70Jahre Mittelhof

1947–2017 VORWORT INGRID ALBERDING

Ingrid Alberding, Geschäftsführung seit 2006 „Alle Themen des Lebens spiegeln sich in unseren An- geboten. Der Mittelhof mit seinem breiten Spektrum und der Bürgernähe in allen Einrichtungen ist Seismograph für Geschäftsführung: Ingrid Alberding, gesellschaftliche Veränderung. Es macht Freude, damit Markus Schönbauer gestaltend umzugehen.” Vorstand: Peter von Schlieben-Troschke, WAS Prof. Dr. Sabine Schiffer, Prof. Dr. Peter Knösel, TREIBT Gerd Schmitt

Prof. Dr. Sabine Schiffer, UNS AN? Vorstand und Mitglied seit 2017 „Ich engagiere mich im Mittelhof, weil Liebe Freundinnen, liebe Förderer, liebe Nachbarn, mir die Selbstverständlichkeit des Miteinanders aller so gut gefällt und liebe Kooperationspartner alte wie neue Herausforderungen stets konstruktiv angepackt werden. Mir persönlich liegt der Bildungs- er 70ste Geburtstag ist für viele Menschen ein Grund, Vergessenheit gerät, was auch heute noch Erstaunen und bereich besonders am Herzen. D wehmütig und stolz zurückzuschauen und sich der Bewunderung auslöst: Da waren Menschen mit unvorstell- Wenn ich dazu meinen kleinen guten und herausfordernden Erlebnisse und Ereignisse barem Mut. Sie leisteten auf ihre Weise Widerstand schon Beitrag leisten kann, bitte gerne!” des bisherigen Weges zu erinnern. Wenn eine Organisation während des Hitler-Regimes, sie überlegten bereits zu der 3 aber dieses Alter erreicht, gibt es diejenigen, die sie aus der Zeit Konzepte und ebneten den Weg für die Etablierung der Taufe hoben, in der Regel nicht mehr. Eine Erinnerung an Nachbarschaftsheime in Berlin und später auch im Bundes- Markus Schönbauer, ihre Geschichte ist dann davon abhängig, was die Wegbe- gebiet. Geschäftsführung seit 2018 Prof. Dr. Peter Knösel, reiter festgehalten und in die Folgejahre hinübergetragen Wir sind auf einige dieser Biografien erst vor Kurzem ge- „Ich engagiere mich im Mittelhof, weil Vorstand seit 2003, haben. stoßen und möchten ihnen in diesem Rückblick den gebüh- er es geschafft hat, die Werte, die er Mitglied seit 2002 renden Raum geben. Und mancher Text wird hier erstmalig aufgrund seiner Geschichte mitbringt, „Mein Sohn ging im Mittelhof in Der Mittelhof wurde in der schwierigen Nachkriegszeit veröffentlicht. bis ins Heute zu erhalten. Weil er den Kindergarten. Mir fiel die hohe 1947 gegründet, um sich großen Themen zu widmen: einen starken Bezug zu seinem Bezirk Fachlichkeit, Freundlichkeit, gute Menschen in akuter Notlage Hilfen für ihr körperliches und Wir werden aber nicht in der Geschichte verharren, sondern hat und dort in seiner Vielfalt „ein Elternarbeit, Transparenz, das geistiges Wohlergehen anzubieten. Kinder hatten Hunger in kleinen Sprüngen zeigen, was die Zeit mit dem Mittelhof Ort“ für alle Bürger*innen in (fast) Zusammenspiel des Teams und die und bekamen zu essen, Erwachsene erholten sich im Gar- und der Mittelhof mit der Zeit angestellt hat. allen Lebenslagen ist.” lokale Einbindung auf. Alles gilt für ten oder konnten endlich die vorher verbotenen Bücher in Unsere Häuser und Projekte, unsere Kitas und Schulkoope- den gesamten Betrieb Mittelhof. der Bibliothek lesen. Darum kamen die Menschen, denn sie rationen sind ein Heilmittel gegen die Sofa-Perspektive, sie Jetzt gebe ich etwas zurück.” entbehrten schon lange zu Vieles. Um sich von den Fesseln sind Medizin gegen die erlernte Hilflosigkeit und den Satz des Nazidenkens und der Angst vor einer eigenen Meinung „man kann sowieso nichts machen!“. zu befreien, bedurfte es einer guten Balance zwischen An- geboten und dem Ansatz der Hilfe zur Selbsthilfe. Nur so Die Organisation steht auch heute noch für Beteiligung und Peter v. Schlieben-Troschke, waren die verletzten Seelen aufzuschließen für das neue demokratische Wertevermittlung. Vorstand seit 1989, Abenteuer, das den Namen Demokratie trug. Gerd Schmitt, Mitglied seit 1986 Wie wurde die Idee umgesetzt, Erziehung zur Demokratie Denn was braucht der Mensch für ein Vorstand seit 2016, Mitglied seit 1977 "Es macht einfach Sinn und Freude einzubinden in neue Formen, Menschen zu erreichen, sie gutes Leben? Wirksamkeit, also das „Mitzuwirken an selbstgewählten Aufgaben einer offenen mit vielen Menschen im zivilgesell- wieder in Ihrer Individualtität zu sehen und sie zum Teil Gemeinschaft, die nicht ausgrenzt und bevormundet, schaftlichen Sinne zusammenge- einer wachsenden, sich neu erfindenden Gemeinschaft Gefühl und die Erfahrung, etwas bewir- sondern in ihrer sozialen Arbeit auf Menschen zugeht, kommen, um handlungsfähiger zu werden zu lassen? ken zu können. Im Mittelhof e. V. geht Nöte und Ideen aufgreift, Engagement fördert und werden, unsere Lebensräume zu das seit 70 Jahren. demokratische Werte lebt und erneuert.” gestalten und die aktuellen Themen Bei der Frage, wie wir das Jubiläum begehen wollen, gab in der Nachbarschaft und darüber es zu einem Punkt eine schnelle Einigung. Die Geschich- Überzeugen Sie sich selbst... hinaus anzugehen.” te des Trägers sollte festgehalten werden, damit nicht in Vorstand und Geschäftsführung des Mittelhof e. V. 70 JAHRE MITTELHOF E. V. 70 JAHRE MITTELHOF E. V.

51 ÜBER DIE HALTBARKEITS- DAUER DER GRÜNDUNGS- WO IDEE INHALT FESTAKT VORWORT STEHEN 52 Festakt Kein »same procedure as every year« 7 LICHT AM ENDE DES WIR? 53 Alexander Fischer Grußwort TUNNELS - DAS QUÄKER- 54 Cerstin Richter-Kotowski NACHBARSCHAFTSHEIM ab Seite 50 Grußwort 55 Dr. Gabriele Schlimper WOHER WEGBEREITER*INNEN Grußwort 56 Dr. Marianne Zepp Fachvortrag KOMMEN 8 Quäker 10 Hertha Kraus KOSMOS MITTELHOF 12 Elisabeth Abegg WIR? 14 Isa Gruner 60 Fachtag Kosmos Mittelhof 16 Franz Hoffmann 61 Podiumsgespräch mit Anne ab Seite 6 18 Wladimir Lindenberg Jeglinski, Barbara Dieckmann, 20 Harald Poelchau Dietmar Flemer, Günther 22 Katharina Provinski Schulze, Barbara Rehbehn 24 Alice Shaffer 64 Prof. Dr. Rita Süssmuth Vortrag 26 Ellen Simon 66 Prof. Dr. Iris Nentwig- Gesemann Vortrag 28 CHRONOLOGIE 5 MENSCHEN IM MITTELHOF 2017 HISTORIE IN BILDERN

70 Esam Alamer 32 Präambel 72 Manfred Bieschke-Behm 34 Das Gefühl von Geborgenheit 74 Heidemarie Aschenbach, Ein Ort für Kinder Christine und Mira Casser 36 Jubel, Trubel, Heiserkeit! 76 Bärbel Partsch Frei-Räume für Jugendliche 37 Jeder nach seinen Kräften Mitmachen & engagieren, Mittelhof mitgestalten 79 MIT KONSTANTEN IN DIE 38 Zuversicht teilen ZUKUNFT Selbsthilfe im Mittelhof 39 Wir sind Mittelhof 80 Wir sind doch die Guten... Feste feiern, wie sie fallen Die Organisationsentwicklung 40 Demokratie kommt nicht aus aus der Sicht von drei der Steckdose Verantwortung Geschäftsführer*innen übernehmen - mitgestalten 42 Den Blick weiten 90 WAS TREIBT UNS AN? Begegnen im Mittelhof WO ANHANG MENSCHEN IM MITTELHOF GEHT ES 1947-1955 92 AFSC Memorandum

46 Jutta Petenati HIN? 102 Glossar 47 Marjorie Clay 103 Bildverzeichnis 48 Helga Martin ab Seite 78 104 Literaturverzeichnis 49 Heinrich Stedtler Rückseite Impressum 1946 Kinder vor der Muthesiusvilla, Gründungsort

»Mittelhof is a center in the literal sense of the word, a center where people from the community bring their feelings and thoughts and where together with others the process of mutual self help has an opportunity to develop. The friendship, understanding and freshness of perspective which emanate from such contacts again find outlets to the larger community.«¹

Licht am Ende des Tunnels - Das Quäkernachbarschaftsheim

n einem zerstörten und vom Krieg erschütterten Land Stammhaus in der Königstraße, Jahre zuvor von den ameri- I mitten in einer Zeit bitterster materieller und geistig- kanischen Quäkern käuflich für den Verein erworben, blieb seelischer Not brachten sie Hoffnung zurück auf ein Leben ihm dauerhaft erhalten. in der wiedergewonnenen Freiheit, in dem das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Weltan- Wer waren die Akteure, die Frauen und Männer der ersten schauung und ethnischer Zugehörigkeit Wirklichkeit wird: Stunde, die sich aufmachten, dem Nachbarschaftsheim die Quäker. Geist und Gestalt zu geben?

In Berlin war der Mittelhof das erste der neuen Nachbar- Wir haben die Spuren der Wegbereiter verfolgt und sind 7 schaftsheime, deren Errichtung nach dem Zweiten Welt- auf eindrucksvolle Persönlichkeiten gestoßen, die ihre auf- krieg maßgeblich auf das Engagement und die sozialpoliti- rechte Haltung während der NS-Zeit, ihre praktische Hilfe schen Ideen von Hertha Kraus zurückgehen. Hertha Kraus für Menschen in Not und ihre hohe Empathie verbindet. war Quäkerin und Sozialwissenschaftlerin, die 1933 als Kölner Stadtdirektorin amtsenthoben wurde und in die Die Kerngruppe aus Mitgliedern der Jahresversammlung USA emigrierte. der Berliner Quäker konnte in kurzer Zeit Mitstreiter für das große Vorhaben gewinnen. Mit ihnen hatte es bereits Der Mittelhof wurde am 10. September 1947 von amerika- eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auch in Notzeiten nischen, englischen und deutschen Quäkern in einer Villa in gegeben. Nikolassee gegründet. Ihre um einen Mittelhof gruppierte Bauweise gab ihm den Namen. Als das Nachbarschaftsheim Die Traditionslinien reichen zurück in die Zeiten der Sozialen WOHER 1951 in die Königstraße in Zehlendorf-Mitte umzog, wurde Arbeitsgemeinschaft Berlin (Ost)A, den Quäkerspeisungen der Name beibehalten. nach dem Ersten Weltkrieg, dem Aufbruch der Sozialen Ar- Leitlinien der Arbeit wie Linderung der Not, Hilfe zur beit in der Weimarer Republik und der Bekennenden Kir- Selbsthilfe, Freiwilligenarbeit und demokratische Teilhabe che. Der Mittelhof war für sie eine Herzensangelegenheit, KOMMEN entsprangen einer lange geübten Praxis der Quäker. Die ein zweiter Frühling mitten in der bedrückenden Stimmung Verbindung von Nachbarschaftsheim, Conference-Center dieser Jahre, in der endlich in einer freien Gemeinschaft und Erholungsheim unter einem Dach machten den Mittel- praktische Sozialarbeit und geistige Erneuerung gelebt hof binnen weniger Jahre zu einer Oase der Hoffnung für werden konnten. WIR? Menschen aus ganz Berlin. Zeitzeugen dieser Jahre spiegeln die Frische des geistigen Internationale Arbeit und Verständigung zwischen Ost und und demokratischen Aufbruchs wieder und auch die Wär- West bildeten bis in die 60er Jahre einen weiteren zentralen me und den Respekt, der Besuchern und Helfern entgegen- Arbeitsschwerpunkt des Mittelhof. gebracht wurde. Nicht zuletzt der in diesem Abschnitt do- kumentierte Besuch der „First Lady“ der amerikanischen Ab Mitte der 50er Jahre zogen sich die Quäker allmählich Militäradministration belegt, welche Anerkennung der aus der Leitung, den Gremien und der Mitarbeiterschaft Mittelhof auch aus deren Sicht für den Aufbau einer neuen des „Nachbarschaftsheim Mittelhof e. V.“ zurück. Das demokratischen Kultur genoss. WEGBEREITER*INNEN WEGBEREITER*INNEN

moralische Hilfe. Vor allem die ame- dauerhaft verankert wird. Auch finan- Im Verlauf der 60er Jahre versiegte rikanischen Quäker legten großen ziell halfen die kontinuierlichen Spen- die Finanzquelle: Jetzt musste der Quäker Wert darauf, die Selbsthilfekräfte der den des AFSC dem Mittelhof über die Mittelhof seine Arbeit mit Hilfe des Menschen vor Ort zu fördern – sei es schwierigen Anfangsjahre. Mit dem Verbandes der Nachbarschaftsheime durch Werkstätten, Begegnungszen- Kauf der Villa und dem Gelände an der und des Berliner Senats auf eigene tren, Erholungsheime oder Trainings- Zehlendorfer Königstraße machten Füße stellen. Wenn auch die Bindun- stätten für Leitungskräfte in einer die Quäker 1951 dem Mittelhof ein gen des Mittelhof an die Quäker im Stille Helfer in Friedensgesellschaft. Ausgehend von bleibendes Geschenk. Laufe der Jahrzehnte immer lockerer dem MemorandumG (S. 92 ff), das wurden, sind die Werte und Haltun- Hertha Kraus 1943 der Konferenz „We look forward to the day when the gen der einstigen Gründer weiter des AFSC vortrug, wurden 1947 die German people will be able to carry on lebendig: dokumentiert im Leitbild8, schweren Zeiten ersten 3 Nachbarschaftsheime in der these centers without the aid of Ameri- gelebt in der täglichen sozialpädago- amerikanischen Besatzungszone un- can personal and supplies. That day has gischen Arbeit. ter Regie der Quäker aufgebaut. not yet come, and we feel keenly our responsibility for continuing our support. Das Quäkerheim 17. Juni 1952”7 Der Mittelhof nahm von Anfang an Quäkerstern Gunnar Jahn, Vorsitzender des Nobel-Komitees, Oslo, 10. Dezember 1947: hier eine Sonderstellung ein. Er soll- Logo des AFSC - te über die Nachbarschafts- und Er- American Friends Service Committee »Die Quäker haben uns gezeigt, daß es möglich ist, etwas in die Tat umzusetzen, das holungsarbeit hinaus „ein Zentrum tief im Geist von vielen verwurzelt ist: Sympathie mit anderen; der Wunsch, anderen für Konferenzen und die gesamte zu helfen; jenen bemerkenswerten Ausdruck von Sympathie zwischen den Men- Quäkerarbeit" sein – eine „Zentrale schen ohne Rücksicht auf Nationalität oder Rasse; Gefühle, die, wenn sie in die Tat (…), von der aus eine geistige Beein- umgesetzt werden, das Fundament des dauerhaften Friedens liefern. Aus diesem flussung im weitesten Sinne ausge- hen kann6 – das „Quäkerheim“ . Im 9 Grunde haben sie es heute verdient, den Friedensnobelpreis zu erhalten. Aber sie Vorbereitungskomitee für den Mit- haben uns noch etwas anderes gegeben: Sie haben jene Stärke gezeigt, die auf dem telhof waren bis auf eine Ausnahme Glauben basiert, daß der Geist die Gewalt besiegt.«2 ausschließlich Quäker vertreten. Die tatsächliche Steuerung und Entschei- dungen trafen aber weniger die offizi- umanitäre Hilfe für die Den hiesigen Quäkern „traten über- Das Internationale Quäkerzentrum ellen Vereinsgremien (Mitgliederver- H Besiegten durchschnittlich viele Personen bei, in Berlin war für über 1000 Verfolgte sammlung und Vorstand) als vielmehr Mit der legendären „Quäkerspeisung“ die im Bereich der Pädagogik oder der die letzte Rettung und verhalf ihnen der Arbeitsausschuss, in dem neben für bis zu eine Million Kinder in den Sozialarbeit tätig waren.“4 zur Ausreise. den Quäkern Persönlichkeiten, die frühen 20er Jahren hatten sich die Im Auftrag der amerikanischen Quäker der Versöhnungs- und Nachbar- amerikanischen und englischen Quä- Hoffnungsstrahl in dunkler Nacht wurde unter schwierigsten Bedin- schaftsarbeit nahestanden, und Mit- ker bei der deutschen Bevölkerung Mit der Machtergreifung der Natio- gungen die Hilfsarbeit von den Berli- arbeiter vertreten waren. Anstelle hohes Ansehen erworben. „In einer nalsozialisten musste ein Teil der Quä- ner Quäkern Olga Halle und Martha der üblichen Abstimmung nach Mehr- Zeit, in der die von der Propaganda auf- kerfreunde, vor allem die jüdischer Röhn bis zum April 1945 fortgesetzt. heiten erfolgte mittels einer Ausspra- gepeitschte öffentliche Stimmung ein Abstammung, emigrieren (Hertha che, die alle Meinungen umfassend zu Klima irrationalen Hasses aufrecht- Kraus, Elisabeth Rotten u.v.a.) und fan- Körper und Seele der Deutschen zu Gehör brachte, eine Konsensbildung, erhielt, zeugte die Arbeit der Quäker den mit Hilfe des Quäkernetzwerkes stärken die dann von allen getragen werden von Vergebung und Mitgefühl.“3 Sie in den Aufnahmeländern eine neue Amerikanische und britische Quäker- konnte. Diese Form praktizierter De- beeindruckten durch ihre charakter- Heimat. In Berlin konnten die briti- hilfsorganisationen („AFSC“ American mokratie blieb auch lange nach der liche Haltung, Menschenfreundlich- schen und amerikanischen Quäker bis Friends Service Committee und „FRS“ „Quäkerzeit“ im Mittelhof erhalten. keit und humanitäre Hilfe und übten Kriegseintritt ihre Hilfsmaßnahmen Friends Relief Service) hatten bereits Bis 1957 übernahmen amerikanische so zunehmend auf liberale und re- für die Verfolgten des Naziregimes seit 1943 Pläne und Konzepte ent- und englische Quäker die Leitung des formorientierte deutsche Frauen und fortsetzen. So konnten von Dezem- worfen, wie eine Unterstützung der Mittelhof – Persönlichkeiten mit gro- Männer, die von den großen ber 1938 bis Ende August 1939 fast notleidenden Bevölkerung Deutsch- ßer Ausstrahlung und internationaler eher enttäuscht waren, großen Ein- zehntausend jüdische Kinder – ohne lands nach Kriegsende geleistet wer- Erfahrung von Alice Shaffer bis Betty fluss aus. ihre Eltern – aus Deutschland nach den könnte – materielle Hilfen wie Collins. Sie sollten sicherstellen, dass 1925 kam es in Eisenach zur Gründung England gebracht und damit vor dem die Verteilung von Lebensmitteln und der neue Geist der Toleranz, Freund- der Deutschen Jahresversammlung. Schlimmsten bewahrt werden.“5 Kleidung, aber auch seelische und schaft und Völkerverständigung WEGBEREITERIN WEGBEREITERIN

roßmutter der Nachbarschaftsheime wurde sie 1936 zur Professorin für Social Work and Social G Die Sozialwissenschaftlerin und Quäkerin Hertha Research am renommierten Quäker-College Bryn Mawr in Kraus gilt als eine der bedeutenden Pionierinnen des mo- Philadelphia berufen. Zur Lehre gehörte nach dem Ver- dernen Sozialwesens und der wissenschaftlich begründeten ständnis von Hertha Kraus stets die soziale Praxis und Sozialarbeit. Die Entstehung von Nachbarschaftsheimen in „Experimentation“. den westlichen Besatzungszonen Nachkriegsdeutschlands geht auf ihre Initiative und konzeptionelle Vorarbeit inner- Die zusätzliche ehrenamtliche Arbeit an mehreren Hoch- halb der Hilfsorganisation der amerikanischen Quäker schulen und in der Flüchtlingshilfe des AFSC nahm einen (AFSC) zurück (siehe MemorandumG S. 92 ff). immer breiteren Raum ein. Hertha Kraus, seit 1939 ame- 1946 gelang es ihr, den zunächst skeptischen amerikani- rikanische Staatsangehörige, wurde zum Knotenpunkt des schen Militärgouverneur General Lucius D. Clay für die weltweiten Hilfswerks der Quäkergemeinschaft. Einrichtung von Nachbarschaftsheimen als wichtigen Baustein für das demokratische Gemeinschaftsleben in Ein Hilferuf aus der alten Heimat Deutschland zu gewinnen.9 Kurz vor dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus Der Mittelhof in seiner herausgehobenen Funktion als schrieb Konrad Adenauer: „Ich habe eine große Bitte an Nachbarschaftsheim und Conference Center lag ihr be- Sie. Kommen Sie doch wenigstens für einige Zeit, so bald als sonders am Herzen. 1948 und 1950 machte sie sich vor eben möglich, herüber! […] Ich glaube, Sie könnten sowohl Ort ein Bild vom Stand der Arbeit und stellte sich selbst als der Stadt Köln wie Deutschland und unseren gemeinsamen „Großmutter der Nachbarschaftsheime“ vor.10 Idealen sehr wertvolle Dienste leisten.“11 In den Nachkriegsjahren kam sie dann mehrmals nach Zwischen den Welten Deutschland. Zwei Anliegen standen dabei im Vordergrund: Hertha Kraus, geboren 1897 in Prag, wuchs in einem aufge- Den Aufbau der Nachbarschaftsheime und die Ausbildung klärten jüdischen Elternhaus auf. Die Familie übersiedelte der Sozialarbeiter*innen mit Hilfe von Fort- und Weiterbil- nach Frankfurt am Main, wo ihr Vater Alois Kraus bis 1933 dungen, Austauschprogrammen und Konferenzen wieder als Hochschullehrer tätig war. Hier studierte sie Wirt- an das Niveau der westlichen Demokratien heranzuführen. 11 schafts- und Sozialwissenschaften und promovierte „Über Hierzu leistete auch ihre Veröffentlichung „Casework in Aufgaben und Wege einer Jugendfürsorgestatistik“. USA – Theorie und Praxis der Einzelhilfe“ einen wichtigen Zwei Begegnungen prägten nachhaltig ihren beruflichen Beitrag.B „Casework bejaht den Menschen - wie er eben ist, und weltanschaulichen Lebensweg: die praktische Sozial- mit all seinen Grenzen, so wie wir von ihm erwarten, daß er arbeit im Rahmen der Kinderspeisungen amerikanischer lernt, ohne Vorurteil und Rückhalt andere Menschen ganz und englischer Quäker und ihre wissenschaftliche Tätigkeit zu bejahen.“12 in der Sozialen Arbeitsgemeinschaft Berlin-Ost (SAG)A, die 1963 kam Hertha Kraus als Delegierte der Ost-West Ver- von Pfarrer Friedrich Siegmund-Schultze in Anlehnung an mittlungsmission des AFSC wieder in den Mittelhof. Ge- die angelsächsischen Settlements E gegründet wurde. meinsam mit den Westberliner Quäkerfreunden bereitete man sich auf die bevorstehenden Gespräche mit den Regie- Ihre hohe sozialwissenschaftliche Kompetenz und das En- rungsvertretern der beiden deutschen Staaten vor. Es soll- gagement, neue Wege in der Entwicklung der Sozialfürsor- te die letzte Begegnung mit „ihrem Mittelhof“ sein. ge zu beschreiten, veranlassten 1923 Konrad Adenauer, Hertha Kraus starb am 16. Mai 1968 in ihrer liebgewonne- den damaligen zentrumszugehörigen Oberbürgermeister nen neuen Quäkergemeinde Haverford/Pennsylvania. von Köln, das gerade 26-jährige SPD-Mitglied und Vor- kämpferin der Arbeiterwohlfahrt zur Stadtdirektorin und Leiterin des Wohlfahrtsamtes zu berufen. Auf ihre Initia- tive und Unterstützung geht die Errichtung von Nachbar- schaftshäusern, Frauenwerkstätten und Erholungskuren für Mütter in Köln zurück. Daneben unterrichtete sie an der dortigen Wohlfahrtsschule und war unter anderem Hertha noch Mitglied des Hauptausschusses des Deutschen Ver- eins für öffentliche und private Wohlfahrtspflege.

1933 wurde sie von den Nationalsozialisten wegen ihrer jüdischen Abstammung und Mitgliedschaft in der SPD aus Kraus dem Dienst entlassen und emigrierte in die USA. Inzwi- Brückenbauerin zwischen den Welten schen Mitglied der National Association of Social Work, WEGBEREITERIN WEGBEREITERIN

»Tue recht und scheue niemand.«13

ut und Menschenliebe Unbeugsame Demokratin M Als am 10. September 1947 das Nachbarschafts- Als Lehrerin und später auch als Studienrätin an einem Ly- heim Mittelhof feierlich eröffnet wurde, richtete Dr. zeum leitete Elisabeth Abegg ihre Schülerinnen und Schü- Elisabeth Abegg als Vertreterin der Berliner Quäker ihr ler zu demokratischem Denken und zum differenzierten Grußwort an die Gäste. Sie gehörte sowohl dem Vorberei- Verständnis für geschichtliche und aktuelle Probleme14 an. tungskomitee als auch der Gründungsversammlung für den In der SAG betreute sie ein Nachbarschaftsprojekt für be- Verein “Nachbarschaftsheim e. V.” an und hat als Vorstands- nachteiligte Jugendliche. mitglied den Aufbau des Mittelhof unterstützt. Durch ihre Spätestens ab 1933 eckte sie mit dieser versöhnlichen und Mitarbeit in den 20er Jahren in der später von den Nazis liberalen Auffassung immer stärker an und wurde 1941 verbotenen SAGA waren ihr sowohl die Grundideen wie zwangsweise in den einstweiligen Ruhestand versetzt, da auch die Praxis der Nachbarschaftsheime bereits vertraut. sie den Eid auf den Führer verweigerte.15 Etwa zu dieser Zeit trat sie offiziell den Berliner Quäkern bei, mit denen sie sich bereits seit vielen Jahren eng verbunden fühlte.

