Filmprogramm OKTOBER 2017 Rex Tone →3
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Filmprogramm OKTOBER 2017 Rex Tone →3 Dämmerlicht der Seelen Retrospektive Jacques Tourneur →4 Premieren: Tiere / Avant la fin de l’été →13 Lasst die Alten sterben / Félicité →15 Conny Plank – The Potential of Noise →18 Agenda →16/17 10 →20 Filmgeschichte kino und theater →22 Re-Edition: Vintage Cinema→23 17 specials →24 rex kids →26 festivalfilme →27 shnit im rex →28 olmo-nights →28 uncut →29 www.rexbern.ch Editorial Von Thomas Allenbach Es sind legendäre und stilbildende B-Movies und Genre-Filme, für die After Paul Klee Jacques Tourneur (1904–1977) berühmt ist, Filme wie Cat People, Out of the Past, I Walked With a Zombie oder Night of the Demon. Im August liefen diese Werke im renovierten GranRex in Locarno, im Oktober nun sind sie im REX Bern zu sehen. Wir bedanken uns bei Festivaldirektor Carlo Chatrian und seinem Team für die grosszügige Unterstützung. Mit dem Tourneur-Schwer- www.zpk.org punkt führen wir weiter, was wir letztes Jahr mit der Retrospektive zum Kino der jungen BRD begonnen haben: Die Locarno-Retros, für die man während des Festivals oft zu wenig Zeit hat, sollen jeweils im Herbst unser Programm bereichern. Sechs der neun Tourneur-Filme in unserem Programm sind 35mm-Filme, die zum Teil weit gereist sind. So werden uns die Kopien von The Leopard Man und Experiment Perilous freundlicherweise von der Library of Congress in Washington zur Verfügung gestellt, der ältesten kulturellen Institution der USA, Berlin Express kommt aus Barcelona, die anderen Filme stammen aus deutschen Archiven. Weil die Kopien anschliessend gleich ans Filmpodium Zürich weitergeschickt werden müssen, sind sie zum Teil nur sehr kurz im REX zu sehen – wer also nichts verpassen will, sollte sich die Vorstellungen schon jetzt vormerken. So läuft etwa der AuftaktfilmThe Leopard Man nur am 5. und 6. Oktober. Das sind Einschränkungen, die in Zeiten der digitalen Rundumverfügbarkeit schon fast exotisch anmuten, die aber den Vorstel- lungen zugleich eine gewisse Exklusivität verleihen. Hier kommt die Nacht: Dank der Zusammenarbeit mit dem Filmpodium können wir mit einer Aus- In der Nachtreihe REXtone spielen einmal im Monat nahme alle Filme mit Untertiteln zeigen. Die deutschen (in einem Fall fran- ausgewählte DJs Obsku- zösischen) Untertitel werden dabei parallel zu den 35mm-Kopien projiziert, ritäten, Raritäten und in der Kabine braucht es deshalb zwei Personen: Die eine führt den Film vor, Popularitäten aus ihren weiten Archiven. Songs, die andere die Untertitel. Weil die wertvollen Archivkopien aktweise vorge- die eine Einladung an die führt werden, muss rund alle 20 Minuten von einem Projektor auf den andern Geselligkeit und Neugierde überblendet werden. Dass es dabei zu Problemen mit der Synchronität der sind und die zuweilen auch zum Tanz bitten. Untertitel kommt, ist fast unvermeidlich, deshalb müssen diese immer wie- der neu justiert werden. Sollten also die Untertitel kurz «verschoben» sein, sind dafür nicht die dämonischen oder übersinnlichen Kräfte verantwort- Freitag, 27.10., 22:30 Jeans for Jesus High 1948, Öl auf Leinwand, aufgezogen auf Holz, 56,5 x 39,4 cm (Ausschnitt), Museum Frieder Burda, Baden-Baden, Burda, Museum Frieder auf Holz, 56,5 x 39,4 cm (Ausschnitt), aufgezogen 1948, Öl auf Leinwand, lich, die in Tourneurs Filmen für Angst und Schrecken sorgen. Intensity DJ-Set Sie haben mit «P R O» das vielleicht ambitionierteste und auch beste Mundart- popalbum der Gegenwart aufgenommen, nun kom- Composition No. 16, men Jeans for Jesus in die REX Bar. Was zu erwar- ten ist? Viel zeitgenössi- scher Pop – und sicherlich Jackson Pollock, Jackson Zurich. / 2017, ProLitteris, Foundation © Pollock-Krasner nichts Retroseliges. Rubriktitel 3 Dämmerlicht der Seelen Retrospektive Jacques Tourneur Der Franzose Jacques Tourneur (1904–1977), ein Regisseur mit Flair für den diskreten Charme des Übersinnlichen, hat in Hollywood stilbildende Genre- und B-Movies wie Cat People, Out of the Past oder I Walked With a Zombie realisiert. Aus der umfassenden Retrospektive, die ihm das Filmfestival Locarno dieses Jahr widmete, haben wir neun Filme ausgewählt: subtil inszenierte Licht-und- Schatten-Spiele, die dank ihrer formalen Raffinesse noch immer modern wirken. Cat4 PeopleRubriktitel Rubriktitel 5 Gerhard Midding die Lautstärke unweigerlich verändern und ihre Bewegungen zögerlicher sein würden. Cat People und I Walked With a Zombie sind gleichsam geflüs- terte Horrorfilme; nicht einmal in Tourneurs Wes- Das Hören und Sehen gehorcht anderen Geset- tern müssen die Helden ihre Stimme heben, um zen bei ihm. Sein Kino entzieht sich den traditio- dem Gesetz Nachdruck zu verleihen. Die Tonspur nellen Sehgewohnheiten; ihm eignet ein Flair des seiner Filme entwirft akustische Landschaften. Entrückten, des