Malvengewächseder Nebelwüsten Chiles undPerus JulioV.Schneider &MarilúL.Huertas

Abstract Thefog oasesofthe coastaldesertofChile andPeruare an uniqueecosystem in whichthe aremaintainedalmost exclusivelybyfog humidity.One of themost prominentplant families of theareaare theMalvaceae.Theyare well-adapted to theenvironmental conditionsand alocally dominant elementofthe fog oases. Selected representativesare portrayed.

Zusammenfassung DieNebeloasender chilenisch-peruanischenKüstenwüstesindein einzigartigesÖkosystem,indem diePflanzennahezu ausschließlich von der im Nebel enthaltenen Feuchtigkeit versorgt werden. Eine der artenreichsten undbestandsprägenden PflanzenfamilienindiesemÖkosystem sind dieMalvaceen,die in vielerleiHinsicht an diedortherrschenden Umweltbedin- gungen angepasstsindund etlicheattraktiveArten stellen. AusgewählteVertreter dieser Familiewerdenhiervorgestellt.

1. Die Nebeloasen seit 150MillionenJahrenununterbrochen ein DieAtacama istdie bekannteste WüsteSüd- halbtrockenesbis trockenesKlima(Hartley amerikas undeineder trockensten der Erde et al.2005).Eshandelt sich somitumdie ältes- überhaupt.AneinigenOrten istseitJahrzehn- te der heutigenWüsten. Dieauchinheutiger ten kein einzigerTropfen Niederschlag mehr Zeit zu beobachtendeextremeTrockenheit gefallen. Undauchübergeologische Zeiträume setztevermutlicherstmals voretwa25Millio- hinweg betrachtet wartet dieAtacama mitSu- nenJahrenein (Dunai et al.2005).Als Ursa- perlativen auf: wiegeologische Untersuchun- chen geltenunter anderem dieauftreibenden gengezeigt haben, herrscht in diesem Gebiet kalten Wassermassen desnordwärts entlang

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49_57_016311_Malven_winCS5.indd49 15.07.2011 13:07:46 der Pazifkküstefießenden Humboldtstroms, durchden dieVerdunstung herabgesetzt ist, undder Regenschattenefekt, der nach der He- bung der Anden im Tertiärentstand. Diese Faktoren bewirken,dassmessbare Nieder- schlägeein sehr seltenes Ereignis sind.Ledig- lich in den in unregelmäßigenAbständen wiederkehrenden El-Niño-Jahren fnden nen- nenswerte Niederschlägestatt,dochvon diesen alleinekönnten sich diePfanzender Wüste kaum am Lebenhalten. DieAtacama-Wüste erstrecktsichüberdas nördlicheChile,und zwar vonder Küstenebene bisindie Hochlagender Andenkordillere. Al- lein daranlässt sich ermessen,dassdie Atacama kein einheitlicherLebensraumist. Zwar istal- lenStandorteneineextreme Trockenheitge- mein,aberUnterschiedeimGelände,der Höhe undinder Entfernung vonder Küstebewirken, dass sich unterschiedlicheVegetationstypen entwickelnkonnten.Ein ganz besonderer sind dieLomas oder Nebeloasen(Abb. 1),wie sie auchgenannt werden. Wieder Name schon vermuten lässt, spielt Nebelfeuchtigkeit eine entscheidende Rollefür dasÜberleben der Pfanzen. In den Wintermonaten der südlichen Hemisphäre bilden sich ausgedehnteNebel- bänke, dievom pazifschen Ozeanauf dieKüs- te zutreiben undgroße Mengen an Feuchtigkeit mitbringen. DieNebel stauen sich an den in Küstennähe liegenden Hügelnund Bergen, die teils isoliert liegen,teils zusammenhängende Ketten bilden. An diesen bisca. 1000 mhohen Stauzonenkulminiertnun dieNebelfeuchtig-

Abb. 1(Seite49):Lomas de Carabayllo, eine der NebeloasenamRande der peruanischen HauptstadtLima währendder Vegetationsperiode;imVordergrundeine Tabak-Art(Nicotiana paniculata). Abb. 2(Seite50oben): Cristaria integerrima,eine morphologischsehrvariable Artder nordchilenischen Nebeloaseninder Umgebung von Paposo. Abb. 3(Seite50Mitte): Karpocrater,die tellerförmige Basisdes Säulchens, aufdem dieTeilfrüchte bei Cristaria zurFruchtreife stehen. Abb. 4(Seite50unten): Palaua trisepala,eineder großblütigenArten ausPeru, diedurch den Besitz von nurdreiKelchblätterngekennzeichnet ist.

