlt, auch wenn die Region jetzt hofft, dass titionen denken wir natürlich alle an den Flughafen Hahn. es vielleicht auch mit China weitergeht. Das ist aber ein Tatsächlich würde der Flughafen gut in ein Investitionspro- ganz klares Beispiel für Risiken, die entstehen könnten. gramm passen. Ob er tatsächlich enthalten ist, ist nicht Risiken gibt es aber auch ganz anderer Art. bekannt. Bislang gibt es nur Spekulationen von Minister Lewentz. (Glocke der Präsidentin) Natürlich kann Rheinland-Pfalz auch indirekt von den In- Während die Weltspitzen in China verhandeln, zündelt im vestitionen in Asien oder Afrika profitieren. Schließlich sind Hintergrund Korea. Dieser gesamte Seidenstraßenkom- die rheinland-pfälzischen Unternehmen auf der ganzen plex ist ein Weg durch lauter Krisengebiete. Mehr in der Welt aktiv. Eines jedoch sollte uns klar sein: China hat na- zweiten Runde. turgemäß kein Interesse daran, Deutschland als Standort (Beifall bei der CDU – oder als Investition selbst zu stärken. Es geht stattdessen Abg. Julia Klöckner, CDU: Sehr gut!) um knallharte Überlegungen. Es geht um Marktwirtschaft. Es geht letztlich auch um die Konkurrenz auf dem Welt- markt. Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Aber das Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Joa. ist doch immer so! Entschuldigung!)

Die Chinesen sind strebsam. Sie sind leistungsorientiert, Abg. Matthias Joa, AfD: und sie sind zielorientiert. Frau Präsidentin, liebe Kollegen! China ist einer der wich- tigsten Handelspartner für Rheinland-Pfalz. Bei den Impor- Und Deutschland? Deutschland hat keine nennenswerten ten stehen wir auf Platz 5. bei den Ausfuhren nach China Rohstoffe. Deutschland hat nur das Wissen, das Know- auf Platz 11. Dort sind wir von Platz 8 abgerutscht. how, verbunden mit Zuverlässigkeit, Forschungsgeist und Initiative. Im Paket haben uns diese Tugenden zur Spitze Inzwischen hat Rheinland-Pfalz ein deutliches Handelsbi- gemacht und uns weltweit an die Spitze gebracht. lanzdefizit mit China. Angesichts des insgesamten Han- delsbilanzüberschusses von 18 Milliarden Euro brauchen Wir werden von all den chinesischen Maßnahmen nur pro- wir uns deswegen jedoch keine großen Sorgen zu machen. fitieren können, wenn wir zuvor unsere eigenen Stärken und Schwächen analysiert haben und darauf aufbauend (Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD) unsere Stärken ausbauen und unsere Schwächen verrin- gern können. Die Handelsbeziehungen mit China sind zum beidersei- tigen Vorteil, auch wenn die Chinesen knallhart eigene Gerade die Bildung hat einen zentralen Stellenwert für Interessen durchdrücken und deutsche Unternehmen mit unsere Zukunftsfähigkeit. Doch hier sieht es insbesondere

2550 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 in Rheinland-Pfalz zappenduster aus. diesen Firmen passgenau die Möglichkeit, sich auf Aus- landsmärkten zu informieren und, falls sie dort Geschäfts- (Beifall der AfD) beziehungen eingehen wollen, die passenden Partner und beratenden und logistischen Hilfen vor Ort zu finden. Auch wenn Frau Hubig es leugnet, unter den Teppich kehrt und nicht wahrhaben will, gerade in Städten wie Germers- Die für rheinland-pfälzische Unternehmen interessanten heim oder Ludwigshafen wachsen uns die Probleme über Auslandsmärkte umfassen Nordamerika, Mittelamerika, den Kopf. Hier von Leistung, Zielstrebigkeit und Fleiß zu Südamerika, Afrika, Maghreb, natürlich auch europäische sprechen, wie gerade die Chinesen selbst, dürfte bei vie- Staaten, Indien, Südasien, Ostasien und China. len Klassen nur noch purer Hohn sein. Gerade dies wird langfristig nicht ohne Auswirkungen bleiben. In den Bereichen – das finde ich ganz interessant – Ge- sundheitswirtschaft, Nahrungsmittel, Wein, Umweltwirt- Bevor wir also zu Recht in die Zukunft sehen und die schaft, Landwirtschaft oder Forstwirtschaft, Garten- und Möglichkeiten ausloten, sollten wir unser eigenes Haus in Landschaftsbau, Tourismus, Nutztierhaltung, Pharmazie, Ordnung bringen. Der Wohlstand fällt nicht vom Himmel. Verpackungsindustrie, Gastronomie und Automobilzulie- Er muss erschaffen, Werte müssen geschaffen, Mehrwert ferer versucht Rheinland-Pfalz, passgenau die Kontakte erzeugt werden, durch Innovation und Leistung und nicht oft in sogenannten B2B-Treffen zu vermitteln. Das heißt, durch Umverteilung und ein Gießkannenprinzip. Partner vor Ort arrangieren Treffen mit Delegationsteilneh- mern. (Beifall der AfD) Ich hatte das Privileg, an zwei Wirtschaftsreisen nach In- Irgendwann wird auch der letzte Linksgrüne erkennen, dien und China teilzunehmen. Ich war von der Leistung, dass Geld nicht auf Bäumen wächst und es letztlich um die sowohl von hier aus im Vorfeld geleistet worden ist, als Wettbewerb im globalen Markt geht. Deutschland braucht auch der, die vor Ort angeboten wurde, sehr beeindruckt. Know-how. Deutschland braucht Qualifikation. Deutsch- land braucht professionelle Fachkräfte. Eines ist nämlich Die Wirtschaftsreise nach China war total spannend. Ich klar: Auf einem wankenden Fundament lässt sich kein trag- war das erste Mal in diesem Land. Thema war auch die fähiges Haus errichten. Neue Seidenstraße. Start der Seidenstraße ist in Xi’an. China hat ein hohes Interesse an Joint Ventures. China Vielen Dank. will den Weg in den Westen. Vor allem aber ist interessiert daran, was die deutsche Ingenieur- und Tüftlernation die- (Beifall der AfD) sem Land bieten kann.

Daher ist es im Interesse von Rheinland-Pfalz, dass die Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen mit China an- Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau streben, seitens der Landesregierung umfassend beraten Kollegin Blatzheim-Roegler. und unterstützt werden. Nur das kann auch zu einem er- folgreichen Einstieg in den chinesischen Markt gerade für kleine und mittlere Unternehmen führen; denn es stimmt, Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- die BASF braucht uns natürlich nicht, wenn es darum geht, NEN: die Kontakte herzustellen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen Die Neue Seidenstraße ist ein bisschen als Synonym zu und Kollegen! Herr Joa, ich hatte in den letzten Minuten nehmen. Es geht nicht nur um die Beziehungen zu China, Ihrer Rede irgendwie das Gefühl, Sie haben die Rede von sondern darum, die bestmöglichen Hilfen für interessierte Tagesordnungspunkt 10 schon vorweggenommen oder Unternehmen im rechtlichen und steuerlichen Dschungel vielleicht die Blätter vertauscht. der ausländischen Import- und Joint Venture-Bedingungen zu garantieren. (Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD) Die Neue Seidenstraße verspricht viel. Aber man darf Der Titel der Aktuellen Stunde lautet „Die neue Seiden- nicht verkennen, dass die Partner vielleicht auch priori- straße – Chancen für Rheinland-Pfalz durch internationale tär an der Frage „Wie machen die Deutschen das denn?“ Wirtschaftsbeziehungen“. Nachdem die Kollegen schon interessiert sind. Auch hier unterstützt beratend die Lan- einiges dezidiert zu China gesagt haben, möchte ich die desregierung die interessierten Firmen. Rheinland-Pfalz Gelegenheit nutzen, um zu Anfang auf den Teil der inter- hat mittlerweile in China sogar eine eigene Repräsentanz nationalen Wirtschaftsbeziehungen einzugehen. aufgebaut. Wir konnten uns überzeugen, welche wertvolle Arbeit die Repräsentantin, Frau Dr. Zou, für den Mittelstand Gemeinsam auf Auslandsmärkten, das ist das Ziel der in Rheinland-Pfalz leistet. Landesregierung, wenn es darum geht, wie man rheinland- pfälzischen kleinen und mittleren Unternehmen helfend zur Wir profitieren ganz sicher von der Möglichkeit chinesischer Seite steht, um im Ausland Fuß zu fassen. Das Ministerium Unternehmen, sich zunehmend auf und im Weltmarkt zu für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau – und orientieren und niederzulassen. Vielleicht geht die Neue die Vorgängerministerien ähnlich – in Zusammenarbeit Seidenstraße auch über den Hunsrück. mit den Industrie- und Handelskammern, den Handwerks- kammern und der Investitions- und Strukturbank bietet Einen offenen und transparenten Handel bei fairen Bedin-

2551 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 gungen für alle Partner unterstützen wir Grüne immer gern um die Wirtschaftskontakte unseres Mittelstandes nach hier und anderswo. China und umgekehrt um chinesische Unternehmer, die in Rheinland-Pfalz investieren wollen, zu kümmern. Danke schön. Diese Entscheidung hat zu einer spürbaren Intensivie- (Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, rung der Kontakte zwischen der Volksrepublik China und SPD und FDP) Rheinland-Pfalz beigetragen. Unsere Unternehmen lassen sich von Frau Dr. Zou gern zu vielen praktischen Fragen Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: beraten. Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrü- Umgekehrt hatten wir in diesem Frühjahr und im Som- ße ich als Gäste auf der Zuschauertribüne Teilnehmerin- mer einen regelrechten Boom von Delegationsanfra- nen und Teilnehmer eines Bildungsprogramms des SPD- gen aus China, die hier durch die Repräsentantin und Unterbezirks Worms sowie Schülerinnen und Schüler der das Außenwirtschaftsreferat des Wirtschaftsministeriums 12. Jahrgangsstufe der Berufsbildenden Schule Wissen. passgenaue Wirtschaftspartner aufseiten der rheinland- Herzlich willkommen bei uns in Mainz! pfälzischen Unternehmen trafen. Derzeit laufen an vielen Stellen Gespräche zwischen Unternehmen unseres Lan- (Beifall im Hause) des und chinesischen Unternehmen, sodass ich mir sicher bin, dass daraus auch Geschäfte erwachsen werden. Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Wissing. Weiterhin ist als unmittelbare Folge meiner Wirtschafts- delegationsreise nach China im April dieses Jahres eine Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, neue Beziehung in die Provinz Shaanxi entstanden, deren Landwirtschaft und Weinbau: Hauptstadt Xi’an einer der Startpunkte für die Neue Sei- Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die chi- denstraße sein wird. nesische Initiative der Neuen Seidenstraße ist in aller Mun- de. Sie ist für die chinesische Staatsregierung ein Projekt Inzwischen war bereits eine Delegation aus Xi’an zum von höchster Priorität, für das China bereit ist, viel Aufwand Gegenbesuch hier, und ich beabsichtige, neben der tra- zu betreiben und viel Geld in die Hand zu nehmen. ditionellen Partnerschaft in unsere Partnerregion Fujian, die bereits seit über 25 Jahren besteht, mit der Region Über 50 Länder in Asien, Afrika und Europa sollen daran Shaanxi eine ähnlich enge Zusammenarbeit aufzubauen. beteiligt werden. Die Neue Seidenstraße bezieht sich auf den allen bekannten Begriff der Alten Seidenstraße, die Sie müssen wissen, dass ist nicht irgendeine Region, son- vor über 2000 Jahren über 10.000 Kilometer hinweg das dern die Herkunftsregion des Staatspräsidenten Xi Jinping. römische Reich mit dem chinesischen Reich verband. Diese Region ist bisher vor allen Dingen durch Rüstungs- industrie geprägt. Die Rüstungsindustrie hat wegen ihrer Die Neue Seidenstraße ist jedoch viel mehr als besser spezifischen wirtschaftlichen Implikation dazu beigetragen, ausgebaute Handelswege. Sie ist als globale Investitionss- dass die Region nicht in vollem Umfang an dem Wachstum trategie zu verstehen, mit der China einerseits tatsächlich teilnehmen konnte, das China in den letzten Jahren hatte. Handelswege per Straße, Schiff und vor allem per Eisen- bahn bis nach Europa ausbauen will. Damit sollen Liefer- Nachdem China eine Strategie verfolgt, das Wachstum aus zeiten in beiden Richtungen verkürzt und Kosten gesenkt verschiedenen volkswirtschaftlichen Gründen zu drosseln, werden. gilt dort eine gewisse Ausnahme für die Region Shaanxi, weil dort eine Aufholstrategie verfolgt wird, die der Präsi- Zur Finanzierung wurde im Jahr 2014 die Asiatische Inves- dent persönlich begleitet. So jedenfalls ist das Ergebnis titionsbank mit 57 Mitgliedern – darunter auch Deutsch- der Konsultationen, die ich dort mit Regierungsvertretern land – gegründet. Außerdem wurde der sogenannte Sei- hatte. denstraßenfonds aufgelegt. Auch aus diesem Grund legt Rheinland-Pfalz einen beson- China verfolgt mit der Seidenstraße jedoch auch das Ziel, deren Wert darauf, eine Intensivierung der Kontakte mit seinen wirtschaftlichen und politischen Einfluss in all den der Region Shaanxi aufzugreifen. Es war mir deswegen Ländern, die an der Initiative Neue Seidenstraße beteiligt auch ein persönliches Anliegen, die politische Delegation, sind, weiter auszubauen. die hier war, persönlich zu empfangen. Es ist eine außer- ordentlich erfreuliche Intensivierung der Kontakte daraus Als Wirtschaftsminister dieses Landes begrüße ich die In- entstanden. itiative grundsätzlich. Neue und verbesserte Handelswege und verkürzte Lieferzeiten zu geringeren Kosten bringen Gerade hier können die Neue Seidenstraße und die ver- gerade für den exportorientierten Mittelstand in Rheinland- kürzten und beschleunigten Handelswege für die Unter- Pfalz verbesserte Handelsmöglichkeiten mit China. Das ist nehmerinnen und Unternehmer in Rheinland-Pfalz Posi- ganz im Interesse unserer Wirtschaftspolitik. tives bewirken. Produkte aus Deutschland und auch aus Rheinland-Pfalz genießen im Reich der Mittel generell ein Wie Sie wissen, fördert mein Haus die Wirtschaftskontak- sehr hohes Ansehen. te unserer Unternehmen mit dem Reich der Mitte bereits sehr intensiv. So haben wir vor einem Jahr eine eigene Re- Wir stehen für Qualität und Innovation, sei es im Bereich präsentantin, Frau Dr. Zou, beauftragt, sich ausschließlich der Umwelttechnologie, in dem Rheinland-Pfalz mit über

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700 Unternehmen dieser Branche im Land hervorragend Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: aufgestellt ist, oder sei es im Bereich des Smart Farmings, in dem wir uns zu einem führenden Standort in Deutsch- Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Wink das land entwickeln. Hier finden wir auch in China und insbe- Wort. sondere in Shaanxi ein großes Interesse vor. Die Provinz ist der größte Apfelproduzent der Welt. Das ist in China etwas Besonderes. Die größte Apfelproduktion der Welt Abg. Steven Wink, FDP: befindet sich in Shaanxi. Auch das bietet besondere Ko- operationsmöglichkeiten im Bereich der Landwirtschaft, Verehrte Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! der Technologie und des Smart Farmings. Ich möchte nur ganz kurz ein paar Anmerkungen machen. Ich möchte noch einmal erwähnen, dass wir in Deutsch- Auch der Trend des globalen E-Commerce, also Onlinekäu- land in der Industrie und der Wirtschaft extrem stark sind. fe im Ausland, der hier erst langsam anläuft, ist in China Wir haben Tugenden, die weltweit geschätzt werden. Nicht bereits weit entwickelt. Es gibt dort einen regelrechten umsonst sind wir das Land der Tüftler und Denker. Boom des E-Commerce. Das kann für unsere Mittelständ- ler in Rheinland-Pfalz nur von Vorteil sein. Wir haben im Wirtschaftsausschuss schon einmal darüber diskutiert. Wir haben auch in Rheinland-Pfalz über diese Chinesische Käuferinnen und Käufer sind sehr daran in- Wahlperiode hinweg Maßnahmen getroffen, die mittel- bis teressiert, Konsumgüter aus Deutschland über den Onli- langfristige Erfolge aufzeigen. Dieser Maßnahmen bedarf nehandel zu beziehen. Sie sind aber nur nicht damit ein- es auch. verstanden, dass die Waren erst 6 bis 8 Wochen nach der Bestellung beim Kunden eingehen, sie möchten die Jetzt greifen wir dem TOP 10 vor. Das ist aber egal. Es Waren aus Deutschland nach 10 Tagen in den Händen geht um Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, die halten. Hier passt die Initiative der Neuen Seidenstraße Handwerk-Ferien-Camps, um das Handwerk zu stützen, in ganz hervorragender Weise zu unseren Interessen aus den Meisterbonus und die Gründerförderung. All dies sind dem rheinland-pfälzischen Mittelstand. Maßnahmen, die nicht von heute auf morgen wirken. Diese wirken mittel- und langfristig. Das brauchen wir. Das heißt, Eines muss man bei allen dem Positiven, was die Neue dass wir auf dem richtigen Weg unterwegs sind. Seidenstraße mit sich bringen kann, bedenken: China hat diese Initiative auch mit dem Ziel aufgelegt – das ist in (Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der dieser Debatte schon angeklungen –, seinen politischen SPD) und wirtschaftlichen Einfluss auszuweiten. Zu den Maßnahmen zum Schutz – der Herr Minister hat So haben chinesische Investoren im vergangenen Jahr es auch angesprochen – gehört das Investment Screening. 51 % der Anteile am griechischen Hafen Piräus erworben. Ich habe auch angesprochen, dass wir Probleme, wie die Weiterhin investiert die chinesische Regierung enorme politischen Systeme, die Produktpiraterie und die Intention Summen in den Ausbau der Infrastruktur in Südosteuro- dieser Länder, beleuchten müssen. Das geschieht doch pa. Der chinesische Einfluss wird auch in diesen Ländern auch. Das wird auch gemacht. zunehmen. Stellen Sie die Unternehmerinnen und Unternehmer nicht Die Europäische Union hat diese Entwicklung inzwischen so dar, als wenn diese nicht wüssten, wie sie im globalen erkannt, und EU-Präsident Jean-Claude Juncker betont Konkurrenzkampf auch in China tätig werden müssten, um jetzt die Notwendigkeit eines Investment Screenings, um dort erfolgreich zu sein, um sich, ihre Unternehmen und Investitionen von chinesischer Seite etwa bei Häfen oder ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen. Dort, wo der Energieinfrastruktur im Auge zu behalten. es hakt, muss die Politik eintreten. Das passiert doch.

Mein Petitum zur chinesischen Neuen Seidenstraße lautet: Lassen Sie uns die Möglichkeiten für unsere Unternehmen Es gibt hochrangige politische Kontakte. Es finden immer und die heimische Wirtschaft nutzen. Lassen Sie uns mit wieder Abstimmungen über Handelsbeziehungen statt. den Chinesen in gegenseitiger Wertschätzung begegnen, Deutschland hat auch ein großes Interesse, dass sich aber auch die notwendige politische Aufmerksamkeit nicht China innenpolitisch bewegt. Ich sage Rechtsstaatsdialog vernachlässigen, die erforderlich ist, um diesen Schritt im und Menschenrechtsdialog. Das sind doch die Gremien, Interesse unserer Wertegemeinschaft, aber auch unserer in denen wir genau diese Probleme anschneiden müssen, wirtschaftlichen Interessen konstruktiv begleiten zu kön- wenn wir die Intentionen so leiten und steuern wollen, dass nen. sie unseren Unternehmerinnen und Unternehmern dienen.

Für Rheinland-Pfalz – das ist schon angeklungen – ist Danke schön. China nicht irgendeiner, sondern ein außerordentlich wich- (Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE tiger Partner. Für die Außenwirtschaftspolitik des Landes GRÜNEN) Rheinland-Pfalz besteht hier ganz klar ein Schwerpunkt.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: (Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Schweitzer.

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Abg. Alexander Schweitzer, SPD: binden in eine Chinastrategie der Landesregierung, weil auch andere Ressorts ihre Rolle spielen können, was die Vielen Dank, Frau Präsidentin. Mir ist in der zweiten Runde Kooperation mit China angeht. Ich glaube, dass hier eine noch einmal wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir davon enorme Chance für uns besteht. Ich bin mir sicher, dass ausgehen müssen – dies hat in der Debatte eine Rolle eine solch ungewöhnliche Aktuelle Debatte zum Thema gespielt –, dass chinesische Investoren staatlich dirigiert China nicht die letzte gewesen sein muss. Auch für die oder wirtschaftlich daherkommend nicht ohne Interessen rheinland-pfälzische Landespolitik bleibt das ein Thema. unterwegs sind. Danke für die Aufmerksamkeit. Das ist so. Aber das ist erstens keine neue und zweitens keine besonders originelle Erkenntnis, weil zur Wahrheit (Beifall der SPD, der FDP und des auch gehört, dass deutsche und rheinland-pfälzische Un- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ternehmen auf Weltmärkten unterwegs sind und in der Regel auch nicht für ein „Vergelt’s Gott“ ihre Maschinen Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: und ihre Dienstleistungen irgendwo zur Verfügung stellen. Auch sie wollen Geld verdienen. Das darf man deshalb Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Wieland. auch dem chinesischen Partner nicht vorwerfen. Insofern ist diese Bemerkung, was machen die denn auf interna- tionalen Märkten und sind sie vielleicht entlang eigener Abg. Gabriele Wieland, CDU: Interessen unterwegs, nicht weiterführend. Zwei kurze Aspekte noch in der kurzen Zeit. Das eine ist das Thema Chancen. Mir kam gerade das Thema Risiken Ich will auf eines hinweisen, was eine Rolle gespielt hat. ein bisschen zu kurz. Selbstbewusstsein der Chinesen be- Das Thema TTIP ist angesprochen worden. Das bedeutet, deutet immer noch, dass es 38 Geschäftsfelder gibt, auf ein Stichwort in die Debatte zu bringen, das aus meiner denen eine Firmenübernahme von europäischen Unter- Sicht von gestern, wenn nicht von vorgestern ist. Es han- nehmen grundsätzlich verboten ist. delt sich dabei um eine ideologische Debatte, die wir ge- führt haben. Wer immer noch den Eindruck erweckt, dass (Abg. Julia Klöckner, CDU: Ja! So ist es!) es Greenpeace oder wer auch immer war, der TTIP kaputt gemacht hat, der sollte sich anschauen, wie es tatsächlich Solange das so gilt, ist schon von der Struktur her ein war. Es war Trump, der TTIP kaputt gemacht hat. Es war Ungleichgewicht vorgegeben. Das müssen wir einfach wis- seine nach innen gerichtete und deglobalisierende Politik, sen. die dafür gesorgt hat, dass sich der Westen unter der Füh- rung der USA ein ganzes Stück zurückgezogen hat. (Beifall bei der CDU)

(Abg. Martin Haller, SPD: So sieht es aus!) Mein eigentlicher Ansatzpunkt ist das Thema Seidenstraße – die Betonung liegt auf „Straße“. Es wurde ganz bewusst Wer das Selbstbewusstsein Chinas kennenlernen will, der dieses Wort, ursprünglich „One Belt“, dieser Rückbezug sollte sich nur diese Anekdote in Erinnerung rufen, als auf diese ursprüngliche Straße gewählt, weil auch wieder Xi Jinping beim amerikanischen Präsidenten angerufen physisch eine Straße entstehen soll, vor allem eine Straße hat, um ihn wegen seiner Äußerungen zu Nordkorea zur auf dem Seeweg, aber insbesondere auch ein Schienen- Räson zu bringen. Das wäre früher nie möglich gewesen, weg. Es gibt derzeit schon 400 Züge, die pro Jahr von dass sich eine Weltmacht wie die USA so düpieren lässt. China nach Deutschland fahren. Die fahren aber nicht Das zeigt das neue Selbstbewusstsein Chinas und zeigt nach Rheinland-Pfalz, sondern insbesondere nach Duis- auch, was von der Weltmacht, auch von der wirtschaftli- burg und Hamburg. chen Weltmacht, in Zukunft zu erwarten ist, meine Damen und Herren. Mein Votum ist, wenn wir wirklich Anschluss an die Seiden- straße 2.0 erhalten wollen, dann müssen wir hier vor Ort Da sind Chancen auch für rheinland-pfälzische Unterneh- unsere Hausaufgaben machen. Dann müssen wir Häfen men. Es ist schon gesagt worden. Wir dürfen uns diesen ausbauen. Chancen nicht verschließen. Es ist eine Möglichkeit, nach- (Beifall bei der CDU – haltiges Wachstum in Auslandsmärkten auf den Weg zu Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Eine bringen. Die Landespolitik hat in den vergangenen Mona- Bahn ist okay, aber ein Flughafen nicht!) ten und Jahren als Türöffner eine hervorragende Arbeit geleistet. Das will ich schon einmal sagen. Frau Dr. Zou – Ich appelliere doch noch, ich sage nicht, dass wir es nicht mit dem Team aus dem Wirtschaftsministerium hat eine machen. Lassen Sie mich zu Ende reden. Die Schienen- tolle Arbeit geleistet. straße, wie sie von den Chinesen geplant wird, geht vor allem über den Seeweg. (Glocke der Präsidentin) (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das aber geht nicht ohne die politische Führung des Minis- Chinesen, die mit der Bahn kommen, sind ters, der diese Reisen anführt. Es wird dort gesehen. Dort in Ordnung, aber die, die über den achtet man sehr auf Hierarchien. Darum glaube ich, dass Flughafen kommen, nicht?) das der richtige Weg ist. – Nein, das ist der Plan der Chinesen, basierend vor allem Ich will aber auch sagen, so etwas kann sich auch ein- auf der Schiene und dem Seeweg.

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(Abg. Christian Baldauf, CDU: Es gibt auch (Abg. Julia Klöckner, CDU: Aber nicht auf ja auch Chinesen, die bieten keine Menschenrechte!) Alternativen! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ja! – Dies scheint mir in Deutschland mittlerweile etwas aus Weiterer Zuruf des Abg. Alexander dem Fokus geraten zu sein, wenn man sich die tägliche Schweitzer, SPD – politische Debatte ansieht. Wir verlieren den Anschluss an Glocke der Präsidentin) die Schlüsseltechnologien,

(Abg. Martin Haller, SPD: Ihr seid tolle Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Demokraten, mein lieber Mann!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Wieland hat das und zwar in zahlreichen Bereichen, siehe Internettechno- Wort. logie USA und in anderen Bereichen auch China.

Abg. Gabriele Wieland, CDU: Wir verkaufen Unternehmen wie KUKA, führend was die Industrialisierung 2.0 angeht, an die Chinesen. Ich würde Wenn wir die Chinesen überreden können, den Flugplatz uns einen Teil der Zielstrebigkeit wünschen – wir loben alle dazuzunehmen, wäre das gut, aber vorrangig geht es um die Chinesen –, die die Chinesen auf die Straße bringen, die Schiene. Wir sollten deshalb mit dem Bund gemeinsam während wir gar nicht wirklich bemerken, dass wir unseren dafür sorgen, dass unser Güterverkehr wesentlich ausbau- Wohlstand langfristig verspielen, weil wir satt und träge bar ist. Ich denke, da sind wir einer Meinung, dass wir mit geworden sind. dem Bund zusammen Hausaufgaben haben, wie wir den Güterverkehr ausbauen können – Stichwort Anbindung (Abg. Martin Haller, SPD: Schließen Sie Rotterdam. nicht von sich auf andere!)

Aber genauso müssen wir unsere Häfen im Blick behal- Ich möchte noch einmal auf den Punkt des Bildungs- ten und unsere Straßen; denn dann können auch unsere und Schulsystems zurückkommen. Dieses Bildungs- und hiesigen Firmen weitere Entwicklungspotenziale nutzen. Schulsystem wird langfristig nicht mehr die Rolle erfüllen und uns und Deutschland sowie das Wirtschaftswachstum (Beifall der CDU – und die Konkurrenzsituation langfristig schwächen. Glocke der Präsidentin) Wir sollten doch nicht naiv oder blauäugig sein. Die Chine- Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: sen sehen in uns nicht Partner, weil sie uns so toll finden, sondern weil sie es auf unsere Technologie abgesehen Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Joa. haben und in Deutschland einen Konkurrenten sehen.

(Glocke der Präsidentin) Abg. Matthias Joa, AfD: Geehrte Präsidentin, liebe Kollegen! Manchmal hilft der Es wäre für Deutschland gut, sich wieder auf die Kernkom- Blick auf das Fremde, um das Eigene zu erkennen. petenz zu beschränken und nicht auf unnötige Debatten wie Gender oder sonst etwas. (Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! Hört! Hört!) (Beifall der AfD)

Zu Herrn Wissing: Was die Landesregierung vor Ort macht, dass sie versucht, die Mittelständler mit einzubin- Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: den, macht Sinn. Das ist soweit in Ordnung. Aber wenn wir uns einmal ansehen – ich war auf der Reise nach China Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Damit ist dabei –, der erste Teil der Aktuellen Debatte beendet.

(Abg. Martin Haller, SPD: Mehr oder Bevor ich den zweiten Teil der Aktuellen Debatte aufru- weniger, hat man gelesen!) fe, gestatten Sie mir, dass ich vorher als Gast auf der Zuschauertribüne Frau Staatsministerin a. D. Irene Alt be- wie die Chinesen „ticken“, dann ist zu sagen, sie haben grüße. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag! Ziele, sie haben ganz klare Ziele für die Zukunft. Sie haben einen ganz klaren Leistungsgedanken. Sie wissen, worauf (Beifall im Hause) es ankommt. In China diskutiert man nicht über Gender, über illegale Migranten oder sonst irgendwelche Details, Wir kommen zum zweiten Thema der (Beifall bei der AfD – Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU) AKTUELLEN DEBATTE die sie nur schwächen, sondern China ist ganz klar auf eine Zukunft fokussiert. Sie wollen stark sein. Sie wollen Ehe für alle in Kraft getreten – Rheinland-pfälzischer vorne mitspielen. Sie konzentrieren sich auf Wachstum Erfolg im Bund und Wohlstand. auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

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– Drucksache 17/4448– und somit auch der Grünen, der die gesellschaftliche Ak- zeptanz und somit auch endlich die Mehrheit im Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau ermöglicht hat. Kollegin Schellhammer. Volker Beck hat bereits 1989 mit anderen Grünen das Ziel der Öffnung der Ehe auch für Schwule und Lesben ge- Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: fordert. 1992 hat er eine Kampagne organisiert, bei der 250 schwule und lesbische Paare in ganz Deutschland Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und vor Standesämtern das Aufgebot bestellt und ihr Recht Herren! Am 5. Oktober 2017 haben Thilo und Kim Stalbovs eingefordert haben. in Mainz geheiratet. Es war die erste geschlossene Ehe von zwei gleichgeschlechtlichen Partnern in Mainz, der Dieses Ziel hat Volker Beck auch seit 1994 im Bundes- Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz. tag verfolgt und viele weitere Aktionen mit organisiert. Der Weg zur Eheöffnung wurde gegen viele Widerstände und Diesen besonderen persönlichen und politischen Moment durch Beharrlichkeit geebnet. Endlich, endlich wurde in durften Ministerin Anne Spiegel und ich miterleben, weil diesem Jahr dieser historische Schritt vollzogen. Thilo und Kim uns zu ihrer Trauung eingeladen hatten. Es war ein erhebender Moment für alle. Ein jahrzehntelanger Sehr geehrte Damen und Herren, den vielen engagierten Kampf für gleiche Rechte ging endlich erfolgreich zu Ende. Menschen, die gegen all diese Widerstände Mut bewiesen Endlich geht für Thilo und Kim, aber auch für viele andere haben, den vielen engagierten Menschen der Lesben- und Paare in Rheinland-Pfalz ein Traum in Erfüllung. Sie sind Schwulenbewegung gilt in diesem historischen Jahr unser nicht mehr nur eingetragene Lebenspartner, sie sind Ehe- aufrichtiger Dank für ihr Engagement und unsere tiefe An- leute. erkennung für ihren Mut.

Sehr geehrte Damen und Herren, das ist ein Grund zur (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Freude und ein großer Sieg für die Liebe. bei SPD und FDP)

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Worum geht es im Kern bei der Ehe für alle? Es geht und vereinzelt bei SPD und FDP) um Gleichstellung, um gleiche Rechte und Pflichten für Menschen, die füreinander verbindlich Verantwortung über- Die Ehe für alle ist für viele Menschen eigentlich schon nehmen an guten wie an schlechten Tagen. Es geht um eine Selbsverständlichkeit gewesen, da gab es sie noch gesellschaftliche Anerkennung von Menschen, die sich nicht. Dass sich der Bundestag nach unzähligen Debatten lieben. Es geht darum, wie wir in unserer Gesellschaft zu- und langen Jahren endlich dazu durchgerungen hat, auch sammenleben wollen. Für dieses Bild, das von der Liebe gleichgeschlechtlichen Paaren die standesamtliche Hei- zweier Menschen ausgeht, gibt es in unserer Gesellschaft rat zu erlauben, dieser Schritt vollzieht nach, was unsere eine ganz große Mehrheit und nicht nur bei uns. Deutsch- Gesellschaft schon lange als normal angesehen hat. Die land ist das 21. Land dieser Erde, in dem die Ehe für Öffnung der Ehe ist ein gesellschaftlicher Fortschritt. gleichgeschlechtliche Paare geöffnet wurde. Immer mehr Länder machen sich auf den Weg, diese Ungleichbehand- Meine Damen und Herren, ich darf mit großem Stolz sa- lung zu beenden. Das ist eine positive Entwicklung für gen, die Ehe für alle hat ihre Wurzeln in Rheinland-Pfalz. unsere Bürgerrechte in Deutschland, aber auch weltweit. Nein, nicht die Idee dahinter, nicht der Kampf, sondern der Gesetzentwurf, der letztlich die Ehe für alle in Deutschland (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ermöglichte. Zweimal brachte das Land Rheinland-Pfalz der SPD und der FDP) zuerst unter Ministerin Irene Alt und dann unter Ministerin Anne Spiegel den Gesetzentwurf zur Öffnung der Ehe in Es wurde viel erreicht in Rheinland-Pfalz und auch in den Bundesrat ein. Zweimal erhielt der Gesetzentwurf eine Deutschland, aber es gibt noch viel zu tun gegen Dis- Mehrheit im Bundesrat. Zum ersten Mal hatte damit ein kriminierung und gegen homo- und transphobe Gewalt. Verfassungsorgan der Bundesrepublik Deutschland der Mit der gleichen Beharrlichkeit werden wir auch dagegen Ehe für alle zugestimmt. kämpfen, mit der gleichen Beharrlichkeit, wie wir für die rechtliche Gleichstellung gekämpft haben. Dann wurde der Gesetzentwurf im Bundestag vertagt, ver- tagt und vertagt. Aber der Gesetzentwurf war zur richtigen Ich möchte an dieser Stelle ganz ausdrücklich Volker Beck, Zeit am richtigen Ort, nämlich entscheidungsreif im Rechts- Irene Alt und Anne Spiegel danken. Ihrer Beharrlichkeit, ausschuss des Deutschen Bundestags. Es war dann die- auch auf Bundesebene, ist es zu verdanken, dass dieses ser Antrag, der auf der letzten Sitzung des Deutschen Gesetz in Kraft getreten ist, das Gesetz, das Thilo und Kim Bundestags im Juni 2017 beschlossen wurde, ein großer Stalbovs ermöglicht hat, dass sie sich das Jawort geben. Erfolg für unsere Landesregierung auf Bundesebene und ein großer Erfolg für unsere offene Gesellschaft. (Glocke der Präsidentin)

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Endlich, endlich hat Deutschland die Ehe für alle, endlich bei der SPD und vereinzelt bei der FDP) haben auch sie Ja gesagt. Ein Grund zur Freude.

Aber es war der lange Kampf der Lesben- und Schwulen- (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bewegung, der Bürgerrechtsaktivistinnen und - aktivisten der SPD und der FDP)

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Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Deshalb hat uns schon ein klein wenig die Schärfe der gesellschaftlichen Diskussion gestört bezogen auf dieje- Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Huth-Haage. nigen, die den Begriff der Ehe von Haus aus mit einer heterosexuellen Partnerschaft verbinden. Diese Schärfe Abg. Simone Huth-Haage, CDU: der Diskussion hat der Diskussionskultur geschadet.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Wir sollten uns kritisch hinterfragen, ob wir das weiterhin Allgemeine Zeitung titelte am Samstag „Ein historischer so führen wollen und ob wir nicht auch lernen müssen, Tag für Alzey“. Darin wird die erste Trauung eines gleich- andere Sichtweisen und andere Argumente zu ertragen. geschlechtlichen Paares in der Volkerstadt geschildert. (Beifall bei der CDU und der Abg. Dr. Sylvia Vorhin wurde auf die historische Dimension eingegangen. Groß und Michael Frisch, AfD) Ich will das jetzt nicht weiter beleuchten. Es ist so. Was mich berührt hat, ist das Persönliche, wie die beiden das Meine Damen und Herren, es hat auch dem Thema ge- geschildert haben, was es für sie bedeutet. Auch ihre Fa- schadet, dass es aus wahlkampftaktischen Gründen sehr milien und ihre Freunde sind in dem Artikel zu Wort ge- überhastet vollzogen wurde. kommen. Das berührt einen. Dadurch wurde ein Gesetzentwurf verabschiedet, – – – Wir als Union haben Hochachtung vor all denen, die sich (Abg. Martin Haller, SPD: Das war aber lieben, die füreinander Verantwortung übernehmen wollen nicht unsere Idee! – und bereit sind, diese Verantwortung auch rechtsverbind- Abg. Julia Klöckner, CDU: Doch natürlich! – lich festschreiben zu lassen. Weitere Zurufe im Hause) (Beifall der CDU und bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Natürlich, Sie haben hier diesen Gesetzentwurf eben ge- lobt. Frau Kollegin, ob dieser Gesetzentwurf verfassungs- Meine Damen und Herren, deshalb stehen wir dazu, dass rechtlich Bestand hält, ist die eigene Frage. wir davon überzeugt sind, die Ehe bedarf einer besonde- ren Unterstützung und einer besonderen Förderung des (Unruhe im Hause – Staates. Eben darum! Glocke der Präsidentin)

(Beifall bei der CDU) Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Es ist spannend, wenn sich hier Personen zum Anwalt der Frau Huth-Haage hat das Wort. Ehe erklären, denen es mit der Abschaffung des Ehegat- tensplittings nicht schnell genug gehen kann. Abg. Simone Huth-Haage, CDU: (Beifall bei der CDU und des Abg. Michael Hochrangige Verfassungsexperten werfen Fragen auf, und Frisch, AfD) das ist die entscheidende Frage: Hat dieser rheinland- Meine Damen und Herren, wir sind in der Union unter- pfälzische Gesetzentwurf, mit dem Sie sich hier so brüsten, schiedlicher Meinung. Das ist richtig. Die Frage, ob homo- auch Bestand? – Das ist das Entscheidende. sexuelle Paare heiraten sollten, wird schon unterschiedlich gesehen. Ich will aber eines betonen: Es gibt gute Gründe Es gibt aber auch ganz praktische Probleme. Auch das für beide Seiten. Die Diskussion führt meine Partei mit gehört dazu: Die Personalstandsregister der Standesäm- großem Respekt vor der jeweils anderen Position. ter sind momentan noch gar nicht in der Lage, gleichge- schlechtliche Ehen zu erfassen. Das wird erst ab dem (Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Genau so!) 1. November 2018 möglich sein. Ich sage einmal, das ist jetzt kein Kriterium, dass jemanden, der diesen Schritt Das zeichnet unsere Union aus, und das macht mich auch gehen will, davon abhält. Nein, aber schön ist es auch stolz, Teil dieser Union zu sein. nicht. Dafür spricht auch: Das Ganze wurde ein bisschen zu schnell eingeführt. (Beifall der CDU) (Beifall bei der CDU) Meine Damen und Herren, denn wir ringen um Themen, und wir spiegeln damit auch die gesellschaftliche Realität Viele maßgebliche Punkte, was Lebenspartnerschaften wider. angeht, waren nahezu der Ehe gleichgesetzt.

(Beifall der CDU) Auch die sukzessive Adoption ist keine Frage. Ein Thema, das uns schon bewegt, ist die Frage der Adoption. Ich Eines ist auch klar: Jemand, der eine andere Rechtspositi- will eines sagen: Hierbei geht es nicht um das Recht der on vertritt, jemand, der für die bisherige Rechtsposition ein- Eltern, es geht nicht um die Eltern, es geht allein um die tritt, ist nicht homophob. Jemand, der für eine Öffnung der Bedingungen für das Kind. Ehe eintritt, ist niemand, der die Abschaffung des Abend- lands einleiten will. Auch das muss gesagt sein. (Beifall bei CDU und AfD)

(Beifall der CDU) Schauen wir uns an, wie viele Paare von einer Adoption

2557 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 ausgeschlossen sind, etwa Freiberufler, die ein unregel- Das hat vielen genützt. Man sieht es jetzt an den Anfragen mäßiges Einkommen und unregelmäßige Arbeitszeiten an die Standesämter. Ich freue mich auch für jedes Paar, haben, und ältere Paare. Das sind alles Menschen, die das so sein Glück noch einmal mit Ringen und etwas an- sicherlich auch hervorragende Eltern wären. In der Praxis derem begießen kann. hat sich das auch alles bewährt. Deswegen macht man das, um mögliche Widerstände, auch wenn sie noch so (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS gering und unwahrscheinlich sein mögen, zum Wohl der 90/DIE GRÜNEN – Kinder auszuschließen. Ich hätte mir schon gewünscht, Heiterkeit des Abg. Uwe Junge, AfD) dass wir über diesen Punkt diskutiert hätten. Das ist leider nicht geschehen. Ich freue mich auch, dass das Gesetz in Kraft ist. Es ist ein Erfolg der rheinland-pfälzischen Landesregierung unter (Beifall der CDU und bei der AfD) Malu Dreyer. Die Kollegen haben es gesagt: Wir haben es öfter versucht. Es ist teilweise auch der Diskontinuität Wir werden sehen, ob sich das Gesetz bewährt und ver- zum Opfer gefallen. Es gab eine gesellschaftlich breite fassungsrechtlich Bestand hat. Dann kann man sich hier Debatte und dafür viele bunte Demonstrationen in ganz feiern lassen. Wir werden sehen. Wir wünschen jedem Deutschland. Man hat gezeigt, die Gesellschaft ist bereit. einzelnen Paar, das diesen Schritt geht, alles Gute, Wir müssen doch auch anerkennen, wenn sich Lebens- entwürfe in unserer Gesellschaft wandeln, dass es viele (Glocke der Präsidentin) verschiedene Lebensentwürfe gibt. aber für die Zukunft erwarten wir auch, dass wir mit der- Das gibt dem endlich einmal Ausdruck, dass man auch selben Vehemenz, mit der wir hier für die Ehe für alle nicht mehr ankreuzen muss, ob ich ledig oder verheiratet eintreten, auch dann eintreten, wenn es tatsächlich um die bin. Es gab in vielen Formularen gar keine Möglichkeit, Belange von Homosexuellen in unserer Gesellschaft geht, „verpartnert“ anzukreuzen. Beim Arzt oder wo auch immer dann nämlich, wenn wir wissen, wie sich unsere Gesell- man im Alltag hingeht, ist man entweder ledig oder ver- schaft durch viele muslimische Migranten verändert hat, heiratet, aber die Menschen standen so die ganze Zeit dazwischen. Das ist auch nicht das, was man sich vorstellt. (Glocke der Präsidentin) Ich freue mich, dass es jetzt endlich möglich ist, dass man auch auf den Formularen „verheiratet“ ankreuzen kann. die Homosexualität ablehnen und homosexuelle Menschen auch mit Gewalt bedrohen. (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Glocke der Präsidentin) Für mich ist es ein wichtiger Schritt ins 21. Jahrhundert. Die Hier ist unser Einsatz, hier ist unser Mut gefordert. Gesellschaft ist schon lange bereit. Wenn man die Bilder von den ersten Hochzeiten gesehen hat, kann man sich Vielen Dank. eigentlich nur mit den Menschen freuen. Ich teile da auch nicht Ihre Bedenken, was das Ehegattensplitting angeht. (Beifall der CDU und der AfD) Wir haben das auch vor der Bundestagswahl gefordert. Ich finde es immer noch einen richtigen Schritt. Es wer- tet keine Ehe ab, wenn man darüber nachdenkt, wie man Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: steuerlich Familien besser fördern kann. Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Rauschkolb. Ich glaube, wir brauchen in Zukunft schon eine Debatte, wie man das Steuerrecht noch einmal so verändern kann, Abg. Jaqueline Rauschkolb, SPD: dass es Familien fördert und es den Anreiz gibt, dass bei- de Partner auch ihren Lebensunterhalt gestalten. Wenn Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle- man sich die Rente anschaut, ist es eine ganz andere gen! 2001 haben die Niederlande als erstes Land weltweit Diskussion. Ich finde aber, es tut dem keinen Abbruch, und die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet. Seitdem ich würde mir wünschen, dass wir gemeinsam mit offenen sind viele Staaten gefolgt, wie es Frau Kollegin Schellham- Augen diskutieren, wie es im Steuerrecht für Familien wei- mer angedeutet hat. Bei uns ist es endlich auch soweit tergehen kann. Dafür sind wir absolut bereit. gewesen, weil der Bundestag in der letzten Sitzung – die Kollegen haben es schon betont – mit 393 von 623 Stim- Was die Adoption angeht, teile ich Ihre Bedenken ganz men der Eheöffnung zugestimmt und somit eine histori- und gar nicht. Es gibt viele verschiedene Studien. Uns sche Entscheidung getroffen hat. Viele Menschen haben ist es auch wichtig, dass das Kindeswohl geachtet wird lange gewartet. Was die Vorgängerin gesagt hat: Ich glau- und es dem Kind bei den Eltern gut geht. Ob es jetzt ein be, es hat dem Thema nicht geschadet. heterosexuelles oder homosexuelles Paar ist, den Kindern kann es überall gut gehen, und das ist das Wichtigste für Wenn es nicht endlich dazu gekommen wäre, dann hät- uns. ten die Menschen, die es betrifft, doch noch viel länger warten müssen. Deshalb glaube ich in keinem Fall, dass (Abg. Michael Frisch, AfD: Da gibt es auch es dem Thema geschadet hat, sondern ich finde es eine andere Studien!) richtige und gute Entscheidung, dass die Kanzlerin ihre Bauchschmerzen abgelegt und die Gewissensentschei- Es ist eine kleine Änderung im BGB, dass es heißt, nicht dung zugelassen hat. nur die Personen gleichen Geschlechts, sondern auch

2558 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 verschiedenen Geschlechts können heiraten: ein kleiner höchsten deutschen Gerichts bestätigt. Mit dem Beschluss Ausdruck, der aber vielen Genugtuung gibt. Ich finde es einer Ehe für alle hat der Deutsche Bundestag unter der wichtig, dass es endlich gekommen ist. Es wird vielen et- Hand Geist und Inhalt unserer Verfassung geändert, und was gegeben, aber niemandem, der verheiratet ist, wurde es ist zu hoffen, dass es bald zu einer Normenkontrollklage durch diese Entscheidung etwas genommen. Deshalb war gegen diesen Verfassungsbruch kommen wird. es eine gute Entscheidung. Ich hoffe, das Gesetz kann auch so in Kraft bleiben. (Beifall der AfD)

Danke. Damit keine Missverständnisse entstehen: Jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden. Jeder kann so leben, wie (Beifall der SPD, der FDP und des er will. Der Staat hat sich aus solchen Fragen der privaten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Lebensführung herauszuhalten. Bereits jetzt haben ho- mosexuelle Paare durch die eingetragene Lebenspartner- Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: schaft nahezu alle einstigen Privilegien der Ehe erhalten. Was fehlt, ist lediglich die sprachliche Gleichstellung, und Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Frisch. es ist die Adoption von Kindern. Letztere aber verbietet sich mit dem Blick auf das Kindeswohl. Der Idealfall des Aufwachsens in stabilen Beziehungen mit Vater, Mutter Abg. Michael Frisch, AfD: und Geschwistern muss der Maßstab für Adoptionen sein, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Was ist ge- damit verwaisten Kindern aus ihrer besonderen Not heraus recht? Diese Frage hat die Menschen seit jeher umgetrie- geholfen wird. ben, nicht nur, weil sie sich in besonderem Maße für philo- sophische Spekulationen eignet, sondern weil ihre Beant- (Abg. Martin Haller, SPD: Das ist eine klare wortung Auswirkungen auf nahezu alle gesellschaftlichen Ansage an die Alleinerziehenden!) Bereiche und auch auf die Setzung statischer Normen hat. Es ist daher kein Zufall, dass wir eine bis heute bedeutsa- Einziges Kriterium für die Adoption ist das Kindeswohl, me Definition von Gerechtigkeit dem griechischen Denker nicht das Interesse von Erwachsenen, ein Kind zu haben. Aristoteles verdanken, der in seiner Nikomachischen Ethik Es gibt kein Recht auf ein Kind, aber Kinder brauchen schreibt: Gerecht ist es, Gleiches gleich und Ungleiches Vater und Mutter. ungleich zu behandeln. (Beifall der AfD) (Beifall der AfD) Damit homosexuelle Paare Kinder adoptieren können, In einer Zeit allgemeiner Gleichmacherei, die keine Unter- müsste dieser Maßstab des Kindeswohls aufgegeben wer- schiede mehr erträgt und in der trotz aller Vielfalts- und den; denn in Deutschland kommen sieben klassische Be- Buntheitsrhetorik jede Differenzierung sofort unter Diskri- werberfamilien auf ein Adoptivkind. In Rheinland-Pfalz sind minierungsverdacht steht, ist diese antike Weisheit offen- es sogar elf. Es besteht also überhaupt kein Bedarf, hier sichtlich in Vergessenheit geraten. weitere Nachfrage zu schaffen. (Heiterkeit des Abg. Daniel Köbler, Auch die Ehe für alle stellt per Gesetz Dinge gleich, die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) von Natur aus grundlegend verschieden sind; denn nur aus der Verbindung von Mann und Frau können Kinder Im Gegenteil würden Konflikte entstehen, wer die wenigen hervorgehen. Kinder bekommt. Deshalb werden der Ehe für alle zwangs- (Abg. Helga Lerch, FDP: Ach! – läufig die nächsten Schritte folgen. Abg. Martin Haller, SPD: Das ändert alles!) (Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD) Das ist der zentrale Grund, warum in Artikel 6 Grundge- setz Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der Bereits jetzt wird etwa im Bundestagswahlprogramm der staatlichen Ordnung gestellt sind. Der Staat hat ein vitales FDP die sogenannte Leihmutterschaft gefordert, die in Interesse daran, dass Kinder geboren werden, weil er nur Deutschland bisher aus guten Gründen verboten ist. Der so seine Zukunft sichern kann. Lesben- und Schwulenverband Deutschland gibt auf seiner Homepage detaillierte Tipps, wie sich das Verbot umgehen (Beifall der AfD – lässt. Kinder werden hier zu einer Handelsware, die be- Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE stellt, geliefert und bei Qualitätsmängeln wieder abbestellt GRÜNEN: Frau Weidel hat doch auch werden können. Kinder!) (Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS Daraus resultiert die Privilegierung der Ehe – nicht, weil 90/DIE GRÜNEN: Wie hat Frau Weidel das sich Menschen lieben und Verantwortung füreinander über- gemacht?) nehmen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt noch einmal 2013 formuliert, die Ehe ist ein allein der Ver- In diesem Sinne weist auch der neue Mainzer Bischof Pe- bindung zwischen Mann und Frau vorbehaltenes Institut. ter Kohlgraf kritisch darauf hin, dass Leidtragende dieser Diese Definition der Ehe findet sich bereits in den Unter- Entwicklung gerade die Kinder sein werden, denen das lagen des Parlamentarischen Rats aus dem Jahr 1949 Recht auf Vater und Mutter vorenthalten wird. Ich zitie- und wurde seitdem in beständiger Rechtsprechung des re: „In der aktuellen Debatte um Ehe und Liebe gibt den

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Kleinen niemand eine hörbare Stimme. Was macht es mit in Sozialkunde. Die Schülerinnen und Schüler wünschten Kindern, wenn sie nicht der Gemeinschaft von Vater und sich eindringlich ein Projekt zum Thema Homosexualität. Mutter entstammen, sondern mehr und mehr Produkte Damals brauchte ich dazu die Genehmigung des Direktors technischer Planung werden?“ und die schriftliche Einverständniserklärung der Eltern.