Konkrete Hilfe von Mensch zu Mensch Elisabeth Abegg hatte einen großen Freundeskreis (u.a. Elly Heuss-Knapp und Albert Schweitzer) und gehörte ab 1933 zu einem Netzwerk von Helfern, das Verfolgte des Elisabeth NS-Regimes auf vielfältige Art und Weise unterstützte: Sie gewährte und suchte Unterkünfte, half durch den Verkauf von Wertgegenständen, organisierte Nahrung, Dokumen- te und Kleidung für die Untergetauchten und lud zu einem 13 Abegg freitäglichen Essen in ihre Wohnung, wo sie auch jüdische Kinder unterrichtete.16 Obwohl die Hilfesuchenden direkt zu ihrer Wohnung in Tempelhof kamen und einige ihrer Nachbarn aktive Nazis waren, konnten Elisabeth Abegg und ihre Schwester etwa Wissensdurstig und voller Tatendrang 80 Menschen retten, ohne dass die Hilfeleistungen ent- Geboren wurde Elisabeth Abegg am 3. März 1882 in deckt oder verraten wurden. Straßburg. Frauen ist es damals noch nicht möglich, ein Gymnasium zu besuchen, um die Hochschulreife zu errei- »[…] die ihr ganzes Leben tun, was sie können.«17 chen. Lediglich als extern Beschulte konnte sie das Abitur Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Elisabeth Abegg ihre ablegen; mit 27 Jahren schrieb sie sich als eine der ers- Tätigkeit als Lehrerin wieder auf, denn sie hatte „aus Idea- ten weiblichen Studenten für die Fächer Romanistik, La- lismus und aus Freude an der pädagogischen Arbeit mit tein und Geschichte ein; letzteres mit Promotion (1916). jungen Menschen den Lehrerberuf erwählt.“18 Sie trat der Gleichwohl war sie nicht nur eine Frau des geistigen Bür- SPD bei und blieb aktives Mitglied der Berliner Quäker, u.a. gertums, sondern auch eine Frau der Tat: Sie ließ sich 1918 bei der Verteilung von ausländischen Spenden an bedürf- zu einer Baufirma für Schanzarbeiten an die Westfront tige Deutsche; den Mittelhof verstand sie als Ort auch zur vermitteln und leistete harte körperliche Arbeit Seite an Einübung demokratischen Verhaltens. Seite mit Menschen anderer gesellschaftlicher Schichten. Die „geborene Quäkerin“19 war eine stille Helferin; überle- Vorbehalte und Fremdheitsgefühle aufgrund sozialer oder bende Schützlinge beschreiben sie als mitfühlend, liebevoll, religiöser Gründe lernte sie zu überwinden und ihre bereits mutig und humorvoll.20 Als Widerstandskämpferin gegen im Elternhaus geprägte demokratische Gesinnung zu fes- den Nationalsozialismus wurde sie 1957 mit dem Bundes- tigen. Ihre Toleranz und ihr soziales Engagement prägten verdienstkreuz und 1967 von Yad Vashem, der Jerusalemer ihr gesamtes weiteres Leben; unter anderem engagierte Gedenkstätte der Märtyrer und Helden des Staates Israel sie sich ehrenamtlich im „Allgemeinen deutschen Frauen- im Holocaust, als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. verein“ und in der SAG: Ihr deutliches Bekenntnis zu sozia- ler Gerechtigkeit und zur Verantwortung aller Menschen Elisabeth Abegg starb in Berlin am 8. August 1974. füreinander. WEGBEREITERIN WEGBEREITERIN

nerschrockene Pädagogin Fröbel-Haus zugewiesen. Lediglich das Landjugendheim U Als ausgezeichnet ausgebildete und erfahrene Pä- Finkenkrug blieb vom Zugriff verschont.22 dagogin konnte Isa Gruner von den Berliner Quäkern für den ersten Arbeitsausschuss sowie den „Ausschuss für »[…] denn wir waren Deine Kinder!«23 Sozial- und Kinderarbeit“ im Mittelhof gewonnen werden. Hier übernahm Isa Gruner ab 1934 die Leitung und kon- Mit Hilfe der Quäker hatte sie während des Naziregimes zentrierte sich darauf, jeweils den Kindern zu helfen, die als unerschrockene Leiterin des Kinderheims Finken- in größter Not waren; so u.a. 15 jüdischen Kindern, deren krug viele gefährdete Kinder beschützt und ihre Ausreise, Eltern im KZ ermordet wurden. Sie begleitete mehrfach meist nach England, ermöglicht. Ihr besonderes Augen- Kinder auf der Ausreise nach England. In diesen Jahren merk in den Gründungstagen des Mittelhof lag im Aufbau entstanden kleine Veröffentlichungen, die als praktische einer deutsch- und englischsprachigen Bibliothek, zu der Anleitungen für Mütter gedacht waren. sie den umfangreichen Bestand an pädagogischer Fachli- Nach Kriegsende zogen im Finkenkrug etwa 50 heimatlose teratur und Zeitschriften ihrer 1943 verstorbenen engen Flüchtlingskinder ein, die zutiefst traumatisiert waren. Der Freundin und Mentorin Anna von GierkeC einbrachte. Bis Band „Courage in both hands“24 berichtet von ihrem muti- in die 60er Jahre blieb sie im Vorstand und Arbeitsaus- gen Umgang mit der russischen Armee: Mit den Heimkin- schuss des Mittelhof aktiv. Ab 1956 ermöglichte sie als dern lernte sie russisches Liedgut für die Offiziere und bot Kuratoriumsvorsitzende den Soldaten Unterkunft, der Agnes-Blum-Stiftung Putz-, Wasch- und Koch- in Kooperation mit dem Be- dienste an – damit hatte zirksamt Zehlendorf einen sie das Heim mehrmals aus alkoholfreien Mittagstisch schwierigen Situationen für Bedürftige im Mittelhof, gerettet. der später auch als fahr- Isa Flucht in den Westen barer Mittagstisch bis ca. 1970 betrieben wurde. Isa Gruner floh schließlich 15 1950 mit 15 Dauerheim- Mit Kopf, Herz und kindern nach Zehlendorf. Verstand Gruner Das Landjugendheim lag Isa Gruner, geboren am jetzt in der DDR, die weder 14. November 1897 in ihre politische noch christ- Wilhelmshaven und auf- liche Einstellung duldete, gewachsen in Hannover, besuchte nach dem Umzug der sie enteignete und das Heim auflöste. In der Villa Schweit- Familie in Berlin ein Mädchengymnasium. Am Pestalozzi- zerstraße 24 betrieb sie ihr Kinderheim weiter mit Hilfe Fröbel-Haus wurde sie zur Kindergärtnerin ausgebildet, von Spenden u.a. von amerikanischen Freunden und Elly arbeitete anschließend in verschiedenen Einrichtungen Heuss-Knapp, der Ehefrau des ersten Bundespräsidenten und erhielt gleichzeitig ihren ersten Lehrauftrag in einer der BRD, die sie bei Treffen des Mittwochs-Kreises wäh- Ausbildungsschule für Kinderpflege. Ab 1918 wird sie Aus- rend der Nazi-Zeit kennengelernt hatte.25 bilderin im Charlottenburger Jugendheim, arbeitet danach als Schulfürsorgerin, Bezirksfürsorgerin und schließlich als Wiedersehen mit alten Freunden leitende Fürsorgerin der Stadt Guben, wo sie das Konzept Auf Einladung des ASFC reiste Isa Gruner 1948 für drei einer einheitlichen Familienfürsorge entwickelte.21 Erneut Monate in die USA, um an einer internationalen Konferenz in Berlin tätig ließ sie sich zusätzlich zur Wohlfahrtspflege- für Sozialarbeit teilzunehmen und die CaseworkB die indi- rin ausbilden. viduelle Fürsorgearbeit, dort kennen zu lernen; hier traf sie emigrierte Weggefährtinnen wie Alice Salomon und Her- Jähes Karriereende tha Kraus.26 Leitende Mitarbeit und lehrende Tätigkeiten im Verein Jugendheim Charlottenburg, das die von ihr geschätzte Vielseitig engagiert Anna von Gierke führte, nahmen 1934 ein jähes Ende für Ab 1961 bis zu ihrem Ruhestand arbeitete Isa Gruner für Isa Gruner. Sie hatte sich offen zu ihrer im Vorjahr aus die Albert-Schweitzer-Kinderdörfer in Berlin, war Mitglied rassischen Gründen abgesetzten Leiterin und gegen die in diversen Stiftungsräten und in der Frauenförderung.27 nationalsozialistische Führung bekannt. Das Jugendheim Sie erhielt 1973 die Verdienstmedaille der Bundesrepu- wurde schließlich aufgelöst und verbliebene Einrichtungen blik Deutschland. Isa Gruner starb 1989 und wurde auf 28 wie Horte und Kindertagestätten wurden dem Pestalozzi- dem Wilmersdorfer Friedhof beigesetzt. »Mütter, lasst Eure Kinder spielen!« WEGBEREITER WEGBEREITER

aumeister und erklärt wurden.29 Dank seiner prakti- Buch, in dem er beschreibt, bei Familie B Menschenfreund schen und analytischen Fähigkeiten Hoffmann im Eichkamp regelmäßiger Franz Hoffmann, renommierter Ber- und seiner freundlichen, warmherzi- Wochenendgast gewesen zu sein. Lot- liner Architekt und Quäker, gehörte gen Art war Franz Hoffmann der Ak- te Hoffmann half im AFSC Büro bei bereits 1946 dem Vorbereitungsko- quisiteur des Büros.30 der Beschaffung sogenannter Affida- mitee des Mittelhof an. Später ist er vits (Unbedenklichkeitsbescheinigun- Mitglied im Arbeitsausschuss sowie Soziales Denken und Handeln gen) für Flüchtende. Franz Hoffmanns in diversen Unterausschüssen. Seine 1912 trat Franz Hoffmann der SPD Hilfe bestand u.a. in der Sammlung Tochter Sigrid („Isi“) Steher-Hoffmann bei; diese Partei kam seinem Wunsch und dem Transport von Büchern für engagierte sich im Mittelhof als erste nach einer besseren Gesellschaft Kriegsgefangene, die durch den ASFC Leiterin des Conference Center; seine nahe, den er durch kostengünstiges betreut wurden. Diese Tätigkeit übte Ehefrau Charlotte war schon vor ihrer Bauen von Arbeiterwohnungen un- er mit offizieller schriftlicher Geneh- Heirat Quäkerin und gehörte später terstützte, wenngleich dies auch mit migung der SS aus. zum engeren Helferkreis des Berliner geringerem Verdienst einherging. „[…] Hilfsbüros (ASFC). Durch sie kam Dieser soziale Wohnungsbau heißt Kriegsende und neues Leiden Franz Hoffmann in Kontakt mit der für die wirtschaftlich schwache Bevöl- Nach Kriegsende hatte die Rote Ar- Religionsgemeinschaft der Freunde kerung unter Verzicht auf Gewinn bei mee einen Kontrollposten im Eich- und trat diesen bereits 1924 bei. strenger Mietkalkulation, auf Grund- kamp eingerichtet, der Franz Hoff- Für den Mit- mann mit seinem telhof am heu- mitgeführten offi- tigen Standort ziellen SS-Geneh- Königstraße migungsschreiben verantwortete anhielt. Keiner der er mit seinem Soldaten war des Partner Max Franz Deutschen mäch- 17 Taut 1950 so- tig. Sie inhaftierten wohl die Um- und folterten den baupläne wie strikten Nazigeg- auch die Sanie- ner, der sich stets rung der Villa Hoffmann geweigert hatte, und der Kate. für die Machtha- Bereits 1932 ber Bauaufträge hatte er die auszuführen. Erst Versetzung und den Umbau des Quä- lage der Selbstkostenberechnung zu eine Woche später kam Franz Hoff- kerhauses in Bad Pyrmont geplant bauen. […]“31 Seiner Auffassung nach mann dank eines Dolmetschers auf und geleitet. würden schlechte Wohnungen nicht freien Fuß und zu Hause an: Seine nur den Charakter verderben, son- Ehefrau erkannte ihn nicht.34 Pragmatiker und Menschenfreund dern zusätzlich volkswirtschaftlichen Franz Hoffmann wurde am 13. Juni Schaden erzeugen. Seine analytischen Während des Kriegs hatte Hoffmann 1884 in Berlin geboren und lern- Fähigkeiten erlaubten ihm mit einem das Büro hauptsächlich durch die Be- te zunächst Zimmerer, später noch Blick auf einen Grundriss, dessen seitigung von Fliegerschäden am Le- Schlosser. Das zwischen beiden Aus- Schwächen in der Funktionalität zu ben erhalten. Nach dem Krieg wurde bildungen begonnene Architekturstu- erkennen und zu korrigieren.32 das Architekturbüro formal erneut dium schloss er nicht ab. Als geprüf- gegründet, allerdings blieb es ohne ter Baugewerksmeister eröffnete er Quäkerhilfe im Nationalsozialismus Großaufträge, die wegen der schwie- 1909 ein Büro zusammen mit Bruno Seit 1933 unterhielt die Hilfsorga- rigen Materiallage nicht zu realisieren Taut; ca. 1913 wurde auch Max Taut nisation der Quäker ein Büro in der waren. Enttäuscht von den zuneh- in die Architektengemeinschaft Taut Berliner Innenstadt, das von Roger menden Alleingängen von Max Taut & Hoffmann aufgenommen. Das Trio Carter, Elizabeth Shipley, Alice Shaffer zerbrach die Zusammenarbeit 1950. erstellte in wechselnder Konstellation und zuletzt von Leonard Kenworthy Nur ein Jahr später verstarb Franz zahlreiche, heute noch erhaltene Ge- geleitet wurde.33 Über sein Jahr „In- Hoffmann mit 67 Jahren. bäude des sozialen Wohnungsbaus in side Nazi “ schrieb Leonard Risikobereit, wenn es um Hilfe für Menschen ging Berlin, von denen 14 zu Baudenkmalen Kenworthy ein autobiographisches WEGBEREITER WEGBEREITER

s war ein pulsierendes Leben unerschrockenen und kritischen Äu- in der Berliner Urania fanden begeis- E Nach der Eröffnung des Mit- ßerungen über den Nationalsozialis- terte Aufnahme. Auch als bildender telhof sollte auch bald das geplan- mus inhaftierte ihn die Gestapo von Künstler stand er zeitlebens in enger te Conference Center seine Arbeit 1937 bis 1941 im Konzentrationsla- Verbindung mit seiner russischen reli- aufnehmen. Als einen der ersten ger Neusustrum. Nach seiner Freilas- giösen Tradition. Vortragenden und Gesprächsteil- sung, die er unter anderem auch der „Zum 85. Geburtstag Wladimir Lin- nehmer konnte Harald Poelchau Fürsprache des befreundeten Asien- denbergs wurden seine Kunstwerke seinen Freund Wladimir Lindenberg forschers Sven Hedin verdankte, konn- ausgestellt: Temperabilder, Aquarelle, gewinnen, mit dem er im Auftrag der te er in Berlin bis Kriegsende in einem Wandteppiche, Zeichnungen, Hinter- Zentralverwaltung für Justiz die Ver- pharmazeutischen Forschungslabor glasmalerei.“37 hältnisse in den Gefängnissen der arbeiten. sowjetischen Besatzungszone unter- sucht und sich für die Beseitigung von Maler, Schriftsteller, Arzt: „Eine Tiefe Religiosität, Missständen eingesetzt hatte.35 außergewöhnliche Persönlichkeit“ frei von jeglicher Mit der Beendigung der Nazi-Dikta- Von 1949 bis 1952 wirkte Wladimir tur nahm Wladimir Lindenberg seine dogmatischer Lindenberg in den Leitungsgremien ärztliche Betätigung wieder auf. Von des Nachbarschaftsheimes. Sein vor- 1947 bis 1959 war er im Evangeli- Einengung und rangiges Engagement galt der Planung schen Waldkrankenhaus Berlin-Span- sein Streben, das und Durchführung der Offenen Aben- dau Chefarzt in der Spezialabteilung de im angeschlossenen Conference für Hirnverletzte bevor er in seinem Leben in den Center. Aus seinem weitverzweigten selbst erbauten Holzhaus in Ber- Freundes- und Bekanntenkreis auf- lin-Schulzendorf eine Facharztpraxis Dienst der Nächs- rechter Wissenschaftler, Künstler, für Neurologie und Psychiatrie er- ten zu stellen, wird Schriftsteller, Ärzte und Theologen öffnete. Wladimir Lindenberg beein- 19 aus aller Welt konnte er etliche zu druckte seine Mitmenschen durch in allen seinen spannenden Vorträgen und Diskursen seine Mehrfachbegabungen als Arzt, im Mittelhof zusammenbringen. Er Schriftsteller und Maler. Werken sichtbar. selbst begeisterte die Besucher in zahlreichen Veranstaltungen als Re- Zwischen 1947 und 1994 veröffent- Seine letzten Lebensjahre verbrach- ferent wie auch Gesprächsteilnehmer. lichte er 37 Bücher: Autobiographi- te er in seinem geliebten „Holzhaus“, Oft gelang es ihm, seinen Optimismus sches, Medizinisches, Lebenshilfen querschnittgelähmt. Selbst im hohen und seine Lebensfreude auf seine Mit- von Yoga bis Meditation und spirituel- Alter und auf einen Rollstuhl angewie- menschen zu übertragen und sie für le Erfahrungen in den Religionen der sen, behandelte er seine Patienten: neue Gedanken und Lebensentwürfe Welt. Ethische Fragen bleiben bei Sie „[…] klopften ans Fenster und er- zu öffnen. Unter anderem wird be- ihm nicht im Allgemeinen und Abs- hielten den Hausschlüssel, für seine richtet, dass er gelegentlich seine Vor- trakten stehen, sondern werden mit Katzen war eines der Fenster immer träge mit einem Kopfstand eröffnete, seinen eigenen Lebenserfahrungen nur angelehnt“.38 Wladimir Lindenberg um die Machbarkeit eines Perspektiv- praktisch untersetzt: Seine Vorträge starb 1997 mit 95 Jahren. wechsels zu demonstrieren.

»Himmel in der Hölle«36 Der 1902 in Moskau geborene Wla- dimir Lindenberg stammte aus einem alten russischen Adelsgeschlecht und musste nach der Oktoberrevolution Wladimir nach Deutschland fliehen. Nach dem Studium der Medizin und Psychologie und nach zweijähriger Tätigkeit als Schiffsarzt auf Afrika- und Südameri- kafahrten arbeitete er als Neurologe Lindenberg und Psychiater in einer Bonner Kli- nik für Hirnverletzte. Wegen seiner WEGBEREITER WEGBEREITER

»Eine große Hilfe war meiner Frau und mir […] die Freund- schaft der Quäker. Sie hielten unbeirrbar an ihrem Grundsatz des Inneren Lichtes in jedem Menschen fest […].«39

orreiter der Ökumene mit geschmuggelten Nahrungsmitteln körperliche, mit Zu- V Harald Poelchaus Kontakt zu den Quäkern geht auf wendung seelische Qualen und erbot Beistand beim langen das Jahr 1933 zurück, als er seinen Dienst in der Haftan- Warten auf die Vollstreckung. All das mit „scheinbar jungen- stalt Tegel antrat. 1947 baten sie ihn am Aufbau des Mit- hafter Leichtigkeit und ungebrochenem Gottvertrauen“42, telhof mitzuwirken. Mit Erfolg: ob als Mitglied im Arbeits- Aufgeschlossenheit und „seelischer Eindrucksfähigkeit“43. ausschuss oder in den 1950er Jahren als Vorsitzender des Vereins und Referent im Conference Center. Als treibende Kraft in der Arbeitsgemeinschaft der Kirchen und Religi- onsgemeinschaften in Berlin sah er sich sowohl mit dem An- liegen der Quäker als auch dem von Friedrich Siegmund- Schultze (Gründer der SAGA), im Mittelhof am richtigen Ort. Seine Persönlichkeit sowie sein unermüdlicher Ein- Harald satz in der Versöhnungsarbeit hatten einen wesentlichen Anteil an der Ausstrahlung des Mittelhof.

Theologe und Sozialarbeiter Geboren wurde Harald Poelchau am 5. Oktober 1903 in Poelchau Potsdam und wuchs in Schlesien in einer Familie mit langer Theologietradition auf. Nach erfolgreich abgelegtem theo- 21 logischen Staatsexamen ließ er sich zum Fürsorger ausbil- den. Die Marburger Zeit unter Professor Paul Tillich und Humanitärer Widerstand dessen „Religiöser Sozialismus“D beeindruckten ihn ebenso Unter hohem persönlichen Einsatz engagieren er und sei- wie seine Zeit als Werksstudent in einem Stuttgarter Indus- ne Frau Dorothee sich zusammen mit Quäkern und Mit- triebetrieb. gliedern der Bekennenden Kirche im Widerstand gegen das Naziregime – auch in der sogenannten „Onkel-Emil- Gefängnispfarrer von Plötzensee Gruppe“ im Berliner Südwesten. Sie besorgen Verstecke, 1933 musste Harald Poelchau als Gefängnisseelsorger der Nahrung und Papiere für Verfolgte. Im Keller der Poelchau- ersten Vollstreckung einer Todesstrafe beiwohnen – er ver- Wohnung im Wedding wird dafür ein Lebensmitteldepot suchte sich zu weigern.40 Umso unvorstellbarer ist es, dass angelegt – beliefert von Freya Gräfin von Moltke vom Gut er bis zum Kriegsende nicht nur hautnah die zunehmende Kreisau. Dieser Widerstand war für Harald Poelchau die Inhaftierung von Oppositionellen erlebte, sondern mit Be- „wichtigste Hilfe […], um in dieser menschenmordenden ginn des Weltkriegs vermehrt deren Todesurteile: Bis 1945 Zeit nicht abzustumpfen […]“44. wird er etwa eintausend Menschen zur Hinrichtung beglei- tet haben. Versöhnung als Lebensphilosophie Nach Kriegsende leistete Harald Poelchau zielstrebige Für viele Inhaftierte bildete Harald Poelchau eine Nach- Versöhnungsarbeit durch den Aufbau des Hilfswerks der richtenbrücke zwischen Mitgefangenen und Angehöri- Evangelischen Kirche (mit Eugen Gerstenmaier) und war gen, die selbst dann funktionierte, wenn sie in Sippenhaft als Leiter des Strafvollzugs in der sowjetischen Zone tätig, in einer anderen Haftanstalt einsaßen, da er u. a. auch für konnte aber seine Vorstellungen von einem humanen Straf- die Haftanstalten Plötzensee und Moabit zuständig war. vollzug nicht durchsetzen. Auf seine Tegeler Pfarrstelle zu- Dank ihm konnten sich beispielsweise Freya von Moltke rückgekehrt, ernannte ihn Bischof Otto Dibelius 1951 zum und ihr Mann Helmuth James Graf von Moltke (Mitglied ersten Sozialpfarrer der Evangelischen Kirche.45 im Widerstand Kreisauer Kreis) brieflich austauschen. Und obwohl er für den Gefangenen Dietrich Bonhoeffer nicht Am 29. April 1972 starb Harald Poelchau – Berlin würdigt zuständig war, besuchte er ihn in seiner Zelle – „immer ihn mit einem Ehrengrab. Erst kurz zuvor erhielt er zu- öfter, ab Herbst 1943 zeitweise täglich“41, und führte mit sammen mit seiner Frau Dorothee die Medaille „Gerechte ihm theologische Diskussionen. Harald Poelchau linderte unter den Völkern“ von Yad Vashem. WEGBEREITERIN WEGBEREITERIN

»Der Glauben von uns Quäkern wird deshalb auch „Religion ohne Dogma“ genannt, weil wir meinen, daß kein Mensch etwas glauben muß, sondern wichtiger ist, daß er sich darum bemüht, das zu leben, woran er glaubt.«46

ädagogin der ersten Stunde in Steglitz. Die Eheleute Halle traten in den frühen 20er P Bereits während der Planungen für den Mittelhof Jahren den Berliner Quäkern bei und unterstützten später baten die Quäker die erfahrene Kindergärtnerin, Jugend- Verfolgte des Nazi-Regimes unter hohem persönlichen Ri- leiterin und Lehrerin Katharina Provinzki die Leitung der siko. Statt dem von staatlicher Seite nahegelegten Eintritt Kinderarbeit zu übernehmen. Schon am 5. Juni 1947 (und in die NS-Frauenschaft schloss sich Katharina Provinzki damit bereits drei Mona- 1937 den Berliner Quä- te vor der feierlichen Er- kern an und übernahm öffnung) startete sie mit als Freiwillige die Leitung fünf Kindern den ersten der dortigen Jugendgrup- Kinderhort, den sie bis pe, die sich vor allem aus zum Umzug nach Steglitz Jugendlichen politisch verantwortete. Im Aus- Katharina oder rassisch gefährdeter schuss für Sozial- und Elternhäuser zusammen- Kinderarbeit war sie von setzte. Beginn an vertreten und konnte ihre reichhalti- Provinzki „Wir haben dort zusam- 23 gen Erfahrungen ein- men gelesen, gespielt, bringen. Auch am Aufbau gesungen. Über Politik eines weiteren wichtigen wurde bei uns nicht ge- Aufgabenbereichs der redet. Die Sorgen der Nachkriegsjahre war Katharina Provinski beteiligt: dem Jugendlichen waren übergroß, so kam es uns darauf an, Erholungsheim. Hier wurden u.a. für je 10 von der Familien- wenigstens einmal in der Woche unbeschwert zusammen fürsorge ausgesuchte Mütter aus den Innenstadtbezirken sein zu können. Immer öfter mussten wir ohnehin Abschied vierwöchige Tageserholungen angeboten.47 feiern. Allerdings konnten zumindest für fast alle jüdischen Jugendlichen nach und nach Auswanderungen nach Hol- Erzieherin mit Leidenschaft land oder England erreicht werden.“48 Geboren 1905 in der Provinz Posen lebte Katharina Provinzki in einem demokratisch gesinnten Elternhaus Erfüllte Jahre im oberschlesischen Gleiwitz, bevor sie mit 16 Jahren 1942 wurde die Jugendgruppe aufgelöst. Katharina nach Berlin ging. Mit der Ausbildung zur Kindergärtnerin Provinzki ließ sich aufgrund einer schweren Erkrankung und später zur Jugendleiterin, beides am Pestalozzi-Frö- von ihrer Tätigkeit im Pestalozzi-Fröbel-Haus beurlauben bel-Haus, hatte sie ihre Berufung gefunden und wirkte in und ging nach Schlesien in ihr Elternhaus zurück, wo sie bis staatlichen wie privaten Einrichtungen in Kindergärten, Kriegsende als Volksschullehrerin aushalf. Nach der Rück- Kinderheimen und Kinderhorten. Ab 1933 leitete sie den kehr in ihre alte Tätigkeit als Lehrkraft in der Erzieheraus- Kindergarten in der Schöneberger Gotenstraße bis zu bildung und der anschließenden Aufbauarbeit des Kinder- dessen Ausbombung 1941. Während dieser Zeit war sie hortes im Mittelhof nahm sie 1949 an einem Lehrgang am entsprechend dem Konzept des Pestalozzi-Fröbel-Hauses Institut für Psychotherapie teil. gleichzeitig Lehrkraft in der Ausbildung von Kindergärtne- Die Arbeit mit verhaltensgestörten Kindern in der Erzie- rinnen. hungsberatungsstelle Kreuzberg bestimmte nach dieser Zeit über 15 Jahre ihren Weg. Katharina Provinzki blieb Die Quäkerfamilie Halle zeitlebens der „Gesellschaft der Freunde“ verbunden. Entscheidenden Einfluss auf den weiteren Lebensweg von Von 1957 bis 1974 lebte sie zusammen mit ihrer Quäker- Katharina Provinzki hatte ihre erste Anstellung als Betreu- freundin Elisabeth Abegg in deren Wohnung in Tempelhof. erin der drei Kinder der Familie Gerhard und Olga Halle Katharina Provinzki starb am letzten Tag des Jahres 1995.49 WEGBEREITERIN WEGBEREITERIN

erz und guter Geist des Hauses Zu neuen Ufern: Auf nach Berlin H Für den Mittelhof als das vom ASFC herausgehobe- Bereits 1939 engagierte sich Alice Shaffer für das Quäker ne Quäkerheim konnte es für die Aufbauphase nur eine er- Hilfswerk (ASFC) in Deutschland Seite an Seite mit Pfarrer fahrene Leitung aus ihren Reihen geben: Alice Shaffer, die Grüber an der Evakuierung jüdischer oder konfessions- Deutschland bereits 1939 durch ihr Engagement für das loser Kinder. Durch diese Arbeit lernte sie einen Teil der Berliner Hilfsbüro der Quäker kannte.50 Von September damals insgesamt 350 Mitglieder der Deutschen Jahres- 1947 bis Juni 1949 gestaltete sie maßgeblich den Aufbau versammlung der Quäker kennen und schätzen. Nicht des Nachbarschaftsheimes. zuletzt deswegen wurde Durch ihre langjährige Er- sie nach Kriegsende nach fahrung in der Erziehungs- Deutschland geschickt, um und Sozialarbeit und dank überlebende Mitglieder zu ihrer vielen Begabungen finden. war sie entscheidend am „guten Geist“ des Mittelhof Alice Ein Leben für die Kinder beteiligt. Organisationsta- In den 40er Jahren hatte lent, Ausstrahlung und eine sich Alice Shaffer im Auf- zutiefst demokratische bau von Kinderfürsorgen Gesinnung machten sie zu in lateinamerikanischen einer fähigen Leiterin. Mit Shaffer Ländern einen Namen ge- ihr konnte das Conference macht. Paraguay, Costa Center als weitere Säule Rica und Kuba waren nur des Mittelhof seine Arbeit einige ihrer Stationen. Sie aufnehmen. Alice Shaffer war bis zu ihrem Ausscheiden ist die ideale Kandidatin für den im Aufbau befindlichen sowohl Herz als auch Kopf des Hauses; sie konnte in der Bereich „Lateinamerika“ bei UNICEF: Gründungsphase die Weichen für Geist und Profil des Hau- 25 ses stellen. Insgesamt 23 Jahre war sie Europäische Wurzeln für das Kinderhilfswerk tätig, Alice Shaffer, geboren am 8. August 1905 in Chicago in eine Familie mit europäischen Wurzeln, wurde bereits früh teilweise für die Programme demokratisch geprägt. Besonders ihre Mutter nutzte jede Gelegenheit, die Gleichheit der Menschen zu thematisie- in 22 Ländern zuständig: »die ren, egal welcher Nationalität, Rasse, Religion oder sozia- Doña Alicia de UNICEF.«52 lem Status sie angehören.51 Als Schülerin einer Quäker-Schule lernte Alice Shaffer Unermüdlich war Alice Shaffer im Dienste der Kinder nicht nur den üblichen Schulstoff, sondern dank des äu- dieser Welt unterwegs. Sie plädierte für Tageseinrichtun- ßerst praktisch orientierten Direktors alle Arten von Re- gen für alle Kinder und nicht nur solche von arbeitenden paraturen auszuführen - bis hin zum Auto. Durch einen Müttern; außerdem für die Ausbildung von Erzieherinnen, Quäkervortrag erfuhr sie von den Kinderspeisungen im Kinderpsychologen und Sozialarbeitern und für die Aus- Nachkriegsdeutschland und ergriff die angebotene Mög- stattung mit Lehrmaterialien. lichkeit einer Brieffreundschaft mit einer Deutschen; dar- Für ihre wegweisende Arbeit wurde Alice Shaffer 1961 ein aus sollte sich eine lebenslange Freundschaft entwickeln. Ehrendoktortitel von ihrem College verliehen; von ihrer Chicagoer Universität erhielt sie 1972 die Alumni Medaille Auf ein Vollstipendium am Earlham College folgte die Ent- für bedeutende Dienste zum Wohle der Menschheit.53 scheidung für den sozialen Zweig: Zunächst arbeitet Alice Ab 1969 war Alice Shaffer im Ruhestand, lebte wieder in Shaffer in einer lokalen Wohltätigkeitsorganisation, später den Vereinigten Staaten ganz in der Nähe ihrer Schwester dann als CaseworkerB in der staatlichen Sozialfürsorge. und machte ihr Heim zu einem internationalen, offenen Nach ihrem Studium Sozialarbeit/Sozialfürsorge an einer Haus: im Sinne der Quäker zu einer Art Nachbarschafts- Chicagoer Universität promovierte sie und arbeitete dort heim und zu einem Außenposten für die UNICEF. Alice als Supervisor. Shaffer verstarb am 19. Juli 1997. WEGBEREITERIN WEGBEREITERIN