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49_57_016311_Malven_winCS5.indd 50 15.07.2011 13:07:52 keit,und dasmachensichdie Pfanzenwieder- um zunutze. Mitihrem oberirdischenVegetati- onskörperkämmensie dieFeuchtigkeit regelrechtaus.Untersuchungenhabengezeigt, dass ohne diePfanzendecke diedem Boden zu- geführteFeuchtigkeitsmengedeutlichniedriger ausfallenwürde. DiePfanzensindsomit ihre eigenenGärtner.Man könnte meinen, dieNe- belfeuchtigkeit würde nureiner eingeschränk- ten Anzahl an hoch spezialisierten Pfanzendas Überleben unter diesen vermeintlichunwirtli- chen Bedingungen ermöglichen. Anpassungen an dieTrockenheit weiseninder Tatviele Arten auf, so zumBeispieldie wasserspeichernden Or- gane der Kakteen, Mittagsblumen- oder Portu- lakgewächse. Aber entgegen der allgemeinen Erwartungfndet sich in den Nebeloaseneine überausreicheFlora mitetwa1000 Blüten- pfanzen-Arten (Dillon1997a,b). Selbst Baum- arten wie Carica candicans,eineVerwandteder Papaya, oder diezur Gerbstofgewinnungver- wendete, wirtschaftlich bedeutsameTara(Cae- salpinia spinosa), eine Vertreterin der Schmet- terlingsblütler, habenindiesemHabitat ihre Nische gefunden. DerArtenreichtum istaber nichtalleindem chilenischenTeilder Atacama- Wüsteund ihren Nebeloasenzuzuschreiben. Eher wenigbekannt ist, dass sich der küstenna- he Wüstengürtel auchübereinen Großteilder peruanischen Küsteerstreckt,die fürknapp die Hälfte der oben genannten Arten Heimat ist.

2. Malvengewächse, erfolgreicheStrategen in denNebeloasen Einesder aufälligsten Elemente der Florader Nebeloasensinddie Malvengewächse(so nicht andersvermerkt, sind im Folgenden damitnur dieMalvengewächseimengerenSinnegemeint, d.h. dieVertreter der nach der aktuellaner-

Abb. 5(oben): Palaua dissecta,eineweitverbreitete Art mittiefgeteilten Blätternund leuchtenden Blüten. Abb. 6(Mitte): Palaua rhombifolia,inden Nebeloasen im Großraumder HauptstadtLima. Abb. 7(unten): Palaua moschata,die am weitesten verbreiteteArt ihrerGattung;hiervom Gipfel desCerro RequeinNordperu.

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49_57_016311_Malven_winCS5.indd 51 15.07.2011 13:07:53 kannten Klassifkationnur alsUnterfamilieder Malvaceaebehandelten Malvoideen; sieheauch Bayeretal. 2010), nichtnur wegenihrer zum Teil lebhaftgefärbten großen,attraktiven Blü- ten,sondernauchweilsie vielerorts in großen Individuenzahlen auftreten undsomit zu den dominanten Arten zählen. Dillon (2011) führtinseinenFlorenlisten derNebeloasenaktuell 19 Gattungenund ca. 74 Arten der Malvengewächse –nahezuaus- schließlichAngehörige der Tribus – auf, dassindalso7-8 Prozentder gesamten Flo- ra.Selbstwennaufgrundvon Synonymisierung mancherArt noch einige Namen ausder Liste wegfallen, handeltessichumeinebeachtliche Vielfalt fürein derartigesHabitat.Das lässtda- rauf schließen, dass dieMalvengewächsebeson- derserfolgreich an dieinden Wüsten vorherr- schenden Umweltbedingungen angepasstsind. Aufden ersten Blickerschließtsichdas nicht, dennWasserspeichergewebesindnicht vorhan- den. Doch dieerfolgreicheStrategie liegteher im Verborgenen. VieleMalvengewächsesind zumBeispielaußerordentlichfexibel hinsicht- lich ihresLebenszyklus, d. h. vieleArten sind in der Lage, in extrem trockenenJahrenihren Le- benszyklus raschabzuschließenund dieun- günstige Jahreszeit in Form desSamensimBo- den zu überdauern. Damiteinhergehtdie Möglichkeitder Selbstbefruchtung, sollten die Bestäuber ausbleiben. Besonderswichtig er- scheinen auchder gute Austrocknungsschutz unddie enorme Langlebigkeitder Samen. Wie Untersuchungenannordamerikanischen Mal- venzeigten,besitzenselbst über einhundert JahrealteSamen noch eine hoheKeimungsrate (Telewski&Zeevaart2002).Aberauchim vegetativen Bereich fnden sich Anpassungen