Noch etwas: Nachdem man allein die Liebe und die freie Das Projekt kam zustande und fand einen Abschluss in der Entscheidung zur Voraussetzung für eine Eheschließung Einladung einer Selbsthilfegruppe aus Lesben und Schwu- gemacht hat, gibt es auch keine Argumente mehr, die len. Die Schülerinnen und Schüler waren hoch motiviert. Legalisierung anderer Formen des Zusammenlebens ab- Sie sprachen mit Parteien, mit Kirchen und mit Betroffenen. zuwehren. Also wird die Vielehe folgen, und vielleicht wird Im Biologiebuch der Schule stand damals der Satz – ich auch die alte grüne Forderung nach einer Aufhebung des zitiere –: Homosexualität ist eine Krankheit, die behandelt Inzestverbots wieder ausgegraben werden. werden muss. – Seitdem sind 25 Jahre vergangen.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS Als erstes Land der Welt ermöglichten es 2001 die Nie- 90/DIE GRÜNEN: So ein Scheiß!) derlande gleichgeschlechtlichen Paaren zu heiraten. Viele weitere Staaten haben sich bis dato angeschlossen, lange Hauptsache, sie lieben sich. vor dem längst überfälligen Schritt im Deutschen Bundes- tag im Juni dieses Jahres. Jetzt ist auch dieser Traum Meine Damen und Herren, am 30. Juni 2017 wurde nach Realität. gerade einmal 38 Minuten Diskussion eine jahrtausendeal- te gesellschaftliche Institution, ein Stück völkerübergreifen- (Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE der weltweiter Kultur beerdigt. Dafür gab es anschließend GRÜNEN) reichlich Konfetti, Kindergarten statt ernsthafter Debatte, Für den Einzelnen, der in einer gleichgeschlechtlichen Be- (Glocke der Präsidentin) ziehung lebt, ist dies ein Befreiungsschlag. Der weite Weg vom Erkennen der geschlechtlichen Orientierung über das infantiler Klamauk statt eines sorgfältigen Abwägens von Coming Out, die unberechenbare Reaktion von Eltern, der Argumenten. Familie, des Freundeskreises, das Versteckspiel am Ar- beitsplatz und viele weitere Beispiele unendlichen Leidens- (Beifall der AfD) drucks ließen sich anführen. Das hat jetzt ein Ende; denn die Ehe für alle bedeutet, dass auch gleichgeschlechtliche Meine Damen und Herren, nein, das war kein rheinland- Paare nach Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes – Zitat – pfälzischer Erfolg im Bund; das war ein schwarzer Tag für „unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“ unser Land. stehen. Denn Schutz bedeutet Sicherheit und damit neben der rechtlichen Klarheit auch vielfach gesellschaftliche Ak- Vielen Dank. zeptanz. (Beifall der AfD – Immerhin befürworten 80 % der Deutschen eine Ehe für al- Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE le, und die breite Mehrheit der Abstimmung im Deutschen GRÜNEN: Das schicken wir jetzt Frau Bundestag über alle Fraktionsgrenzen hinweg unterstreicht Weidel! – eindrucksvoll den nunmehr eingeschlagenen Weg. Die Ein- Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD) führung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare war für ein modernes und freiheitsliebendes Land wie Deutsch- Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: land schon lange überfällig. Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Lerch. (Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Abg. Helga Lerch, FDP: Nach jahrelanger Blockadehaltung wurde die CDU von der gesellschaftlichen Realität überrollt, und SPD, FDP und Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Anfang der Grüne hatten dies bereits als Koalitionsbedingung festge- 90er-Jahre – – – legt. Auch die Medien begleiten den Weg der Ehe für alle (Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS auf eindrucksvolle Weise. Bilder von jetzt verheirateten 90/DIE GRÜNEN: Das wissen Sie gar nicht gleichgeschlechtlichen Paaren sind in den Printmedien, oder wie? – im Fernsehen und im Internet präsent. Die Bilder zeigen Unruhe im Hause – glückliche Menschen. Wenn Menschen sich lieben und Glocke der Präsidentin) sie bereit sind, füreinander Verantwortung – das ist das Schlüsselwort, meine Damen und Herren – zu überneh- men Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: (Beifall bei der FDP) Frau Lerch hat das Wort, bitte. in guten wie in schlechten Zeiten, dann ist das die Grund- lage einer Ehe, und nicht das Geschlecht. Damit gilt auch Abg. Helga Lerch, FDP: das Recht, Kinder zu adoptieren, wie für andere Ehepaare Anfang der 90er-Jahre unterrichtete ich eine 11. Klasse auch.

2560 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017

(Abg. Michael Frisch, AfD: So einfach ist Es begann dasselbe Prozedere. Rheinland-Pfalz legte den das!) Gesetzentwurf daher wiederum zusammen mit weiteren Ländern vor. Der Bundesrat beschloss ihn und brachte Dass die Standesämter die bisher verwendete Software ihn beim Deutschen Bundestag ein. Und dann, 2017, gab anpassen müssen, stellt kein Problem dar. Nach meinen die Bundeskanzlerin plötzlich grünes Licht für eine Ge- Recherchen ist die konkrete Änderung bereits nächste Wo- wissensentscheidung der Abgeordneten auch ihrer Partei che erfolgt, nicht 2018. und der CSU. Dann ging es auf einmal Schlag auf Schlag. Am 30. Juni stimmte der Deutsche Bundesrat dem unter Meine Damen und Herren, Sorge bereitet uns allerdings anderen von uns im Bundesrat eingebrachten Gesetzent- die bayerische CSU-Landesregierung, die eine Klage beim wurf zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Bundesverfassungsgericht prüfen lässt, und auch die ka- Personen gleichen Geschlechts mehrheitlich zu. Auch im tholische Kirche hat Vorbehalte, wie sie vom Vorsitzenden Bundestag fand er schließlich eine Mehrheit. Am 1. Okto- der Deutschen Bischofskonferenz vorgetragen werden. Für ber trat dann unser Gesetzentwurf in Kraft. uns als Freie Demokraten gilt der Grundsatz, dass Politik für Menschen jenen Raum schaffen muss, damit sie ohne Diskriminierung selbstbestimmt ein Leben in Freiheit und Meine Damen und Herren, mit der Öffnung der Ehe hat Würde leben können. auch die Politik vollzogen, was in der Gesellschaft schon lange Konsens ist. Die große Mehrheit der Menschen in (Beifall der FDP, der SPD und des unserem Staat stimmt der Öffnung der Ehe zu. Eine Umfra- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – ge im Sommer ergab eine Zustimmung in Höhe von 75 %. Abg. Michael Frisch, AfD: Ja, genau!) Zwei Drittel der Befragten befürworten außerdem das volle Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Die Ehe für alle ist ein Mosaikstein auf diesem Weg. Wenn ich mir die Hindernisse vor Augen halte, die wir als Demo- Meine Damen und Herren, die Gesellschaft hat sich im fa- kraten im Laufe der letzten Jahrzehnte auf dem Weg zur milienpolitischen Bereich und in Fragen der Vielfalt in den selbstbestimmten Freiheit weggeräumt haben vergangenen Jahren stark gewandelt oder, besser gesagt, geöffnet. Familie ist nicht mehr nur auf Mama, Papa, Kind (Glocke der Präsidentin) beschränkt, sondern umfasst auch Alleinerziehende, Fa- milien ohne Trauschein, Patchworkfamilien und eben auch – ich nenne die Konfessionsschulen, den § 175 Strafgesetz- Regenbogenfamilien. Homosexualität ist heute zum Glück buch, Rechte für Frauen und Kinder, und die Liste ließe kein Tabu mehr, wenngleich Menschen mit einer anderen sich unendlich fortführen –, so kann ich mit den Worten als einer heterosexuellen Identität leider nach wie vor von schließen: I have a dream and it’s going to be reality. – Diskriminierung berichten. Hier gibt es noch jede Menge gegen diese Diskriminierung zu tun. Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des Meine Damen und Herren, es gilt aber auch, wir werden BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) diese Entwicklung nicht mehr zurückdrehen, auch wenn das manchem nicht gefallen mag. Die Gesellschaft ent- wickelt sich weiter. Sie modernisiert sich. Dieser Prozess Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: macht auch vor den Moralvorstellungen nicht halt. Dem Für die Landesregierung spricht Frau Staatsministerin kann sich der Gesetzgeber nicht versperren. Zwar kann Spiegel. sich dieser hier zunächst weigern, so wie wir dies hinsicht- lich der Rechte für gleichgeschlechtliche Paare über Jahre beobachtet haben, doch dann muss er oder sie damit le- Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, ben, dass das Bundesverfassungsgericht wiederholt die Integration und Verbraucherschutz: Anpassung des Rechts fordert, um die schrittweise Gleich- berechtigung lesbischer und schwuler Paare zu erzwingen. Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Da- Bis zuletzt waren sie beim Thema Adoption diskriminiert. men und Herren! Seit 26 Tagen dürfen auch gleichge- schlechtliche Paare in Deutschland heiraten. Endlich ist Schluss mit dem Eheverbot für lesbische und schwule Paa- Meine Damen und Herren, die Öffnung der Ehe ist ein re, und es war höchste Zeit, dass diese Diskriminierung wichtiger und richtiger Schritt auf dem Weg zu einer Ge- endlich aufhörte. Es war ein weiter Weg dorthin, und ich sellschaft, in der die Menschen gleichberechtigt leben kön- bin stolz darauf, dass das rheinland-pfälzische Familienmi- nen. Es war ein historischer Schritt, für den viele jahrelang nisterium eine wichtige Rolle dabei gespielt hat, dass die gekämpft haben: schwule und lesbische Paare selbst, Ver- Bundespolitik diesen Weg gegangen ist. bände wie QueerNet und andere und auch die Politik. – Mein Dank gilt auch meiner Vorgängerin Irene Alt; Bereits im März 2013 hatte das Land Rheinland-Pfalz ge- meinsam mit anderen Ländern einen Gesetzentwurf zur (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in den der SPD und der FDP) Bundesrat eingebracht, der dort auch eine erste parlamen- tarische Mehrheit in Deutschland erhielt. Allerdings wurde denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, endlich der Gesetzentwurf nie im Bundestag beraten, sodass er leben wir in einem Land, in dem genug Ehe für alle da ist. schließlich mit dem Ende der 17. Legislaturperiode im Spätsommer 2013 der Diskontinuität anheimfiel. Herzlichen Dank.

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(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Glocke der Präsidentin) und der FDP und vereinzelt bei der SPD) Das hat für uns oberste Priorität. Das wird auch weiterhin so der Fall sein. Das Kindeswohl hat hier oberste Priorität. Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau der SPD und der FDP) Kollegin Schellhammer.

Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Huth-Haage. Danke, Frau Präsidentin! Frau Kollegin Huth-Haage, Sie haben zu Recht die Schärfe der gesellschaftlichen Dis- kussion angesprochen, die zu dem Thema geführt wurde. Abg. Simone Huth-Haage, CDU: Bislang haben wir auch im Landtag immer, wenn wir hier- zu diskutiert haben, sehr sachlich miteinander diskutiert Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue und unterschiedliche Positionen ausgetauscht. Das ging mich, mit welcher Verve hier für die Ehe gekämpft wird. Ich von unserer Fraktion auch immer so aus. Die Schärfe, die erinnere nur einmal an die Haushaltsberatungen, als wir heute in diese Debatte gebracht wurde, ist erstmals in die für die CDU gefordert haben, die Mittel für die Eheberatung Debatte gebracht worden. Die Schärfe ist seitens der AfD- zu erhöhen, weil wir gesagt haben, es ist besser, Ehen und Fraktion mit ihren wirklich unterirdischen Vorwürfen in die Familien in Krisensituationen zu helfen und sie zu unter- Debatte gebracht worden. stützen, als später das Armutsrisiko von Alleinerziehenden zu beklagen. (Abg. Michael Frisch, AfD: Argumente! Gehen Sie mal darauf ein!) (Beifall bei der CDU)

Ich werde nicht über jedes Ihrer hingeworfenen Stöckchen Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich erinnere mich an die springen, sondern nur an einer Stelle darauf eingehen. Boshaftigkeit und an die Häme, die mir aus einer bestimm- Wenn man Ihre Vorstellung weiterdenkt, dann bedeutet ten Richtung bei dieser Forderung entgegengeschlagen das, wenn Sie sagen, nur bei Mann und Frau können die ist. Ich fände es klasse, wenn sich hier jetzt wirklich eine Kinder gut aufwachsen, dass Alleinerziehende in Ihrem Bewusstseinsänderung durchgesetzt hätte. Das begrüßen Bild keine guten Erziehungsberechtigten sein können. wir. Dann bewirken solche Debatten doch etwas.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Eine völlig (Beifall bei der CDU) andere Situation!) Meine Damen und Herren, ein Punkt zum Bereich Adop- Das bedeutet, dass gleichgeschlechtliche Paare das nicht tionen: Ich glaube, es ist doch ganz klar, und jeder hier im sein können. Das müssen sich alle gleichgeschlechtli- Haus weiß, selbstverständlich können gleichgeschlechtli- chen Paare in Rheinland-Pfalz und alle Alleinerziehenden che Paare genauso hervorragende Eltern sein wie Vater merken, und man muss auch feststellen, dass im Um- und Mutter. kehrschluss auch kinderlose Ehen in ihrem Weltbild keine Berechtigung hätten. (Beifall bei CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Huth-Haage, Sie haben gesagt, die Überhastung hät- te diesem Gesetzentwurf geschadet. Diese Kritik trifft an Sie können genauso tolle Eltern sein. Sie können auch dieser Stelle nicht uns, sondern den Bundestag. 68-mal hat genauso viele Fehler machen, wie es alle anderen Eltern der Rechtsausschuss den Gesetzentwurf vertagt. Er hat auch machen. keine Anhörung dazu durchgeführt. Er hat kein reguläres (Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS parlamentarisches Verfahren an dieser Stelle durchgeführt 90/DIE GRÜNEN: Sie können sich auch und dann den Beschluss gefasst. Die Landesregierung hat scheiden lassen!) diesen Gesetzentwurf im Bundesrat zweimal erfolgreich eingebracht. Der Bundestag wäre dann am Ball gewesen. Das ist aber nicht der Punkt. Der entscheidende Punkt Er hat die Entscheidung so getroffen. Das finden wir rich- ist, was Sie eben auch gesagt haben, Alleinerziehende, tig. Aber diese Kritik zur Überhastung an dieser Stelle trifft Patchworkfamilien, die alle eine tolle Arbeit machen, kön- auch nicht uns. nen aus bestimmten Gründen aber auch kein Kind ad- optieren, weil man bei Kindern, die zur Adoption stehen, (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bestimmte Anforderungen haben will, weil man wirklich und der FDP und vereinzelt bei der SPD) alles minimieren will. Das ist doch der Punkt. Keine Al- Die Jugendämter in Rheinland-Pfalz sind dafür zuständig, leinerziehende wird ein Kind adoptieren können. Deshalb bei jeder Adoption zu prüfen. Da steht einzig und allein das können Sie das hier nicht als Beispiel bringen, meine Da- Kindeswohl im Fokus. Die Jugendämter in Rheinland-Pfalz men und Herren. machen eine hervorragende Arbeit. Sie werden das auch (Beifall bei der CDU und des Abg. Michael weiterhin tun. Auch nach der Eheöffnung, wenn gleichge- Frisch, AfD) schlechtliche Paare nun Kinder adoptieren werden, werden sie nach dem Kindeswohl prüfen. Ich will noch eines sagen, weil es jetzt um die verfassungs-

2562 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 mäßige Rechtmäßigkeit ging. Ich habe das hier angespro- dagegen gestimmt, um dann in einem weiteren Presse- chen. Es ist ein bisschen fraglich, ob dieses Gesetz so gespräch die Kindesadoption durch homosexuelle Paare Bestand haben wird. Wenn Sie sagen, Sie haben Kopfweh, doch zu befürworten. Mehr Inhaltslosigkeit und Opportu- dann zweifeln Sie Ihrem eigenen Gesetzentwurf an. Ich nismus geht doch nicht mehr, meine Damen und Herren. hoffe guten Mutes, dass das Bestand hat. Dann können Sie sich hier in Rheinland-Pfalz feiern. Aber erst muss (Beifall der AfD) dieser Entwurf Bestand haben. Wenn Sie selbst daran zweifeln, dann sind Sie von diesem Entwurf offensichtlich Angela Merkel hat die CDU aller traditioneller Positionen nicht sehr überzeugt. beraubt und mit der Ehe für alle jetzt auch den letzten Rest konservativen Tafelsilbers verkauft, um ihre eigene (Glocke der Präsidentin) politische Zukunft zu sichern.

Aber ich bleibe dabei, wir kämpfen gemeinsam für die Wie lange wollen sich die Konservativen in der CDU ei- Rechte von homosexuellen Menschen. Da haben wir in gentlich noch demütigen lassen? Wie lange wollen auch den nächsten Jahren hier alle Hände voll zu tun. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Herzlichen Dank. (Beifall der AfD)

(Beifall bei der CDU) es noch ertragen, dass Ihre Kanzlerin auf dem Altar des Machterhalts alles opfert, was der CDU früher einmal hei- lig war? Nur noch die AfD bietet eine Heimat für echte Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Konservative. Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Frisch. (Glocke der Präsidentin)

Abg. Michael Frisch, AfD: Wir stehen bei aller Toleranz und allem Respekt für andere Lebensformen für die besondere Förderung der traditionel- Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte len Familie aus Vater, Mutter und Kindern, weil nur sie die noch einmal auf das eingehen, was Frau Kollegin Lerch Zukunft unseres Landes und unseres Volkes sichern. gesagt hat. Sie haben sehr deutlich gezeigt, wohin es führt, wenn man nur Liebe und Verantwortung als Grundlage für Vielen Dank. eine Eheschließung nimmt. Sie werden, wenn Sie diese Argumentation führen, in keiner Weise irgendwelche an- (Beifall der AfD) deren Ansprüche abwehren können. Wie wollen Sie denn noch etwas gegen die Vielehe sagen, gegen die Ehe unter Verwandten, gegen Dreier-, Viererkonstellationen? Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Lerch. Alles ist denkbar unter der Überschrift Liebe und Verant- wortung. Sie haben damit jedes Argument aus der Hand gegeben, die Dinge in Zukunft abzuwehren. Das zeigt mir Abg. Helga Lerch, FDP: auch, dass nicht darüber nachgedacht wird, dass nicht ein- Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Abstrakte po- mal auf das Argument eingegangen wird, die intellektuelle litische Themen werden dann konkret und greifbar, wenn Dürftigkeit dieser gesamten Debatte an dieser Stelle. sie ins Persönliche gehen. (Beifall der AfD) Ich glaube, viele von uns, die hier im Saal sitzen, kennen Frau Kollegin Huth-Haage, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie Beispiele dieses unendlichen Leids, dieses Versteckspiels eine Lanze für diejenigen gebrochen haben, die Probleme von Gleichgeschlechtlichen, die über Jahre und Jahrzehn- mit dieser Entwicklung haben, die aus guten Gründen die- te darunter gelitten haben, dass sie eben nicht offen mit se Sache kritisch sehen. ihrer Beziehung umgehen, geschweige denn eine Verbin- dung eingehen können. Den Respekt, den Sie einfordern, habe ich während mei- ner Rede heute Morgen teilweise nicht erlebt. Aber ich Ich kenne zahlreiche dieser Beispiele. Es gab Familiendra- kann Ihnen nicht ersparen, einige Anmerkungen zur Rolle men, weil der Vater nicht akzeptiert hat, dass der Sohn der CDU bei der Einführung der Ehe für alle zu machen; schwul war. Streitigkeiten dieser Art wurden zum Teil nicht denn auch das ist ein wichtiger Teil der Debatte. beigelegt und gingen mit ins Grab.

Die Kanzlerin hat innerhalb von wenigen Tagen Ihre Mei- Diese Beispiele sind mir bekannt. Wenn Sie sich diese nung zur Ehe für alle dreimal grundlegend geändert. ganz konkreten Erfahrungen vor Augen halten, dann gibt es heute nur eine Antwort auf diese Frage: Ehe für alle. – (Abg. Martin Haller, SPD: Das macht die Es ist der richtige Weg. Es ist der einzig richtige Weg, und öfter!) es ist der zukunftsweisender Weg.

Lange Zeit war sie wegen des Kindeswohls dagegen. Dann Wenn hier missverstanden wurde, dass ich Kopfschmerzen hat sie mit einem Interview in der Klatschpresse den Weg hätte wegen der bayerischen Landesregierung, dann nur dafür frei gemacht. Anschließend hat sie im Bundestag deshalb, weil überhaupt die Idee aufkommt, einen solchen

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Weg gehen zu müssen. Das ist der entscheidende Punkt zusammen die Zukunft des Volkes sichern. dabei. (Beifall und Heiterkeit bei SPD, FDP und (Beifall der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – GRÜNEN) Zurufe von der AfD)

In Richtung AfD möchte ich nur einen einzigen Satz sagen. Es ist doch nicht der erste Gedanke, den man hat, wenn Ich wünsche Ihnen in Ihrem Bekannten- oder Verwandten- man die Ehe schließen will, sondern man liebt sich und kreis Beispiele, die Sie zur Vernunft bringen. will füreinander Verantwortung übernehmen. Das ist doch das Ziel, warum man heiratet. (Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ich freue mich, dass es jetzt auch mehr Menschen zugäng- Abg. Martin Haller, SPD: Oder in der lich ist, aus Liebe Verantwortung füreinander zu überneh- Partei!) men. Ich finde, Sie tun der Debatte damit nicht gut.

(Beifall der SPD, der FDP und des Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Rauschkolb. Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund:

Abg. Jaqueline Rauschkolb, SPD: Damit ist auch der zweite Teil der Aktuellen Debatte been- det. Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kol- legen! Ich finde es sehr interessant, Herr Frisch, welche Wir kommen zum dritten Thema der Doppelmoral Sie an den Tag legen.

Wir sind eine solidarische Partei, die auch hinter unseren AKTUELLEN DEBATTE Personen steht. Sie haben doch eine Vorsitzende, die mit einer Frau zusammenlebt und zwei Kinder aufzieht. Fragwürdiger Einsatz von Fremdfirmen bei rheinland-pfälzischen Finanzämtern (Beifall der SPD, der FDP und des auf Antrag der Fraktion der CDU BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – – Drucksache 17/4449– Abg. Dr. Bernhard Braun: Und das ist gut so!) Wer spricht? – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Schreiner. Ich habe kein Problem damit. Sie zeigt, dass sie mit die- sem Lebensmodell in der Gesellschaft steht. Abg. Gerd Schreiner, CDU: Haben Sie Ihr denn gesagt, dass Sie ein Problem damit ha- ben? Ich finde, es ist sehr unsolidarisch, wenn man dann Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! eine ganz andere Perspektive hineinbringt. In der Tat, der Einsatz von Fremdfirmen bei den rheinland- pfälzischen Finanzämtern ist mehr als fragwürdig. Da muss (Abg. Martin Haller, SPD: Aber so ist die man zwei Geschichten erzählen, die beide erzählt werden AfD!) müssen.

Man sieht eigentlich gar nicht, wo Sie stehen. Ich weiß Die erste betrifft die Frage des Verhältnisses zwischen den nicht, was Ihre Position ist. Ihre Vorsitzende lebt ein ganz Finanzämtern und den Steuerbürgern. Das ist ganz be- anderes Modell, das Sie hier total verwerfen. Aber gut, sie sonders sensibel. Da geht es zum einen um Offenlegungs- ist in einem anderen Land. Deswegen empfinde ich es pflichten der Steuerbürger gegenüber den Finanzämtern. schon sehr als Doppelmoral, wenn Sie es kritisieren und Hier geht es auf der anderen Seite um den Anspruch der Menschen in Ihrer eigenen Partei so etwas leben. Finanzämter, für eine gerechte Besteuerung einzutreten. Da macht es in diesem besonderen Verhältnis schon einen Was ich noch zur Angst sagen will, ist, dass man die De- Unterschied, ob, wenn man das Finanzamt besucht, der batte auf Vielehe ausweitet. Vielleicht haben Sie mir vorhin Pförtner, der einem die Tür aufmacht, Mitarbeiter einer zugehört. Im BGB steht jetzt, die Ehe wird geschlossen Wachfirma ist, oder ob derjenige, den man anruft, derjeni- zwischen zwei Personen gleichen oder verschiedenen Ge- ge, dem man eine Mail schreibt, nicht ein Finanzbeamter schlechts auf Lebenszeit. – Zwei Personen. ist, wie man denkt, sondern Mitarbeiter einer Wachfirma ist, und ich es noch nicht einmal erfahre, dass der, dem ich (Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD) eine Mail schreibe, der, den ich anrufe, Mitarbeiter einer Wachfirma ist. Das steht im BGB. Nicht mehr und nicht weniger. Niemand hat in der Debatte so etwas gefordert. (Beifall bei der CDU)

Wenn ich mir anhöre, dass Sie sagen, es geht bei der Ehe Das ist unerträglich für die Steuerbürger. Aber wir haben darum, die Zukunft des Volkes zu sichern, erhebt sich die in den letzten Tagen auch erfahren, dass es nicht nur uner- Frage, ob ich denn in Zukunft frage, wenn ich heiraten träglich für die Steuerbürger ist, sondern es insbesondere will, nicht, willst du mich heiraten, sondern willst du mit mir auch für die betroffenen Mitarbeiter der Fremdfirmen ist.

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Im SWR kam eine Mitarbeiterin einer solchen Firma zu (Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Hört! Hört!) Wort, und sie hat es auf den Punkt gebracht, dass es aus ihrer Sicht ein Albtraum war, was sie dort erlebt hat. Sie Diese Rede muss Frau Dreyer jetzt umschreiben. Sie habe als Fremdmitarbeiterin über einen Computer auch selbst lagern die Mitarbeiter aus. Sie sourcen out. direkten Zugriff auf die geschützten Daten gehabt und deshalb über bestimmte Kürzel, die im System angelegt (Beifall der CDU und bei der AfD) waren, zusätzliche Auskünfte über den Steuerpflichtigen erfahren. Wörtliches Zitat: Wenn Steuerkonten gesperrt Sie messen mit zweierlei Maß. Wenn ein Unternehmen, waren, weil irgendwelche Inkassosachen liefen, oder bei eine Firma Mitarbeiter outsourct, dann zeigen Sie mit dem einer Insolvenz hat man das auch an den Kürzeln gese- Finger auf sie und sagen, das ist unanständig. Wenn Sie hen. Alle Mails, die an die zentrale E-Mail-Adresse des es selbst machen, dann ist es ein besonders wirtschaftli- Finanzamtes gingen, konnte ich lesen und musste sie wei- cher Umgang mit Geld. So funktioniert das nicht. Und das terleiten. Wenn keine Steuernummer hinterlegt war, habe alles nur, damit Staatssekretären in Rheinland-Pfalz Zu- ich diese Mail aufmerksam gelesen, um sie weiterleiten satzrenten gezahlt werden können und im Budget genug zu können. Sie sei froh, dass dieses Thema jetzt endlich Geld für Personal da ist, wo es der SPD gefällt. Deshalb in die Öffentlichkeit gelange, weil es aus Ihrer Sicht ein wird ausgerechnet an den Ärmsten der Armen, an den Albtraum war, wie in Rheinland-Pfalz mit den Rechten der Telefonistinnen im Finanzamt gespart. Steuerbürger umgegangen worden ist. Dem ist nichts hin- (Beifall der CDU) zuzufügen.

(Beifall bei der CDU) Das Land hat das Geld im Personalbudget, Staatssekretä- ren Zusatzrenten zu zahlen, aber die Telefonistinnen über Fremdfirmen bekommen einfach nur Mindestlohn. Das ist In Rheinland-Pfalz ist es so, im Finanzamt lesen Fremdfir- das alte Motto, das wir hier im Hause zur Genüge von men Ihre E-Mails, meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihnen gehört haben. Das ist: Wir machen es einfach. – liebe Steuerbürgerinnen und Steuerbürger, liebe Steuer- zahlerinnen und Steuerzahler. Die E-Mails, die Sie an Ihr Vielen Dank. Finanzamt schreiben, liest eine Fremdfirma. (Beifall der CDU und vereinzelt bei der AfD) Transparenz, Datenschutz, faire Bezahlung, alles Fehlan- zeige. Kostet alles nur Geld; denn das ist der zweite Teil der Geschichte, die erzählt werden muss. Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Für die SPD-Fraktion spricht Frau Dr. Köbberling. Warum das Ganze? Da gibt es ein wunderbares Zitat von Ihnen, Herr Staatssekretär, auch aus dem SWR. Das Land mache das, weil die Beschäftigung von Fremdfirmen Abg. Dr. Anna Köbberling, SPD: schlicht und ergreifend billiger sei. Also, ob es billiger ist, Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kol- da wollen wir die Rechnung noch einmal genau anschau- legen! Der Ausgangspunkt der Debatte, die wir gerade füh- en. Das sind wir mit dem Bund der Steuerzahler einig, das ren, findet sich im Rechnungshofbericht 2006. Ich möch- wollen wir noch einmal genau überprüfen. Zum Beispiel te gern Seite 45, Nummer 4 kurz zitieren. Es geht da die Gewerkschaft sagt, es sei billiger, es würden etwa 9 um die Organisation und den Personalbedarf der zentra- Euro gezahlt werden, und wenn sie beim Land beschäftigt len Aufgabenbereiche der Besitz- und Verkehrsteuerabtei- wären, könnte man einen Stundenlohn von bis zu 14 Euro lung der Oberfinanzdirektion Koblenz. „1. Allgemeines: Die ermöglichen. Auf jeden Fall, und das ist unabhängig von Oberfinanzdirektion Koblenz ist Mittelbehörde sowohl der den Zahlen so, wenn ich bei einer Wachfirma beschäftigt Bundes- als auch der Landesverwaltung.(...) Der Besitz- bin, habe ich eine andere Entwicklungsmöglichkeit, als und Verkehrsteuerabteilung sind 26“ – heute sind es noch wenn ich beim Land beschäftigt bin. 23 – „Finanzämter sowie die Fachhochschule für Finanzen (Vereinzelt Beifall bei der CDU) und die Landesfinanzschule Rheinland-Pfalz unterstellt.“ „Der Rechnungshof hat die Organisation und den Personal- Also, die Perspektiven, die ein Mitarbeiter hat, sind kom- bedarf der zentralen Aufgabenbereiche (...) der Besitz- und plett andere. Verkehrsteuerabteilung geprüft. Hierbei wurde vor allem untersucht, ob der Aufbau und die Gliederung sachgerecht Gehen wir einmal davon aus, Sie haben recht, es ist billi- sind sowie die Arbeitsprozesse zweckmäßig gestaltet wa- ger, und Sie haben es deshalb gemacht, weil es billiger ist. ren und die Aufgaben wirtschaftlich und sparsam wahrge- Dann freue ich mich aber auf die Rede der Frau Minister- nommen wurden.“ präsidentin am 1. Mai 2018. (Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU) (Beifall der CDU) Dann kommt unter Punkt 2 das wesentliche Ergebnis der Ich habe es noch genau im Ohr, was die Frau Minister- Prüfung: „Bei den Zentralen Diensten sind Stellenanteile präsidentin bei den letzten Kundgebung am 1. Mai gesagt von insgesamt 6,9 Vollzeitkräften einsparbar. Beispiele: hat. Da hat sie gesagt, dass es unanständig sei, wenn die Wirtschaft Firmenmitarbeiter auslagert, und zwar nur – Im Bereich der Hausverwaltung, der Haustechnik und deshalb, weil es billiger ist. des Reinigungsdienste können weitere Arbeiten an private

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Unternehmen vergeben werden.“ Abg. Dr. Anna Köbberling, SPD: Herr Dr. Weiland, ich komme noch dazu. Ich will das Pro- Unter Punkt 3, bei den Folgerungen, findet sich: „3.1 Zu blem nacheinander aufdröseln. der nachstehenden Forderung wurden die gebotenen Fol- gerungen bereits gezogen oder eingeleitet.“ Das ist dann So ist es gedacht. Wenn nun doch einmal mehr Informa- immer die Lobseite des Rechnungshofberichts. Da steht: tionen fließen als erwartet, dann gibt es in der Tat den „Der Rechnungshof hatte gefordert, bei den Zentralen Datenschutz und das Steuergeheimnis. So müsste das mit Diensten zu prüfen, ob Aufgaben wirtschaftlicher von pri- der Fremdfirma auch vereinbart werden. vaten Unternehmen wahrgenommen werden können.“ (Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU) Das war der Rechnungshofbericht 2006. So sollte auch verfahren werden. Im Rechnungshofbericht des Jahres 2007 finden sich dann sehr detaillierte Ausführungen zur Fremdvergabe zentraler Möglicherweise hat, wie im SWR dankenswerterweise be- Dienste, und dort, auf Seite 49, können Sie nachlesen, richtet wurde, im Einzelfall aber Pfortenpersonal zu mehr dass der Rechnungshof angeregt, den Pfortendienst und Daten Zugang gehabt, als es bei einer Telefonvermittlung die Telefonzentrale möglichst zusammenzufassen. üblicherweise der Fall ist. (Abg. Christian Baldauf, CDU: Ist der (Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Jetzt wird so Rechnungshof der Arbeitgeber oder die was auch noch gerechtfertigt!) Landesregierung? – Weitere Zurufe von der CDU) Möglicherweise – das hat die Person in dem entscheiden- den SWR-Beitrag auch gesagt – wurde sie zwar auf die Bei 11 von 23 Finanzämtern, also knapp der Hälfte der Fi- Grundsätze des Datenschutzes und auf die Verschwiegen- nanzämter in Rheinland-Pfalz, wurde in den letzten Jahren heitspflicht hingewiesen, aber es gab keine Verpflichtung Pfortenpersonal outgesourct. Dies ist eine autonome Ent- auf das Steuergeheimnis. Wenn das so war, ist das auf scheidung der Finanzämter, und das Finanzministerium, jeden Fall nicht richtig. also die Landesregierung, greift hier nicht ein. Das Finanzministerium hat eine Untersuchung dieser Fälle Die Vergabe an die Fremdfirmen geschah selbstverständ- durch das Landesamt für Steuern veranlasst. Das Ergeb- lich auf der Basis des Landestariftreuegesetzes. Hier greift nis müssen wir jetzt in Ruhe abwarten. der Tarifvertrag des Bewachungs- und Sicherheitsgewer- bes, der von der Gewerkschaft ver.di ausgehandelt wird. (Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Ja, klar!)

Zum Pfortendienst – das hatte ich schon gesagt – gehört Es muss sichergestellt werden, dass alle Mitarbeitenden in diesem Fall auch die Telefonvermittlung. genauso wie Landesbeamte auf das Steuergeheimnis ver- pflichtet werden. Das ist vollkommen klar. (Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Wir reden über das Steuergeheimnis! Nicht über das Zusammenfassend kann man festhalten: Es ist nicht die Türaufmachen!) Praxis an sich problematisch, die so auch vom Rechnungs- hof gefordert worden ist, sondern das Problem liegt in Das wurde eben zusammengefasst. Einzelfällen bei der Umsetzung. Da muss selbstverständ- lich gegebenenfalls nachjustiert werden. Was macht üblicherweise eine Telefonvermittlung? Übli- cherweise nimmt eine Telefonvermittlung die Anrufe von ex- Vielen Dank. ternen Personen entgegen und stellt sie zum zuständigen Sachbearbeiter oder zur zuständigen Sachbearbeiterin (Beifall der SPD, der FDP und des durch. Dafür ist normalerweise nicht viel mehr notwendig BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) als möglicherweise die Nennung der Steuernummer.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Doch! Da Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: muss man die Sachbearbeitung kennen!) Für die AfD-Fraktion spricht Frau Kollegin Nieland. Normalerweise liest eine Telefonvermittlung keine E-Mails. Abg. Iris Nieland, AfD: (Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Normalerweise!) Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! In der vergangenen Woche hat eine Wenn nun doch einmal – – – Nachricht des SWR hohe Wellen geschlagen, hohe Wellen bis in die heutige Debatte hinein: Die Finanzämter seien (Glocke der Präsidentin) dazu übergegangen, telefonische Dienstleistungen aus- zulagern. So würden Telefonzentralen vieler Finanzämter Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: nicht durch Finanzbeamte, sondern durch externe Mitar- beiter von Fremdfirmen besetzt. – Frau Dr. Köbberling hat das Wort. Wir müssen jetzt nicht einen Dialog aufmachen. Angesichts dieser SWR-Nachrichten frage ich mich: Hat

2566 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 sich in Zeiten des gläsernen Bürgers das Finanzministeri- (Beifall der AfD) um dieses Landes etwa gar gesagt, dass der Einsatz für den Datenschutz ohnehin auf verlorenem Posten steht? wenn sie selbst Dienstleistungen outsourcen und dafür Dachten womöglich die Verantwortlichen im Finanzministe- Dumpinglöhne zahlen lassen? rium, wenn schon WhatsApp, Facebook und Google täglich Daten sammeln, spielt es vermutlich keine so große Rolle (Abg. Uwe Junge, AfD: Unsozial!) mehr, wenn nun auch sensible Steuerdaten unser Bürger in die Hände Dritter geraten? Wie wollen Sie Unternehmen davon überzeugen, ihre Mit- arbeiter auch finanziell ausreichend wertzuschätzen, wenn (Abg. Martin Haller, SPD: Ach, das ist doch sie es selbst nicht konsequent tun? so was komplett vorbei wieder! Furchtbar! Ganz schlimm!) (Beifall der AfD – Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD) – Sie könnten noch mehr Leute outsourcen. Sollte hier etwa der Landeshaushalt auf Kosten derjeni- Wenn wir uns als Bürger an das Finanzamt wenden, las- gen, die ohnehin am mageren Ende der Stundenlohnsätze sen wir nicht selten mit der Fülle an finanziellen Daten tiefe stehen, saniert werden? Einblicke in unser Leben zu. Wenn dies Bürger zulassen wollen, müssen wir von einem besonderen Maß an Ver- Fragen nach anständiger Bezahlung haben die Sozialde- trauenswürdigkeit und Schutz der Privatsphäre ausgehen mokraten womöglich längst durch ihnen wichtigere The- können. men wie Gender Mainstreaming oder Veggieday ersetzt.

Nun stehen auf der Basis von SWR-Berichten Vermutun- (Beifall der AfD) gen im Raum, es sei mit persönlichen Daten nicht ganz sachgerecht im Sinne des Datenschutzes umgegangen Wir als Opposition denken aber, dass Arbeit wertzuschät- worden. Deshalb ist von der Regierung Transparenz über zen ist und wir als Land, als Arbeitgeber, mit einem guten ihr Vorgehen gefordert. So erwarte ich von der Regie- Beispiel vorangehen sollten. rung Auskunft – einen vollständigen Überblick – über alle Ministerien und Landesbetriebe hinweg hinsichtlich ihrer Wenn Sie nun aber antworten sollten, dass die Arbeit der Fremdfirmenrichtlinien. Also: Welche Dienstleistungen wer- Finanzämter nicht mehr mit Beamten zu erledigen sei, weil den ausgelagert an wen? Welche Bedingungen werden für Beamte nicht mehr bezahlbar seien und nicht mehr aus- eine Auftragsvergabe gestellt, zum Beispiel Mindestlöhne? reichend zur Verfügung stehen, dann erinnere ich daran, dass gerade die FDP immer dafür eintritt, das komplizierte (Abg. Martin Haller, SPD: Das ist doch Steuerrecht zu vereinfachen. Vielleicht sollte die FDP mit bekannt! Das ist peinlich!) ihren Koalitionspartnern einmal ein Wort reden und auf eine bundesweite Reform des Steuerrechts drängen; Welche Sanktionsmaßnahmen greifen, um die Durchset- zung von Sicherheit zu gewährleisten im Umgang mit (Abg. Martin Haller, SPD: Das ist ein persönlichen Daten aus einem besonders sensiblen Be- unerträglicher Mischmasch, den Sie hier reich? – abliefern! Das ist grauenvoll!)