»Nachbarschaftsheim bedeutet eine offene Tür, durch die jeder eintreten kann ungeachtet der Zugehörigkeit zu einer Partei, Konfession oder Glaubensbekenntnis […]«54

eimgekehrt - Die Starthelferin des Mittelhof der Gesamtleitung des Jugendamtes des Magistrats der H Als im Herbst 1946 die amerikanische Militärregie- Stadt Königsberg wurde Ellen Simon 1933 aufgrund ihrer rung der Errichtung der ersten Nachbarschaftsheime in jüdischen Abstammung aus dem Dienst entlassen und ihrer Zone zustimmte, entsann sich die Deutsche Jahres- flüchtete umgehend in die Schweiz. versammlung der Quäker einer Freundin und Mitarbeite- rin aus den Jahren der Kinderspeisung. Ellen Simon, die zu Zuflucht im Londoner Settlement diesem Zeitpunkt noch in ihrem Exil, einem Londoner Sett- 1938, nach vier Jahren Tätigkeit als Säuglingsschwester lementE, mit schwer erziehbaren Kindern arbeitete, wurde und Dozentin in ihrem Schweizer Exil und Zwischensta- gebeten, nach Deutschland zurückzukehren und die Stelle tionen in Frankreich und Holland, kam sie nach London, einer „Generalsekretärin“ für den Aufbau der Nachbar- wo sie in einem East End Settlement u.a. in der sozialpäd- schaftsheime in Darmstadt, Frankfurt und dem Mittelhof in agogischen Arbeit mit Hortkindern und der Anleitung von Berlin zu übernehmen.55 Studentinnen neue Aufgaben fand.57 Hier schloss sie sich später der 1943 gegrün- Im Frühjahr 1947 war es deten Exilgruppe „German dann soweit: Ellen Simon Educational Reconstruc- pendelte zwischen den tion“ an, die eng mit den beiden hessischen Nach- englischen Quäkern zu- barschaftsheimen und dem sammenarbeitete.58 Gründungskomitee des 27 Ellen B Mittelhof und half bei vie- Casework und die Neu- len wichtigen Weichenstel- ausrichtung der Sozial- lungen. Ihrem energischen arbeiterausbildung Einsatz war es zu verdan- Zurück in Deutschland und ken, dass eine demokrati- Simon nach dem Starthilfeengage- sche Arbeitsorganisation ment bei der Gründung der etabliert wurde, die sich ersten Quäker-Nachbar- nicht nur aus Quäkern zu- schaftsheime kehrte Ellen sammensetzte, sondern sich auch für „besonders interes- Simon 1948 für drei Jahre an ihre alte Wirkungsstätte beim sierte Menschen des öffentlichen Lebens und der Nachbar- Deutschen Verein in Frankfurt am Main unter der Leitung schaft“56 öffnete. von Prof. Dr. Polligkeit zurück. Sie widmete sich in dieser Zeit vorrangig der Neuausrichtung der Sozialarbeiteraus- Von der Säuglingspflege zur Jugendamtsleitung bildung, u.a. auch durch ein Gutachten für die Fachabtei- Aufgewachsen in Halle an der Saale lernte die 1895 gebo- lung der amerikanischen Militärregierung über „zukünf- rene Ellen Simon zunächst Säuglingspflege, bevor sie 1917 tige Lehrpläne der Wohlfahrtsschulen Deutschlands“.59 In nach einem Studium in Jura und Volkswirtschaft mit einer dieser Zeit ging sie selbst für 6 Monate zum intensiven Arbeit über „Schutzerziehung und Besserungserziehung“ Studium des „Casework-Teaching und Supervision“60 in die promovierte. Statt der juristischen Laufbahn drängte es sie USA, wo gerade ihre enge Freundin Hertha Kraus ihr dies- in das im Aufbruch befindliche Feld der Jugendfürsorge. Sie bezügliches Standardwerk veröffentlicht hatte. Von 1953 arbeitete unter anderem als wissenschaftliche Hilfsarbei- bis 1960 leitete sie bis zu ihrer Pensionierung als Direktorin terin beim Deutschen Verein für öffentliche und private das Pestalozzi-Fröbel-Haus in Berlin und verankerte u. a. Fürsorge in Frankfurt am Main. die Einzelfallhilfe und Gruppenpädagogik fest in die neu- Für ihren weiteren Lebensweg bedeutend war die anschlie- en Ausbildungspläne der Sozialarbeit. Sie engagierte sich ßende Tätigkeit als Geschäftsführerin der Quäkerspeisung weiterhin in mehreren Verbänden und Organisationen der in der Region Nord, wo sie von 1922 bis 1925 in der Zu- Jugendhilfe und der christlich-jüdischen Zusammenarbeit. sammenarbeit mit amerikanischen Quäkern deren Haltung Ellen Simon starb 1982 in Berlin. und praktische Sozialarbeit schätzen lernte. Nach leitenden Tätigkeiten in der Jugendbehörde der Stadt Hamburg und CHRONOLOGIE CHRONOLOGIE

Gründerjahre im Quäker-Nachbarschaftsheim Auf der Suche nach neuen Herausforderungen

12. Juni 1947 1951 Gründung des Vereins Nachbarschafts- Nach kurzem Provisorium in der heim Mittelhof, Berlin e. V. als erstes Steglitzer Grunewaldstraße fand Berliner Nachbarschaftsheim durch der Umzug in die ehemalige Villa amerikanische, englische und deutsche Bergmann, Königstraße 42 - 43 Quäker in der Muthesius-Villa Mittelhof in Zehlendorf statt, erworben mit am Kirchweg 33 in Nikolassee finanzieller Unterstützung der 1961 1962 amerikanischen Quäker Einstellung der OST-WEST Einrichtung eines Wohnheims IM LAUF Schwerpunkte: Nachbarschaftsarbeit mit Arbeit nach dem Mauerbau für ausländische Studierende in Selbsthilfewerkstätten, Erholungsheim Weiterführung der Nachbar- z.B. der 3-wöchigen Tages- der Kate auf dem Grundstück und Conference-Center mit interzonalen schaftsarbeit begegnungen von Müttern aus der Villa Mittelhof und internationalen Konferenzen, Semi- dem Osten, der Familienbe- naren und offenen Abenden Unterstützung geflüchteter gegnungen und der Treffen der DER ZEIT Familien und erholungsbe- Sozialarbeiter dürftiger Mütter

1956 1963 Eröffnung eines sozialen Mittags- Ausbau der Jugendarbeit mit tisches für Rentner, Sozialhilfe- ehrenamtlichen Gruppenleitern empfänger und Studierende

Internationale Jugendarbeitslager zur Renovierung von Wohnungen alter und hilfebedürftiger Menschen

Rückzug der Quäker aus der aktiven Nachbarschafts- und Vereinsarbeit 29

Ein Haus für alle - Vom Stadtteilzentrum »Villa Mittelhof« zu neuen Nachbarn

1980 1985 2002 2006 Start des Mittelhof als Stadtteil- Gründung der Selbsthilfe-Kontakt- Übernahme der Trägerschaft des Übernahme der Trägerschaft der zentrum (Villa Mittelhof) mit Café, stelle als erste senatsgeförderte Nachbarschaftshaus Lilienthal (seit Villa Folke Bernadotte in Lichterfelde Werkstätten und sozialkulturellen regionale Kontaktstelle Berlins den 70er Jahren offene Einrichtung (seit 1945 „German-Youth-Club“ der Programmangeboten unter hoher für Kinder und Jugendliche des amerikanischen Alliierten, seit 1956 ehrenamtlicher Beteiligung Bezirksamtes Steglitz) offene Einrichtung für Kinder und Ju- gendliche des Bezirksamtes Steglitz) „Hilfen für straffällige Jugendliche“ in der Kate in Kooperation mit der Jugendgerichtshilfe Zehlendorf

Leitlinie Gemeinwesenarbeit - Umstrukturierung der Nachbarschaftsarbeit

1969 1973 1975 Arbeit in sozialen Brennpunkten Anwaltsplanung in Kooperation mit der Beginn der gemeinwesenorientierten Bürgerinitiative Düppel-Nord für eine Jugendarbeit in Zehlendorf-Süd in Unterstützung von Elterninitiativen zur Neubausiedlung (wurde nicht umgesetzt) Kooperation mit der Evangelischen Schaffung neuer Kindergartenplätze Kirchengemeinde Schönow (bis 1986)

Stärkere Beteiligung von Mitarbeitern und Betroffenen an Entscheidungen des Hauses z.B. durch eine kollegiale Leitung, Neuzusammensetzung des Arbeitsaus- schusses CHRONOLOGIE

Orte für Kinder - Von der Eltern-Kind-Gruppe zum bezirksweiten Kitaträger

1969 1972 1981 1999 2000 2002 2005 2006 2010 2012 Gründung von Gründung der Kita Gründung der EKT Übernahme der Gründung des Übernahme der EKG Gründung der Kita Übernahme der Gründung der Kita Gründung des Eltern-Kind-Gruppen (EKG), „Markgrafen“ „Drei-Käse-Hoch“ Trägerschaft der Waldkindergartens und Gründung der Kita „La Paquerette - Gänse- Trägerschaft des „Sonnenstrahl“ „Familienzentrum später Eltern-Kinder-Tages- in Lichterfelde „Sonnenkita Athe- (bis 2014) „Lilienthal“ blümchen“ „Kinderhaus am Lankwitz“ stätten (EKT) „Ahörnchen“, ne“ vom Bezirk Fliegeberg “ vom „Teltower Rübchen“, „Kaiser- Übernahme der Bezirk stuhlstraße“, „Kaiserhaus“ Trägerschaft der Kita (heute “Königskinder“), „Potsdamer Schlößchen“ „Moltkestraße Villa Kobolde, vom Bezirk heute „Die Kobolde“ in Lichterfelde 31

Mittelhof macht Schule – Schulkooperationen in Zehlendorf, Steglitz und Wilmersdorf

2005 2009 2014 2015 Kinderhaus am Karpfenteich, Schülerhaus Clemens Brentano, Kinderhaus Friedrich-Drake-Grund- Omnibus, Offener Ganztag am Ergänzende Förderung und Be- Ergänzende Förderung und Be- schule, Ergänzende Förderung Goethe-Gymnasium (Wilmersdorf) treuung an der Grundschule am treuung an der Clemens-Bren- und Betreuung an der Fried- Karpfenteich tano-Grundschule rich-Drake-Grundschule (bis 2017) Jugendsozialarbeit/Unterstützung von Will- kommensklassen an der Süd-Grundschule Kinderhaus Athene, Ergänzende Auszeit, teilgebundener Ganztag an Förderung und Betreuung im der integrierten Sekundarschule (ISS) Jugendsozialarbeit/Unterstützung offenen und im gebundenen Wilma-Rudolph-Oberschule von Willkommensklassen am Dreilinden- Ganztag der Europaschule 2010 Gymnasium Schulhelfer*innen an Grund- Athene-Grundschule Südstern, Schülerclub an der AUB, teilgebundener Ganztag an der und weiterführenden Schulen, Ergänzende Süd-Grundschule Otium, Of- integrierten Sekundarschule (ISS) an Unterstützung, Förderung Waldkaiser, Ergänzende För- fener Ganztag am Gymnasium der Bröndby-Oberschule derung und Betreuung an der Steglitz Hilfe und Pflege von Kindern und Jugendli- Johanna-Gerdes-Grundschule chen mit zusätzlichem Unterstützungsbedarf 2008 2010 2015 2017 Übernahme der Trägerschaft Mehrge- Gründung der Kontaktstelle Pfle- Gründung von Unterstützungs- Gründung der Außenstelle des nerationenhaus Phoenix in Zehlendorf ge-Engagement - Unterstützung angeboten für geflüchtete Stadtteilzentrums Villa Mittelhof: - Süd (ehemals Haus Floyd bzw. Haus von Selbsthilfe und Ehrenamt im Menschen mit Welcome, der „Kiezladen Onkel-Toms-Hütte“ Teltow, offene Einrichtung für Kinder und Umfeld häuslicher Pflege Kontaktstelle Integration, Paten- Jugendliche des Bezirksamtes Steglitz) und Qualifizierungsprojekten 12. Juni 1947 Elmore McKee, HISTORIE am Gründungstag IN BILDERN

33 Präambel

Die Grundüberzeugung, von der die Quäker durchdrun- gen sind und die ihre Haltung bestimmt, ist das Wirken des inneren Lichtes in jedem Menschen. Eine solche Bot- schaft kann nicht gelehrt, sondern muß gelebt werden. Im Nachbarschaftsheim Mittelhof soll eine Stätte geschaffen werden, in der müde gewordene, anregungsbedürftige Menschen – nicht nur aus Berlin – im Geiste echter Freund- schaft und Versöhnung und in nachbarschaftlicher Hilfe zu- sammenarbeiten. Sie sollen an Körper und Geist gestärkt zu ihren täglichen Aufgaben zurückkehren. In einer Zeit der vollständigen Auflösung kann der Einzelne ohne die Er- fahrungen seiner Mitmenschen nicht leben. Deshalb soll in allen Zweigen der Arbeit des Heimes, ob in Werkstätten, in Diskussionen oder in der Kinderarbeit, der Geist gegensei- tiger Hilfe herrschen. Der Mensch kann nur in Zusammen- arbeit mit anderen über sein eigenes Elend hinauswachsen und seinen Mitmenschen ein hilfreicher Bruder werden. So hat er die Möglichkeit, sich echte Gemeinschaft zu erringen und fruchtbar zu machen. Die Grundsätze sollen die Arbeit im Nachbarschaftsheim Mittelhof bestimmen.

12. Juni 1947

Präambel aus dem Bericht über die Arbeit im Nachbarschaftsheim Mittelhof Vom 12.6.1947 – 31.12.1948 HISTORIE IN BILDERN HISTORIE IN BILDERN

50er Kinder UN mit Alice Shaffer Die Arbeitsbereiche des Mittelhof in den Epochen

Viele Bilder haben sich im Laufe der 7 Jahrzehnte angesammelt. Was A wurde nicht alles getan und bewegt, ausprobiert, wieder eingestellt oder beibehalten. Beim Durchblättern eines alten Familienalbums wundern wir uns manchmal über die sich wiederholende Mode. Bei der Betrachtung der histori- schen Mittelhof-Fotos fällt auf: Manches Projekt, dass uns heute brandaktuell erscheint, gab es auch schon einmal (z.B. Nachbarschaftshilfe in den 60ern). Die Arbeitsbereiche sind entstanden mit ihren Bedarfen. Dabei sein wollten Viele, so entstand der Bereich Bürgerschaftliches Engagement / Ehrenamt. Die Jugend war Zukunft und nahm sich den experimentellen Raum, den sie zur Entwicklung brauchte. Die Jugendarbeit ist bis heute ein wichtiger, sich immer wieder selbst erneuernder Arbeitsbereich. Selbsthilfe, damals aus der Not geboren, ist bis heute ein Erfolgsmodell und zeitgemäße Angebote zur Entlastung von Familien stellen sich über die Jahre sehr unterschiedlich dar. Schauen wir rein in die kleine Auswahl der Vielfalt unserer Arbeitsbereiche.

1949 Kinderspeisung 35

Ein Ort für Kinder

Hier darf ein Kind ein Kind sein. Die Förderung der individuellen Entwicklung von Kindern in jeder Altersgruppe ist über die Jahrzehnte ein zentrales Anliegen des Mittelhof. Das Gefühl von Ob bei den frühen Hilfen, in der Kita oder in der Schule: Mit den Eltern und manchmal auch den Großeltern 1970 Geborgenheit besteht eine enge Erziehungspartner- Eltern-Kinder- schaft. Generationenbegegnung, das tagesstätte Markenzeichen der Nachbarschafts- Königstraße heime. 43a HISTORIE IN BILDERN HISTORIE IN BILDERN

1964 Jubel, Trubel, Jugendabteilung Heiserkeit!

1988 Ehrenamt- lichentagung 37 Mitmachen & engagieren, Mittelhof mitgestalten Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement in der Zusammen- arbeit von Freiwilligen und Hauptamtlichen kennzeichnen den Mittelhof über 7 Jahrzehnte. Ob Jugendliche oder Erwachsene jeden Alters – die Liste der Engagementfelder ist lang und die Zahl der Freiwilligen ist über die Jahre ständig gewachsen. Frei-Räume für Jugendliche

Nicht erst die Proteste der „Halb- starken“ Ende der 50er Jahre signalisierten den Wunsch vieler Jugendlicher, auf der Suche nach der Jeder eigenen Identität und Ablösung von den Eltern sich Räume zu verschaf- fen: Treffpunkte mit Gleichaltrigen, nach Freizeit mitzugestalten , Engagement für die eigene Gruppe und darüber hinaus. Das ging auch im Mittelhof seinen nicht ohne Brüche und Neuanfänge: 1962 Mittelhof Jugend Offene Jugendarbeit im Nachbar- 1960er schaftsheim – Jugendarbeit im Arbeitswochen- Kräften enden der Mittelhof- sozialen Brennpunkt – Jugendarbeit Jugend in der im Mehrgenerationenhaus Nachbarschaft HISTORIE IN BILDERN HISTORIE IN BILDERN

50er Jahre Schusterwerkstatt Wir sind Mittelhof

Selbsthilfe im Mittelhof

Selbsthilfe und Hilfe zur Selbsthilfe 1952 werden im Mittelhof von Anfang an Sommerfest großgeschrieben und gelebt – Von Villa Mittelhof der Linderung materieller Nöte in den Nachkriegsjahren bis zum Austausch in der Gruppe chronisch Kranker – Betroffene helfen und ihnen wird geholfen. Die Bereitstellung von 39 Räumen und die fachliche Begleitung unterstützen Menschen, die Verbesserung ihrer Situation wieder Zuversicht selbst in die Hand zu nehmen. teilen

1986 MS-Gruppe Feste feiern, wie sie fallen

Höhepunkte im Jahreslauf sind die kleinen und großen Feste in den Einrichtungen des Mittelhof. Sie schaffen Begegnungen und Beteiligungen für Gruppen und Helfer, 1988 öffnen die Schatzkiste der kulturellen Vielfalt der Häuser Sommerfest in der und stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl: Wir sind Villa Mittelhof Mittelhof, eine große Gemeinschaft über Generations- und Statusgrenzen hinweg von und für die Menschen in Steglitz-Zehlendorf (und darüber hinaus). HISTORIE IN BILDERN HISTORIE IN BILDERN

1990 pädagogische Begegnung - Erziehung in beiden Berlins Demokratie kommt nicht aus der Steckdose

Verantwortung übernehmen - mitgestalten

Ob in den Arbeitsbereichen und Gremien des Mittelhof oder in Initiativen und Bürgerforen : Das Erlernen und Vertiefen eines respektvollen Dialoges und fairen Ringens um Lösungen und Kompromisse ist bis heute ein Marken- zeichen des Mittelhof. 41

50er Jahre International Conference Center HISTORIE IN BILDERN HISTORIE IN BILDERN

1948 Aufbruch in neue Bibliothek, die durch Zeiten - Coca Cola Spenden amerikanischer und Bockwurst für Freunde aufgebaut Erholungsgäste aus wurde dem Osten

50er Jahre Müttererholung 43

Begegnen im Mittelhof

Es sind die offenen Häuser, die einladen zu Begegnungen, zum Mitgestalten und zur Teilhabe. Eine demokratische Den Blick Kultur, die in die Gesellschaft ausstrahlen soll, braucht Räume und Gelegenheiten. Von den Ost-West Begeg- nungen der fünfziger Jahre bis zu den Willkommensver- weiten anstaltungen und Sprachcafés für Geflüchtete dieser Tage – der Mittelhof öffnet sich allen, die nach den Regeln des Respekts und der Toleranz zusammenkommen. Sommerfest in der Villa Mittelhof

45

MENSCHEN IM MITTELHOF 1947-55 MESNCHEN IM MITTELHOF 1947 MENSCHEN IM MITTELHOF 1948

zwei Diskussionsgruppen angezeigt. Jutta Petenati: Ich fuhr dann bald zu einem ersten Überraschungsbesuch Treffen in die „Disku II“, wie sie sich selbst nannte. Sie wurde von Kurt Nutmann, einem Freunde der „Freun- 1947 in meiner de” (Quäker), geleitet. Selbstverständ- 1948 Marjorie Clay lich machte ich mich dann mit allem Marjorie Clay vertraut und erfuhr, dass als erstes First Lady der amerikanischen Ehefrau von General Erinnerung Berliner Heim dieser Mittelhof von Lucius D. Clay der amerikanischen Quäkerhilfe ge- Militäradministration gründet worden war. Wir erfuhren viel anlässlich des 50-jährigen Jubiläums über die Quäker und deren Intentio- des Mittelhof 1997 nen. Ihre Ziele – Offenheit gegenüber ingeladen war sie schon lange: Eine gute Gelegenheit für Marjorie allen Menschen, Hilfe zur Selbsthilfe E Die Familie Clay sollte dem Mit- Clay, um sich selbst ein Bild von der und Erziehung zur Demokratie – fan- telhof bereits am 19. April des Jahres Arbeit vor Ort zu machen.61 er 2. Weltkrieg und die Nöte der in der Wohnung. Meine Mutter litt an den meine volle Zustimmung. Gerade 1948 im Rahmen einer offiziellen Ein- D Nachkriegszeit sind uns älteren Unterernährung, denn vom wenigen für mich, die unter zunehmendem poli- ladung zum Dinner einen Besuch ab- Interessiert, unkompliziert und Menschen in eindrucksvoller Erinne- Essen gab sie uns Kindern und dem tischen Druck im sowjetisch regierten statten. Zuvor war die gesamte Mann- herzlich rung geblieben. Am wichtigsten zum arbeitenden Vater immer das meiste. Teil Berlins leben musste, war das freie schaft auf den Beinen und selbst vor Beim gemeinsamen Abendessen Überleben war die Nahrungsbeschaf- Bedingt durch ihren geschwächten und demokratische Leben im Mittel- James Read, dem ASFC Secretary of lernte Marjorie Clay dann auch noch fung und im Winter die Sorge, nicht Zustand wurde sie in einem Geschäft hof eine Oase. So wuchs ich weiterhin the Foreign Service Section, der gera- die „Rest Home“ Gäste kennen, die zu erfrieren. Der Winter 1946/1947 ohnmächtig und dabei ist ihr die in das Mittelhofleben hinein, nahm an de auf Deutschland-Besuch war und ebenfalls begeistert von ihrer Herz- war besonders streng. Immer wieder Handtasche mit allen Lebensmittel- den „Offenen Abenden“, Seminaren am Abend ein Grußwort an die Gäste lichkeit und Unkompliziertheit waren. hörte man von erfrorenen Menschen marken gestohlen worden. Das war und Tagungen teil und arbeitete später richtete, wurde nicht haltgemacht: Und Marjorie Clay zeigte sich beein- in ihren kalten Wohnungen. Auch für für uns ein schlimmes Mißgeschick. auch in Arbeitsausschüssen mit. Auch er krempelte die Ärmel hoch druckt, „dass eine Gruppe so einfach 47 meine Familie gehörten diese Proble- Meine Mutter bekam dann eine Lun- und half mit beim Frühjahrsputz. Das in der Lage ist, aus sich selbst heraus me zum Alltag. Wir wohnten im Ber- genentzündung und wurde in ein Die „Mittelhof-Volkstanzgruppe“ Haus strahlte zum Termin, aber die so viel Freude und tiefe und sinnvolle liner Bezirk Stadtmitte, im damaligen Krankenhaus eingeliefert. Deshalb Der Zulauf von jungen Menschen in Clays kamen nicht; General Clay war Gemeinschaft zu finden“.62 Ein Gegen- sowjetischen Sektor. Meine Eltern musste ich zur Kartenstelle gehen, um den Mittelhof verstärkte sich und es dienstlich auf dem Weg nach London. besuch kurz vor Ende des Seminars in hatten schon alles Überbrückungslebensmittelkarten zu entstanden viele andere Gruppen. So ihrer Dahlemer Villa war für die Teil- nicht unbedingt beantragen; diese wurden in der Fol- fanden sich auch einige Jugendliche Spontaner „hoher“ Besuch nehmer der krönende Abschluss, den benötigte Mo- gezeit wieder abgezogen. zu einer Volkstanzgruppe zusam- An einem Freitagnachmittag im Sep- sie sicher ihr ganzes Leben nicht ver- biliar verheizt. Ich besuchte zu der Zeit im Pestalozzi- men. Mit drei weiteren Mitgliedern tember stand Marjorie Clay dann gessen haben. Trotzdem Fröbel-Haus in Schöneberg das Kin- der „Disku II“ ging ich dann auch in unangekündigt vor der Tür. Die Ehe- saßen wir dergärtnerinnenseminar. Dort gab die Volkstanzgruppe, denn ein junger frau von General Lucius D. Clay, Mi- Begegnung schafft Vertrauen meistens es ein Unterrichtsfach „Berufskunde“, Mann hatte es mir angetan. Wir heira- litärgouverneur der amerikanischen Marjorie Clays Eindrücke haben si- dick ver- unter anderem sollte dort die Einrich- teten später und wurden eine glück- Besatzungszone, war seit 1946 „Ber- cherlich auch dazu beigetragen, dass mummt tung eines Kinderhortes besprochen liche Familie. Überhaupt heirateten linerin“ und traf auf die Teilnehmer die anfänglich eher skeptische Hal- werden. fast alle Mitglieder der Gruppe unter- des ersten Internationalen Service tung von General Clay gegenüber den einander. Wir bildeten eine feste Ge- Seminars, das gerade im Mittelhof Hilfsaktionen von „Zivilisten“ einer Hospitation im Mittelhof-Hort meinschaft, die noch heute nach fast veranstaltet wurde. Die 24 Männer wachsenden Aufgeschlossenheit und Da im zerstörten Berlin kaum eine 50 Jahren zusammenhält und sich in und 15 Frauen große Gruppe hatte Wertschätzung Platz machte. So be- Einrichtung zu besichtigen war, fuhr regelmäßigen monatlichen Abständen sich aus neun Ländern eingefunden; merkte Lucius D. Clay später über unsere Lehrerin mit uns nach Nikolas- reihum zu Hause trifft. Wir nennen darunter ein ehemaliger KZ-Häftling, die Quäker: „Die Hilfsgüter, die durch see in das Nachbarschaftsheim Mittel- uns bewusst „Mittelhof-Volkstanz- sechs ehemalige Armeeangehörige, diese Heime verteilte wurden, waren hof, das erst seit kurzem bestand. Wir gruppe“, denn der Mittelhof hat unser zwei Widerstandskämpfer und sechs durchaus hilfreich, aber sie lassen besichtigten dann den Kinderhort und aller Leben mitgeformt und geprägt. Kriegsgefangene, die sich zusammen sich nicht vergleichen mit dem Geist ich blieb interessehalber noch länger mit den mehrheitlich jugendlichen der Hilfsbereitschaft, der ihre ganze in dem schönen Haus und schaute Jutte Petenati ist heute 90 Jahre alt. Teilnehmern Gedanken um die ge- Arbeit durchzog und der für mich den »Let us try to mich um. Noch heute sehe ich mich Sie war Mitbegründerin der Zeitzeugen- genwärtigen Probleme der Völker- Namen dieser Gruppe gleichbedeu- in Gedanken vor dem Anschlagbrett Börse Berlins, Besucherin und Ehren- verständigung machten, die sich in tend mit Bescheidenheit und Mensch- make angels 63 in der Halle stehen und die Ankündi- amtliche in den Anfangsjahren des Mit- Toleranz übten, ihren Gesichtskreis lichkeit gemacht hat.“ 64 gungen lesen. Aushängend waren u. a. telhof. erweiterten und voneinander lernten. smile!« MENSCHEN IM MITTELHOF 1949 -1955 MENSCHEN IM MITTELHOF 1951