Vorbehalts. Seine Triebfeder sind Zweifel, Verwirrung und Unruhe. Die entschlos- Bei Tourneur muss man den Raum hören kön- sene Tatkraft, der auftrumpfende Tonfall und der nen, denn er ist meist in tiefes Dunkel getaucht. Optimismus, der das amerikanische Genrekino «I like the dark, it’s friendly», sagt Simone Simon weitgehend bestimmt, sind bei ihm gedämpft. in Cat People und spricht damit für viele Tourneur- Seine Filme steuern auf ihre Höhepunkte ruhig Figuren, deren eigentliches Lebenselement die zu, Schrecknissen nähern sie sich überlegt. Dunkelheit ist. In seinem Universum ist das Licht ein kostbares Gut, das überlegt eingesetzt wer- Die Vergangenheit ist stets machtvoll präsent den will. Seine Quellen sind im Bildkader meist in Jacques Tourneurs Filmen. Die Charaktere tra- zu sehen, was die Szenerien beglaubigt und den The Leopard Man, 1943 gen bereits ein Schicksal in sich, müssen gravie- Schrecken, dem die Figuren ausgesetzt sind, in rende Erfahrungen verwinden. Out of the Past der Realität verwurzelt. Das Licht setzt dieser ist ein Film, der geradezu obsessiv an die immer Regisseur mal als skulpturales, mal als struktu- für das Ungeläufige.Out of the Past und Nightfall einfach verdoppeln, sondern neu formiert wer- gleichen Schauplätze zurückkehrt; mit der ver- rierendes Element ein. Es dient als Beweggrund sind überraschend pastorale Films noir, die sich den. Die Requisiten gewinnen stets Doppelwer- geblichen Hoffnung, das Vergangene endlich für Kamera und Figuren oder als dramaturgisches wesentlich in der Natur zutragen. tigkeit. Die Harfe im Schlafzimmer der untoten abzuschütteln. Die Angst vor dem Anderen (oder Instrument: Die Exposition von Nightfall macht Ehefrau in I Walked With a Zombie schillert zwi- vor sich selbst) ist bei Tourneur nie unbegründet. dem Filmtitel alle Ehren. Während es sonst zu den Was aus seinen Filmen im Gedächtnis bleibt, schen Evidenz und Symbolkraft. Die Welt gerät in seinen Filmen leicht aus den Gepflogenheiten des Film noir gehört, einen urba- sind einerseits atmosphärische Eindrücke: See- Angeln, denn seine Figuren sehen sich rätselhaf- nen Schauplatz mit einer Montage von Leuchtre- lenlandschaften. Zugleich bleiben prägnante Tourneur konstruiert diese Welten auch des- ten Kräften ausgesetzt, über die sie keine Kont- klamen einzuführen, passt Tourneur genau den Momente und Bilder präsent. Aus Cat People halb so genau, so ziseliert, um die Präsenz einer rolle haben: gerade so wie die Bälle, die fröhlich Moment ab, in dem sie eingeschaltet werden. wären dies beispielsweise die Szene, in der sich anderen erahnen zu lassen. Wie ein Schatten ist auf der Fontäne des Springbrunnens aus The In Out of the Past verleihen Tourneur und sein Jane Randolph vor dem Schatten des Raubtiers die Welt der Geister und Schemen in der realen Leopard Man tanzen müssen. Kameramann Nicholas Musuraca dem Helldunkel nachts in das Schwimmbecken rettet, oder ihr gegenwärtig. In Interviews hat er immer wieder eine Undurchdringlichkeit, die den Widerspruch Heimweg, der sie durch lauter Licht-Pools führt betont, wie sehr er von der Existenz des Über- Wo das Hollywoodkino üblicherweise auf zwischen Unschuld und Erfahrung, zwischen und auf eine vertrackte Pointe zuläuft, in der sich natürlichen überzeugt ist. Aber er konnte seine resoluter Präsentation besteht, setzt er Ellipsen. Lebenswillen und Todessehnsucht unterstreicht. ein Fauchen als das Öffnen einer Bustür entpuppt. Augen auch nicht verschliessen vor dem Grauen, Sein Stil ist taktvoll, diskret. Der Tod ereilt seine Aus The Leopard Man wäre es wahrscheinlich vor das in der äusseren Wirklichkeit aufgehoben ist: Figuren ausserhalb des Bildkaders. Er setzt auf Dabei nimmt er die Arbeit im Genrekino allem der aufreizende Klang der Kastagnetten, der Der Zug aus Berlin Express passiert in Deutsch- die Magie der Suggestion. Wenn es nach ihm selbstbewusst in Angriff: als eine Disziplin, die es eine Tänzerin in allen Lebenslagen begleitet und land lauter zerbombte Grossstädte, die als reale gegangen wäre, hätte das Publikum in Night of zunächst einmal zu beherrschen gilt. Wenn die dann einen verblüffend postumen Nachhall erfährt. Geisterstädte an die Verheerungen des 20. Jahr- the Demon das Monster nie zu Gesicht bekom- Kamera zu Beginn von Berlin Express von einem Aus I Walked With a Zombie bleibt sicher die Mon- hunderts gemahnen. men. Ihm hätte der Schwebezustand der Beklem- Abteilfenster zum nächsten voranrückt, um die tage im Gedächtnis, in der eine Voodoo-Puppe Gerhard Midding ist freier Autor für Tageszeitungen, mung genügt, das Dämmerlicht, in das er die unterschiedlichen Figuren vorzustellen, signali- von magischen Kräften angezogen wird, während Zeitschriften, Radio und Fernsehen. Er lebt in Berlin. Seelen taucht. siert sie dem Publikum, dass es einen versierten, gleichzeitig eine