KOMMISSION FÜR BIOLOGIE

Arbeitsgruppe Botanik

Bericht Barthlott

I. Biodiversität im Wandel

Das Langzeitvorhaben „Biodiversität im Wandel“ der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, beschäftigt sich im globalen und regionalen Maßstab mit der Er- fassung, Quantifizierung und Analyse von Mustern der Artenvielfalt.

1. Biodiversität und Tropenökologie

a) Globale Analysen

Der Mitarbeiter Dr. Daud Rafiqpoor analysierte in der Berichtsperiode die Faktoren der globalen Geodiversität als wichtige Determinanten der Muster der Artenvielfalt. Dazu benutzte er die langen Datenreihen (1950–2000) des WORLDCLIM zu Temperatur und Niederschlag sowie die Daten der FAO zur potentiellen Evapotranspiration für die Peri- ode 1961–1990. Beide Datensätze haben die gleiche räumliche Auflösung von 10 arc/ min. Das Digitale Geländemodell von WORLDCLIM mit einer räumlichen Auflösung von 30 arc/sec diente dabei als Grundlage der Berechnung der Parameter der Topo- diversität (Diversität von Höhe, Hangneigung und Exposition). Zur Berechnung der pedologischen Diversität wurde die Weltbodenkarte der FAO im Maßstab 1:5 Mio. als der einzige derzeit verfügbare globale Datensatz herangezogen. Es wurden vorläufige Karten für Faktoren der Geodiversität erstellt. Ein Vergleich mit der Karte der globalen Artenvielfalt (Barthlott et al. 2005) zeigt, dass Räume hoher Diversität abiotischer Fak- toren mit der räumlichen Anordnung der Maxima der Artenvielfalt von Pflanzen auf der Erde sehr gut übereinstimmen. In der Berichtsphase schloss Holger Kreft seine durch ein Stipendium der Studien- stiftung geförderte Doktorarbeit mit dem Titel „Globale Biodiversität von Gefäßpflanzen – eine makroökologische Analyse großräumiger Muster und Determinanten“ ab. In sei- ner Dissertation untersuchte er, welche Faktoren globale Gradienten des Artenreichtums steuern und analysierte insbesondere den Einfluss des heutigen Klimas (Dynamik zwi- schen Energie und Wasserverfügbarkeit, Produktivität), der Habitatvielfalt (Hetero- genität, Vielfalt an unterschiedlichen Lebensbedingungen) und der Florengeschichte (Kontinentalverschiebung / Klimaschwankungen (z. B. Eiszeiten)). Die Vielzahl der in der Literatur zu findenden Hypothesen zu dieser Thematik testete Dr. Holger Kreft an- hand von vier Fallstudien: 1. Analyse von Artenreichtum am Beispiel neotropischer Palmen 2. Globale Diversität von Gefäßpflanzen

1 3. Globale Diversität von Inselfloren 4. Vergleich der Diversitätsmuster von Farnen und Blütenpflanzen. Am Beispiel der Palmen als eine wichtige Modellgruppe für die Neotropis lässt sich eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte der Biodiversität (wie z. B. Artenreichtum, Endemis- mus, biogeographische Einteilungen etc.) untersuchen. Hier konnte gezeigt werden, wie stark sich die Verteilung von Artenvielfalt von geographisch seltenen und weit verbrei- teten Arten sowie deren Abhängigkeiten von abiotischen Parametern unterscheiden. Bei der Analyse der globalen Muster von Gefäßpflanzenvielfalt hat Dr. Holger Kreft mit Hilfe komplexer multivariater Statistik herausgefunden, dass insgesamt sechs Vari- ablen (Fläche, potentielle Evapotranspiration, Niederschlagstage, Heterogenitätsindex, Komplexität der Vegetationsstruktur, Florenreiche) etwa 70 % der Varianz erklären kön- nen. Das statistische Modell wurde weiterhin verwendet, um globale Vorhersagen für unerforschte Gebiete abzuleiten. Die Inseln sind beliebte Modellsysteme in der Biogeographie. Auf ihnen sind 70.000 Arten (= 25 % aller bekannten Blütenpflanzenarten) endemisch. Die Artenvielfalt auf Inseln wird durch Flächengröße, Distanz zum Festland, Klima, Topographie und Insel- geologie (Kontinentalsplitter, vulkanisch, Atoll) gesteuert. Dabei erklärt die Inselfläche allein nahezu 50 % der Gesamtvarianz. Weitere Faktoren (wie z.B. Distanz oder Geo- logie) sind jeweils mit knapp >20 % an der Erklärung der Gesamtvarianz beteiligt. Als Fazit stellte Dr. Holger Kreft fest, dass die Variablen Fläche, Distanz, Temperatur, Niederschlag, Topographie und Geologie zusammen ca. 85 % der Gesamtvarianz der Artenzahlen von Inseln weltweit erklären. Bei der Analyse der Diversitätsmuster der Farne stellte sich heraus, dass ihr Anteil in der Gesamtflora weltweit zwischen 0–14 % variiert. Aufgeschlüsselt nach Zonobiomen, zeigen die Farne höchste Anteile in den tropischen Regenwäldern und in den Gebirgs- regionen der Erde. Mittelmäßig sind sie in den temperaten Laub- und borealen Nadel- wäldern vertreten, sehr geringfügig in trockenen Zonobiomen. Bis zu 70 % macht der Anteil der Farne in Inselfloren aus. Dabei machen ihre kleinen Diasporen, die Unab- hängigkeit von Bestäubern sowie die Ozeanität des Klimas die Farne zu guten Besied- lern von Inseln. Als Fazit resümierte Dr. Holger Kreft, dass bei den Farnen sich nahezu alles in den Tropen abspielt, außertropische Zentren wie bei den Blütenpflanzen sind nicht ausgebildet. Als Ergebnis einer Kombinationswirkung von Evolution und geographischer Isolation drückt der Endemismus hinsichtlich der Biodiversität die Qualität eines Raumes aus. Gebiete mit einer großen Anzahl endemischer Arten, wie z.B. das Kapland, sind u. a. für den Naturschutz von erheblicher Bedeutung, weil ihre Zerstörung oder grundlegende Veränderung das Aussterben einer beträchtlichen Anzahl von Arten zur Folge haben kann. Um diese Fragen auf globalem Maßstab zu analysieren, etablierte Dr. Gerold Kier im Berichtsjahr am Nees-Institut ein von der Wilhelm Lauer-Stiftung finanziertes Projekt „Weltweite Kartierung von Endemismus und Artenreichtum“, dessen Abschluss für 2008 vorgesehen ist.

2 b) Regionale Analysen

Im kontinentalen Maßstab beschäftigte sich 2007 die Arbeitsgruppe verstärkt mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die räumliche Verteilung der Artenvielfalt am Beispiel des Modellkontinents Afrika. Die Arbeiten finden im Rahmen des BMBF- Projektes „BIOTA-Afrika“ statt, das 2007 für weitere drei Jahre (bis 2010) verlängert wurde. Für die neue Projektphase wurden zwei zusätzliche Doktorandenstellen bewilligt. Dipl.-Biol. Jan Henning Sommer entwickelt in seinem vor dem Abschluss stehenden Dissertationsvorhaben bioklimatische Modelle und berechnet die Veränderungen der Artenvielfaltmuster in Afrika im Spiegel des globalen Klimawandels. Er widmet sich auch Problemen der Landnutzung und Fragmentierung vor dem Hintergrund räumlich veränderter potentieller Verbreitungsgebiete der Pflanzen. Vorläufige Ergebnisse zeigen für die Zeitscheibe 2100, dass beispielsweise 16–26 % aller Arten und 64–95 % der seltenen Arten Afrikas ihre Habitate im Zuge des Klimawandels verlieren könnten. Be- sonders benachteiligt werden dabei die Trockengebiete, während vor allem die afrotro- pischen Bergregionen des Eastern Arc Rückzugsräume für Arten darstellen könnten. Erste Ergebnisse bisheriger Arbeiten wurden u. a. auf der AETFAT-Tagung (26.02.– 04.03.2007) in Yaoundé (Kamerun) vorgestellt. Das Dissertationsvorhaben des BIOTA-Stipendiaten Sié Sylvetre Da aus Burkina Faso, das 2006 begann und sich mit dem Wandel der Vegetation und Landnutzung im westlichen Afrika entlang eines klimatischen Transekts von den Regenwäldern der Elfenbeinküste bis in die Dornsavannen der Sahelzone beschäftigt, macht gute Fort- schritte. Die beiden neuen BIOTA-Doktoranden begannen im Juli/August 2007 mit ihren Ar- beiten am Nees-Institut. In ihrer Dissertation „Einfluss von Landnutzung und Klima- wandel auf räumliche Diversitätsmuster der Pflanzen in Afrika und ihre Auswirkung auf die Funktionalität eines Ökosystems“ geht Dipl.-Geoökol. Katharina Sabellek der Frage nach, wie Landnutzung und Diversität der Pflanzen in Afrika zusammenhängen und wie sich dies in der Zukunft entwickeln könnte. Im Zuge dessen sollen die zukünftigen Muster der Landnutzung mit Hilfe mathematischer Modelle abgeschätzt und mit dem Klimawandel in Zusammenhang gebracht werden. Anhand regionaler Bespiele wird sie den Verlust an Diversität und deren Bedeutung für die Funktionalität von Ökosystemen modellhaft darstellen. MSc. Jaime Ricardo Garcia-Marquez untersucht in seiner Dissertation die Verteilungs- muster von Gefäßpflanzen in Westafrika mit Hilfe eines Vergleichs verschiedener Methoden und räumlicher Skalen. Er will durch die Integration dieser Ansätze die Un- sicherheiten analysieren, die sich bei der Vorhersage der geographischen Verteilung von Gefäßpflanzen und den Mustern der Artenvielfalt und ihren Determinanten in ver- schiedenen Skalenebenen ergeben. Er sucht dabei nach Antworten auf die Fragen: 1. Welcher methodische Ansatz liefert die beste Vorhersage für die Pflanzenver- breitung? 2. Welche Analyseverfahren generieren welche Art von Unsicherheiten in Model- lierungsprozessen?