(Beifall der AfD – denn eine Lösung des Problems sollte in diese Richtung Abg. Martin Haller, SPD: Das lässt sich gehen. Einfaches Steuerrecht gleich weniger Nachfragen alles nachlesen! Dafür gibt es von Bürgern, weniger Personalbedarf, weniger Ausgaben, Gesetzesgrundlagen!) keine Notwendigkeit, Mitarbeiter von Fremdfirmen zu Dum- pinglöhnen zu beschäftigen, weniger Risiko für den Daten- Ich bin sicher, die Regierung kann belegen, wie sie vorge- schutz. gangen ist. Vielen Dank. Die Frage des Datenschutzes ist der eine Aspekt des Pro- blems. Der andere sind das Beschäftigungsverhältnis und (Beifall der AfD) die Löhne der Mitarbeiter von Fremdfirmen. Dieser Aspekt wirft ein bezeichnendes Licht auf die Landesregierung. Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Finanzbeamte sind gut ausgebildete Personen, die ihr Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Willius-Senzer. Handwerk verstehen und dafür auch entsprechendes Geld erhalten müssen. Mit der Auslagerung der Telefonzentra- len hat das Land hingegen Geld sparen wollen. Pressebe- Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: richten zufolge haben die Mitarbeiter nicht einmal einen Stundensatz von 10 Euro erhalten. Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Steuerrecht hat das zunächst einmal nichts zu tun. (Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Unglaublich!) Die Landespresse hat in der vergangenen Woche über die Wie aber können sich die Politiker der Regierungskoalition Telefondienste der rheinland-pfälzischen Finanzämter be- hinstellen und sagen, dass sich die Arbeit wieder lohnen richtet und die Vergabe an Fremdfirmen bemängelt. Auch muss, die CDU bezeichnet den Einsatz von Fremdfirmen im Titel

2567 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 der Aktuellen Debatte als fragwürdig. Dem können wir uns Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: nicht anschließen. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Kollege Köbler. An der Tatsache an sich ist grundsätzlich nur schwerlich etwas auszusetzen, und das Vorgehen kann schon gar nicht als fraglich bezeichnet werden. Die Auslagerung von Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dienstleistungen an professionelle Drittanbieter ist per se nicht kritisch zu bewerten. Im Gegenteil, es ist sogar zu Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, begrüßen, wenn die Landesregierung vorhandene Spar- liebe Kolleginnen und Kollegen! Um vorneweg klarzustel- potenziale identifiziert und nutzt. len: Wir stehen – das gilt für meine Fraktion, aber das gilt auch für diese Landesregierung – seit vielen Jahren für (Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU) gute Arbeitsbedingungen, für faire Arbeitsbedingungen.

Frau Dr. Köbberling hat aus dem Bericht des Rechnungs- (Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU) hofs schon vorgetragen. Also kann man dagegen zunächst einmal nichts sagen. Wir haben uns in den vergangenen Jahren auch ganz konkret und real politisch für Verbesserungen der Arbeits- bedingungen in diesem Land eingesetzt, wenn es darum Gerade durch die Auslagerung von Dienstleistungen ent- ging, den Mindestlohn einzuführen, und wenn es um die stehen Synergieeffekte, womit Verwaltungsaufwand redu- Tariftreue ging. Ich nenne das Tariftreuegesetz des Landes ziert werden kann. als Beispiel. (Abg. Julia Klöckner, CDU: Wenn das jeder so sieht!) (Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU)

Die frei gewordenen Mittel können sicher an anderer Stelle Wir haben uns auch immer dafür eingesetzt, dass das sinnvoll eingesetzt werden. Das alles lässt sich wohl kaum Prinzip gelten muss, gleicher Lohn für gleiche Arbeit. kritisieren. Ja – auch das ist unser Anspruch –, hier hat das Land eine ganz besondere Vorbildfunktion. Das findet sich auch im Allerdings – das möchte ich betonen – müssen solche Koalitionsvertrag wieder. Es ist und bleibt unser Anspruch, Vergaben immer gemäß der arbeitsrechtlichen Richtlinien dass wir uns als Land dafür einsetzen, dass es gute Ar- für die betroffenen Arbeitnehmer vertraglich ausgestaltet beitsbedingungen im ganzen Land gibt und das Land ein sein, und die arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften nach guter Arbeitgeber ist und es auch bleiben wird. dem Tariftreuegesetz müssen Anwendung finden. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ähnliches gilt für den Datenschutz. Gerade im Umgang mit der SPD und der FDP) persönlichen Daten, der Einkommenssituation und dem Steuergeheimnis handelt es sich um solch sensible Daten. In der Regel ist das auch der Fall. Im Landeshaushalt ha- Die müssen besonders hohen datenschutzrechtlichen Vor- ben wir aber 95.000 Vollzeitäquivalentstellen, das heißt, gaben unterliegen, die gelten müssen; denn der Schutz weit über 100.000 Beschäftigte, denen das Land als Arbeit- des Steuergeheimnisses ist unbedingt zu gewährleisten geber vorsteht. Es ist nun einmal so – das ist bedauerlich, und ist nicht diskutierbar. aber das ist nun einmal so –, dass wir bei einer solchen Fülle von Arbeitsplätzen, die das Land anbietet, immer Daher ist bei der Kommunikation zwischen Bürgerinnen wieder Einzelfälle haben, bei denen wir schauen müssen, und Bürgern und den externen Dienstleistern im Rahmen ob wir dem Anspruch auch wirklich gerecht werden. Die behördlicher Vorgänge sicherzustellen, dass diese Prozes- Mitglieder des Petitionsausschusses können sich an ande- se einer besonderen Schutzbedürftigkeit unterliegen und re Fälle ganz aktuell erinnern, zu denen wir auch solche dementsprechend auch kontrolliert werden. Diskussionen geführt haben. Wir reden jetzt über elf Fälle innerhalb der über 100.000 Beschäftigten. Das Finanzministerium hat nach Bekanntwerden der Vor- fälle umgehend reagiert und in dieser Angelegenheit eine Ich halte es für richtig, und es ist genau der richtige Weg, umfassende Prüfung zugesagt. Dieses Vorgehen sorgt dass in dem Moment, in dem das Ganze öffentlich gewor- für Transparenz. Frau Ministerin, wir begrüßen den Schritt den ist, in dem das Ganze in die Diskussion gekommen ist, ausdrücklich. das Finanzministerium unmittelbar angekündigt hat, dieser Sache nachzugehen und zu schauen, was sozusagen an den Vorwürfen dran ist. Kann man da an der einen oder Es steht für uns außer Frage, dass die Landesregierung im anderen Stelle seinem Anspruch noch besser gerecht wer- Interesse der Bürgerinnen und Bürger der Angelegenheit den? Was ist aber von den Vorwürfen nicht gerechtfertigt? mit äußerster Sorgfalt nachgeht, um sicherzustellen, dass dieser hochsensible Bereich weiterhin vor Missbrauch ge- Ich finde, es ist genau die Verantwortung, die man als Ar- schützt wird. beitgeber gegenüber dem Land hat, zu sagen, wir haben unsere Ansprüche. Wenn es Hinweise gibt, dass man mög- Ich danke Ihnen. licherweise an der einen oder anderen Stelle im Einzelfall (Beifall der FDP, der SPD und des diesen Ansprüchen nicht gerecht wird, muss gehandelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und nicht gesagt werden, das kann alles nicht sein, weil

2568 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 wir etwas anderes im Regierungsprogramm stehen ha- Herzlichen Dank. ben. Nein, es gehört zu einer verantwortlichen Arbeit, dem genau nachzugehen und genau hinzuschauen, wie die (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Situation ist. Deswegen danke ich dem Finanzministerium, der SPD und der FDP) dass es das angekündigt hat und den Fragen nachgeht. Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Ich will Ihnen aber auch als Finanzpolitiker ganz deutlich sagen: Wir sind auch der verfassungsrechtlichen Schulden- Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Ahnen. bremse verpflichtet. Das mag einem nicht immer gefallen, aber wir wissen alle, wenn wir die Schuldenbremse umset- Doris Ahnen, Ministerin der Finanzen: zen wollen, dann kommen wir am Personalbereich nicht vorbei. Jeder, der anderes behauptet, schenkt den Bürge- Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! rinnen und Bürgern und auch den Arbeitnehmerinnen und Lassen Sie mich zunächst noch einmal zum Ausgangs- Arbeitnehmern keinen reinen Wein ein. punkt zurückkommen. Um was geht es eigentlich?

Frau Dr. Köbberling hat es ausgeführt, es wird eine Praxis Wir haben im Bereich der Telefonvermittlung bei den Fi- verfolgt, die in einem Rechnungshofbericht vorgezeichnet nanzämtern auch Verträge mit externen Dienstleistern. Ins- und empfohlen worden ist. gesamt handelt es sich um 13 Arbeitsplätze bei übrigens alles in allem rund 5.000 Arbeitsplätzen in der rheinland- (Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU) pfälzischen Steuerverwaltung. Die betreffenden Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter leiten Anrufe, die unter der zentra- Lassen Sie mich auch aufgrund anderer Diskussionen und len Telefonnummer des jeweiligen Finanzamtes eingehen, Empfehlungen des Rechnungshofs sagen: Hier wird ein- an die zuständige Sachbearbeiterin bzw. den zuständigen mal mehr deutlich, dass uns der Rechnungshof wertvolle Sachbearbeiter weiter. Teilweise sind diese Aufgaben auch Hinweise gibt, wo wir gegebenenfalls Dinge effizienter und mit dem Pfortendienst verbunden. In einem Fall ist die Wei- besser machen können. Der Rechnungshof ersetzt aber terleitung von E-Mails aus dem allgemeinen Postfach des nicht, dass wir die Dinge auch immer aus verschiedenen betreffenden Finanzamtes vertraglich vergeben, und zwar Blickwinkeln beleuchten müssen. nicht an eine Firma, die diese Mails weiterleitet, sondern ein externer Dienstleister stellt eine Mitarbeiterin, der diese Ich sage es noch einmal, es darf bei allen Anstrengungen Aufgabe übertragen ist. So viel Korrektheit im Sachverhalt für die Schuldenbremse nicht dazu kommen, dass wir im muss schon sein, damit man das vernünftig einordnen Land Rheinland-Pfalz Lohndumping machen, indem wir kann. auf der einen Seite Stellen abbauen und auf der anderen Ich will ein Zweites sagen. Die zugrundeliegenden Ent- Seite zu niedrigeren Tarifen für die gleiche Aufgabe private scheidungen zur externen Vergabe wurden im Wesentli- Unternehmen einsetzen. Das ist nicht unser Ziel. Das kann chen in den Jahren 2004 bis 2011 getroffen. Warum sage nicht unser Ziel sein. Das müssen wir an anderer Stelle ich das noch einmal? Man muss sich vielleicht die Debatte auch sagen dürfen. Ich bitte die CDU, das an anderer Stel- von damals noch einmal vor Augen führen. Frau Dr. Köb- le zu sagen, wenn der Rechnungshof oder andere solche berling hat das mit dem Verweis auf den Rechnungshof Vorschläge machen. Da darf man nicht sagen, da habt ihr getan. Diese Debatte in der Öffentlichkeit ist sehr stark nicht genug gespart, wie es der Rechnungshof gesagt hat, geprägt von dem schlanken Staat, der Aufgabenkritik, Kon- ihr hättet auch fremd vergeben können. zentration auf die Kernbereiche des staatlichen Handelns (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und Wirtschaftlichkeit staatlicher Aufgabenerledigung. der SPD und der FDP) (Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU) Ich sage noch ein letztes Wort zum Thema Datensicherheit. Das sind alles vordringliche Anforderungen in diesen Jah- Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Es ist ein ren in besonderer Art und Weise gewesen, die auf die Unterschied, ob jemand Pfortendienste und Telefondienste öffentlichen Verwaltungen auf allen Ebenen – – – haptisch macht, indem eine Weitervermittlung stattfindet, oder ob Informationen und Daten fließen. Es gibt eine zen- (Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU) trale Informationshotline des Landes Rheinland-Pfalz für Steuerfragen, die mit Landesbeamten besetzt ist. Natür- – Herr Baldauf, Sie erfahren vielleicht noch vieles, was lich kann es sein, dass ein Bürger einmal anruft, an einem eventuell auch für Sie wichtig ist zu wissen. Pfortendienst landet und denkt, er ist vielleicht woanders. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, den Bericht des Ich denke, wir müssen gemeinsam mit dem Landesda- Rechnungshofs aus dem Jahr 2006 zu zitieren. Im Be- tenschutzbeauftragten genau hinschauen, ob es die mit richt des Rechnungshofs werden wir ausdrücklich – es Einzelfällen skizzierten Schwachstellen gibt. geht konkret um das, was heute beim Landesamt für Steu- ern angesiedelt ist – aufgefordert, dass die Aufgaben der (Glocke der Präsidentin) Hilfsdienste – ich zitiere – für eine Übertragung auf priva- te Unternehmen besonders geeignet seien. Wir werden Ich denke, das wird gemacht. Das wird unserem Auftrag ge- aufgefordert, das zu überprüfen. Der Rechnungshof sagt recht, für den maximalen Schutz der Daten der rheinland- ausdrücklich, das habt ihr noch nicht erledigt. Das ist der pfälzischen Steuerzahlerinnen und -zahler zu sorgen. Bericht des Rechnungshofs aus dem Jahr 2006. Mir war es

2569 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 wichtig, an die Zusammenhänge der damaligen Debatte desamtes für Steuern grundsätzlich gilt, dass in Fällen, zu erinnern. in denen im Bereich der Telefonvermittlung ein Vertrag mit einem externen Dienstleister abgeschlossen wurde, Herr Abgeordneter Schreiner, nehmen Sie es mir nicht den betreffenden externen Beschäftigten regelmäßig nur übel, Ihr Kampf gegen diese Linie ist mir verborgen geblie- ein sehr restriktiver Zugriff auf elektronische Daten ein- ben. geräumt wurde. Zudem sollen die externen Beschäftigten vertraglich zur Verschwiegenheit beziehungsweise auf das (Zuruf des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS Steuergeheimnis verpflichtet werden. 90/DIE GRÜNEN) Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bekomme Im Übrigen ist mir auch verborgen geblieben, dass Sie das eine oder andere Schreiben als Finanzministerin, in Initiativen ergriffen haben, die sich um die Arbeitsbedin- dem sich Steuerbürgerinnen und -bürger beschweren. Es gungen von Beschäftigten bei externen Dienstleistern küm- hat sich bei mir noch niemand darüber beschwert, dass er mern. Wir haben hier über Tariftreue diskutiert. Wir haben den Eindruck hatte, dass mit dem Steuergeheimnis nicht uns um den Mindestlohn gekümmert. Wir treten für gute verantwortlich umgegangen worden ist. Tarifverträge ein. Ihr Redebeitrag heute ist wirklich wohlfeil, den hätte ich mir an anderer Stelle gewünscht. (Abg. Julia Klöckner, CDU: Landestransparenzgesetz! Der Schuss (Beifall der SPD, der FDP und des ging nach hinten los! – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Christine Schneider, CDU) Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Fragen Ich sage dazu, die Landesregierung nimmt für sich in An- aufgeworfen werden, muss man die beantworten und klä- spruch, solche Fragen immer sehr sorgfältig abzuwägen. ren. Man muss immer wieder sorgfältig abwägen, welche Im Kontext ist auf vermeintliche Sparvorgaben des Finanz- Dienstleistungen man extern vergibt. Die Landesregierung ministeriums hingewiesen worden. Auch diese Aussage tut das. bezieht sich auf die Jahre 2004 bis 2010, wo es damals tatsächlich so war, dass sowohl die Sachkosten als auch Man muss sicher organisatorische Vorkehrungen treffen, die Personalkosten unter sehr restriktiven Vorgaben stan- damit die rechtlichen Rahmenbedingungen vollumfänglich den und ohne Einwilligung des Finanzministeriums keine eingehalten werden. Ich sage auch, mir missfällt es, wenn Beschäftigten eingestellt werden konnten. Ich sage noch ein Generalverdacht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einmal, es geht um 2004 bis 2010. von Fremdfirmen ausgesprochen wird.

Mir ist es für die, die es damals gemacht haben, wichtig (Beifall der SPD, der FDP und des zu sagen, auch damals hat man darauf geachtet, dass es BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Rahmenbedingungen gibt, unter denen das vertretbar ist. So hatte die damalige Oberfinanzdirektion Koblenz, die Ich finde, dafür gibt es keine Veranlassung. Auch diese Mit- zuständig war, in ihre Vertragsbedingungen für Leistungen arbeiterinnen und Mitarbeiter – Sie müssen nicht so weit 2010 explizit die Verpflichtung aufgenommen, dass der Auf- schauen, wo Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Fremdfir- tragnehmer nur Arbeitskräfte einsetzt, die uneingeschränkt men eingesetzt werden – haben einen hohen Arbeitsethos. der Sozialversicherungspflicht unterliegen, dass zudem Die machen seit vielen Jahren diese Arbeit gut. die arbeits- und tarifrechtlichen Vorschriften eingehalten werden und selbstverständlich auch die arbeitsschutzrecht- (Zurufe der Abg. Dr. Adolf Weiland, Julia lichen Bestimmungen. Klöckner, Alexander Licht und Gerd Schreiner, CDU) Es ist zu berücksichtigen, dass die Auslagerung von Aufga- ben nach dem Landespersonalvertretungsgesetz zustim- Es ist mir wichtig, dies an dieser Stelle festzuhalten. mungspflichtig ist. (Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine sehr geehrten Damen und Herren, die konkrete Ent- scheidung – darauf ist hingewiesen worden – liegt bei den – Ja, Herr Weiland, ja, Herr Schreiner, ja, Herr Licht, das einzelnen Finanzämtern. Es gilt im Übrigen auch für die ärgert Sie alles furchtbar. Hier viele Vorwürfe pauschal zu Sicherstellung des Datenschutzes und die Wahrung des erheben und sich nicht mit der konkreten Situation ausein- Steuergeheimnisses. Ich will an dieser Stelle sagen, die anderzusetzen, das geht nicht. Finanzverwaltung in Rheinland-Pfalz hat bundesweit einen exzellenten Ruf. Sie macht eine gute Arbeit. Sie hat eine (Zuruf des Abg. Gerd Schreiner, CDU) hohe Sensibilität für den Umgang mit Daten von Steuer- bürgerinnen und -bürgern. Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt komme ich zum Kümmern. (Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Abg. Dr. Adolf Weiland: Machen Sie mal ihre Arbeit anständig!) Ich finde es unverantwortlich, wenn das infrage gestellt wird. Gerade weil es um einen sehr sensiblen Bereich geht, hat das Finanzministerium auch vor dem Hintergrund der Be- Ich darf darauf hinweisen, dass nach Angaben des Lan- richterstattung der letzten Tage das Landesamt für Steuern

2570 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 gebeten – das ist die Mittelbehörde, die für die Finanzäm- Am schlimmsten fand ich ehrlich gesagt das, was Sie ge- ter zuständig ist –, die bisherige Praxis mit Blick auf die sagt haben, Frau Kollegin Köbberling. Schuld sind die zukünftige Ausrichtung der Steuerverwaltung zu überprü- Finanzämter, klar, die Finanzämter sind schuld, das hat fen. nichts mit der Regierung zu tun. Schuld ist vor allen Dingen der Rechnungshof. Wissen Sie, das ist eine Unverschämt- (Abg. Christian Baldauf, CDU: Oh! – heit, dem Rechnungshof zu unterstellen, Zuruf der Abg. Schneider, CDU) (Beifall der CDU und vereinzelt bei der AfD) Wir haben daher das Landesamt ganz konkret gebeten, die Auslagerung von Dienstleistungen im Bereich der Fi- er habe die Finanzämter, das Finanzministerium oder die nanzämter nach den Kriterien der Funktionalität, der Wirt- Politik aufgefordert, steuersensible Daten an outgesourcte schaftlichkeit und der Serviceorientierung zu überprüfen. Dienstleister weiterzugeben. Das ist eine Unverschämtheit. Dabei ist im Übrigen auch zu berücksichtigen, dass wir in Das hat der Rechnungshof nicht getan. den Haushaltsberatungen Vorsorge dafür getroffen haben, dass bei den Finanzämtern eine neue Telefonanlage an- (Beifall der CDU – geschafft wird. Auch daraus können sich organisatorische Zuruf des Abg. Jochen Hartloff, SPD) Veränderungen ergeben. Ich sage ausdrücklich, ich freue mich über die Offenheit. (Abg. Dr. Adolf Weiland: Warum haben Sie Ich freue mich über die Ehrlichkeit von Herrn Staatssekre- das gemacht? – tär Weinberg im SWR-Interview. Abg. Christine Schneider, CDU: Warum? – Zurufe der Abg. Alexander Licht und Julia (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Seien Klöckner, CDU) Sie mal ehrlich, Sie haben der Frau Kollegin etwas unterstellt, was sie nicht gesagt hat!) Eines füge ich hinzu. Wir haben die Überprüfung in die Wege geleitet. Besonders wichtig ist mir, bei allen diesbe- Es geht darum, billiger zu sein. Das ist natürlich die Wahr- züglichen Überlegungen immer auch die Interessen aller heit, eine prekäre Beschäftigung für 9 Euro in der Stunde Bediensteten mit im Blick zu haben. ist billiger als eine Beschäftigung beim Land mit 14 Euro in der Stunde. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall der CDU und bei der AfD) (Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist jetzt peinlich für sie. Das ist echt peinlich.

Sie können sich nicht mehr darauf herausreden, am 1. Mai Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: die schönen Reden zu halten. Sie müssen konkret werden. Durch die verlängerte Redezeit der Landesregierung steht Sie müssen 365 Tage im Jahr konkret sein. allen Rednern eine verlängerte Redezeit von zwei Minuten zur Verfügung. Herr Schreiner, das heißt, Sie haben vier (Beifall der CDU und bei der AfD) Minuten. Seien Sie doch bitte einmal konkret bei den Leuten, die 9 bis 14 Euro verdienen. Das ist ihre Rolle als Sozialdemo- Abg. Gerd Schreiner, CDU: kratie, für diese Menschen einzustehen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Her- (Zuruf der Abg. Dr. Tanja Machalet, SPD) ren! Ich glaube, das ist Ihnen von der roten Ampel jetzt ganz schön peinlich. Es ist interessant zu sehen, wie un- Es reicht nicht, sich am 1. Mai neben Dietmar Muscheid terschiedlich die Redner der unterschiedlichen Fraktionen vom DGB zu stellen und zu sagen, wir bemühen uns um geredet und gesprochen haben. Tariftreue, und es dann selbst, wo immer es möglich ist, so zu praktizieren, dass man möglichst billig herauskommt, Herr Köbler spricht von den fairen Arbeitsbedingungen, die möglichst mit Wachfirmen und deren Tarifverträgen arbei- ihm wichtig sind, dass es kein Lohndumping in Rheinland- tet und die Menschen nicht beim Land beschäftigt. Das Pfalz gebe. Sehr gut. gilt insbesondere dann, wenn es um steuersensible Daten geht. Ich sage das noch einmal. Sie reden am 1. Mai über faire Arbeitsbedingungen in Rheinland-Pfalz. An 364 Tagen im Jahr decken Sie Lohn- (Beifall der CDU und vereinzelt bei der AfD) dumping in den Finanzämtern. Das ist die Wahrheit. Liebe Frau Ministerpräsidentin, ich freue mich auf Sie und (Beifall der CDU und bei der AfD – Dietmar Muscheid, wenn Sie am 1. Mai gemeinsam auftre- Zuruf der Staatsministerin Doris Ahnen) ten; denn er hat heute in der Presse gesagt – Zitat, Frau Herr Köbler, es ist interessant, was im Gegensatz dazu Ihre Ministerpräsidentin –, es passt nicht zusammen, einerseits Kollegin von der FDP gesagt hat. Sie hat gesagt, bei Tele- für faire Löhne einzutreten und andererseits Arbeiten an fonistinnen kann man gut sparen. Das wäre im Zweifelsfall schlecht zahlende Firmen auszulagern, um Geld einzuspa- auch gut für den Landeshaushalt. Das ist eine interessante ren. So weit der DGB-Vorsitzende. Differenz der Schwerpunktsetzung zwischen den beiden (Beifall der CDU – Koalitionsfraktionen. Abg. Julia Klöckner, CDU: Alles Show!)

2571 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017

Sollte sich dies als gelebte Praxis der Landesregierung rung Aufgaben ausgelagert. herausstellen, dann macht sie sich unglaubwürdig. Inter- essant! (Abg. Julia Klöckner, CDU: Jetzt wird es peinlich! – (Beifall der CDU) Abg. Christine Schneider, CDU: Jetzt wird es aber peinlich! Aber richtig peinlich! – Wenn die Landesregierung so wirtschaftet – so Dietmar Weitere Zurufe aus dem Hause – Muscheid –, dann spart sie am falschen Ende, nämlich an Glocke der Präsidentin) den Menschen, die für sie arbeiten, und an ihren Familien; sehr zu Recht. Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: (Beifall der CDU) Ein bisschen mehr Ruhe im Saal! Frau Dr. Köbberling hat das Wort. Wissen Sie, wenn ich dann „die Schuldenbremse“ höre, die wir – richtig – gemeinsam beschlossen haben, wir bei 13 Telefonistinnen maximal 5 Euro pro Stunde sparen, Abg. Dr. Anna Köbberling, SPD: (Abg. Julia Klöckner, CDU: Aber am Hahn Aufgabenauslagerung per se ist nichts Schlimmes. mehrere Tausend für Berater! – Zuruf der Ministerpräsidentin Malu Dreyer) (Abg. Christian Baldauf, CDU: Wenn Sie das am 1. Mai erzählen!) aber an anderer Stelle, wenn es darum geht, Zusatzrenten für Altstaatssekretäre zu zahlen, Es kommt darauf an, welche Aufgaben und zu welchen Bedingungen sie ausgelagert werden. (Glocke der Vizepräsidentin) (Zurufe von der CDU) dann das Geld ausgeben, wäre mir das peinlich. Es muss sich um klar definierte Aufgaben handeln und (Starker Beifall der CDU und der AfD – nicht um Arbeitsplätze, die fremdvergeben werden. Zurufe aus dem Hause) (Abg. Christian Baldauf, CDU: Die sind doch an Arbeitsplätze gekoppelt!) Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Für die SPD-Fraktion spricht Frau Dr. Köbberling. Mit anderen Worten, es werden Arbeitsplätze mit bestimm- ten, klar definierten Aufgaben neu zugeschnitten, (Unruhe im Hause) (Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU)

Abg. Dr. Anna Köbberling, SPD: in diesem Fall Bewachung und Telefondienst. Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Kalte Lieber Herr Kollege Schreiner, ich habe das Wort „Schuld“ Technokratie!) überhaupt nicht in den Mund genommen. Es handelt sich überhaupt nicht darum, die Aufgaben von (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist Finanzbeamten an Fremdfirmen zu geben, sondern es es!) werden der Telefondienst – die Aufgabe der Telefonvermitt- lung – Es geht hier im Wesentlichen um zwei Fragen, die ver- nünftig auseinandergehalten werden müssen. Die erste (Zuruf aus dem Hause: Das ist lächerlich!) Frage ist: Darf eine Landesregierung oder ein Finanzamt bestimmte Aufgaben auslagern? Die klare Antwort darauf und die Aufgabe der Bewachung in einem neuen Arbeits- lautet: Ja. platz zugeschnitten und fremdvergeben. (Abg. Julia Klöckner, CDU: Das ist doch gar nicht die Frage!) Selbstverständlich ist für uns ungeheuer wichtig, dass dies zu guten und fairen Arbeitsbedingungen geschieht. Dafür Wir werden dazu vom Rechnungshof aufgefordert, aber es steht diese Landesregierung schon immer, und das wird kann durchaus auch aus Eigeninteresse passieren, viel- sich auch kein bisschen ändern. leicht weil man die Aufgaben nicht erledigen kann oder (Beifall der SPD, der FDP und des sie nicht erledigen möchte. Zum Beispiel ist es gängige BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Praxis, dass die Staatskanzlei mit Gärtneraufgaben oder Abg. Julia Klöckner, CDU: Ja, klar! Super! – dem Stühlerücken und Zurechtmachen des Festsaals die Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Glauben Sie!) Werkstätten für Behinderte beauftragt. Auch dorthin wer- den Ausgaben ausgelagert. Dritter Punkt: Selbstverständlich muss das zu guten Löh- nen stattfinden, nämlich zu Tariflöhnen. (Zurufe von CDU und AfD) (Abg. Christian Baldauf, CDU: Dann zeigen Es werden also an vielen Stellen in dieser Landesregie- Sie uns mal die Arbeitsverträge!)

2572 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017

Dafür gibt es das Landestariftreuegesetz, auf dessen Ein- (Abg. Christian Baldauf, CDU: 13 Leute, haltung besonders ordentlich geachtet wird. In diesem das sind die FDP- und die konkreten Fall – das möchte ich ganz klar sagen – handelt Grünen-Fraktion! – es sich nicht um Lohndumping, sondern um Tariflöhne. Es Zuruf aus dem Hause: Oje, oje, oje! – handelt sich auch nicht um prekäre Beschäftigung. Prekä- Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Wer in re Beschäftigung ist etwas vollkommen anderes. Frankenthal im Stadtrat so gescheitert ist wie Sie, Herr Baldauf, muss doch jetzt hier (Abg. Julia Klöckner, CDU: Ah! Schön, dass mal so kleine Brötchen backen, aber Sie darauf nochmal zurückkommen!) wirklich! Unmöglich! – Weitere Zurufe aus dem Hause – Glocke der Präsidentin) Das war die erste Frage: Darf eine Landesregierung Tätig- keiten auslagern? – Herr Köbler, Sie haben das Wort. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen jetzt um Ruhe! (Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Beifall von der SPD-Fraktion! – (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Heiterkeit bei der CDU – Helmut-Kohl-Platz in Frankenthal! Sie sind Zurufe der Abg. Julia Klöckner und des Abg. schuld daran, dass es keinen Gerd Schreiner, CDU) Alternativvorschlag gibt! – Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU – Weitere Zurufe aus dem Hause – Jetzt kommen wir zur zweiten Frage: Darf das Steuerge- Glocke der Präsidentin) heimnis verletzt werden? – Genauso klar, wie ich vorhin mit Ja geantwortet habe, sage ich hier selbstverständlich: – Wir reden jetzt nicht über den Helmut-Kohl-Platz in Fran- Nein, natürlich darf das Steuergeheimnis auf keinen Fall kenthal, sondern Herr Köbler spricht zum Thema Finan- verletzt werden. Es darf noch nicht einmal in die Gefahr zämter! einer Verletzung geraten. – (Zurufe aus dem Hause) (Zuruf aus dem Hause: Oh!) – Würden Sie bitte jetzt ruhig sein! Das ist genauso eindeutig.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Das ist wie Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: bei der Steuer-CD!) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann diese Diskussion gleich noch einmal aufgreifen. Eigent- lich ist den Ausführungen des neuen Arbeiterführers Gerd Wenn das passiert sein sollte – was wir noch gar nicht Schreiner nichts mehr hinzuzufügen. wissen –, dann muss das natürlich mit aller Deutlichkeit und dreifacher Sicherung für die Zukunft abgestellt werden. (Beifall der CDU und der AfD – Das ist doch vollkommen selbstverständlich. Die Finanzmi- Heiterkeit bei der SPD) nisterin hat darauf hingewiesen, dass die Steuerbehörden beauftragt wurden, die 13 Arbeitsplätze genau darauf zu Als Gewerkschafter geht einem das Herz auf, wie er sich kontrollieren, unter welchen Bedingungen dort gearbeitet gegen die Privatisierung sämtlicher bisher staatlicher Auf- wird und ob dort die Gefahr besteht, dass das Steuerge- gaben ausgesprochen hat, für möglichst hohe Mindest- heimnis verletzt werden könnte. löhne, für gute Tarife. Es ist wirklich bemerkenswert, wie die CDU-Landtagsfraktion jetzt das Thema gute Arbeit in Rheinland-Pfalz vorantreibt. Bedauerlich, dass Sie das erst Wenn auch nur die Gefahr besteht, dann wird das selbst seit einer Woche tun, seitdem der SWR entsprechende verständlich in Zukunft verändert werden. Diese Überprü- Berichte über den Telefondienst bei unseren Finanzämtern fung wird also stattfinden, und daran gibt es überhaupt veröffentlicht hat. nichts zu rütteln. Es darf keinerlei Gefahr für das Steuer- geheimnis bestehen. (Zurufe der Abg. Julia Klöckner und Gerd Schreiner, CDU)

Vielen Dank. Wir würden uns das gleiche Engagement auch in der Zu- kunft wünschen, zum Beispiel wenn es um die Frage geht, (Beifall der SPD, der FDP und des was mit Personalstandards ist, und wenn es darum geht, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Behinderte in den Werkstätten für Behinderte in den Ar- beitsmarkt zu bringen. Wie sind denn Empfehlungen zu se- hen, wenn es darum geht, weitere staatliche Aufgaben zu privatisieren? Da waren Sie in der CDU-Landtagsfraktion Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: bisher nicht ganz vorn, hier zu sagen, nein, es müssen voll sozialversicherungspflichtige, am besten noch Beam- Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich tenstellen beim Staat bleiben, nichts darf fremdvergeben Herrn Köbler das Wort. werden.

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Wir sind wirklich gespannt auf die Auseinandersetzung, Eine zukunftsweisende Wirtschaftspolitik für auch in der Rechnungsprüfungskommission und zum Rheinland-Pfalz nächsten Doppelhaushalt, wie Sie dann dafür eintreten Antrag der Fraktion der CDU und gemeinsam mit dem DGB-Vorsitzenden um jede Stel- – Drucksache 17/4148– le kämpfen. Darauf freuen wir uns wirklich, Herr Schreiner. Daran werde ich Sie erinnern. dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft Weil es hier gerade um ging, und Verkehr – Drucksache 17/4399– (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Der Helmut-Kohl-Platz!) Starker Mittelstand, erfolgreiche Industrie, nachhaltiges Wachstum – Grundlagen unseres in dem kleinen pfälzischen Dialog, bevor ich meinen Rede- Wohlstandes beitrag anfing: Ich habe – das ist ganz interessant – einmal Antrag (Alternativantrag) der Fraktionen der SPD, FDP geschaut, was die CDU in der Vergangenheit zu dem The- und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ma beizutragen hatte. Es war nicht besonders viel, aber es – Drucksache 17/4454– war ganz spannend. Das letzte, was ich gefunden habe, war eine Große Anfrage der CDU-Landtagsfraktion. Jetzt Die Fraktionen habe eine Grundredezeit von fünf Minuten komme ich auch in die Zeiten von Helmut Kohl, ins Jahr vereinbart. Ich darf Sie kurz über das bisherige Ausschuss- 1975. verfahren informieren. (Abg. Julia Klöckner, CDU: Oooch, süß!) Der Antrag der Fraktion der CDU wurde in der 41. Sit- zung des Plenums am 21. September diskutiert und aus- Damals hat die CDU-Fraktion die CDU-geführte Landes- gesprochen. Es hat eine Ausschussüberweisung an den regierung explizit in einer Großen Anfrage auf mehreren Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr stattgefunden. Der Dutzend Seiten unter dem Titel „Entstaatlichung öffentli- Ausschuss hat den Antrag beraten. Er empfiehlt die Ableh- cher Aufgaben“ des Landes Rheinland-Pfalz gefragt, nung des Antrags. (Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU) Ich darf zunächst der antragstellenden Fraktion das Wort erteilen. Für die CDU-Fraktion spricht Christian Baldauf. wo man sukzessiv staatliche Aufgaben in private Hand Bitte schön. geben kann. Ich will sie jetzt nicht mit Ihren Positionen von 1975 konfrontieren, Abg. Christian Baldauf, CDU: (Zurufe von der AfD) Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! aber interessant ist, dass ich bis vergangene Woche bei Ich hoffe jetzt nicht, dass wir nach der Mittagspause zu Ihnen keine Weiterentwicklung dieser Position gefunden früh sind, sondern dass tatsächlich Sie, Frau Höfken, für habe. die Landesregierung nachher antworten werden.

Herzlichen Dank. (Staatsministerin Ulrike Höfken ist die einzige Vertreterin der Landesregierung auf (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Regierungsbank – der SPD und der FDP) Staatsministerin Ulrike Höfken: Das ist eine ganz neue Aufgabe!)

Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: – Multitaskingfähig sollte die Landesregierung schon sein. Für die Besucher am Rande, Frau Höfken ist nicht die Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sehe keine weitere Wirtschaftsministerin, aber ich rede jetzt ein bisschen zur Wortmeldung. Damit treten wir in die Mittagspause ein. Wirtschaft. Das gibt eine Fast-Food-Mittagspause, da ich vorschlage, um 14:30 Uhr die Beratungen fortzusetzen. Ich möchte Sie (Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS außerdem einladen, zur Grippeschutzimpfung zu kommen. 90/DIE GRÜNEN: Noch nicht! – Zuruf des Abg. Michael Hüttner, SPD) Unterbrechung der Sitzung: 13:39 Uhr – Herr Kollege, die Kompetenz werden wir dann nachher Wiederbeginn der Sitzung 14:30 Uhr bei ihrer Rede hören. (Abg. Michael Hüttner, SPD: Ich rede ja gar Vizepräsident Hans-Josef Bracht: nicht!) Meine sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen – Ich rede ja nicht von Ihnen, sondern vor der sehr geehr- und Kollegen! Ich darf die Plenarsitzung wieder eröffnen. ten Ministerin Höfken. Jetzt kommen wir einmal zur Sache, Ich hoffe, Sie haben sich alle in der kurzen Mittagspause meine sehr geehrten Damen und Herren. Die Grundlage gut stärken können. für diesen Antrag war, wir haben uns im Sommer vor Ort in den mittelständischen Betrieben mit den Industrie- und Wir kommen zu Punkt 10 der Tagesordnung: Handelskammern und den Handwerkskammern getroffen

2574 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 und uns unterhalten. Wir haben mit vielen in unserem Land Wir haben deshalb in dem Antrag gefordert, dass es zu- gesprochen und festgestellt – und das zeigen auch heute, sätzliche Stellen vor allem fachspezifisch zur Abdeckung diese Lektüre empfehle ich jedem dringend, die statisti- der Berufsbereiche, die in den berufsbildenden Schulen schen Analysen der Vergleiche der Bundesländer –, dass jeweils unterrichtet werden, geben muss. doch noch sehr viel im Wirtschaftsbereich im Argen liegt. Wir haben des Weiteren gefordert, dass man dort, wo es Nur einmal als Beispiel benannt: Wir liegen mit dem Brut- auch Realschulen plus gibt, sehr genau darauf achten toinlandsprodukt preisbereinigt nur auf Platz 11, und auch muss, wieweit man in unmittelbarer Nähe zu einer Berufs- der Anteil der Beschäftigten mit Hochschulabschluss – da schule auch den Fachoberschulzweig noch zulässt, weil geht es mir jetzt vor allem um den nachher genannten dadurch aus unserer Sicht – das sind nicht nur wir, die das Punkt Forschung und Entwicklung – liegt bei uns im Ver- so sehen, sondern das sehen auch alle Verbände so – ei- hältnis zu allen anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- ne Konkurrenzsituation entsteht, die nicht dazu führt, dass mern so niedrig, dass wir dort nur noch Platz 15 von 16 die Menschen gebildeter werden, sondern dass man sich Bundesländern belegen. gegenseitig die Schülerinnen und Schüler zulasten des Bildungsniveaus wegnimmt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir hatten den Antrag eingebracht und ihn dann in der Folge im Aus- (Beifall bei der CDU) schuss diskutiert. Bis zum Ende der Ausschusssitzung wurde uns – so meine Wahrnehmung – zu den drei Punk- Deshalb ist für uns ganz klar, wir brauchen einen Plan, ten, die ich gleich nennen will, aus der Richtung der Re- wo solche Fachoberschulzweige überhaupt zugelassen gierungskoalition kein konkreter Ansatz gebracht, außer, werden können und in welcher Form. dass Sie bemängelt haben, es seien alte Zahlen, wie man diese uns zugetragenen Fragen und Probleme der mittel- Als Drittes hatten wir die Forderung erhoben, die Berufs- ständischen Wirtschaft löst. und Studienorientierung zu verbessern. Sie werden sich nicht wundern, wenn ich frage, wie viel haben wir zu all (Beifall der CDU) diesen drei sehr konkreten Vorschlägen, die im Übrigen auch von den Handwerkskammern und Industrie- und Han- Wir wurden mit dem Argument konfrontiert – welch Wunder delskammern unterstützt werden, von den Regierungsko- bei einer Regierungskoalition –, es ist alles wunderbar, die alitionen gehört? Nichts. rosarote Brille zeigt uns, wir sind die beste Wirtschaftskraft und das beste wirtschaftlich geführte Bundesland. (Beifall bei der CDU – Abg. Martin Haller, SPD: Stimmt doch gar Interessant ist da nur, dass man, kurz bevor wir hier ins nicht!) Plenum in die zweite Beratung kommen, einen Alternati- vantrag einbringt. Warum bringt man einen Alternativantrag Jetzt ruft der Kollege Haller rein „Stimmt doch gar nicht!“. ein, wenn doch tatsächlich alles schon so toll ist, dass man Ja, jetzt mit dem Änderungsantrag schon. Zu dem kom- das gar nicht braucht, weil der Herr Minister das alles von me ich ja gleich. Wir haben als Zweites die Forderung sich aus schon macht? erhoben, dass im Bereich der Förderung von Innovationen erhebliche Anstrengungen unternommen werden müssen. (Beifall der CDU) Das gerade von mir zitierte statistische Analysenbuch zeigt nämlich, dass wir gerade in diesem Bereich beim Innova- Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte das tionsindex lediglich auf Platz 10 der Bundesländer liegen zweiteilen und zuerst sagen, was wir ursprünglich auch und bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung nur vernommen haben und aufgegriffen haben und wovon wir auf Platz 9. meinen, dass dringend Nachholbedarf gegeben ist. Num- mer 1 ist der Bereich der berufsbildenden Schulen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, für ein Land, das sich auch fortschrittlich nennt, das unter anderem das Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wissen alle größte Chemiewerk dieser Erde beheimatet, das sich auf von vor Ort, die berufsbildenden Schulen haben nach wie die Fahnen schreibt, sich vor allem im Bereich der Innova- vor eine nur sehr geringe Lobby. tionen und auch der Hochschulausfinanzierung wesentlich verbessern zu wollen und ganz vorn stehen zu wollen, ist (Vereinzelt Beifall bei der CDU) Platz 9 nicht akzeptabel. Auch hierzu hat die Landesregie- rung und haben auch die regierungstragenden Fraktionen Wir als CDU bekennen uns – wir bringen das mit diesem weder in ihrem Änderungsantrag noch während der Debat- Antrag auch immer wieder zum Ausdruck – ausdrücklich te überhaupt eine Aussage getroffen. als Fürsprecher für dieses duale System, um das uns sehr, sehr viele, nicht nur in Europa, beneiden. (Beifall der CDU)

(Beifall bei der CDU) Man merkt, das interessiert Sie nicht. Das finden wir sehr schade. Im berufsbildenden Bereich gibt es allerdings erhebliche Mängel. Neben dem Unterrichtsausfall kommt vor allem Punkt 3 waren für uns die Investitionen in die Infrastruktur. zum Tragen, dass es dort noch viel schwerer ist, Lehrer Das verbinde ich mit dem Änderungsantrag der regierungs- entsprechend einstellen zu können, weil sie oft auch ihre tragenden Fraktionen, weil sie das dort ausnahmsweise berufliche Qualifikation neben ihrem Lehramt brauchen. aufgegriffen haben, um dort einmal klarzustellen, was der

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Unterschied zwischen Ihnen und uns ist. haben einen Alternativantrag deswegen vorgelegt, weil wir Ihren ursprünglichen Antrag schlecht gestellt finden. Des- Wir haben Ihren Antrag, den Sie jetzt eingereicht haben wegen war es erforderlich, einen Alternativantrag dazu zu und der zunächst einmal sehr viel Placebo enthält, sehr ge- schreiben. nau gelesen und müssen leider feststellen, außer Prosa ist nichts zu entdecken. Zu all diesen Punkten, die Sie in einer (Beifall der SPD, der FDP und des ganz erheblichen Art und Weise nennen, muss ich Ihnen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – zum Teil an einzelnen Punkten auch nochmals klarlegen, Abg. Christian Baldauf, CDU: Dann lehnt dass wir das anders sehen und das so nicht passieren man doch ab!) darf. Sie fordern die Schaffung des Meisterbonus als Mittel Meine Damen und Herren, Rheinland-Pfalz ist ein Land zur Gleichstellung von Meister und Master. Ja, das ist eine mit starker Wirtschaft und niedriger Arbeitslosigkeit. Das richtige Maßnahme. Die haben auch wir einmal gefordert kann man übrigens der gleichen Publikation ausgezeich- und unterstützt. Aber immer noch warten alle Protagonis- net entnehmen, die Herr Baldauf gerade hoch gehalten ten auf die Umsetzung, weil in diesem Bereich noch gar hat. Das ist wirklich ein sehr informatives Werk des Sta- nichts so passiert ist, wie es angekündigt wurde, dass man tistischen Landesamtes. Darin kann man nachlesen, dass nämlich das Studium dem Meister gleichstellt. die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz stärker wächst als im Bundesdurchschnitt. Zwischen 2005 und 2016 nahm das (Glocke des Präsidenten) Bruttoinlandsprodukt preisbereinigt um 18,5 % zu, im Bun- Das ist eines der Beispiele. Nachdem meine Redezeit be- desmittel um 17,2 %. Das produzierende Gewerbe reprä- endet ist, will ich Ihnen nur noch sagen, es hilft auch nichts, sentiert mit 34,3 % einen deutlich höheren Anteil an der wenn Sie in Ihrem Änderungsantrag nochmals Ihre große Bruttowertschöpfung als in Deutschland insgesamt. Da Engagementtiefe im Bereich der Infrastruktur vorlegen, ob- sind es 30,5 %. wohl Sie entsprechend dem, was der Wirtschaftsminister noch in den Wahlprogrammen seiner eigenen Partei ver- Die Arbeitslosenquote – auch das kann man unter ande- sprochen hat, um mehr als 30 Millionen Euro allein bei den rem in dieser Publikation nachlesen – betrug 2016 5,1 %, Investitionen im Straßenbau zurückbleiben. der drittniedrigste Wert im Ländervergleich. Das gilt übri- gens besonders mit einer Quote von 4,7 % für die unter (Beifall bei der CDU) 25-Jährigen, denen offensichtlich der Einstieg in den Be- ruf in unserem Bundesland besser gelingt als in anderen Das ist beschämend und keine zukunftsträchtige Wirt- Bundesländern. schaftspolitik. Wirtschaftswachstum und eine niedrige Arbeitslosigkeit Herzlichen Dank. sind aber nur zwei wichtige Zielgrößen einer breit aus- gerichteten Wirtschaftspolitik. Eine regional und sektoral (Beifall der CDU – ausgewogene wirtschaftliche Entwicklung tritt hinzu, und Abg. Julia Klöckner, CDU: Guter Mann!) auf eine gute Gründungskultur müssen wir ebenfalls die Wirtschaftspolitik unseres Landes ausrichten. Wegen der Vielfalt der wirtschaftspolitischen Ziele braucht man übri- Vizepräsident Hans-Josef Bracht: gens auch eine Vielfalt von wirtschaftspolitischen Instru- Bevor ich das Wort an den nächsten Redner weitergebe, menten. Diese beschreiben wir unter anderem in unserem darf ich Gäste auf unserer Besuchertribüne willkommen Antrag. Unternehmen finden in Rheinland-Pfalz neben den heißen, und zwar Mitglieder der AG 60plus Südpfalz. Seien Berufsvertretungen oder Kammern im Wirtschaftsministe- Sie uns herzlich willkommen! rium und auch in der Person des dort angesiedelten Mittel- standslotsen ihren natürlichen und kompetenten Ansprech- (Beifall im Hause) partner. Besonderes Augenmerk legt das Wirtschaftsmi- nisterium dabei auf die Gründungsberatung für neue bzw. Außerdem freuen wir uns sehr, dass Schülerinnen und potenzielle Unternehmen. Schüler der 8. Jahrgangsstufe des Gymnasiums Philippi- num aus Weilburg hier bei uns sind. Herzlich willkommen! Bei der Wirtschaftspolitik im weiteren Sinn arbeiten die Schön, dass Sie sich für die Landespolitik interessieren. unterschiedlichen Ressorts der Landesregierung eng und übergreifend zusammen. Mit Unterstützung des Innenmi- (Beifall im Hause) nisteriums, vor allem des Breitbandkompetenzzentrums, kann das entsprechende Bundesförderprogramm im In- Meine Damen und Herren, ich darf nun das Wort weiterge- teresse unserer Städte und vor allem Landkreise ausge- ben. Nächster Redner ist Herr Dr. Alt von der Fraktion der schöpft werden, auch für Gewerbebetriebe und die dort SPD. angesiedelte Industrie.