Aufriss d er Ke rze ntü Zu Besuch bei Heinrich Stedtlers lle Helga Martin Anfänge in Berlin Erzieherin im Nachbarschaftsheim Mittelhof ein junger »Zonenflüchtling« in der Obhut der Quäkergemeinde nde Oktober 2017 hatten wir Eine junge Horterzieherin S. 12), Harald Poelchau (portraitiert E das Vergnügen, mit Helga Martin 1948 machte sie einige Praktika im auf S. 20) und Clarita von Trott, Ehe- n einem warmen Herbsttag im Jahre 1951 – ich war Aber ich als Sowjet- eine Zehlendorferin kennenzulernen, Nachbarschaftsheim Mittelhof, das frau des 1944 ermordeten Adam von A 17 Jahre jung und in der „Sowjetischen Besatzungs- flüchtling konnte nicht die den Mittelhof in seinen Anfängen seinen Sitz damals noch in Nikolassee Trott zu Solz, die für einige Wochen zone (SBZ)“ zu Hause – fasste ich den Entschluss, wie mein länger unter amerika- erleben konnte. hatte. Ab 1949 arbeitete sie dann für mit ihren zwei Kindern im Mittelhof Vater Schlosser zu werden. Und da die Bedingungen dafür nischer Obhut gedul- einige Jahre als ausgebildete Erziehe- wohnen konnte. in der SBZ katastrophal waren, wollte ich die Flucht in den det werden. Neben dem rin im Hort des Mittelhof, zuletzt am Westsektor wagen. Eine alte Aktenmappe mit Zeugnissen, Hausmeister war mir auch heutigen Standort in der Königstraße. Die offenen Abende und die Essen und Trinken und als Alibi eine Badehose - für den die Waschfrau zugetan, die Kinder-UN Fall einer Kontrolle könnte ich das Strandbad Wannsee mir anbot, mit in ihrem Bahnwär- Sie war 16 Jahre alt, als sie den Helga Martin erinnerte sich auch gern als Ziel angeben. Damals konnte man noch mit der S-Bahn terhäuschen an der Wannseebahn zu Mittelhof kennenlernte: „Mich zog an die gut besuchten offenen Abende ohne Passagierschein nach Westberlin fahren. Es gelang wohnen. Ich konnte im Gegenzug alle Arbei- die Atmosphäre an, die dort herrsch- im Nachbarschaftsheim. Es gab viele mir, ohne Kontrollen von Strausberg bis Zehlendorf zu ge- ten für sie erledigen, die rund um’s Haus anfielen. te. Man ging so freundlich und res- interessante Vorträge und Konzerte langen. Das Herz klopfte mir bis zum Hals, ich war allein pektvoll miteinander um. Und wenn und natürlich viele schöne Feste. auf mich gestellt. Was würde werden? Eine Adresse hatte Mit der dringend gebotenen Registrierung als Flüchtling Entscheidungen zu treffen waren, ich nicht, zu fragen traute ich mich auch nicht, aus Angst, musste ich auch diese Unterkunft schweren Herzens ver- 49 wurden alle einbezogen. Es wurde so Beteiligt war Helga Martin auch an an den Falschen zu geraten und wieder in den Osten ver- lassen und wurde in das Lager für Jugendliche in Kladow lange diskutiert, bis alle die Entschei- der Kinder-UN. Die amerikanische schleppt zu werden. Der Arm der Staatssicherheit reichte eingewiesen, wo ich in der Schlosserei arbeitete. Mein dung mittragen konnten. Und dann Quäkerin Alice Shaffer (portraitiert weit und Republikflucht war ein schweres Vergehen! Vater, der zunehmend Ärger mit den Russen bekam, weil wurde es gemacht. Es war ernsthaft auf S. 24) führte das Projekt im Mittel- seine Arbeiten aufgrund des schlechten Materials nicht und respektvoll, auch in der Kritik. hof ein. Jeweils eine Gruppe von Kin- Dank Hausmeister und Waschfrau gefielen, flüchtete wie ich nach Westberlin. Anfänglich ar- Das hat mich als jungen Menschen dern bereitete Fragen für den Besuch Ermüdet irrte ich durch die Straßen. An einer herrschaft- beitete er ebenfalls für die Quäker und „meine“ Waschfrau, sehr beeindruckt.“ bei einem Angehörigen eines anderen lichen Villa, vor der amerikanische Militärfahrzeuge stan- bis er als Ausbilder für das Schlossereihandwerk ins Kla- Landes vor. Der Mittelhof vermittelte den, fasste ich mir ein Herz und betrat das Grundstück. Ich dower Lager wechselte. Nur meine inzwischen ernsthaft Beeindruckende mit Hilfe seiner vielen internationalen wurde sogleich bemerkt: Ein Mann kam auf mich zu und erkrankte Mutter und ein Teil meiner Geschwister siedel- Wegbereiter Kontakte die passenden Gesprächs- fragte nach meinem Wunsch. Ich war auf den Hausmeis- ten nach Thüringen zu den Großeltern über, bevor auch sie Frau Martin erzählte von partner. Sie kamen aus vielen europäi- ter der Quäkergemeinde gestoßen, den ich nach Unter- in den „Westen“ kamen. den Menschen, die sie im schen Ländern, aus den USA, aus Süd- kunft für die Nacht und etwas zu essen fragte. Freundlich Mittelhof kennenler- afrika. Die Kinder interessierten sich nahm er mich mit ins Haus, nachdem ich ihm meine Flucht- Ein Geschenk zurück nen konnte: vor allem für die Lebensbedingungen geschichte erzählt hatte. Für Unterkunft und Verpflegung Mein Vater und ich fertigten seinerzeit einen siebenarmi- Elisabeth Abegg der Kinder in dem betreffenden Land. würde ich jede Arbeit ausführen. Ich durfte im Kokskeller gen Leuchter aus Schmiedeeisen, um den Quäkern und allen (portraitiert auf arbeiten, Asche hinaustragen, Koks schaufeln, Laub harken, voran dem Hausmeister und der Waschfrau zu danken. Lei- Für Frau Martin steht fest, dass sie den Hof fegen und auf dem Dachboden erhielt ich ein Feld- der haben wir damals niemanden aus unserer Anfangszeit durch die Jahre als junge Erzieherin bett. Als erste Mahlzeit bekam ich Weißbrot mit einem exo- in Berlin angetroffen. im Mittelhof für ihr ganzes Berufsle- tischen Aufstrich: Erdnussbutter mit Orangenmarmelade ben sehr nachhaltig und positiv ge- - es schmeckte himmlisch! Vor einigen Monaten las ich in der Zeitung den Bericht über prägt wurde. Für uns wurde in dem Das anfallende Altpapier durfte ich sammeln und dem eine Veranstaltung im Haus Mittelhof in Zehlendorf. Am 22. Gespräch mit ihr wieder Altpapierhändler verkaufen. So hatte ich ein kleines Ein- Februar 2010 besuchte ich das Haus und wurde überall einmal sehr deutlich, kommen, von dem ich an meine zurückgebliebene Fami- herumgeführt. Zu meiner großen Freude entdeckte ich den in welch guter Tra- lie Päckchen mit Köstlichkeiten aus dem Westen schickte Leuchter meines Vaters in einem großen Saal am Fenster. dition wir stehen. (Kaffee, Schokolade, für meinen Vater meine Ration ame- Leider ist die Art, solche Tüllen zu bauen, heute nicht mehr Herzlichen rikanischer Zigaretten). Meine ersten verdienten „West- üblich und mein kann ich nicht mehr weitergeben. Dank, mark“ investierte ich stolz in den Kauf eines karierten Als Rentner blicke ich in großer Dankbarkeit auf mein Leben Frau Martin! Hemds: Holzfällerhemden waren damals der letzte Schrei. und die Anfangszeit im Haus in der Königstraße 42 zurück. WO Von der Wiege bis zur Bahre... dieser Satz trifft die ganze Vielfalt des aktuellen Angebotsspek- trums, in dem es von der Schwangerenberatung bis zur Trauerbegleitung geht. Der themati- STEHEN sche Bogen des Lebens wird mit seinen Anforderungen in Angebote übersetzt und den kleinen und großen Bürgerinnen und Bürgern des Bezirkes bereitgestellt. WIR?

Über die Haltbarkeitsdauer der Gründungsidee

n den 70 Jahren seit Gründung des Mittelhof e. V. ver- Von der Komm-Struktur zum sozialräumlichen Akteur I ändert sich die gesellschaftspolitische Lage in Europa, in im Bezirk Deutschland und Berlin in einer rasanten Geschwindigkeit. Die zunehmende Größe des Trägers ist gleichzeitig Her- Die Menschen in Berlin hatten trotz internationaler Hilfe ausforderung und Chance. Jede hinzukommende Einrich- zunächst mit dem Wiederaufbau der Stadt zu kämpfen, um tung wird als Ressource gesehen, die an ihrem Standort dann ihre Teilung und den Mauerbau zu erleben und zu ver- ihren Auftrag erfüllt und darüber hinaus die o. g. Elemente kraften. Für alle Berlinerinnen und Berliner eine extreme anbietet für die Menschen in ihrer Umgebung. Die Netz- psychosoziale und häufig existentielle Herausforderung. werke des Trägers werden den Fachkräften und Ehrenamt- Mittendrin schrieb das Wirtschaftswunder seine neon- lichen geöffnet, alle Tätigen widmen sich in guter Qualität leuchtenden Glaubenssätze an die frisch sanierten und wie ihrer Aufgabe und sind gleichzeitig Seismograph für Ver- Pilze aus dem Boden sprießenden Neubauten. Das Hazy änderungen und vermitteln Angebote des Trägers oder der Osterwald Sextett intonierte Anfang der 60er Jahre den Kooperationspartner. 51 Schlager „Gehen Sie mit der Konjunktur“, der die beginnende Heute ist der Mittelhof e. V. überwiegend regional und so- Selbstbedienungsmentalität im boomenden Kapitalismus zialräumlich aufgestellt. Wichtige Kooperationen bestehen ironisierte und das Sittenbild eines Deutschland dudelte, mit dem Bezirksamt und anderen freien Trägern. dass nur die Gewinner beschrieb. Die 68er-Bewegung gab den Startschuss für einen neuen Aufbruch gegen Verdrän- Wir mischen uns ein, wir mischen mit, wir bieten an. Mit gung der Nazischuld und die Diktatur des Kapitals. Sie war diesem Fokus arbeiten unsere Fachkräfte in allen relevan- der Beginn einer neuen Zeit, in der verschiedene alterna- ten berlinweiten und vor allem bezirklichen Gremien aktiv tive Modelle des Zusammenlebens und Arbeitens erprobt mit. Eine Vielzahl von Kooperationsprojekten sind auf diese wurden. Weise entstanden: das jährliche Interkulturelle Fest, die Woche der Seelischen Gesundheit und das Modellprojekt Die Veränderungen im großen Außen spiegelten sich auch Sozialraumorientierte Leistungen seien nur beispielhaft ge- im kleinen Nachbarschaftsheim Mittelhof Berlin e. V.. Struk- nannt für gemeinsame Projekte, die im Bezirk wirken. turen und Akteure änderten sich, die Ziele und Inhalte wur- den den Bedarfen und Bedürfnissen der Nutzerinnen und Ein Geburtstag – viele Gründe zum Feiern Nutzer angepasst. Auch diese änderten sich: Es kamen neue Wie begehen wir den 70sten Geburtstag des Mittelhof e. V.? hinzu, mit neuen Ideen und Anforderungen. Selbsthilfekon- Zeigen wir die eindrucksvolle Geschichte oder den aktuellen taktstelle, Kitas, Schulkooperationen, Projekte für Familien Stand? Oder feiern wir einfach eine Party ganz im Hier und und Ältere, Integrationsangebote und Engagement-Mög- Jetzt? Schnell waren sich alle Beteiligten einig: lichkeiten für Geflüchtete seien beispielhaft genannt. Wir widmen den 7. Juli 2017 der Geschichte des Trägers. In vielen Diskussionen wurde in den Jahren immer wieder Ein Vortrag über die Entstehung von Nachbarschaftshei- über den Kern der Gründungsidee reflektiert. Es sollte men lässt staunen. für die Menschen leicht sein, Hilfen in Notlagen, Nachbar- Am 15. September 2017 zeigen wir, was aus dem Nachbar- schafts- und Selbsthilfeangebote gut erreichen zu können schaftsheim Mittelhof wurde: den heutigen Kosmos Mittel- und einen Ort für bürgerschaftliches Engagement zu fin- hof mit seinen Angeboten und Vernetzungsstrukturen. den. Auch die Erziehung zur Demokratie ist seit der ersten Am 25.September machen wir eine Dampferfahrt in den Stunde bis heute gelebter Ansatz in unseren Einrichtugen. Sonnenuntergang und feiern mit den Mitarbeitenden eine Immer wieder hat sich bestätigt, die Ziele sind bis heute schöne Party. tragfähig und zeitlos aktuell. FESTAKT FESTAKT - GRUSSWORT

»Die Förderung der Stadtteil- Kein zentren im Land Berlin ist »same procedure so bedeutsam, weil die wesent- as every year« lichen Themen Alexander Fischer: heute so wichtig »Der Mittelhof ist fach- licher Weiterentwickler sind wie vor 70 und Impulsgeber.« Jahren.« Der Mittelhof feiert am 7. Juli 2017 offiziell und honorig, aber auch fröhlich, bunt und mit allen großen und kleinen Nachbarinnen und Nachbarn sein besonderes Jubiläum. 53

Geschäftsführerin Ingrid Alberding eröffnet den Festakt im s gibt kaum noch Zeitzeugen, die berichten können aus Jubiläusjahr E der ersten Zeit nach dem Krieg. Die Idee, mit Hilfe von neu entstehenden Nachbarschaftsheimen den Berline- Staatssekretär für Arbeit und Soziales rinnen und Berlinern Nothilfe zu geben und Erziehung zur ür den Berliner Senat kam Alexander Fischer, Staats- Demokratie als wichtige Navigation in eine selbstbestimm- F sekretär für Arbeit und Soziales, zur Jubiläumsveran- te Zukunft zu etablieren, ist jedoch bis heute bekannt und staltung des Mittelhof. Alexander Fischer aktuell. Die Schöpfer dessen ebenfalls, in diesem Buch be- Im Grußwort des Berliner Senats lobte Fischer die Be- kommen sie einen gebührlichen Raum. kanntheit des Mittelhof e. V. bei den Steglitz-Zehlendorfer Die Leute von heute, ein kleines Festkomitee im Mittelhof, Bürgerinnen und Bürgern. Der Mittelhof sei bekannt, „weil nutzten zunächst den Anlass, um selbst in die Geschichte sie als Kind eine seiner Kitas besuchten oder das eigene Als solche nannte er unter anderem die Erziehung zur De- des Mittelhof e. V. einzutauchen, die ebenso interessant Kind eine Ganztagsbetreuung einer Kooperationsschule mokratie, die Hilfe zur Selbsthilfe sowie Integration und wie eindrucksvoll ist. Im staubigen Archivkeller zwischen besucht oder weil sie aktiv sind in einer Selbsthilfegruppe Toleranz. Teilhabe als Gesellschaftsmodell werde in den überraschenden Funden wurde klar: Wir müssen diese oder sich ehrenamtlich engagieren oder weil sie in einer Stadtteilzentren bzw. Nachbarschaftshäusern unterstützt Materialien auch für die Zukunft sichern und am Tag der der schönen Räumlichkeiten beraten wurden oder einfach und sei somit ein wichtiger Gegenentwurf zu Populisten Feierlichkeiten zumindest einen Auszug sichtbar machen. weil sie zusammen hier fröhlich gefeiert haben.“ und radikalen Bewegungen. Eine schöne kleine Ausstellung entstand, die am Festtag Der Mittelhof habe über Jahrzehnte unter Beweis gestellt, präsentiert wurde. Durch gute Vernetzung gehe die Wirkung des Mittelhof dass sein Ansatz, auf Menschen zuzugehen, sie aber auch Für den Überblick der Geschichte im Kontext der ge- inzwischen auch weit über die Bezirksgrenzen hinaus. Die sich selbst aktiv einbringen zu lassen, sie zu unterstützen samtdeutschen Situation konnten wir die Historikerin Dr. vielfältigen Angebote erzielten somit einen Gewinn für aber auch zu fordern, kulturelle Gegensätze überwinden Marianne Zepp gewinnen. Grußworte mit Blick auf den ak- alle Bürgerinnen und Bürger. Daher sei die Förderung der lässt. „Gemeinsames wird so in den Vordergrund gestellt“, tuellen Stand kamen aus Fachwelt und Politik. Im Anschluss Stadtteilzentren im Land Berlin so bedeutsam, zumal die betonte Fischer. Abschließend lobte er die Arbeit des Mittel- wurde mit buntem Programm ausgelassen im Garten gefei- wesentlichen Themen heute so wichtig seien wie vor 70 hof: „Hier und heute ist das Geglückte zu sehen und zu er- ert, bis am Abend ein Wolkenbruch das Fest beendete. Jahren. leben. Es soll noch lange so bleiben!“ FESTAKT - GRUSSWORT FESTAKT - GRUSSWORT

iebe Leserinnen und Leser, Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger aller Generatio- »Kompetent, vernetzend L als 1947 der Mittelhof als eines der ersten Nachbar- nen und Kulturen“. schaftsheime im Nachkriegsdeutschland gegründet wurde, und flexibel – das alles ist hat wohl kaum jemand diese inzwischen jahrzehntelang Ohne das Engagement der mehr als 300 Mitarbeitenden währende Erfolgsgeschichte vorhergesehen. Dazu meine und einer großen Zahl von ehrenamtlich tätigen Menschen, Mittelhof. Der Verein gibt Gratulation und meine herzlichsten Glückwünsche! die sich an inzwischen 26 Standorten in Steglitz-Zehlen- dorf in den verschiedensten Bereichen einbringen, würde sein Wissen an andere Heute ist der Mittelhof ein im Bezirk nicht mehr weg- es diese verlässliche Einrichtung im Bezirk, die sich durch Träger weiter und stärkt zudenkendes, bestens vernetztes Forum für Menschen hohe Qualität und Kontinuität auszeichnet, gar nicht geben. unabhängig von Alter, politischer oder konfessioneller Zu- Ich bin stolz darauf, diese Einrichtung in Steglitz-Zehlen- damit das soziale Berlin.« gehörigkeit und in einem von Toleranz, Weltoffenheit und dorf zu haben, denn der Mittelhof ist für den Bezirk und Respekt geprägten Umfeld. Unverändert über all die vielen das Bezirksamt als anerkannter Partner immens wichtig Jahre ist der Mittelhof seinem Leitbild treu geblieben als ein – ich möchte an dieser Stelle auf die zahlreichen Koopera- „offener und lebendiger Ort für die vielfältigen Anliegen und tionsprojekte mit dem Bezirksamt, so zum Beispiel mit der Volkshochschule beim VHS-Talent Campus im Phoenix, hin- Geschäftsführerin des Paritätischen weisen. Wohlfahrtsverbands LV Berlin e. V. Bezirksbürgermeisterin Nicht zu vergessen auch zahlreiche Projekte, die vom Steglitz-Zehlendorf Bezirk finanziell unterstützt wurden, die aufgrund einer Dr. Gabriele Finanzierung durch ein Bundes-/Landesprogramm im Be- Dr. Gabriele Schlimper »Bereits 66 Jahre teilt zirk wirkten, und solche, deren Finanzierung der Mittelhof Schlimper der Mittelhof sein Wissen Cerstin Richter- eigeninitiativ akquirierte. unter dem Paritätischen Kotowski Dach.« »Das, was an Begegnung, Kultur, 55 bürgerschaftlichem Engage- m Alter von vier Jahren wurde der Wissen über Schulkooperationen. bekommen – und erhielt nach dreijäh- ment, der Bereitstellung von I Mittelhof Mitglied im Paritätischen Ebenso hilfreich im praktischen Alltag: riger Laufzeit eine Folgefinanzierung Ressourcen und vielem anderen Wohlfahrtsverband. Das war 1951. Der Mittelhof berät und unterstützt von der Senatsverwaltung. Mit anderen Worten: Bereits 66 seiner andere Träger beim Aufbau und der mehr stattfindet, bedeutet inzwischen 70 Jahre wirkt der Verein Strukturierung von Buchhaltung und In der ersten Phase der Herausfor- unter dem Paritätischen Dach, setzt Controlling. derung durch die hohe Anzahl von letztendlich, den Menschen vor sich für vielfältige Zielgruppen ein – Zudem kooperiert der Verein darüber Geflüchteten in Berlin hat sich der Ort, im jeweiligen Kiez, wichtige und er teilt sein Wissen. Davon profi- hinaus. Er ist an wichtigen Schnitt- Mittelhof mit anderen Initiativen und tieren auch andere der mehr als 700 stellen aktiv, so etwa in der bezirk- Kooperationspartnern verbunden, um Entfaltungsräume zu eröffnen, Mitglieder unter dem Paritätischen lichen Liga-Sitzung oder im Jobcen- schnelle Hilfe zu leisten und nachhal- niedrigschwellige Problembe- Dach. ter-Beirat in Steglitz-Zehlendorf. tige Strukturen aufzubauen. Etwa mit der Spende für den Infobus am Tem- wältigung anzubieten und eine Was zeichnet den Mittelhof im Der Mittelhof ist Mitglied der Initiative pelhofer Feld oder mit dem Paten- Besonderen aus? Transparente Zivilgesellschaft. Der programm. Die Beratung über Dritt- lebendige, soziale und ökologi- Da sind zum einen das Engagement Verein veröffentlicht etwa zeitnah alle mittelakquise im Paritätischen hat zu sche Stadtteilkultur zu schaffen.« und die hohe fachliche Kompetenz. relevanten Daten auf seiner Website. einer Vielzahl von Projekten im Träger Seit Jahrzehnten bringt sich der Ver- geführt, die heute von der Begleitung Ich wünsche uns allen weiterhin eine solch gut funktionie- ein – ganz im paritätischen Sinne – auf Ein ganz wichtiger Punkt: Immer wieder einer Tagespflege für Kinder aus ge- rende und überaus erfolgreich agierende Nachbarschafts- vielen Ebenen ein: in den Fachgruppen, haben der Paritätische und Mittelhof flüchteten Familien über Beratungen einrichtung, die schnell und passgenau auf gesellschaftliche im Beirat und im Vorstand. Bei der gemeinsam Modellprojekte entwickelt. bis zur Teilhabe an gesellschaftlichen Entwicklungen reagieren kann! Und ich hoffe, dass uns Fachgruppenarbeit setzt er sich für die Das Projekt Sozialraumorientierte Begegnungen reicht. diese wichtige professionelle und wegweisende Einrich- Weiterentwicklung der Qualität ein. Er Leistungen (SRL) ist ein Beispiel. Hier Cerstin tung mit ihren vielfältigen erfolgreichen Projekten noch unterstützt, indem er seine Ressour- hat der Paritätische eine Anschubfi- Eine fachlich starke Leistung eines Richter-Kotowski »Ich bin stolz darauf, viele Jahrzehnte erhalten bleiben wird! cen zum Teil auch für andere paritäti- nan-zierung geleistet, um den Start des freien Trägers unter dem paritäti- diese Einrichtung in sche Träger verfügbar macht. Beispiele Projekts durch fehlende Senatszusa- schen Dach, der kooperativ und fle- Steglitz-Zehlendorf zu Ihre Bezirksbürgermeisterin dafür sind die Leitlinien zur Krisenkom- gen nicht zu gefährden. Das Projekt hat xibel wichtige öffentliche Aufgaben haben.« Cerstin Richter-Kotowski munikation, Qualitätshandbücher und berlin- und bundesweite Bedeutung erfüllt. FESTAKT - FACHVORTRAG FESTAKT - FACHVORTRAG

zu verfassen und zugleich die Deut- schen anzuleiten und mit ihnen zu- sammen zu arbeiten, um soziale und Erziehung zur politische Strukturen aufzubauen.