3 3. Variieren die Analyseverfahren und ihre Determinanten, wenn unterschiedliche räumliche Skalen verwendet werden? 4. Welcher Maßstab eignet sich für bestimmte Fragestellungen? Als Teil des BMBF-Projekts „BIOTA-West“ wurden durch Prof. Dr. Stefan Porembski und Mitarbeiter (Dr. Dethardt Götze, Dr. Bettina Orthmann, Annick Koulibaly) die Untersuchungen zur Dynamik von Waldfragmenten im Übergangsbereich zwischen Guinea-Savanne und Regenwald in Benin und der Elfenbeinküste fortgesetzt. Prof. Dr. Eberhard Fischer (Koblenz) konnte auch 2007 seine tropenökologischen Ar- beiten mit Reisen nach Rwanda, Kenya, Uganda und Gabun fortsetzen. Neben der Untersuchung der Farn- und Blütenpflanzen und ihrer Gesellschaften wurden auch epi- phytische Moose und Flechten als wichtige Bioindikatoren von unterschiedlich gestörten Waldhabitaten kartiert. Das Projekt wird seit März 2001 im Rahmen von „BIOTA-Ost“ vom BMBF derzeit in der dritten Verlängerungsphase (2007–2010) gefördert. Für den Nyungwe-Nationalpark in Rwanda, einen der artenreichsten Bergregenwälder Ostafri- kas, konnte ein bebilderter Feldführer erstellt werden.

Publikationen Barthlott, W.; Hostert, A.; Kier, G.; Küper, W.; Kreft, H.; Mutke, J.; Rafiqpoor, M.D. and Sommer, J.H. (2007): Geographic patterns of vascular diversity at continental to global scales. Erdkunde 61, H. 4: in press. Dhetchuvi, J.-B. and Fischer, E. (accepted): A new species of Renealmia from Eastern Congo and Western Uganda. Adansonia. Dhetchuvi, J.-B. and Fischer, E. (accepted): Two new species of Renealmia (Zingiberaceae) from Rwanda. Syst. Geogr. . Fischer, E. and Killmann, D. (in press): A field guide to the vascular plants of Nyungwe Forest/ Rwanda. Goetze, D.; Hennenberg, K.J.; Koulibaly, A. and Porembski, S. (2007): Forest-savanna dynamics in Ivory Coast. Palaeoecology of Africa 28: 169–198. Heelemann, S.; Proches, S.; Rebelo, A. G.; Van Wilgen, B. W.; Porembski, S. and Cowling, R.M. (in press): Fire season effects on the recruitment of non-sprouting serotinous Proteaceae in the eastern (bimodal rainfall) fynbos biome, South Africa. Austral Ecology. Hennenberg, K.J.; Goetze, D.; Szarzynski, J.; Orthmann, B.; Reineking, B.; Steinke, I. and Porembski, S. (in press): Seasonal variability in microclimatic borders and ecotones between forest and savanna in north-eastern Ivory Coast. Basic and Applied Ecology. Koulibaly, A.; Goetze, D.; Porembski, S.; Traoré, D. and Aké Assi, L. (in press): Vegetation cha- racteristics and dynamics of tree regeneration under cash crop cultivation in forest-savanna mosaics in Ivory Coast. Proceedings AETFAT 2007, Yaoundé. Kreft, H. (2007): Global biodiversity of vascular plants – A macroecological analysis of broad- scale geographic patterns and determinants. Diss. Univ. Bonn. Kreft, H. and Jetz, W. (2007): Global patterns and determinants of diversity. Procee- dings of the National Academy of Sciences (PNAS), Vol. 104, No. 14: 5925–5930. Kreft, H.; Jetz, W.; Mutke, J; Kier, G. (2007): Global diversity of island floras from a macro- ecological perspective. Ecology Letters 11: 1–12. Malombe, I.; Fischer, E. and Pócs, T. (accepted): A new species of Cheilolejeunea (Junger- manniopsida: Lejeuneaceae) from the Uluguru Mountains (Tanzania.). Cryptogamie.

4 Mutke, J. und Barthlott, W. (2007): Biodiversität und ihre Veränderungen im Rahmen des Glo- balen Umweltwandels. In: Lanzerath, D.; Barthlott, W.; Mutke, J.; Spranger, T.M.; Baum- gärtner, S. und Becker, Ch. (eds.): Biodiversität. Ethik in den Biowissenschaften. Bd. 5. Sach- berichte des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE, Bonn). Mwachala, G. and Fischer, E. (accepted): Two new species of Dracaena from Cameroon and Gabon. Adansonia. Mwachala, G.; Cheek, M.; Fischer, E. and Muasya, A.M. (accepted): A new species of Dracaena L. (Ruscaceae) from Cameroon. Kew Bull. Orthmann, B.; Hennenberg, K.J.; Hahn-Hadjali; K. and Porembski, S. (submitted): Relation of physiognomic vegetation types, plant species composition and environmental characteristics in a woodland-savanna mosaic in central Benin (West Africa). J. Trop. Ecol. Rafiqpoor, M. D. & Nieder, J. (2006): Altitudinal zonation of climate and vegetation in a global megadiversity center, Mount Kinabalu (North Borneo). Erdkunde 60: 362–374. Scholes, R.J.; Küper, W.; Biggs, R.; Mwangi, E.; Raharimampionona, J.; Lowry, P. and Sene, E.; Ashton, P.; Blake, S. and Justice, C.O. (2006): Biodiveristy. In: McGinley, M. (ed.): Africa En- vironment Outlook 2. Chapter 7 of e-Book „Biodiversity in Africa“. URL: http://www.eoearth. org/article/Biodiversity_in_Africa Sommer, J.H.; Küper, W. and Barthlott, W. (2007): Global Change: The future of Africa’s Plant Diversity. Proceedings AETFAT 2007, Yaoundé: in press. Thiombiano, A.; Schmidt, M.; Kreft, H.; Guinko, S. (2006): Influence du gradient climatique sur la distribution des espèces de Combretaceae au Burkina Faso (Afrique de l’Ouest). Candolea 61: 189–213.

Inhalt eines seit Oktober 2005 am Nees-Institut (Botanische Gärten) laufenden, vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Auftrag gegebenen und von der Mainzer Akademie koordinierten Projektes, ist die Analyse des Umsetzungsstandes der „Globalen Strategie zur Erhaltung der Pflanzen (GSPC)“ in Deutschland, die Ermittlung von Handlungs- bedarf und Prioritäten für Deutschland sowie die Wahrnehmung von Aufgaben eines national focal points für diese Strategie. Im Berichtszeitraum wurde die Strategie ins Deutsche übersetzt und an wichtige Ansprechpartner des Naturschutzes verteilt. Die Er- gebnisse der Projektrecherchen zu den 16 Zielen der Strategie wurden zusammengefasst und zunächst bei einem Expertentreffen des BfN zur Diskussion gestellt. Um einen Fachkonsens über den Stand der Umsetzung der GSPC in Deutschland und den daraus abzuleitenden Handlungsbedarf zu erzielen, wurde darauf aufbauend im Oktober 2007 ein Workshop veranstaltet, an dem bundesweit mehr als 50 Naturschutzexperten aus Fachbehörden des Bundes und der Länder sowie der Naturschutzorganisationen und Uni- versitäten teilnahmen. Im Berichtsjahr wurden das Projekt und die Nationale Kontakt- stelle der GSPC auf verschiedenen Veranstaltungen repräsentiert. Unter anderem nahm die Projektmitarbeiterin Dr. Cornelia Löhne als Mitglied der deutschen Delegation an der 12. Sitzung des Wissenschaftsausschusses der CBD (Subsidiary Body on Scientific, Technical and Technological Advice, SBSTTA) teil, die der Vorbereitung u. a. des Themas GSPC für die 9. Vertragsstaatenkonferenz der CBD (2008 in Bonn) gewidmet war. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Pierre Ibisch (Eberswalde) entwickelte den Arbeits- schwerpunkt „Veränderungen des Naturressourcenmanagements (einschließlich des Naturschutzes) im globalen Umweltwandel“ weiter. Im Nachgang zu den langjährigen

5 Forschungsarbeiten über die regionale und nationale Naturschutzplanung in Bolivien wurde die Bearbeitung dieses Themas von der Arbeitsgruppe Prof. Dr. Pierre Ibisch fortgesetzt und die Ergebnisse zur Publikation gebracht. So erschien im Berichtsjahr ein Buch zur Naturschutzplanung in einem der artenreichsten Räume im Megadiversitäts- land Bolivien. Es handelt sich um den sog. Amboró-Madidi-Korridor, welcher u. a. die besonders humiden Nordostabhänge der bolivianischen Anden umfasst. In Kooperation mit Prof. Dr. Gerhard Gerold (Göttingen) erfolgt die Betreuung der Forschungsarbeiten von Veronica Chavez, die sich mit einer WWF-Förderung dem Thema „Anpassung des Schutzgebietsmanagements in Peru und Bolivien an den Klimawandel“ widmet. Hierbei erfolgt eine enge Abstimmung mit der amerikanischen Naturschutzorganisation „The Nature Conservancy“. In einem Forschungsverbund, der vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung koordiniert wird, werden die Auswirkungen des Klimawandels für die Schutzgebiete Deutschlands untersucht. Die AG von Prof. Dr. Pierre Ibisch ist vor allem für die Er- arbeitung der Naturschutz-Handlungsoptionen verantwortlich. Dem Projekt kommt im Licht der nationalen Strategie zur Anpassung an den Klimawandel eine besondere Be- deutung zu. Ein neuer geographischer Arbeitsschwerpunkt wurde im Berichtsjahr in der europä- ischen Gebirgsökoregion Karpaten gelegt. Die insgesamt ca. 1400 km langen und bis zu 200 km breiten Karpaten sind das bedeutendste Gebirge Zentral- und Osteuropas. Sie stellen ein wichtiges Wassereinzugsgebiet dar und bilden Lebensraum für andernorts gefährdeten Großprädatoren (Bär, Wolf, Luchs). Dem Gebirgszug kommt eine wichtige Brücken- bzw. Korridorfunktion für die Waldarten Europas zu. Hervorzuheben sind relativ große urwaldartige Bestände vor allem in den Waldkarpaten (u. a. Buchen- und Tannenwälder), die zu den letzten Europas gehören. Es handelt sich um ein Diversitäts- und Endemismuszentrum Zentraleuropas – allerdings, glazialbedingt, mit etwas mehr als 100 endemischen Pflanzenarten ärmer als beispielsweise Alpen oder Pyrenäen. Im Zuge der erwarteten Erwärmung werden die Karpaten als relativer kühler Rückzugsraum vieler typischer Tier- und Pflanzenarten bzw. Waldgesellschaften Europas fungieren. 16 % der Karpaten stehen unter Naturschutz. Hervorzuheben sind regionale Bemü- hungen zur Erreichung der ökoregionalen Biodiversitätserhaltung (Karpatenkonvention). Unter anderem wurden bedeutende Großschutzgebiete wie Nationalparks und Bio- sphärenreservate eingerichtet. Wichtige Aufgaben betreffen derzeit die Einrichtung mo- derner Managementsysteme, die in der Lage sind, unter Beizug von lokaler Bevölkerung langfristig möglichst intakte, funktionale Ökosysteme zu erhalten. Der bereits beobach- tete und zusätzlich erwartete globale Klimawandel bedeutet auch in den Karpaten eine zentrale Herausforderung für ein strategisches und proaktives Schutzgebietsmanagement (z.B. vertikale Wanderung von Taxa). Im Rahmen einer Studienreise wurden potenzielle Kooperationspartner identifiziert. Es erfolgte der Besuch von Gebieten des Biesczady Nationalparks in Südostpolen und des Karpaten-Biosphärenreservats in der Ukraine. Zusammen mit dem genannten Biosphärenreservat wird die Beantragung eines Aktions- forschungsvorhabens „Adaptive Naturschutzplanung in Großschutzgebieten der Karpa- ten vor dem Hintergrund des Klimawandels“ angestrebt. Kontakte wurden in diesem Zu- sammenhang auch zu den Universitäten in Krakau (Polen) und Ushgorod (Ukraine)