Abb. 8(oben): Palaua tomentosa,ist eine morphologisch variable undnur in Südperuvorkommende Art, diemit Arten des Palaua-dissecta-Verwandtschaftskreises Hybriden bildet. Abb. 9(Mitte): Palaua modesta,eineseltene, besonders unscheinbare Artmit winzigenweißenBlüten,hierinder Nähe von Paposo(Nordchile) aufgenommen. Abb. 10 (unten): Fuertesimalva chilensis in den Lomasde Atiquipa,Südperu.

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49_57_016311_Malven_winCS5.indd 52 15.07.2011 13:07:54 an dieTrockenheit,sozum Beispiel eindichtes HaarkleidanSprossund Blätternoderdie Re- duzierungder Blattoberfäche. Dierelativ großeArtenvielfalt verdankendie Malvengewächsevor allemden beiden Gattun- gen Cristaria und Palaua,die etwa dieHälfte der Arten stellen. BeideGattungen wurden in Rahmen einesamForschungsinstitutund Na- turmuseum Senckenbergund der Universität Leipzigangesiedelten Forschungsprojekts zur Systematik undEvolution trockenheitsange- passter Malvengewächseuntersucht. DieMalvengewächsesindals Familiever- gleichsweise einfachanzusprechen, da sieeinen charakteristischenBlütenaufbau aufweisen: die fünfzählige Blütenhülleist in Kelchund Krone gegliedert, unterhalbder Blüteist oftmalsein Außenkelch vorhanden unddie Staubblatt-Fi- lamente entspringender fürdie Familiecharak- teristischenSäule,inderen Zentrum dieGrifel stehen. DieFrüchte sind entweder Kapseln oder Spaltfrüchte, beidenen sich dieKarpelle zur Fruchtreife in einzelneTeilfrüchte (Merikar- pien)trennen. Diemit etwa 21 Arten größte der in den Wüsten vorkommenden Gattungender Mal- vengewächseist Cristaria (Abb.2;Muñoz- Schick 1995). Siehat ihren Verbreitungs- schwerpunktimchilenischenTeilder Wüste. Eine weit verbreiteteArt, C. multifda,fndet sich in Peru,mehrereArten erreichen sogarHö- henvon über 4000 mund drei Arten besiedeln dieargentinischeSeite der Anden,der Großteil istaberauf diechilenischenNebeloasenbe- me Trockenheitsinddie Blätter vieler Arten mit schränkt.Neben kleineneinjährigenkrautigen einemdichten Haarkleidausgestattetoder aber Pfanzenfnden sich auchbis zu einemMeter in ihrer Oberfächestark reduziert. Besonders hohe Sträucher. Die Blüten sind weiß,violett aufällig sind diegefügelten Teilfrüchte, dieim oder hellblau gefärbt,bei einigenArten klein reifenZustand eine ArtKrone darstellen und undunscheinbar,bei anderen aber biszu3cm der Ausbreitung der Samen dienen. Diesen seit- im Durchmesser. AlsAnpassung an dieextre- wärtsnachobenstehenden Flügeln, dieeine Besonderheitinnerhalb der Malvengewächse sind,hat dieGattung auchihren Namen zu ver- danken (lat. crista =Kamm).Inähnlicher Wei- Abb. 11 (oben): Fuertesimalva,peruviana eine Art, die meistmit F. chilensis vergesellschaftetist undmit dieser se istdiesesMerkmal nurinder nahverwand- vermutlich auchHybriden bildet. ten Gattung Lecanophora zu beobachten. Abb. 12 (Mitte): Tarasa operculata,ein strauchförmiger Einzigartigist auchdie starkverbreiterte Basis Vertreter der Malvengewächseaus den Lomasde deszentralen Säulchens, durchdie dieTeil- Carabayllo im Norden Limas. früchtewie aufeinem Präsentierteller –im