Auch der Mittelhof wurde in die- zerbombtes Berlin ser Zeit gegründet. Einflüsse der in Großbritannien und den USA entwi- Demokratie ckelten Settlement-BewegungE bzw. der Nachbarschaftsbewegung, die in Deutschland in den 20er Jahren als sogenannte Volksheime bekannt wa- ren, sollten als Orte einer direkten demokratischen Bildung und Fortbil- dung aufgebaut werden. 13 Nachbarschaftshäuser wurden Dr. Marianne Zepp in den folgenden Jahren gegründet. »Demokratie wurde Nur dem Mittelhof angegliedert (und nicht nur theoretisch Alle Besatzungsmächte waren mit Eigeninitiative erziehen. Im Mittelhof gegen den Einspruch der Militäradmi- vermittelt.« bestimmten Vorstellungen, wie mit sollte genau dies ab 1947 praktiziert nistration durchgesetzt) war ein so- den Deutschen zu verfahren sei, nach werden. Im Programm „Lernziel De- genanntes Conference Center, ein Ta- Deutschland einmarschiert. Diese mokratie“ wird im Punkt 5 festgehal- gungs- und Fortbildungszentrum für Planungen hatten bereits mit dem ten: „Die Menschen dazu anregen, ihre soziale und pädagogische Fachkräf- Die Leitgedanken des Kriegseintritt der USA 1943 begon- geistigen Fähigkeiten zu aktivieren te, die in der Not der unmittelbaren nen. Sie umfassten den gesamten Be- und ihre Arbeit selbst zu tun und ihre Nachkriegsjahre besonders wichtig 57 Mittelhof von seiner Gründung reich des öffentlichen Lebens. In sie eigenen Probleme auf der Basis huma- waren. Hier wurde in Lehrgängen den in der Nachkriegszeit bis heute einbezogen waren die Analysen deut- nitärer Prinzipien zu sehen. Man sollte deutschen Fürsorgerinnen wieder der scher Emigranten, die ein detaillier- den Menschen helfen, das zunächst in Anschluss an die Methodendiskus- tes Bild der deutschen Gesellschaft ihren eigenen kleinen Gruppen zu tun sion ermöglicht, die sich in den USA Amerikanische Besatzungspolitik und das Kon- lieferten und konkrete Vorstellungen und später in der größeren Gemein- weiterentwickelt hatte. Ziel war, eine 1. zept der „Reeducation” als Gründungsimpuls des über die Demokratisierung der deut- schaft, in der sie selbst leben.“66 notwendige Haltungsänderung bei Mittelhof schen Gesellschaft nach dem Krieg Die Arbeit vor Ort gestaltete sich so, den deutschen Fürsorgerinnen zu er- Seit Februar 1945 hatte Berlin täglich Bombenangriffe entwarfen. dass von Anbeginn an Deutsche unter reichen, indem man mehr auf die Indi- erlebt. Gleichzeitig waren im Abwehrkampf gegen den der Anleitung von amerikanischen vidualität und die Würde der Klienten „Mongolensturm“ – wie es im Nazijargon hieß - keinerlei Das Konzept der „Reeducation”, wie Ex-perten in verschiedenen Berei- einging. Die Einzelfallhilfe existierte Maßnahmen zum Schutz oder gar zur Fürsorge für die Zivil- das Programm der Neukonditionie- chen der Militäradministration einge- dabei neben der sozialpädagogischen bevölkerung getroffen worden. Die Bevölkerung war voll- rung von Einstellungen und Verhalten bunden wurden. Gruppen- und der Gemeinwesenar- ständig sich selbst überlassen. Nicht nur der Häuserkampf, genannt wurde, konnte nur gelingen, Diese Experten oder Berater waren beit, die in den 50er und 60er Jahren vor allem die Bombardierungen hatten fast die gesamte wenn es mit einer Veränderung der im Rahmen der „Reeducation-Maß- eingeführt wurde, als eine der Säulen Infrastruktur zerstört. Die meisten Bewohner waren in ein gesamten politischen Kultur einher- nahmen” der US-Militäradministrati- der professionellen Sozialarbeit, die in zersplittertes Höhlenberlin (Ingrid Schmidt-Harzbach) ab- ging. on eingesetzt, um einerseits Stellung- den nächsten Jahren ständig weiter- getaucht und sorgten für das eigene Überleben in Kellerge- Wie sahen die politischen Rahmenbedingungen aus? Im nahmen zur Situation in Deutschland entwickelt wurde. meinschaften mit rudimentären Überlebensbedingungen. Allierten Gesetz Nr. 5 z. B. heißt es lapidar: „... der von der Dazu brauchte man die entsprechen- In kleine Gemeinschaften parzelliert, organisierten sie vor NSDAP errichteten Herrschaft von Gesetzlosigkeit, Terror den Institutionen und man brauchte allem das Überleben ihrer Nächsten, aus den Hausgemein- und Unmenschlichkeit innerhalb der besetzten Gebiete ist das Personal. Das gesamte „Reedu- schaften der Kriegszeit waren Kellergemeinschaften ge- ein Ende zu bereiten.“65 Die Deutschen waren in der Politik cation-Programm” war ein giganti- Historikerin und bis Februar 2018 Referentin für worden. Zugleich war die gesamte Infrastruktur zerstört: und für sich selbst nicht mehr zuständig. In den folgenden sches Erziehungs- und Motivations- Zeitgeschichte, Heinrich-Böll-Stiftung Verkehr, Lebensmittelversorgung, Wasser, Gas, Strom und Monaten und Jahren wurden alle Entscheidungen, die das programm. Es war nicht, wie der ins Medien fielen aus. Dennoch, und das ist für die weitere Ent- öffentliche Leben betrafen, von den Alliierten und den zu- Deutsche übersetzte Begriff der wicklung bedeutsam: Die Erfahrung einer unmittelbaren ständigen Militärregierungen getroffen. Angesichts dieser „Umerziehung“ suggeriert, ein Modell und in vielen Fällen spontanen Bildung von kleinen Hilfsge- Ausgangssituation fragt man sich, mit welchen Vorstel- zur Manipulation von Gesellschaft, Dr. Marianne Zepp meinschaften war zugleich ein prägendes Erlebnis für viele lungen und Planungen die Alliierten in den ersten Jahren sondern eher das Gegenteil: es soll- Berliner. agierten. te zur Eigenverantwortung und zur FESTAKT - FACHVORTRAG FESTAKT - FACHVORTRAG

Doch in dem Begründungsschreiben Die internationalen Sozialarbeiter*In- Verständigung und Versöhnung bei- kamen von außen, die Rolle einer en- gegenüber der Militäradministration67 nentreffen fanden seit Herbst 1947 zutragen. gagierten Bürgergesellschaft hat die- beschrieben die Expert*Innen mit im Mittelhof statt. Demokratie wur- Der gegenseitige Austausch wurde se Arbeit hier erst möglich und wirk- klaren Worten die Situation vor Ort: de nicht nur theoretisch vermittelt, im Zuge der Verschärfung im Kalten sam gemacht. „Die Bevölkerung ist verarmt und he- sondern auch innerhalb des Mittelhof Krieg immer schwieriger – die öffent- runtergekommen.“ Es war an „Hilfe selbst praktiziert. Von allen Nach- lichen Geldgeber machten Auflagen Der Mittelhof hat durch seine Praxis für die geistigen Schichten gedacht, barschaftsheimen in Berlin war der über die zuzulassenden Teilnehmer, die ursprünglichen Leitgedanken am die immer weiter verproletarisieren“, Mittelhof am meisten international Vorwürfe der Einseitigkeit wurden er- Leben erhalten und Beteiligungsfor- außerdem war der Bezirk kinderreich und in den Ost-Westkontakten aktiv. hoben. Nach dem Mauerbau wurden men wie Bürgerforen, flache Hierar- und hatte eine ausgesprochen intel- Unmittelbare Hilfe in Form der Ver- die Begegnungen ganz eingestellt und chien, Modelle der Hilfe zur Selbst- ligente Jugend, die nach Betätigung teilung von Sachspenden und Hilfe 1989 sofort wieder aufgenommen: hilfe und ein Mitspracherecht aller und Räumen suchte. bei unmittelbaren Notfällen wurde bis eine Einladung an Sozialarbeiter aus Beteiligten weiterentwickelt. Das er- Mittelhof 1948 Bei der Ausarbeitung des Programms 1950 geleistet. Ein drängendes Prob- dem Osten, der auf überwältigende möglicht es, sich auch heute neuen Einladung zum zur Demokratisierung des besieg- lem war die Flüchtlingsarbeit. Resonanz stieß, aber zugleich eine Herausforderungen zu stellen: Eine offenen Abend ten Nachkriegsdeutschlands waren Konfrontation mit einer gelebten de- alternde Gesellschaft, auf die mit die amerikanischen Experten, unter Diese Praxis der Quäker wurde lan- mokratischen Struktur und einer So- anderen Betreuungsprogrammen denen sich auch viele deutsche Exi- ge Jahre und mit Modifikationen bis zialarbeit, die eher dem Betreuungs- reagiert werden muss, das Paten- lanten befanden, überzeugt, dass es heute im Rahmen der Arbeit des Mit- ansatz folgte, zum Vorschein brachte. schaftsprogramm für Flüchtlinge und galt, eine neue deutsche Elite in allen telhof durchgeführt. Über die Jahre nicht zuletzt die Frage nach der demo- gesellschaftlichen Bereichen heran- wurde aus dem Mittelhof ein großes 3. Neue Herausforderungen heute kratischen Verfasstheit, nach der Bin- zubilden. Entsprechend gründeten soziales Zentrum für den gesamten Der Mittelhof hat immer wieder dekraft humanistischer Werte stellen Sie hat als Richtschnur die Stärkung Erwähnt werden muss auch, dass die die verschiedenen Abteilungen der Mi- Bezirk Zehlendorf. Die finanzielle unter Beweis gestellt, dass er auf die das Projekt vor neue Aufgaben. Auch des Einzelnen und beruht auf Frei- eigentliche Gründung vom Mittel- litäradministration nicht nur Arbeits- Unterstützung durch den AFSC wur- Bedürfnisse der Gesellschaft ange- heute ist die Rolle der Erziehung willigkeit, Einverständnis und Mit- hof eine Initiative der Quäker war. Im gruppen in unterschiedlichen gesell- de erst Ende der 1960er Jahre einge- messen und flexibel reagieren kann. nach wie vor gefragt. Die Bindekraft wirkungsbereitschaft und betont Mai 1946 nahm das AFSC (American schaftlichen Bereichen, sie versuchten stellt. Mit Hilfe der Berliner Landes- Er agiert auf drei Ebenen: in seiner der Religion nimmt ab bzw. kommt 59 die Selbstbestimmung des Klienten. Friends Service Committee, die Ver- sich auch durch Erhebungen und Um- gruppe und des Bundesverbandes der Struktur, in seiner Flexibilität auf die in einem Gewand wieder, die diesen Stichworte wie Beratung in Gesund- einigung der Quäker in den USA) Kon- fragen ein Bild der Einstellungen und Nachbarschaftsheime professionali- sich verändernden gesellschaftlichen Idealen diametral gegenübersteht. heits- und Rechtsfragen bis hin zur takt zu deutschen Quäkern in Berlin mentalen Verfasstheit der Deutschen sierte man sich zusehends. Dennoch Bedingungen und in der inhaltlichen Normative Bindekraft, in deren Mit- Schuldenberatung sind hier zu nen- auf und erkundete das Potential und zu machen. Immer wieder wird in den kam das Projekt Ende der 50er Jahre Ausrichtung: Methodenvielfalt, Fort- telpunkt der einzelne Mensch steht, nen. Auch dieser Ansatz wurde mit die Bedürfnisse auf deutscher Seite. Berichten darauf hingewiesen, dass in eine Krise. Die Ansätze der „Reedu- bildung, Beratung. Austausch im Team wird von längst überwunden geglaub- den Vorstellungen einer Demokrati- Diese Dominanz der Quäker in der das deutsche Fürsorgepersonal nicht cation-Politik” wurden sehr bald mit und unter Kollegen. Selbstverant- ten Totalitarismen attackiert. sierung zusammengedacht und konn- Gründungszeit des Mittelhofprojekts nur ausgehungert, unterversorgt, anderen Inhalten aufgeladen. wortung und Respekt untereinander. te sich nur in diesem Rahmen entfal- fügte diesem eine ethische, christlich sondern auch moralisch „sehr im Ab- Spätestens Ende der 40er Jahre war Förderung vom Zusammenleben un- Die Mischung zwischen einem Ethos ten. motivierte Grundhaltung hinzu, die sinken begriffen“, aber sehr wissens- die Systemkonkurrenz zwischen der terschiedlicher Kulturen, Religionen der Zugewandtheit, gesellschaftspoli- sich nahtlos in das Gesamtkonzept durstig und nach geistiger Anregung Sowjetunion und den USA so domi- und ethnischer Zugehörigkeit, was in tischem Engagement und Professio- 2. Gründung und Praxis des einfügte. suchend sei. nant geworden, dass sie sich in allen unserer Zeit immer wichtiger wird. nalität ist erforderlich. Mittelhof Ende April 1947 gab der Bezirk grünes Lebensbereichen auswirkte. Der Mit- Ein geschützter Raum für Begegnung, Eine Gesellschaft entwickelt sich nur Der Erziehungsgedanke, der der „Re- 1947 fiel die Entscheidung für den Licht. Die Militärverwaltung, die das telhof hatte in den ersten Jahren eine für Bildung, für Betreuung und für dann, wenn sie von unten in Bewe- education” zugrunde lag, kam hier voll Standort in Zehlendorf. Das Gebäu- letzte Wort hatte, machte zur Auflage, intensive Ost-West-Arbeit aufgebaut. Kultur, wie es in den Statuten heißt. gung gehalten wird, wenn Handeln zum Tragen. Im Grunde setzte dieses de, das dem Projekt schließlich seinen dass zwar die Quäker die Trägerschaft Es war ein Programm der Begegnun- Die Arbeit hier wurde und wird ge- von den Erfahrungen des Einzelnen Konzept ein partnerschaftliches Ver- Namen gab, hatte bereits eine wech- übernehmen könnten, die Leitung gen, das von gegenseitiger Offen- tragen von der Initiative der Bürge- ausgeht. hältnis der daran Beteiligten voraus. selvolle Geschichte hinter sich. Sein sollte aber weder politisch noch reli- heit geleitet werden sollte, um zur rinnen. Die wichtigsten Anregungen Partner auf deutscher Seite waren erster Standort in Berlin war die von giös ausgerichtet sein. nicht nur ausgewiesene Antifaschis- Hermann Muthesius errichtete Villa ten, davon gab es einfach zu wenige, am Kirchweg 5 an der Rehwiese. Am 27. Juni 1947 fand die Grün- »Eine Demokratie lebt von unten, der Solidarität mit das war den Amerikanern auch klar, Während der NS-Zeit war es Sitz des dungsversammlung des Vereins statt. sondern es waren Persönlichkeiten, NS-Kulturbundes. Erst 1950 wurde Es wurden Unterausschüsse gegrün- den Schwachen und dem Engagement seiner Bürger, die nicht zuletzt aufgrund ihrer Bio- der derzeitige Sitz in der Königsstra- det. Das Haus hatte bis 1956 eine graphien ansprechbar waren für den ße mit Mitteln der Quäker erworben. ausländische, zumeist amerikanische, das ist das Erbe der Gründungzeit, dem sich der Gedanken der Demokratisierung von Es gab eine Debatte darüber, warum Leitung – das war auch im Sinne der unten. Es ging um Eigenverantwor- man in diesem Bezirk ein Nachbar- Angestellten, weil so internationale Mittelhof in vorbildlicher Weise bis heute verpflichtet tung, um Verfahrensweisen des Aus- schaftsheim gründete und nicht in Kontakte leichter geknüpft werden handelns und um Transparenz. einem der Berliner Arbeiterbezirke. konnten. fühlt und das er in seiner Arbeit umsetzt.« FACHTAG KOSMOS MITTELHOF FACHTAG KOSMOS MITTELHOF - PODIUMSGESPRÄCH

Podiumsgespräche zu »Integration, Demokratie & offene Gesellschaft« Kosmos Was machen wir, was gelingt gut, was gelingt noch nicht, was wollen wir erreichen in der Arbeit mit geflüchteten Menschen? Antworten gaben Ehrenamtliche, Haupt- Barbara Dieckmann, amtliche, Kooperationspartner und Vertreterinnen der Dietmar Flemer, Günther Schulze, Dachverbände des Mittelhof. Anne Jeglinski, Barbara Rehbehn Mittelhof v.l.n.r

Die gläserne Organisation ist offen für Alle - mit diesem Titel lockte der Fachtag am 15. September 2017 viele Interessierte auf einen Parcours durch alle Arbeitsbereiche des Mittelhof e. V.. 61 Was gehört 70 Jahre nach Gründung zum Träger, wie arbeitet er heute, wie funktioniert die Vernetzung?

ass es hilfreich sein kann, auch mal seine Perspektive D zu wechseln, ist eine Binsenweisheit. Wie aber wäre es, einmal in eine ganz neue Identität zu schlüpfen? Diese Möglichkeit bot sich den Besucherinnen und Besuchern unseres Fachtages mit dem vielversprechenden Titel Kos- mos Mittelhof. Am Empfang bekamen Sie einen Button, auf Leiterin der Geschäftsstelle Bezirke, z. B. Plattformen zur Vernetzung von Ehrenamtlichen un- dem ihre neue Identität und ihr Anliegen heute im Haus zu Paritätischen Wohlfahrtsverband terstützt. Wir haben es auch geschafft, eine feste Finanzie- lesen war. So wurde z. B. aus der Sozialarbeiterin des Regio- LV Berlin e. V. rung für Ehrenamtskoordinatoren in den Unterkünften zu nalen Dienstes im Jugendamt eine geflüchtete Mutter von initiieren. Besonders hervorzuheben ist auch das Projekt zwei Kindern auf der Suche nach Kitaplätzen. Mit diesem „work for refugees“, das auf sehr effektive Weise geflüch- Anliegen wurde sie ins Kitabüro zur Beratung geschickt. Anne Jeglinski tete Arbeitssuchende mit Arbeitgebern in Kontakt bringt. Dort konnte ihr gleich ein Sprachkurs und eine Beratung durch die Kontaktstelle Integration vermittelt werden, Wo kann verbessert werden? weil im Gespräch dieser Bedarf erkannt wurde. Über den Stadtteilzentren und Nachbarschaftshäuser sind ohne- Tellerrand schauen und vernetzten. So arbeiten wir und Egal, welche Identität, hin schon oft prekär ausgestattet. Die zusätzlichen Auf- das wurde in der Villa Mittelhof und den umliegenden Ein- unsere Mitarbeiter*innen as gelingt gut? gaben bedürfen deshalb einer gesonderten Finanzierung. richtungen in vielfältiger Weise von unseren engagierten blieben keine Antwort W Wir haben es schnell geschafft, unbürokratische Es braucht z. B. zusätzliche Angebote der Supervision für Fachkräften präsentiert. Eine Podiumsdiskussion über den schuldig. Hilfe in dieser Stadt zu organisieren und zu vernetzen. Die Ehrenamtliche. Stand der Arbeit mit Geflüchteten, Prof. Dr. Rita Süßmuth Stadtteilzentren, Nachbarschaftseinrichtungen und Mehr- mit messerscharfem politischen Resümee und Prof. Dr. generationenhäuser haben sich sehr schnell und gut für ihre Die Hürde in den Arbeitsmarkt und die Ausbildung ist für Nentwig-Gesemann mit dem Vortrag über Kitaqualität aus neuen Nachbarn geöffnet. Dies ist unter Mitwirkung von viele geflüchtete Menschen hoch, insbesondere für Ältere. Kindersicht rundeten den Tag vortrefflich ab. haupt- und ehrenamtlichen Kräften gelungen. Wir haben Da müssen die Zugänge besser angepasst werden. FACHTAG KOSMOS MITTELHOF - PODIUMSGESPRÄCH FACHTAG KOSMOS MITTELHOF - PODIUMSGESPRÄCH

Ehrenamtlicher im Paten- as machen wir? Unsere Aufgabe bleibt es, das große projekt des Mittelhof e. V. W Das Willkommensbündnis ist Potential und Selbstverständnis der 2014 gegründet worden und hat heu- Menschen zu stärken, die über ihr te ca. 3000 Unterstützer. Wir arbeiten Interesse am Thema Flucht und ihre Dietmar als Dienstleister (z.B. Kommunizieren Solidariät mit Geflüchteten einen und Verbreiten von Angeboten für wichtigen Beitrag zur Zukunft unse- Flemer Geflüchtete, Fahrdienste), als Vernet- res demokratischen Gemeinwesens zer (z.B. Runde Tische mit Verwaltung, leisten. Kirchen, Parteien und Initiativen) und als Akteur, der sich einmischt (z.B. Integration geht uns alle an und ist durch Stellungnahmen, Demos gegen dank des steten gesellschaftlichen ch engagiere mich sehr gerne als Fremdenfeindlichkeit). Wandels eine dauerhafte Aufgabe, I Pate für Geflüchtete und das nicht der wir uns stellen. nur, um mein Wissen weiterzugeben, Was gelingt gut? sondern auch, weil ich neugierig auf Willkommensbündnis Unsere Ehrenamtlichen sind den ge- Was gelingt noch nicht? fremde Völker und Kulturen bin. Steglitz-Zehlendorf samten Weg von der akuten Hilfe in Um langfristig als Bündnis mit diesen Aktuell begleite ich zwei junge Af- Notsituationen 2014/2015 bis hin zur vielfältigen Aufgaben aktiv sein zu ghanen und eine syrische Familie, die langfristigen Unterstützung bei der können, braucht es einer verlässlichen große Fortschritte in der deutschen Günther Integration in unser Bildungssystem, finanziellen Förderung. Da gibt es Sprache machen. in den Arbeits- und den Wohnungs- derzeit noch nicht genug. Es braucht Koordinatorin der Arbeit mit geflüchteten Menschen Berührend sind deren persönliche Schulze markt gegangen. Und die Bereitschaft außerdem besser ausgestattete öf- Schicksale, in die ich gute Einblicke er- zur Unterstützung ist ungebrochen. fentliche Regelstrukturen. im Mittelhof e. V. halte. Und auf meine Fragen zum Islam und zum Leben als Muslime bekomme Barbara Dieckmann ich umfangreiches Wissen vermittelt. 63 »Nach meiner Über- zeugung ist eine Geschäftsführerin des VskA as machen wir? Verband für sozial- W Wir beraten zu den Themen Arbeit, Ausbildung, Wohnen, Gesundheit demokratische kulturelle Arbeit und Bildung und bieten Kurse an (Computer, Sprachmittler/Lotse, Mathematik). Kultur nur möglich Durch z. B. unser Nähcafé, Sprachcafé und Feste binden wir geflüchtete Men- schen in die offene Stadtteilarbeit ein. Auch in den Schulen und Kitas sind wir durch Aufklärung.« Barbara mit unterstützenden Angeboten aktiv. In allen Bereichen unterstützen Ehren- amtliche mit enorm viel Kraft! Mit Humanität und Toleranz lassen Rehbehn sich viele Unterschiede überbrücken Was gelingt gut? und ein gutes gesellschaftliches Klima Das, was geflüchtete Menschen hier aus ihrer Situation machen, gelingt häufig gut. entsteht. Sehr viele gehen mit viel Kraft ihren Weg. Sehr positiv ist auch, dass es weiterhin Integration ist in der Tat wichtig – nicht er VskA ist der Fachverband der wieder zu erkennen. Erfolgreich und Prozesse, die viele Menschen mit- viele Menschen gibt, die geflüchtete Menschen ehrenamtlich unterstützen. nur für die geflüchteten Menschen, D Nachbarschaftshäuser, Stadt- gut angenommen sind Begegnungs- denken und mitnehmen. sondern angesichts der sich ständig teilzentren, Mehrgenerationenhäuser angebote, in denen Selbsthilfe, Bera- Was gelingt noch nicht? wandelnden Gesellschaft auch für - aller Zentren und Orte, an denen tung, Gemeinschaft und Freizeitge- Gemeinschaft - auch über die eigene Hohe Standards bedeuten für viele geflüchtete Menschen auch Zugangshür- mich. Menschen sich in der Stadt begegnen staltung zusammentreffen. soziale Gruppe hinweg, generatio- den. Es bleibt eine sehr wichtige Aufgabe, hier passgenaue Angebote und Zu- und gemeinsam aktiv sind. nen-, kultur- und milieuübergreifend gangswege zu schaffen. Sehr schwierig ist es auch für die Menschen, mit den Begegnung ist eine ganz wichtige - führt zu Zugehörigkeit. Und das fehlenden Kitaplätzen und der angespannten Situation auf dem Wohnungs- Nachbarschaftshäuser sind eine Voraussetzung für demokratische wussten schon die Quäker - demo- markt umzugehen. wichtige Grundlage für unsere De- Diskurse. Denn nur wenn Menschen kratisches Zusammenleben braucht mokratie. Hilfe zur Selbsthilfe, eine andere Menschen in anderen Lebens- Zugehörigkeit. Der Mittelhof ist ein Was wollen wir erreichen? der Ideen aus den Gründungsjahren situationen kennen, deren Erfahrun- wunderbares Beispiel hierfür in den „Alle Menschen sind verschieden und haben doch viel gemeinsam.“ Wir werden des Mittelhof, trägt genauso noch gen nachvollziehen, von sich erzäh- letzten 70 Jahren und sicherlich auch weiterhin aktiv die Diskussionen in der Zivilgesellschaft um Integration/Werte/ heute und ist in der Arbeit der Nach- len und anderen zuhören können, in der Zukunft. Demokratie/Rolle der Religion usw. mitgestalten. barschaftshäuser mit Geflüchteten nur dann entstehen demokratische FACHTAG KOSMOS MITTELHOF - VORTRAG FACHTAG KOSMOS MITTELHOF - VORTRAG

die Rückbesinnung auf diese Zeit mit- »Wir brauchen ein gemeinschaft- unter hilfreich. »Manchmal muss man Süssmuth stellte auch noch einmal die liches Denken, das Miteinander Frage, die sich damals die amerikani- schen, britischen und auch französi- und das Bewusstsein, dass jeder schen Besatzungsmächte in Deutsch- auch den Mut zu zivilem land stellte: „Ist es möglich, aus diesen Mensch auf andere angewiesen ist.« Nationalsozialisten Demokraten zu machen?“ Ungehorsam haben!« gefordert und gefördert werden. Von ihre Männer fragen mussten, ob sie Damals waren es auch die Nachbar- klein auf, in Kitas und Schulen, mit ge- erwerbstätig sein dürfen.“ Auch heu- schaftsheime, die sich so kurz nach meinsamem Musik- und Sportunter- te sei es leider meist noch so, dass dem Krieg am Gedanken der Koope- richt bis hin zu gemeinsamer Arbeit: Frauen die Arbeit machten und die ration und der Mitwirkung orientier- Zugehörigkeit entstünde vor allem Führung bei den Männern liege. Des- ten und damit die Basis für die soziale durch Gemeinsamkeit. wegen sei sie übrigens für ein „Reiß- Arbeit in einem demokratischen Ge- verschlussverfahren“ und nicht für Integration, Demokratie & offene Gesellschaft: Soziale Gerech- meinwesen bildeten. Gleichzeitig forderte sie zur Beteili- eine Quotenregelung, fügte sie au- gung an gesellschaftlichen Prozessen genzwinkernd hinzu. tigkeit benötigt persönliche und kollektive Anstrengungen Auch heute stünde diese Demokratie auf. Für Süssmuth ist die Beteiligung vor neuen Herausforderungen und ein wesentlicher Baustein für gelin- Im Übrigen dürfe man nicht bei den stehe in der Auseinandersetzung gende Integration. „Beteiligung ist Defiziten der Menschen ansetzen, mit neuen Autokraten. Neue Macht- das A und O“, wiederholte sie immer sondern beim ungenutzten Poten- ass Prof. Dr. Rita Süssmuth, zentren seien entstanden, weltweit, wieder. Zugehörigkeit entstünde über zial. Das gelte fur alle Menschen: Mi- D Bundestagspräsidentin a. D., aber auch in Deutschland. Deswegen gemeinsame Projekte, gemeinsames granten, Einheimische, Junge, Ältere. eine Menge Power hat, konnte die sei nach der jüngst stattgefundenen Tun. „Ich verstehe nicht, warum in Sie alle hätten wunderbares Poten- 65 inzwischen achtzigjährige Grande Bundestagswahl und dem Einzug der Deutschland dieser Prozess der Be- zial – „das haben wir durch die ehren- Dame der Politik in ihrem Festvor- AFD ins Parlament das Einmischen teiligung so schwer ist. Diese ganz frü- amtlichen Leistungen zu Zeiten des Rita Süssmuth trag zum Jubiläum des Mittelhof e. V. des Einzelnen wichtig. Und dies fände he Einbeziehung in praktische Arbeit Fluchtlingsstroms wieder ungefragt »Man braucht Zeit unter Beweis stellen. Sie unterhielt täglich statt, wie sie auch im Mittelhof ist so wichtig“, ergänzte sie. erfahren“, ergänzte Süssmuth. seines Lebens auch die anwesenden Gäste mit klugen und hautnah erlebe: Um dies zu erreichen appellierte sie Zum Schluss lobte sie den Mittelhof Power!« interessanten Thesen zum aktuellen an alle in einer Gemeinschaft tätigen e. V. und seine Mitarbeiterinnen und Geschehen genauso wie mit kleinen Kräfte an einem Strang zu ziehen. Nur Mitarbeiter für die Arbeit der vergan- Anekdoten aus ihrem langen Politike- »Mittelhof ist das Zusammenwirken von staatlichen genen 70 Jahre. Sie wünschte ihnen, rinnenleben. Und dies alles würzte sie Behörden und Institutionen mit dem Freude zu empfinden über das bereits mit einer gehörigen Portion Humor. eine Oase, die freiwilligen Engagement sei Erfolg Geschaffte. Gleichzeitig forderte sie Sie gratulierte dem Mittelhof zum versprechend. Sie ermunterte ihre alle Zuhörerinnen und Zuhörer dazu 70-jährigen Jubiläum, das an diesem von sich aus in Zuhörerinnen und Zuhörer: „Denken auf, sich einzumischen, zu beteiligen, Tag gefeiert wurde, und schaute zu- Sie daran, wir sind viel stärker als wir dabei offen zu sein für die Sorgen und nächst zurück und erinnerte sich da- die Gesellschaft von uns selbst annehmen.“ Probleme der Menschen in Not und bei auch an ihre eigene Kindheit. gemeinsam an einer Lösung zu arbei- eindringt« Süssmuth erzählte auch von ihrer ten, denn „keiner schafft`s allein“. Vor 70 Jahren, „wie war es denn da- aktiven Zeit in der Politik und wie sie mals?“ fragte sie auch im Hinblick auf sagte sie und bekannte: „Mich begeis- von der „Frauenfrage“ zum Thema In- die Flüchtlingssituation heute. Sie tert das zivilgesellschaftliche Engage- tegration und Migration gekommen erinnerte daran, dass es nach dem 2. ment in diesem Land.“ sei. Auch Frauen durften sich früher Weltkrieg 14 Millionen Flüchtlinge nicht beteiligen, waren nicht integ- Bundestagspräsidentin a. D. gab, überwiegend Deutsche, die eine Ihrer Meinung nach sei ein wesent- riert. Sie wären zu emotional, würden schwere Zeit durchlebten. Flücht- licher Bestandteil unserer Demokra- zu wenig ihren Kopf gebrauchen. Es linge, die ankamen und kein Zuhause tie die Forderung nach Gerechtigkeit wurde als „Weltuntergang“ angese- Prof. Dr. Rita hatten. Flüchtlinge, die integriert wer- und Gleichheit, also nach gleichen hen, wenn Frauen es wagten, sich in den sollten. Diese Situation sei zwar Chancen und Rechten für alle Men- Politik einmischen zu wollen. „Junge Süssmuth nicht vergleichbar mit der heutigen schen. Diese müssten von Anfang an Frauen können nicht mehr verstehen, Flüchtlingssituation, aber dennoch sei bestehen und bereits im Kindesalter dass Frauen noch in den 70er Jahren FACHTAG KOSMOS MITTELHOF - VORTRAG FACHTAG KOSMOS MITTELHOF - VORTRAG