6 geknüpft. Flankierend steht die AG Prof. Dr. Pierre Ibisch mit der Karpaten-Konvention in Kontakt, um die geplanten Aktivitäten in einen angemessenen politischen Kontext zu stellen.

Publikationen Bolte, A. und Ibisch, P.L. (2007): Kann unser Wald Schritt halten? Land & Forst 17: 44–46. Bolte, A. und Ibisch, P.L. (2007): Neun Thesen zu Klimawandel, Waldbau und Waldnaturschutz. AFZ-der Wald: 572–576. Ibisch, P.L. and V. Porwollik (2007): Bromeliad conservation corner: need for strategy and action. Journal of the Bromeliad Society 57(3): 125–126. Ibisch, P.L. and Porwollik, V. (2007): Proposed conservation Code of Conduct for BSI members. Journal of the Bromeliad Society 57(3): 131–132. Ibisch, P.L.; Seifert-Granzin, J. and Dutschke, M. (2007): Forests, carbon and international climate policy. PIK-Reports. In: Welp, M.; Wicke, L. and Jaeger, C.C. (eds.): Climate policy in the coming phases of the Kyoto process: targets, instruments, and the role of the Cap and Trade Schemes. Proceedings of the International Symposium February 20–21, 2006, Brussels. PIK- Report, No. 107: 81–100. Sjögren-Gulve, P.; Långström, E.; Báldi, A.; Ibisch, P.L.; Kati, V.; Livoreil, B. and Selva, N. (2007): The 300-yr Anniversary of Carl Linnaeus, and Conservation Biology. Conservation Biology 21: 905–906. Ibisch, P.L., C. Nowicki, N. Araujo, R. Müller & S. Reichle (2007): Bolivia: seleccion de los procesos y funcionalidad ecologica, no a los „muertos vivientes“. In: Dudley, N. y Parrish, J. (eds.): Cubriendo los vacios. La creación de sistemas de áreas protegidas ecologicamente representativos: Una guia para conducir los analisis de vacios de sistemas de areas protegidas para el Convenio de Diversidad Biológica. Secretaria del Convenio sobre la Diversidad Biológica. Cuaderno Tecnico CDB No. 24: 84–85. Ibisch, P.L.; Araujo, N. Y Nowicki, C. (eds.) (2007): Visión de Conservación de la Biodiversidad del Corredor Amboró – Madidi. FAN/WWF/TNC/CI. Editorial FAN, Santa Cruz de la Sierra – Bolivia. 379 pp + anexos. Editorial F.A.N., Santa Cruz de la Sierra, Bolivia. 629 S. hier Autor bzw. Koautor von 13 Kapiteln.

Von Hrn. Jäger (Halle) wurde die Zusammenstellung und die historische und ökolo- gische Auswertung von zentralasiatischen Pflanzenarealen fortgesetzt, besonders von Pflanzen der Halbwüsten- und Wüstenzonen und von Waldrelikten in diesen Zonen (Dulamsuren et al. 2005; Miehe et al. 2007; Hilbig et al. 2007). In Zusammenarbeit mit der Universität Greifswald ist die Erstellung eines virtuellen Herbariums der mongo- lischen Flora geplant. Erschienen ist 2007 der 5. Band der „Exkursionsflora von Deutschland“ (Krautige Zier- und Nutzpflanzen, Jäger et al. 2007). Auf der Grundlage des Bandes 4 dieser Flora wird die 20. Auflage des Bandes 2 vorbereitet, dem das aktuelle System der Farn- und Samenpflanzen zugrunde gelegt wird. Dafür werden die Schlüssel neu bearbeitet und ergänzt. Die Angaben zur Verbreitung in den einzelnen Bundesländern werden aktua- lisiert. Hilfreich ist dabei die enge Zusammenarbeit der Arbeitsgruppe „Florenliste Deutschlands“, besonders mit Dr. K. P. Buttler und Dr. R. Hand, die an einer neuen Standardliste und Roten Liste Deutschlands arbeiten.

7 Fortgesetzt wurde die intensive Bearbeitung der Manuskripte von Band III/3 (Ranun- culaceae u.a.) und VI/2b (Rubiaceae) der „Illustrierten Flora von Deutschland“ (Hegi). Erschienen ist 2007 die letzte Lieferung von Band VI/2a dieser Flora (Valerianaceae Schluss, Campanulaceae). In der früher von Hrn. Jäger geleiteten Arbeitsgruppe Chorologie wird die Erfassung, Dokumentation und Analyse von Gesamtarealen von Gefäßpflanzen fortgeführt und wei- terentwickelt. 2006 wurde das DFG-Projekt „Prognosen zur Ausbreitung von Neophyten auf Grund- lage der Biogeographie der Gesamtareale“ abgeschlossen. Eine Projektbeschreibung und Ergebnisdarstellung ist in Form eines Internetauftritts gestaltet (URL: http://www. biologie.uni-halle.de/bot/ag_chorologie/neophyten/). Aktuell bearbeitet wird das DFG-Projekt „Analyse der klimatischen Modellierbarkeit von Pflanzenarealen“. Das dabei zu lösende Problem besteht darin, dass nicht alle Arealtypen gleichermaßen mit klimatischen Faktoren beschrieben werden können, nicht alle Teilbereiche der Areale einheitliche Klimabindung aufweisen, und der Verlauf der Grenzen einzelner Areale von abschnittsweise wechselnden Faktoren unterschiedlich signifikanter Wirkung beeinflusst wird. Diese Einschränkungen klimabasierter Model- lierungsansätze werden systematisiert und ihre Ursachen analysiert. Aktuelle Unter- suchungen (Welk & Bruelheide 2006) zeigen in großer Deutlichkeit, dass unvollständige oder zu grobe Arealdaten trotz hoch entwickelter Modellierungsalgorithmen die Aus- sagekraft von Prognosen und Rekonstruktionen stark einschränken. Makroökologische Nischenanalysen werden genutzt, um Arealveränderungen in Zeit und Raum zu prognostizieren und besser verstehen zu lernen. Diese Nischenanalysen werden teilweise in der herkömmlichen Form als kombinierte Rectangular Climate Envelopes durchgeführt. In zunehmendem Maße werden dafür jedoch auch Verfahren künstlicher Intelligenz, wie z. B. genetische Algorithmen oder auf maximierter Entropie basierte Optimierungsverfahren verwendet. Sie können genutzt werden, um Hypothesen zur phylogenetischen Musterbildung mit Strukturmerkmalen der makroklimatischen Nischenevolution zu prüfen oder Hinweise auf den floristischen Status neu entdeckter Pflanzenpopulationen zu erhalten (Welk et al. 2007).

Publikationen Dulamsuren, Ch.; Welk, E.; Jäger, E.J.; Hauck, M. and Mühlenberg, M. (2005): Range-habitat relationships of vascular plant species at the taiga forest-steppe borderline in the western Khentey Mountains, northern Mongolia. Flora 200, 376–397. Hilbig, W.; Wesche, K. und Jäger E.J. (2007): Die Forschungen der Mitarbeiter und Absolventen des Instituts für Geobotanik der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg in der Mongolei in Zusammenarbeit mit ihren mongolischen Fachkollegen. Erforsch. Biol. Ress. Mongolei (Halle) 10: 551–568. Illustrierte Flora von Mitteleuropa (Begr.: G. Hegi, Hrsg.: Conert, H. J.; Jäger, E.J.; Kadereit, J.W.; Schultze-Motel, W.; Wagenitz, G. und Weber, H. E. (2007): Band VI,2A Lfg. 3: Valerianaceae (Schluss, F. Weberling), Campanulaceae (D. Podlech). Weißdorn-Verlag, Jena. Jäger, E.J.; Ebel, F.; Hanelt, P. und Müller, G.K. (2007). Exkursionsflora von Deutschland, Band 5: Krautige Zier- und Nutzpflanzen. Spektrum, Heidelberg.