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49_57_016311_Malven_winCS5.indd 53 15.07.2011 13:07:57 (Tateetal. 2005). Interessantist in diesem Zu- sammenhang,dasseine Palaua-Art (P. sande- manii)diesencharakteristischenFruchtaufbau nichtaufweist. Siewurde daherinder Vergan- genheitzuverschiedenen Gattungengestellt, bevorsie in Palaua ihreauchmolekularsyste- matischbestätigteHeimatfand. Bezüglichdes Wuchsformenspektrumsist Palaua der Gat- tung Cristaria rechtähnlich:neben einjährigen kleinwüchsigenArten gibt es solche mitverhol- zenden Sprossachsen. Aufallendsinddie star- kenUnterschiedeimBlüten- undBlütenstands- bereich innerhalbvon Palaua.Die meisten Arten habengroße violette Blüten,die einzeln in den AchselnlaubblattartigerTragblätter ste- hen(Abb. 4–8),einige Arten (P. inconspicua, P. modesta)besitzenabernur wenige Millimeter großeweiße Blüten (Abb.9), diezudem in teils mehrblütigenTeilblütenständen stehen. Diese kleinenBlüten weisen aufihreTendenz zur Selbstbefruchtunghin,dochaucheinige der großblütigenArten habensichals potenzielle Selbstbefruchter herausgestellt.Zwischeneini- gender großblütigenArten sind dieReproduk- tionsbarrieren unzulänglichausgebildet,sodass FachjargonKarpocrater genannt–dargeboten Hybriden zu beobachten sind,wie kürzlich mit werden (Abb.3). molekularen Methoden nachgewiesen werden Wesentlich eingeschränkter in ihremVer- konnte (Schneider et al.2011). breitungsgebietist die15Arten umfassende Bezüglichihrer Blüten wenigerattraktiv, Gattung Palaua (Huertas et al.2007, Huer- aber vielerortsbestandsbildend sind dieVertre- tas2010).Ihr Arealsindnahezuausschließlich ter der Gattung Fuertesimalva,die durchden dieNebeloasen, aber im Gegensatz zu Cristaria Besitz meist wickelförmigerBlütenstände auf- liegtihr SchwerpunktimperuanischenTeilder fällt. In den Nebeloasenweitverbreitetsinddie Wüste. Nurvierder Arten sind an wenigen beiden Arten Fuertesimalvachilensis (Abb.10) Standorten in Chilezufnden. Auch Palaua und F. peruviana (Abb.11).Beide sind echte weist einsehrcharakteristischesMerkmalim Allrounder,dennihr Verbreitungsgebietbe- Fruchtbereich auf, dassie vonallen anderen schränkt sich nichtnur aufdie Nebeloasen, neuweltlichen Gattungenunterscheidet.Die sondernerstreckt sich bisindie Hochlagender Teilfrüchtesindnämlich nichtregelmäßig Anden.Sovariabel ihre Verbreitung, so variabel kreisförmigineiner Ebene angeordnet,sondern auchihreMorphologie. Zumeinen spielenUm- stehen unregelmäßigübereinander.Aufgrund welteinfüsse, zumanderen vermutlichHybrid- dieses Merkmals wurde sieinfrüheren Klassif- kationen zu den europäischen Gattungen Ki- taibela und gestellt,die einzigenGat- Abb. 13: Sidajatrophoides,eineder großwüchsigsten tungen,die über einenvergleichbarenAufbau Vertreter der Malvaceeninden Nebelwüsten. der Früchteverfügen. Neuere Untersuchungen Abb. 14 (Seite 55): Diesehrseltene Gaya atiquipana bildet zeigten jedoch eindeutig, dass Palaua in einen einenbesonderen Farbtupfer vor demerdfarbenen anderen Verwandtschaftskreiszustellen ist Hintergrundder Lomas.