Dazu tritt das eigene Engagement für die Breitbandför- Abg. Dr. Denis Alt, SPD: derung aus dem Landeshaushalt. Die Landesregierung Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege denkt dabei auch an den nächsten Schritt und hat mit Ver- Baldauf hat eine interessante Theorie aufgestellt, wir wür- tretern der Telekommunikationswirtschaft, mit Kammern den deswegen einen Alternativantrag vorlegen, weil es um und Kommunen ein Netzbündnis gegründet, das sich mit die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz schlecht bestellt wäre. dem Ausbau von Gigabitnetzen befasst. Dies begrüßen Hier muss ich leider sagen, dass das nicht zutrifft. Wir wir ausdrücklich; denn uns ist bewusst, dass die flächende-

2576 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 ckende Versorgung mit 50 Mbit/s im Downstream zwar ein nen des dualen Systems, aber nur bei 30 Akademikerqua- wichtiger Schritt ist, aber nicht die Finalität als Ausbauziel lifikationen. Das zeigt eindeutig, wo die bildungspolitischen darstellen kann. Prioritäten zu setzen sind. Diese Prioritäten kommen im ursprünglichen Antrag deutlicher zum Ausdruck als im neu- Auch Bildungs- und Wissenschaftspolitik leisten einen en Alternativantrag der Ampel. wichtigen Beitrag zur Innovationsfähigkeit und Innovati- onsbereitschaft sowie zur Berufs- und Studienorientierung Beim Thema Digitalisierung wird allerdings der Alterna- auch im Hinblick auf die Chancen der dualen Ausbildung. tivantrag der Ampel präziser. Hier gefällt uns, dass der Wir wissen alle, dass Bildung ihren eigenen emanzipatori- Ampelantrag fordert, dass wir Glasfaserkabel bis in die schen Wert hat. Aber darüber hinaus ist sie natürlich auch Häuser hinein brauchen, den sogenannten FTTH-Ausbau. eine wichtige Voraussetzung für die Fachkräftegewinnung und damit für wirtschaftlichen Erfolg in unserem Bundes- Wir wissen allerdings aus den bisherigen Erfahrungen mit land. dem Ausbau auf 50 Mbit/s, dass marktgetriebene Prozesse alleine keinen Breitbandausbau auf dem Land bewerkstel- Nicht zuletzt ist in unserem Flächenland auch die klassi- ligen. Das wird leider auch zukünftig beim Ausbau auf sche Infrastruktur entscheidend: Straße, Schiene, Wasser- 1 Gbit/s der Fall sein. straße, Luftverkehr. – Beim Straßenbau trägt die Versteti- gung der Mittel auf ein zuvor deutlich gesteigertes Niveau Zum Thema Verkehrsinfrastruktur liefert der Ampelantrag dazu bei, dass LBM und die bauausführenden Firmen Pla- nur Allgemeinplätze. Es ist schon bezeichnend, dass das nungssicherheit haben. Thema den Regierungsparteien gerade einmal fünf Zeilen wert ist, auch wenn Herr Kollege Alt jetzt etwas ausführli- Vielleicht kann es ein kollegialer Rat an die Kolleginnen cher geworden ist in seinem Vortrag. und Kollegen in Berlin sein, sich bei den Straßenbaumitteln des Bundes einmal ähnlich zu verhalten. Dann würden wir Ebenso wenig wie im CDU-Antrag findet sich ein Hinweis in ganz Deutschland deutlich besser vorankommen mit darauf, dass bei der Straßensanierung neben dem Land unserer Infrastruktur. auch die Kommunen gefordert sind. Darum müssen wir zu einer ausreichenden Ausstattung der Kommunen mit (Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS Investitionsmitteln kommen. Sowohl Verkehrsnetz als auch 90/DIE GRÜNEN) Breitbandnetz zeigen exemplarisch, wir investieren zu we- Meine Damen und Herren, ein starker Mittelstand, eine nig in die Infrastruktur. Genau dies sieht man auch am erfolgreiche Industrie und nachhaltiges Wachstum – so Landeshaushalt. lautet der Titel unseres Alternativantrages – tragen dazu bei, dass alle Unternehmerinnen und Unternehmer, Arbeit- 2017 plant das Land eine Investitionsquote von 8,1 % im nehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch Selbstständige Landeshaushalt, während in Bayern 11,6 % der Landes- und Freiberufler sinnstiftend arbeiten können und dabei ausgaben Investitionen sind. ein angemessenes Entgelt für ihre berufliche Anstrengung erreichen können. Dafür erhalten sie in Rheinland-Pfalz Dieses Thema hatten wir auch in den Haushaltsdiskussio- verdientermaßen bestmögliche politische Rahmenbedin- nen angesprochen. gungen. Es gibt hier also noch sehr viel zu tun. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich hatte schon in der ersten Debatte zum Thema bean- (Beifall der SPD, der FDP und des standet, dass der CDU-Antrag leider kein Wort zur schwa- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) chen wirtschaftlichen Entwicklung in strukturschwachen Regionen findet. Nun kann ich dies beim Ampelantrag wie- Vizepräsident Hans-Josef Bracht: derholen.

Nun darf ich Herrn Dr. Bollinger von der Fraktion der AfD Wir dürfen nicht zulassen, dass ganze Regionen abge- das Wort erteilen. hängt werden. Hier halten wir zum Beispiel eine Evalua- tion der Programme zur regionalen Wirtschaftsentwick- lung für erforderlich. Das betrifft sowohl den Europäischen Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) als auch die Ge- Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! meinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirt- In der ersten Debatte zum vorliegenden Antrag der CDU schaftsstruktur und die weiteren Programme für den ländli- hatte ich bereits einige Punkte ausgeführt, die wir für sinn- chen Raum wie das Programm LEADER. Alle diese Pro- voll erachten. Dazu gehört alles, was die CDU zur Stärkung gramme werden vom Wirtschaftsministerium verwaltet. der beruflichen Bildung in ihrem Antrag sagt. Über die notwendige Förderung der strukturschwachen Auch wir glauben, dass die duale Bildung der Schlüssel ist, Regionen darf aber auch nicht vergessen werden, zur Stär- um die Wettbewerbsfähigkeit von Rheinland-Pfalz und von kung des ländlichen Raums braucht es ein ganzheitliches Deutschland zu erhalten. Konzept und eigenständige Entwicklungsimpulse.

Laut aktuellen Zahlen des Kompetenzzentrums Fachkräf- Hier hat unsere Fraktion schon zielführende Vorschläge tesicherung besteht Fachkräftemangel bei 102 Qualifikatio- für ein Sonderprogramm Ländlicher Raum vorgelegt.

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Meine Damen und Herren, schließlich muss ich abermals haben wir erkannt. Das wird angegangen. Mit Herrn Braun auf den wichtigen Punkt Bürokratieabbau verweisen. We- zum Beispiel. Er war letztens in Pirmasens bei der BIB. der die CDU noch die Ampel haben es für nötig befunden, Das ist ein kleiner Faktor, um in diesem Bereich voranzu- diesen Punkt im jeweiligen Antrag aufzunehmen. kommen. Er war stolz darauf, dass solche Projekte ange- gangen werden. Meine Damen und Herren, wahrscheinlich braucht es eine neue Fraktion wie die AfD, um frischen Wind in die jahr- Zur wirtschaftlichen Entwicklung haben wir auch etwas zu zehntealte Debatte um zu viel Bürokratie zu bringen. TOP 9 a) gehört, nämlich in Bezug auf die Ausfuhren.

(Beifall der AfD – Sie können unserem Alternativantrag entnehmen, was wir Zurufe von SPD und CDU) in den letzten 17 Monaten bereits für unsere Unternehmen und deren Beschäftigte geleistet haben. Diese Koalition Liebe Kollegen, ich wiederhole daher meinen Vorschlag hat somit bewiesen, dass das Projekt Ampel auch in der aus der letzten Plenarsitzung, die Landesregierung möge Wirtschaftspolitik funktionieren kann. eine maximale Bearbeitungszeit für Anträge garantieren. (Beifall der FDP, der SPD und des Ich komme zum Schluss. Die beiden vorliegenden Anträge BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) enthalten sinnvolle Ansätze. Trotz der von unserer Fraktion schon in der ersten Besprechung aufgezeigten Hinweise Wir bringen wirtschaftliche, ökologische und soziale Aspek- decken sie aber wesentliche Themenfelder einer ganz- te in Einklang und stehen damit für eine moderne Form heitlichen, zukunftsweisenden Wirtschaftspolitik für unser der Politik. Wir stehen für eine industriefreundliche Politik, Land Rheinland-Pfalz leider gar nicht ab und bleiben bei die den Unternehmen die Chance auf Wachstum bietet anderem an der Oberfläche. und sogleich die Einhaltung umwelttechnischer Standards achtet. Unsere Fraktion wird sich daher bei beiden Anträgen der Stimme enthalten. Produktionsmethoden stehen vor einem grundsätzlichen Wandel. Wir kennen alle die Begriffe, Industrie 4.0, Internet Vielen Dank. der Dinge, Big Data, Stichworte, die die Richtung aufzei- (Beifall der AfD – gen. Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD) Industrielle Produktion wird künftig weiter stärker spezia- – Das werden wir schon beizeiten machen. Da lassen wir lisiert erfolgen. Werkstücke kommunizieren, Maschinen uns von Ihnen nicht drängeln. kommunizieren, Daten werden ausgetauscht, Produktions- prozesse werden stärker digital gesteuert. Daher stehen (Zurufe von der SPD) wir für eine innovations- und fortschrittsfreundliche Politik, die einen wichtigen Beitrag zur Beantwortung der Zukunfts- fragen darstellt. Vizepräsident Hans-Josef Bracht: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wink von der Frak- Von der Grundlagenforschung bis zur anwendungsorien- tion der FDP. tierten Forschung leisten viele kluge Köpfe in unserem Land einen Beitrag für die Modernisierung des Landes. (Unruhe im Hause) Deshalb unterstützen wir Hochschulen in innovativen Un- ternehmen mit forschungsfreundlicher Politik. Die Erhö- Herr Kollege Wink hat das Wort. hung der entsprechenden Haushaltstitel im Doppelhaus- halt belegen dies.

Abg. Steven Wink, FDP: Wir legen auch ein besonderes Augenmerk auf den Mittel- Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kol- stand und das starke rheinland-pfälzische Handwerk; denn legen! Dass ich als Redner der FDP-Fraktion sage, dass bekanntlich sind sie das Rückgrat unserer Wirtschaft und wir eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik betreiben, wird Sie unseres Sozialsystems. Daher engagieren wir Freien De- nicht verwundern. mokraten uns gemeinsam mit den Koalitionspartnern auch für beste Gründungsvoraussetzungen, haben den Meister- (Abg. Marco Weber, FDP: Jawohl!) bonus eingeführt und stärken die Beratungsangebote des Landes zu den Themen Digitalisierung und IT-Sicherheit. Aber auch ich kann mich auf diverse auch mediale Äu- Wir tun auch alles dafür, damit in Rheinland-Pfalz nicht nur ßerungen der Kammern und Verbände beziehen; denn die schulische und betriebliche Ausbildung, sondern auch diese teilen in großen Teilen unser Urteil über die Wirt- die berufliche Weiterentwicklung zukunftsgerecht ausge- schaftspolitik. Ich erwähne hier noch einmal – vorhin bei richtet ist. TOP 9 schon besprochen – die eingeleiteten mittel- und langfristigen Maßnahmen. Eine zum Beispiel ist die Berufs- Wir erinnern daran, der Meister muss so viel wert sein wie beratung durch Verknüpfung von Wirtschaft und Schule in der Master. Wertschätzung für das Handwerk. Für uns sind Verbindung mit den Verbänden und den Kammern. hierbei auch die Schlagwörter der Zeit Qualifizierung, Spe- zialisierung und Flexibilisierung wichtig. Wir halten auch Wenn man 300 Berufe hat, aber Bewerbungen nur in 40 ein effizientes und innovatives Bildungs- und Weiterqua- dieser Berufe stattfinden, muss etwas getan werden. Das lifizierungsangebot vor und entwickeln dies kontinuierlich

2578 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 weiter, Stichpunkt berufsbildende Schulen oder auch Zwei- ceneffizienz in der Produktion gesteigert wird. Das ist sehr ter Bildungsweg. erfreulich. Das freut mich insofern besonders, weil die Unternehmen und Betriebe aus eigenem wirtschaftlichen Gleiches gilt für die Infrastruktur. Für uns ist ein leistungs- Interesse investieren, jenseits von gesetzlichen Auflagen fähiges Breitbandnetz wesentlicher Bestandteil für die oder altruistischen Motiven. Das ist gut; denn wahrer Wohl- Umstellung von Kommunikations-, Produktions- und Ver- stand ist mehr als Wachstum. Wirtschaftlicher Erfolg grün- triebsprozessen in Rheinland-Pfalz. Wir sind hierbei auf det auf guter Bildung, Chancengerechtigkeit, Innovations- einem guten Weg. Ebenso ist eine gute Infrastruktur ein freude, guter Arbeit und ökologischer Verantwortung. Garant für den Erhalt von Arbeitsplätzen und wirtschaftli- cher Leistungsfähigkeit. Unsere Unternehmen sind wettbewerbsfähig im nationa- len und im internationalen Markt. Das sieht man auch an Wir haben die Investitionen in den Straßenbau deutlich er- den schon erwähnten aktuellen IHK-Konjunkturumfragen. höht, engagieren uns im Schienenbau, Luftverkehr und bei Dabei sind in der globalisierten und vernetzten Geschäfts- der Optimierung von Wasserstraßen. Auch die Zulassung welt die Digitalisierung und die Industrie 4.0 mittlerweile als Beispiel von Lang-Lkw auf ausgewählten Strecken ist oft genug Voraussetzung für Erfolg. Das gilt nicht nur für ein Modell, dem wir uns nicht versperrt haben, und die die Industrie. Das gilt zunehmend auch für Handwerks- Wirtschaft hat danach gerufen. betriebe. Die Digitalisierung, die digitale Gesellschaft ist technische und soziale Realität. Sie sehen, wir tun einiges, um den Unternehmen und ih- ren Beschäftigten beste Voraussetzungen zu schaffen, und Ob Handy, Smartphone, Notebook oder Tablet, der Um- das werden wir auch so weiterführen; denn wir sind auf gang mit digitalen Techniken und Medien ist allgegen- einem guten Weg. wärtig. Die technischen Geräte eröffnen neue Horizonte, neue Möglichkeiten der Geschäftsfelder, Möglichkeiten und Danke schön. Chancen. Das Einleben in der digitalen Gesellschaft ist (Beifall der FDP, der SPD und des eine große Herausforderung für alle Unternehmen, große BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wie kleine.

In der digitalen Gesellschaft ist die Medienkompetenz, also Vizepräsident Hans-Josef Bracht: die Fähigkeit, sich eine durch digitale Technik und Medien Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nun geprägte Welt denken, fühlen, selbstbestimmt handeln, so- Frau Abgeordnete Blatzheim-Roegler zu uns. zialverantwortlich und kompetent erschließen zu können, eine Schlüsselkompetenz. Genau deswegen ist das auch der Landesregierung wichtig, und sie unterstützt entspre- Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- chende Maßnahmen. NEN: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen Gute Bildung ist der Schlüssel für nachhaltiges Wachstum und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Baldauf, bei der und einen guten wirtschaftlichen Erfolg. Auch das haben letzten Debatte zu Ihrem Antrag habe ich mich schon sehr wir in unserem Antrag herausgestellt. Jenseits der Maß- ausführlich mit diesem beschäftigt. Gerade was zum Bei- nahmen, die wir alle in unterschiedlichen Lobeshymnen spiel die Forschungsförderung angeht, habe ich darauf loben, wie zum Beispiel Investitionen in den Erhalt von verwiesen, dass das Land dies nicht allein stemmen kann, Straßen und in die Verbesserung von Verkehrswegen, wer- sondern der Bund gefragt ist und Frau Wanka in den letz- den wir aber auf Dauer nur dann erfolgreich sein, wenn ten Jahren nichts zustande gebracht hat. von früher Kindheit an lebenslang über formale und nonfor- male Bildungsangebote das Lernen gefördert wird. Genau (Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU) das fördert auch das Land.

Ich habe auch gesagt, dass die grüne Bundestagsfraktion Es gibt Menschen – das wissen wir –, die sich von diesem gern einen Forschungsbonus für KMU eingeführt hätte, Fortschritt auch ein Stück weit bedroht und überfordert der allerdings an Ihrer Fraktion gescheitert ist. Also so weit fühlen, die Angst haben, in einer digitalisierten Welt abge- zur letzten Debatte. Das können Sie auch im Protokoll hängt zu werden. Deshalb muss Bildung auch die Digitali- nachlesen. sierung als grundlegende Kulturtechnik einbeziehen.

In den jüngsten statistischen Analysen des Statistischen Das Leben in der digitalen Welt wird zunehmend kom- Landesamtes – ich glaube, das haben gestern Abend al- plexer. Diese Komplexitätssteigerung macht letztendlich le gewälzt – ist nachzulesen, dass die Umsatzproduktivi- lebenslanges Lernen nötig. Nur wenn es dafür ausreichen- tät der rheinland-pfälzischen Industrie über dem Durch- de Angebote gibt, werden die Menschen die Angst vor schnitt liegt. Im Bundesländervergleich belegte das Land Veränderungen verlieren. Gerade die Digitalisierung im Platz 4. Auch das produzierende Gewerbe liegt auf ei- ländlichen Raum kann eine Riesenchance sein, eine Rie- nem überdurchschnittlichen Platz im Bundesländerranking, senchance auch für kleinere Orte, für Dörfer, dafür, dass und – das freut mich besonders – die Umweltschutzinves- Menschen in ihrer gewohnten Umgebung leben und arbei- titionen in rheinland-pfälzischen Betrieben sind ebenfalls ten können, weil sie in vielen Fällen die Möglichkeit haben, überdurchschnittlich. online arbeiten zu können.

Umweltschutzinvestitionen sorgen dafür, dass Ressour- (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Richtig!)

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Deshalb ist es wichtig und wird es auch weiter wichtig sein, – Dann habe ich das falsch verstanden. dass mit Blick auf die Veränderungen in der Arbeitswelt (Abg. Julia Klöckner, CDU: Ja! – (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ich Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU) würde sogar sagen, sehr wichtig!) Ich will nur klarstellen, dass der Bundesdurchschnitt bei gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern, Arbeitgebern, 2,0 % und das Wachstum von Rheinland-Pfalz bei 2,6 % Gewerkschaften und allen Beteiligten Strategien entwickelt liegt. werden, damit der Transformationsprozess in die Digitali- sierung für alle teilhabegerecht gelingt. (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Da wollen wir uns aber nicht anpassen!) (Glocke des Präsidenten) Deswegen wollen wir uns dem Bundesdurchschnitt nicht Das hat sich im Übrigen das Land, auch was die Fachkräf- annähern, sondern unsere wachstumsorientierte Politik tesicherung angeht, schon zur Aufgabe gemacht. fortsetzen. (Beifall der FDP, der SPD und des Politik kann einen Rahmen dafür setzen, dass es der Wirt- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schaft gut geht, aber an dieser Stelle möchte ich den vielen Unternehmen danken, die zusammen mit ihrer Mitarbeiter- Sie nehmen es mit den Fakten im Antrag nicht sehr ge- schaft dafür sorgen, dass im Mittelstand und in der Indus- nau. Sie schreiben auch in Ihrem Antrag – Herr Kollege trie die Grundlagen unseres Wohlstands tagtäglich gelegt Baldauf, Sie haben das noch einmal wiederholt –, dass werden. der Anteil der Forschungs- und Entwicklungsausgaben in (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Wir Rheinland-Pfalz aus Ihrer Sicht besorgniserregend sei. Die sagen auch Danke schön!) von Ihnen genannten 1,6 % kann ich allerdings mit den offi- ziellen Zahlen der amtlichen Statistik nicht nachvollziehen. Vielen Dank. Rheinland-Pfalz hat laut Statistischem Bundesamt seinen Anteil an F&E-Investitionen am Bruttoinlandsprodukt von (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, 2 % im Jahr 2012 kontinuierlich über 2,12 % im Jahr 2013, der SPD und der FDP) 2,14 % im Jahr 2014 auf 2,35 % im Jahr 2015 gesteigert, und das wird auch so weitergehen. Vizepräsident Hans-Josef Bracht: Ich kann nur mutmaßen, dass sich der Wert aus dem Für die Landesregierung spricht nun Herr Staatsminister Antrag allein auf die F&E-Ausgaben der Unternehmen Dr. Wissing. bezieht. Dann allerdings greifen Sie aber eine falsche Be- zugsgröße, nämlich das 3,5 %-Ziel, auf. Dieses Ziel bezieht Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, sich immer auf die Gesamtausgaben für F&E und eben Landwirtschaft und Weinbau: nicht nur auf die der Unternehmen. Auch hier geht also einiges durcheinander. Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich den Antrag durchliest, fragt man sich, wie man damit Meine Damen und Herren, Sie ignorieren mit Ihrem Antrag umgehen soll. An einer Stelle schreibt die CDU, wir wol- die positiven Entwicklungen in Rheinland-Pfalz. Es ist Auf- len den Wachstumsrückstand gegenüber unseren Nach- gabe der Opposition zu kritisieren, aber es ist nun einmal barländern, wie etwa Baden-Württemberg oder Hessen, so, dass wir als Land beim Wirtschaftswachstum an der aufholen. Jetzt frage ich mich: Wie macht man so etwas, Spitze der Flächenländer stehen. Wir sind gegenwärtig wenn die Wachstumszahlen so sind, wie sie sind? Nummer 2 beim Wachstum in Deutschland, und unter den Flächenländern sind wir Nummer 1 vor Bayern, Baden- Rheinland-Pfalz hat im ersten Halbjahr 2017 ein Wachstum Württemberg, Hessen, dem Saarland und Sachsen, um von 2,6 % gehabt. In Hessen waren es 1,7 % und in Baden- einmal ein paar CDU-mitregierte Länder zu nennen. Liebe Württemberg 2,1 %. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Kolleginnen und Kollegen, wir sind für Kritik offen, wir sind der CDU, vielleicht können Sie uns einmal erklären, wie auch für Verbesserungsvorschläge offen, aber schräg wird man als Rheinland-Pfälzer hier etwas aufholen soll. es, wenn man an der Spitze liegt, ein Rekordwachstum in (Abg. Christian Baldauf, CDU: Ist das jetzt Deutschland aufzuweisen hat und sich dann einer verzerr- Ihr Ernst?) ten kritischen Analyse unterziehen muss.

Frau Klöckner hat heute Morgen im Plenum in einem Zwi- (Beifall der FDP, der SPD und des schenruf gesagt, wir sollten uns als Rheinland-Pfälzer beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wachstum dem Bundesdurchschnitt von unten annähern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Antrag der CDU (Abg. Julia Klöckner, CDU: Das habe ich wird auch ignoriert, was in Rheinland-Pfalz alles passiert. heute doch überhaupt nicht Wir haben beispielsweise eine Gründerallianz ins Leben dazwischengerufen!) gerufen, mit der wir ganz konkret die Gründerkultur in Rheinland-Pfalz evaluieren und auch verbessern. Da wird – Heute Morgen war das. gearbeitet, so wie sich das für die rheinland-pfälzische (Abg. Julia Klöckner, CDU: Nein, überhaupt Kultur gehört. Man ist nahe beieinander, redet viel mitein- nicht!) ander, nutzt die Nähe zwischen den Verantwortlichen in

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Verbänden, Kammern, Politik und in anderen Bereichen Abg. Christian Baldauf, CDU: mit der Landesregierung, um die Dinge voranzubringen. Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, Ihre Ausführungen erfordern natürlich einige Ich hatte in der zurückliegenden Debatte schon erwähnt, Klarstellungen. wir können nicht als Land eine steuerliche Forschungs- und Entwicklungsförderung einführen. Als Landesregie- Nummer 1: Wenn Sie sagen, dass vom prozentualen rung können wir das schon gar nicht. Es ist Aufgabe der Wachstum her Rheinland-Pfalz vorn liegt, müssen Sie sich Bundesregierung und eben nicht der Landesregierung, so bitte einmal die Vergleichszahlen aus den anderen Bun- etwas voranzutreiben. Deswegen halte ich es auch nicht desländern anschauen. Bis Sie überhaupt einmal in die po- für korrekt, wenn Sie mit Ihrem Antrag die Landesregie- sitive Situation kommen, dass Sie über dem Durchschnitt rung auffordern, etwas zu tun, was Sie als verantwortliche der Bundesländer liegen, müssen Sie aber noch ganz vie- Regierungspartei im Bund mühelos tun könnten, wenn Sie le Prozente zulegen, bis Sie einmal so weit sind, weil Sie es wollten. Im Moment gibt es gewisse Gespräche auf der nämlich von ganz unten kommen. Bundesebene, in denen solche Dinge auf den Weg ge- bracht werden. Wir als Landesregierung werden so etwas (Beifall der CDU) konstruktiv begleiten, weil wir uns nicht auf dem Erreichten ausruhen, sondern die Dinge weiter voranbringen wollen. Selbst wenn Sie 1 % mehr zulegen, lägen Sie allein beim Bruttoinlandsprodukt immer noch unter dem Durchschnitt. Was Sie von uns mit dem Wagniskapital fordern, möchte Deshalb bringt es wenig, wenn man sagt, ich beginne am ich auch zurückgeben. Auch hier ist es Aufgabe des Bun- Fußboden mit 5 %, aber die anderen sind schon irgendwo des, Verbesserungen für Wagniskapital auf den Weg zu ganz oben im Hochhaus. Sie sollten also schon einmal bringen. Es ist Aufgabe des Bundes und nicht des Lan- darüber nachdenken, wie man diese Zahlen beschreibt. des, ein Wagniskapitalgesetz auf den Weg zu bringen. Ich gebe zu, dass Sie etwas tun – das hat keiner bestrit- Gleichwohl haben wir in unserem Zuständigkeitsbereich ten –, aber Sie können das nicht schönreden, sondern da einiges getan. Es gibt einen Venture-Capital-Fonds der ist noch einiges nachzuholen. Investitions- und Strukturbank. Wir sind in der Gründer- (Beifall der CDU) allianz im Gespräch mit den privaten Banken, den Spar- kassen und den Genossenschaftsbanken, um in diesem Nummer 2: Es ist schön, dass die F&E-Ausgaben steigen, Bereich voranzukommen. Allein die großen Weichen, die aber sie sollten zumindest im Verhältnis zu allen anderen auf Bundesebene gestellt werden müssen, können wir Bundesländern schon längst bei 3,5 % liegen. Wenn Sie nicht im Landtag und auch nicht seitens der Landesregie- mir noch nicht einmal erklären können, wie schnell Sie da rung stellen. hinkommen wollen, dann haben Sie davon keine Vorstel- lung, muss ich Ihnen sagen. Dann fehlt in diesem Bereich Ich will zusammenfassend festhalten: Es ist gut, dass die etwas. regierungstragenden Fraktionen einen klarstellenden An- trag gestellt haben; denn all die Menschen, die sich in der Nummer 3: Wenn Sie von der Gründerallianz sprechen, ist rheinland-pfälzischen Wirtschaft engagieren, die investie- das eine Doppelstruktur, eigentlich nur eine Showveranstal- ren, die Verantwortung tragen, all die fleißigen Mitarbei- tung, weil es nämlich die Starterzentren bei den Industrie- terinnen und Mitarbeiter, die letztlich diejenigen sind, die und Handelskammern alle schon gibt. Dann stellt sich für es geschafft haben, dass wir in Rheinland-Pfalz Nummer mich die Frage, gerade in die liberale Richtung gedacht, da 2 beim Wachstum in Deutschland geworden sind – wir Sie mehr Subsidiarität und weniger Staat wollen, wieso der sind eines der führenden Länder beim Export, wir sind Staat so etwas macht, wenn es im Moment automatisch eines der Länder mit dem stärksten Wirtschaftswachstum, und funktionsfähig über die Industrie- und Handelskam- das weit über dem Bundesdurchschnitt liegt –, haben es mern läuft. nicht verdient, dass man das Ganze ignoriert und so tut, als wäre die Leistung der Menschen und der Wirtschaft in (Beifall der CDU) Rheinland-Pfalz unterdurchschnittlich. Das ist schlicht und einfach nicht wahr. Nummer 4: Herr Minister, solange Sie Gelder beim Bund für infrastrukturelle Maßnahmen nicht abrufen, weil Sie (Beifall der FDP, der SPD und des keine ausreichenden Planungskapazitäten und nicht aus- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) reichend Pläne in den Schubladen haben und sich bisher nur Bayern darüber freut, Deswegen herzlichen Dank, dass die Regierungsfraktio- nen das mit ihrem Antrag klarstellen. (Unruhe bei der SPD)

(Beifall der FDP, der SPD und des dass es immer wieder mehr bauen kann, solange sollten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie nicht davon reden, dass Sie bei der Infrastruktur alles im Griff haben.

Vizepräsident Hans-Josef Bracht: (Beifall der CDU)

Für eine Kurzintervention auf die Ausführungen des Herrn Nummer 5: Vielleicht können Sie zum Antrag der Sozialde- Staatsministers erteile ich Herrn Abgeordneten Baldauf mokraten, Freien Demokraten und Grünen etwas sagen, das Wort. in dem von 56 Stellen beim LBM gesprochen wird, die

2581 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 geschaffen werden, ob die schon besetzt sind, weil die Das, was Sie schreiben, sind Gesetzgebungsvorschläge, Schaffung und die Arbeit vor Ort zu leisten, sind zweierlei die der Bund umsetzen muss, aber nicht das Land um- Paar Schuhe. Die Schaffung allein reicht nicht. setzen kann. Deswegen geht Ihre Kritik vollkommen ins Leere. Zu guter Letzt: Ich glaube, solange – da haben Sie auch noch einiges nachzuholen – in diesem Land keine Koor- (Abg. Christian Baldauf, CDU: F&E!) dination innerhalb der Baustellen stattfindet und die Men- schen weiterhin in langen Staus sehen, werden die Ihnen Die Länder, die Sie als Vergleichsgröße genommen haben, auch auf absehbare Zeit nicht abnehmen, dass Sie die denen wir uns angleichen sollten, wie Hessen und Baden- Infrastruktur und deren Erneuerung richtig im Griff haben. Württemberg, haben leider ein geringeres Wachstum als das Land Rheinland-Pfalz vorzuweisen. Deswegen ist Ihr Herzlichen Dank. Antrag nicht aktuell. Ihr Antrag zielt auch in die falsche Richtung. Er prallt an uns ab. Wir sind nämlich besser als (Beifall der CDU) unsere Nachbarländer. Das ist so. Darüber freuen wir uns. Das können Sie auch nicht wegdiskutieren.

Vizepräsident Hans-Josef Bracht: (Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Für eine Erwiderung hat Herr Staatsminister Dr. Wissing das Wort. Sie können es auch nicht wegdiskutieren, indem Sie sa- gen, Herr Wissing schafft Doppelstrukturen, indem er eine Gründerallianz ins Leben ruft, weil das falsch ist. Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau: (Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU) Herr Kollege Baldauf, noch einmal: Die Wachstumszahlen in Rheinland-Pfalz im ersten Halbjahr 2017 sind überdurch- – Nein, das ist falsch. Kein einziger Teilnehmer in der Grün- schnittlich. Der Bund hat ein Wachstum von 2,0 %, und derallianz, weder die Kammern, noch die ganzen Verbän- das Land Rheinland-Pfalz hatte im ersten Halbjahr 2017 de, die da sitzen, sieht das so wie sie, weil Sie nicht recht ein Wachstum von 2,6 %. haben; denn diese Gründerallianz schafft keine Doppel- strukturen. Diese Gründerallianz erreicht, dass die vorhan- (Abg. Christian Baldauf, CDU: Das bringt denen Strukturen evaluiert und besser aufeinander abge- doch nichts!) stimmt werden. Wir bearbeiten dort nicht nur die Frage, wie sich die Gründerzentren entwickeln, sondern wir bearbei- – Natürlich bringt das was. Warum soll das nichts bringen? ten dort beispielsweise auch die Frage, wie wir regionale Crowdfundingplattformen wie IDEENWALD schaffen. Das (Abg. Christian Baldauf, CDU: Der haben wir auf den Weg gebracht. Das ist das Ergebnis der Vergleich!) Gründerallianz. – Das sind doch die Bezugsgrößen. Wir diskutieren dort, wie wir mehr Wirtschaftsverständnis in die Schulen bringen können. Das geht auch in Rheinland- Der Bundesdurchschnitt liegt bei 2 %, und wir liegen bei Pfalz voran. Das sind auch Ergebnisse der Diskussionen 2,6 %. Das heißt, die Wachstumsentwicklung, die Entwick- der Gründerallianz, bei denen das Bildungsministerium lung des Bruttoinlandsprodukts in Rheinland-Pfalz liegt dabei sitzt. Sie wollen doch nicht ernsthaft diese Dinge für über dem Bundesdurchschnitt. überflüssig erklären. Das ist nicht überflüssig. Das sieht (Beifall der FDP, der SPD und des auch keiner so. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU) Es gibt vier Arbeitsgruppen, die sehr viele Vorschläge erar- beitet haben, die sich jetzt in der Umsetzung befinden, um Ich will nicht sagen, dass das die Landesregierung allein die Gründerszene in Rheinland-Pfalz mit den Hochschu- gemacht hat. Ich will Ihnen aber damit sagen, dass die len, mit der Wissenschaft noch weiter voranzubringen. All Leistung der Wirtschaft und der Arbeitnehmerinnen und diese Dinge vernetzen wird. Arbeitnehmer in Rheinland-Pfalz hervorragend ist und über dem Bundesdurchschnitt liegt. Auch wenn Sie das für überflüssig halten, tun wir das nicht. Wir glauben, dass wir damit für Rheinland-Pfalz einen Bei- (Abg. Christian Baldauf, CDU: Die Basis ist trag leisten, damit sich dieses weit überdurchschnittliche entscheidend! – Wachstum in den nächsten Jahren verstetigt. Genau das Abg. Christine Schneider, CDU: Bei der ist das Konzept einer wachstumsorientierten Wirtschafts- Prozentrechnung kommt es auf die Basis politik, wie wir sie vertreten. an!) Dann haben Sie gesagt, dass die Stellen beim LBM nur Weil Sie sagen, dass die Landesregierung noch mehr ma- geschaffen, aber nicht besetzt würden. Auch da möch- chen müsste, sage ich Ihnen, Sie haben keine konkreten te ich dem Versuch, eine Verwirrung in die Öffentlichkeit Vorschläge gemacht, was wir noch verbessern könnten. zu tragen, gleich energisch widersprechen. Wir haben in (Abg. Christian Baldauf, CDU: Ja, klar diesem Jahr jede Woche einen Straßenbauingenieur ein- doch!) gestellt. Die Stellen sind schon weit überwiegend besetzt.

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Das klappt sehr gut. Meine ursprüngliche Skepsis, dass stimmt. Ich will nicht, wie wir in der Pfalz dazu sagen wür- es schwer sein könnte, für den LBM Straßenbauingenieu- den, ein bisschen „klugscheißerisch“ sein. Sie kommen re zu finden, hat sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. auch aus der Pfalz. Ich muss es Ihnen mit Ihren tollen Das funktioniert wunderbar. Der Landesbetrieb Mobilität Zahlen leider sagen, die Sie bringen. ist ein hoch attraktiver Arbeitgeber und verfügt über hoch motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Er hat ein iPad dabei!) In Rheinland-Pfalz gibt es 2017 die höchsten Verkehrsin- frastrukturinvestitionen, die es jemals in der Geschichte – Herr Schweitzer, ich kann sogar darauf lesen. Stellen Sie des Landes Rheinland-Pfalz gab. sich das einmal vor.

(Beifall der FDP, der SPD und des Das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt beträgt in BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Rheinland-Pfalz 1,5 % und im deutschen Durchschnitt 1,9 %. Nie wurde mehr in Straßen investiert. Meine sehr geehrte Damen und Herren, wenn man nicht Herr Baldauf, mit allem Respekt, wir lassen uns den Er- allein im Bildungssystem dieser Landesregierung unter- folg beim Wachstum nicht schlechtreden. Wir lassen uns wegs gewesen ist, glaube ich, dass 1,9 mehr als 1,5 ist. diesen riesigen Erfolg bei der Verkehrsinfrastruktur nicht schlechtreden. Wir maßen uns als Regierung nicht an, das (Abg. Christine Schneider, CDU: Zahlen alles alleine geschaffen zu haben. und Basis!)

(Beifall der FDP, der SPD und des Deshalb war Ihre Aussage falsch. Entschuldigung, Herr BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Minister.

Aber, liebe CDU, hier in Rheinland-Pfalz läuft es wirklich (Beifall der CDU) gut. Das verdient ein Stück Anerkennung. Machen Sie das, was Sie können, aber zitieren Sie keine (Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE falschen Zahlen. GRÜNEN – Abg. Christine Schneider, CDU: In Herzlichen Dank. Rheinland-Pfalz ist alles super! Bis hin zur Vogelgrippe ist alles super!) (Beifall der CDU)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht: Vizepräsident Hans-Josef Bracht: Meine Damen und Herren, aufgrund der längeren Rede- Für die Landesregierung spricht erneut Herr Staatsminis- zeit der Landesregierung in der ersten Runde und jetzt in ter Dr. Wissing. der Erwiderung stehen allen Fraktionen noch zwei Minuten Redezeit zu. Wird davon Gebrauch gemacht? – Ich erteile Herrn Abgeordneten Baldauf von der CDU das Wort. Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau:

Abg. Christian Baldauf, CDU: Herr Baldauf, so nicht. Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall der FDP, der SPD und des Herr Kollege Dr. Wissing, schauen Sie, dass Sie nichts BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) machen, kann Ihnen wirklich nicht unterstellen. Ich habe die Wachstumszahlen für das erste Halbjahr 2017 (Zuruf von der SPD: Ja!) vorgetragen. Die betragen 2,6 % für das Land und 2,0 % für den Bund. Dass Sie nicht in voller Verve hier reden, kann man Ihnen auch nicht unterstellen. (Zuruf des Abg. Alexander Licht, CDU) (Zuruf von der SPD: Das ist schon mal eine Sie haben eben Zahlen des Jahres 2016 vorgetragen. Erkenntnis!) (Abg. Christian Baldauf, CDU: Warte mal Dass Sie immer recht haben, bis Ende des Jahres!)

(Abg. Jens Guth, SPD: Muss ich zur Damit haben wir ganz klar das bestätigt, was ich gesagt ha- Kenntnis nehmen!) be, dass sich das Wachstum in Rheinland-Pfalz inzwischen überdurchschnittlich zum Bundesdurchschnitt entwickelt das muss ich aber nicht akzeptieren, meine sehr geehrten und nicht unterdurchschnittlich. Damen und Herren. (Beifall der FDP, der SPD und des (Beifall bei der CDU) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss es schon gar nicht respektieren, weil es nicht Herr Baldauf, deswegen ist das, was ich hier gesagt habe,

2583 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 kein bisschen, auch nicht von der Interpretation her falsch, Die CDU-Landtagsfraktion hat vorgestern Abend hier in sondern einfach nur eines: richtig. der Steinhalle das 2. Mainzer Pflegegespräch mit dem The- ma „Wie können wir Qualität in der Pflege sicherstellen?“ (Beifall der FDP, der SPD und des durchgeführt. Ein Ergebnis war, die Beschäftigten in der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Pflege und die Einrichtungsträger, die Pflegekammer, die Verbände, die Angehörigenvertreter und die Krankenhaus- Vizepräsident Hans-Josef Bracht: gesellschaft wollen ein Ende der Zustandsbeschreibungen. Sie wollen spürbare und nachhaltige Verbesserungen der Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen Arbeitsbedingungen. Sie wollen, dass die Fachkräftelücke mir nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über die beiden geschlossen wird und mehr Geld in das System kommt. Anträge. Die Angehörigen und Pflegebedürftigen wollen Sicherhei- ten, Qualität und Bezahlbarkeit. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/4148 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Hand- Durch Gesundheitsminister Hermann Gröhe wurden in zeichen! – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – der vergangenen Legislaturperiode im Bund sehr wich- Danke. Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD, der FDP tige Richtungsentscheidungen durch die drei Pflegestär- und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen kungsgesetze und die Reform der Pflegeausbildung getrof- der CDU bei Stimmenthaltung der AfD abgelehnt. fen. Nun gilt es, auf dieser Basis weiterzumachen. Dabei sind die Wahlprüfsteine unserer Pflegekammer und deren Wer dem Alternativantrag der Fraktionen der SPD, FDP sechs Kernforderungen zur Bundestagswahl durchaus ge- und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/4454 – eignete und wichtige Leitmarken. zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke. Wer stimmt dagegen? – Danke. Wer enthält sich? – Zur Qualitätssicherung der Pflege und unserer Großen Danke. Der Alternativantrag ist mit den Stimmen der SPD, Anfrage: Damit kein Missverständnis aufkommt, wir sind der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die der festen Überzeugung, dass ganz überwiegend durch Stimmen der CDU bei Stimmenthaltung der AfD angenom- zahllose engagierte Kräfte hervorragende Pflege geleistet men. wird, und das bis oft an die Grenzen der eigenen Kräfte. Hierfür danken wir als Fraktion diesen Menschen ganz Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten Tages- ausdrücklich. ordnungspunkt aufrufe, darf ich erneut Gäste auf unsere Besuchertribüne begrüßen, und zwar Damen und Herren (Beifall der CDU und des Abg. Uwe Junge, des Sozialdienstes katholischer Frauen und Männer Witt- AfD) lich. Seien Sie herzlich willkommen in der Plenarsitzung! Umso wichtiger ist es, Pflegefehler und Pflegemängel zu (Beifall im Hause) identifizieren und abzustellen; denn unter problematischen Einzelfällen leidet ein ganzer Berufsstand, sein Ruf und Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf: sein Ansehen. Es geht also darum, den guten Ruf der Pfle- ge zu sichern. Daher sind auch das Land und die Landes- Umsetzung des Landesgesetzes über Wohnformen regierung gefordert, die Qualität der Pflege sicherzustellen und Teilhabe (LWTG) – Qualitätssicherung in und die schwarzen Schafe der Pflege zu benennen. Einrichtungen mit umfassendem Leistungsangebot Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU Pflegenotstand, Pflegebetrug, Pflegemafia und die unter- und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der schätzte Gewalt in der Pflege sowie der traurige Höhepunkt Fraktion der CDU der Pflegemorde sind dringender Anlass genug, genauer – Drucksachen 17/3249/3611/4204 – hinzusehen.

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von zehn Minu- (Beifall bei der CDU) ten vereinbart. Kein anderes Bundesland verzichtet auf die Regelprüfung der Einrichtungen, nur Rheinland-Pfalz. Deshalb hat die Abg. Michael Wäschenbach, CDU: CDU-Fraktion die Große Anfrage mit 32 Fragen zur Quali- Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! tätssicherung gestellt. Die Antworten der Landesregierung Die Pflege steht derzeit ganz besonders im Fokus der fallen ernüchternd aus. Im Ergebnis bleibt festzustellen: Öffentlichkeit. Spielte sie im Bundestagswahlkampf leider noch keine so große Rolle, hat doch aktuell die Aufmerk- 1. Die Landesregierung drückt sich um die Verantwortung. samkeit auf dieses gesellschaftspolitisch so wichtige The- Seit 2010 gab es im Landesgesetz über Wohnformen und ma in den letzten Wochen stark zugenommen. Ich denke, Teilhabe eine Regelung, die eine verpflichtende Prüfung das begrüßen wir alle, insbesondere die Gesundheitspoliti- von Einrichtungen durch das Landesamt für Soziales vor- ker in diesem Haus. sah. Diese Regelung hatte die damalige SPD-Regierung mit Sozialministerin Dreyer selbst vorgeschlagen. Mit Wir- Auch die Initiative unserer Landespflegekammer mit dem kung zum März 2016 hat das Land die eigene Regelung Deutschen Pflegerat und der Bildung einer Gründungs- wieder kassiert. Seitdem gibt es eine Regelberatung statt konferenz für eine Bundespflegekammer dürften in Berlin einer Regelprüfung. Anstelle von regelmäßigen Kontrollen gehört worden sein und in die Sondierungsgespräche be- wird die Behörde nur noch bei Beschwerden oder konkre- ziehungsweise Koalitionsverhandlungen einfließen. ten Hinweisen auf Mängel tätig.