8 Miehe, G.; Schlütz, F.; Miehe, S.; Opgenoorth, L.; Cermak, J.; Samiya, R.; Jäger, E.J. and Wesche, K. (2007): Mountain forest islands and Holocene environmental changes in Central Asia: A case study from the southern Gobi Altay,Mongolia. Paleogeography: in press. Welk, E. and Bruelheide, H. (2006): There may be bias in R/P ratios (realized vs. potential range) calculated for European tree species – an illustrated comment on Svenning & Skov (2004). Journal of Biogeography 33: 2013–2021. Welk, E.; Buchholz, A. und Bleeker, W. (2007): Rorippa islandica (Oeder ex Murray) Borbás sens str. in Deutschland. Ber. Bayer. Bot. Ges. 77. (accepted).

2. Inselberge und fragmentierte Lebensräume

Die Untersuchungen an Inselbergen wurden durch Prof. Dr. Stefan Porembski (Rostock) und Mitarbeiter in Kamerun und Benin fortgesetzt. Im Mittelpunkt stand die Ökologie austrocknungstoleranter Cyperaceen (Afrotrilepis pilosa und Microdracoides squa- mosus) und karnivorer Pflanzen (insbesondere Lentibulariaceae). Am Beispiel von Microdracoides squamosus erfolgten Studien zur Differenzierung geographisch iso- lierter Populationen mit Hilfe molekularer Methoden (MSc-Arbeit von Irma Mika in Kooperation mit Prof. Dr. Reiner Finkeldey, Göttingen). Mit der Rolle einer invasiven Art ( natans) in Felsgewässern auf Inselbergen im westlichen Australien beschäftigte sich Frau Christina Hoppe (in Kooperation mit Prof. Dr. Stephen Hopper, Kew und Prof. Dr. Kingsley Dixon, Perth). In Mecklenburg-Vorpommern wurden die Untersuchungen zu den Folgen von Land- nutzungsänderungen am Beispiel von Trollius europaeus ausgeweitet (Doktorarbeit Tristan Lemke, AG Porembski).

Publikationen Goetze, D.; Hennenberg, K.J.; Koulibaly, A. and Porembski, S. (2007): Forest-savanna dynamics in Ivory Coast. Palaeoecology of Africa 28: 169–198. Heelemann, S.; Proches, S.; Rebelo, A. G.; Van Wilgen, B. W.; Porembski, S. and Cowling, R.M. (in press): Fire season effects on the recruitment of non-sprouting serotinous Proteaceae in the eastern (bimodal rainfall) fynbos biome, South Africa. Austral Ecology. Hennenberg, K.J.; Goetze, D.; Szarzynski, J.; Orthmann, B.; Reineking, B.; Steinke, I. and Porembski, S. (in press): Seasonal variability in microclimatic borders and ecotones between forest and savanna in north-eastern Ivory Coast. Basic and Applied Ecology. Hennenberg, K.J.; Orthmann, B.; Steinke, I. and Porembski, S. (in press): Core area analysis at semi-deciduous forest islands in the Comoé National Park, NE Ivory Coast. Biodiversity and Conservation. Koulibaly, A.; Goetze, D.; Porembski, S.; Traoré, D. and Aké Assi, L. (in press): Vegetation characteristics and dynamics of tree regeneration under cash crop cultivation in forest-savanna mosaics in Ivory Coast. Proceedings AETFAT 2007, Yaoundé. Lemke, T. (submitted): On the state of Trollius europaeus L. (Ranunculaceae) in northeastern- central European lowlands – history, current changes and conservation. Bot. Jahrb. Orthmann, B.; Hennenberg, K.J.; Hahn-Hadjali; K. and Porembski, S. (submitted): Relation of physiognomic vegetation types, plant species composition and environmental characteristics in a woodland-savanna mosaic in central Benin (West Africa). J. Trop. Ecol.

9 Porembski, S. (2007): Effects of anthropogenic disturbance on the vegetation of granitic and gneissic rock outcrops („inselbergs“) in West Africa. Nova Hedwigia, Beiheft 131: 237–246. Pufal, G.; Mayer, C.; Porembski, S. and Jürgens, N. (in press): Grazing and other factors affecting fruit set in Aizoaceae-species of the Succulent Karoo. Basic and Applied Ecology. Tuba, Z.; Lei, N.; Peli, E.; Pocs, T.; Porembski, S. and Laufer, Z. (2007): Chlorophyll fluorescence and CO2 assimilation of desiccation-tolerant cyanobacterial crustaceous layer of tropical inselberg surfaces after rehydration following one and four year air-dried stage. South Afr. J. Bot. 73: 500–501.

3. Epiphyten

Das 2005 von Hrn. Barthlott und Dr. Jürgen Nieder begonnene DFG-Projekt „Tropische Epiphytendiversität in natürlicher und anthropogen beeinflusster Vegetation“ wurde 2007 weitergeführt. In dem zum globalen Diversitätszentrum Chocó (Kolumbien- Ecuador) gehörenden Tieflandregenwald von Bilsa im Nordwesten Ecuadors führte Dipl.-Biol. Nils Köster im Rahmen seiner Doktorarbeit von September 2006 bis Februar 2007 Geländearbeiten zur Erfassung der epiphytische Vegetation durch. Dabei wurde die Diversität der Epiphyten entsprechend dem schon im Bergregenwald Otonga ange- wandten Untersuchungsdesign in Primärwäldern, Sekundärwäldern und Waldfragmenten vergleichend erfasst. Erste Ergebnisse aus dem Untersuchungsgebiet Bilsa bestätigen jene aus Otonga und zeigen, dass isolierte Trägerbäume nur zum Teil und nur relativ kurzfristig zu einem Erhalt der Epiphytendiversität tropischer Wälder beitragen können. Dagegen steigt die Anzahl von Epiphytenarten in Sekundärwäldern mit dem Alter dieser Wälder allmählich an. Essentiell für den dauerhaften Schutz der hohen Diversität tro- pischer Epiphyten ist jedoch der Erhalt – wenn auch kleiner – Primärwaldbereiche. Auf den Jahrestagungen der Gesellschaft für Tropenökologie in Bonn (Februar 2007) und der Gesellschaft für Ökologie in Marburg (September 2007) wurden die bisherigen Ergeb- nisse aus dem Epiphyten-Projekt vorgestellt.

4. Carnivore Pflanzen

Im Rahmen einer Doktorarbeit (Hr. Imad Aldeen Alkhalaf, AG Prof. Dr. Stefan Porembski, Rostock) wurden weitere Untersuchungen zum Beutespektrum aquatischer Utricularia-Arten im Nordosten Deutschlands durchgeführt und durch Studien an Material aus Nordamerika und Westafrika ergänzt. Frau Janine Dzialek bearbeitete in ihrer Diplomarbeit ausgewählte Vertreter der Lentibulariaceae im Hinblick auf ver- schiedene ökophysiologische Aspekte (u. a. Photosyntheseleistung). In seiner Diplomarbeit „Pflanzen fangen Tiere – Mikroskopische Charakteristika von Gleitfallen“ untersuchte 2007 Simon Poppinga am Nees-Institut durch den Einsatz des Rasterelektronenmikroskops (REM) anti-adhäsive Oberflächen von Pflanzen aus acht verschiedenen Familien und gliederte sie in funktionale Gruppen. Schwerpunkt der Arbeit war u. a. die Untersuchung ausgewählter Oberflächen auf ihre Begehbarkeit. Als Versuchsobjekt nutze er Schmeißfliegen, um den Zusammenhang zwischen der Ober-

10 flächenstruktur und ihrer anti-adhäsiven Eigenschaften zu testen. Bei den Versuchen stellte sich heraus, dass Gleitflächen, die durch dreidimensionale epikutikulare Wachs- kristalle überzogen sind, die Hafteinrichtungen der Schmeißfliegen verschmutzten. Bei Gleitflächen ohne epikutikulare Wachskristalle konnte eine anti-adhäsive Eigenschaft erst nach dem Aufbringen von Feuchtigkeitsfilmen beobachtet werden (zur molekularen Evolution der carnivoren Pflanzen s. auch Abschnitt 5). Durch Kontakte zu der Arbeitsgruppe von Herrn Dr. Walter Federle (University of Cambridge, UK) erhielt Dipl.-Biol. Katja Rembold die Gelegenheit, von August– Oktober 2007 an einem zweimonatigen Feldaufenthalt in Brunei teilzunehmen. Die Feldarbeiten widmeten sich vor allem der Untersuchung von Anlock- und Fangmethoden verschiedener südostasiatischer Nepenthes-Arten. Dipl.-Biol. Katja Rembold stellte bei der „Panaga Natural History Society of Brunei“ und auf der ersten „International Nepenthes Summit 2007“ in Sarawak (Malaysia) die Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeiten zu karnivoren Pflanzen am Nees-Institut vor. Die enge Zusammenarbeit zwi- schen dem Nees-Institut, der University of Cambridge und der University of Brunei verspricht eine hervorragende Basis für künftige Kooperationen.

5. Molekulare Evolution und Systematik

Prof. Dr. Thomas Borsch folgte nach kurzer Tätigkeit als Heisenberg-Stipendiat der DFG am Nees-Institut im Juni 2007 einem Ruf der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg und übernahm im Institut für Biologie und Umweltwissenschaften die Ab- teilung Biodiversität und Evolution der Pflanzen sowie die Leitung des Botanischen Gartens. Drei Forschungsschwerpunkte wurden etabliert: Im Bereich der Phylogenie und molekularen Evolution der Angiospermen wurden in Kooperation mit PD Dr. Dietmar Quandt (Dresden) an einem von der DFG geförderten Projekt „Mutationsdynamik nicht-kodierender Genomabschnitte und ihr Potential für die Rekonstruktion der Evolution eudikotyler Angiospermen“ gearbeitet. Im Berichtsjahr wurde die Doktorarbeit von Dipl.-Biol. Andreas Worberg (Phylogenie des Rosiden- Clades) und zwei Diplomarbeiten über die Evolution der großen Ordnungen Malpighiales (Dipl.-Biol. Nadja Korotkova) und Caryophyllales (Dipl.-Biol. Bastian Schäferhoff) abgeschlossen. Die Modellgruppen Amaranthaceae (Fuchsschwanzgewächse) und Nymphaeales (See- rosenartige) standen im Focus des zweiten Themenschwerpunktes „Genese biologischer Diversität“. Basierend auf detaillierten Kenntnissen der Verwandtschaftsverhältnisse (Stammbäume auf Artebene) wird dabei die Entstehung morphologischer Merkmale rekonstruiert und die Evolution der Organismen in Zeit und Raum untersucht. Wesent- lich dabei ist, dass eine komplementäre zuverlässige taxonomische Neubearbeitung der jeweiligen Organismengruppe durchgeführt wird. Zu den wichtigsten neuen Ergebnissen bei den Amaranthaceae zählen: – Detaillierte Analyse der Evolution der C4-Photosynthese in Kooperation mit Prof. Dr. R. Sage (University of Toronto, Canada).