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49_57_016311_Malven_winCS5.indd 54 15.07.2011 13:07:58 bildungeinewesentliche Rollefür dieinvielen wie Tarasa operculata (Abb.12).Die mitüber Fällen zu beobachtenden Übergängeinder 100Arten zu den artenreichsten Gattungenin- Blatt- undBlütenmorphologiezwischenden nerhalbder Malvaceenzählende Sida istinden Arten.Mit Fuertesimalva nahverwandtist die neu- undaltweltlichen Tropen zu Hause, ver- Gattung Tarasa,die ebenfallsdurch wickelför- einzelt auchinden gemäßigten Zonenund mige Blütenstände gekennzeichnet ist. Letztere kannebenfalls einige wenige Arten in den Ne- istallerdings eineherseltenerVertreter in den beloasenvorweisen, so zumBeispieldie dort Nebeloasen. Siefndet sich vielmehr in Höhen weit verbreitete S. jatrophoides (Abb.13).Es oberhalbvon 3000 mund reichtbis in Zonen, handeltsichummehrjährige krautige oder in denen regelmäßigNachtfrösteherrschen. In- strauchförmige Arten mitweißen, gelben, pur- teressantist dieGattung vorallem hinsichtlich purnen,orange- oder rosafarbenenBlüten und ihresökologischbegründeten Dimorphismus. Teilfrüchten,die oftdurch zwei an der Spitze DieFrostzonenwurden vonmehreren unab- befndliche Zacken charakterisiert sind. Sida ist hängig voneinander entstandenen Arten besie- seit ihrer ursprünglichenBeschreibungdurch delt,jededavonaberdurch einheitlichniedri- Linné eine heterogeneGattung,weilerund genWuchs,Einjährigkeit undweiße bis seineNachfolgerdazuneigten,alleArten,die hell-lavendelfarbene Blüten,deren Kronblätter keineKapselfrüchte undkeinenAußenkelch nurbis zu 3mmlangsind, gekennzeichnet besaßen,ihr zuzuordnen (Fryxell 1997). (Tate&Simpson 2003). Im Gegensatz dazu Selbst in ihrer heutigenUmschreibung, d.h. sind dieArten der tieferen Lagenmeist strauch- nach der Ausgliederungzahlreicher Arten und förmige, mehrjährige Arten undhaben deutlich deren Überführunginandere Gattungen, han- größere, kräftiglavendel- oder magentafarbene delt es sich immer noch um eine nichtden na- Blüten,soauchdie Vertreter in den Nebeloasen türlichen Verwandtschaftsverhältnissenent-

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49_57_016311_Malven_winCS5.indd 55 15.07.2011 13:07:59 sprechende homogene Gruppe, wiemolekulare chen Umweltbedingungenvielerortsdurch den Untersuchungenzeigten (Fuertes et al.2003). Menschen in ihrem Bestandbedroht ist. Besondersprächtige Blüten lassen sich in der Gattung Gaya beobachten,deren Vertreter sich 3. Gefährdung derMalvengewächse meist durchkräftig gelbgefärbteKronenaus- in denNebeloasen zeichnen (Krapovickas 1995), wiedie nurin Trotzder extremen Trockenheitist diechile- Südperuvorkommende Gaya atiquipana (Abb. nisch-peruanischeKüstenwüste schonseitJahr- 14). DerName Gaya leitet sich nichtvon der tausenden vomMenschenbesiedelt.Insbeson- griechischen Mythologieab, sondernvon dem dere in Peru istsie seit jeherZentrum französischenBotaniker Jacques Etienne präkolumbischerHochkulturen undnicht zu- Gay(1786–1864),der vieleMalven-Arten der letztFundort der ältesten städtebaulichen Sied- Wüsten beschriebenhat.Wie in Cristaria, Pa- lung (Caral)des amerikanischen Kontinents.In laua und Sida fehltden Arten dieser Gattung neuerer Zeit sind vorallem dierasch wachsen- einAußenkelch.Aufälligsindzudem diemeist den Städte Schuld daran, dass dieNebeloasen leicht aufgeblasenenFrüchte undein zungen- zurückgedrängt werden. Gerade in der Umge- förmiger, den Samen umgebender Vorsprung bung der peruanischen HauptstadtLimasind im Fruchtinneren–das sogenannte Endoglos- sum–,der in dieser Gattungüblicherweise kammförmigist. Abb. 15:Sichinden Nebeloasenvon Quebrada Verde DiehierinKürze vorgestellten Gattungen in der Umgebung von Limaausbreitende Siedlungmit gewähren einenEinblickindie Vielfalt der landwirtschaftlich genutzten Flächen. Noch bis2004 wardieserStandortunbesiedelt undbeherbergte eine Malvengewächseinden Nebeloasen, eine Viel- großePopulation der beiden Arten Palaua malvifolia und falt,die allerdings trotzder scheinbarunwirtli- P. rhombifolia.