nicht-pädagogisierten Freiräume bieten den Kindern die mungsrechten ernstgenommen und anerkannt zu werden. Möglichkeit für ungestörte gemeinsame Spielpraxis unter Sie wollen nicht, dass über sie, sondern dass mit ihnen ge- Kinder als Weltall- sich - kleinere Norm- und Grenzüberschreitungen sind für meinsam entschieden wird. Sie wünschen sich Erwachsene, die Autonomieentwicklung von großer Bedeutung. die ihre Handlungs- und Deutungsmächtigkeit nicht dazu nutzen, ‚Bestimmer‘ über die Kinder zu sein und ihre Rechte (1c) Sich durch Regeln, Rituale und Gemeinschaft zu missachten. oder Höhlenforscher? abgesichert fühlen: „Hier gehören wir hin. Hier fühlen wir uns sicher.“ (3b) Sich-Beteiligen, Mitreden und Mitentscheiden: Kinder mögen einen rhythmisierten Tageablauf und wie- „Wir werden einbezogen und entscheiden mit.“ derkehrende, gemeinschaftsbildende und -sichernde Ritu- Kinder wollen die Möglichkeit haben, den Alltag in der Kita ale. Sie nehmen gerne an ritualisierten Essenssituationen, mitzugestalten, sich an partizipativ angelegten Gestaltungs- Kreisgesprächen und anderen Gruppenaktivitäten teil, und Entscheidungsprozessen zu beteiligen und Mitverant- wenn sie aktiv an deren Ausgestaltung mitwirken und sich wortung für die Lösung von Problemen zu übernehmen. Sie Präsentation der Forschungsergebnisse ganz individuell einbringen können. wollen gefragt und mit ihren Meinungen und Wünschen Prof. Dr. Iris ernst genommen werden. zu Kita-Qualität aus Kindersicht Nentwig-Gesemann: (2a) Sich im eigenen Können ge- und bestärkt fühlen: »Was macht eine Kita „Ich kann was! Mir wird was zugetraut.“ (3c) Ausnahmen von der Regel erfahren: für die Kinder zu einer Kinder erleben und gestalten mit großer Begeisterung Situa- „Einmal durften wir das.“ guten Kita?« Erhebungszeitraum: 6 Monate tionen, die ihnen die Möglichkeit bieten, ihr individuelles Kön- Kinder messen ermöglichten Ausnahmen und Abweichun- nen auszuprobieren, zu üben und sich zu messen – alleine, gen von alltäglichen Abläufen und Regularien eine beson- Umfang: 6 Kitas innerhalb der Peergroup oder im Kontakt mit Erwachsenen. dere Bedeutung zu. Sie lieben es, wenn Ausnahmen mög- Alter der Kinder: 4 - 6 Jahre lich sind, weil sie dann die Erfahrung machen, dass Regeln (2b) Sich frei und raumgreifend bewegen: und Grenzen flexibel und verhandelbar sind und das Erle- Forschungsteam: Institut für „Ich kann mich frei bewegen und den Raum erfahren.“ ben glücklicher Momente höchste Priorität hat. Demokratische Entwicklung Kinder wollen Bewegungsräume, in denen sie ihre Selbst- 67 wirksamkeit erfahren und an die eigenen Grenzen gehen Was könnte das für pädagogische Fachkräfte und Kita- und Soziale Integration (DESI) können. Sie wünschen sich Innen- und Außenräume, in de- Teams heißen? nen sie ihren spontanen Bewegungsimpulsen nachgeben Die Teams sind eingeladen, auch mit Hilfe der Reflexionsfra- und sich ‚austoben’ können, in denen sich ihnen vielfältige gen der QuaKi-StudieF gemeinsam mit den Kindern zu über- n den am Projekt teilnehmenden Kitas wurden nicht wie Bewegungsmöglichkeiten bieten. Sie suchen dabei die An- legen, was in Ihrer Kita verbessert werden kann, damit sich I gewohnt die Erwachsenen zu Kita-Qualität befragt, strengung und die körperliche Herausforderung und lieben alle Beteiligten in ihrem Kitaalltag gleichermaßen wohl fühlen. sondern diejenigen, die sich damit am besten auskennen: das ein bisschen ‚riskante‘ Spiel. Die Kinder selbst. Und für Trägervertreter*innen und kommunale Hierbei fragte das Forschungsteam die Kinder: „Wir inte- (2c) Sich selbst und die Welt explorativ erkunden und Verwaltungskräfte? ressieren uns dafür, was aus Sicht von euch Kindern eine existentiellen Themen bearbeiten: „Wir erforschen Setzen Sie sich im Dienste der pädagogischen Fachkräfte, gute Kita ist? Was erlebt ihr hier, was gefällt euch, was hät- die Welt und suchen nach Antworten auf schwierige der Kinder und ihrer Eltern für bestmögliche strukturelle tet ihr gerne anders? Wir möchten das, was Kinder dazu Fragen.“ Arbeitsbedingungen ein: Gute Qualität braucht gute Rah- denken und zu sagen haben, an die Kita-Bestimmer wei- (1a) Sich als Individuum sichtbar und die eigenen Kinder haben ein großes Interesse an der Auseinanderset- menbedingungen! tergeben. Hierfür brauchen wir eure Hilfe!“ Die Kinder Sachen geschützt fühlen: „Das bin ich. Das ist meins.“ zung mit existentiellen Lebensthemen und Naturphänome- verstanden das sofort: „Ihr seid sowas wie Weltallforscher Kinder fühlen sich dann wohl, wenn sie als Individuen im nen, mit denen sie durch eigene Erfahrungen, Beobachtun- oder Höhlenforscher.“ Gruppenkontext der Kita sichtbar sind, wenn Dinge, die gen oder Nachrichten/Medien in Berührung kommen, z.B. ihnen wichtig sind, vor dem Zugriff durch andere – Erwach- Geburt, Fortpflanzung, Tod und der eigenen Identität. Professorin für Bildung im Kindesalter und Während der jeweils zweitägigen Besuche des Forschungs- sene und Kinder – geschützt sind, wenn Alltagsgegenstän- Leiterin des Studiengangs Erziehung und (2d) Sich in der Kita auskennen: teams in jeder Kita eröffneten die Forscher*innen den Kin- de (z.B. Zahnputzbecher) und Plätze (z.B. in der Garderobe) Bildung im Kindesalter an der dern Freiräume, von ihren Erfahrungen und Erlebnissen zu für sie ‚reserviert‘ sind. Durch das Ausstellen ihrer Arbeiten „Wir kennen uns in der Kita aus.“ erzählen, ihnen ihre Kita zu zeigen und sie im Tagesablauf (z.B. Zeichnungen) fühlen sich die Kinder wertgeschätzt Wenn Kinder sich mit den Räumen und den Abläufen in der Alice Salomon Hochschule Berlin und beim Spielen zu beobachten. Oberstes Prinzip: Den und anerkannt. Kita auskennen, wenn es ihre Einrichtung und ihr Tagesab- Kindern mit Offenheit und Respekt vor den von ihnen lauf ist, fühlen sie sich sicher und beheimatet. Sie erleben eingebrachten Themen, Erfahrungen, Relevanzen und (1b) Sich zurückziehen und an ‚geheimen‘ Orten unge- die Kita dann als einen ihrer zentralen Lebensorte. Prof. Dr. Iris Ausdrucksweisen zu begegnen. Welche Erlebnisse und Er- stört Spielwelten entfalten: „Hier können wir unge- fahrungen, welche Handlungs- und Interaktionsmöglich- stört spielen und unserer Fantasie freien Lauf lassen.“ (3a) Sich in Bezug auf die eigenen Entscheidungen Nentwig-Gesemann keiten sind nun aus der Perspektive von Kindern besonders Kinder legen großen Wert auf „geheime Orte“, die von Er- respektiert fühlen: „Ich darf über mich bestimmen.“ relevant? wachsenen nicht so ohne Weiteres einsehbar sind. Diese Kinder legen großen Wert darauf, in ihren Selbstbestim- MENSCHEN IM MITTELHOF 2017

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2017 Sommerfest in der Villa Mittelhof MENSCHEN IM MITTELHOF 2017 MENSCHEN IM MITTELHOF 2017

Was bewirkt ihre Tätigkeit für Sie und brauchen Hilfe. Sie müssen den gan- wichtig sind auch die Computerkur- Esam Alamer für die Gesellschaft? zen Tag Papiere ausfüllen. Dann ist es se und Mathematikkurse. Computer Ich selbst habe sehr gut das System gut, wenn sie Hilfe bei einer Organisa- braucht man in Syrien nicht so viel, in Deutschland verstanden. Für mich tion wie dem Mittelhof bekommen. aber hier unbedingt. Über Email in selbst habe ich auch gelernt, wie ein Kontakt zu treten, ist bei uns nicht Sprachmittler Büro hier funktioniert. Vor allem, wie Allgemein brauchen Geflüchtete viel so wichtig und so haben die Leute man mit anderen hier zusammen- Unterstützung, die deutsche Sprache das nicht gelernt. Wenn der Mittel- arbeitet. zu lernen. Manchmal gibt es alte Leu- hof dies aber bietet, dann können die und Lotse im te, die nicht in der Lage sind, schnell Leute das lernen, wie man mit einem Deutsch zu lernen. Die alten Leute Computer umgeht. »Die Menschen brauchen viel Zeit, um zu lernen. Das Mittelhof Alter spielt eine Rolle, ob man schnell können sich bes- lernt oder langsam. Es gibt auch Leu- »Man braucht te, die in Syrien z. B. nach der 6. Klasse 22 Jahre alt, in Syrien geboren, ser integrieren, die Schule verlassen haben. Es fällt ih- Zeit und viel nen schwer zu lernen. Deshalb brau- 2015 nach Deutschland einge- wenn sie Hilfe chen sie Zeit, um das zu schaffen und Geduld, um Arbeit zu finden. Da hilft der Mittelhof reist, 2017 im Mittelhof e. V. zum bekommen wie einen passenden Kurs zu finden. Es zu lernen.« gibt auch Leute, die gar nicht lernen Sprachmittler/Lotsen qualifiziert, sie der Mittel- können. Sie versuchen es, aber es geht Ich verstehe und finde nicht, z. B. wenn sie krank sind. Dann es wichtig, dass man ab Oktober 2018 Informatik- hof gibt.« hilft der Mittelhof bei Fragen zur Ge- Deutsch lernen sundheit. Oft fehlt auch der Kontakt muss, denn das Studium Universität Potsdam Sie wissen oft nicht, wie sie sich inte- zu Deutschen. Da hilft der Mittel- ist die Sprache 71 grieren können, weil es z.B. in Syrien hof durch Kontakte zu Deutschen im eures Landes. ganz anders läuft. z. B. wenn jemand Sprachcafé oder in einer Patenschaft. Aber es braucht ie haben Sie den Mittelhof e. V. Beispiel, wer was bei den Ämtern eine Arbeit sucht, dann ist das System Zeit. Es geht W kennen gelernt? macht, wer was darf und was nicht ganz anders. Hier sind ein Praktikum, Insgesamt braucht es viel Geduld. nicht so Ich habe den Mittelhof über die „Qua- und wie man Formulare ausfüllt und Maßnahmen, die Ausbildung und ein Der Mittelhof hat ein gutes Team, schnell. lifizierung zum Sprachmittler und Lot- Menschen hilft, die nicht gut Deutsch Zertifikat wichtig. Ohne das kann man das alles gerne und freundlich macht. sen“ kennen gelernt. Ich habe diese sprechen. hier nicht arbeiten. Viele Leute fragen Das Team geht mit den Geflüchteten Qualifizierung über die Homepage mich dann, wie sie dies in Deutschland gut um und hört zu. Das ist das, was von „start with a friend“ gesehen. Ich habe in dem Kurs auch gelernt in am besten machen. Ein Mann hat mich die Geflüchteten brauchen, wenn sie Dann habe ich mich für den Kurs an- einer Gruppe zu arbeiten. Wir haben gefragt, wie er hier Koch werden kann, viele Probleme haben. Ich habe auch gemeldet und an dem Kurs teilgenom- viele Inhalte durch Teamarbeit ge- weil er in Syrien Koch war. Dann er- gemerkt, dass das Team mit den Ge- men. So habe ich den Mittelhof e. V. lernt. kläre ich ihm, wie er das schaffen kann. flüchteten langsam spricht, wenn sie mit allen Angeboten kennengelernt. Deshalb brauchen die Leute Hilfe. Ich nicht gut deutsch sprechen. So können Welche Aufgabe haben sie als brauche die Hilfe auch. Ich werde die Leute es auch gut verstehen. Das Was haben Sie bei der „Qualifizierung Sprachmittler? studieren und habe viele Fragen, wie macht mir wirklich Spaß, hier mit dem zum Sprachmittler und Lotsen“ alles Ich übersetze jetzt in der Sprechstunde dies alles geht an der Uni. Team zu arbeiten. gelernt? der Kontaktstelle Integration im Mit- Ich habe viele Erfahrungen gesam- telhof. Manchmal begleite ich auch Wie sehen Sie die Situation von Was muss in der Zukunft unbedingt melt und neue Wörter gelernt. Ich Menschen zu Ämtern wie dem Job- Geflüchteten Menschen in Steglitz- getan werden, um Integration zu konnte vorher nicht so viel im Deut- center oder der Ausländerbehörde. Zehlendorf? ermöglichen? schen verstehen wie danach. Das hat Ich begleite auch zum Arzt. Ich helfe Geflüchtete Menschen brauchen viel Der Mittelhof hat alles ge- mir sehr geholfen. Ich habe meine den Menschen auch einfache Formu- Unterstützung, um eine Arbeit zu macht, was Geflüchtete brau- deutsche Sprache sehr verbessert. lare auszufüllen. finden. Manche kämpfen, um das zu chen. Die Unterstützung ist Ohne die Qualifizierung könnte ich Den Menschen fällt es auch schwer, bekommen, andere sitzen zu Hause. sehr wichtig. Vor allem die bestimmt nicht anfangen, dieses Jahr ihre Post selbst zu verstehen; da helfe Aber, wenn sie die anderen sehen, Begleitung. Ich hoffe, dass zu studieren. ich. So können wir komplizierte Spra- die Hilfe bekommen und es schaffen, der Mittelhof so weiter- Ich habe auch gelernt, wie das System che in einfache oder arabische Spra- dann können sie auch etwas tun, um macht und sie weiter so eine in Deutschland funktioniert. Zum che übersetzen. eine Arbeit zu finden. Auch Familien Unterstützung anbieten. Sehr MENSCHEN IM MITTELHOF 2017 MENSCHEN IM MITTELHOF 2017

höchste Stelle vom Klettergerüst zu erklimmen. Oben Ein Flugzeug überfliegt den Mittelhof und stört durch sein Ein Juninachmittag angekommen stößt er einen Jubelschrei aus, der die flim- Geräusch die Idylle. mernde, sehr warme Luft scharf durchdringt. Ich höre eine Stimme, die fragt: „Willst du Blaubeeren An einem Tisch, der mit zwei Sitzbänken verbunden ist, sit- essen?“ Die Frage ist nicht an mich gerichtet. Trotzdem zen fünf Damen und spielen angeregt Karten. Sie spielen antworte ich: „Ja ich möchte.” Erst Kirschen, dann Blau- im Garten der wortlos. Intensiv starren sie in ihre Karten, sortieren sie beeren. Kindheitserinnerungen werden wach. Sehnsüchte und passen mit Argusaugen auf, wer welche Karte aus- beschleichen mich, Appetit regt sich an. Verzichten heißt, legt. In dem Gesicht einer Kartenspielerin entdecke ich ein ertragen müssen. schelmisches, hoffnungsvolles Lächeln. Sehnsüchtig wartet Eine Biene besucht mich. Was hat sie vor? Sie setzt sich nie- Villa Mittelhof sie darauf, Anlegekarten loszuwerden. Endlich ist es soweit. der auf mein Blatt Papier. So als würde sie lesen wollen, was Das Kartenspiel ist beendet. Die Siegerin steht fest. ich aufgeschrieben habe, krabbelt sie über Zeile für Zeile. Impressionen von Manfred Durch das Läuten einer Kirchturmglocke werde ich abge- Sie fliegt weg. Ich folge ihrem Flug, bis ich sie aus den Augen lenkt. Ich schaue auf meine Uhr. Sie verrät mir, dass es acht- verliere. Bieschke-Behm, Leiter der zehn Uhr ist. Wird der Feierabend eingeläutet, überlege ich oder wird zur Abendandacht geladen? Ich weiß es nicht. Ich komme immer wieder Schreibgruppe »Wenn Wörter Auch meine Zeit ist gekommen, aufzubrechen. Wehmut Es macht mir Spaß, das aufzuschreiben, was ich wahrneh- kommt nicht auf. Ich weiß, dass ich wiederkommen wer- Flügel bekommen« me. Sinneseindrücke verwandeln sich in Buchstaben, in de. Ich komme wieder, weil ich die Villa, die Terrasse, den Wörter, lassen Sätze entstehen, ganze Geschichten. Garten brauche wie die Luft zum Atmen. Ich brauche kar- tenspielende Damen und Menschen, die auf der Terrasse ieder einmal sitze ich im wunderschönen Garten, kleines Mädchen füllt Ein Traum von Kirschen und Blaubeeren verweilen. Ich brauche den Duft des Rasens und den Duft W der sich hinter der Villa Mittelhof befindet. Warum eine Kuchenform mit Sand Die Abendsonne schafft es zwischen dichtes Blattwerk alter Bäume, den Geruch der Erde, in die sich Wurzeln tief zieht es mich immer wieder hierher? Während ich auf einer und stülpt sie um. Es ruft hindurch zu scheinen und mein Gesicht wie durch einen vergraben haben. Ich benötige Blumen, Kräuter und Grä- Bank sitze, die so aufgestellt ist, dass mich die Sonne suchen nach ihrer Mutter zur Be- Filter anzustrahlen. Durch diffuse Lichtverhältnisse ent- ser, um mich der Natur ganz nah zu fühlen, und ich brauche muss, um mich bescheinen zu können, suche ich nach Ant- gutachtung. Die Mutter geht stehen Schattenspiele. Sie tragen dazu bei, Tagträume zu den Gesang der Vögel, der sich in meinen Ohren zu einer 73 worten. zu ihrem Kind, lobt es, streicht entwickeln. Diese versetzten mich in eine andere Welt, weit Sinfonie zusammenfügt. Ich liebe Eichhörnchen, die sich an Sind es die alten Bäume mit ihren knorrigen Rinden und über den Kopf, was der Tochter entrückt von der Realität. Eine Frau, die mit einer Schale den Baumstämmen hoch- und runterhangeln, um den Be- den breiten Blätterkronen, die mich magisch anziehen? offensichtlich gut tut. Ich knackiger, dunkelroter Kirchen an mir vorbei geht, holt mich griff Freiheit erklärt zu bekommen und gelegentlich den Oder der Vogelgesang, den ich heute als besonders inten- sehe Zufriedenheit zurück in das Hier und Jetzt. Warum frage ich sie nicht, ob jungen Fuchs, der scheinbar ohne Angst vor Menschen zu siv empfinde. Die Vögel scheinen in einen Wettstreit getre- in beiden Ge- sie mir eine Kirsche schenken mag? Ja warum nicht? Ich bli- haben, gemächlich durch das Gelände läuft. ten zu sein. Wer kann am besten, am lautesten singen? sichtern. cke ihr nach und begnüge mich mit dem Geschmack von Mir würde etwas fehlen, wenn ich die Villa mit ihren vielen Bestimmt ist es der gepflegte Rasen, das saftige Grün, der Ein Jun- Kirschen, den ich in meinem Mund spüre. Fenstern, die mich gerade anschauen, hinter denen gelebt, mich glauben lässt, auf einem kostbaren Teppich zu laufen. ge ist gearbeitet, beraten wird und Probleme gelöst werden, Oder sind es die Pflanzen, die mich je nach Jahreszeit in dabei Ich blicke, begleitet von dem Gesang einer Amsel, auf nicht mehr betreten könnte. „paradiesische Zustände“ versetzen? Wobei es heute die die das Hauptgebäude. So lange ich die Villa Mittelhof be- weißen Rosen sind, denen ich gerne meine Aufmerksam- suche, begeistert mich das Gebäude. Für mich strahlt Die Villa und der Garten keit schenke. Weiß ist meine Lieblingsfarbe und in Verbin- die Villa Kraft und Schönheit aus. Seit zwanzig Jah- dung mit Rosen wird mein Wohlgefühl erfüllt. ren finde ich Ruhe und Zufriedenheit im Gebäude lassen es geschehen, dass und im Garten. Unzählige Gespräche haben mich Schaue ich geradeaus, blicke ich auf eine der Villa vor- bereichert, mir Klarheit verschafft und davon sich Sorgen, die ich mit- gebaute Terrasse. Das heißt, die Terrasse lässt sich aus überzeugt, dass es für alles einen gangbaren meiner Sitzposition nur ahnen. Eigentlich sehe ich hinter Weg gibt. gebracht habe, auflösen. Pflanzenwuchs nur aufgespannte Sonnenschirme, auf die die Sonne gnadenlos scheint. Ich höre Stimmen von sich So langsam leeren sich Terrasse und Garten. Über das große Eingangstor verlasse ich das Gelände. Ich unterhaltenden Menschen und Geschirrgeklapper. Hin Die kartenspielenden Damen haben längst spüre Leichtigkeit im Denken und Fühlen. Noch eine ganze und wieder fröhliches Gelächter. ihren Spieltisch verlassen. Nur noch wenige Weile verfolgt mich das Zwitschern der „Mittelhofvögel.“ Kinder spielen unter dem alten Kastanien- Ich glaube, sie wollen mir allesamt mitteilen, dass ich bald Zufriedenheit in den Gesichtern baum oder turnen auf Klettergerüst oder auf wiederkommen soll. Ich komme wieder, verspreche ich. Kleine Kinder rennen zum Teil aufgeregt hin und her. Baumstümpfen und Wurzeln herum. Auf der Ein an mir vorübergehender Mann, der meine Zusage mit Sie jagen sich, verstecken sich. Sie finden sich mit gro- Terrasse wird sich verabschiedet und Geschirr angehört hat, sagt zu mir: „Gut so. Machen Sie es wie ich. ßem Hallo und beginnen das Spiel von vorne. Einige zusammengeräumt. Vereinzelt sitzen paarweise Gehen Sie dahin, wo Sie sich wohlfühlen. Ich bin ständiger Kinder hocken dicht beieinander, andere sind mit oder in kleinen Gruppen Menschen zusammen, die Gast im Mittelhof.“ „Ich auch“, erwidere ich und setze meinen sich allein beschäftigt, leben in ihrer Welt. Ein sich aus Respekt der Natur gegenüber leise unterhalten. Heimweg fort. MENSCHEN IM MITTELHOF 1969 - 2017 MENSCHEN IM MITTELHOF 1969 - 2017