11 – Die neotropische Radiation der Gomphrenoideae (abgeschlossene Dissertation von I. Sanchez de-Pino in Kooperation mit dem New York Botanical Garden). – Die Hypothese einer zweiten großen Radiation afrikanischer Taxa (Dissertations- vorhaben Dipl.-Biol. Kerstin Wilhelm in Kooperation mit dem Ethiopian National Herbarium (Prof. Sebsebe Demissew und M. Wondafrash)). In Kooperation mit der Universidad Autonoma de Mexico (Dr. H. Flores Olvera) wurde an der Gattung Iresine gearbeitet. Die Finanzierung erfolgte überwiegend im Rahmen des DFG-Projektes „Phylogenie der Amaranthaceae und Evolution von Pollen- merkmalen“. Bei den Nymphaeales liegt nun eine umfassende phylogenetische Analyse mit einem weltweit dichten Taxon-Sampling und mehreren molekularen Datensätzen vor. Überraschend ist, dass morphologisch stark spezialisierte Gattungen, wie die australische Gattung Ondinea, gar keine eigenen Evolutionslinien darstellen, sondern offenbar mit schnellen Veränderungen des Phänotyps aus nah verwandten Nymphaea- Arten hervorgegangen sind. Der dritte Themenbereich umfasst das Biodiversitäts-Assessment sowie den Schutz und die nachhaltige Nutzung biologischer Vielfalt. Das umfangreiche CoCE-Projekt (Schutz und Nutzung der Wildpopulationen von Coffea arabica in den Bergregen- wäldern Äthiopiens) ging in die zweite Phase (BIOTEAM-Programm des BMBF). Nachdem in den ersten drei Jahren eine Abschätzung der genetischen Diversität von Coffea arabica in Äthiopien erstellt werden konnte, werden nun wissenschaftliche Grundlagen für den Schutz und die nachhaltige Nutzung dieser Populationen erarbeitet (Dr. Kassahun G. Tesfaye, Ing. Kim Govers). Als neues Projekt in diesem Themen- bereich kam in Kooperation mit dem Herbario Nacional de Bolivia (Prof. Dr. Stefan Beck) die Analyse der Evolution und Diversität von Quinoa (Chenopodium quinoa) hinzu. Quinoa ist eine der wichtigsten Nahrungspflanzen der Andenländer. Unmittel- bares Ziel der Forschungen ist zunächst eine Klärung der Verwandtschaftsverhältnisse von Chenopodium quinoa und deren Wildverwandten und eine neue taxonomische Bearbeitung, da bisher noch nicht einmal eine zuverlässige Identifikation dieser Pflan- zenarten möglich ist. Lic. Susy Fuentes arbeitet in diesem Projekt mit einem DAAD- geförderten Dissertationsvorhaben. Nach der Berufung von Prof. Dr. Thomas Borsch nach Oldenburg hat 2007 Dr. Kai F. Müller die Leitung der Arbeitsgruppe „Molekulare Systematik“ übernommen und ein von der DFG gefördertes Projekt zur Karnivorie in den am Nees-Institut etabliert, in dem engste Kooperationen mit Prof. Dr. Günther Heubl (LMU München), Prof. Dr. Claude DePamphilis (Pennsylvania State University, USA) und Prof. Dr. Thomas Borsch (Oldenburg) bestehen. In der Angiospermenordnung der Lamiales evolvierte die größte Vielfalt bekannter karnivorer Pflanzenarten, wobei einige ihrer Vertreter womöglich extremste Anpassung an karnivore Überlebensstrategie zeigen. Die kleinsten nukleären Genome wurden hier gefunden, und manche DNA-Regionen weisen Substitutionsraten auf, die zu den höchsten bei Angiospermen bekannten gehören. Im Rahmen dieses Projektes begann Dipl.-Biol. Bastian Schäferhoff mit den Arbeiten in seinem Dissertationsvorhaben „Carnivory in Lamiales: understanding character evo- lution, substitution rate plasticity, and genome miniaturization“. Innerhalb der Angio- spermenordnung der Lamiales wurden in der Arbeitsgruppe bereits vor zwei Jahren in

12 Kooperation mit Prof. Dr. Dorothea Bartels (IZMB, Bonn) und Prof. Dr. Eberhard Fischer (Koblenz) die Linderniaceae als neue Blütenpflanzenfamilie beschrieben. Nora Peine überprüft nun im Rahmen ihrer Diplomarbeit mit Hilfe eines Kernmarkers die bisherigen Erkenntnisse und untersucht Genfamilien, die im Zusammenhang mit Trocken- resistenz bei Linderniaceae stehen. In Kooperationen mit Kollegen aus den USA [Arbeitsgruppen von Prof. Dr. C. dePamphilis und Dr. M. Simmons (Colorado State University)] konnten im Berichtsjahr einige Projekte zum Abschluss gebracht und die Ergebnisse veröffentlicht werden.

Publikationen Barthlott, W.; Porembski, S.; Seine, R. and Theisen, I. (2007): The curious world of carnivorous plants – a comprehensive guide to their biology and cultivation. Timber Press, Portland, USA. Barakat, A.; Müller, K.F. and Sáenz de Miera, L.E. (2007): Molecular evolutionary analysis of the Arabidopsis L7 ribosomal protein gene family. Gene: in press. Borsch, T.; Hilu, K.W.; Wiersema, J.H.; Löhne, C.; Barthlott, W. and Wilde, V. (2007): Phylo- geny of Nymphaea (Nymphaeaceae): Evidence from substitutions and microstructural changes in the chloroplast trnT-trnF region. Int. J. Pl. Sci. 168: 639–671. Jansen, R.K.; Cai, Z.; Daniell, H.; Raubeson, L.; DePamphilis, C.W.; Leebens-Mack J.; Müller, K.F.; Guisinger-Bellian, M.; Haberle, R.C.; Hansen, A.K.; Chumley, T.W.; Lee, S.-B.; Peery, R.; McNeal, J.R.; Kuehl, J.V. and Boore, J.L. (2007): Analysis of 81 genes from 64 chloroplast genomes resolves relationships in angiosperms and identifies genome-scale evolutionary pat- terns. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS): in press. Löhne, C.; Borsch, T. and Wiersema, J.H. (2007): Phylogenetic analysis of Nymphaeales using fast-evolving and non-coding chloroplast markers. Bot. J. Linn. Soc. 154: 141–163. Simmons, M.P.; Müller, K.F. and Norton, A.P. (2007): The relative performance of indel-coding methods in simulations. Molecular Phylogenetics and Evolution 44: 724–740. Simmons, M.P.; Zhang, L.-B.; Webb, C.T. and Müller, K.F. (2007): A penalty of using anony- mous dominant markers (AFLPs, ISSRs, and RAPDs) for phylogenetic inference. Molecular Phylogenetics and Evolution 42: 528–542. Tesfaye, G.K.; Borsch, T.; Govers, K. and Bekele, E. (2007): Characterisation of Coffea chloro- plast microsatellites and evidence for the recent divergence of C. arabica and C. eugenioides cp genomes. Genome 50: 1112–1129. Wall, P.K.; Leebens-Mack, J.; Müller, K.F.; Field, D.; Altman, N.S and DePamphilis, C.W. (in press): Plant Tribes: A gene and gene family resource for comparative genomics in plants. Nucleic Acids Research. Worberg, A.; Quandt, D.; Barniske, A.-M.; Löhne, C.; Hilu, K.W. and Borsch, T. (2007): hylo- geny of basal : Insights from non-coding and rapidly evolving DNA. Org. Divers. Evol. 7: 55–77.

6. Untersuchungen an biologischen und technischen Grenzflächen

a) Struktur pflanzlicher Oberflächen

Die Analyse der Mikro- und Nanostrukturen pflanzlicher Oberflächen mittels hochauf- lösender Rasterelektronen- und Rasterkraftmikroskopie, sowie mittels kontaktlos mes-

13 sender Weißlichtprofilometrie bildete auch 2007 einen der zentralen Forschungsschwer- punkte am Nees-Institut (Koch & Barthlott 2006; Koch et al. im Druck). Fortgeführt wurde das DFG geförderte, interdisziplinäre Kooperationsprojekt „Biomimetische Ober- flächen“. Darin war neben der Aufklärung der molekularen Architektur der Wachse auch die Übertragung ihrer Strukturen auf technische Materialien von besonderem Interesse (Neinhuis et al. 2007). Dabei wurden biologische Moleküle aus pflanzlichen Wachsen genutzt, um technische Oberflächen mittels Strukturen zu funktionalisieren. Ein wesent- licher Schritt hin zur technischen Nutzung der Oberflächenstrukturen war die Entwick- lung einer Methode zur Replikation des weichen biologischen Materials (Koch et al. 2007). Weitere Arbeitsschwerpunkte waren Untersuchungen zur Strukturbildung durch Selbstorganisation biologischer Moleküle und ihre Synthese (Dommisse et al. 2007). In aktuellen Diplomarbeiten erfolgt die Identifizierung und Charakterisierung von Gleit- strukturen bei Pflanzen sowie Untersuchungen zur mechanischen Härte pflanzlicher Oberflächenstrukturen.