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2. Der Landtag bleibt außen vor. Mit der Änderung ent- daran orientieren, wie weit die beanspruchte Qualität und fällt die Verpflichtung der Landesregierung, dem Landtag das Anwendungsmanagement vor Ort in jedem einzelnen Bericht zu erstatten. Damit haben die Fraktionen keine Heim tatsächlich sind und praktiziert werden. Möglichkeiten mehr, einen eventuellen Fortentwicklungs- bedarf zu erkennen. Sie können ihrer Kontrollpflicht nicht Die Landesregierung führt aus, dass Prüfungen und Kon- mehr nachkommen. Das ist weder sachlich noch politisch trollen immer nur einen situativen und begrenzten Einblick zu akzeptieren. in Strukturen und Prozesse der Einrichtungen ermögli- chen – siehe Frage 6. Sehr dürftig fällt auch die Antwort 3. Die Landesregierung bleibt Antworten schuldig. Nach darauf aus, inwieweit eine Analyse von Schwachstellen Berichten wegen des Verdachts auf Schikanieren und Ver- der neuen Regelung erfolgte und Nachbesserung durch- nachlässigen in einer Einrichtung in der Pfalz haben wir geführt wurden – siehe Frage 28. nach Erfahrungen mit dem Verzicht auf die regelhaften Prü- fungen und den messbaren Erfolg der Beratungen gefragt. Sehr geehrte Damen der Landesregierung, Sie stellen die Die Antwort der Landesregierung enttäuscht sehr. Sie hält Weichen in der Pflege falsch. das neue Verfahren zwar für effektiver und zielgerichteter, kann aber hierfür keine Belege liefern. Sie spricht vage (Beifall bei der CDU) davon, dass die meisten Einrichtungen gute Pflege leisten. Wir fragen uns, was mit dem Rest der Einrichtungen ist. Statt den Schwerpunkt scheinbar nur in der Beratung zu sehen und die Gemeindeschwesterplus oder den Persön- (Beifall bei der CDU und des Abg. Michael lichen Pflegemanager zu etablieren, kümmern Sie sich Frisch, AfD) doch erst einmal um die, um die es schon geht. Es geht um die, die pflegende fürsorgliche Hände in den Einrich- 4. Die Ampelregierung erfüllt die eigenen Vorgaben nicht. tungen brauchen: die besonders schutzbedürftigen alten Innerhalb eines Jahres wurden rund 69 % der Einrichtun- Menschen. – gen für Alten- und Eingliederungshilfe beraten. Mit dieser Quote kann die Regierung den Auftrag nach einer min- Pflegeexperten fordern einen besseren Schutz alter und destens jährlichen Beratung für jede Einrichtung, den sie pflegebedürftiger Menschen vor Gewalt. Die Dunkelziffer selbst definiert hat, nicht erfüllen. Sie weiß nach eigenen sei in diesem Bereich hoch, erklärte das Zentrum für Qua- Angaben auch nicht, ob und wie viele zertifizierte, also lität in der Pflege in Berlin anlässlich des Welttags gegen standardisierte Qualitätsmanagements es gibt. Diese Wis- die Misshandlung älterer Menschen am 15. Juni. Ein we- senslücke ist sehr befremdlich. sentlicher Bestandteil der Pflegequalität ist es, sich als (Beifall bei der CDU) pflegebedürftiger Mensch weder physischer noch psychi- scher Gewalt oder aggressivem Verhalten ausgesetzt zu Bisher gab es keine Analysen von Schwachstellen der sehen. neuen Beratungsregelung. Auch Nachbesserungen hat es seit März 2016 offenbar nicht gegeben. Die Landesregie- In der Lebensrealität vieler Pflegebedürftiger wird das rung verweist auf ein bevorstehendes Vergabeverfahren, Recht auf eine solche gewaltfreie Pflege nicht geachtet. liefert hierzu jedoch keine weiteren Informationen. Das Oftmals werden sie beschämt, grob behandelt oder der klingt sehr nach Improvisation. Freiheit beraubt. Die Gründe sind vielfältig. Wir müssen sehr früh hinschauen und dringend die Arbeitsbedingun- 5. Gute Pflege braucht nachhaltige Qualitätssicherung. Um gen der Pflegekräfte verbessern. Wir müssen ohne zu es klar zu wiederholen, es geht nicht um Misstrauen ge- skandalisieren und ohne pauschale Schuldzuweisungen gen die Einrichtungen, ihre Träger und die Beschäftigten. das Thema enttabusieren und in den neuen Pflegenoten Diese leisten hochwertige und verantwortungsvolle Arbeit. die Gewaltpräventionsmaßnahmen berücksichtigen. Es geht vielmehr darum, sie in ihrem Bemühen um eine gute Qualität nachhaltig zu unterstützen und vorhandene DIE RHEINPFALZ schrieb am 17. März dieses Jahres, Potenziale zur Qualitätssicherung besser zu nutzen. Dafür dass es sich die Landesregierung zu einfach gemacht hat. ist es selbstverständlich notwendig, einzelne negative Ent- Sie schrieb: Die Verantwortung alleine an die Einrichtungs- wicklungen frühzeitig zu erkennen und abzustellen. Um es leitungen abzuschieben, eine bessere Personalauswahl einfach zu sagen, messbare Qualitätssicherung dient der und strenge Kontrollen anzumahnen, ist zu einfach. Der Nachhaltigkeit einer guten Pflege. Speyerer Fall zeigt, dass Vorgesetzte nicht mehr alles mit- bekommen. Aushänge und Beschwerdetelefone sind eine (Beifall bei der CDU) nette Idee, lösen aber nicht das Problem.

Brauchen die oft hilflosen Pflegebedürftigen und ihre An- Ich komme zum Schluss. Wir sind mit der von der Regie- gehörigen nicht eine auf gegenseitigem Vertrauen basierte rung beschriebenen Wahrnehmung ihrer Aufsichtspflicht stärkere Kultur des Hinsehens? Nur allein durch Kontrolle nicht zufrieden. Sie konnte uns nicht darstellen, wie die- gibt es natürlich keine Qualitätsverbesserungen. Der Ver- ses in Deutschland einmalige Vorgehen, Regelprüfungen zicht auf Kontrollen kann aber zu Qualitätsrisiken führen, durch Regelberatungen zu ersetzen, zu einem hinreichen- wenn und solange der Beitrag, den die Kontrollen zur Qua- den Schutz der pflegebedürftigen Menschen führt. Wir litätssicherung in den Einrichtungen leisten, nicht wirklich werden diese Entwicklung weiter beobachten und parla- zuverlässig durch andere Systeme als das der Beratung mentarisch weiterhin begleiten. ersetzt wird. Das Ausmaß möglicher Kontrollen muss sich am Schutzbedarf der Bewohnerinnen und Bewohner und Vielen Dank.

2585 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017

(Beifall der CDU) Hier arbeiten Menschen, die jeden Tag und jede Nacht an sieben Tagen in der Woche auch unter schwierigen Bedingungen, die wir alle kennen, ihr Bestes geben, um Vizepräsident Hans-Josef Bracht: die ihnen anvertrauten Menschen – seien es alte pflege- Für die Fraktion der SPD spricht nun Frau Abgeordnete bedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderung – Dr. Machalet. gut und vor allem würdevoll zu betreuen. Man kann es gar nicht oft genug sagen: Hierfür gebührt ihnen allerhöchster Respekt und großer Dank. Abg. Dr. Tanja Machalet, SPD: (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kol- 90/DIE GRÜNEN) legen! Lieber Herr Wäschenbach, vielen Dank für diesen Vortrag, um noch einmal die Aufmerksamkeit zu erhöhen. Dennoch waren und sind wir alle entsetzt über die Vor- Wir sprechen heute über die Beantwortung zur Großen An- fälle, die sich in einem Seniorenheim in Lambrecht und frage der CDU zur Umsetzung des Landesgesetzes über in einer Wohngruppe für Senioren mit Behinderung in Wohnformen und Teilhabe (LWTG) Speyer ereignet haben. Über beide Vorfälle haben wir im Ausschuss ausführlich gesprochen, und Frau Ministerin (Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE Bätzing-Lichtenthäler hat detailliert geschildert, wie die GRÜNEN: Wir, er nicht!) Beratungs- und Prüfbehörde, nachdem sie Kenntnis dar- über erlangt hatte, vorgegangen ist. – ja, genau – Qualitätssicherung in Einrichtungen mit um- fassendem Leistungsangebot. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, Sie versuchen nun, mit der Großen Anfrage den Zusammenhang herzu- Noch einmal zum Hintergrund: Das Landesgesetz über stellen, dass beide Vorfälle nach der alten Regelung des Wohnformen und Teilhabe regelt bereits seit 2010 im Sinne § 20 hätten verhindert werden können. Dazu möchte ich der UN-Behindertenrechtskonvention und der Charta für drei Anmerkungen machen. ein soziales Rheinland-Pfalz das Leben in Einrichtungen für ältere Pflegebedürftige und für Menschen mit Behinde- Im angesprochenen umfangreichen Beratungsprozess zur rung und setzt klare Qualitätsstandards für die Einrichtun- Novellierung des LWTG wurde erstens intensiv über viele gen und die Arbeit in ihnen. Detailfragen diskutiert, und viele Änderungswünsche und Vorschläge wurden eingearbeitet. Als Stichpunkte möchte In der Großen Anfrage geht es, zumindest vordergründig, ich hier nur das Pooling von Leistungen oder den Fachkräf- um Erkenntnisse, die sich auf die Änderung im LWTG tenachweis mit der Folge eines etwaigen Aufnahmestopps beziehen, so wie sie im Januar 2016 hier nach einem aus- bei Unterschreiten der geforderten Mindestzahl nennen. führlichen Beratungsprozess mit umfassender Anhörung Ein Blick zurück in die Stellungnahmen der Verbände zur im Sozialausschuss beschlossen wurden und zum 1. März und in der Anhörung macht deutlich, dass die Änderung 2016 in Kraft getreten sind. Speziell bezieht sich die An- in § 20, das heißt die Ausweitung des Aufgabenbereichs frage auf § 20 LWTG Allgemeine Bestimmungen über die der Prüfbehörde zu einer Beratungs- und Prüfbehörde, auf Beratung und Prüfung von Einrichtungen. große Zustimmung stieß.

Die Neuregelung sah und sieht vor, dass der Beratungs- Ich zitiere die PflegeGesellschaft Rheinland-Pfalz: Die Fo- und Prüfbehörde nach dem LWTG eine umfassende Bera- kussierung auf die Beratung und das Vertrauen in die tungsaufgabe zukommt. Die Themenliste für die Beratung Verantwortung der Träger für die Sicherung und Weiterent- reicht dabei von Personalfragen über Konzepte und Bera- wicklung wird explizit begrüßt. tung bei Neubauprojekten bis hin zu Fragen der pflegeri- schen Versorgung, der Medikamentenversorgung und der Ähnlich die LIGA der Wohlfahrtsverbände: Dass durch die Beratung der Bewohnervertretung. vorgeschlagene Änderung des LWTG nicht nur der Bera- tung ein größeres Gewicht beigemessen wird, sondern Von März 2016 bis März 2017 – so lässt sich der Anfrage dass die Beratung sogar Vorrang vor der Aufsichtsfunktion entnehmen – hat die Beratungs- und Prüfungsbehörde erhält und dass Prüfungen nur noch anlassbezogen erfol- nach dem LWTG in 494 Einrichtungen Regelberatungen gen, ist aus unserer Sicht zu begrüßen. durchgeführt. Ich möchte hinzufügen, Prüfungen – das ist das, was Sie kritisieren – können dann jederzeit durchge- In der abschließenden Beratung der Gesetzesnovelle im führt werden, wenn der zuständigen Behörde Beschwer- Januar 2016 hat die CDU zweitens einen Entschließungs- den oder Hinweise auf Mängel gemeldet werden. antrag mit vielen Kritikpunkten und Änderungsvorschlägen vorgelegt, wobei es mehr Kritikpunkte als Änderungsvor- Lassen Sie mich, bevor ich noch einmal näher auf die schläge waren. Ein Bezug zu § 20 oder Kritik an der Neu- Ausführungen von Ihnen, Herr Wäschenbach, eingehe, regelung sucht man in diesem Antrag vergeblich. Im Ge- zunächst festhalten: Wir haben in Rheinland-Pfalz eine genteil heißt es dort: „Entwicklung und Weiterentwicklung hervorragende Pflegelandschaft und eine hervorragende neuer Wohnformen sind zu unterstützen.“ „Einrichtungen Betreuungslandschaft. Die Einrichtungen leisten bis auf und Leistungsanbieter müssen dabei unterstützt werden, wenige Ausnahmen – das haben Sie angemerkt –, um die die Folgen des Fachkräftemangels zu bewältigen.“ „Die es in den Beratungs- und Prüfprozessen genau geht, her- Einrichtungen brauchen mehr Freiraum für Entwicklungen.“ vorragende Arbeit und sind bemüht, ihren Bewohnerinnen „Anstatt Einrichtungen, wie im Gesetzentwurf der Landes- und Bewohnern ein gutes Zuhause zu bieten. regierung geschehen, zu überfordern, gilt es politisch auf

2586 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 ihre Kompetenz zu setzen.“ – Ich muss sagen, nichts an- Prozess und eine dauerhafte Aufgabe. Das Land unter- deres wird mit der Beratungs- und Prüfbehörde geleistet. stützt die Einrichtungen in vielfältiger Weise als Partner und Berater. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Schaut man wiederum in die Beantwortung der Großen Beratungs- und Prüfbehörde sind in den Einrichtungen Anfrage, welche Themen und Fragestellungen dort bear- anerkannt, gerade weil sie nicht als Pflegepolizei wahrge- beitet werden – darauf bin ich schon eingegangen –, kann nommen werden. Ich muss sagen, lassen wir sie einfach man festhalten, dass es neben anderen Themen genau in Ruhe ihre Arbeit machen. den genannten Forderungen entspricht, und mehr noch, es kommt nun zu einer intensiveren Befassung mit den (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS einzelnen Themen, als es in den bisherigen Prüfverfah- 90/DIE GRÜNEN) ren erfolgen konnte. Die Aufsichtsbehörde wird inzwischen nicht mehr nur als Kontrollinstanz wahrgenommen, son- Herr Wäschenbach, Sie haben es angesprochen: Es gibt dern als echter Partner, zu dem man Vertrauen hat und mit noch viele Herausforderungen im Bereich der Pflege. Das dem man offen reden kann. Ich muss sagen, ich bin häufig ist richtig. Die größte, die wir derzeit haben, ist wohl die in Pflegeeinrichtungen unterwegs und höre sehr viel Positi- Sicherstellung des Fachkräftebedarfs. Dafür brauchen wir ves über die Arbeit der Beratungs- und Prüfungsbehörde. vor allem eines: Anerkennung und Wertschätzung für die Pflegenden. – Wenn Pflegende sich und ihre Arbeit wertge- Ein Zusammenhang zwischen den Vorfällen in Lambrecht schätzt fühlen und wenn sie nicht permanent unter Stress und der Änderung des Prüfauftrags im LWTG lässt sich und körperlicher Belastung leiden, dann macht das den Be- drittens schon allein deshalb nicht konstruieren, weil die ruf attraktiv und verringert auch die Anfälligkeit für schlech- dortigen Geschehnisse vor der Änderung passierten. Man te Behandlung der zu Pflegenden bis hin zu gewalttätigem muss festhalten, hier waren es nicht die äußeren Umstän- Verhalten. Daran werden und wollen wir weiter arbeiten. de, die die Ursache für die Misshandlungen waren, son- dern ausschließlich kriminelle Energie, gegen die niemand Herzlichen Dank. gefeit ist. (Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Vorfälle in Speyer, die durch die Recherchen der Grup- pe Wallraff aufgedeckt wurden, konnten geschehen, weil es hier zum einen – da es sich um ältere Menschen mit Vizepräsident Hans-Josef Bracht: Behinderung handelte, die kaum noch Angehörige hatten – Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Groß von nur wenige externe Einblicke gab. Zum anderen – das wur- der Fraktion der AfD. de in dem Beitrag Wallraff mehr als deutlich – hat hier vor allem auch die Hausleitung weggeschaut, und man kann (Zurufe aus dem Hause: Pst!) sagen, es gab so etwas wie einen internen Korpsgeist, bei dem auch regelmäßige Prüfungen wohl kaum dazu geführt hätten, Missstände aufzudecken und dann zu beseitigen. Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD:

Als Konsequenz hieraus kann man nur ziehen, dass die Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnetenkollegen! Beim Strukturen, die ein solches Verhalten ermöglichen, aufge- Studieren der Antwort der Landesregierung auf die Große brochen werden müssen, das heißt Stärkung der Selbst- Anfrage der CDU fällt auf, das aktuelle LWTG hat einen kontrolle, Stärkung der sogenannten Kultur des Hinschau- gänzlich anderen Visitecharakter, indem es nämlich nicht ens und Verbesserung der Möglichkeiten für interne und mehr auf unangemeldete Prüfungen der in § 4 des LWTG externe Betroffene, Auffälligkeiten und Fehlverhalten bes- aufgeführten Einrichtungen mit umfassendem Leistungs- ser als bisher auch anonym melden zu können, ohne dass angebot abstellt, sondern vorrangig Beratungen im Vor- – ich glaube, das muss man hinzufügen – es dabei ver- dergrund stehen. Damit nicht genug: Die Termine für die stärkt zu Denunziationen kommt. Beratungen werden dem Träger der Einrichtungen auch noch rechtzeitig bekannt gegeben. Prüfungen werden jetzt Dazu hat die Landesregierung zusätzlich zu der Möglich- nur noch anlassbezogen durchgeführt, was bedeutet, Be- keit, sich jederzeit an die Beratungs- und Prüfbehörde schwerden oder Hinweise auf Mängel der Prüfung müssen wenden zu können, seit Juni 2017 ein landesweites Be- vorausgegangen sein. – schwerdetelefon mit einer einheitlichen Rufnummer beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung einge- Die Landesregierung muss sich daher auch einige Fra- richtet, an das sich jeder auch anonym wenden kann. Ich gen gefallen lassen, und zwar inwiefern das Änderungsge- finde, es ist auch unsere Aufgabe, diese Möglichkeit breit setz zum LWTG die Prüfungsverantwortung der Beratungs- zu kommunizieren und auch breit zu bewerben. und Prüfbehörde nach dem LWTG deutlich geschärft und gestärkt hat, wie sie in ihrer Antwort behauptet. Welche Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch einmal, wir haben Messgröße wird für dieses Urteil der Schärfung und Stär- in Rheinland-Pfalz eine qualitativ hochwertige Pflegeland- kung herangezogen? Will die Landesregierung denn hier schaft mit Anbietern, die ein sehr großes Interesse daran ernsthaft behaupten, der Wegfall von Regelprüfungen zu- haben, die Qualität zu erhalten, an der Qualität zu arbeiten gunsten vorangekündigter Beratungstermine führe dazu, und diese weiterzuentwickeln. Fest steht aber auch – und von deutlich geschärft oder gestärkt sprechen zu können? dieser Satz hat sich mir doch sehr eingeprägt –, Qualität kann man nicht in Einrichtungen hineinprüfen. Die Überführung unangekündigter Prüfungen in angekün- digte Beratungen zeugt höchstens von einer Aufweichung Qualitätsentwicklung und -sicherung sind ein dauerhafter in Bezug auf die Verantwortung der Beratungs- und Prüfbe-

2587 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 hörde dem Träger der Einrichtung und den Pflegepersonen Die Steuerfahndung kommt doch auch nicht und sagt, in gegenüber. Da hilft es auch nichts, wenn laut Landesregie- drei Wochen sind wir bei Ihnen und prüfen Ihre Akten. Die rung die Beratung nach klaren Standards erfolgt. Gesundheitsämter melden sich auch nicht an, wenn sie in Schnellimbissen Proben nehmen und das Ganze in Au- Auch wenn in der Antwort der Landesregierung die Anzahl genschein nehmen wollen. der Regelprüfungen nach §§ 20 und 21 der ursprünglichen Fassung und die Anzahl der Beratungen im ersten Jahr Dies sind wir – nun wieder bezogen auf die Einrichtun- nach Inkrafttreten des Änderungsgesetzes zum LWTG in gen – den Patienten und den Trägern der Einrichtungen einer Größenordnung liegen, so stellen aber doch Bera- aber einfach schuldig. Wir dürfen nicht vergessen – das ist tungen im Gegensatz zu Prüfungen zunächst auch einen bereits angesprochen worden –, dass sich in Einrichtun- erheblichen qualitativen Unterschied dar. So werden auch gen mit umfassendem Leistungsangebot Menschen finden, die aus dem Ergebnis der Prüfung ableitbaren Konsequen- die aufgrund ihrer Einschränkungen besonderer Fürsorge zen in der Antwort klar und unmissverständlich benannt, bedürfen und somit auch in einem besonderen Abhängig- und man spricht an dieser Stelle davon, dass es früher keitsverhältnis stehen. In einer derartigen hochsensiblen nach den Prüfungen Vereinbarungen gegeben hat und An- und sozial komplexen Situation wie in diesen Einrichtungen ordnungen getroffen werden mussten. Anders sieht es nun besteht leider auch – das ist menschlich – ein erhöhtes heute bei den Beratungen aus. Hier ist die Konsequenz Konfliktpotenzial, das im schlimmsten Fall zu Ereignissen nach dem Beratungsgespräch dann, dass man unterstützt, führen kann, wie sie etwa im vergangenen Jahr in Speyer begleitet und berät. aufgedeckt wurden.

Im Zusammenhang damit kommentiert dann auch der Selbst wenn ein Großteil der 272 Einrichtungen bisher Rechtsanwalt Jörn Bachem von der Kanzlei Iffland Wisch- wenige bis keine Beanstandungen hervorruft, ist diese newski die Neuerungen im LWTG als „Weiterentwicklung Tatsache wohl noch auf die lange Jahre zuvor durchgeführ- rückwärts“. Das einst fortschrittliche LWTG, meint er, wer- ten unangemeldeten Regelprüfungen zurückzuführen. Wir de nun dahin gehend geändert, dass Einrichtungen ihr werden daher genau beobachten, wie sich die vorgenom- Personalvolumen sowie ihre Fachkraftquote nicht mehr nur menen Änderungen des LWTG langfristig auf die Abläufe jährlich, sondern quartalsweise zum Monatsende selbst in den Einrichtungen auswirken. prüfen und bei Unterschreitungen der Beratungs- und Prüf- behörde anzuzeigen haben. Das zeigt uns, dass sich das Vielen Dank, meine Damen und Herren. Land aus der Verantwortung zur Prüfung zurückgezogen hat. Als Legitimationsgrund für den Rückzug führt die Lan- (Beifall der AfD) desregierung die Erkenntnis auf, die früheren unangekün- digten Prüfungen seien rückblickend betrachtet undifferen- ziert zu bewerten. Wir haben es auch gerade von Frau Vizepräsident Hans-Josef Bracht: Kollegin Dr. Machalet gehört, rückwirkend hat sich das Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Weber von der Frak- alles gar nicht als Effizienz erwiesen. tion der FDP. In der Konsequenz hat sie nun ihre Verantwortung dem Trä- ger der Einrichtung auferlegt, sozusagen als Prüfung zur Abg. Marco Weber, FDP: Selbstprüfung. Wo sind die Evaluationsergebnisse, muss gefragt werden, die die Undifferenziertheit belegen, welche Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kol- zu einem Umdenken von der Prüfung zur Beratung geführt legen! Lassen Sie mich eines gleich vorweg sagen: Die haben? Qualität der Pflegeeinrichtungen in Rheinland-Pfalz ist ins- gesamt gut, und es gibt keinen Anlass, daran zu zweifeln. Auch verfehlt das Argument in der Antwort der Landesre- Dennoch haben wir als Ampelkoalition natürlich den An- gierung auf die Große Anfrage, durch die Ausschaltungen spruch, diese Qualität zu sichern und noch weiter zu erhö- von Regelprüfungen intensiver anlassbezogen prüfen zu hen. können. Wer soll diese Logik noch verstehen? Beides, Re- gelprüfungen sowie Anlassprüfungen, schließen sich doch Mit dem Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe gegenseitig überhaupt nicht aus. In der zurückliegenden wurde ein Paradigmenwechsel bei der Qualitätssicherung Fassung des LWTG war es doch sechs Jahre lang möglich in Pflegeeinrichtungen eingeleitet. Es sollte aber nicht so gewesen. dargestellt werden, als würden seitdem keine oder nur lo- se unverbindliche Maßnahmen zur Aufsicht, Überprüfung Das aktuelle LWTG bedeutet einen Qualitätsverlust bezüg- und Verbesserung der Einrichtungen von Landesseite aus lich der Überprüfungen der in § 4 des LWTG aufgeführten stattfinden. Einrichtungen mit umfassendem Leistungsangebot. Wir, die AfD, halten die Abschaffung unangekündigter Regel- Die Themen der für die anlassunabhängigen Prüfungen prüfungen zugunsten angemeldeter Beratungen für kein eingesetzten Regelberatungen decken genau die Gebie- geeignetes Instrument, aktuelle problematische Vorfälle, te der vorherigen Prüfungen ab. Die Gespräche können Unzulänglichkeiten oder aktuelle Missstände in Einrichtun- wesentlich individueller und zielgerichteter auf die einzel- gen aufzudecken. Insbesondere unangekündigte Überprü- nen Bedarfe der Einrichtungen eingehen. Die konstruktive fungen – und doch nur sie – bei Einrichtungen können Atmosphäre bei den Beratungen und der erhöhte Kontakt doch den gegenwärtigen Ist-Zustand besser erfassen. zwischen Behörden und Trägern sorgen für eine hohe Ak- zeptanz der vereinbarten Maßnahmen. Gleichzeitig lassen (Beifall der AfD) die durch die Abschaffung der Regelprüfungen freigewor-

2588 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 denen Kompetenzen und Ressourcen deutlich intensivere (Beifall der FDP, der SPD und des und durch die Anlassbezogenheit fokussiertere Prüfungen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu. Vizepräsident Hans-Josef Bracht: Darüber hinaus werden in der Anfrage die Qualitätsprü- fungen des MDK Rheinland-Pfalz angesprochen. Diese Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nun finden nach wie vor in der gleichbleibenden Intensität statt. Herr Abgeordneter Köbler. Wir sind weit davon entfernt, diese Prüfungen als Ersatz für die Beratungen oder die anlassbezogenen Prüfungen zu sehen. Sie liefern aber wichtige Ansatzpunkte für die Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Beratungsgespräche. Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Wäschenbach, Sie haben am Anfang Die Pflegenoten aus den MDK-Prüfungen sind allein nicht Ihrer Ausführungen einiges zu der Situation in der Pflege ausreichend zur Bewertung der Pflegeeinrichtungen; den- und zu Herausforderungen in der Pflege gesagt sowie zu noch zeichnen sie ein insgesamt positives Bild der Pflege- Herausforderungen, was das Thema Qualitätsentwicklung einrichtungen in Rheinland-Pfalz. in der Pflege sowie das Thema Transparenz von Einrich- Ich kann die Auffassung, dass die Träger durch Regelprü- tungen angeht. Sie haben auch über das schwierige, aber fungen zur Einhaltung von Qualitätsanforderungen mehr wichtige Thema Gewalt in Einrichtungen und Gewalt in oder weniger gezwungen werden müssten, nicht nachvoll- der Pflege gesprochen. Ich glaube, dies sind wichtige ge- ziehen. Es liegt doch gerade im ureigenen Interesse der sellschaftliche und politische Themen, und es kann keiner Träger, die Qualität ihrer Einrichtungen immer weiter zu anzweifeln, dass wir uns damit in der Vergangenheit aus- verbessern. Das zeigt sich auch durch die hohe Koopera- einandergesetzt haben, aber auch in der Zukunft noch tionsbereitschaft der Einrichtungen bei Beratungsgesprä- weiter auseinandersetzen müssen. chen. Hier werden nicht einseitig Belehrungen von der Beratungsbehörde ausgesprochen, sondern auch die Ein- Es mag nun Ausfluss Ihrer Veranstaltung von vorgestern richtungen bringen Fragen oder Anliegen ein, bei denen gewesen sein, aber ich muss Ihnen ehrlicherweise sagen, sie sich Rat und Unterstützung zum Wohle der zu Pflegen- mir ist durchaus aufgefallen, dass Sie in den 32 Fragen, den erhoffen. In diesem vertrauensvollen Gesprächsum- die Sie an die Landesregierung gerichtet haben, fast gar feld können Probleme oder Herausforderungen, vor denen keine Frage dazu gestellt haben. Ich habe zuerst gedacht, die Träger stehen, wesentlich tiefer und vor allen Dingen es sei überhaupt keine Frage darunter, aber dann habe wesentlich kooperativer angegangen werden, als dies im ich doch eine gefunden. Da ich aber meiner Kollegin, die Rahmen von Regelprüfungen möglich war. für das Thema Pflege zuständig ist, inhaltlich nicht allzu viel wegnehmen möchte, möchte ich einfach nur darauf Diese Beratungsgespräche sind auch kein zahnloser Tiger. hinweisen, was die Landesregierung auf die Frage Num- Zum einen zeigt sich, dass die Akzeptanz für die im Ge- mer 13 antwortet. In der Antwort wird aufgeführt, dass spräch vereinbarten Verbesserungen sehr hoch ist. Zum beim Thema Qualitätssicherung nach dem Elften Buch anderen besteht weiterhin eine Umsetzungspflicht von ver- Sozialgesetzbuch ein umfassender Weiterentwicklungs- einbarten Maßnahmen und die Möglichkeit zu vertragli- bedarf festgestellt wird und deswegen der Bundesgesetz- chen Vereinbarungen und zum Erlass von Anordnungen. geber den Qualitätsausschuss nach § 113 b des Elften Buches Sozialgesetzbuch verpflichtet hat, entsprechen- Die Reform der Überprüfungen von Pflegeheimen in Zu- de Grundsätze aufzustellen und auch der entsprechende sammenhang mit den aufgedeckten Missständen zu brin- Bundesausschuss damit beauftragt ist, Qualitätskriterien gen, ist Augenwischerei. Vorwürfen wie bei der Einrichtung vorzulegen, zu diskutieren und zu entwickeln. der Lebenshilfe in Speyer gilt es, konsequent nachzugehen und geeignete Maßnahmen zur zukünftigen Prävention Das bedeutet, Sie haben recht mit den Fragestellungen, einzuleiten. Dies wird durch das Land getan. Im angespro- die Sie in den Raum werfen, und Sie haben recht damit, chenen Fall wurde das in zwei Ausschüssen auch deutlich dass dies eine wichtige Diskussion ist, aber Sie sind am und konkret dargelegt. falschen Ort. Dies ist eine Aufforderung an den Bundesge- setzgeber – an dieser Stelle vielen Dank, dass Sie mich So bedauerlich dieser Zwischenfall war, es bleibt doch an den Namen des Ministers erinnert haben; ich hatte ihn festzuhalten, es war ein Einzelfall. Es ist naiv zu glauben, zwischenzeitlich vergessen –, und ich möchte Ihnen auch dass solche Einzelfälle durch Regelprüfungen gänzlich sagen, dass diese Diskussion auf Bundesebene längst verhindert werden könnten. Eine lückenlose Überprüfung läuft und wir nun auf die Ergebnisse warten und sie bun- ist weder zeitlich noch strukturell realistisch, völlig unab- desweit auch entsprechend diskutieren, um sie dann zu hängig von der Umsetzung des Prüfungsauftrags. verabschieden und umzusetzen, um dann auch bundes- weit noch bessere Standards bei der Qualitätsentwicklung Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Antwort auf der Pflege zu bekommen. Ich finde, das ist ein wichtiges die Große Anfrage zeigt, dass die Landesregierung bei Thema, aber es ist eben nicht Gegenstand Ihrer Anfrage der Qualitätssicherung in Pflegeeinrichtungen einen inno- gewesen. vativen, konstruktiven und die Träger einbindenden Weg verfolgt. Auf diesem Weg möchten wir, die FDP-Fraktion Ich möchte auch noch ganz kurz darauf eingehen, was Ihr und die Ampelkoalition, die Regierung weiter unterstützen. Kernkritikpunkt an der Fortentwicklung des LWTG war. Sie sagen, dass Zustände, wie sie das Team Wallraff bei der Vielen Dank. Einrichtung der Lebenshilfe in Speyer aufgedeckt hat, et-

2589 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 was damit zu tun hätten, dass der Landesgesetzgeber und recht gestärkt werden, dass sie wirklich auch etwas bei im Übrigen nicht die Landesregierung – darauf bestehe ich der Alltagsgestaltung zu sagen haben und sie gemeinsam als Parlamentarier ein wenig – im Frühjahr 2016 die anlass- mit der Leitung und den Mitarbeitervertretungen auf Au- lose Regelprüfung durch die Qualitätsberatung ersetzt hat. genhöhe entsprechend anerkannt werden und die Dinge Frau Kollegin Dr. Machalet hat bereits auf den Umstand mit diskutieren. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. hingewiesen, dass die Zustände, die wir dort gesehen haben, immer noch unter das Regime der anlasslosen Re- Nicht zuletzt möchte ich das nennen, was wir auch im gelprüfungen gefallen sind, weil sie im Wesentlichen vor Ausschuss vorgeschlagen haben und zu dem auch das der Wirksamkeit der Gesetzesänderung 2016 datieren. Es Ministerium gemeinsam mit dem Landesamt gehandelt kann also schon zeitlich gar nicht sein. Missstände können hat, dass man nämlich dahin kommt, dass es anlassbezo- nicht auf ein Gesetz zurückzuführen sein, das erst nach gene Prüfungen gibt und das Landesamt diese Anlässe diesen Missständen in Kraft getreten ist. auch mitgeteilt bekommt und es nicht eines Recherche- teams bedarf. Das bedeutet zum Beispiel einen Ausbau Der zweite Punkt ist aber, wenn Sie sich diese Sendung von Hotline-Systemen, in denen man sich entsprechend in Gänze anschauen, sehen Sie auch, dass Herr Wallraff anonym melden kann. keineswegs nur den einen Fall aus Rheinland-Pfalz be- schrieben hat, sondern in der gleichen Sendung ist über Oft ist es in einem System so, in dem über Jahre solche einen schockierenden Fall aus Leverkusen und der dor- Missstände aufgetreten sind und sozusagen über Jahre tigen Lebenshilfe berichtet worden. Ich denke, Ihre geo- eine Kultur des Wegschauen etabliert ist, dass jeder Zeu- grafischen Kenntnisse reichen so weit, dass Sie wissen, ge auch ein Stück weit mit schuldig geworden ist. Aus dass Leverkusen nicht in Rheinland-Pfalz liegt, sondern in so etwas kann man nur dann ausbrechen, wenn man ei- Nordrhein-Westfalen. ne Möglichkeit gibt, dass jemand sagt: Okay, ich kann das nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren, ich Nordrhein-Westfalen kennt die unangekündigten Regel- muss irgendwo anrufen können, ohne sofort um meinen prüfungen in der entsprechenden Gesetzgebung. Allein Arbeitsplatz, meine Reputation und so weiter bangen zu schon in der einen Sendung wurde deutlich, dass wir einen müssen. – Ich glaube, das ist ein guter Weg, dass man die großen Missstand sehen, der schockierend ist und sich Möglichkeiten weiterhin ausbaut. so auch nicht wiederholen soll, bei dem wir alles dafür tun müssen, dass er sich nicht wiederholt. Aber er zeigt, Es bringt überhaupt nichts, die über 600 Einrichtungen, die dass Ihr einfacher Lösungsvorschlag total ins Leere führt, wir in Rheinland-Pfalz haben, jetzt wieder unter General- weil es dort, wo es ihn gibt, auch zu solchen Vorfällen verdacht zu stellen, dass man unangemeldete Prüfungen gekommen ist. Keineswegs haben unangemeldete Über- macht, die es in der Vergangenheit nicht vermocht haben, prüfungen der Einrichtung dazu geführt, dass es nicht zu solche Zustände entsprechend zu verhindern. Es ist viel solchen Missständen gekommen ist. Es gilt wieder einmal: wichtiger, die Qualitätsentwicklung weiter zu betreiben. Da- Für jedes größere Problem gibt es immer eine Lösung, die für brauchen wir alle Beteiligten. Wir brauchen die Träger, erst einmal einfach klingt, aber am Ende auch gar nichts wir brauchen die Leitungen, wir brauchen die Mitarbeiterin- bringt. nen und Mitarbeiter und nicht zuletzt auch die Betroffenen in den Einrichtungen. In diesem Sinne sollten wir weiterhin (Präsident Hendrik Hering übernimmt den an der Qualität in der Pflege und den Einrichtungen für Vorsitz) Menschen mit Behinderungen arbeiten. Genau das ist hier der Fall mit dem, was Sie vorschlagen. Vielen Dank.

Was müssen wir stattdessen tun? Wir hatten dazu in den (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ausschüssen eine gute Gelegenheit, miteinander zu disku- der SPD und der FDP) tieren. Es ist alles zeitlich schon ein bisschen her. Ich kann aber auf das verweisen, was zum Beispiel der Landesbei- rat für die Teilhabe behinderter Menschen dazu formuliert Präsident Hendrik Hering: hat. Ich denke, es ist ganz wichtig, auf die zu hören, die Für die Landesregierung spricht Staatsministerin Frau von solchen Vorfällen betroffen sind. Bätzing-Lichtenthäler. Sie sagen zum Beispiel, ein ganz wesentlicher Punkt ist, dass wir beim Thema Inklusion auch bei den Einrichtun- Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, gen ein Stück weiterkommen müssen. Es ist ganz klar, Arbeit, Gesundheit und Demografie: wenn wir Einrichtungen öffnen, wenn wir kleinere Einheiten schaffen und sie sozusagen wieder mehr in den Sozial- Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kolle- raum zurückholen, also in die Stadt, in die Gesellschaft gen! Das Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe oder in die Gemeinde, dann gibt es wieder eine bessere zielt im Wesentlichen darauf ab, ältere Menschen, voll- Kultur des Hinsehens, damit sich ein solcher Geist, wie wir jährige Menschen mit Behinderung und pflegebedürftige ihn dort gesehen haben, nicht entwickeln kann. volljährige Menschen in ihrer Würde zu achten und ihnen Schutz zu gewährleisten. Dabei steht die Gewährleistung Ein zweiter Punkt, den ich ganz wesentlich finde, ist die dieses Schutzes in einem engen Zusammenhang mit dem Stärkung der Selbstbestimmung der Betroffenen, und zwar Grad ihrer Abhängigkeit. Das bedeutet also, je größer die sowohl in Pflegeeinrichtungen als auch in Einrichtungen Abhängigkeit des Menschen in einer Einrichtung ist, desto der Behindertenhilfe. Diese müssen in ihrem Mitsprache- höher ist sein Schutzbedürfnis.

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(Abg. Hedi Thelen, CDU: Sehr gut!) men und Teilhabe orientiert und daraus den Auftrag an die Beratungs- und Prüfbehörde entsprechend formuliert. Die Weitere Ziele des Gesetzes sind aber auch, die Selbstbe- Landesregierung vertraut darauf, dass die Träger der Ein- stimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der richtungen grundsätzlich eine gute Arbeit machen und eine Menschen in den Einrichtungen zu stärken und ebenso gute Qualität in ihren Einrichtungen erbringen und auch die Qualität der Einrichtungen zu sichern und weiterzuent- garantieren wollen. Beratungsbesuche, die mit den Trä- wickeln. gern oder Leitungen der Einrichtungen abgestimmt sind, stärken dieses Vertrauen im Sinne eines partnerschaftli- Träger von Einrichtungen sind also per Gesetz verpflichtet, chen Prozesses. liebe Kolleginnen und Kollegen, die Qualität Ihrer Angebo- te und Leistungen nach dem allgemein anerkannten Stand Hierzu hat die Beratungs- und Prüfbehörde von vielen fachlicher Kenntnisse eigenverantwortlich zu gestalten und Trägern ein positives Feedback erhalten. Ja, Träger oder weiterzuentwickeln. Leitungen von Einrichtungen wenden sich proaktiv an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beratungs- und Prüf- Sehr geehrte Kollegin Frau Dr. Groß, diese Verantwortung behörde und fordern eine Beratung zu unterschiedlichen hatten die Träger immer schon inne. Mit dem Landesgesetz Themen ein. über Wohnformen und Teilhabe und dem seit März 2016 geltenden Änderungsgesetz wurde diese Verantwortung Meine Damen und Herren, diese positive Entwicklung zeigt, der Träger von Einrichtungen nochmals gestärkt, auch, dass mit einer Begegnung auf Augenhöhe zielführende Lö- indem die regelhafte Beratung aller Einrichtungen in das sungsansätze entwickelt werden können. Die Umsetzung Gesetz aufgenommen wurde. liegt dabei weiterhin in der Verantwortung der Träger von Einrichtungen. Im Sinne dieser Qualitätsverantwortung und in dem Wis- sen, dass – ich zitiere Professor Dr. Klie aus dem LWTG- Mit dem Änderungsgesetz zum Landesgesetz über Wohn- Evaluationsgutachten – man Qualität nicht in Einrichtungen formen und Teilhabe wurde jedoch auch der Katalog der hineinprüfen kann, sondern die Qualitätsverantwortung ordnungsrechtlichen Maßnahmen der Beratungs- und Prüf- zentral bei den Trägern liegt, gilt es, Träger zu unterstüt- behörde deutlich gestärkt und auch geschärft. Es ist mir zen, zu würdigen und aufmerksam zu begleiten. wichtig, noch einmal zu betonen, dass dann, wenn eine Einrichtung dieses Vertrauen in die eigene Qualitätsver- Die Befragung und Workshops, die im Rahmen dieser Eva- antwortung missbraucht und Hinweise auf Mängel oder luation durchgeführt wurden, ergaben, dass die Beratungs- Beschwerden auftreten, die Beratungs- und Prüfbehörde und Prüfbehörde als kompetente Ansprechpartnerin ge- die Einrichtung unangemeldet, umfangreich und sehr diffe- schätzt wird. Es herrscht die Überzeugung vor, dass sie in renziert auch prüft. der Lage ist, bei angekündigten Besuchen die Stärken und die Schwächen einer Einrichtung zu erkennen. Das wurde Sie wird dann bei Mängeln die Einrichtung mit den entspre- auch von Herrn Professor Dr. Klie aufgrund der von ihm chenden ordnungsrechtlichen Maßnahmen zwingen, die begleiteten Begehung der Beratungs- und Prüfbehörde notwendigen Veränderungen umgehend anzugehen und ausdrücklich bestätigt. umzusetzen.

Professor Dr. Klie gibt in seinem Gutachten insbesonde- Herr Wäschenbach, von daher sehen wir ganz deut- re zwei Empfehlungen, um Qualität in Einrichtungen zu lich zwei Schwerpunkte, die in den Aufgabenbereich der sichern. Zum einen ist dies die beschriebene Qualitätsver- Beratungs- und Prüfbehörde fallen. antwortung der Träger. Zum anderen ist es die Weiterent- wicklung und Stärkung der zivilgesellschaftlichen Verant- Mit diesen Instrumenten des Ordnungsrecht zur Abwehr wortung, die – ich zitiere – für die Qualität der Versorgung von Gefahren einerseits ihrer Mitbürger eine wesentliche Voraussetzung für eine Kultur der Hilfe ist, und ein öffentlicher Diskurs um Fragen, (Abg. Michael Wäschenbach, CDU: Ist das was Qualität in der Versorgung von Menschen mit Behin- denn schon einmal angewandt worden?) derungen und Menschen mit Pflegebedarf ausmacht. und der Beratung zur Qualitätsentwicklung andererseits ist Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gilt also, die die Beratungs- und Prüfbehörde so ausgestattet, dass sie Tätigkeit der Beratungs- und Prüfbehörde in ihrer Aufsichts- jederzeit situationsgerecht agieren kann. wahrnehmung zu differenzieren. In Einrichtungen, in denen die Unterstützung, die Betreuung und Pflege der Bewoh- Meine Damen und Herren, neben unserer Diskussion auf nerinnen und Bewohner gut ist, steht die Beratung der Landesebene sehe ich auch auf Bundesebene Raum für Einrichtung auf ihrem Weg bei der Weiterentwicklung ihrer rechtliche Änderungen. Auch dies möchte ich heute hier Qualität im Vordergrund. Diese Beratung erfolgt dann indi- erwähnen. Wer im Bereich der Pflege tätig ist, wer in dieser viduell an den Themen und Fragestellungen ganz speziell Form mit Menschen arbeitet, der genießt ein besonderes auf die Einrichtung zugeschnitten. Vertrauen. Er verspielt dieses Vertrauen, wenn er eine ein- schlägige Straftat begangen hat. Dafür muss der Bund den Bei Qualitätsmängeln greift die Aufsicht konsequent mit gesetzlichen Rahmen schaffen. Deswegen setze ich mich den entsprechenden ordnungsrechtlichen Mitteln ein. auch auf Bundesebene dafür ein, dass die Vorlage von erweiterten Führungszeugnissen auch in der Pflege zur An diesen Empfehlungen hat sich die Landesregierung Pflicht wird und die darin aufgeführten Straftaten auch in beim Änderungsgesetz zum Landesgesetz über Wohnfor- Bezug auf die Pflege überprüft werden.

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Meine sehr geehrten Damen und Herren, wichtig ist mir Meine Damen und Herren, die Landesregierung setzt mit noch ein weiterer Ansatz, der große Bedeutung für ein dem Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe auf gelingendes Miteinander in Einrichtungen hat. Professor partnerschaftliche Prozesse und eine grundsätzlich ver- Dr. Klie bezeichnet ihn als Kultur der Hilfe und versteht trauensvolle Zusammenarbeit. darunter das Engagement von Ehrenamtlichen, von An- gehörigen, von Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern und Sie steht für einen offenen und konstruktiven Dialog mit auch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder anderen allen Partnerinnen und Partnern im Bereich der Pflege. Besuchern der Einrichtung. Dazu gehören selbstverständlich auch die Verbände der Träger von Einrichtungen. Die Kultur der Hilfe steht damit für eine Zivilgesellschaft als Mittlerin, für eine gute Sorge und für ein gutes Mit- Wenn also alle Seiten zu einem offenen und kritischen und Füreinander in Einrichtungen. Wir als Zivilgesellschaft Dialog bereit sind, können wir gemeinsam dafür Sorge tra- müssen also mit dazu beitragen, dass sich die Einrichtung gen, dass Menschen, die auf Unterstützung angewiesen im Sinne der Inklusion öffnet, zum Beispiel durch Besuche, sind, in Einrichtungen qualitativ gut versorgt und gepflegt durch Mitarbeit und das Dabeisein in Einrichtungen bei werden und in Würde leben können. den Bewohnerinnen und Bewohnern. Vielen Dank. So kann ein Eindruck von der Atmosphäre, vom Umgang, (Beifall der SPD, der FDP und des dem Miteinander und auch der Qualität in einer Einrich- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tung gewonnen werden; denn Zivilgesellschaft in diesem Sinne nimmt die Qualität einer Einrichtung mit ihrer jeweils eigenen Sichtweise wahr und kann positive Entwicklungen, Präsident Hendrik Hering: aber möglicherweise auch Dinge, die einer Veränderung Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Thelen das und Verbesserung bedürfen, oder auch Mängel und Miss- Wort. Ihnen steht noch eine weitere Minute aufgrund der stände erkennen. Redezeit der Landesregierung zu.