»Kinderladenkinder waren Wie haben Sie als Enkelin ihre Kitazeit in Erinnerung? Mira Casser (Enkelin): Auch ich habe, wie meine Mutter »Einmal Rübchen, damals in der Schule nicht gern und Großmutter, eine schöne Zeit bei den Rübchen ver- gesehen, denn man befürchtete bracht. Vor allem der riesengroße wilde Garten ist mir in Erinnerung geblieben und der Morgenkreis, mit dem wir immer Rübchen!« die meinungsstarke Eltern- immer den Tag begannen. Jedes Kind durfte sich zu Beginn schaft, die damals nicht üblich der Kitazeit ein Tier aussuchen als Symbol für den Garde- 3 Generationen Kindertagesbetreuung robenhaken, den Zahnputzbecher etc. Mein Tier war die war.« Ente, die durfte ich über die gesamte Kitazeit behalten. Die im Mittelhof Kita war sehr frei und offen, mit vielen Aktivitäten und An- Was hat sie dazu bewogen, Erzieherin zu werden? geboten, die Spaß machten. So durften wir z. B. schon auch Christine Casser (Mutter): Ich weiß nicht mehr, wie ich dar- mal während des Regens nackt im Schlamm spielen. as war der Anlass für die Gründung der Kita Und sogar meine Enkelinnen waren später Kitakinder bei auf gekommen bin. Aber als ich mich dazu entschlossen hat- W Teltower Rübchen? den Teltower Rübchen. te, die Ausbildung zur Erzieherin zu machen, war klar, dass Gehen Sie beruflich auch in Richtung Pädagogik? Heidemarie Aschenbach (Großmutter): Die „geistigen“ An- ich das einjährige Praktikum in der Kita Teltower Rübchen Ja, irgendwie schon. Ich studiere Soziale Arbeit und viel- fänge der späteren Kita Teltower Rübchen liegen in einem Was sind Ihre schönsten Erinnerungen und Erlebnisse in der absolvieren würde. So kam es auch. Als meine erste Tochter leicht mache ich im Mittelhof ja mal ein Praktikum und blei- Mini-Club an der Kirche am Buschgraben, den meine Toch- Kita Teltower Rübchen? in die Kita kam, wechselte ich während der Erziehungszeit be somit auf den Spuren meiner Mutter und Großmutter. ter Christina (damals 2 Jahre alt) besuchte. Die Betreuung Christine Casser (Mutter): Als Kind der ersten Stunde er- als Mutter in den Kita-Vorstand. Nach der Geburt meiner umfasste täglich ca. 2 Std. Ziemlich schnell wurde klar, dass innere ich mich sehr gut daran, dass wir nach Lust und zweiten Tochter, die auch „Rübchenkind“ wurde, kehrte ich uns dies zu wenig war. Ich sprach mit anderen Eltern und Laune auch frei mit Fingerfarben experimentieren und als Erzieherin in die Kita zurück und habe dort zwanzig Jah- »Durch meine Biografie als wir waren uns einig, dass ein großer Bedarf nach mehr Be- uns gegenseitig bemalen durften! Insgesamt habe ich tolle re mit Freude gearbeitet. Auch die Kinder der ehemaligen Kitakind, Tochter einer Kita- treuung bestünde. Geleitet von dem damals hochaktuellen Erinnerungen an die Kita. Am liebsten spielte ich mit Kin- Rübchenkinder besuchten die Kita, nach dem Motto: „Ein- Trend der antiautoritären Erziehung und angetan von den dern aus den älteren Gruppen. Ich genoss die Freiheit und mal Rübchen, immer Rübchen!“ 1993 gab es die nächste Erzieherin und Enkelin einer Lehren von J. J. Rousseau und Summerhill, beschloss ich, Selbstbestimmtheit, die wir hatten. Umso schmerzhafter große Veränderung für die Rübchen. Die Räume am Tel- Kinderladen-Gründerin habe meiner Tochter nicht die übliche rigide Erziehungspraxis war die Konfrontation mit der Strenge und Ordnung der an- tower Damm wurden gekündigt. Die engagierten Eltern 75 „Antreten der Kinder wie auf dem Kasernenhof“ angedei- schließenden Vorschule, die wurden fündig und das Bezirksamt Zehlendorf stellte ein ich im Mittelhof viele offene hen zu lassen. Die Idee, eine Eltern-Initiativ-Kita (EKT) zu Teil meiner späteren ehemaliges Mädchenwohn- gründen, lag daher nahe. Wir fanden eine ehemalige Eisen- Grundschule war. heim zur Verfügung, die Gestaltungsräume kennen- warenhandlung am Teltower Damm, die somit auch zur Ich war stark Villa in der Hohen- lernen dürfen.« Namensgeberin für die EKT Teltower Rübchen wurde. verunsichert zollernstraße und hatte 3-4, wo sich die Ich hoffe, dies weiter dort An- Kita bis zum zu tragen, wenn ich »Wir Eltern waren gleichzeitig passungs- heutigen Tag selbst einmal eine Arbeitgeber und Mitwirkende. probleme. befindet. engagierte Mut- ter eines Kita- Voller Tatendrang stürzten wir kindes werden uns in die Gestaltung der Kita.« sollte. Gehwege wurden angelegt, der Spielplatz gestaltet und so manche Wand hochgezogen. Im Anschluss daran begann innerhalb der Elternschaft eine heiße Diskussionsphase über die konzeptionelle Ausrichtung der Kita. Der anti-autoritäre Erziehungsstil sollte die pädagogische Grundhaltung von vornherein beeinflussen. Einige, eher konservative Eltern sprangen im Laufe der Gründungsjahre wieder ab, andere engagierten sich umso intensiver. Die Kinder sollten in drei Gruppen von früh bis ca. 13 Uhr betreut werden. Für jede Gruppe waren eine Pädago- gin und ein Elternteil zuständig. Die Eltern haben zu- sätzlich den Frühstücks- und Putzdienst übernom- men. 1973 ging der Kindergarten Teltower Rübchen in die Trägerschaft des Mittelhof e. V. über. Zur sel- ben Zeit kam auch meine zweite Tochter in die Kita. MENSCHEN IM MITTELHOF 2017 MENSCHEN IM MITTELHOF 2017

rau Partsch, wie haben Sie den auf der Straße treffen, sagen sie auch, War es Ihr Wunsch, in einem Kiez »Viel mehr mit- F Mittelhof e. V. kennen gelernt? dass sie sich schon auf´s nächste Mal zu leben, in dem sich die Menschen Bärbel Partsch Ich bin vor sechs Jahren nach Zehlen- freuen. Das bereitet mir dann richtig untereinander kennen? einander, das dorf gezogen und habe festgestellt, Freude. Wir haben diesen schönen Onkel Gründerin der Nachbarschafts- da leben sehr viel alte Menschen, die Tom Kiez, wo man immer die gleichen ist wichtig. Und brauchen Hilfe, die sind einsam. Ich Seit vier Jahren gibt es die Nachbar- Leute wieder trifft. Wenn ich denen hilfegruppe »Kiezfeen« im kannte niemanden und habe dann im schaftshilfegruppe „Kiezfeen“. Wie zehnmal guten Tag gesagt habe im nicht mehr die- Bezirksamt das Mittelhofprogramm kam es dazu? Vorbeigehen, dann spricht man ir- Mittelhof mitgenommen und einen Termin im Ich hatte mich früher bereits in Span- gendwann auch miteinander. Ich bin ses: Ich bin so im Stadtteilzentrum gemacht. dau engagiert und war auf der Suche ja auf dem Dorf groß geworden. Da nach etwas, was ich hier in Zehlendorf ist das einfach anders, man kennt sich Mittelpunkt und tun kann. 2014 haben die Mitarbei- und tauscht sich aus. Da gibt es einen »Man kann nicht alles tenden des Stadtteilzentrums und ich ganz anderen Zusammenhalt als in alle anderen dann gemeinsam die Nachbarschafts- einer großen Stadt. alleine machen, man hilfegruppe ins Leben gerufen. Und sind mir eigent- nach und nach haben sich sieben eh- In Zehlendorf leben einfach viele älte- braucht schon jemanden, renamtlich Engagierte zusammenge- re Menschen, die so einsam sind, dass lich egal.« funden und bieten seitdem Nachbar- sie gar keine Kontakte mehr haben der hinter einem steht.« schaftshilfe an. und es nicht schaffen, auf die Men- Ich hätte den Wunsch, dass alle sozia- schen zuzugehen oder wissen wie. len Einrichtungen ein bisschen mehr Im Gespräch mit den Mitarbeitenden Nachbarschaftshilfe war für mich Beachtung finden würden, die sich für des Stadtteilzentrums ist dann ganz anfangs gar kein Begriff. Mir ging es Mit ein paar Nachbarn sitzen wir öf- die Belange der Menschen in den Be- schnell die Idee mit der Nachbar- darum, wie kann man den Menschen ters mal draußen vor dem Haus zu- zirken engagieren. Ich habe zu meiner schaftshilfe und dem Klöntisch für helfen, wie kann man sie zusammen- sammen und da hatten wir neulich ein aktiven Berufszeit immer wieder mit- ältere Menschen entstanden. bringen, dass sie miteinander reden schönes Erlebnis. Da kam dieser junge bekommen, wie Personal abgebaut 77 und in Kontakt treten können. Mann von nebenan mit einem Brett wurde und öffentliche Begegnungsor- Ein Klöntisch für ältere Menschen voller Brote bei uns vorbei und mein- te verschwinden. Soziale Projekte, die - was können wir uns darunter vor- Die Kiezfeen erledigen Einkäufe für te, er sei gerade nach Hause gekom- gut funktionieren und angenommen stellen? Menschen, die selbst eingeschränkt men und es sehe so gemütlich aus - ob werden, werden nach einem Zeitraum Ich treffe mich zweimal im Monat sind. Ältere Menschen fragen auch er sich nicht mit einer Stärkung für alle von zwei bis drei Jahren nicht weiter nachmittags mit elf älteren Damen öfter an, ob sie jemand zu einem Arzt- dazu setzten könne. gefördert, das finde ich so schade. im Kiezladen, den der Mittelhof in besuch begleiten könnte oder bei klei- Das ist eigentlich das, was ich möchte, Da läuft etwas gut und es fehlt nach- der Ladenzeile des U-Bahnhofs Onkel neren Reparaturen helfen kann. Aber dass sich immer jemand dazu gesellen her am Geld für das Personal und die Toms Hütte angemietet hat. Da erzäh- ich glaube bei vielen ist es vor allem so, kann. Wir haben immer einen Hocker, Strukturen und dann versickert das. len alle, was sie so in letz- dass sie einsam sind, reden wollen und auf den sich auch jemand Fremdes Wenn man langfristig in die Zukunft ter Zeit erlebt haben, gemeinsam Zeit mit jemandem ver- dazu setzen kann. planen und etwas verändern will, wir spielen Spiele bringen möchten. braucht man auch die Sicherheit, dass und unternehmen Wenn Sie sich etwas wünschen das Projekt überhaupt weitergetragen regelmäßig Aus- Sie sind mit dem Projekt „Kiezfeen“ n könnten, wo sollte es in den nächsten werden kann. flüge. den Kiezladen des Mittelhof e. V. in Jahren hingehen? Die Menschen werden ja nicht jünger die Ladenstraße Onkel-Toms-Hütte Ich glaube im Moment gibt es eine und da wird in Zukunft eine verstärkte gezogen. Warum? Entwicklung, dass vor allem die jün- Nachfrage nach Unterstützung im All- Wie finden die Mir war es wichtig, dass die Leute geren Menschen langsam wieder auf- tag auf uns zu kommen. Ich hoffe, dass Damen das? einen nahen Ort haben, wo sie einfach merksamer werden. Die stehen auf, wir bald auch mehr Menschen finden Wenn sie raus- reinkommen können, um mal in Ruhe wenn sie merken, dass ich mich über können, die sich ehrenamtlich enga- gehen, nehmen sie reden zu können. Irgendwann hat es einen Sitzplatz freuen würde, oder gieren wollen. mich alle in den Arm geklappt, dass ein Laden in der Laden- tragen mir meinen Koffer aus dem Es gibt im Moment noch zu wenige und sagen Danke, wie zeile frei zur Miete war und ich hab Zug. Da habe ich Hoffnung, dass es Menschen, die sich ehrenamtlich en- schön das wieder war. Und mich riesig gefreut. Die Leute kom- wieder mehr Aufmerksamkeit für die- gagieren möchten. Wichtig ist auch dann denk ich mal, dann ist men kurz rein zum Klönen, der Laden ses Miteinander geben wird. die Art, wie man mit Ehrenamtlichen es richtig, wenn sie sie sich so ist mittendrin im Kiez. umgeht und ihre Arbeit wertschätzt. verabschieden. Wenn sie mich Diesen persönlichen Umgang erlebe ich im Mittelhof sehr positiv. Nach dieser Lektüre der Geschichte des Mittelhof e. V. werden die aufmerksamen Leser, die das »Nachbarschaftsheim Mittelhof« von heute kennen, bemerkt haben, dass sich viel ver- ändert hat seit den kleinen Anfängen Ende der 40er Jahre. Der Mittelhof e. V. von heute ist eine Institution in Steglitz-Zehlendorf, die mit hochprofessionellen Organisationsstrukturen soziale Einrichtungen betreibt.

Mit Konstanten in die Zukunft – Organisationsentwicklung an den Aufgaben orientiert und mit klarer Haltung

s ist durchaus angebracht einen kritischen Blick auf Der Mittelhof der Zukunft wird weiterhin geprägt sein von E die Entwicklung des Mittelhof e. V. in den vergangenen bürgerschaftlicher Initiative und Engagement und damit Jahrzehnten zu werfen und dies mit der Frage, wie es in den die Grundidee der Menschen, die wir hier in diesem Buch kommenden Jahren weitergeht, zu verbinden. Wie viele an- kennengelernt haben, in die Zukunft tragen. Lokales und dere Berliner „Träger“ ist der Mittelhof gerade seit Anfang demokratisches Handeln im Alltag wird auch zukünftig zu der 2000er-Jahre stark gewachsen. Das birgt die Gefahr, den zentralen Anliegen des Mittelhof gehören. Gemeinsam dass die notwendige Professionalisierung der Institution mit Bürgerinnen und Bürgern, der Politik und öffentlicher die Dynamik eines von bürgerschaftlichem Engagement Verwaltung wird der Verein das gesellschaftliche Zusam- geprägten Vereins unter sich begräbt. Nicht allen „Trägern“ menleben in Steglitz-Zehlendorf aktiv mitgestalten und Lö- 79 ist es so gut gelungen, ihre Identität als „gemeinnütziger sungen für die Probleme in der Nachbarschaft entwickeln. Verein“ zu bewahren. Weiterhin ist der Mittelhof ein ein- So wird der Mittelhof auch in Zukunft dazu beitragen, die getragener Verein, eine Einrichtung des bürgerschaftlichen demokratische Kultur in unserer Gesellschaft zu festigen Engagements und der freiwilligen Mitarbeit, eine gemein- und lebendig zu halten. nützige, dem Gemeinwohl verpflichtete Organisation in Steglitz-Zehlendorf (!). Das ist seine Besonderheit und alle Inhaltlich wird die Arbeit des Mittelhof in den nächsten seine Zielsetzungen leiten sich daraus ab. Jahren vor allem durch die weitere Qualifizierung der An- gebote in Kindertagesstätten und Schulkooperationen, der Der Verein wird sich auch zukünftig den Aufgaben anneh- Integration von zugewanderten Bürgerinnen und Bürgern, men, die ihm begegnen, und wird bereit sein Verantwor- demographischen Wandel und die Situation von Eltern und WO tung zu übernehmen. Ganz im Gegensatz zur derzeit von Kindern in einer sich rasant entwickelnden Stadt geprägt Teilen der Berliner Politik propagierten Rekommunalisie- sein. Aktuelle politische Entwicklungen führen auch wieder rung steht die erfolgreiche Geschichte von Übertragun- bewusst zurück zu den Anfängen. Wir alle erkennen gera- gen sozialer Einrichtungen an den Mittelhof e. V. für eine de, dass es Engagement und Mut braucht, um Demokratie GEHT ES Beibehaltung dieses Weges. So empfiehlt es sich mit der auch in herausfordernden Zeiten zu erhalten. Übertragung gesellschaftlicher Verantwortung an gemein- nützige Organisationen fortzufahren und in einem mutigen Die Geschichte des Mittelhof gibt der heutigen und den Akt vielleicht sogar einmal eine öffentliche Schule („Bürger- kommenden Generationen einen klaren Auftrag mit auf HIN? schule“) an den Mittelhof zu übertragen. Mit Blick auf Kitas, den Weg: Engagiert Euch in Eurem Stadtteil für das Ge- Ganztagsbetreuungen oder Jugendfreizeiteinrichtungen meinwohl und tut dies auf der Basis von Demokratie und in der Trägerschaft des Mittelhof wird es vermutlich nicht Menschenrechten! Mit diesen Konstanten seiner Ge- zum Schaden der Schule sein. Eine weitere Vergesell- schichte wird der Mittelhof gemeinsam mit Bürgerinnen schaftung von öffentlichem Eigentum und Verantwortung und Bürgern den Aufgaben begegnen, die die Geschichte in gemeinnützige Strukturen bringt Vorteile. Der Verein ist der Zukunft auf den gemeinsamen Weg legen wird. der Allgemeinheit verpflichtet und weder staatlich, privat- wirtschftlich noch konfessionell gebunden. Die Strukturen können sich am gesellschaftlichen Bedarf orientiert flexibel entwickeln und unterliegen einer öffentlichen Kontrolle. ORGANISATIONSENTWICKLUNG IM MITTELHOF Wir sind doch Die Entwicklungsgeschichte vom kleinen Nachbarschafts- heim zum mittelständischen die Guten… Sozialunternehmen mit Traditionsanspruch 2018 beschreiben drei Geschäfts- Gisela Hübner, Ingrid Alberding, führer*innen aus ihrer Markus Schönbauer jeweiligen Zeitperspektive.

ie Älteren unter den Fachkräften der alternativen D Sozialbranche haben die Zeit gewiss noch in Erinne- rung, als alles immer so lange mit allen diskutiert wurde, bis garantiert keine Lösung mehr möglich war. Vor allem, wenn es um eine kritische Betrachtung oder gar Überprüfung der Tätigkeit ging, verständigte man sich gerne gemein- 81 sam auf die Formel: Wir tun doch Gutes, also machen wir auch gute Arbeit, warum sollten wir etwas daran ändern. Rückblickend betrachtet waren es spannende Prozesse, die jedoch mit den heutigen Anforderungen an Qualität und Effizienz nicht mehr vereinbar wären. In dem Spannungs- feld zwischen sozialpolitischen, ehrenamtlichen und haupt- amtlichen Zielen und Aufgaben musste im Mittelhof ein Weg gefunden werden, der diesen Säulen ihren Raum ge- ben, aber dennoch eine professionelle Struktur aufbauen konnte, die den Schwankungen der gesellschaftspolitischen Anforderungen Stabilität entgegensetzte.

Basisdemokratie versus Professionalisierung. Wollen wir bleiben wie wir sind oder wachsen? Wer darf mitreden, wer entscheidet? Wie müssen wir uns verändern, wenn wir größer werden? Und warum brauchen wir überhaupt eine Qualitätsentwicklung? ORGANISATIONSENTWICKLUNG IM MITTELHOF ORGANISATIONSENTWICKLUNG IM MITTELHOF

ach politischen Wirrnissen und Arbeitsschwerpunkt: soziale Stadt- Am Ende konnte mehrheitlich ent- durch ihren Träger bevormundet N einer Orientierungsphase im teil- und Kulturarbeit, die regionale schieden werden, eine Geschäftsfüh- sahen, weil ihnen durch die öffentli- Träger gab es die Entscheidung, eine Selbsthilfe Kontakt- und Beratungs- rung als Leitung mit entsprechenden che Förderung erhebliche Auflagen Geschäftsführung einzusetzen. Wie stelle, der Bereich Kindertagesstätten Kompetenzen einzusetzen. gemacht wurden und viele Formen war das damals? und das Projekt „Erziehen statt Stra- der Selbstorganisation eingeschränkt Nur wenn man berücksichtigt, wel- fen“. Der Mittelhof wurde als Stadt- Welche Stolpersteine gab es bei der wurden. Zum Beispiel wurde es fast chen positiven Aufbruch es in den teilzentrum gefördert. Übernahme von Eltern-Kind-Gruppen, unmöglich, das Kinderessen von den 70er Jahren in der Nachbarschafts- Kinderläden? Eltern vor Ort zubereiten zu lassen, heim-Arbeit - insbesondere im Mittel- In den paritätisch besetzten Ver- Die Stolpersteine zeigten sich erst im da die hygienischen Anforderungen im hof - gab, kann man verstehen, dass einsgremien saßen hauptamtliche Laufe der Jahre. Zunächst waren es Kinderladen kaum zu erfüllen waren. es vielen, die diese Zeit erlebt hatten, Mitarbeiter und Vereinsmitglieder, in der Regel Eltern, im Ausnahmefall schwer fiel, sich von den basisdemo- häufig als Interessenvertreter eines auch Erzieher, die sich an den Mittel- Welche Rolle spielte der Mittelhof kratischen Entscheidungswegen zu Arbeitsbereiches. Trotz ernsthafter hof wandten, weil sie Beratung, prak- e. V. im Zusammenspiel mit den verabschieden. ausführlicher Debatten kam es oft zu tische Hinweise und Unterstützung in bezirklichen Akteuren? Die gesellschaftlichen Bewegungen keiner Entscheidung. Eine zentrale Problemsituationen brauchten. Einige Der Mittelhof organisierte und/oder der 60er Jahre hatten sich auch auf Schaltstelle für alle Arbeitsbereiche Einrichtungen wollten in die Träger- beteiligte sich an den Runden Tischen die inhaltliche Arbeit und Strukturen bildete die Verwaltung (Finanzen und schaft des Mittelhof übernommen in der Region im Sinne von Vernet- des Mittelhof ausgewirkt. Nach dem Personal), die anfangs in das Leitungs- werden, um dauerhafte Unterstüt- zung, Angebotsabstimmung und für Ausscheiden des letzten Heimleiters team gleichberechtigt eingebunden zung beanspruchen zu können. Dabei den Erfahrungsaustausch. An den übernahm ein Leitungsteam beste- war. Der Ausbau der Kindertagesstät- wollten sie das größte Maß an Unab- Runden Tischen waren auch Vertre- hend aus Sozialarbeitern, Gemein- ten-Arbeit wurde im Wesentlichen hängigkeit vom Träger behalten. ter des Bezirksamtes beteiligt. Ins- wesenarbeitern und Verwaltungsmit- von dort vorangetrieben. Als sich nach langen Verhandlungen gesamt agierten die freien Träger als arbeitern die Leitung der Einrichtung. Trotz aller innerbetrieblicher Ausein- zwischen den Interessenvertretern anerkannte und verlässliche Partner Alle Aufgaben und Arbeitsinhalte andersetzungen blieb die Arbeit des der freien Träger und der Senatsver- im Bezirk. Sie nahmen Einfluss auf wurden im Leitungsteam abgestimmt Mittelhof in seiner Außenwirkung waltung die Finanzierung für Kitas zukunftsweisende Entscheidungen 83 und auf Vereinsebene vom Vorstand davon unbeschädigt. Vertreter des freier Träger änderte, war das mit wie zum Beispiel bei der Übertragung und Arbeitsausschuss beschlossen. Mittelhof arbeiteten aktiv im Verband Auflagen und Kontrollen des Senats bezirklicher Kitas an freie Träger. Im Es waren Zeiten des Aufbruchs. Seit für sozial-kulturelle Arbeit, in AGs verbunden. Die Fachaufsicht für die Zweifelsfall wurden hier dann auch Beginn der 70er Jahre hatten sich die und Gremien des Paritätischen Wohl- Einrichtungen übte die Senatsjugend- Partner zu Konkurrenten. Vertreter Arbeitsschwerpunkte des Mittelhof fahrtsverbandes und in bezirklichen verwaltung aus. Der Mittelhof stand bezirklicher Einrichtungen „neideten“ nach außen verlagert: AGs und Ausschüssen mit. Die einst- zwischen den Initiativen und dem Se- den freien Trägern manchmal, dass Die Mitarbeiter unterstützten Bür- mals fortschrittlichen Strukturen, die nat. Meist waren es die kleinen Ein- sie größere Entscheidungsspielräume gerinitiativen, Mitarbeiter des Mit- Ende der 60er Jahre eine moderne richtungen beim Mittelhof, die sich hatten. telhof waren mit Mitarbeitern des Form von neuer sozialer Arbeit im Bezirksamts Zehlendorf in einer Ob- Nachbarschaftsheim möglich mach- dachlosensiedlung (Notunterkunft ten, wurden erst Ende der 80er Jahre von der Trenckstrasse) tätig, in Ko- den veränderten neuen Anforderun- operation mit der Kirchengemeinde gen und Normen durch Beratung von Schönow konnte die Jugendarbeit in außen angepasst. einem sozialen Brennpunkt für Jahre gesichert werden. Die Kritik an der Eine Studiengruppe der TU mit ihrem herkömmlichen Kindergartenerzie- Dozenten machte im Rahmen ihres Geschäftsführerin Mittelhof e. V. hung mündete in Eigeninitiativen der Studienganges eine Organisations- von 1992 bis 2008 Eltern. Der Mittelhof unterstützte beratung im Mittelhof. Alle Verant- Elterninitiativen bei der Gründung wortlichen des Vereins waren in den eigener Einrichtungen. Er übernahm Entwicklungsprozess einbezogen. Gisela Hübner die Anstellung der Erzieherinnen und Das Ziel war, entsprechend der ge- beantragte die Zuwendungen für die wachsenen Aufgaben die Organisa- Einrichtungen beim Senat, er half bei tions- und Kommunikationsstruktur der Raumsuche und schloss für die zu verbessern und den veränderten 1988 Initiativen Mietverträge ab. Bedingungen anzupassen und Verant- Ausstellungs- Aus diesen Arbeitsfeldern entwickel- wortlichkeiten und Kompetenzen neu planung im ten sich in den 80er Jahren weitere zu regeln. Stadtteilzentrum ORGANISATIONSENTWICKLUNG IM MITTELHOF

Was waren die schwierigsten, was die meine Kollegin und Freundin Barbara verständlich von Ost nach West zu Der Bereich Schulkooperationen wur- schönsten Erlebnisse in deiner Zeit als Tennstedt und mich. Beide hatten wir telefonieren. Täglich gingen Berge von de ein eigenständiger Arbeitsbereich Geschäftsführerin? unsere bildungspolitische Heimat in Briefen, Telegrammen und Karten ein. mit heute über 127 Mitarbeitenden. Als Teile der verantwortlichen Ver- der Kinderladenbewegung und beide Es war schnell klar, dass wir das ganze einsträger die Kindertagesstätten hatten wir auch lebensgeschichtliche Unternehmen nicht allein schultern Neben den beiden großen Entwick- zum großen Teil „outsourcen“, d. h. Verbindungen „nach drüben“. konnten, aber unsere Netzwerke in lungsthemen Kita und Schule gab es die Verwaltung an ein privates Unter- Wir annoncierten u. a. in Ostberliner Westberlin waren gut. Das Haus Ru- aber immer wieder gesellschaftliche nehmen abgeben wollten, hätte das Zeitungen: penhorn und andere sozialpädagogi- Herausforderungen, auf die wir eine bedeutet, dass der Mittelhof e. V. als sche Fortbildungseinrichtungen, der Antwort finden mussten. Die Integra- Träger der Einrichtungen wesentli- DPW, Lehrergruppen, Vertreter der tion von Menschen nicht deutscher che fachliche und finanzielle Gestal- freien Träger und der Kirche, Mit- Herkunft sei hier beispielhaft ge- tungsmöglichkeiten für diese Arbeit arbeiter der Senatsverwaltung, der nannt, die uns insbesondere seit 2015 verloren hätte. Die Kindertagesstät- Bezirksverwaltung Zehlendorf und mit Eintreffen der vielen Geflüchteten ten-Arbeit mit dem besonderen Ini- viele Mitarbeiter aus Kindergärten dazu brachte, eine gut vernetzte und tiativcharakter genoss überall großes und Heimen unterstützten das Vor- konzeptionell sinnvoll abgestimmte Ansehen. Mit anderen Fachkollegen haben. Es kamen ca. 1.200 Menschen Struktur für diese Zielgruppen anzu- setzte ich mich dafür ein, dass es zu aus ganz Ostberlin und der DDR. Eine bieten. diesem Beschluss nicht kam, was sich logistische Höchstleistung! Das Thema Kinderschutz, in dessen wohl langfristig als richtig und gut er- Wir „besetzten“ Räume in ganz Zeh- Kontext wir neue Angebote aufge- wiesen hat. lendorf: Kindergärten, Schulen und baut haben, die Jugendarbeit und natürlich die Mittelhof Kitas. verschiedene Projekte rund um das Mein schönstes Erlebnis hängt un- Viele Ideen, Wünsche und Träume Älterwerden und um freiwilliges En- mittelbar mit meiner eigenen Lebens- wurden an diesem Tag zusammen- gagement trugen ebenfalls zum in- geschichte zusammen. Die Mauer getragen. Wir alle waren uns damals haltlichen Wachstum und damit auch war weg. Aber wie sah die Welt da- Die Reaktionen waren überwälti- darin einig, dass die Zukunft nicht auf zum Ausbau der Personalstruktur 85 hinter wirklich aus und was hatte sie gend. Im Mittelhof stand das Telefon „Einbahnstraßen“ von West nach Ost samt Finanzierungen bei. mit uns zu tun? Diese Frage bewegte nicht mehr still, es war nicht selbst- erfolgen darf. Geschäftsführerin Mittelhof e. V. Welche Strukturänderungen waren notwendig, um dem Wachstum eine von 2006 bis 2019 gute Basis zu geben? Als ich meine Tätigkeit 2006 im Mit- telhof begann, gab es 150 Mitarbei- 1947 - 2017 357 Ingrid Alberding ter*innen, die an ca. 20 Standorten tä- Wachstum im tig waren. Es war eine bunte Mischung Mittelhof e. V. aus Kolleg*innen, die in sehr verschie- denen Phasen und aus noch unter- 165 307 schiedlicheren Zusammenhängen er Träger hat sich während Leider waren es bis dahin in der Regel zum Träger gekommen waren. Man- D der letzten 10 Jahre mehr als die Mütter, die auf ihre berufliche Teil- che aus Kinderläden, die unter das 63 58 55 verdoppelt – was waren die Gründe? habe verzichten mussten. Durch den Dach des Trägers schlüpften, andere 21 17 10 Das Kindertagesförderungsgesetz Ausbau unserer bestehenden Einrich- aus bezirkseigenen Kindertagesstät- Mitarbeiter 14 Mio. € (KitaFöG) des Landes Berlin, das am tungen und die Schaffung ganz neuer ten, die übertragen wurden an freie 1. August 2005 in Kraft trat und je- Angebote, kamen nun viele neue Mit- Träger, wieder andere, die hervorge- 67 50 dem Kind einen Anspruch auf einen arbeiter*innen in diesem Bereich hin- gangen waren aus Eltern-Kind-Grup- 35 41 16 29 30 Betreuungsplatz zusicherte, war ein zu. Gleichzeitig wurde mit Einführung pen im Nachbarschaftsheim Mittel- Ehrenamtliche wesentlicher von mehreren Gründen des Gesetzes die bisherige Hortbe- hof. 5,3 Mio. € für das Wachstum. Dieses Gesetz war treuung von Kindern im Grundschul- Dazu kam als neuer Bereich die Schul- 3,6 meiner Meinung nach lange überfällig alter an die Schulen überführt. In den kooperationen, der seinen Platz im 2,3 2,6 Mio. DM 704 414 Mio. DM Mio. DM und stellte endlich eine Rechtsgrund- Folgejahren übernahm der Mittelhof Gesamtgefüge bekommen musste. Tsd. DM Tsd. DM Ertrag lage für Familien zur Verfügung, die e. V. in mehreren Grundschulen die Eine weitere Professionalisierung auf dafür sorgte, der Gleichbehandlung ergänzende Förderung und Betreu- allen Ebenen wurde notwendig: Die 1947/48 1957 1967 1977 1987 1997 2007 2017 von Frauen und Männern einen ent- ung im Rahmen von Kooperationsver- Einführung von Bereichsleitungen scheidenden Schritt näher zu kommen. einbarungen. und Fachberatungen gewährleisteten ORGANISATIONSENTWICKLUNG IM MITTELHOF ORGANISATIONSENTWICKLUNG IM MITTELHOF