Publikationen Koch, K. and Barthlott, W. (2006): Plant epicuticular waxes: Chemistry, Form, Function and Self- assembly. Nat. Prod. Comm. 1: 1067–1072 Neinhuis, C.; Löthmann, P. and Koch, K. (2007): There is Plenty of Room for Nanostructured Surfaces – die Nanowelt der Biomimetischen Oberflächen. Wiss Z TU-Dresden, 56 H. 1–2, Nanowelt: 125–129 Dommisse, A.; Wirtz, J.; Koch, K.; Barthlott, W. and Kolter, T. (2007): Synthesis of S-nonacosan- 10-ol, the main component of plant surface tubular wax crystals. Eur. J. Org. Chem.: 3508– 3511. Koch, K.; Dommisse, A.; Barthlott, W. and Gorb, S. (2007): The use of plant waxes as templates for micro- and nano-patterning of surfaces. Acta Biomaterialia 3: 905–909. Koch,K.; Frahm, J.P. and Pollawak, R. (in press): The cuticle of Buxbaumia viridis sporophyte. Flora

b) Funktion pflanzlicher Oberflächen

In der Arbeitsgruppe Bionik am Nees-Institut wurde im Berichtszeitraum im Rahmen eines vom BMBF geförderten Verbundprojekts „Biomimetische superhydrophobe Ober- flächen: Funktionserhaltung durch Regeneration“ die Reparatur beschädigter Lotus- Effect®-Oberflächen erforscht. Diese Untersuchungen fanden in Kooperation mit der Universität Dortmund und drei Industriepartnern statt. In einem weiteren BMBF-Projekt „Superhydrophobe biologische Grenzflächen – ein mögliches Potential für hydrodyna- mische technische Innovationen“ wurden Strukturen verschiedener Tier- und Pflanzen- arten, die das Halten einer Luftschicht unter Wasser ermöglichen, mit dem Ziel unter- sucht, die aufgespürten Eigenschaften auf unterschiedliche technische Oberflächen zu übertragen. Im Berichtszeitraum ist es in Kooperation mit dem Institut für Textil- und Verfahrenstechnik in Denkendorf gelungen, ein Textil mit diesen Eigenschaften zu entwickeln. Außerdem konnte durch experimentelle Untersuchungen bewiesen werden, dass solche Luft-haltenden Oberflächen bei Bewegung unter Wasser zu einer Reibungs-

14 verminderung führen. In der AG Bionik wurde in Kooperation mit der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) mittels Rasterelektronenmikroskopie die Beschaffenheit von Haftorganen von Fließgewässerorganismen und deren Anpassung auf unterschiedliche Substrate untersucht. Diese Untersuchungen fanden im Rahmen eines vom Bundes- ministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen geförderten Projekts statt. 2007 endete die zweite Phase des BMBF-geförderten Bionik-Kompetenz-Netzes (BioKoN) als Zusammenschluss von bundesweit wichtigsten Arbeitsgruppen im Bereich Bionik. Hier hatte die AG Bionik am Nees-Institut u. a. die Leitung der Fachgruppe „Industrielle Umsetzung“ übernommen. Des Weiteren hat die AG Bionik an der Woche der Umwelt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und des Bundespräsidenten in Berlin teilge- nommen und die aktuellen Forschungsergebnisse präsentiert.

Publikationen Solga, A.; Cerman, Z.; Striffler, B. F.; Spaeth, M. and Barthlott, W. (2007): The dream of staying clean: Lotus and biomimetic surfaces. Bioinspiration & Biomimetics 2, 1–9. Kreuz-Preußker, J.; Cerman, Z.; von Borstel, G. und Spaeth, M. (2007): Hingeschaut und nach- gebaut – Selbstreinigende Blätter und Lotus-Effect®, Unterricht Chemie 18, 20–25. Barthlott, W.; Solga, A.; Cerman, Z.; und Spaeth, M. (2007): Der Lotus-Effect®: Biologische Grundlagenforschung und die Entwicklung neuer Werkstoffe, In: Brickwedde,F.; Erb, R.; Lefèvre, J. und Schwake, M. (Hrsg.), Bionik und Nachhaltigkeit – lernen von der Natur, 12. Int. Sommerakademie St. Marienthal, 28–35. Striffler, B. (2007): Biologische superhydrophobe Grenzflächen – Technische Potentiale für Unter- wasseranwendungen. In: Brickwedde, F.; Erb, R.; Lefèvre, J. und Schwake, M. (Hrsg.), Bionik und Nachhaltigkeit – lernen von der Natur, 12. Int. Sommerakademie St. Marienthal, Erich Schmidt Verlag GmbH, Berlin, 36–35.

II. Systematik, Morphologie und Taxonomie

Im Berichtszeitraum führte die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Stefan Porembski (Rostock) weitere Feldstudien u. a. im Südwesten Kameruns (Banyang Mbo Wildlife Reserve) durch. Ein spezielles Augenmerk war den Themenfeldern Ökologie der Podostemaceae und der Blütenbiologie von Annonaceen [Diplomarbeit Svenja Meinke in Zusammen- arbeit mit Prof. Dr. Gerhard Gottsberger (Ulm), Prof. Dr. Claudia Erbar und Prof. Dr. Peter Leins (Heidelberg) sowie Prof. Dr. Marc Sosef (Wageningen)] gewidmet. Erstmals konnte für afrikanische Annonaceae eine Thermogenese nachgewiesen werden. Daneben wurden detaillierte Beobachtungen zu Blüten-besuchenden Insekten sowie zur Blüten- entwicklung ausgewählter Gattungen gemacht. Die Arbeiten erfolgten mit Unterstützung von DAAD, WCS (Wildlife Conservation Society) und Herbier National du Cameroun (Yaoundé). Im brasilianischen Teil des Pantanal konnte Frau Anja Dubberstein (AG Porembski, Diplomarbeit in Kooperation mit Frau Prof. Dr. Marinez I. Marques, UFMT Cuiabá) Studien zur Blütenbiologie nachtblütiger Nymphaea-Arten durchführen.

15 Publikationen Ghogue, J.P.; Rutishauser, R. and Porembski, S. (in press): Podostemaceae as indicators of environmental threat in the West Province of Cameroon. Proceedings AETFAT 2007, Yaoundé. Ghogue, J.P.; Priller, N. and Porembski, S. (in press): Preliminary studies on the ecology of Podostemaceae in southwestern Cameroon. Proceedings AETFAT 2007, Yaoundé. Meinke, S.; König, N. and Porembski, S. (in press): Preliminary observations on the pollination of West African Annonaceae. Proceedings AETFAT 2007, Yaoundé.

In der Berichtsphase konnte Prof. Dr. Eberhard Fischer (Koblenz) die Revision der kontinentalafrikanischen Drachenbäume abschließen und mit Revisionen von Renealmia und Aframomum (Zingiberaceae) beginnen. In allen Gruppen entdeckte er zahlreiche neue Taxa. Er setzte auch 2007 seine systematischen Arbeiten an und verwandten Familien fort und konnte eine neue endemische Gattung aus der Ver- wandtschaft von Radamaea in den Tsingy von Ankarana (Madagaskar) entdecken, die derzeit gemeinsam mit Dr. Kai Müller (Nees-Institut) phylogenetisch analysiert wird. In Süd-Madagaskar entdeckte er eine neue Art der afrikanischen Gattung Teedia. Außer- dem hat er die in Madagaskar endemische Gattung Radamaea revidiert und konnte dabei sechs neue Arten beschreiben. Bei der Revision von tropisch-afrikanischen Harveya- Arten konnten drei neue Taxa entdeckt werden. Prof. Dr. Eberhard Fischer setzte im Berichtsjahr außerdem die Bearbeitung der tropischen Impatiens-Arten durch Aufsamm- lungen aus Madagaskar fort und veröffentlichte zahlreiche Neubeschreibungen. Die Gesamtartenzahl auf Madagaskar stieg damit von 105 auf 278 Arten, und Impatiens repräsentiert die artenreichste Pflanzengattung der Insel noch vor Bulbophyllum (Orchi- daceae) mit etwa 230 Arten. Eine spektakuläre neue Art wurde Impatiens academiae- moguntiae Eb. Fisch. & Rahelivololona benannt.

Publikationen Fischer, E. (2006): Scrophulariaceae. In: Hedberg, I.; Kelbessa, E.; Edwards, S.; Demissew, S. and Persson, E. (eds.): Flora of Ethiopia and Eritrea 5: 235–308. Addis Ababa & Uppsala. Fischer, E. (2007): Scrophulariacées. In : Flore de Madagascar et des Comores. Paris: in press. Fischer, E. (2007): The genera Anthoceros, Phaeoceros and Notothylas (Anthocerotopsida) in Rwanda. Nova Hedwigia Beih. 131: 81–89. Fischer, E. and Phillipson, P. (in press): A revision of the genus Radamaea. Adansonia. Fischer, E. and Rahelivololona, E. (in press): New taxa of Impatiens from Madagascar IV. Adan- sonia. Fischer, E. and Rahelivololona, E. (in press): New taxa of Impatiens from Madagascar V. Adan- sonia. Fischer, E. ane Luke, Q. (in prep.): Two new species of Harveya (Orobanchaceae) from Kenya and Tanzania. Fischer, E.; Ertz, D.; Killmann, D. and Sérusiaux, E. (2007): Two new species of Multiclavula (lichenized basidiomycetes) from savanna soils in Rwanda (East Africa). Botanical Journal of the Linnean Society: in press Fischer, E.; Killmann, D. and Sérusiaux, E. (2006): A new species of Jonesiobryum (Bryopsida: Rhachitheciaceae) from Uganda. Journal of Bryology 28 (3): 177–181. Ngugi, G. and Fischer, E. (in prep.): A new Harveya (Orobanchaceae) from Kenya.

16 Theisen, I. and Fischer, E. (in press): A new species of Teedia (Scrophulariaceae) from Mada- gascar. Adansonia.

Die Erforschung der Bromelien Boliviens wurde im Berichtsjahr durch Prof. Dr. Pierre Ibisch (Eberswalde) fortgesetzt. Abgeschlossen wurde mit mehreren Veröffentlichungen ein von der DFG gefördertes Projekt zur Systematik, Phylogenie, Taxonomie, Diversität und Biogeographie der Gattung Fosterella (Bromeliaceae) im interdisziplinären Verbund mit Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Georg Zizka (Senckenberg), und Prof. Dr. Kurt Weising (Kassel). Es wurden neue Taxa und neue Synonyme vorgeschlagen. Dipl.-Biol. Jule Peters arbeitet nunmehr in ihrem Dissertationsvorhaben an einer Revision der Gat- tung Fosterella. Besonderes Augenmerk gilt weiterhin den terrestrischen Bromelien- Arten. In Zusammenarbeit mit dem bolivianischen Kollegen Roberto Vásquez wird die Revision der bolivianischen Arten der Gattung Puya vorbereitet.