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49_57_016311_Malven_winCS5.indd 56 15.07.2011 13:08:00 vieleStandorte der Nebeloasenbereitsunwie- Centresofplant diversity: aguide andstrategyfor their derbringlich verlorengegangen(Abb. 15). Da- conservation.Volume3:TeAmericas. –Cambridge. Dillon, M. O. 1997b:Lomas formationsofthe Atacama hersindkleinräumigverbreitete Arten im Be- desert (northernChile), CPDsiteSA43. In:Davis,S.D., reich der größeren Städte besondersgefährdet. Heywood, V. H.,Herrera-MacBryde, O.,Villa- Dies spiegeltsichauchinder Roten Listeder Lobos,J.&Hamilton, A. (Hrsg.), Centresofplant endemischen PfanzenPerus wider (Chancoet diversity: aguide andstrategyfor theirconservation. Volume 3: Te Americas.–Cambridge. al.2006),inder etlicheArten alsbedroht oder Dillon, M. O. 2011:Flora of thelomas formations. http:// sogarstark bedrohteingestuftwurden,soz.B. emuweb.feldmuseum.org/botany/search_lomas.php. Gaya atiquipana, Palaua camanensis und P. tri- Dunai, T. J.,GonzálezLópez,G.A.&Juez-Larré,J. sepala.Bishergibtesmit den in Zentralperu 2005: Oligocene–Mioceneage of aridityinthe Atacama Desert revealed by exposuredatingoferosion-sensitive gelegenen LomasdeLachayleidernur ein landforms. –Geology 33:321–324. Schutzgebiet im Bereich der Nebeloasen. Es Fryxell, P. A. 1997:TeAmericangeneraofMalvaceae bleibtdaher zu hofen, dass in naherZukunft –II. –Brittonia 49:204–269. weitereSchutzgebiete folgen,umzumindest ei- FuertesAguilar,J.A., Fryxell, P. A. &Jansen, R. K. 2003:Phylogeneticrelationships andclassifcation of the nige der gefährdeten Arten vordem Aussterben Sida genericalliance() basedonnrDNA ITS zu bewahren. evidence.–Syst. Bot. 28:352–364. Hartley, A. J.,Chong,G., Houston, J. &Mather, A. E. Dank 2005: 150million yearsofclimatic stability: evidence from theAtacama Desert,northernChile.–J.Geol. Soc. 162: UnserDankgiltvor allemder DeutschenFor- 421–424. schungsgemeinschaftfür diefnanzielleUnter- Huertas, M. L. 2010:Systematics andevolution of Palaua stützung im Rahmen desSchwerpunktpro- (Malvaceae). –Dissertation, Goethe-Universität,Frankfurt gramms SPP1127„Radiationen–Genese am Main. Huertas, M. L.,Schneider,J.V.&Zizka,G.2007: biologischerDiversität“ sowieden peruanischen Phylogeneticanalysisof Palaua (Malveae,Malvaceae) Kollegen CésarCáceres,AsunciónCano, basedonplastid andnuclear sequences.–Syst. Bot. 32: MagdaChanco, Leoncio Mariño,Amalia 157–165. Rodríguez, José Roqueund Abundio Sagá- Krapovickas, A. 1996: Sinopsisdel género Gaya (Malvaceae).–Bonplandia 9:57–87. stegui,die unswährendzahlreicher Feldauf- Muñoz-Schick, M. 1995.Revisióndel género Cristaria enthalte hilfreich waren. DieZweitautorin (Malvaceae)enChile.–Bol.Mus.Nac.Hist. Nat. 45: danktaußerdem derFriedrich-Ebert-Stif- 45–110. tung fürein Doktorandenstipendium. Schneider,J.V., Schulte,K., FuertesAguilar,J.& Huertas, M. L. 2011:Molecularevidence forhybridiza- tion andintrogression in theneotropicalcoastal desert- endemic Palaua (Malveae,Malvaceae). –Mol.Phylogenet. Evol., 60:373-384. Tate,J.A.&Simpson,B.B.2003: Paraphyly of Tarasa (Malvaceae)and diverseorigins of thepolyploid species. Literatur –Syst. Bot. 28:723–737. Bayer, C.,Cole, T. C. H. &Hilger, H. H. 2010:System Tate,J.A., FuertesAguilar,J., Wagstaff,S.J., La derBlütenpfanzen–neueZugehörigkeiten,neueNamen. Duke,J.C., Slotta,T.A.B.&Simpson,B.B.2005: –Palmengarten 74:110–117. Phylogeneticrelationships within thetribe Malveae Chanco,M., León,B.&Sánchez,I.2006: Malvaceae (Malvaceae,subfamily ) as inferred from ITS endémicas delPerú. –Rev.Peru. Biol. 13:413s–425s. sequence data. –Amer. J. Bot. 92:584–602. Dillon, M. O. 1997a: Lomasformations(Peru), CPDsite Telewski,F.W.&Zeevaart, J. A. D. 2002:Te120-yr SA42.In: Davis, S. D.,Heywood,V.H., Herrera- period forDr. Beal’s seed viabilityexperiment. –Amer. J. MacBryde,O., Villa-Lobos,J.&Hamilton, A. (Hrsg.), Bot. 89:1285–1288.