Dies dann mit den Leitungen der Einrichtungen oder mit den Trägervertretern zu besprechen, ist der direkte Weg, Abg. Hedi Thelen, CDU: um Lob, Anregungen oder Kritik zu äußern und damit zu Veränderungen beizutragen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Präsi- dent! Sehr geehrte Frau Ministerin und auch liebe Kollegin Machalet, ich will erst noch einmal auf den Ursprung un- Dazu sind ein gutes Beschwerdemanagement und eine gu- serer Großen Anfrage eingehen. Sie haben 2016 unser te Fehlerkultur seitens der Träger bzw. der Einrichtungen Landeswohn- und -teilhabegesetz in einem entscheiden- notwendig. Dann ist es für Bewohnerinnen und Bewohner, den Punkt geändert, erstmalig und einmalig in Deutsch- für Angehörige, für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mög- land und damals, nach Ihren Aussagen auch in unseren lich, Probleme offen und niedrigschwellig anzusprechen. Beratungen, durchaus mit dem Eindruck, dass die Tatsa- che, dass Rheinland-Pfalz auf die Regelprüfung verzichtet, Darüber hinaus stehen auch die Mitarbeiterinnen und Mit- große Aufmerksamkeit seitens anderer Bundesländer er- arbeiter der Beratungs- und Prüfbehörde als Ansprech- fahren hat, und der Erwartung, dass auch andere Bundes- partner zur Verfügung. Ihnen können Anregungen und länder nachziehen werden. Beschwerden oder Hinweise auf Mängel auf Wunsch auch anonym mitgeteilt werden. Das ist nicht passiert. Es hat Gründe, weshalb es nicht passiert ist. Ich denke, es waren gerade der Endspurt im Zusätzlich hat die Landesregierung auch ein landesweites Bundestagswahlkampf, die Diskussionen, die auch über Beschwerdetelefon mit einer einheitlichen Nummer ver- die Wahlarenen und die nachfolgenden Medienberichte anlasst, bei dem sich Menschen ebenfalls auf Wunsch aufgekommen sind, aber durchaus auch die dramatischen anonym melden und ihre Hinweise in Bezug auf Probleme Fälle, die wir wahrnehmen mussten, bis zum Morden in und Mängel mitteilen können. Dieses Telefon ist seit Juni der Pflege in Rheinland-Pfalz, aber auch woanders, auch dieses Jahres beim Landesamt für Soziales, Jugend und in Krankenhäusern, mit einem Krankenpfleger, dem bis Versorgung geschaltet. zu 84 Morde unterstellt werden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammen- fassen. Wenn Missstände in Einrichtungen offenkundig Ich denke, deshalb ist es nicht nur unser Recht, sondern sind, so sind Forderungen nach mehr Prüfung und Kon- auch unsere Pflicht als Parlament, jetzt nach einem Jahr trolle durch den Staat verständlich und nachvollziehbar. Gültigkeit dieses Gesetzes zu hinterfragen: War dieser mu- Doch beim zweiten Hinschauen wird klar, Qualität kann tige und einmalige Schritt ein richtiger Schritt? nicht in Einrichtungen hineingeprüft werden. Prüfungen sind notwendig, und Prüfungen sind richtig, um Hinweisen (Beifall bei CDU und AfD) nachzugehen. Aber übergriffiges oder gar kriminelles Ver- halten ist einer direkten Prüfung nicht zugänglich. Nichts anderes versuchen wir mit unserer Großen Anfrage in Erfahrung zu bringen. Es ist sicherlich nicht die letzte Es braucht außerdem Beratung, um Einrichtungen in ih- Diskussion, die wir um dieses Gesetz und seine Wirkung rer Qualitätsentwicklung und auch hin zu einer Kultur der führen werden. Ich glaube, dessen sind wir uns einig: Die- Wertschätzung und der Hilfe zu unterstützen. ser Staat hat eine große Verantwortung, wenn es darum

2592 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 geht, die Qualität in der Pflege und damit den Schutz der wir unsere Zweifel, ob diese Umstellung wirklich so quali- besonders schutzbedürftigen alten Menschen sicherzustel- tativ sinnvoll und richtig geschehen ist, wie es hätte sein len oder dabei zu helfen, sie sicherzustellen. müssen,

Natürlich steht der Staat oder die Landesberatungs- und (Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Genau! – Prüfbehörde nicht am Bett und pflegt. Sie muss aber die Abg. Julia Klöckner, CDU: Sehr gut, Hedi!) Möglichkeit haben, es zu kontrollieren und Einfluss zu neh- um zu Recht auf die Regelprüfung verzichten zu können. men. Das ist die Differenz, an der wir arbeiten müssen. Darüber Ich bin, ehrlich gesagt, ein bisschen überrascht, wenn ich werden wir reden müssen. aus den Äußerungen eine Wahrnehmung der früheren (Beifall bei der CDU) Arbeit der Landesberatungs- und Prüfbehörde in diesem unserem Lande höre, die mehr als verwunderlich ist. Es Ein dritter Punkt, den ich noch ansprechen müsste, ist die ist eine Prüfbehörde, die Ihnen untergeordnet ist. viel beschworene Kultur des Hinschauens. Ich spreche jetzt auch einmal aus eigener Anschauung. Ich denke, je- Ich unterstelle, es sind kompetente und qualifizierte Mitar- der von uns besucht die Altenheime im eigenen Beritt. Man beiter dort. Ihnen dann quasi indirekt zu unterstellen, dass geht hin zu Gratulationen. Man geht hin, weil Menschen, man bei den früheren Regelprüfungen den Einrichtungen die man kennt, dort leben und wohnen, weil sie vielleicht nicht auf Augenhöhe begegnet ist, sondern offensichtlich Geburtstag haben, oder weil man einfach einmal hingeht aus einem Obrigkeitsstaatsverständnis heraus, das kann oder weil es die eigenen Eltern, Onkel oder Tanten sind. ich mir nicht vorstellen. Zu glauben, dass die Nachbarschaft, die Zivilgesellschaft, Hier Schlagworte zu hören, dass man sie wie eine Pfle- gepolizei wahrgenommen habe, halte ich für ein Unding. (Glocke des Präsidenten) Auch im Nachhinein zu sagen, dass jetzt erst durch die Beratung eine differenzierte Prüfung und Beratung möglich der Besuch in der Lage wäre, durch einen Besuch erken- sei, das heißt doch, dass jetzt den früheren Regelprüfun- nen zu können, ob dort die Menschen ordnungsgemäß gen unterstellt wird, sie seien undifferenziert gewesen. Ich gepflegt und betreut werden, halte ich für völlig überzogen. glaube fast, wir haben eine höhere Meinung von Ihrem ei- genen Landesberatungs- und Prüfdienst, als Sie sie selbst (Beifall der Abg. Christine Schneider, CDU) haben. Herr Professor Klie mag seine Verdienste haben, unbestrit- (Beifall der CDU und bei der AfD) ten. Ich halte das aber für eine große Illusion und auch ein Stück Selbstbetrug. Das finde ich wirklich beschämend. Dann wären Sie auch in der Vergangenheit Ihrer eigenen Dienstaufsicht gegen- (Glocke des Präsidenten) über diesen Mitarbeitern nicht gerecht geworden. Diese Zivilgesellschaft sehe ich in der Aufgabe des Staa- Wir haben gefragt: Wie funktioniert heute die Beratung? tes verortet, für die Qualität und den Schutz der Bewohner dort zu sorgen. Mein Kollege hat es gesagt, wir werden an (Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD) dem Thema dranbleiben. Was haben Sie erfahren? Achten Sie darauf, dass auch Vielen Dank. das passiert, was von Frau Machalet durchaus als eines der wichtigen Ziele dieser Änderung des Gesetzes angese- (Beifall der CDU und bei der AfD – hen wird, nämlich die Stärkung der Selbstkontrolle? – Das Abg. Julia Klöckner, CDU: Perfekt! Sehr heißt, darauf hinzuwirken durch eine qualifizierte Beratung, gut!) dass auch die Pflegeeinrichtungen ein eigenes Qualitäts- management einführen. Präsident Hendrik Hering: Sie haben es eben mit dem Begriff einer Fehlerkultur be- Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Da schrieben, was beispielsweise in dem genannten Kranken- kein Überweisungsantrag gestellt ist, hat die Große Anfra- hausfall überhaupt nicht der Fall war, was fürchterlich ist. ge mit der Aussprache ihre Erledigung gefunden. Natürlich muss das so sein. Es sollte das Ziel sein, dass man weiß, mittlerweile haben wir 50 %, die ein solches Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf: Pflegemanagement haben. Wir wollen, dass es am Ende des Jahres 75 % haben. Wir arbeiten daran, dass es ir- gendwann alle haben. Rechtlichen Rahmen der geplanten Autobahngesellschaft des Bundes prüfen – Standort Dann hätten wir das aber doch in den Antworten, die wir Montabaur erhalten von Ihnen bekommen haben, lesen können. Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der CDU) – Drucksache 17/4404–

Das Schlimme ist doch, Sie wissen es nicht. Dort haben Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Oster.

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Abg. Benedikt Oster, SPD: Dafür spricht aus meiner Sicht sehr viel. Montabaur ist über lange Jahre ein etablierter Standort. Er liegt zentral Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! an der A 3 und A 48, und auch die A 61 ist nicht weit Ich mache gar keinen Hehl daraus, ich war von Anfang an entfernt. Wir in Rheinland-Pfalz – das haben wir schon nie ein Freund dieser Infrastrukturgesellschaft. Ich habe öfter gesagt – haben das dichteste Straßennetz in ganz große Bedenken und bezweifle, dass der Bund besser und Deutschland und sind deshalb in diesem Prozess sehr gut schneller planen kann als wir bisher. aufgestellt. Dass es dann am Ende wohl doch möglich ist, eventuell ei- Im selben Atemzug – ich habe es eben schon einmal ge- ne Teilprivatisierung einzuleiten, verärgert mich persönlich sagt – möchte ich noch einmal betonen, dass auch die 13 sehr. Es gibt noch große rechtliche Bedenken, die auch Autobahnmeistereien mit in den gesamten Prozess invol- vonseiten des Bundespräsidenten gerade geprüft werden. viert sind. Sie sind gewachsene Strukturen und stehen für Als ehemaliger Mitarbeiter des LBM sage ich klar und wohnortnahe und leistungsfähige Arbeitsplätze in unseren deutlich: Wir haben uns beim Land als Arbeitgeber und Regionen. Dienstherr sehr wohlgefühlt. Ich bin der Auffassung, dass Deshalb fordern wir die Landesregierung heute auf, sich die Auftragsverwaltung, die über 70 Jahre Bestand hat, ein auf Bundesebene für den Erhalt starkzumachen, beson- bewährtes System war. ders für Montabaur, weil damit der ganze Prozess steht (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS und fällt. Montabaur ist der Dreh- und Angelpunkt. Wir 90/DIE GRÜNEN) brauchen ihn. Deshalb noch einmal, Herr Minister, wir wol- len Ihnen damit sagen, auch im Bundesrat ein klares und Alle 16 Verkehrsminister haben bis zuletzt dagegen an- deutliches Zeichen zu setzen. gekämpft. Das zeigt, dass es auch aus Fachsicht große Bedenken gegen dieses Vorhaben der Bundesregierung Es wurde signalisiert, dass auch die CDU unserem An- gibt und sie bestehen. trag zustimmen kann. Das befürworte ich sehr; denn ich glaube, wir müssen mit einer starken Stimme als Land Wir als Land Rheinland-Pfalz werden eine wichtige Zu- Rheinland-Pfalz sprechen, damit wir eine dieser zehn re- ständigkeit und Entscheidungsbefugnis verlieren. Um es gionalen Dienststellen zu einem späteren Zeitpunkt erhal- genauer zu sagen, wir verlieren die Zuständigkeit über ten. 877 Kilometer Autobahnen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Anscheinend hat das der eine oder andere noch nicht ka- (Beifall der SPD, der FDP und des piert. Letzte Woche im Ausschuss hat ein Kollege der AfD BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) den Staatssekretär gefragt, was denn die Landesregierung langfristig dafür unternimmt, die Autobahnparkplätze aus- zubauen. Man kann noch einmal festhalten, ab dem Jahr Präsident Hendrik Hering: 2021 wird diese Landesregierung gar nichts mehr unter- nehmen, ganz einfach, weil sie die Zuständigkeit entzogen Für CDU hat die Abgeordnete Wieland das Wort. bekommt. Abg. Gabriele Wieland, CDU: All das nutzt aber nichts. Die Situation ist, wie sie ist. Wir müssen sie annehmen; denn es geht schließlich um 700 Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, die Bundes- Mitarbeiter in Rheinland-Pfalz, 140 direkt am Standort in fernstraßengesellschaft ist entschieden. Jammern nützt Montabaur im Autobahnamt und 560 weitere auf den Auto- nichts mehr, Bedenken auch nicht. Es gilt jetzt, die Chan- bahnmeistereien, der Fernmeldemeisterei in Koblenz und cen, die in dieser neuen Gesellschaft enthalten sind, zu dem Baubüro in Wattenheim. Genau deshalb ist unser heben. Antrag heute so wichtig. (Beifall bei der CDU) Die Landesregierung konnte im gesamten Prozess einen wichtigen Meilenstein aus meiner Sicht erreichen, nämlich Wir alle kennen Beispiele für Hemmnisse im Bau und in dass die Beschäftigten, die nicht in die Bundesgesellschaft der Bewirtschaftung der Bundesfernstraßen durch die fö- wechseln wollen, in den Landesdienst übergehen können. derale Aufsplittung. Das ist ein großer Schritt; denn wir wollen den Mitarbeite- rinnen und Mitarbeitern eine wohnortnahe Beschäftigung Im Antrag steht im Vordergrund zunächst die rechtssichere ermöglichen. Ausgestaltung des Gesetzes. Das Bemühen darum ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Das sollte als Aufgabe von (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS der Landesregierung über den Bundesrat ernst genommen 90/DIE GRÜNEN) werden, und es sollte daran mitgewirkt werden.

Die kommende geplante Infrastrukturgesellschaft – und Was uns aber viel wichtiger ist, ist, dafür zu sorgen, dass genau da kommt das Problem – wird in Deutschland nur wir in Rheinland-Pfalz die Hausaufgaben machen. noch zehn regionale Tochtergesellschaften haben. Genau darum geht es heute in unserem Antrag, dass wir darauf (Beifall bei der CDU) drängen, frühzeitig ein Signal nach Berlin zu senden und zu sagen, wir wollen einen der zehn Standorte. Dort sind wir wirklich einer Meinung. Es geht vor allem

2594 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 darum, dass wir als Land Rheinland-Pfalz, aber – und das scheint mir eine politische Aufgabe zu sein. ist mir ein besonderes Anliegen – auch als Stadt Monta- baur das Autobahnamt nicht verlieren. Es geht vor allem (Beifall der CDU) um die Mitarbeiter dort. Es geht um gute Arbeitsplätze in diesem Amt. Es geht aber auch um die Bedeutung eines Wir sollten als Landtag selbstbewusst in die Diskussion Bundeslandes und den sach- und ortskundigen Ausbau gehen und einen Auftrag an den Minister erteilen, dass wir unserer Straßen und Brücken. als Land auch unsere Ansprüche geltend machen. Viel- leicht bedarf es eines Zusatzes in dem Vertrag. Wenn wir Es gibt jetzt eine Bund-Länder-Vereinbarung. Dort ist fest- das alles der neu zu gründenden GmbH überlassen, ste- geschrieben, dass wechselbereite Beschäftigte unter Wah- hen dort andere Prioritäten im Vordergrund. rung ihrer Besitzstände übernommen werden, grundsätz- lich, so heißt es, am bisherigen Arbeitsort. Nicht wech- Eine Bitte unsererseits wäre es, dass wir im Ausschuss die selbereite sollen beim Land Weiterbeschäftigung finden, Gelegenheit haben, auch noch einmal vertieft in die Mate- wobei der Bund dann die Kosten übernimmt. rie einzusteigen, was es mit der rechtlichen Unsicherheit auf sich hat und welche Punkte noch zu beachten sind. Ich Es scheint zunächst geregelt. Es ist etwas Ruhe in die habe auch gelernt, dass es dort sehr viele Schritte gibt, Arbeitnehmer eingekehrt. Es bleibt aber eine Grundunsi- die im Moment zu leisten sind, die aber schon sehr lang- cherheit. Wenn der Arbeitsort sich ändert, wie belastbar fristige Auswirkungen haben. Auch dort sollten wir in Ruhe ist dann diese ganze Regelung? überlegen, was ein sinnvolles Übergangsmanagement ist und wie wir als Rheinland-Pfalz sichern können, dass die Gut, dass auch festgeschrieben ist, dass die Personalver- Straßen und Autobahnen vernünftig vorgeplant sind, damit tretungen beteiligt sind, im Bund-Länder-Gremium mitre- schon in der Schublade genügend Planungen vorhanden den und die Umsetzung begleiten. sind. Wenn die neue GmbH startet, dann hat sie schon klare Aufträge. Wir als CDU-Fraktion haben bereits vor einem Jahr am 30. November 2016 in einem Gespräch mit dem Staats- (Beifall der CDU) sekretär das Wirtschafts- und Verkehrsministerium ein- dringlich darauf hingewiesen, dass sehr schnell eine Stra- Ein weiterer Punkt. In dem vereinbarten Konstrukt, das an- tegie entwickelt werden muss, mit welchen Argumenten gedacht ist, gibt es die Möglichkeit, dass die Länder auch Rheinland-Pfalz in die Verhandlungen um die Standortbe- die Verwaltung der Bundesstraßen an die GmbH abgeben. stimmung dieser neuen Behörden gehen kann. Im Antrag ist nur von den Autobahnen die Rede. Wir alle gehen wahrscheinlich davon aus, dass nur die Autobahnen Wir haben gute Argumente. Herr Oster hat sie gerade in die neue GmbH übergeben werden. Das wurde aber so schon genannt. Wir haben ein sehr dichtes Straßennetz. noch nirgends verlautbart und ist nicht offiziell. Vielleicht Das Autobahnamt in Montabaur liegt direkt an der A 3 und sollten wir diesen Antrag erweitern und die Landesregie- auch an der A 48 kurz vor der Grenze zu Hessen und rung insgesamt bitten, das deutlich zu machen. Nordrhein-Westfalen. Es liegt direkt am ICE-Bahnhof. Das ist ein idealer Standort für viele Beschäftigte. Wir haben Worum geht es? Wenn die Möglichkeit besteht, dass die uns auch alle auf die Fahnen geschrieben, dass dort eine Verwaltung der Bundesstraßen an die neue GmbH geht, Standortsicherung ein schönes Zeichen für die Stärkung verlieren wir noch in einer ganz anderen Dimension Ar- des ländlichen Raumes wäre. beitsplätze. Natürlich hat das auch haushalterische Aus- wirkungen. Das heißt, wir brauchen ein Bekenntnis der (Beifall bei CDU und SPD) Finanzministerin und letztendlich der Ministerpräsidentin und des Landtags, dass die Bundesstraßen in der Ver- Natürlich – auch da sind wir uns einig – geht es nicht nur waltung des LBM bleiben. Das ist ein Punkt, den wir auf um das Autobahnamt. Es geht genauso um die 13 Auto- jeden Fall noch einmal ansprechen sollten. Das wäre auch bahnmeistereien. Sie sind gut strukturiert und sollten auch ein Punkt, den wir bei einer Ausschussüberweisung mit in ihrem Bestand und in ihren Standorten gesichert sein. besprechen könnten.

Nun hatten wir am 7. Juni im Wirtschaftsausschuss mit Mi- Insgesamt sollten wir in dieser Frage Einheit zeigen. Wir nister Wissing den aktuellen Stand diskutiert. Herr Minister alle sind dafür, dass Rheinland-Pfalz seine Rechte gel- Wissing hat dort um Verständnis gebeten, dass die Ver- tend macht und der Standort des Autobahnamts gesichert handlungsstrategie gegenüber dem Bundesminister nicht bleibt. öffentlich gemacht werden kann. Das ist nachvollziehbar. (Beifall der CDU und vereinzelt bei der Es sei ein Transformationsprozess über das Bund-Länder- SPD) Gremium. Eine Arbeitsgruppe, die den ganzen Prozess bestimme und steuere, nehme im Juni ihre Arbeit auf. In dieser Gruppe seien das Wirtschaftsministerium und auch Präsident Hendrik Hering: der LBM eingebunden. Für die AfD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Ahnemül- Ich habe über die Beschäftigten, die dort sehr verunsichert ler. sind, gehört, dass diese Gruppe erst einmal getagt hat und die Frage der regionalen Standorte von der neu zu grün- Abg. Jens Ahnemüller, AfD: denden GmbH entschieden werden soll. Das scheint mir nicht der richtige Weg zu sein. Diese Standortbestimmung Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

2595 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017

Angesichts der vergangenen schleppenden Verkehrspolitik energiearm und zu passiv. Wir erwarten als Demokraten, der Landesregierung möchte ich mich kurz und knapp fas- dass die Landesregierung bei der Diskussion um Verfas- sen. Der Antrag der Ampelkoalition geht grundsätzlich in sungsfragen unser Länderparlament intensiv und umfas- die richtige Richtung. Wir betreiben Opposition und nicht send mit einbezieht. Obstruktion. Dies gilt besonders in der Verkehrspolitik. Dar- um gibt es kein obligatorisches Kontra von uns, wohl aber (Beifall der AfD) einige kritische und sehr kritische Fragen. Ich hoffe, dass die Landesregierung diese Fragen heute oder spätestens Hier wünsche ich mir ein bisschen mehr Selbstvertrauen bei einer eventuellen Aussprache im Verkehrsausschuss der Ampelfraktionsführung gegenüber der Landesregie- zu unserer Zufriedenheit beantworten kann. rung. Vonseiten der AfD-Fraktion wird es in dieser Frage keinen Blankoscheck geben. Meine Damen und Herren, die Befürchtungen des Bundes, auf denen die Ampelfraktionen in dem Antrag verweisen, Meine Herrschaften, es gibt eine gute Faustregel: Solange sind zweifelsohne berechtigt. In der Tat zeigten sich die die geringsten rechtlichen Zweifel bestehen, sollten wir Länder der Aufgabe, die Bundesautobahnen und Bundes- nichts beschließen. straßen auszubauen und zu sanieren, nicht immer gewach- (Abg. Martin Haller, SPD: Es ist aber schon sen. beschlossen!)

Speziell Rheinland-Pfalz war im Jahr 2016 ein trauriges – Ich meine den Antrag. Wir freuen uns auf konstruktive und Beispiel für unzureichende Planungskapazitäten. Ähnli- ergiebige Gespräche. Eine Zustimmung der AfD-Fraktion ches darf sich nicht wiederholen. Die Idee der zehn regio- zu dem Antrag ist nicht ausgeschlossen. nalen Töchter des Bundes im Management stößt auf un- sere Zustimmung, ebenso – das betone ich ausdrücklich – Danke schön. der Erhalt bzw. die Überführung des jetzigen Autobahnam- tes Montabaur zu eben einer dieser Managementfilialen. (Beifall der AfD) Dies würde nicht zuletzt dem Erhalt der Arbeitsplätze die- nen. Präsident Hendrik Hering: Das Thema Montabaur ist nun schon seit einigen Mona- Als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich Bürgerin- ten in der Diskussion. Hier gehen wir davon aus, dass die nen und Bürger aus dem Kreis Kusel. Herzlich willkommen Landesregierung heute umfangreich berichten kann. im Landtag! Herr Verkehrsminister Wissing, wie und wo haben Sie sich (Beifall im Hause) für den Erhalt der Arbeitsplätze in Montabaur eingesetzt, bzw. wo und wann planen Sie, dies noch zu tun? Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Roth das Wort. Auch gute Konzepte können im Detail kranken. Das ist logisch, sonst wären sie nicht gut, sondern perfekt. So geht der Antrag davon aus, dass Planfeststellungen und Abg. Thomas Roth, FDP: der Bau von Bundesfernstraßen zukünftig getrennt wer- den, nämlich in zwei Betriebe, einen Bundes- und einen Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Landesbetrieb. Da stellt sich die Frage, ob das in der Pra- Die gesamten Autobahnstrecken innerhalb der Bundes- xis nicht zusätzliche Probleme bringt. Die Anschlussfrage: republik Deutschland belaufen sich auf rund 13.000 Kilo- Wie will das Verkehrsministerium diese Probleme lösen? meter. Dies entspricht gerade einmal 6 % des gesamten Straßennetzes. Dennoch wird die enorme Wichtigkeit die- Wir gehen einmal davon aus, dass solche Probleme nicht ser Bundesfernstraßen durch ihre Auslastung belegt. unüberwindbar sind. Genau deshalb müssten wir alle ge- meinsam die Details in intensiven Diskussionen im Ver- Trotz des geringen Anteils am Straßennetz läuft über die kehrsausschuss klären. Über eines sollten wir uns im Kla- Autobahn ein Drittel des Auto- und Lkw-Verkehrs. Diese ren sein: Auch wenn der LBM die Planung übernimmt, Zahlen verdeutlichen eindrucksvoll die besondere Bedeu- liegen schlussendlich alle Entscheidungen die Bundesau- tung des Autobahnnetzes für Deutschland. tobahnen betreffend zukünftig einzig und allein beim Bund. Die Entscheidung der geschäftsführenden Bundesregie- Meine Damen und Herren, außerdem weist der Antrag rung, die Zuständigkeit für die Bundesautobahnen wieder- völlig zu Recht darauf hin, dass noch nicht alle rechtlichen zuerlangen, fußt auf Befürchtungen seitens des Bundes. Probleme gelöst sind. Die AfD-Fraktion befürwortet und Dort geht man davon aus, dass einige Länder nicht in der fordert den Verbleib der Bundesstraßen auf Landesebene. Lage wären, ihrem Verwaltungsauftrag nachzukommen. Da dies noch nicht geklärt ist, bitten wir um weitere Aufklä- Die Realität ist aber, dass bürokratische Hürden und Regu- rung. lierungen es den Ländern erschweren, schnelle Planungs- und Bauverfahren voranzutreiben. Ein wenig irritiert unsere Fraktion die Formulierung im An- trag, die Landesregierung möge bei der Diskussion um die Ab 2021 soll sich nach dem Beschluss der Großen Koaliti- verfassungsrechtlichen Zweifel bei der Rückübertragung on eine bundeseigene GmbH gründen, die mit bis zu zehn von Verwaltungsaufgaben unseren Landtag in Kenntnis regionalen Töchtern die Zuständigkeit für die Autobahnen setzen. Diese Formulierung ist uns als AfD-Fraktion zu erlangen würde. Laut des ehemaligen Bundesverkehrs-

2596 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 ministers Dobrindt müsse man – Zitat – schneller planen, Wir sind gespannt, wie sich die Pläne der neu zu grün- direkter finanzieren, mehr bauen. denden Gesellschaft entwickeln. Dies werden wir kritisch begleiten. Für uns ist es dabei von hoher Priorität, dass Durch die geplante Finanzierung durch Steuermittel und der Standort Montabaur erhalten bleibt und die Mitarbeite- Einnahmen der geplanten Maut erhofft man sich einen rei- rinnen und Mitarbeiter dadurch Sicherheit erhalten. bungslosen Ablauf. Finanzierungs- und Umsetzungspläne sollen zu Zwecken der Transparenz und Effizienz für fünf Haben Sie vielen Dank. Jahre erstellt werden. Ob diese Bundesautobahngesell- (Beifall der FDP, der SPD und des schaft nun kommt oder nicht, ist auch von der nächsten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bundesregierung abhängig.

Ein Punkt, der für die gesamte Koalition sehr wichtig ist, ist Präsident Hendrik Hering: die Zusicherung des Erhalts der Arbeitsplätze im Bereich der Autobahnverwaltung. Ein Stellenabbau würde aus un- Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die serer Sicht falsche Signale setzen und einem effizienten Kollegin Blatzheim-Roegler. Handeln entgegenwirken. Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich werbe nicht NEN: nur als gebürtiger Montabaurer und überzeugter Wester- wälder für den Standort Montabaur; denn mit dem Auto- Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und bahnamt Montabaur haben wir in Rheinland-Pfalz ein Amt Herren! Wie Ihnen sicher bekannt ist, waren wir Grünen mit einer herausragenden strategischen Lage. sehr skeptisch gegenüber der Gründung einer Bundes- autobahngesellschaft, wie sie von der Bundesregierung (Abg. Martin Haller, SPD: Und Kompetenz!) gewünscht und im Rahmen der Neuordnung der Bund- Länder-Finanzbeziehungen im Dezember 2016 als Ge- Frau Kollegin Wieland und Herr Kollege Oster haben samtpaket geschnürt wurde. das vorhin schon erwähnt. Durch die Nähe zu Nordrhein- Westfalen, zu Hessen und vor allen Dingen auch zur A 3, Wenn ich mir die rechtlichen Unsicherheiten, über die die A 48 und A 61 wäre es nur eine logische Konsequenz, Kollegen heute schon gesprochen haben, anschaue, dann das Autobahnamt im Zuge der Umstrukturierung weiter fühle ich mich – und fühlen wir uns – darin bestätigt. Über zu nutzen. Der Standort wäre für eine der zehn geplanten die Effizienz einer solchen zentralen Bundesgesellschaft, Tochtergesellschaften optimal. Bestehende Strukturen und die die Regie über die gesamte Planung, den Bau, den Er- die vorteilhafte Lage könnten somit effizient weiter genutzt halt und den Betrieb hat, lässt sich trefflich streiten, wenn werden. man die „Erfolge“ des Bundes bei der Verwaltung des Schienennetzes oder der Wasserstraßen ansieht. Auch Als Ampelkoalition fordern wir deshalb geschlossen die dies wird zentral verwaltet. Stichwort Moselschleusen. Dort Landesregierung dazu auf, sich aktiv für die Erhaltung des geht es nicht voran. Auch was die Schienenwege angeht, Standorts Montabaur in Form einer Tochtergesellschaft müssen wir feststellen, dass wir großen Nachholbedarf einzusetzen. Ein allerdings nicht zu vernachlässigender haben. und wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit der geplanten Autobahngesellschaft ist die mit ihrer Gründung verbun- Insofern frage ich mich, wo der Mehrwert ist, wenn man dene rechtliche Problematik. Das Fernstraßenbundesamt- jetzt die Bundesautobahngesellschaft als GmbH in Ber- Errichtungsgesetz sieht vor, dass Länder die Wiedererlan- lin zentriert. In diesem Prozess ist mir auch aufgestoßen, gung der Verwaltungsaufgaben beim Fernstraßenbundes- dass ich eigentlich keinen Prozess gesehen habe. Man amt beantragen können. hätte durchaus untersuchen können, wie es in den ver- schiedenen Ländern läuft und welche Argumente es tat- Wir sind uns innerhalb der Koalition einig, dass rechtliche sächlich dafür gibt, die Autobahngesellschaft zentral in Eventualitäten im Voraus geklärt werden müssen, um teure Berlin anzusiedeln. Nach meiner Kenntnis hat eine solche Fehler zu vermeiden. Hierbei begrüßen wir die Forderung Untersuchung aber nie stattgefunden. Deswegen bleibt bei des Bundespräsidenten, die Rechtslage zeitnah zu klären. uns schon ein Stück weit das Gefühl, man wollte Macht an sich reißen. Mir konnte bisher nicht plausibel erklärt Für uns als Koalition ist es besonders wichtig, dass sich werden, worin der Mehrwert bestehen soll. die Landesregierung im Bundesrat für die Klärung verfas- sungsrechtlicher Zweifel einsetzt und den Landtag hier- Die Entscheidung ist aber gefallen, und wir müssen jetzt über unterrichtet. Sollte die Bundesautobahngesellschaft, damit umgehen. Wie gesagt, es gibt massive rechtliche die wir in der derzeit geplanten Form dem Grunde nach Bedenken. Deshalb wollen wir, dass sich die Landesregie- allerdings ablehnen, kommen, müssen Regeln gewahrt rung in angemessener Weise über den Bundesrat dafür bleiben. einbringt, dass die Klärung dieser Bedenken zügig in die Wege geleitet wird. Stehen Sie also ruhig der Bundesre- Die Bundesautobahn und die Gesellschaft dürfen nicht gierung über den Bundesrat auf den Füßen. veräußert werden, wodurch sie an die Staatlichkeit gebun- den bleiben würden. Des Weiteren sollen sich die Auto- Teil der Reform ist auch, dass es insgesamt zehn Toch- bahngesellschaften und ihre Tochtergesellschaften nicht tergesellschaften geben soll, die dieser bundeseigenen eigenständig verschulden und keine Kredite aufnehmen GmbH angehören. Mit unserem Antrag fordern wir die Lan- dürfen. desregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass das jetzige

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Autobahnamt Montabaur als Sitz einer der zehn Tochter- spielsweise als Landesregierung tun. gesellschaften ausgewählt wird. Wir haben dort – das ist schon mehrfach ausgeführt worden – eine unserer Ansicht (Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Ja!) nach gut funktionierende Organisationseinheit mit derzeit 140 Beschäftigten. Wir sind der Ansicht, es würde dem Es wäre dringend erforderlich, um unsere Wasserstraßen Steuerzahler viel zu teuer zu stehen kommen, wenn diese zu ertüchtigen. zehn regionalen Töchter jeweils komplett irgendwo neu ein- gerichtet werden müssten. Das ist mit Sicherheit Quatsch. (Zuruf aus dem Hause: So ist es!) Die Rheinvertiefung hängt daran, dass der Bund keine Am Autobahnamt in Montabaur hängen auch 13 Autobahn- ausreichenden Planungskapazitäten schafft. meistereien. Jeder, der – wie ich auch – im ländlichen Raum wohnt, weiß, dass es wichtig ist, auch im ländlichen Ich sage das hier ganz selbstbewusst, weil wir das, was Raum in nicht allzu weiter Ferne diese Art von Autobahn- Sie von uns einfordern, bereits umsetzen: 76 zusätzliche meistereien zu haben. Deswegen wollen wir – auch wenn Ingenieure – wir haben heute schon darüber gesprochen –, es nicht explizit in dem Antrag steht, aber die Meistereien Aufstockung der Mittel, Ertüchtigung der Planungskapazi- sind mit gemeint – die Landesregierung bitten, sich für täten. – Das fordern Sie selbstbewusst ein und erwecken das Autobahnamt und die bewährten Strukturen hier in den Eindruck, als würde unter Ihrer Regierungsverantwor- Rheinland-Pfalz einzusetzen. tung in Berlin – Sie stellen ja den Bundesverkehrsminister – Gleiches in eigener Zuständigkeit getan. Allein die Realität, Vielen Dank. liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine andere. So wie bei (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, uns findet dort kein Aufbau der Planungskapazitäten statt. der SPD und der FDP) (Abg. Christian Baldauf, CDU: Sie sind aber hier der Minister! – Präsident Hendrik Hering: Zuruf aus dem Hause: Ach Gott! – Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Hören Sie Für die Landesregierung hat der Verkehrsminister Dr. Wis- doch einfach mal zu! – sing das Wort. Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU – Zurufe von der SPD: Ach Gott, ach Gott, ach Gott! Das war eine Drohung! – Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Unruhe im Hause) Landwirtschaft und Weinbau: Besten Dank. Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kol- – Herr Kollege Baldauf, ich habe damit kein Problem. Sie legen! Zunächst einmal darf ich mich herzlich dafür be- können das gern hier machen. Ich sage Ihnen nur ganz danken, dass wir Gelegenheit haben, uns klar zu dem selbstbewusst, man kann an diesem Beispiel sehen, dass wichtigen Thema der Infrastrukturgesellschaft für Auto- wir jedenfalls im Vergleich zu dem, was die Länder im Be- bahnen und der Standorte ihrer Tochtergesellschaften zu reich der Straßenverwaltung tun, und dem, was der Bund positionieren. in seiner Zuständigkeit im Bereich der Wasserstraßenver- waltung tut, aufzeigen können, dass der Bund hinter der Fast sieben Jahrzehnte lang haben die Länder, hat Leistungsfähigkeit der Länder zurückliegt und eben nicht Rheinland-Pfalz die Autobahn für den Bund verwaltet, al- voraus ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. so geplant, gebaut, erhalten, unterhalten und betrieben. (Beifall der FDP, der SPD und des Spätestens zum 1. Januar 2021 wird diese Aufgabe nun BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – auf den Bund übergehen. Der Bund hat sich damit eine Abg. Martin Haller, SPD: So ist es!) der umfassendsten Verwaltungsreformen überhaupt vorge- nommen. Mit der Bundesautobahngesellschaft soll, wie die Der Bund hat sich nun die Bundesverwaltung der Auto- Gesetzesbegründung ausführt, die Effizienz der Verwal- bahnen im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder- tung gesteigert werden. Eine Untersuchung zur Ineffizienz Finanzbeziehungen im Dezember 2016 erkauft. Die recht- der Auftragsverwaltung oder Analyse möglicher Lösungs- liche Umsetzung ist Teil des damit verbundenen umfassen- möglichkeiten, die als Basis dieser Reform dienen könnten, den Gesetzespakets, das noch vor Ende der Legislaturpe- hat der Bund allerdings bis heute nicht vorgelegt. Auch die riode verabschiedet werden musste. Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der Schienen- wege zeigt keinesfalls, dass eine alleinige Zuständigkeit Man könnte nun hoffen, dass die von Herrn Bundesprä- des Bundes ein Garant für ein leistungsfähiges Verkehrs- sident Frank-Walter Steinmeier geäußerten verfassungs- netz ist. rechtlichen Zweifel an dem Gesetzespaket dem Zeitdruck der zu Ende gehenden Legislaturperiode geschuldet sind. Wenn wir hier Verkehrsdebatten führen, wird gern von der Tatsächlich hatte der Bundesrat bereits im ersten Durch- Opposition der Eindruck erweckt, als würden die Länder gang am 10. Februar diesen Jahres in seiner Stellungnah- hinterherhinken und als hätte der Bund eine ideale Aus- me zum Gesetzentwurf eine entsprechende Öffnungsklau- gangssituation, wenn er sich in eigener Zuständigkeit um sel in Artikel 30 Grundgesetz gefordert. Verkehrswege kümmert. Ich erinnere nur einmal daran, wie wir darauf warten, dass der Bund seine Planungska- Als Fazit ist festzustellen, dass nach derzeitigem Stand pazitäten bei der Bundeswasserstraßenverwaltung auch Beschlüsse von Planfeststellungsverfahren, die von einer nur ansatzweise in dem Maße aufstockt, wie wir das bei- Landesbehörde nach dem 1. Januar 2021 eingeleitet wer-

2598 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 den, einem ganz erheblichen Prozessrisiko ausgesetzt (Zuruf von der SPD: Jawohl!) sein werden, und zwar wegen fehlender verfassungsrecht- licher Grundlage. Es war die CDU im Bund, die das gefordert hat.

Ich erachte es für sinnvoll, die Zuständigkeit für die Plan- (Abg. Alexander Licht, CDU: Und die SPD!) feststellung für Autobahnprojekte in Rheinland-Pfalz zu belassen. Das würde bei dem unwiderruflichen Gestal- – Herr Kollege Licht, nein, es war die CDU, die es auf Bun- tungsverlust, den die Länder hinsichtlich der Autobahnen desebene gefordert hat. haben werden, ein gewisses Maß an Einflussmöglichkeiten (Abg. Alexander Licht, CDU: Wir haben sicherstellen. Das ist auch das Ziel der Landesregierung. eine Einigkeit, aber Kompromisse sind Eine Klärung der Rechtslage ist deswegen aus unserer manchmal so!) Sicht ausdrücklich zu begrüßen. Es war nicht die SPD, sondern es war die CDU, die es (Vereinzelt Beifall bei FDP und BÜNDNIS gefordert hat. 90/DIE GRÜNEN) (Zuruf von der SPD: So ist es!) Ein für mich wesentlicher Punkt im Rahmen des Transfor- mationsprozesses zur Autobahngesellschaft ist der Stand- Sie müssen zu dieser Entscheidung stehen. orterhalt des Autobahnamts in Montabaur. Insofern sind wir dankbar für die Unterstützung des Landtags. Von Ver- (Beifall bei FDP, SPD und dem BÜNDNIS tretern des LBM sind wir bereits mehrfach auf die ange- 90/DIE GRÜNEN) spannte Stimmung im Autobahnamt hingewiesen worden. Trotz der im Gesetz aufgeführten Leitlinien, dass die Wei- Ich finde es aber ein bisschen merkwürdig, wenn ausge- terverwendung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grund- rechnet die CDU, die dieses Problem verursacht hat – Sie sätzlich am bisherigen Arbeitsplatz und Arbeitsort erfolgt, haben Gründe, warum Sie das wollten –, so spricht. Die machen sich die Beschäftigten des Autobahnamts genau künftige Entwicklung wird beweisen, ob Sie damit recht darüber Sorgen, da die Standorte der Tochtergesellschaf- hatten oder nicht. Das ist in einen Kompromiss eingeflos- ten noch nicht festgelegt sind. sen, und wir tragen ihn jetzt mit. Der Wunsch geht aber von der CDU aus. Die Ängste nehme ich in meiner Funktion sehr ernst. Daher habe ich mich bereits im Juli diesen Jahres an Bundesver- (Abg. Alexander Licht, CDU: Die Gründe kehrsminister Dobrindt gewandt und mich mit Nachdruck kennen Sie genauso! Sie und Ihre Partei für einen Standorterhalt eingesetzt. Am Standort Monta- haben sie sogar befürwortet!) baur sind derzeit rund 140 Bedienstete beim Autobahnamt tätig, die 877 km betreuen. Eine solch ausgeprägte Orga- Deswegen sollten Sie nicht die Ersten sein, die uns auffor- nisationsstruktur für Autobahnen gibt es in dieser Form dern, das Problem zu lösen, das Sie mit Ihrer politischen nur in wenigen Ländern. In den meisten werden nämlich Entscheidung geschaffen haben. die Autobahnen in Mischverwaltung mit den Bundes- und Landesstraßen und an mehreren Dienststellen betreut. Ich sage noch einmal: Ich war immer dagegen. Ich habe mich, nachdem die Entscheidung auf Bundesebene gefällt Der Bund kann mit dem Autobahnamt Montabaur allein auf wurde, sofort für Montabaur eingesetzt. Ich finde diesen Bundesautobahnen ausgerichtete funktionierende Struk- Eindruck etwas schräg, wenn die Kollegin sich hier hinstellt turen sowie die dort eingearbeiteten Mitarbeiterinnen und und so tut, als müsse sie die Landesregierung zum Jagen Mitarbeiter übernehmen. Für eine langfristige Sicherung tragen, der Arbeitsplätze am Standort ist aber die Benennung von (Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Ja!) Montabaur als Sitz einer der Tochtergesellschaften zwin- gend erforderlich. Dafür habe ich mich in der Vergangen- um ein Problem zu lösen, das Sie, die CDU, für Rheinland- heit eingesetzt, und dafür wird sich die Landesregierung Pfalz mit verursacht haben. auch weiter beim Bund einsetzen. (Zuruf von der SPD: So ist es!) Ich möchte dafür werben, dass alle Abgeordneten sich für diese Win-win-Lösung engagieren: langfristiger Erhalt Wir sind an dieser Stelle von Anfang an Teil der Lösung. des Arbeitsorts für die Beschäftigten des Autobahnamts Montabaur, Übernahme funktionierender Strukturen mit (Beifall der FDP, der SPD und des eingearbeiteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bund und zu guter Letzt der Erhalt der Arbeitsplätze in Abg. Alexander Licht, CDU: Sie Montabaur in unserem Bundesland als strukturpolitischer verschweigen, dass die Beitrag für die Region und das Land. sozialdemokratischen Regierungen Teil des Problems sind! – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will an dieser Stelle Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Das nicht unerwähnt lassen – weil Kollegen gesagt haben, die stimmt überhaupt nicht! Nein, nein, nein!) Landesregierung „müsse jetzt endlich mal“, und „sie müs- se“ –, die Landesregierung hat immer deutlich gemacht, Deswegen bitte ich, den Eindruck nicht weiter zu erwecken, dass sie von einer Übertragung der Zuständigkeiten auf dass Sie uns hier zur Lösung des Problems animieren den Bund nichts hält. müssen, das – ich sage es noch einmal – nicht von irgend

2599 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 etwas anderem ausgegangen ist als von einem politischen ihres Lebens zur Pflegebedürftigkeit zwingen. Nur ganz we- Wunsch der CDU im Deutschen Bundestag. nige der Patienten überleben einen solchen Herz-Kreislauf- Stillstand völlig ohne Folgeschäden. (Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nun kann man sich – insbesondere als Nichtmediziner – fragen: Warum ist das denn so? – Die Medizin hat doch in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht, Präsident Hendrik Hering: die Lebenserwartung ist im Schnitt gestiegen. Hat sich in Aufgrund der Redezeit der Landesregierung würden den diesem Bereich denn nichts getan? Fraktionen noch weitere drei Minuten zustehen. Ich sehe allerdings keine Wortmeldung. Wird Überweisung bean- Dazu muss man sagen: Nein, die Zahlen haben sich nicht tragt? verbessert, und das liegt an einem Grundproblem, das wir auch in der Medizin nicht lösen können. Bis Fachkräfte (Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Ja! – eintreffen, bis der Rettungsdienst eintrifft und Ärzte vor Ort Zuruf von der SPD: Warum?) sind, vergehen mindestens sieben bis acht Minuten, oft- mals 10, 12 oder 15 Minuten. Die Dauer, in der das Gehirn Die AfD-Fraktion schlägt vor, den Antrag – Drucksache ohne Sauerstoff auskommt, ohne irreparable Schäden zu 17/4404 – an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr zu erleiden, liegt allerdings nur bei drei bis vier Minuten. Das überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzei- heißt, das, was wir in den ersten Minuten vor Ort am Pati- chen! – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – enten verlieren, können wir auch unter maximalem Einsatz Damit ist der Antrag auf Ausschussüberweisung mit den von intensivmedizinischen Möglichkeiten im Rettungswa- Stimmen der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS gen und auch im Krankenhaus nicht mehr zurückholen, bis 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der AfD abgelehnt. zum heutigen Tag nicht. So hat den größten Einfluss auf eine Verbesserung der Überlebensquote der ersthelfende Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag in der Sa- Augenzeuge. che. Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/4404 – (Beifall der CDU) zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit Das ist insbesondere deshalb von Relevanz, weil die meis- ist der Antrag mit den Stimmen der SPD, der CDU, der ten Herz-Kreislauf-Stillstände sich auch in Anwesenheit FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimment- anderer Menschen ereignen, 70 % davon im häuslichen haltung der AfD angenommen. Umfeld.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS Wie sieht das bei uns im Land aus? Wie verhalten sich 90/DIE GRÜNEN) die Deutschen in einer solchen Situation? Dazu muss man sagen, in Deutschland ist die Ersthelferrate im Falle eines Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf: Herz-Kreislauf-Stillstandes sehr gering, je nach Studien um die 20 %. Nur in diesen 20 % wird eine adäquate Hilfe Durch Reanimation Leben retten – in Form einer lebensrettenden Herzdruckmassage durch- Wiederbelebungskompetenz stärken geführt. Sehr geehrte Kollegen, dabei sind uns andere Antrag der Fraktion der CDU Länder deutlich voraus. Im skandinavischen und auch im – Drucksache 17/4418– angloamerikanischen Bereich sind diese Raten deutlich höher. Hier helfen in bis zu 70 % der Fälle Passanten Für die CDU-Fraktion spricht Herr Dr. Gensch. den Patienten, und dies führt natürlich in der Konsequenz zu deutlich erhöhten Überlebensraten der Patienten. Wir haben verdoppelte bis verfünffachte Überlebensraten der Abg. Dr. Christoph Gensch, CDU: Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kollegen, sehr Das ist auch der Ansatz, wo wir in der Politik etwas tun geehrte Gäste! Wir diskutieren heute den Antrag der CDU- können, indem wir diese Kompetenz, diese Wiederbele- Fraktion „Durch Reanimation Leben retten – Wiederbele- bungskompetenz der Bevölkerung, steigern. Es geht uns bungskompetenz stärken“. Ich glaube, ich kann sagen, hier auch gar nicht darum, überall noch einmal einen kom- dass das Thema für unseren Arbeitskreis Gesundheit pletten Erste-Hilfe-Kurs anzubieten, sondern es geht dar- – insbesondere für Peter Enders und mich – ein Thema ist, um, einen Basisalgorithmus der Wiederbelebung einem welches uns wirklich am Herzen liegt. Großteil der Bevölkerung zugänglich zu machen.