Publikationen Rex, M.; Patzolt, K.; Schulte, K.; Zizka, G.; Vásquez, R.; Ibisch, P.L. and Weising, K. (2007): AFLP analysis of genetic relationships in the genus Fosterella L.B. Smith (Pitcairnioideae, Bromeliaceae). Genome 50:90–105. Vásquez, R.; and Ibisch, P.L. (2007): Puya pachyphylla sp. nov. and new synonyms of Puya tuberosa from Bolivian Bromeliaceae. Journal of the Bromeliad Society 57(3):102–111. Vásquez, R. und Ibisch, P.L. (2007): Die Bromelien Boliviens (VI): Puya larae und Puya bo- opiensis. Zwei neue Arten aus den Yungas von La Paz, Bolivien. Die Bromelie 2/2007: in press.

Hr. Weberling setzte auch 2007 seine morphologisch-systematische Untersuchungen an Valerianaceen, insbesondere an südamerikanischen Taxa der Familie fort. Die Ergebnisse fanden Niederschlag in Beiträgen zur Erstellung moderner Florenwerke für verschiedene Regionen Südamerikas, derzeit vor allem für „Flora Chilena“. Für die Bearbeitung der Valerianaceae und Caprifoliaceae für die „Flora von Istrien“ (Hrsg. W. Starmühler) er- gaben sich keinerlei Neufunde. Auf Einladung der Sociedad Argentina de Botánica (SAB) nahm Hr. Weberling an den vom 20.–25. September 2007 in Corrientes abgehaltenen 31. Jornadas teil und hielt dort eine Conferencia über „Arquitectura de fanerógamas y periodicidad de floración – una sinopsis sobre plantas tropicales y subtropicales.“ Der Vortragstext einschließlich Ab- bildungen ist bereits im Druck und wird noch 2007 im Bol. Soc. Arg. Bot. erscheinen. Der Aufenthalt in Corrientes bot Gelegenheit, die im Herbarium des Instituto de Bo- tánica del Nordeste (IBONE) liegenden Valerianaceen zu untersuchen. Eine, im An- schluss an die Jornadas gemeinsam mit Prof. Dr. Thomas Stützel (Bochum) unter- nommene Reise nach San Carlos de Bariloche (Argentinien) war in erster Linie dem Studium der im Bereich des Nahuel Huapi und des Parque Nacional de los Alerces bei Esquel wachsenden Fitzroya cupressoides und anderer Coniferen gewidmet. Wie geplant, untersuchte Hr. Weberling im Herbarium des Botanischen Institutes im Centro Regional der Universidad Nacional de Comahue in Bariloche das dort aufbewahrte Valeriana-Material. Nach Rückkehr nach Buenos Aires konnte er auch das Herbarium des INTA in Castelar aufsuchen, das gleichfalls wichtiges Material der für die Erstellung der „Flora Chilena“ in Bearbeitung genommenen Valeriana-Arten enthielt.

17 Auf Einladung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (Frau Dr. P. Feuerstein- Herz) verfasste Hr. Weberling für den Katalog der derzeitigen Ausstellung „Die große Kette der Wesen – Ordnungen in der Naturgeschichte der Frühen Neuzeit“ eine Dar- stellung der Grundlagen des Pflanzensystematisierens. Im November 2005 konnten auf dem IV. Congreso Nacional de Ciencia de Malezas, Varadero, Matanzas, Cuba, nur einige Ergebnisse der Doktoarbeit von Frau Dra. Ing.- Agr. Guadalupe Klich vorgestellt werden (s. Jahrbuch 2006). Die gesamte Dissertation geht jetzt nach Überarbeitung in Druck. Dr. Walter Starmühler publizierte 2007 die Vorarbeiten zu einer „Flora von Istrien“ Teil X. Darin bearbeitete Hr. Weberling die Caprifoliaceen.

Publikationen Starmühler, W. (2007): Vorarbeiten zu einer „Flora von Istrien“ Teil X. In: Carinthia II, 197: 407– 496 Weberling, F. (2006a): Revidierte Belege aus dem „Herbarium Istricum“: 547. In: Stramühler, W (Hrsg.): Vorarbeiten zu einer „Flora von Istrien“, Teil IX. Carinthia II, 196/116: 519–610. Weberling, F (2006b): Belege zur „Flora von Istrien“ aus anderen Herbarien: 604. In: Stramühler, W (Hrsg.): Vorarbeiten zu einer „Flora von Istrien“, Teil IX. Carinthia II, 196/116: 519–610. Weberling, F. (2007/8): Notes on South American Valerianaceae. IV. Feddes Repert. 118: 327– 351. Weberling, F. (2007): The problem of generalized flowers – morphological aspects. Taxon 56 (3): 707–716. Weberling, F. (2007): Arquitectura de fanerógamas y periodicidad de floración – una sinopsis sobre plantas tropicales y subtropicales. Resumen. 31. Jornadas Argentinas de Botánica. Bol. Soc. Arg. Bot. 42 (Supl.): in press. Weberling, F. (2007): Pflanzensystematik. In: Feuerstein-Herz, P.: Die große Kette der Wesen. Ausstellungskatalog der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Nr. 88: 184–191.

Prof. Dr. Thomas Stützel fokussierte im Berichtszeitraum seine Studien an Gymno- spermen auf Podocarpaceae. Er beabsichtigt, auch hier eine weltweite Monographie zu erarbeiten, wie dies für die Cupressaceae inzwischen erfolgt ist. Dipl.-Biol. Patrick Knopf hat hierzu eine Lebendsammlung aufgebaut, die inzwischen mehr als die Hälfte aller Arten und gut zwei Drittel der Gattungen umfasst. Parallel dazu hat er mit Studien der Blattentwicklung und Blattanatomie begonnen. Da das Typus-Material zu vielen Arten rein vegetativ ist, kommt diesen Studien in der Revision eine zentrale Bedeutung zu. Ein für das Management genetischer Ressourcen auf diesem Gebiet wichtiges Nebenergebnis war, dass Stecklinge von Podocarpaceae mit jungen weiblichen Zapfen nicht nur gut anwachsen, sondern dass sich die Zapfen bis zur Samenreife weiterent- wickeln und die Samen dann bereits auf der Mutterpflanze austreiben. Die sonst ver- breiteten Positionseffekte lassen sich auf diese Weise ebenso vermeiden wie eine extreme Einengung der genetischen Basis von Sammlungsbeständen. In einer weiteren Serie von Untersuchungen wird analysiert, ob es Anzeichen dafür gibt, dass immergrüne, in Lang- und Kurztriebe differenzierte Gymnospermen von laubwerfenden Vorfahren abstammen. Da die heute lebenden Gymnospermen entweder gleich organisiert sind oder keine nahen Verwandten haben, mit denen sich phylo-

18 genetisch interpretierbare morphologische Reihen bilden ließen, wurde die Hypothese an Angiospermen auf ihre Tragfähigkeit getestet. Erste Ergebnisse zeigen deutlich, dass die gesamte Blattfläche eines Kurztriebes in der Regel sehr gut mit der Fläche eines einzigen Langtriebblattes übereinstimmt. Geringfügige Abweichungen können vermutlich durch gegenseitige Verschattung der Blätter innerhalb des Kurztriebes erklärt werden. Dies soll durch Ermittlung der potentiellen Photosyntheseleistung von gesamtem Kurztrieb und Langtriebblatt, gemessen am Chlorophyllgehalt, geprüft werden. Bei den Gymnosper- men zeigte sich in den Cupressaceae, dass auch in allen immergrünen Gattungen das spezialisierte Abszissionsgewebe vorkommt, das bei Metasequoia und Taxodium für den Abwurf der Kurztriebe verantwortlich ist. Die Untersuchungen zur Schädigung unterirdischer Infrastruktur (Leitungen) durch Wurzeln wurden im Berichtsjahr fortgesetzt. Erstmals war es möglich, in größerem Rahmen potentielle Problembereiche durch Grabungen zu untersuchen, ohne dass bereits Schäden vorlagen. Dazu wurden auf dem Gebiet des geplanten Braunkohletagebaus Garzweiler II Hausanschlüsse ausgegraben, bevor die Häuser abgerissen wurden. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind in wesentlichen Teilen in den Abschlußberichten für das Umweltministerium NRW enthalten und als PDF zum Download auf der Seite www.ikt.de verfügbar. Die Ergebnisse fließen jetzt durch Mitarbeit von Prof. Dr. Thomas Stützel in die Arbeit der Normungsausschüsse von Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) sowie der Forschungsgesellschaft Land- schaftsentwicklung und Landschaftsbau (FLL) ein. Im September hat Prof. Dr. Thomas Stützel auf Einladung der SAB an den 31. Jornadas de Botanica in Corrientes (Argentinien) teilgenommen mit einem Vortrag zum „Longshoot shortshoot differentiation – an indicator for a seasonal ancestry in trees?“. Anschließend hat er gemeinsam mit Hrn. Weberling von San Carlos de Barriloche aus zwei Exkursionen zu Standorten von Fitzroya, Austrocedrus und Pilgerodendron unter- nommen. Die gesammelten Daten fließen in die Einrichtung einer Freilandanlage im botanischen Garten Bochum ein, in der viele bisher in Deutschland nur in Gewächs- häusern gezeigte Arten im Freiland gehalten werden sollen. An der Universität Barri- loche hielt Prof. Dr. Thomas Stützel zwei Vorträge über „Evolution of Gymnosperms“ und „Roots invading Sewers“. Im Anschluss an seinen Aufenthalt in Argentinien hat er die Universidade Federal do Rio Grande do Sul (UFRGS) in Porto Alegre und die Universidade Estadual Paulista (UNESP) in Rio Claro besucht, wo er mit brasilianischen Kollegen am Projekt einer Revision der Eriocaulaceae weitergearbeitet hat. Nachdem im Frühjahr 2007 Dr. Alessandra Ike-Coan in diesem Zusammenhang für infloreszenz- morphologische Studien an der Ruhr Universität Bochum weilte, wird 2008 Marcelo Trovo im Rahmen dieses Projektes nach Bochum kommen.