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49_57_016311_Malven_winCS5.indd 57 15.07.2011 13:08:01 Elsbeere – Baum desJahres2011 Veit Martin Dörken

Abstract Wild servicetree(Sorbus torminalis)istreeofthe year 2011.Its biology,ecology anduse aresummarized.

Zusammenfassung DieElsbeere(Sorbus torminalis)ist Baum desJahres2011. Ihre Biologie, Ökologieund ihrNutzenwerdenvorgestellt.

1. Einleitung art, dieder breiten Öfentlichkeitheute weitge- DieElsbeere(Sorbus torminalis)wurde 2011 hend unbekannt ist, obwohl siefrüherals zum21. Baum desJahresgekürt.Diesist neben Wildobstgehölz geschätztwar.Dieswar ent- dem seltenen Speierling(Sorbus domestica, Jah- scheidender Grundfürdie Ernennungzum resbaum1993) undder fürVögel wichtigen Baum desJahres. Weitere Auswahlkriterienwa- Futterpfanze Eberesche (Sorbus aucuparia,Jah- ren ihre Seltenheit,das wertvolle harteHolz, resbaum1997) nunbereits diedritteArt ausder diespektakuläre Herbstfärbungund ihrrelativ Gattung Sorbus.WichtigeAuswahlkriterienfür späterBlütezeitpunkt(Roloff 2011). dieErnennung sind z.B. Seltenheit undBedro- hung.Esgibtaberauch ästhetische, ökologi- 2. Systematik sche undlandschaftsgestalterischeAspekte. DieElsbeeregehört zurgroßen undvielgestalti- Sorbus torminalis istzweifelsohneeineBaum- genFamilie der Rosengewächse (Rosaceae). Sie wird zusammen mitden ebenfallseinheimi- schenGattungen Amelanchier (Felsenbirne), Malus (Apfel)und Pyrus (Birne)zur Unterfami- lieder Maloideae(=Apfelartigen) gestellt.Auch dieGattung Sorbus selbst istartenreich (je nach Aufassung rund140 Arten)und vielgestaltig. In Deutschlandkommennachder Aufistung beiButtler &Hand (2008) 41 heimische Sorbus-Arten vor, vondenen 22 erst 2005 neu beschriebenwurden (Meyer et al.2005).Es gibt verschiedeneAnsichten zurGliederungder Gattung. Im einfachsten Fall gibt es nurzwei Untergattungen: Aucuparia (Ebereschenmit gefedertem Laub)und Aria (Mehlbeeren mit ungefedertem Laub). Nach dieser Einteilung gehört S. torminalis zurUntergattung Aria (Kelly &Hillier 2004). Anderesystemati- sche Gliederungensinddagegenkomplizierter. So unterteilt z.B. Mabberley (2008) dieGat- tunginvierUntergattungen, nämlich in Aria, Cormus, Torminaria und Sorbus.Meyer et al. (2005) fügendiesennocheinefünfte Untergat-

Abb. 1: Habituseiner Elsbeere.

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