Was ist das Problem? Warum besteht bezüglich dieser (Beifall der CDU) Problematik überhaupt ein Handlungsbedarf? Dieser besteht im Wesentlichen eigentlich auch nur aus Es ist so, dass in Deutschland nach wie vor von zehn Pati- den drei Worten Prüfen, Rufen und Drücken. Das heißt, enten, die einen Herz-Kreislauf-Stillstand erleiden, neun ich schaue, ob jemand bewusstlos ist, ich rufe Hilfe, und versterben. Nur ein Patient überlebt diesen Herz-Kreislauf- ich überbrücke den Zeitraum, indem ich die Herzdruckmas- Stillstand. Die statistischen 10 %, die überleben, haben sage ausübe. zusätzlich zu einem hohen prozentualen Anteil noch das Problem neurologischer Spätschäden, die sie für den Rest Es gibt immer noch viele Menschen, die mich fragen: Bringt

2600 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 das denn überhaupt etwas, wenn ich diese Herzdruckmas- Präsident Hendrik Hering: sage durchführe, obwohl ich mich nicht traue zu beatmen Ich möchte Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Solda- oder weitere Maßnahmen zu ergreifen? – Ich möchte Ih- tinnen und Soldaten der Bundeswehr aus Germersheim. nen allen, auch im Plenum, ganz klar sagen: Es bringt eine Herzlich willkommen bei uns im Landtag! ganze Menge. Es ist der entscheidende Faktor. – (Beifall im Hause) (Beifall der CDU) Für die SPD-Fraktion hat nun die Abgeordnete Frau Der Grund dafür ist, dass sich auch bei einem Herz- Kazungu-Haß das Wort. Kreislauf-Stillstand natürlich noch eine ganze Menge Rest- sauerstoff im Blut befindet, und durch die kompetent und richtig ausgeführte Herzdruckmassage lassen Sie diesen Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD: Restsauerstoff mit dem Blut im Körper zirkulieren und hal- ten damit Herz und Hirn über diese zwei, drei oder vier Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Minuten, bis der Rettungsdienst eintrifft, noch am Leben Herren! Lebensrettende Maßnahmen sind möglichst von und verhindern diese irreparablen Schädigungen. Das ist allen Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land zu ver- ein ganz entscheidender und ganz zentraler Punkt, den bei innerlichen. Niemand kann gegen eine solche Forderung uns viel zu wenige Menschen auch tatsächlich als solchen sein. Gerade die Maßnahmen zur Reanimation sind dabei erkennen. besonders in den Blick zu nehmen. Dazu haben sich zum Beispiel auch die Kommunen überall im Land gemeinsam (Beifall der CDU) mit Partnern aller möglichen gesellschaftlichen Gruppen aufgemacht, Defibrillatoren zur Ersten Hilfe an hochfre- Es besteht eigentlich auch Konsens darin, dass, um die quentierten Plätzen zu installieren. Ersthelferrate zu erhöhen, ein relevanter Anteil der Bevöl- kerung adäquat geschult werden muss. Mindestens 20 % Umso wichtiger ist es, schon im Jugendalter zu lernen, der Bevölkerung benötigen ein solches Training. wie in einem Notfall mit und ohne Hilfsgerät zu reagieren ist. Natürlich hat das die Landesregierung auch erkannt Es stellt sich die Frage: Wie und wo kann man das am und fördert die Zusammenarbeit zwischen den Rettungs- besten erreichen? – Dazu muss man sagen, wenn man organisationen und den Schulen wie zum Beispiel mit der diese Kompetenz frühzeitig im Laufe des lebenslangen DAK oder dem ASB verstärkt auch im Ganztagsprogramm. Lernens als eine Art Kulturfertigkeit erlernt und dies durch Beide, DAK und ASB, sind dort Kooperationspartner im eine gewisse Redundanz in der Wissensvermittlung auch Ganztagsprogramm und haben eine Rahmenvereinbarung im Langzeitgedächtnis verankert, dann erreichen Sie sol- mit dem Land Rheinland-Pfalz getroffen. In der Rahmenver- che Raten der Bevölkerung, die sich dort sicher fühlen, einbarung ist festgelegt, dass die beiden Organisationen und das, meine Damen und Herren, ist nur in der Schule ausschließlich mit ausgebildeten Fachkräften an den Schu- möglich. len tätig sind und ihre Leistungen vom Land entsprechend vergütet werden. Konsequenterweise unterhalten die soeben genannten An rund einem Drittel der Schulen in Rheinland-Pfalz hat skandinavischen und auch die angloamerikanischen Län- sich dadurch sogar ein Schulsanitätsdienst gebildet. Ich ha- der seit Langem entsprechende nationale Programme in be selbst an solchen Schulen gearbeitet. Die Schülerinnen ihren schulischen Curricula. Wünschenswert wäre aus und Schüler werden ab Klasse 8, sofern sie noch ungefähr unserer Sicht auch eine solche Unterrichtung in Rheinland- zwei Jahre diese Schule besuchen, in Erster Hilfe ausgebil- Pfalz. Der Schulausschuss der Kultusministerkonferenz det. Es bildet sich dann eine Gruppe von Schülerinnen und hat dies 2014 bereits empfohlen. Einzelne Bundesländer Schülern, die ihre Schichten selbst organisieren. Sie fühlen sind dieser Empfehlung bereits gefolgt bzw. sind im Um- sich dann auch wirklich verantwortlich für das Wohl ihrer setzungsprozess. Auch wir halten es für sinnvoll, ein sol- Mitschülerinnen und Mitschüler. Schon morgens vor der ches verpflichtendes Minimalcurriculum „Wiederbelebung“ Schule holen sie den Rettungsrucksack ab, kontrollieren in den Schulunterricht zu implementieren, analog der Emp- den Inhalt und nehmen ihn über den Tag mit, um direkt auf fehlungen des Deutschen Rates für Wiederbelebung. Hilfeanfragen reagieren zu können. Sie ergänzen damit nicht nur die Erste-Hilfe-Kompetenz, die das Lehrerkollegi- Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wir um in Kursen in der Regel alle drei Jahre auffrischen muss, haben in Deutschland im Jahr 70.000 Tote durch Herz- sondern sie wachsen auch in diese Rolle hinein, und nicht Kreislauf-Stillstände. Das ist die Größenordnung, über die wenige von ihnen entscheiden sich im Anschluss für das wir sprechen. Ich denke, wir können einer ganzen Menge Berufsfeld Gesundheit und Pflege. Zusätzlich stellt auch an Patienten, an Bürgern damit entscheidend helfen, wenn das Bundesministerium des Innern Mittel zur Verfügung, wir es schaffen, diese Kompetenz in großen Teilen der Be- die einem Teil der Schülerinnen und Schüler im Land Erste- völkerung als einen dauerhaften Effekt zu implementieren. Hilfe-Kurse ermöglichen. Die Unfallkasse stellt Mittel für (Beifall der CDU) die Lehrerfortbildungen zur Verfügung. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, in Ihrem Antrag Ich bitte Sie für diesen Antrag um Zustimmung und Unter- sprechen Sie von einem geeigneten Konzept, Maßnahmen stützung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. zur Wiederbelebung im Bereich der Ersten Hilfe näherzu- (Beifall der CDU – bringen. In diesem Konzept müssen und werden sich diese Abg. Julia Klöckner, CDU: Sehr gut!) vielen bereits erfolgreichen Maßnahmen wiederfinden und

2601 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 sollen entsprechend ausgebaut und ergänzt werden. Wir es ist auch noch temperaturabhängig, wie es danach aus- stellen uns eine generelle Verortung der Thematik, zum sieht. Beispiel im Ganztagsbereich oder in Fächern wie Biologie und Sport, vor. Damit treffen die Rettungskräfte nach Einschätzung des Deutschen Rates für Wiederbelebung in der Regel zu spät Dennoch ist zum Schluss zu sagen, die Schule kann nicht ein; denn unter realistischen Bedingungen vergehen nach ganz allein alle gesellschaftlichen Aufgaben vollumfäng- der Erkenntnis des Deutschen Rates für Wiederbelebung lich übernehmen. Gestern haben Sie darauf hingewiesen, vom tatsächlichen Moment des Herz-Kreislauf-Stillstandes dass Schulen sich auf ihre Kernkompetenzen beschränken bis zum Beginn der präklinischen Versorgung durch die sollen, heute fordern Sie, eine neue Aufgabe hinzuzuneh- Rettungskräfte mindestens sieben Minuten. Genau des- men. halb haben eben gerade Ersthelfer doch einen entschei- denden Einfluss auf eine Verbesserung der Überlebens- (Zuruf von der CDU: Ach du lieber Gott!) quote. Der Deutsche Rat für Wiederbelebung geht auf- grund internationaler Studien sogar von einer Verdoppe- Sie sehen an diesem Beispiel selbst, dass die Fragestel- lung bis Verfünffachung der Überlebensrate aus, wenn lung von guter Schule und Unterricht tatsächlich sehr kom- man es so durchführt, wie Sie das vorschlagen. plex ist. Der Bundesgesundheitsminister sprach jüngst davon, dass (Abg. Dr. Christoph Gensch, CDU: Haben in Deutschland jedes Jahr rund 10.000 Menschen durch Sie schon einmal etwas von einem Projekt das unverzügliche Einleiten einer Herzdruckmassage zu- gehört?) sätzlich gerettet werden können. Das dürfte selbst nach den Maßstäben der SPD-Fraktion, wenn es um Notfälle Die Frage ist und bleibt, welches generelle Ziel wir verfol- geht, keine Kleinigkeit sein. Gleichzeitig ist die Quote bei gen wollen. Es stellt sich die Frage: Was soll eigentlich aus der Wiederbelebung durch Ersthelfer in Deutschland im unseren Kindern einmal werden? – Wir wollen mündige Vergleich zu anderen Ländern mit 10 % bis 20 % wirklich und befähigte Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in das vergleichsweise niedrig und eine signifikante Steigerung Leben entlassen, eine ambitionierte Aufgabe, die auch die nur durch flächendeckende und nachhaltige Vermittlung Kompetenz beinhalten sollte, im Notfall helfen zu können. von Kenntnissen möglich. Deswegen werden wir Ihrem Antrag zustimmen.

(Beifall der SPD, der FDP und des Oftmals sind es mangelhafte Kenntnisse und Fertigkei- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – ten und die hieraus resultierenden Unsicherheiten, also Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!) vielfach Angst, etwas falsch zu machen, die potenzielle Ersthelfer darin hemmen, Hilfe zu leisten.

Präsident Hendrik Hering: Deshalb ist es der richtige Ansatz, die erforderlichen Fer- tigkeiten und Kompetenzen frühzeitig und nachhaltig zu Für die AfD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Dr. Groß das vermitteln. Nur wer Erste Hilfe regelmäßig übt, ist sicher Wort. und auch in einer Ausnahmesituation in der Lage zu hel- fen. Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: Ein dem Antrag entsprechendes geeignetes Konzept wäre Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnetenkollegen! Mit etwa das des GRC, des Deutschen Rates für Wiederbe- dem vorliegenden Antrag der Fraktion der CDU soll der lebung, das Kindern und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz Landtag aufgefordert werden, durch ein geeignetes Kon- durch regelmäßige Unterrichtungen nachhaltige Kenntnis- zept sicherzustellen, dass Kindern und Jugendlichen in se und Fertigkeiten in der Wiederbelebung vermittelt, wie Rheinland-Pfalz durch regelmäßige Unterrichtungen nach- etwa ein Grundverständnis von Herz-Kreislauf und sein haltige Kenntnisse und Fertigkeiten in der Wiederbelebung Stillstand, das Erkennen eines solchen, eine strukturier- vermittelt werden. Konkret wird im vorliegenden Antrag te Alarmierung des Rettungsdienstes, ein grundlegendes auf ein Konzept des Deutschen Rates für Wiederbelebung Verständnis und eine effektive Durchführung der Herz- (GRC) verwiesen, das ab der 7. Jahrgangsstufe eine Un- Druck-Massage und eine Anwendung der Beatmung und terrichtung durch speziell ausgebildete Lehrkräfte in einem Anwendung von automatisierten externen Defibrillatoren, Umfang von zwei Unterrichtsstunden pro Jahr vorsieht, so- wie man sie mittlerweile in vielen öffentlichen Gebäuden wie auf eine entsprechende Empfehlung der 395. Sitzung findet. des Schulausschusses der Kultusministerkonferenz vom 6. Juni 2014. Wenn man das vermittelt, wäre aus Sicht meiner Fraktion der Antrag vorbehaltlos zu prüfen, wobei es aus unserer Tatsächlich sind die Argumente, die für den vorliegenden Sicht auch von entscheidender Bedeutung ist, dass ein ent- Antrag sprechen, nicht von der Hand zu weisen. Nach sprechender Unterricht auch tatsächlich bis in die höheren aktuellen Zahlen des Deutschen Reanimationsregisters Jahrgangsstufen und auch an den berufsbildenden Schu- erleiden pro Jahr etwa 50.000 Menschen einen Herz- len fortgeführt wird, damit die erforderlichen Kenntnisse Kreislauf-Stillstand, und zwar außerhalb des Krankenhau- und Fertigkeiten wirklich – hier liegt der Fokus – nachhaltig ses. Nur 10 % überleben ihn; denn die Chancen, einen vermittelt werden können. Andere Bundesländer haben Herz-Kreislauf-Stillstand außerhalb eines Krankenhauses Rheinland-Pfalz hier schon etwas voraus. zu überleben, stehen ungünstig. Hirnzellen überstehen den Sauerstoffmangel höchstens etwa vier Minuten, und Thüringen etwa bietet bereits seit rund zwei Jahren ab der

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7. Jahrgangsstufe einen Kurs Wiederbelebung an. In Sach- Hilfe-Kurs im Zuge ihrer Führerscheinprüfung absolviert sen haben das sächsische Kultusministerium, das Univer- haben. Daher wäre es durchaus sinnvoll, nicht nur für Ju- sitätsklinikum Dresden und die sächsische Ärztekammer gendliche eine regelmäßige Auffrischung durchzuführen in Schulen das Projekt „Schüler retten Leben“ gestartet. – was in Teilen getan wird –, sondern auch die Besitzer Für 56 Schulen in Sachsen haben die entsprechenden eines Führerscheins. Lehrerfortbildungen im Januar dieses Jahres begonnen. Aus Sicht meiner Fraktion ist nicht erkennbar, wieso es in Es ist unumstritten, dass die Ersthelfer vor Ort ein wichti- Rheinland-Pfalz nicht künftig vergleichbare Unterrichtsan- ges Glied der modernen Rettungskette bilden. Ob jemand gebote geben sollte. als Ersthelfer eingreift – das erleben wir oft, man hat es vielleicht auch schon persönlich erlebt –, hängt aber häufig Dass ein entsprechendes Interesse seitens der Schüler von der individuellen Situation und von der Persönlichkeit in Rheinland-Pfalz gegeben ist, zeigen Projekte, wie sie des Einzelnen ab. Wenn ich allein unterwegs bin, lastet etwa im Rahmen der Woche der Wiederbelebung vom 18. auf mir eine 100-%ige Verantwortung für diese Situation. bis 24. September 2017 am Mons-Tabor-Gymnasium in Bin ich beispielsweise mit einer Gruppe von fünf Personen Montabaur stattgefunden haben. unterwegs, habe ich eine gefühlte Verantwortung von 20 %. Manche hoffen oder vertrauen darauf, dass ein anderer in (Glocke des Präsidenten) dieser Situation das Ruder übernimmt. Das ist ein Punkt. Die Resonanz der teilnehmenden Schüler sei dabei sehr Wir sind verpflichtet, die Menschen weiter zu sensibilisie- positiv gewesen. Ausnahmslos alle seien mit großer Be- ren und ihnen auch Selbstvertrauen zu geben, in einer geisterung dabei gewesen, wusste der Direktor im An- solchen Situation zu helfen. schluss zu berichten.

(Glocke des Präsidenten) An dieser Stelle möchte ich auch einmal die Möglichkeit nutzen, allen Frauen und Männern, die in unserem Land Im Ergebnis wird also unsere Fraktion dem vorliegenden Rettungsdienst leisten, für ihre hervorragende Arbeit und Antrag der CDU zustimmen. ihr Engagement zu danken; denn ihre Erfahrung und ihre Routine retten täglich Leben. Vielen Dank. (Beifall der FDP, der SPD und des (Beifall der AfD) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei der AfD)

Präsident Hendrik Hering: Ich möchte noch einen zweiten Punkt ansprechen. Im Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Wink das Wort. Zuge der Digitalisierung wäre der Ausbau des mobilen Retters ein weiterer Lösungsansatz. Hierbei werden spezi- ell geschulte Ersthelfer, welche sich in unmittelbarer Nähe Abg. Steven Wink, FDP: zu einem Notfall befinden, durch das GPS-Signal ihres Smartphones kontinuierlich geortet und durch die mobi- Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kolle- le Retter-App informiert. Das geschieht zeitgleich mit der gen! Durch Reanimation Leben retten. Es ist ein Thema, Alarmierung des Rettungsdienstes. das uns alle betrifft, sei es, dass ein Mensch selbst auf solche Maßnahmen angewiesen ist, es bei Freunden, Ver- Durch die örtliche Nähe können die mobilen Retter oft wandten oder Unbekannten anwenden muss. schneller am Notfallort sein und bis zum Eintreffen des Laut dem Deutschen Rat für Wiederbelebung erleiden al- Rettungswagens bereits qualifizierte lebensrettende Maß- lein in Deutschland jährlich über 50.000 Menschen außer- nahmen einleiten. Hierdurch wird die Rettungskette ge- halb des Krankenhauses einen plötzlichen Herzstillstand. stärkt, und Einzelpersonen werden entlastet. Es wurde erwähnt, bereits nach drei bis vier Minuten er- (Beifall des Abg. Martin Brandl, CDU – leidet das Gehirn dauerhafte Schäden. Ich darf den guten Abg. Martin Brandl, CDU: Im Kreis Grundstock der CDU aber noch mit allgemeinen Punkten Germersheim zum ersten Mal! ergänzen, die ich für die Zukunft wichtig finde. Germersheim ist Vorreiter!) Einmal Hand aufs Herz. Wie viele Menschen wüssten Daher ist zwar der Antrag der CDU nicht abschließend noch, wie man eine Reanimation nach neuen Anforde- und kann noch weiter fortgeführt werden, denn es gilt, das rungen durchführen soll? In welcher Frequenz sollen die Problem weiterhin an der Wurzel anzupacken, aber die Kompressionen durchgeführt werden, einmal, zweimal, FDP-Fraktion findet den Antrag einen guten Grundstock. dreimal pro Sekunde? Wie tief muss ich den Brustkorb Er bildet das Fundament. Das Haus muss noch drauf. Aber eindrücken? Wann beginne ich mit dem Beatmen? Das wir können beweisen, dass wir mit der Opposition zusam- alles sind Fragen, die man sich selbst in den Bruchteil menarbeiten können, wenn es sinnvoll ist. einer Sekunde beantworten muss, wenn man jetzt nicht gerade aus einem Beruf kommt, in dem solche Fortbildun- Vielen Dank. gen vorgesehen sind. (Beifall der FDP, der SPD und des Ich wage zu behaupten, dass auch viele Menschen, die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei CDU eben nicht in einem solchen Beruf sind, den letzten Erste- und AfD)

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Präsident Hendrik Hering: wickelt und ist mit diesem an die Kultusministerkonferenz herangetreten, dessen Schulausschuss die Einführung Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich auch befürwortet hat. Frau Kollegin Binz das Wort. Ob jetzt dieses Konzept oder ein anderes Konzept, das Abg. Katharina Binz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: lassen Sie von der CDU-Fraktion in Ihrem Antrag auch offen. Wir als Fraktion der Grünen befürworten daher auf Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen jeden Fall den heute vorliegenden Antrag, dass ein geeig- und Kollegen! Stellen Sie sich eine ganz normale Alltagssi- netes Konzept erstellt werden soll, durch das sichergestellt tuation vor. Sie gehen einkaufen, fahren mit dem Bus und wird, dass Kinder und Jugendliche in Rheinland-Pfalz diese sind mit Kindern oder Enkelkindern auf dem Spielplatz. Kenntnisse und Fertigkeiten in Wiederbelebung vermittelt Plötzlich bricht in Ihrer Nähe ein Mensch zusammen. Klar bekommen. Wir werden diesem Antrag zustimmen. ist, Sie eilen zu Hilfe, schauen, ob die Person ansprechbar ist, ob sie bei Bewusstsein ist. Sie versuchen herauszufin- Vielen Dank. den, ob sich ein Arzt oder eine Ärztin in der Nähe befinden, und Sie setzen natürlich auch einen Notruf ab. Aber was (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, tun Sie dann in der Wartezeit auf die Rettungskräfte? der SPD, der CDU und der FDP)

Was tun Sie in einer solchen Situation, wenn Sie Anzei- chen eines Kreislaufstillstands bemerken, wenn Sie kei- Präsident Hendrik Hering: nen Puls spüren oder einen Atemstillstand feststellen? Für die Landesregierung erteile ich Frau Staatsministerin Was also tun Sie, wenn Sie dies bemerken und wissen, Dr. Hubig das Wort. dass es bis zum Eintreffen medizinischer Hilfe noch einige Zeit dauern wird? Denn im Falle eines Kreislaufstillstands – wir haben es in der Debatte schon gehört – sind gerade Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung: diese ersten Minuten für die Überlebenschancen und die Chancen auf eine Genesung ganz entscheidend; denn die Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! irreversiblen Folgen bis hin zum Tod treten bereits nach Das Ziel, mehr Menschen mit Maßnahmen der Ersten wenigen Minuten ein. Hilfe und im Speziellen mit geeigneten Maßnahmen zur Reanimation von Mitmenschen im Falle eines Herz- und Die Chancen, dies zu verhindern, stehen wesentlich bes- Kreislaufstillstands vertraut zu machen, ist eine gesamt- ser, wenn in diesen ersten Minuten Wiederbelebungsmaß- gesellschaftliche Aufgabe. Hier ist das Engagement von nahmen durchgeführt werden. Doch leider wissen in sol- vielen Akteuren gefordert. Auch wir, die Landesregierung, chen Situationen in Deutschland viel zu wenige Menschen, sehen das so. was sie ganz persönlich in einer solchen Situation tun können, um entscheidende Hilfe zu leisten. Wenn sie es Erfreulicherweise gibt es dieses Engagement auf einer wissen, dann haben viele Menschen in Deutschland leider breiten Basis, die sicher noch breiter werden sollte. Die eine große Scheu, entsprechend zu handeln. Dabei steht vielfältigen Aktivitäten der Jugendorganisationen, gerade fest, dass die schnellen Wiederbelebungsversuche sehr der Rettungsdienste, wurden eben schon erwähnt. Sie wichtig sind, um den Betroffenen auch zu helfen. tragen ganz erheblich dazu bei, dass auch Kinder und Jugendliche nachhaltige Kenntnisse und Fertigkeiten über Trotzdem sind Laien in Deutschland damit häufig überfor- Maßnahmen der Ersten Hilfe erwerben können. Das Ju- dert. Herr Kollege Gensch hat darauf hingewiesen, die gendrotkreuz mit seinen 30 Kreisverbänden im Land sei Quote in Deutschland der Wiederbelebung durch ersthel- hier nur als ein Beispiel erwähnt. fende Laien liegt bei 10 % bis 20 %. Das ist im interna- tionalen Vergleich wenig, wenn man sich die Quoten von Aber auch in den Schulen im Land ist dieses Thema natür- 40 % bis 70 % anschaut, wie es sie in den skandinavischen lich verankert. Seit Jahren schreibt eine Verwaltungsvor- Ländern oder in den USA gibt. schrift den Schulleitungen und Schulträgern unter anderem vor, dass Sicherheitserziehung und Gesundheitsschutz in Der Deutsche Rat für Wiederbelebung hat ausgerechnet, der Schule Schülerinnen und Schüler befähigen sollen, dass bis zu 10.000 Leben in Deutschland gerettet werden bei Unfällen sachgerecht Erste Hilfe leisten zu können. Es könnten, wenn mehr Menschen wüssten und sich zutrauen spiegelt sich auch in den verschiedensten Aktivitäten der würden, was in diesen Minuten zu tun ist. Schulen wider.

Gerade dieses Zutrauen in das eigene Wissen über die In 189 weiterführenden Schulen sind rund 3.000 Schüle- lebensrettenden Maßnahmen entwickelt sich gerade dann, rinnen und Schüler nach intensiven Schulungen durch Ex- wenn Menschen ganz selbstverständlich damit aufwach- pertinnen und Experten in den schon erwähnten Schulsa- sen und bereits in frühen Jahren die Fertigkeiten und Hand- nitätsdiensten aktiv. Zu ihrer Ausbildung gehören natürlich griffe für Wiederbelebungsmaßnahmen lernen und auch auch Maßnahmen der Wiederbelebung. Die Schülerinnen lernen, dass sie sich in einer solchen Notfallsituation ruhig, und Schüler werden dabei von 270 Lehrkräften sowie von besonnen und schnell zu verhalten haben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Rettungsdienste un- terstützt und angeleitet. In diesem Sinne des frühen Lernens, des selbstverständli- chen Aufwachsens damit, hat der Rat für Wiederbelebung Die Erste-Hilfe-AGs in unseren mehr als 600 Ganztags- ein Ausbildungskonzept für Kinder und Jugendliche ent- schulen sowie das Ausbildungsprogramm im Rahmen des

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Zivil- und Katastrophenschutzes, mit dem jährlich im Land Lehren aus dem IQB-Bildungstrend 2016: Klare rund 4.500 Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 8 Unterrichtsformen und regelmäßiges Üben statt bis 10 mit Erste-Hilfe-Maßnahmen vertraut gemacht wer- weiter so den sollen, wurden ebenfalls erwähnt. Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/4421– Bei der Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten in Maßnahmen der Wiederbelebung an Schülerinnen und dazu: Schülern sind dankenswerterweise auch Krankenhäuser, Bildungstrend 2016 – Konsequenzen aus dem wie etwa die Universitätsmedizin in Mainz oder das Brü- schlechten Abschneiden der rheinland-pfälzischen derkrankenhaus in Trier, aktiv. Und mit der finanziellen Un- Grundschulen ziehen terstützung der Reh Stiftung erhalten alle weiterführenden Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU Schulen der Region Trier das kostenlose Angebot eines – Drucksache 17/4455– Kurses in Wiederbelebungsmaßnahmen. In voraussichtlich 30 Schulen werden in diesem Schuljahr Expertenteams Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Frisch. aus dem Brüderkrankenhaus und vom DRK Bildungswerk Eifel-Mosel-Hunsrück Schülerinnen und Schülern vor allem (Vizepräsidentin Barbara der Klassenstufen 7 bis 10 Wiederbelebungsmaßnahmen Schleicher-Rothmund übernimmt den näherbringen. Vorsitz)

Das Bildungsministerium verfolgt seit Längerem das Ziel, Abg. Michael Frisch, AfD: die Angebote in den Schulen weiter auszubauen. Dazu haben wir bereits eine ganze Reihe von bilateralen Ge- Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! sprächen geführt, unter anderem mit Rettungsdiensten, Die gestrige Aktuelle Debatte zum IQB-Bildungstrend war mit Medizinern, mit der Unfallkasse Rheinland-Pfalz, aber erhellend. Bildungsministerin Hubig relativierte, wir sind auch mit Stiftungen, die sich bei diesem Thema bundes- nicht schlecht, das Ergebnis ist nicht dramatisch. Zudem weit engagieren. versuchte sie mit Fake News abzulenken, nannte irrefüh- rende Zahlen und ließ eine bemerkenswerte Unkenntnis vermuten. Wir wollen einerseits eine Kombination aus Weiterbildungs- angeboten für Lehrkräfte, die befähigt werden sollen, Wie- Zu den Fake News: Diktate, so Frau Hubig, sind in der derbelebungsmaßnahmen an Schülerinnen und Schüler Grundschule verbindlich festgeschrieben. – Das stimmt weiterzuvermitteln, und andererseits sollen Schulen und nicht. Durch die Schulordnung für die öffentlichen Grund- Schulträger bei der Ausstattung mit den nötigen Übungs- schulen vom 10. Oktober 2008 wurden die Anforderungen materialien unterstützt werden. im Fach Deutsch in erheblichem Maße gesenkt.

Unser Ziel ist es, das Engagement aller zu bündeln und da- Waren bis dahin noch zehn bis zwölf Diktate pro Jahr für mit im Endeffekt mehr Schülerinnen und Schüler im Land die Dritt- und Viertklässler vorgeschrieben, sind jetzt nur zu erreichen. Dazu werden wir in naher Zukunft möglichst noch drei Arbeiten im Bereich Richtig schreiben eingeplant. viele der bisherigen Gesprächspartner an einen Tisch ho- Das müssen aber keineswegs Diktate sein. Es sind auch len und dies dann – wie auch im Antrag vorgeschlagen – andere Formate wie Lückentexte zulässig. in ein Konzept gießen. Weil Diktate nicht mehr der Bildungsmode entsprechen, Vielen Dank. greifen die Lehrer verstärkt auf solche Lückentexte zu- rück. Dabei waren Diktate für viele Generationen, die unse- (Beifall der SPD, der FDP, des BÜNDNIS re Schulen mit solider Rechtschreibung verlassen haben, 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU) selbstverständliche Prüfungsleistungen, auf die man sich zielgerichtet vorbereitet hat.

Präsident Hendrik Hering: Es ist bezeichnend für den Stellenwert der Rechtschrei- bung in Rheinland-Pfalz, wenn nicht einmal die Bildungs- Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wird Aus- ministerin weiß, ob in der Grundschule Diktate nun ver- schussüberweisung beantragt? – Das ist nicht der Fall. bindlich vorgeschrieben sind oder nicht. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der CDU-Fraktion. (Beifall der AfD)

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache Zu den irreführenden Zahlen: Frau Hubig nannte 14 von 17/4418 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Hand- insgesamt 1.000 Grundschulen, an denen ausschließlich zeichen! – Auch das ist möglich. Der Antrag ist mit den die Schreiben-nach-Gehör-Methode praktiziert wird. Dage- Stimmen aller Fraktionen angenommen. gen hatte die Landesregierung im Sommer 2015 mitgeteilt, dass in Rheinland-Pfalz im Schuljahr 2014/2015 in der ers- (Beifall im Hause) ten Klassenstufe 946 und in der zweiten Klassenstufe 932 Grundschulen mit Elementen des lautorientierten Schrei- Es geht weiter in der Tagesordnung. bens arbeiteten. An 16 der insgesamt 969 Grundschulen komme sogar zunächst ausschließlich die Anlauttabelle Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf: zum Einsatz.

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Vor rund zweieinhalb Jahren wurden also an weit über Der Alternativantrag der CDU greift leider nur einige un- 90 % der Grundschulen Elemente des lautorientierten serer Vorschläge auf. Darüber hinaus enthält er weitere Schreibens eingesetzt. Wenn die Ministerin jetzt den Ein- interessante Ansätze, weshalb wir ihn gern im Ausschuss druck zu erwecken versucht, lediglich an 1,4 % der Schulen diskutieren würden. In der jetzt vorliegenden Form können komme Schreiben nach Gehör zum Tragen, ist das in der wir ihm noch nicht zustimmen. Sache irreführend. Was das lautorientierte Schreiben betrifft, das der CDU- Zur vermuteten Unkenntnis: Wir haben den Eindruck, dass Antrag genauso kritisiert wie wir, so liegt der Ball bei der die Ministerin den Teilrahmenplan Deutsch für die Grund- FDP. Mit ihrer Unterstützung wäre es möglich, diese Me- schulen nie gelesen hat. Anders sind ihre Äußerungen im thode aus dem Rahmenplan Deutsch herauszunehmen Bildungsausschuss, aber auch gestern im Plenum, nicht und den regelbasierten Schrifterwerb allgemeinverbindlich zu verstehen. Es ist zweifellos so, dass dort der schüler- für die Grundschulen zu machen. Verehrte Kollegen von zentrierte Unterricht eine erhebliche Aufwertung erfährt der FDP, Sie haben die Wahl zwischen einem rot-grünen und der lehrerzentrierte gerade noch so geduldet wird. „Weiter so“ und einer bildungspolitischen Wende im Inter- esse unserer Kinder. Ich wüsste nicht, wie der Teilrahmenplan anders interpre- tiert werden könnte, wenn es dort auf Seite 18 heißt: „Deut- (Beifall der AfD) licher als bisher üblich sind jene Lernarrangements zu praktizieren, die sowohl die sachbezogen-mitgestaltende Es wäre schön, wenn Sie endlich einmal den Mut hätten, Eigenaktivität der Schüler fördern und einfordern (...). Ne- liberales Profil zu zeigen, anstatt in Nibelungentreue zur ben Varianten offener Unterrichtsformen wie Gruppenar- Koalition fragwürdige Positionen weiter mitzutragen. beit, schülerzentrierte Stationen-, Wochenplan-, Werkstatt- und Projektarbeit hat auch der lehrerzentrierte Unterricht Vielen Dank. nach wie vor seinen Platz, darf aber aus den genannten (Beifall der AfD) Gründen nicht dominieren.“ Zudem ist von eigenaktiver Regelbildung der Schüler die Rede. Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Frau Ministerin, Sie selbst haben am Dienstag im Aus- schuss mehr Verbindlichkeit und Stringenz in Aussicht Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Brück. gestellt. Wenn Sie das ernst meinen, müssen Sie den Teil- rahmenplan gewaltig überarbeiten, ja eigentlich ersetzen. Abg. Bettina Brück, SPD: (Beifall der AfD) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist also heute IQB-Bildungstrend die Dritte für diese Woche. Insgesamt bin ich mir aber nicht sicher, ob die Tragweite Bereits am Dienstag im Bildungsausschuss, gestern in der dieser Studie in der Landesregierung und bei den Koali- Aktuellen Debatte und heute diskutieren wir das Thema tionsparteien schon erfasst wurde. Frau Brück redete die erneut. Es ist ein wichtiges und ernstes Thema. Deshalb Ergebnisse gestern in bekannter Art und Weise schön. ist es gut, dass wir uns im Bildungsausschuss mit diesem Frau Lerch war einmal mehr nicht bereit, Schreiben nach Thema weiter intensiv beschäftigen werden, intensiv mit Gehör zu kritisieren, und das, obwohl die FDP in Ham- den Ergebnissen der Studie umgehen und auch über die burg und Nordrhein-Westfalen diese unsägliche Methode Konsequenzen sprechen werden. inzwischen eindeutig ablehnt. Dass die Grünen zu keiner Kurskorrektur bereit sind, verwundert nicht weiter. Ich habe überhaupt nichts schöngeredet, Herr Frisch. Wahrscheinlich stand das schon in Ihrem Konzept, be- (Heiterkeit bei dem Abg. Dr. Bernhard vor Sie die Rede gestern gehört haben. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Davon Dabei war es doch gerade Herr Köbler, der gestern an- kann man ausgehen!) mahnte, man solle sich mit den sozialen Unterschieden auseinandersetzen. Ja, Herr Köbler, das tun wir. Dabei Nach der allgemeinen Aufregung gestern werde ich aber wird klar, je offener die Unterrichtsformen sind, je weniger auch nicht alles wiederholen, was gesagt worden ist, son- strukturiert der Unterricht erfolgt, desto größer auch die dern zu dem kommen, wozu ich gestern wegen der allge- Öffnung der sozialen Schere. Nicht überall sind die Eltern meinen Aufregung zu diesem Thema gar nicht kam. dazu in der Lage, ihren Kindern zu Hause nachsteuernd zu helfen. Das gilt in ganz besonderem Maße für die Recht- Es ist so, dass wir uns intensiv Gedanken über gute Schul- schreibung, wie Professor Steinig in seiner Langzeitstudie und Unterrichtsqualität machen. Wenn man sich wirklich in- festgestellt hat. tensiv mit den Ergebnissen der Studie befasst und sie ana- lysiert und auswertet, ist es heute zu früh, schon Schlüsse Die Grundschule sollte nicht mit allen möglichen Dingen daraus zu ziehen und Vorschläge zu machen, was man überfrachtet werden. Gerade nach solch einem desolaten alles besser machen kann. Ergebnis muss man die Erwartungen, was Grundschule leisten kann, auf das Wesentliche zurückfahren: Lesen, Die Vorschläge, die die AfD in ihrem Antrag und die CDU in Schreiben, Rechnen. – ihrem Änderungsantrag machen, werden zudem von den Expertinnen und Experten für die Grundschulen, nämlich (Beifall der AfD) den Grundschullehrkräften, nicht unbedingt als das Gelbe

2606 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 vom Ei angesehen. Wie man in der Presse lesen kann und schullehrkräfte. Sie leisten hervorragende Arbeit. Deswe- wir aus Gesprächen und dem Landtagswahlkampf wissen, gen fallen Ihre Vorschläge bei uns genauso durch wie bei werden sie zum Teil auch von den Verbänden abgelehnt. den Verbänden. Scheinbar einfachen Lösungen können wir nicht auf den Leim gehen, weil es sie in diesem Fall Ich denke, insofern ist es ganz wichtig, dass wir zunächst überhaupt nicht geben kann. analysieren und vor allen Dingen eines nicht tun, näm- lich die Arbeit der Grundschullehrkräfte diskreditieren oder (Abg. Michael Frisch, AfD: Sie sagt nichts in ein schlechtes Licht stellen. Sie leisten nämlich her- zu unseren Vorschlägen! Keinen Satz!) vorragende Arbeit in unseren Grundschulen für unsere Schülerinnen und Schüler. Leider macht der CDU-Alternativantrag die Sache auch nicht viel besser. Hier wird wieder das Schreiben nach (Zurufe der Abg. Michael Frisch und Dr. Jan Gehör tituliert. Das ist schon im Wahlkampf gescheitert. Bollinger, AfD) Wir bleiben dabei, die Grundschullehrkräfte wissen am besten, wie sie unseren Schülerinnen und Schülern Lesen Leider kommt das aus dem AfD-Antrag so hervor. Herr und Schreiben beibringen werden. Die Methode Schreiben Frisch, auch das, was Sie eben gesagt haben, lässt vermu- nach Gehör ist eine von vielen Methoden, die zum Einsatz ten, dass Sie das so sehen. Leider ist das auch in Teilen kommen. im CDU-Antrag nicht ganz von der Hand zu weisen. Ich möchte das auch begründen. (Glocke der Präsidentin)

Der AfD-Antrag spiegelt schon einmal überhaupt nicht Herr Frisch, es hilft auch nicht, wenn Sie alle Schulen auf die Situation in unseren Grundschulen wider und zeigt ein einmal addieren und dann den Ruf nach „früher war sowie- bildungspolitisches Verständnis, das weit in die Vergangen- so alles besser“ noch mit hineinbringen. heit zurückreicht. Dazu haben die Experten in der Presse schon einiges gesagt. Wenn Herr Paul gestern so gern den (Abg. Uwe Junge, AfD: Die Ergebnisse sind Ausdruck „aus der Zeit gefallen“ verwendet hat, ist eines doch schlecht!) wirklich aus der Zeit gefallen, nämlich die Vorschläge von der AfD. Wir konstatieren für die Koalition, dass wir beiden Anträgen nicht zustimmen können. (Abg. Uwe Junge, AfD: Üben, üben, üben ist nicht aus der Zeit gefallen! Das schadet (Glocke der Präsidentin) nicht!) Wir werden unsere Grundschullehrkräfte weiter unterstüt- Neben Ihren Vorschlägen behaupten Sie zudem – heute zen, damit sie den Weg der individuellen Förderung konse- wieder, Herr Frisch –, es gäbe keine Diktate, und allein quent weitergehen können. Wir werden in der Diskussion der Frontalunterricht ist aus Ihrer Sicht der einzig selig zu verbesserten Ergebnissen und Maßnahmen kommen, machende Versuch, alles gut zu machen. sodass der nächste Bildungstrend dann hoffentlich besser ausfällt. (Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD – Abg. Uwe Junge, AfD: Ein Fake! Genau das Vielen Dank. haben wir nicht gesagt!) (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS Das ist sicher nicht der Fall. So, wie Sie es dargestellt ha- 90/DIE GRÜNEN) ben, haben Sie suggeriert, es gebe Beliebigkeit in unserer Bildungspolitik und im Grundschulunterricht. Das ist nicht der Fall. Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund:

Bitte informieren Sie sich ganz genau. Informieren Sie sich Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Beilstein. in den Grundschulen. Es gibt unterschiedliche Formen der Unterrichts- und Stoffvermittlung. Es gibt unterschiedliche Formen der Leistungserbringung. Eine davon sind Diktate. Abg. Anke Beilstein, CDU: Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Allein die Forderung nach mehr Frontalunterricht macht Tat, wir haben über die IQB-Bildungsstudie schon gestern noch keinen Unterricht besser. Das ist gestern schon lan- im Plenum gesprochen. Ich denke, seit gestern hat sich die ge diskutiert worden. Herr Frisch, ich habe nach Ihrem Welt nicht wesentlich verändert. Das erlaubt es zum einen, Vortrag und der Interpretation der Diskussion von gestern an die Debatte von gestern anzuknüpfen, zum anderen ein bisschen den Eindruck, dass es bei Ihnen darum geht aber auch, auf konkrete weitere Punkte unseres Antrags zu sagen, ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt. So einzugehen. ist es aber nun einmal nicht. (Abg. Uwe Junge, AfD: Das macht Ihre Der CDU geht es um eine intensive Analyse der Ergebnis- Frau Nahles! Sie ist gut darin! – se. Es freut uns, wenn wir im Bildungsausschuss und auch Zuruf aus dem Hause) gestern im Plenum hören, dass seitens der regierungstra- genden Fraktionen die Einsicht zu diesem Erfordernis da – Ich lese auch Bücher und brauche dafür niemanden. Wir ist. Das ist schon ein Fortschritt zum vergangenen Jahr. haben sehr viel Vertrauen in die Expertinnen und Experten Damals wurde unser entsprechender Antrag einfach abge- in unseren Grundschulen, in die ausgebildeten Grund- lehnt.

2607 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017

Es gibt aber einige Dinge, von denen wir überzeugt sind, Vielen Dank. dass man sie umgehend angehen müsste, weil es einfach unumgänglich ist und um gute Rahmenbedingungen für (Beifall der CDU) Grundschulen, ihre Lehrer und um Ressourcen geht. Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Zunächst ist die Sicherstellung der Unterrichtsversorgung zu nennen. Jede nicht gehaltene Unterrichtsstunde schmä- Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Dr. Hubig. lert den Bildungserfolg. Das ist einfach eine Tatsache.

(Beifall der CDU und bei der AfD) Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung: Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Her- Da ist auch unsere klare Haltung zum Thema Schreiben ren! Wir haben diese Woche sehr ausführlich über die nach Gehör zu nennen. Wir sind fest davon überzeugt, IQB-Studie gesprochen. Ich habe sehr deutlich gemacht, dass diese Herangehensweise dem Ziel einer korrekten dass wir mit den Ergebnissen der IQB-Studie nicht zufrie- Rechtschreibung abträglich ist. Es gibt keine anderen Be- den sind und wir unsere Schlüsse daraus ziehen und sie weise, die das Gegenteil beweisen. gemeinsam analysieren werden. Wir sind dankbar, dass auch der Bildungsausschuss Frau Professor Stanat, die Liebe Frau Brück, diese Praxis ist nicht im Wahlkampf, auch wir einladen werden, einlädt, um die Studie mit zu sondern im Schulalltag gescheitert. analysieren. Wir gehen davon aus, dass das auch ein Stück weit die Diskussion versachlichen wird. (Beifall bei CDU und AfD) Die Zahlen, die ich gestern und im Bildungsausschuss ge- Wir halten auch das Erlernen der Schreibschrift für ele- nannt habe, sind so, wie sie sind. Sie sind auch richtig, wie mentar wichtig, weil es das Zusammenspiel von Motorik ich sie genannt habe. Wir liegen mit den Ergebnissen im und Gehirn fördert und diese Fertigkeit zum persönlichen Mittelfeld in der Hauptgruppe der Länder im bundesdeut- Ausdruck der Kulturtechnik gehört. schen Durchschnitt. Wir sind nicht zufrieden. Wir würden gern oben in der Spitzengruppe oder im obersten Teil der Was gestern noch ein wenig in den Hintergrund getreten Hauptgruppe sein. Wir sind aber mitnichten in einem Be- ist, ist die Betrachtung der Ergebnisse mit Blick auf die reich, in dem immerhin drei Länder sind und bei dem man Heterogenität der Schülerschaft. Damit meine ich insbe- sich erhebliche Sorgen machen muss. sondere Inklusionskinder und auch Kinder mit Migrations- hintergrund. Ein Verweis auf diese Punkte als Begründung Ich glaube, dass es nicht zielführend ist, wenn man Dinge für das schlechte Abschneiden ist nicht nur sachlich falsch, behauptet, die nicht so ganz stimmen. Ich muss mich in sondern bei einer angestrebten Verbesserung auch wenig einem Punkt korrigieren. Das werde ich auch gleich noch hilfreich. tun.