19 Arbeitsgruppe Mikrobiologie

Bericht Schink

Die Arbeitsgruppe von Hrn. Schink beschäftigte sich im Rahmen eines Projekts im Son- derforschungsbereich 454 „Bodenseelitoral“ der DFG mit verschiedenen Aspekten des mikrobiellen Stoffwechsels von Redox-Verbindungen im Litoralsediment des Sees. Neben Untersuchungen zum Stoffwechsel von Eisenverbindungen und von Methan hat sich die Arbeitsgruppe im letzten Jahr auch mit dem Stoffwechsel von Stickstoff-Ver- bindungen befasst. Stickstoff kommt im Gewässer im Wesentlichen als Nitrat, Ammonium, N2, oder Nitrit vor. Im sauerstoffversorgten Wasser dominiert das Nitrat, in den reduzierten Sedi- menten das Ammonium. Nitrat wird unter Sauerstoffbegrenzung von einer Reihe fakul- tativ anaerober Bakterien als Elektronenakzeptor genutzt, alternativ zum Luftsauerstoff. In einer Studie zur Bioenergetik der Nitratreduktion haben wir die möglichen Energie- ausbeuten bei der Reduktion von Nitrat einerseits zu N2 und andererseits zu Ammonium untersucht. Rein rechnerisch ist die Nitratreduktion zu N2 (Denitrifikation) auf den ersten Blick energetisch günstiger gestellt als die Reduktion von Nitrat zu Ammonium (Nitrat- Ammonifikation). Dennoch findet man in der Grenzzone zwischen sauerstoffversorgtem Wasser und reduziertem Sediment in großem Umfang solche Bakterien, die Nitrat zu Ammonium reduzieren. Dies gilt auch für die zahlreichen neubeschriebenen nitratab- hängigen Bakterien, die reduzierte Schwefel-Verbindungen oxidieren und die man in den letzten Jahren vor allem in marinen Sedimenten gefunden hat. In einer vergleichenden Studie ließ man Denitrifizierer und Nitrat-Ammonifizierer auf denselben Substraten wachsen und hat anschließend die Energie-Ausbeuten anhand der Zellmassebildung verglichen (Strohm et al., 2007). Es stellte sich heraus, dass die Deni- trifikation zwar rechnerisch relativ viel Energie liefert, dass diese jedoch von den betei- ligten Bakterien nur mit geringer Effizienz in biochemisch nutzbare Energie umgesetzt werden kann. Vor diesem Hintergrund ist tatsächlich die Nitrat-Ammonifikation der günstigere Prozess, was erklären mag, warum dieser Prozess in der Natur gerade an sol- chen Standorten dominiert, die energetisch relativ schlecht versorgt sind. Im Stickstoff-Zyklus führt die Reduktion von Nitrat ebenso wie die Reoxidation von reduzierten Stickstoff-Verbindungen zu Nitrat obligat über das Nitrit als Zwischen- produkt. Bisher gab es nur eine Reaktion, durch die Nitrit zu Nitrat oxidiert werden konnte, nämlich die Oxidation mit Sauerstoff durch nitrifizierende Bakterien. In einer kleinen Studie gelang es uns in den letzten beiden Jahren, einen neuen Stoffwechseltyp zu beschreiben, der sauerstoffunabhängig Nitrit zu Nitrat oxidiert und die anfallenden Elektronen zur autotrophen Fixierung von CO2 benutzt. Dieser Prozess ist endergon und daher lichtabhängig (Griffin et al., 2007). Wir haben inzwischen zwei Stämme von neuen anoxygen-phototrophen Bakterien isoliert, die diese neue Reaktion katalysieren. Die weitere Arbeit wird sich auf die Untersuchung des biochemischen Apparats kon- zentrieren, der diese neuartige Nitritoxidation biochemisch möglich macht. Der Prozess scheint vor allem in Kläranlagen eine wichtige Rolle zu spielen, in denen in den Belebt- schlammbecken unter Lichtexposition reduzierte Stickstoffverbindungen über Nitrit zu

20 Nitrat oxidiert werden, um dieses anschließend reduktiv zu N2 umzusetzen und so zu eliminieren. Welche Rolle diesem Stoffwechsel an anderen Standorten zukommt, ist noch völlig offen.

Publikationen Strohm, T.O.; Griffin, B.; Zumft, W. and Schink, B. (2007): Growth yields in bacterial denitri- fication and nitrate ammonification. Appl. Environ. Microbiol. 73: 1420–1424. Griffin, B.; Schott, J. and Schink, B. (2007): Nitrite, an electron donor for anoxygenic photo- synthesis. Science 316: 1870.

Arbeitsgruppe Zoologie

Bericht Schaefer

Forschungsschwerpunkte von Hrn. Schaefer betreffen die Struktur, Diversität und Funk- tion der Fauna in terrestrischen Ökosystemen. Es laufen zurzeit folgende Projekte oder wurden im Laufe des Jahres 2007 beendet: Einfluss der Baumartendiversität auf die Struktur und Funktion der Bodenfauna (Graduiertenkolleg der DFG). Die Bodenfauna in einem Gradienten von Primärwald zu Agroforst-Systemen in Indonesien (Sonderfor- schungsbereich der DFG). Die Diversität von Prädatoren in Graslandbiotopen – Effekte auf das Pflanzenfresser-Pflanzen-System (DFG). Hr. Ax beschäftigte sich mit der Systematik und Diversität von Plathelminthes aus Brackwässern. Eine Monographie über Arten der Nordhalbkugel wird im Jahre 2008 erscheinen. Forschungsschwerpunkte von Hrn. Bleckmann betreffen die Struktur und Funktion des Seitenliniensystems der Fische, die Entwicklung künstlicher Hydrodynamik- und Infra- rotsensoren (gemeinsam mit Kollegen aus den Ingenieurwissenschaften), die energie- günstige Lokomotion und die akustische und hydrodynamische Umwelt von Fliess- wasserfischen sowie den Infrarotsinn von Schlangen und pyrophilen Käfern. Gefördert werden die Projekte von der DFG, der EU, der DARPA, dem BMBF, dem DAAD und der BfG.

Arbeitsgruppe Technische Biologie und Bionik (TBB)

Bericht Nachtigall

Nach Auflösung des BioKoN-Standortes Saarbrücken infolge des Förderzeitraums hat die Arbeitsstelle TBB sowohl eigene Projekte weiterverfolgt wie auch neue Koope- rationsprojekte mit anderen Partnern begonnen. Im Berichtszeitraum lag der Schwer- punkt auf Fragen der Strömungsanpassung von Wasserkäfer-Rümpfen. Nachdem bereits 2006 die messtechnischen Einrichtungen geschaffen, eingerichtet und in Betrieb genommen worden waren, wurden sie im Berichtsjahr weiter zur Bestim-

21 mung der cW-Werte von Modellrümpfen eingesetzt. Für diese wurden 1:1-Plexiglas- abgüsse der Rümpfe von Dytiscus marginalis (1 = 3,5 cm) sowie der etwas kleineren Art Dytiscus pisanuns gefertigt, die im Hinblick auf bionische Umsetzung durch Auffüllung der Podialnischen adaptiert worden sind. Die Reynoldszahlen liegen beim normalen Schnellschwimmen bei etwa 4,5 x 103 und konnten im Windkanalexperiment bei den 1:1-Abgüssen bis auf Re = 6,8 x 104 gesteigert werden. Erwartungsgemäß ergaben sich dabei günstigere Widerstandsbeiwerte bis hinunter zu 0,14 und damit nur 33 % im Ver- gleich zu den Originalrümpfen bei physiologischer Schwimmgeschwindigkeit. Da die Reynoldszahlen für technische Umsetzungen noch nicht ausreichen, wurde ein 10-fach vergrößertes Modell gebaut. Zunächst wurde der 1:1-Abguß mit der Mikro Computertomographie-Einrichtung eines saarländischen Kooperationspartners in milli- meterdicke Schnitte zerlegt, deren Koordinaten relativ zu den Rumpfachsen gegeben waren. Diese wurden vergrößert, aus Bootssperrholz ausgeschnitten, koordinatentreu verleimt und geglättet. In Kooperation mit dem Institut für Strömungsmechanik der TU Braunschweig wird das Modell nun im Rahmen einer Studienarbeit in einem Hochge- schwindigkeits-Windkanal guter Laminarität bis zu etwa Re = 6 x 105 vermessen. Paral- lel dazu wurden in der Arbeitsstelle Messungen zur Strömungssichtbarmachung bei höheren Reynoldszahlen begonnen. Hierfür wurde ein spezieller Rauchkanal mit einem neuartigen Messstrecken-Prinzip entwickelt und gebaut, der allerdings momentan nicht vollständig zufrieden stellt. Sollten die Messungen mit Hochgeschwindigkeits-Wind- kanälen für eine technische Übertragung zur Konzeption sehr widerstandsarmer Unter- wasserrümpfe noch nicht ausreichen, können für spätere weitere Kooperationen Wasser- kanalmessungen vorgesehen werden, wofür dann ein speziell geeignetes Modell neu gefertigt werden muss. Des Weiteren wurden die im letzten Jahresbericht angegebenen Messungen weiter- geführt, wenn auch aus Gründen der Arbeitskapazität noch nicht beendet. Schließlich sind auch im Berichtszeitraum eine größere Zahl von Bionik-relevanten Gesprächen geführt und eine Reihe von Vorträgen gehalten worden, mit denen weiter versucht wurde, bei Industrie und Wirtschaft für den Bionik-Gedanken zu werben, so etwa im Bereich der Textilindustrie, der Architektur, der Management-Beratung, bei Banken und bei Vereinigungen wichtiger Multiplikatoren. Dazu kamen Schulvorträge, Fachhochschul-Referate, Festvorträge und vielerlei Publikationen, für die die Literatur- stellen später zusammenfassend vorgelegt werden. Im Berichtszeitraum wurde das Buch „Baubionik“ von Hrn. Nachtigall für die zweite Auflage vorbereitet sowie eine Kurz- fassung der Bionik-Sichtweise von Hrn. Nachtigall für die Reihe „Beck-Wissen“ ge- schrieben.

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