Die Studienautorin erläutert nämlich, dass gerade Flücht- Die AfD reduziert das Ergebnis in Deutsch auf den Ein- lingskinder seit 2015 noch nicht berücksichtigt sind und der satz der Methode des Schreibens nach Gehör und fordert gestiegene Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund vor ein Verbot, wie dies in anderen Bundesländern der Fall allem auf in Deutschland geborene Kinder zurückzuführen sei. Anders als Sie behaupten, gibt es in keinem Land ein ist. Das sind nicht die Kinder, die mit sechs Jahren in die absolutes Verbot der Methode Schreiben nach Gehör. Schule kommen und kein Wort Deutsch sprechen können. Schauen Sie sich einmal das an, was Hamburg gemacht Ich bin mir im Übrigen absolut sicher, dass der IQ bei Kin- hat, und schauen Sie sich auch einmal das Schreiben dern mit Migrationshintergrund im Schnitt kein anderer ist von Frau Dr. Eisenmann, der Bildungsministerin in Baden- als der bei Kindern ohne Migrationshintergrund. Es ist auch Württemberg, an. Es ist kein absolutes Verbot, sondern nicht so, dass Förderkinder in dieser Studie explizit heraus- auch in Hamburg und Baden-Württemberg ist der indivi- genommen wurden, wohl aber zieldifferent unterrichtete duelle Einsatz der Methode phasenweise zulässig. Dabei Kinder keinen Eingang in die Studie gefunden haben. geht es immer darum, sich an der Rechtschreibung zu ori- entieren. Nichts anderes tun wir in Rheinland-Pfalz auch. Die CDU-Fraktion ist auch nicht bereit, das Argument hin- zunehmen, dass Kinder mit Migrationshintergrund und In- Wir setzen eben nicht auf Verbote. Wir gehen davon aus klusionskinder zu einem Absinken der Leistungen führen und wissen es sicher, dass die pädagogisch und didaktisch oder ein Absinken rechtfertigen würden und insgesamt ausgebildeten Grundschullehrkräfte im Land Expertinnen eine negative Auswirkung auf das allgemeine Bildungsni- und Experten sind, die genau wissen, wie sie diese Metho- veau haben oder haben dürften. de einsetzen sollen, können oder auch wollen, und zwar immer nur partiell und mit Blick auf die Schülerinnen und (Beifall der CDU) Schüler. (Beifall der SPD, der FDP und des Meine sehr geehrten Damen und Herren, die explizit ge- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – nannten Punkte in unserem Antrag halten wir für unver- Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD) zichtbar. Über weitere Ansätze sollten wir im Rahmen einer intensiven Ursachenanalyse sprechen. Diese ist angekün- An sich hätten wir im Anschluss noch einen Antrag gehabt, digt. Ich bin auf diese sehr gespannt. der mit „Freiheit für die Schulen – mehr Selbstverantwor-

2608 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 tung“ überschrieben gewesen wäre. Wenn man einerseits schon mit Lesefähigkeiten in die Schule kommen, für eine Freiheit für die Schulen fordert und andererseits in ein sol- gewisse Zeit in gewissen Situationen die Anlautmethode ches pädagogisches Tagesgeschäft eingreift, dann, finde verwendet wird und für andere Schüler, die noch keine ich, gibt es gewisse Unwuchten; Fähigkeiten haben, ganz normal buchstabengetreu gelehrt wird. (Abg. Martin Haller, SPD: Das ist keine Unwucht, das ist eine Unverschämtheit!) Vielen Dank. denn alle Grundschulen arbeiten auf der verbindlichen (Beifall der SPD, der FDP und des Grundlage des Teilrahmenplans Deutsch. Der spiegelt wi- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der, was wir in den nationalen Bildungsstandards der KMK haben. Der bildet genau das ab. Selbstverständlich wur- de der mit fachwissenschaftlichem Sachverstand erstellt. Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Selbstverständlich wird er von den Grundschullehrkräften Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Wird Ausschuss- in Rheinland-Pfalz angewendet. Im Teilrahmenplan wird überweisung gewünscht? der große Stellenwert des Übens deutlich. Auch die Kom- petenzen im Bereich Richtig schreiben sind hervorgeho- (Zuruf von der AfD: Ja!) ben. Dann stimmen wir zunächst über die Ausschussüber- Ich zitiere: Kinder haben am Ende der Grundschulzeit eine weisung ab. Wer der Ausschussüberweisung zustimmen lesbare persönliche Handschrift entwickelt und grundle- möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt gende orthografische Regeln, Lösungshilfen und Recht- dagegen? – Damit ist die Ausschussüberweisung mit den schreibstrategien kennengelernt und erprobt. – Ein weite- Stimmen der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS res Zitat: Die Entwicklung der Rechtschreibkompetenzen 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der AfD abgelehnt. der Schülerinnen und Schüler wird durch unterschiedliche Aufgabenformen von Anfang an festgestellt und dokumen- Dann kommen wir zur Abstimmung über die Anträge. Wir tiert. – stimmen zunächst über den Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/4421 – ab. Wer dem Antrag zustimmen In diesem Zusammenhang davon zu sprechen, dass wir möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt alles der Beliebigkeit überlassen würden, ist schlichtweg dagegen? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD, falsch. der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der AfD abgelehnt. (Abg. Martin Haller, SPD: Keine Ahnung und viel davon!) Wer dem Alternativantrag der Fraktion der CDU – Druck- Es gibt in der 3. und 4. Klasse verpflichtend mindestens sache 17/4455 – zustimmen möchte, den bitte ich um drei Leistungsnachweise im Bereich Richtig schreiben pro das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält Schuljahr. sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen Herr Frisch, Sie haben recht, die Diktate sind nicht aus- der CDU bei Stimmenthaltung der AfD abgelehnt. drücklich vorgeschrieben. Das habe ich gestern anders gesagt. Insofern muss ich mich in dem Punkt korrigieren. Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf: Ich tue das auch, wenn ich etwas falsch sage. Vogelgrippe in Rheinland-Pfalz – Herausforderung Wir haben insgesamt im Fach Deutsch – das sollten Sie für die Kleinhalter und Züchter der Vollständigkeit halber auch erwähnen – zehn Leis- Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS tungsnachweise in der 3. und zehn Leistungsnachweise in 90/DIE GRÜNEN der 4. Klasse im Fach Deutsch. Natürlich werden in den – Drucksache 17/4407– rheinland-pfälzischen Grundschulen Diktate geschrieben. Fragen Sie doch einmal die Eltern, die hier sitzen. Diese dazu: haben mich gestern auch alle darauf angeredet und ge- Vogelgrippe in Rheinland-Pfalz – Maßnahmen für sagt: Natürlich schreiben bei uns die Kinder Diktate. Rassegeflügel ergreifen Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU (Beifall der SPD, der FDP und des – Drucksache 17/4462– BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es wurde eine Grundredezeit von fünf Minuten je Frakti- Ich würde wirklich einmal empfehlen, mit Lehrerinnen und on vereinbart. Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Lehrern in Rheinland-Pfalz zu sprechen. Wir machen es Rahm. regelmäßig. Wir hatten kürzlich vier Grundschulleiterdienst- besprechungen, in der wir fast alle Schulleiterinnen und Schulleiter der Schulen haben. Abg. Andreas Rahm, SPD: Ich kann auch einen sehr guten Artikel in der Rhein- Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kol- Zeitung vom 29. August 2016 und einen in der AZ vom legen! In meiner letzten Rede in diesem Hohen Hause 17. August 2017 empfehlen, in denen sehr genau darge- habe ich über Eier geredet. Heute rede ich über Hühner. stellt wird, wie bei den Schülerinnen und Schülern, die Es hört sich lustig an, ist es aber nicht. Bei der einen Rede

2609 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 ging es um Gift, bei der anderen Rede geht es heute um vor. Das ist auch gut so. Die Landkreise als zuständige eine Seuche, und zwar um die Vogelgrippe. Behörden werden – das betone ich aus gutem Grund; wir haben noch einen Antrag vorliegen – wie in den Jahren Auch in diesem Jahr war die Vogelgrippe in Rheinland- 2016 und 2017 risikoorientierte Aufstallungen anordnen. Pfalz angekommen, aber bei Weitem nicht in einem sol- Eine Ausnahme soll nur bedingt möglich sein, um im Ver- chen Ausmaß wie in anderen Bundesländern. Das ist rich- dachtsfall auf einen Ausbruchsfall sehr schnell reagieren tig. Sie ist inzwischen auch abgeklungen. Aber dennoch zu können. ist die Vogelgrippegefahr nicht gebannt. Die SPD-Fraktion hat den Antrag mit initiiert, um weiterhin Das Friedrich-Loeffler-Institut hat in seiner aktuellen Risiko- sicherzustellen, dass entsprechend des Tierseuchengeset- analyse darauf hingewiesen, dass die Seuche in Deutsch- zes vorbeugend vor Tierseuchen und deren Bekämpfung land ein nie zuvor gekanntes Ausmaß hatte. Mehr als eine reagiert werden kann. Darüber hinaus müssen die Geflü- Million Tiere mussten 2017 laut Bundesagrarministerium gelhalter noch aktiver darüber aufgeklärt werden, dass sie wegen der Epidemie bereits getötet werden. sich bereits jetzt auf einen erneuten Ausbruch einstellen müssen, um im Rahmen ihrer Vorsorgepflicht Vorkehrun- Eines ist uns doch heute allen schon klar: Die nächste Vo- gen für den Ausbruchsfall treffen zu können. gelgrippe kommt bestimmt. Bereits im August 2017 wurde ein Vogelgrippefall mit den höchst ansteckenden Viren in Experten unterscheiden heute mindestens 15 verschie- Sachsen-Anhalt gemeldet. Das ist ungewöhnlich früh in dene Varianten der Vogelgrippe. Schon nach der ersten diesem Jahr. Bisher trat die Vogelgrippe bei Wildvögeln in Epidemie 2013 zeigte sich, ein Erreger hatte erste Anpas- Deutschland vor allem im Winterhalbjahr auf. sungsschritte an seinen neuen Wirt absolviert. Inzwischen kann er sich in Labortests von Säugetier zu Säugetier über- Die ersten Bundesländer fordern deshalb bereits jetzt für tragen, und es gibt resistente Varianten. die kältere Jahreszeit Sicherheitsmaßnahmen gegen die Vogelgrippe in Fällen bei Hausgeflügel. Die Vogelgrippe ist Amerikanischen Wissenschaftlern zufolge ist es nach de- inzwischen auch vom Typ A5N8 ein weltweites Phänomen ren Veröffentlichung vom 19. Oktober 2017 – noch nicht geworden. lange her – nur eine Frage der Zeit, bis eine Variante des Erregers entsteht, die die Eigenschaften der jetzt unter- Das größte Risiko für das Einschleppen von Vogelgrippevi- suchten Varianten vereint. Das kann natürlich auch für den ren ist und bleibt der Mensch. Genau aus diesem Grund Mensch gefährlich werden. sind auch wir dafür verantwortlich, alles dafür zu tun, damit in Rheinland-Pfalz diese bedrohliche Situation nicht zur Wir haben heute hoffentlich alle die Grippeschutzimpfung Existenzbedrohung unserer rheinland-pfälzischen Klein-, hinter uns gebracht. Also ich denke, wir reden hier wirklich Hobby- und Geflügelzüchter wird. über wichtige Sachen.

Gerade Rassegeflügelzüchter züchten Tierrassen, die auf Machen wir uns also nichts vor: Die Vogelgrippe ist nicht der Roten Liste der bedrohten Tierarten stehen. Eine De- nur eine Herausforderung für unsere Kleintierhalter und zimierung dieser Zucht führt ganz klar auch zu einer Dezi- -züchter. mierung der genetischen Vielfalt. (Glocke der Präsidentin) (Abg. Martin Haller, SPD: So ist das!) Die Vogelgrippe geht uns alle an, und wir müssen uns mit Das Umweltministerium hat im Juli 2017 – dafür sage ich diesem Problem befassen. Frau Höfken vielen Dank – einen runden Tisch initiiert, der sehr wertvoll war. Hier wurde mit allen Akteuren ge- Vielen Dank. sprochen, und es wurden Lösungsansätze – das ist ganz (Beifall der SPD und bei FDP und wichtig – erarbeitet. Noch einmal vielen Dank dafür. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dieses landesweite Gremium hat damit Vertrauen und Transparenz geschaffen. Genau diese Ergebnisse wollen Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: wir heute mit unserem Antrag manifestieren, um den Züch- tern Sicherheit zu geben. Dazu gehört auch – das ist auch Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Schneider. ein großer Erfolg – die Anerkennung des Landesverbandes der Rassegeflügelzüchter Rheinland-Pfalz als anerkannter Abg. Christine Schneider, CDU: Tierschutzverein im Tierschutz-LMSVG. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit verfügt – das ist ein Grund – der Verband ab sofort Sehr geehrter Herr Kollege Rahm, bei Ihren einführenden über Mitwirkungsrechte und das Verbandsklagerecht für Worten bin ich dann doch etwas nachdenklich geworden, anerkannte Tierschutzvereine. Das ist – salopp gesagt – weil ich auch zu den Eiern gesprochen hatte, und heute eine super Sache. darf ich für meine Fraktion zur Vogelgrippe reden.

(Beifall der SPD und der FDP) (Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD)

Die Landesregierung hat 2016 und 2017 keine landesweite Vielleicht sollten wir uns beide um die Position des „vogel- Aufstallung angeordnet. Dies hat sie auch in Zukunft nicht politischen“ Sprechers in unseren Fraktionen bewerben.

2610 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017

(Beifall der Abg. Martin Brandl und Julia rig und hoch pathogenes Virus –: Wir brauchen dringend Klöckner, CDU – Maßnahmen und eine weitere wissenschaftliche Bewer- Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Eure tung der Vogelgrippe. – Fraktionen, die lieben Euch, das merkt man, oder?) (Beifall der Abg. Martin Brandl und Julia Klöckner, CDU) Jetzt aber Spaß beiseite. Uns allen sind noch die Bilder und die Auswirkungen der Vogelgrippe in Rheinland-Pfalz Wir müssen der Hysterie, insbesondere wenn es um das vor Augen. Insbesondere wir in der Südpfalz waren durch Thema niedrigpathogene Vogelgrippe geht, begegnen, die Vorkommnisse bei den Geflügelzüchtern in Wörth be- weil ein niedrigpathogenes Virus durch einen Geflügel- troffen. Deshalb war das Thema Ausbruch der Vogelgrippe bestand genauso wie ein Schnupfen durch einen Kinder- auch mehrmals Thema im zuständigen umweltpolitischen garten geht: Es passiert nichts, jedes Kind bekommt ihn, Ausschuss. Daher betone ich, wir haben uns sehr gefreut, dann ist es durch, und es ist vorbei. als wir gesehen haben, die Ampelkoalition hat zu dem Thema einen Antrag eingebracht, und sie hat erkannt, wir (Beifall bei der CDU) haben in Rheinland-Pfalz entgegen der bisherigen Äuße- rungen im Ausschuss doch Handlungsbedarf. Deshalb fordern wir auch, dass es weitere wissenschaft- liche Untersuchungen gibt, damit Maßnahmen auch bei (Beifall der Abg. Martin Brandl und Julia uns getroffen werden können, um zu erforschen, wo das Klöckner, CDU) Virus entsteht und welchen weiteren Handlungsbedarf wir haben. Kurzfristig fordern wir, dass jetzt endlich das, was Beim näheren Hinschauen und Lesen des Antrags muss im Ausschuss angekündigt wurde, auch umgesetzt wird. ich aber sagen, wir waren dann doch enttäuscht, weil der Deshalb wollen wir schnellstmöglich die Voraussetzung Antrag das fortgesetzt hat, was wir im Ausschuss erlebt schaffen, dass Rassengeflügelzüchter Netze über die Aus- haben. Es gibt viele Ankündigungen. Es gibt viele Dinge, läufe anbringen können. Dies wurde schon monatelang die man prüfen möchte, aber den Prüfungen sind bis heute geprüft. Schließen Sie die Prüfung jetzt endlich ab. nach vielen Monaten keine Taten gefolgt. Wir wissen, die Zustimmung auf der Bundesebene liegt vor, Deshalb sagen wir als CDU-Fraktion: Die Zeit der Ankündi- und setzen Sie es auch für unsere Rassengeflügelzüchter gung muss vorbei sein. Es wird Zeit, dass den Ankündigun- in Rheinland-Pfalz um; denn die Zeit der Prüfungen muss gen jetzt auch Taten folgen. Deshalb haben wir unseren vorbei sein, und die Zeit, dass wir die Verantwortung über Alternativantrag eingebracht, die Entscheidungen ausschließlich auf die Kreise verla- gern und es dann zu unterschiedlichen Entscheidungen (Beifall bei der CDU) kommt, muss auch vorbei sein. damit es für die Rassegeflügelzucht in Rheinland-Pfalz Wir brauchen gleiche Handlungsrichtlinien, und wir fordern noch eine Zukunft gibt. Wir müssen aus den Fehlern der dazu auf, dass diese gemeinsam mit dem Landesverband Vergangenheit lernen, insbesondere aus den Fehlern, die der Rassengeflügelzüchter, den Kreisen und dem Minis- zum Beispiel fast im Fall des Rassegeflügelzuchtvereins terium erarbeitet werden und diese Richtlinien dann auch in Wörth gemacht wurden. Wenn Herr Landrat Brechtel in für alle gleich gelten und nicht jeder sie unterschiedlich Germersheim nicht so mutig gewesen wäre auslegen kann. Deshalb stimmen Sie unserem Antrag zu, damit es für die Rassengeflügelzucht in Rheinland-Pfalz (Abg. Martin Brandl, CDU: Guter Mann!) noch eine Zukunft gibt. und sich gegen die Anordnung des Ministerium gewehrt Vielen Dank. hätte, wären in Germersheim (Beifall der CDU) (Beifall bei der CDU)

über 500 Tiere gekeult worden, darunter Arten, die auf der Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Roten Liste stehen. Man muss nur schauen, zu was es führt, wenn man in das Altrheingebiet schaut. Hier haben Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Kollegen Rahm über 50 Züchter von Wassergeflügel in der Zwischenzeit das Wort. die Zucht aufgegeben, weil man Wassergeflügel über meh- rere Wochen nicht einsperren kann. Deshalb ist es auch Abg. Andreas Rahm, SPD: unsere Forderung in dem Antrag, eine Obergrenze Frau Präsidentin, liebe Frau Schneider! Ich bin eigentlich, (Abg. Julia Klöckner, CDU: Ah!) Sie wissen das, eher der angenehme Mensch von 21 Tagen für die Einsperrung entsprechend umzuset- (Heiterkeit im Hause) zen, insbesondere dann, wenn es um ein niedrigpathoge- nes Virus geht. und vielleicht nicht unbedingt der, der immer widerspre- chen will. Ich musste Ihnen aber schon in der letzten Aus- (Beifall bei der CDU) schusssitzung, als es um die Eier ging, widersprechen.

Ein weiterer Punkt – und da bin ich bei dem Thema nied- (Heiterkeit im Hause)

2611 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017

Sie haben gesagt, Sie bewerben sich in Ihrer Fraktion als Ihr wart bei den Geflügelzüchtern. Wart ihr auch bei de- umweltpolitische Sprecherin. So habe ich es zumindest nen dabei, die die Telefonate mit dem Ministerium geführt verstanden. Ich bin es schon. Deswegen muss ich zu Ihrer haben, als das Ministerium die Keulung angeordnet hat Rede noch ein paar Worte fallen lassen. Wir haben das im Ausschuss ganz klar besprochen. Sie wissen auch, was (Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Aha!) im Ausschuss gesagt wurde. In der letzten Rede habe ich schon gesagt, ich bitte Sie doch, Ihr Wissen auch in Ihre und als die Geflügelzüchter dann auf die Barrikaden ge- Reden einzubauen. Wie es aussieht, sind Sie nicht dazu gangen sind und auf einmal im Ministerium keiner mehr bereit. von dieser Anordnung etwas wusste? Wart ihr da auch? Da ist nämlich das Ministerium abgetaucht (Beifall des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall der Abg. Julia Klöckner, CDU)

Sie haben hier wirklich noch einmal Ihren Landrat – er und hat den Landkreis und den Landrat im Regen stehen gehört Ihrer Partei an, das ist gut so, das kann auch so lassen. sein – gelobt ob seines Handelns während der Vogelgrippe in Wörth. (Beifall bei der CDU – Abg. Julia Klöckner, CDU: Sie hat das (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ja!) Wissen! – Zuruf der Abg. Martin Haller, SPD) Sie wissen ganz genau, diese Sache hätte derartig schief- gehen können. Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Wohl Als nächster Redner hat Herr Klein von der AfD-Fraktion wahr!) das Wort.

Er hatte großes Glück, dass die Seuche nicht ausgebro- chen ist, aber das hat nichts mit irgendwelchem Sachver- Abg. Jürgen Klein, AfD: stand oder Sonstigem zu tun gehabt. Das hat einzig und Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen! allein mit Glück zu tun gehabt. (Zurufe von SPD und CDU) Dann sagen Sie noch, der Landkreis wäre alleingelas- sen worden. Sie wissen aus etlichen Wortbeiträgen im Ausschuss, dies war nicht der Fall. Das Ministerium hat Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: ausführlich unterstützt, geholfen und beraten. Deswegen Herr Klein, Sie haben das Wort. noch einmal meine Bitte, in Ihren Redebeiträgen einfach vielleicht das Wissen und die Information aus dem Aus- schuss mit einzubringen, sonst können wir uns auch die Abg. Jürgen Klein, AfD: Beratungen im Ausschuss und die Zeit sparen. Die Vogelgrippe ist in Deutschland abgeklungen, aber nicht Vielen Dank. ganz verschwunden. Mit einem massiven Auftreten müs- sen wir insoweit rechnen, dass wir uns für diesen Fall vor- (Beifall der SPD, der FDP und des bereiten. Der Antrag der Koalitionsfraktionen stellt fest, je- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der Ausbruch ist eine Existenzbedrohung für kleine Halter, Hobbyhalter und Geflügelzüchter. Aber auch die großen Geflügelhaltungen ohne Zucht, die Jäger usw. sind von der Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Vogelgrippe und verwandten Krankheiten bedroht. Zu einer Erwiderung spricht Frau Abgeordnete Schneider. Der Antrag scheint den Verzicht auf eine Anordnung der (Abg. Julia Klöckner, CDU: Jetzt kommt landesweiten Aufstallung zu begrüßen. Nach Ansicht der Wissen!) AfD-Fraktion sollte aber die Landesregierung die Anord- nung einer landesweiten Aufstallung für die Zukunft nicht ausschließen. Bei einem verbreiteten Auftreten der Vogel- Abg. Christine Schneider, CDU: grippe in ihren verschiedenen Varianten kann es durch- Sehr geehrter Herr Kollege, mein Wissen bringe ich in die aus sinnvoll sein, zur Prävention landesweit eine Aufstal- Reden ein, aber bei Ihrer Kurzintervention hatte ich eher lung anzuordnen. Diese muss aber organisatorisch durch das Gefühl, nichts zu wissen macht nichts. Aufklärungsarbeit vorbereitet sein. In diesem Zusammen- hang kann der von der Ministerin einberufene runde Tisch (Beifall der Abg. Julia Klöckner und zur Geflügelpest sehr hilfreich sein. Ob die Konstellati- Johannes Zehfuß, CDU) on der Teilnehmer des runden Tisches unter dem Druck der schnellen und unübersichtlichen Ausbreitung solcher Lieber Herr Kollege, ich lade Sie gern in die Kreisverwal- Seuchen möglich und sinnvoll ist, müssen die zuständigen tung nach Germersheim ein, gern mit Vertretern des Mi- Behörden und das Ministerium als oberste Behörde jeweils nisteriums. eigenverantwortlich entscheiden. (Abg. Martin Haller, SPD: Wir waren doch dort!) Das Ministerium und die beteiligten Kreise haben sich am

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5. Juli 2017 zu den Problemen der Vogelgrippe ausge- Insgesamt ist bei uns in Rheinland-Pfalz seit Dezember tauscht. Hat es seitdem weitere Sitzungen des runden 2016 in über 20 Fällen die hoch ansteckende Form des Tisches gegeben, und sind solche für die Zukunft geplant? H5N8-Virus, bekannt als Vogelgrippe, nachgewiesen wor- Die AfD-Fraktion befürwortet solche Treffen gerade in Zei- den. Zum Vergleich: In ganz Deutschland waren es im ten ohne kritische Ausbrüche von Vogelseuchen. Wenn die Zeitraum bis Ende Juni über 100 Fälle. Eine Entwarnung Gefahren akut sind, müssen die Kreisbehörden und das gibt es nicht, da in Europa immer noch Ausbrüche gemel- Ministerium doch schnell nach ihrem eigenen Ermessen det werden. urteilen und handeln und können nicht zu einer Beratung mit dem runden Tisch verpflichtet werden. In Rheinland-Pfalz hat das Umweltministerium zügig rea- giert, und die Landkreise haben eine risikoorientierte Auf- In Abschnitt 2 schlagen die Koalitionsfraktionen vor, dass stallung angeordnet. Dies entspricht der gültigen Rechtsla- der Landtag fünf verschiedene Sachverhalte begrüßt. Die ge, die bei einer erhöhten Gefahrenlage greift. Ausnahmen AfD-Fraktion kann sich dem überwiegend anschließen, von der Aufstallungsanordnung können von der Kreisver- macht jedoch folgende Vorbehalte geltend. Die Erfahrung waltung erteilt werden. Auch bei Auftritt des Seuchenfalls zeigt aber, die Seuchenbekämpfung sollte die Stunde der spricht die Geflügelpestverordnung mit § 19 eine klare Exekutive sein. Sprache. Allerdings obliegt es auch in diesem Fall der Kreisverwaltung, Ausnahmeregelungen von der anzuwen- Den Aufforderungen an die Landesregierung in Abschnitt 3 denden Tötungsanordnung zu erlassen. So geschehen im kann die AfD-Fraktion weitgehend folgen. Dazu noch fol- Januar dieses Jahres auf Initiative eines Rassezuchtbetrie- gende Anmerkung: Der erste Spiegelstrich des Antrags bes. kann entfallen, weil er letztlich nur zur Beachtung der ein- schlägigen Gesetze auffordert, was selbstverständlich sein Meine sehr geehrten Damen und Herren, nur damit wir sollte. Bei den Krisenübungen sollten auch Fachbehör- uns richtig verstehen, die Rassegeflügelhaltung an sich den, wie das Landesuntersuchungsamt und das Friedrich- hat als spezielle Form der Tierhaltung einen besonderen Loeffler-Institut, einbezogen werden. Nutzen und nimmt damit eine eigene Stellung unter den Tierzüchtern ein. Mit insgesamt über 4.400 Mitgliedern Die AfD-Fraktion wünscht den Geflügelzüchtern, den Ge- züchten die Kleintierhalter auf höchstem Niveau und neh- flügelhaltern und allen anderen Betroffenen, dass sie von men damit, wie viele andere Tierzüchter auch, mit der den verschiedenen Formen der Vogelgrippe verschont blei- Bewahrung der genetischen Vielfalt eine wichtige Aufgabe ben mögen. Sie fordert die Landesregierung, die Fachbe- in Rheinland-Pfalz wahr. Darüber hinaus engagieren sie hörden und die zuständigen Kreisveterinärbehörden den- sich in der Jugendarbeit und im Bereich der artgerechten noch auf, sich auf kommende Ausbrüche solcher Seuchen Tierhaltung. vorzubereiten. Das Ministerium hatte seine Strategie zur Verhinderung und Bekämpfung der Vogelgrippe im August Auch wenn man die Rassegeflügelhaltung als speziali- im Umweltausschuss dargelegt, nachzulesen im Sprech- sierte wichtige Tierhaltung nicht mit der Nutztierhaltung vermerk vom 5. September 2017. Darin verzichtet das vergleichen kann, gelten dennoch die gleichen Bedingun- Ministerium nicht auf die Alternative einer Anordnung ei- gen. ner landesweiten Aufstallung. Das Ministerium verdeutlicht auch, es zieht für seine Entscheidungen immer den Rat Mit der Afrikanischen Schweinepest droht der nächste des Friedrich-Loeffler-Instituts heran. Angesichts dieser Ausbruch einer Tierseuche. Ein Ausbruch dieser hoch an- strategischen Festlegung bedarf es keiner eigenen Ent- steckenden viralen Erkrankung hätte fatale Folgen, nicht schließung des Landtags, wie sie die Koalitionsfraktionen nur für die Wildschweine, sondern auch für die Schweine- vorgelegt haben. haltung in Rheinland-Pfalz.

Da dieser Entschließungsantrag nicht ganz falsch, aber Wie ich bereits erwähnt habe, ist die Gesetzeslage in ei- auch nicht nötig ist, enthält sich die AfD bei der Abstim- nem solchen Fall recht eindeutig, wobei ich hoffe, dass mung über den Antrag der Koalitionsfraktionen. es zu diesem Fall nicht kommt und die Überlegungen rein theoretischer Natur bleiben. Danke. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist daher (Beifall der AfD) vor allem wichtig, dass die Landesregierung aus diesem Geschehen die richtigen Schlussfolgerungen zieht. Der Anfang ist bereits gemacht, nämlich in Form des Antrags, Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: den wir heute hier besprechen.

Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Weber. Ich möchte an dieser Stelle den Punkt aufgreifen, der vor- hin zur Diskussion geführt hat. Der Abgeordnetenkollege Herr Rahm hat das richtig definiert, der Landkreis, das Mi- Abg. Marco Weber, FDP: nisterium und die Geflügelhalter hatten Glück, dass es so Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle- geendet ist, wie es geendet ist. Ich würde an dieser Stelle gen! Seit Ende des letzten Jahres beschäftigen wir uns mit einfach darum bitten, in künftigen Fällen die Kommunika- der Vogelgrippe. So wurde das Thema, speziell die Situati- tion auf allen Ebenen – ich sage einmal – zu verbessern on der Rassegeflügelhalter, nicht nur im Umweltausschuss, und sich am runden Tisch auszutauschen, damit für die sondern auch am runden Tisch mit den Betroffenen disku- Geflügelhalter, für die davon betroffenen Menschen ein tiert, was gut und richtig war. bestmögliches Ergebnis erzielt wird.

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Frau Schneider, Sie wissen ganz genau, dass bei einem Änderung in der Zuständigkeit und der Verantwortlichkeit Seuchenfall, egal ob H5N8 oder Schweinepest, Regelun- wünschen, ist auch hier wieder der Bundesgesetzgeber gen auf europäischer, Bundes- und Landesebene getroffen Adressat. Das ist nicht die Landesregierung. Insofern zielt sind. Hier hatten wir Glück, dass es so geendet ist, wie es Ihr Alternativantrag auch diesbezüglich in die völlig falsche geendet ist. Richtung.

Ich hoffe, dass man aus diesem Fall die Lehren zieht und Vor dem Hintergrund muss ich sagen und würde weiter- dementsprechend im Interesse der Tierhalter in Rheinland- hin darauf bestehen, dass die Zuständigkeit und die Ver- Pfalz zusammenarbeitet. antwortung auf Kreisebene bestehen bleibt, weil dort der Ortsbezug, die Kenntnis und die kurzen Wege gegeben Vielen Dank. sind und dort die Veterinäre sitzen. Es macht Sinn, dass der Bundesgesetzgeber gesagt hat, die Verantwortlichkeit (Beifall der FDP, der SPD und des liegt dort. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Natürlich ist es unangenehm und unbequem, wenn man Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: risikoorientiert vor allem im Sinne der Kleintierhalter vor- gehen will, dass man eventuell auch die eine oder andere Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr unangenehme Entscheidung treffen muss, aber das muss Kollege Hartenfels. dann auch auf der Kreisebene stattfinden, gern unter Bera- tung der Landesregierung, des Ministeriums. Aber mit wel- Abg. Andreas Hartenfels, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: cher Dreistigkeit Sie jetzt sehr lautstark Mitarbeiterschelte beim Ministerium betrieben haben, das war schon bemer- Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Her- kenswert in diesem Hohen Hause. Ich hoffe, dass Sie sich ren! Ich möchte in den Mittelpunkt meiner Ausführungen anschließend bei der einen oder anderen Mitarbeiterin, bei vor allem das Tierwohl, die artgerechte Tierhaltung, aber dem einen oder anderen Mitarbeiter entschuldigen, auch natürlich auch die Kleintierhalter stellen. bezüglich des Tones, den Sie gewählt haben.

Ich mache das vor dem Hintergrund der Ausführungen von (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Schneider, weil der Alternativantrag der CDU-Fraktion und vereinzelt bei SPD und FDP) vor allem sehr viel Nebel streuen will und mit seinen For- derungen den völlig falschen Adressaten gewählt hat. Das Wir haben den Akteur der Landesebene und den Akteur werde ich im Laufe meiner Rede an den geeigneten Stel- der Kreisverwaltung. Daneben haben wir noch die Akteure len belegen. der Geflügelwirtschaft und die Rassegeflügelzüchter. Das sind die nächsten Akteure, die wir ins Boot holen müssen. Zunächst einmal, wenn es um die Eindämmung von Seu- Da war es sehr wichtig und notwendig, den runden Tisch chengefahren geht, was Hauptaugenmerk sein muss, einzuberufen. Es ist aber auch den Rassegeflügelzüchter muss man immer wieder sorgfältig abwägen, wenn man klarzumachen, auch von Kreisebene, dass sie Vorkehrun- gleichzeitig möglichst lange eine artgerechte Tierhaltung gen treffen müssen. Wenn sie eine Aufstallung und Keulun- aufrechterhalten und Keulungen, dort, wo es möglich ist, gen vermeiden wollen, dann müssen sie bauliche Vorrich- vermeiden will. Dass das überhaupt möglich wird, dafür hat tungen vorhalten. Das liegt im Verantwortungsbereich der sich die Landesregierung verdient gemacht. Frau Schnei- Akteure vor Ort. Es ist wichtig, dass man das Bewusstsein der, das müssten Sie eigentlich wissen, weil der Bundes- dafür schult. Dafür war der runde Tisch wichtig. In dieser gesetzgeber etwas ganz anderes vorsieht, nämlich eine Beziehung waren sich alle Akteure weitestgehend einig. bundesweite Aufstallung. Das war die Stoßrichtung des Bundesgesetzgebers. Frau Schneider, die Aufregung, die von Ihnen skizziert wird, hat in der Realität gar nicht stattgefunden, dass die Wenn man also eine Öffnung haben will – wir haben dafür Akteure gegeneinander agieren würden. Wieder ist es die gekämpft; die Landesregierung hat das auf Bundesebene CDU-Fraktion hier im Land, die ohne Not versucht, die auch erfolgreich umsetzen können –, dann ist der aller- Akteure gegeneinander aufzubringen, statt ein Miteinan- erste Adressat immer die Bundesregierung. Wer führt die der zu organisieren. Das ist die Verantwortung, der wir im Bundesregierung an? Erstaunlicherweise ist das die CDU, Land hervorragend nachgekommen sind. also der eigentliche Adressat für Ihre Forderung. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das zum einen. Der nächste Punkt, der in diesem Zusam- und vereinzelt bei SPD und FDP – menhang wichtig ist, ist, durch diese Öffnung, die wir auf Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU) Bundesebene erreicht haben, ist es überhaupt erst mög- lich, risikoorientiert vorzugehen und zu handeln. Das ist Dieser runde Tisch hat zum Beispiel gesagt, im Bereich ein ganz wichtiger Gesichtspunkt. Es ist auffällig, dass das der Biosicherheitsmaßnahmen und des Hygienebewusst- Bundesland Rheinland-Pfalz eines der wenigen Bundes- seins sollte nachgelegt werden. Es sollte das Bewusstsein länder gewesen ist, die diesen Weg der risikoorientierten bei den Akteuren vor Ort geschärft werden, insbesondere Aufstallung gegangen sind. bei den Tierhaltern. Das ist auch sinnvoll.

Dann kommt der nächste Akteur ins Spiel, die Kreisebene. Am Schluss vielleicht noch eine letzte Anmerkung. Dass Es ist bundesgesetzlich eindeutig geregelt, dass hierfür Sie den falschen Adressaten wählen, merkt man auch die Kreisverwaltungen zuständig sind. Wenn Sie sich eine daran, dass Sie fordern, wir bräuchten vermehrten For-

2614 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017 schungsbedarf. Wenn das wirklich so wäre – wir haben Bemerkenswert ist die Forderung der CDU-Fraktion in dem hier wieder eine bundesgesetzliche Kompetenz und Re- Antrag, die Aufstallpflicht nur bei Auffinden eines infizierten gelung, was bei einer Seuchengefahr auch Sinn macht –, Tieres anzuordnen und diese auf 21 Tage zu begrenzen, dann müssten Sie vor allem das Friedrich-Loeffler-Institut also komplettes Unwissen in Sachen Tierseuchenrecht; in den Blick nehmen, weil dort die Forschungen zusam- denn die Reduzierung der Anordnung der Aufstallpflicht ist menlaufen und die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten nach geltendem Bundesrecht so nicht zulässig. liegen. Wer sitzt diesem Bundesinstitut vor? Überraschen- derweise wieder eine CDU-geführte Bundesregierung. Die Geflügelpestverordnung verpflichtet die Behörden, die Risikobewertung nach folgenden Kriterien auszulegen Liebe Frau Schneider, liebe CDU-Landtagsfraktion, Ihr An- – ich lese sie noch einmal vor –: örtlichen Gegebenheiten, trag richtet sich fast ausschließlich in Gänze an den Bund. Vorkommen und Verhalten von Wildvögeln, Verdacht auf Also adressieren Sie ihn an den Bund. Dort, wo Sie die Geflügelpest. – Alles andere macht aus wissenschaftlicher eine oder andere Forderung an das Land gerichtet hatten, und seuchenrechtlicher Sicht keinen Sinn. Die Dauer wird hat das Land diese Forderung schon längst umgesetzt. risikoorientiert auf diesen Grundlagen von der Kreisverwal- Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. tung festgelegt. Ich kann auch nicht sehen, dass es einen inhaltlichen Grund gibt, das zu ändern, ganz im Gegenteil. Vielen Dank. Wir haben die Möglichkeit – dabei möchten wir auch in (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Zukunft bleiben –, dass die Landkreise als zuständige der SPD und der FDP – Behörden die Aufstallung risikoorientiert anordnen. Wir Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Nichts werden sicherstellen, dass Verlängerungen der Aufstal- verstanden! – lungsanordnungen künftig von den Landkreisen effektiver Abg. Christine Schneider, CDU: Er hat kommuniziert und bei Bedarf auch zentral auf der Home- nichts verstanden!) page des Landesuntersuchungsamts bekannt gegeben werden. Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Ausnahmen von der Aufstallung bedeuten eine erhöhte Ge- Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Höfken. fährdung. Dessen muss man sich bewusst sein. Meine Vor- redner haben schon verschiedentlich darauf hingewiesen, Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernäh- dass sich Seuchengeschehen unterschiedlich entwickeln rung und Forsten: können. Hier müssen wir handlungsfähig sein. Die Voraus- setzung zur Ausnahme von der Aufstallung ist – das gilt Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und für alle Bereiche, auch für Zoos –, dass zur Erteilung der Kollegen! Ich bin auch etwas erschüttert, dass die Debatte Genehmigung alle Tiere aufgestallt werden können, keine immer wieder zu der Ausgangslage, die Sie setzen, Frau Tiere aus dem Bestand verbracht werden, die Tiere nach Schneider, zurückkehrt, obwohl ich dachte, das hätten wir Anordnung der zuständigen Behörde untersucht werden hinter uns. Ich finde es außerordentlich gefährlich, wenn und die Einrichtung im Vorfeld der zuständigen Behörde man ein Seuchengeschehen zu parteipolitischen Zwecken die Voraussetzung und Vorkehrungen mitgeteilt hat, die instrumentalisiert. Grundlage der Ausnahmegenehmigung sind. Die zuständi- ge Behörde muss diese Einrichtung und Voraussetzungen (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Vorfeld geprüft und abgenommen haben. Das ist die und vereinzelt bei SPD und FDP – Rechtslage. Dabei bleiben wir auch. Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Ich sehe auch, dass das gefährlich ist für Mensch und Tier, Selbstverständlich setzen wir uns mit aller Leidenschaft jenseits aller rechtlichen Vorgaben, und das noch ange- dafür ein, dass Rassegeflügelhalter die Möglichkeit erhal- sichts der Tatsache, dass die ehemalige Staatssekretärin ten, ihre Bestände zu schützen. Ich bin selbst lange Jahre dieses Ministeriums Ihre Fraktion anführt. Ich kann das Vorsitzende eines Tierzuchtverbandes gewesen. Sie kön- nicht verstehen. nen mir wirklich glauben, dass mir das am Herzen liegt. Als praktizierende frühere Landwirtin habe ich miterlebt, (Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Unglaublich!) was es heißt, von Seuchengeschehen bedroht zu werden. Ich kann gut verstehen, dass viele Emotionen damit ver- Rheinland-Pfalz hat sich als eines der wenigen Bundes- bunden sind. Aber wir wissen um die Risiken und müssen länder von Beginn an für eine begrenzte Aufstallung in diese für Mensch und Tier möglichst gering halten. Das sogenannten Risikogebieten eingesetzt. Im nationalen Kri- geschieht durch das Zusammenwirken. Ich glaube, wir ha- senstab hatten der Bund und zahlreiche Länder für eine ben im Land die Voraussetzungen dafür geschaffen. bundesweite Aufstallung von Geflügel plädiert. Das heißt, wir hätten gar keine Möglichkeit gehabt, auf die Forderun- Frau Schneider, in der anstehenden Änderung der Geflü- gen der Rassegeflügelhalter zu reagieren. So aber haben gelpestverordnung – auch hier ist Ihr Antrag völlig obsolet – wir uns letztendlich auch aus Gründen des Tierschutzes sind die engmaschigen Netze bereits aufgenommen. Wir durchgesetzt. Die zuständigen Kreisverwaltungen haben haben uns als Land dafür eingesetzt. nur in Gebieten mit einem erhöhten Aufkommen an Was- sergeflügel, Wildgeflügel in Gewässernähe sowie in geflü- Rheinland-Pfalz leitet ja diese Projektgruppe. Frau Schnei- geldichten Regionen die risikoorientierte Aufstallung ange- der, da ist auch das Bundeslandwirtschaftsministerium ordnet. vertreten.

2615 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 43. Sitzung, 26.10.2017

(Abg. Christine Schneider, CDU: Frau hen den Fraktionen jeweils noch zwei Minuten Redezeit Ministerin, im Ampelantrag steht, dass man zur Verfügung. Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das noch prüfen soll!) scheint mir nicht der Fall zu sein. – Ja, von daher ist das aber schon geschehen. Wir waren Wird Ausschussüberweisung gewünscht? – Es ist keine doch – – – Ausschussüberweisung gewünscht. Dann werden wir di- (Abg. Christine Schneider, CDU: Oder war rekt abstimmen. die Ampel nicht auf der Höhe der Zeit!) Wir stimmen zunächst über den Antrag der Fraktionen der – Frau Schneider, wir sind aber doch diejenigen gewesen, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Vogelgrippe die genau den Antrag der Koalitionsfraktionen schon auf- in Rheinland-Pfalz – Herausforderung für die Kleinhalter gegriffen haben, das Anliegen, das ich auch im Ausschuss und Züchter“ – Drucksache 17/4407 – ab. Wer diesem thematisiert hatte. Wir haben es auch umgesetzt. Wir ha- Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Hand- ben auch den runden Tisch umgesetzt, und wir werden zeichen! – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – ihn bei Bedarf, aber eben auch in allernächster Zeit noch Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen von SPD, FDP einmal einberufen, um einfach die Kommunikation zu ver- und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der bessern. Die Kollegen Hartenfels und auch Marco Weber CDU bei Enthaltung der AfD angenommen. haben noch einmal auf die Bedeutung der Kommunikati- on hingewiesen, wie auch Herr Rahm das getan hat. Ich Wir stimmen nun über den Alternativantrag der CDU „Vo- denke, das ist eine wichtige Sache. gelgrippe in Rheinland-Pfalz – Maßnahmen für Rassege- flügel ergreifen“ – Drucksache 17/4462 – ab. Wer diesem Die merkwürdigste Forderung der CDU ist aber übrigens, Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzei- dass das Land Maßnahmen ergreifen soll, um die Her- chen! – Wer stimmt dagegen? – Damit ist dieser Antrag mit kunft des Virus zu erforschen, wissenschaftlich zu belegen den Stimmen von SPD, AfD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE usw. Vielleicht darf ich noch einmal darauf hinweisen, das GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU abgelehnt. Friedrich-Loeffler-Institut ist mit der Prävention, Diagnose und Bekämpfung von Tierseuchen betraut. Es arbeitet in Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf: elf Fachinstituten an fünf Standorten. Es ist Referenzlabor der Weltorganisation für Tiergesundheit, Referenzzentrum Freiheit für die Schulen – Schulische Abläufe der Vereinten Nationen und hat 105 Millionen Euro pro eigenverantwortlich gestalten Jahr zur Verfügung. Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/4419– Frau Schneider, ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, wenn wir jetzt anfangen, Doppelstrukturen aufzubauen. Das wä- dazu: re sicher auch nicht zur Begeisterung des Landesrech- Selbstverantwortung an rheinland-pfälzischen nungshofs. Ich denke, wir haben hier eine exzellente For- Schulen weiter ausbauen schungsanstalt, und wir wünschen uns – ich denke alle –, Antrag (Alternativantrag) der Fraktionen der SPD, FDP dass die Geflügelhalter, die Hobbyzüchter, alle Tierhalter und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von Seuchen in dieser Wintersaison verschont bleiben. Wir – Drucksache 17/4463– müssen aber natürlich handlungsfähig sein. Ich finde, da haben wir alle Verantwortung, das wirklich umzusetzen und das zu tun. Wir werden vertrauensvoll mit den Akteu- Die Fraktionen sind übereingekommen, dass dieser Ta- ren, auch mit den Kommunen, im Sinne des Tierschutzes gesordnungspunkt ohne Aussprache behandelt wird und zusammenarbeiten und den Schutz vor Tierseuchen zu- die Anträge direkt an den Bildungsausschuss überwiesen sammen möglichst gut aufstellen. werden. Gibt es dafür Zustimmung? – Dem ist so. Dann werden wir so verfahren. Vielen Dank. Punkt 17 der Tagesordnung wurde zurückgezogen. Damit (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sind wir am Ende der Tagesordnung. der SPD und der FDP) Wir sehen uns wieder zur nächsten Plenarsitzung am Mitt- woch, den 22. November 2017. Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund: Durch die verlängerte Redezeit der Landesregierung ste- Ende der Sitzung: 18:34 Uhr

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