Auch eine wichtige Aufgabe der Leitung: die Work-Life-Balance der Mitarbeiter*innen und Selbstfürsorge. Hier sehr gelungen in der Mittagspause der Kita-Leiterinnen- Klausurtagung am »Chef ist nicht Wannsee 2017. der, der etwas tut, sondern der das Verlangen weckt, etwas zu tun.« Edgar Pisani

eine gute Ansprechbarkeit für Ein- Viele Anträge wurden gestellt und die Sozialarbeiterin in der Jugendfrei- Der Träger beschäftigt aktuell mehr Begrüßungsveranstaltungen für neue zu meistern galt. Eine der herausfor- richtungsleitungen und die Koopera- Mittel aus Förderprogrammen abge- zeiteinrichtung: sie alle bieten das ge- als 400 hauptamtliche und über 300 ehrenamtliche und hauptamtliche derndsten war im Sommer 2015, als 87 tionspartner in den Bereich Kita und rufen, um unsere Häuser zu erhalten wisse Mittelhof-Plus, wenn sie eine ehrenamtliche Mitarbeiter*innen. Mitarbeiter*innen. Dort bekommen die Stadtteilzentren von einem auf Schule. Als zentrales Zukunftsthema oder für den wachsenden Platzbe- Mutter oder einen Großvater beraten Wie ist es möglich, sie alle auf das sie einen Einblick in die Vielfalt des den anderen Tag angefragt wurden, wurde die Personalentwicklung in den darf auszubauen. In den letzten zehn oder diese an unsere Angebote wei- Leitbild und die ethischen Leitlinien Trägers und werden ermutigt, sich mit Geflüchteten Unterkunft zu bieten. Fokus genommen und mit Ressourcen Jahren wurden insgesamt knapp terleiten können. Das sind die Syner- der Organisation zu orientieren? ihren Ideen einzubringen, auch wenn Unsere Räumlichkeiten entsprachen ausgestattet. Gutes Bewerberma- 11 Mio. € in Gebäude investiert, da- gien, die auch von unseren Mitarbei- In einer wachsenden und dezentral sie über die eigene Einsatzstelle hin- in keiner Weise den eigentlichen nagement, regelmäßige Fortbildungen von gut 6 Mio. € aus Eigenmitteln ter*innen sehr geschätzt werden. agierenden Organisation ist es wichtig, ausgehen. Anforderungen hinsichtlich Größe, und Personalentwicklungsgespräche und knapp 5 Mio. € aus Drittmitteln gemeinsame Ziele zu verfolgen. Die Unser jährliches Rahmenthema ist Ausstattung etc.. Die Personaldecke für alle sind heute nicht mehr wegzu- verschiedener Zuwendungsgeber. Ich glaube, weil es uns so wichtig ist, Entwicklung unseres Leitbildes und eine weitere Methode, mit der unsere war ebenfalls extrem dünn, denn es denken. auch den Menschen an den Rändern der ethischen Leitlinien geschah unter Fachkräfte gemeinsam mit den Ehren- waren Sommerferien und Urlaubs- Die Einführung von Qualitätsentwick- Wie wurde der Charakter des der Gesellschaft Angebote machen Einbeziehung aller Mitarbeiterinnen amtlichen und den Kindern, Jugendli- zeit. Das Schwierigste wandelt sich lung über alle Arbeitsbereiche wurde „Nachbarschaftsheimes“ - die zu können, sind wir sehr gut darin ge- und Mitarbeiter. Vom Haustechniker chen oder erwachsenen Nutzerinnen manchmal zum Guten, nämlich wenn von einer Qualitätsbeauftragten sys- Orientierung an den Bürgerinnen worden, Drittmittel zu akquirieren. über die Erzieherin, die Hauswirt- und Nutzern an Projekten arbeiten. es gelingt, eine Lösung zu finden. tematisiert und begleitet. und Bürgern erhalten? Die Antrags- und Abrechnungsver- schaftskraft und die Bereichsleiterin Es gab in den letzten 10 Jahren ver- Durch die breite Unterstützung aller Verwaltung und Buchhaltung mussten Die Geschichte des Trägers als Ver- fahren vieler Zuwendungsgeber sind diskutierten alle in gemischten Grup- schiedene interessante Rahmenthe- verbliebenen Mitarbeiter*innen in ausgebaut, verschiedene Kompeten- pflichtung für die Zukunft wurde kompliziert und überbürokratisiert. pen verschiedene Fragestellungen an- men, z. B. zur gesunden Ernährung der Villa Mittelhof, durch Ehrenamt- zen (Personal, Finanzbuchhaltung, Zu- mir von meiner Vorgängerin Gisela Wir nehmen diese Arbeit trotzdem hand von Beispielen aus der Praxis. So oder zu den Grenzen des Wachstums, liche, durch Spenden und Improvisa- wendungsabrechnung etc.) hinzuge- Hübner ans Herz gelegt. Ihre wahr- auf uns, weil es um gute Inhalte geht, entstanden in einem längeren Prozess die von den Einrichtungen auf sehr tionstalent aller Beteiligten, wurde wonnen und weiterentwickelt werden. haftige Herzensangelegenheit, die mit deren Umsetzung wir den För- und in mehreren Abstimmungsrun- unterschiedliche Weise bearbeitet diese Ad Hoc-Aktion zu einem unver- Ohne Räume geht das alles aber nicht. auch zu meiner wurde: Jede Mittel- dergebern zeigen wollen, dass es sich den die ethischen Leitlinien. Ähnlich wurden. Sie kommen darüber ins Ge- gesslichen Erlebnis. An inzwischen 30 Standorten ist stän- hof-Einrichtung soll ein kleines Nach- lohnt, Menschen wieder Teilhabe und wurde das Leitbild entwickelt. Beide spräch und inspirieren sich gegensei- diger Begleiter bis heute der Kampf barschaftsheim sein. Es leuchtete Integration zu ermöglichen. Und das Grundlagen werden in regelmäßigen tig. Das ist eine ebenso verbindende Sehr schön ist für mich immer wie- um eine gute Gebäudeausstattung. mir sofort ein: Das Wissen, die vielen tragen die Kolleg*innen der Verwal- Abständen auf den Prüfstand gestellt, wie herausfordernde Sache. der die jährliche Begehung unserer Die vom Bezirk übernommenen, aber Themen des Nachbarschaftsheimes, tung genauso wie die sozialpädago- unter aktualisierten Blickwinkeln dis- Einrichtungen und die Beobachtung, auch unsere eigenen Immobilien wa- das später Stadtteilzentrum wurde, all gischen Fachkräfte in der Hoffnung, kutiert und ergänzt. Was waren die schwierigsten, was die wie engagiert und zugewandt unsere ren nahezu alle sanierungsbedürftig. die Beratungsinhalte, die wir zu bieten dass einmal eine Regelfinanzierung schönsten Erlebnisse in deiner Zeit als Mitarbeiter*innen mit den ihnen An- Das Ansparen von Mitteln zur Bildung haben, sind für viele Menschen inter- daraus wird. Ein weiteres Instrument zur Identifi- Geschäftsführerin? vertrauten in Beziehung stehen und von Rücklagen für Bauvorhaben allei- essant. Die Kitaerzieherin, der Koordi- kationsförderung mit dem Träger sind Wenn ich zurückblicke, sehe ich viele in jedem Jahr eine Weiterentwicklung ne reichte nicht aus. nator der nachschulischen Betreuung, unsere zweimal jährlich stattfindenden auch schwierige Situationen, die es und Freude an ihrem Tun sichtbar wird. ORGANISATIONSENTWICKLUNG IM MITTELHOF ORGANISATIONSENTWICKLUNG IM MITTELHOF

Welche drei gesellschaftspolitischen lebenslanges Wohnen im vertrauten Bestehende Angebote wie Kinder- Themen werden den Mittelhof in den Umfeld zu entwickeln. Zusammen mit tagesstätten oder unsere Koopera- nächsten Jahren beschäftigen? der bürgerlichen Gemeinschaft, die tionen mit Schulen im Bezirk werden Die Gestaltung der Zuwanderung immer mehr Bürger*innen in hohem sich dahingehend weiterentwickeln von Menschen, die aus ihren Heimat- Alter in ihrer Mitte haben wird, wird müssen. Eine große Zahl von Erzie- ländern fliehen mussten, halte ich der Mittelhof hier Lösungen entwi- her*innen und Sozialpädagog*innen für eine der großen Aufgaben in den ckeln. In verschiedenen Projekten er- im Mittelhof, viele davon übrigens u bist seit November 2018 nächsten Jahren. Bereits 2015 hat leben wir tagtäglich die Bereitschaft Bürger*innen im Bezirk Steglitz-Zeh- D Geschäftsführer des Mittelhof der Mittelhof über Nacht Räume für von Bürgerinnen und Bürgern gesell- lendorf, werden Eltern dabei un- e.V.. Was für eine Organisation hast du die Unterbringung von Geflüchteten schaftliche Verantwortung zu über- terstützen, den Spagat zwischen vorgefunden? zur Verfügung gestellt und hat seit- nehmen, müssen uns aber auch mit Berufstätigkeit und verantwortungs- Mit am besten gefällt mir, dass der dem eine Vielfalt von neuen Angebo- Partnern wie der Politik oder Woh- bewusster Kindererziehung zu bewäl- Mittelhof trotz seines Wachstums ten entwickelt. Auch in der Zukunft nungsbauunternehmen auf die Suche tigen. ein Teil von Steglitz-Zehlendorf ge- werden wir uns Hand in Hand mit nach neuen Ideen machen. blieben ist. Diese regionale Identi- Bürger*innen in Steglitz-Zehlendorf Auf was freust du dich wenn du an die fikation macht ihn zu einem starken für die Unterstützung und Integration Eine weitere große Aufgabe wird die nächsten Jahre denkst? Partner für Bürger*innen, Politik und von zugewanderten und geflüchteten Begleitung von Familien sein. Allein- Wenn ich mir eine Organisation hät- Verwaltung in diesem Bezirk. Seine Menschen einsetzen. erziehende, aber auch Familien, in te schnitzen dürfen, dann eine wie Einrichtungen und Projekte sprechen denen beide Eltern berufstätig sind, den Mittelhof. Ich freue mich darauf mit ihren Angeboten Bürger*innen Der demografische Wandel, der uns stehen unter großem Druck und wer- Tradition zu bewahren und zugleich aller Altersgruppen in (fast) allen Le- als Thema ja schon seit längerer Zeit den neben Austausch und Beratung mit den Kolleg*innen die gesellschaft- bensphasen an. Trotz seiner Größe begleitet, wird uns vor noch größere mehr und mehr flexible Angebote der lichen Aufgaben im heute und in der und seiner professionellen Organisa- Herausforderungen stellen. Im Zent- Kinderbetreuung benötigen. Diese Zukunft anzugehen. Das Ganze in tionsstruktur hat sich der Mittelhof rum steht für mich dabei Gesundheit Entwicklung muss man sicherlich einer modernen sozialen Organisa- eine niedrigschwellige Zugänglichkeit zu erhalten, Einsamkeit vorzubeu- auch kritisch betrachten, dennoch tion wie dem Mittelhof und mit viel 89 bewahrt und bietet Raum für Initiative gen und neue Wohnformen für ein liegt sie als realer Auftrag vor uns. Leidenschaft. und bürgerschaftliches Engagement. Dabei spielt eine große Rolle, dass die Generationen vor uns die Gründungs- geschichte stets lebendig gehalten ha- ben. Der heutige Slogan WIR. LEBEN. VIELFALT. trifft voll und ganz auf den Mittelhof zu, den ich kennenlernen durfte.

Worin siehst du deine Aufgabe als Geschäftsführer des Mittelhof e.V. Zunächst einmal wird die Heraus- Geschäftsführer Mittelhof e. V. forderung sein, das „Erbe“ unserer seit 2018 Vorgänger*innen in ihrem Sinne wei- terzuführen. Es ist Aufgabe des Vor- standes, der Vereinsmitglieder und Markus Schönbauer aller Mitarbeiter*innen des Mittelhof die Geschichte nicht zu vergessen 2017 und zugleich dafür zu sorgen, das er Mitarbeiter*innen Fachaustausch auch in der Zukunft durch Stabilität in Ehrenamt der Organisation die Kraft aufbringen kann, Gesellschaft mit zu gestalten »Wenn ich mir eine Organisation und die Aufgaben, die dabei anfallen, kreativ und mit hoher Qualität zu be- hätte schnitzen dürfen, dann eine wältigen. Ich freue mich, Teil der Ge- schichte der Zukunft des Mittelhof wie den Mittelhof.« e.V. sein zu dürfen. MENSCHEN IM MITTELHOF 2017

WAS Hier bin ich richtig! Ehrenamtliche und Hauptamtliche erzählen, warum sie sich TREIBT gerne unter dem Dach des Mittelhof e. V. engagieren

Susanne M. Baschinski, Hanno Giese, Leitung Gerald Saathoff, Koordinatorin Kontaktstelle Nachbarschaftshaus Lilienthal Leitung Villa Mittelhof UNS AN? PflegeEngagement „Mittelhof ist ... über den Tellerrand „Weil ich mich hier über fast 30 Jahre „Hier habe ich die Chance mitzu- hinausschauen ... bei für den Verein beruflich weiterentwickeln konnte. gestalten, fachliche und persönliche wichtigen Themen beteiligt sein und Und das auf der Grundlage von Wer- Werte einzubringen. Die Angehöri- mitgestalten können ... netten Kol- ten aus den Anfängen als von Quäkern genarbeit liegt mir aus persönlichen leg*innen begegnen ... immer für eine gegründetem Nachbarschaftsheim, Gründen am Herzen mit dem Wunsch, Überraschung gut ...” die ich zutiefst teile.” Selbstfürsorge und Entlastung zu un- terstützen.” Annette Gowin, Leitung Stephanie Schönfeld, ehrenamtlich Villa Folke Bernadotte im Nachbarschaftscafé der Villa Barbara Dieckmann, Koordination „Mittelhof, Villa Folke Bernadotte, Mittelhof Arbeit mit zugewanderten hier engagiere ich mich, weil mir das „Es ist für mich wichtig, dass ich als Menschen im Mittelhof e. V. Herz aufgeht, wenn Kinder, Jugend- Rentnerin regelmäßig unter Leute „Mich hat immer die Offenheit der liche und Familien mit Freude zu uns komme und das Gefühl habe, etwas Mittelhofhäuser und -angebote über- kommen, um hier ihre Freizeit zu ver- Positives beitragen zu können. Die zeugt. So treffen verschiedene Men- bringen.” Arbeit mit den Mitarbeitenden und schen zusammen, finden Rat oder ein- Gästen macht mir Freude.” fach einen Raum, in dem sie spüren, Timm Lehmann, Leitung 91 dass sie herzlich willkommen sind. Mehrgenerationenhaus Phoenix Irene Sonnen, ehrenamtlich im Daran arbeite ich sehr gerne mit.” „2008 bot sich mir die Gelegenheit, im Nachbarschaftscafé der Villa im Mittelhof ein Mehrgenerationen- Mittelhof Kerstin Eberhardt, Bereichsleitung haus zu entwickeln. Ich zögerte nicht „Es macht mir einfach Spaß, anderen Schulkooperationen und das Phoenix entstand als Ort der Menschen eine Freude zu bereiten. „Bei meiner Arbeit im Mittelhof be- Begegnung und des gesellschaftlichen Seit ich ein kleines Mädchen war, ken- gegne ich jeden Tag sehr vielen unter- Zusammenhaltes. Keinen Tag bereue ne ich den Mittelhof und engagiere schiedlichen Menschen, mit denen ich ich und täglich erfreut es mich und mich gerne hier.” gemeinsam kreativ (Bildungs-)Räume fordert heraus.” gestalten kann.” Hanne Theurich, Ute Ludewig, Verwaltungsleitung Selbsthilfekontaktstelle Barbara Fischer, ehrenamtlich im „Mittelhof, hier engagiere ich mich, „Ich engagiere mich im Mittelhof seit Mehrgenerationenhaus Phoenix weil mich die Vielfalt unseres Trägers 24 Jahren, weil es konstant warm- „Der Mittelhof bietet mir eine Platt- immer wieder aufs Neue fasziniert, herzig ist, die Türen immer für die form, um mich ehrenamtlich in der wir in unserer Entwicklung nie stehen Nachbar*innen offen sind und trotz- Nachbarschaft zu engagieren. bleiben und uns immer wieder in un- dem (oder genau deshalb?) jeden Tag Bei der Programmgestaltung kann ich serem Tun selbst in Frage stellen.” etwas Neues passiert.” aktiv Ideen einbringen und das finde ich toll!” Anne Pallada, Bereichsleitung Kindertagesstätten Martina Wapler, ehrenamtlich Paul Gesikiewicz, ehrenamtlich im „Humanistisch, weltoffen und sozial! im Nachbarschaftscafé der Villa Mehrgenerationenhaus Phoenix Im menschlichen Miteinander wie Mittelhof „Es war wohl eine der besten Ent- auch in den professionellen Angebo- „Die ehrenamtliche Tätigkeit im Café scheidungen meines Lebens, den ten sind es diese Werte des Mittelhof, ermöglicht mir den Kontakt mit Men- Kontakt zum Mittelhof aufzunehmen. mit denen ich mich identifiziere und schen aus vielen verschiedenen Kul- Ohne die Wärme der Menschen und für die ich mich engagiere!” turkreisen und Lebensbereichen. Das das soziale Miteinander kann ich mir macht mir große Freude.” mein Leben nicht mehr vorstellen.” Kindergruppe im ANHANG zerbombten Berlin

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Erstveröffentlichung AFSC Memorandum AFSC MEMORANDUM AFSC MEMORANDUM

[...] Das Nachkriegsproblem stellt eine eigenartige Memorandum des AFSC - D Herausforderung für die Quäker dar. Wir haben keine besondere Nähe zu irgendeinem der betroffenen Länder und auch nicht zu politischen Gruppierungen oder Glau- American Friends Service bens-gemeinschaften und wir sind nicht an eine bestimmte Art der Ausführung von Diensten gebunden. Wir können Freunde aller sein – und ich denke, wir sind das auch. Wir besitzen die Freiheit, einige der weniger populären Aufga- Committee zur Gründung von ben zu übernehmen. Wir können einige der Lücken füllen, um die sich andere Organisationen nicht kümmern, weil sie andere Schwerpunkte haben. Nachbarschaftsheimen im Unser moralisches Ansehen ist hoch. Überall sind die Quä- ker für ihre Integrität, ihr Engagement, ihre Furchtlosigkeit Nachkriegsdeutschland und ihren humanitären Ansatz bekannt. Unsere Motivation ist nicht das Verlangen, uns selbst Quäker Hilfe auszudrücken, Abenteuer zu finden oder andere untaug- liche Beweggründe. Wir wol- len einen klugen und kraft- 95

vollen Beitrag dazu leisten, des Krieges werden dies Problem verschärft haben. Wir die Welt für den Frieden zu können nicht zwischen der Verteilung von Hilfsgütern und dem Aufbau von Produktion und Fähigkeiten wählen; wir Die Entstehung von Nachbarschaftsheimen in den westli- stärken, und wir wollen, dass müssen beides tun. chen Besatzungszonen Nachkriegsdeutschlands geht auf immer mehr Menschen auf- [...] Jedes Land hat ein eigenes System von sozialen Dienst- die Initiative und konzeptionelle Vorarbeit innerhalb der wachen und die Möglichkei- leistungen, durch die die Hilfe kanalisiert werden kann. Wir Hilfsorganisation der amerikanischen Quäker zurück. können solche Dienste, die früher existiert haben, wieder Noch während der 2. Weltkrieg wütete, im Juni 1943, ten erkennen, die in einem beleben und sie aufbauen oder neue Dienste aufbauen. trafen sich die Mitarbeiter*innen der AFSC-Abteilung für andauernden Frieden liegen. Wenn neue Dienste aufgebaut werden, ist es wichtig, sie so Auslandsdienste und andere Quäker, um ihr zukünftiges zu planen, dass sie nicht in Konflikt mit den bereits existie- Nach dem letzten Krieg ha- renden Strukturen geraten – und so zu gestalten, dass sie Engagement im Nachkriegsdeutschland zu planen. in die existierenden Ansätze später einfach übernommen Diesmal sollte die Hilfe für die „Besiegten“ nicht zu spät ben die Hilfsorganisationen werden können. Neue Angebote wie Heimeinrichtungen kommen. Die Sozialwissenschaftlerin und Quäkerin können als Erweiterung schon existierender Programme Hertha Kraus (portraitiert auf S. 11) brachte mit dem von in dieser Hinsicht versagt. für Waisenkinder aufgebaut werden. ihr erarbeiteten MemorandumG ein umfassendes Kon- [...] Man sollte überlegen, ob es nur darum geht, die Ver- [...] Es gibt [...] drei Perioden der Hilfeleistungen: I. Periode zept für Nachbarschaftsarbeit, Hilfe zur Selbsthilfe und sorgung eines Landes vorübergehend sicherzustellen der unmittelbaren Nothilfe, II. Periode des Übergangs zum Erziehung zur Demokratrie als Diskussionsgrundlage ein. oder auch darum, dem Land zu helfen, selbst mehr Güter Wiederaufbau, III. Kooperativer Wiederaufbau. Man sollte In dieser Jubiläumsschrift wird das Memorandum erst- zu produzieren und befähigt zu werden, seine eigenen Be- nicht denken, dass diese drei Perioden voneinander un- mals in deutscher Sprache und ergänzt um Ergebnisse dürfnisse selbst zu befriedigen. Einige Leute meinen, dass abhängig sind. Tatsächlich muss die dritte Periode schon der Konferenz in einer gekürzten Fassung veröffentlicht. eine internationale Hilfeverwaltung sich darauf beschrän- gleichzeitig mit der ersten beginnen, sie dauert nur länger. ken sollte, die Versorgung mit Hilfsgütern sicherzustellen. Ein wichtiges Problem ist dabei, das Maß von Kompeten- Die skizzierten Konzeptbausteine wurden für den Auf- Aber um dauerhafte Hilfe zu geben, muss das Land dabei zen und Gütern für jede dieser Perioden klug einzuteilen. bau des Mittelhofes leitend: Nachbarschaftsheim, Con- unterstützt werden, mehr Güter zu produzieren und entspre- Im letzten Krieg wurde die Periode III schon in der Planung ference-Center und Erholungsheim. chende Fähigkeiten zu erwerben. [...] Und die Verwüstungen vernachlässigt. Mehrfach konnten die Hilfsdienste, die von AFSC MEMORANDUM AFSC MEMORANDUM

[...] In diesem ganzen Arbeitsbereich gibt es viel zu tun, das Sie leiden mehr unter den gemachten Erfahrungen, weil unpopulär ist. Das werden Aufgaben sein, die nicht zu den sie weniger als die Älteren dafür gewappnet waren, Ka- traditionellen Arbeitsfeldern der etablierten staatlichen ta-strophen zu begegnen. Sie haben die erzieherische und Nachbarschafts- oder privaten Hilfsorganisationen gehören. moralische Unterstützung eines normalen Familienlebens heim Mitteilungen Nr. 8 Mittelhof Berlin Es wird wahrscheinlich unpopuläre Gruppen geben, die verloren. Und doch sind sie die Generation, die als nächs- Mai 1949 den Schutz durch eine Gruppe wie die unsere brauchen, te erwachsen wird und mit der wir es dann zu tun haben die sich nicht davor scheut, ihnen diesen Schutz zu geben werden. – Nazis aus den zivilen Verwaltungen, jüdische Gruppen Wenn wir an die Möglichkeiten einer spirituellen Reha- (der Antisemitismus wird wahrscheinlich nicht tot sein). Es bilitierung glauben, daran, dass es möglich ist, dass sich kann noch andere Gruppen geben, für die wir traditionell die Haltung zur Kooperation, dass sich Verhaltensweisen gearbeitet haben, die Intelligenz zum Beispiel. Um eine grundsätzlich ändern lassen, dann ist das die Gruppe, mit Führungsschicht in den nationalen Gruppen wieder aufzu- der wir die größten Anstrengungen unternehmen sollten, wie das, was wir selbst unmittelbar umsetzen können. Und bauen, hat es einen Wert, solchen Menschen innerhalb der um solche Veränderungen zu erreichen. wenn nationale oder internationale Organisationen zusam- Erwachsenengruppe eine gewisse Priorität bei den Hilfe- menarbeiten, werden sie auch gemeinsame Hilfsdienste leistungen einzuräumen. Anfangs sind sie vielleicht feindliche gestimmte Beob- hervorbringen. Wenn wir auf gemeinsame Hilfsdienste Junge Leute, die eingezogen worden sind, bevor sie eine achter, dann aktivere Beobachter und schließlich aktive hoffen, müssen wir uns an ihnen beteiligen und manchmal berufliche Bildung für Friedenszeiten erhalten haben, müs- Teilnehmer, die etwas aufgenommen haben, das sie für sogar initiieren. In einigen Gebieten sind die Probleme so sen in den Bildungsprozess wieder zurückgeholt werden. bedeutend genug halten, um es in ihre eigenen Gruppen groß, dass keine einzige Organisation sie alleine bewältigen Das muss jetzt vorbereitet werden. Vielleicht ist Training hineinzutragen und fortzusetzen. Der allererste Schritt ist kann. eine Antwort, vielleicht Stipendien. Aber sie müssen dazu es, ihnen eine andere Erfahrung von Mitwirkung zu machen gebracht werden, sich berufliche Fähigkeiten in den Berei- und zu einer solidarischen Haltung zum Leben, angewandt [...] Nach dem letzten Krieg hätten viele Millionen an Hilfs- chen zuzulegen, die in ihrem Land gebraucht werden. Auf auf umfassende und realistische Bedürfnisse – so zum geldern eingespart werden können, wenn man vorher mit diese Weise dient ihre Bildung einem doppelten Zweck. Beispiel: ihnen die Ausrüstung zu geben, Schulen wieder der Planung begonnen hätte. Ein ungeheurer Profit konnte aufzubauen usw. mit Essenpackungen erzielt werden und das könnte wie- Sie alle akzeptieren die Notwendigkeit des Wiederaufbaus 97 der eine Einkommensquelle sein. Sollten nicht die privaten [...] Schließlich werden die im physischen Sinne. Die Erfahrung einer gemeinschaftli- Hilfsorganisationen jetzt ein System für die Verteilung Menschen auch eine geistige chen Herangehensweise an den Wiederaufbau sollte sich solcher Essenspackungen auf einer kommerziellen Grund- definitiv, erkennbar und dramatisch von der Erfahrung un- lage entwickeln, das einheitlich in Europa und anderswo Rehabilitierung brauchen terscheiden, die sie bisher mit Zusammenarbeit gemacht den ausländischen Diensten hinterlassen wurden, nicht in umgesetzt werden könnte, mit dem alle Profite wieder in haben. die existierenden Wohlfahrtssysteme des betreffenden die Hilfsfonds zurückfließen würden? Das sollte gemacht – und nicht viele Organisa- Das bedeutet die Schaffung von kooperativen Arbeitspro- Landes übernommen werden. In der Tat sollte von Anfang werden, bevor eine privatwirtschaftliche Firma sich der Sa- tionen sind dafür geeignet, grammen auf Grundlage einer Planung, angereichert mit an der Versuch gemacht werden, die Notfalldienste mit den che annimmt. Die Mechanismen würden sich voraussicht- spirituellen und demokratischen Werten. bestehenden Strukturen kompatibel zu machen und mit lich ausreichend von dem System unterscheiden, mit dem sich darum zu kümmern. Das der Übertragung der Verantwortung an die Einheimischen das Internationale Rote Kreuz und das Amerikanische Rote [...] Ich empfehle die Vorbereitung auf das Verständnis tota- so früh wie möglich zu beginnen. Kreuz Essenspackungen an Kriegsgefangene liefern, dass kann also insbesondere eine litärer Einstellungen in ihren besten und in ihren schlimms- es nicht automatisch zu der Entscheidung kommen muss, Aufgabe für unsere Gemein- ten Aspekten. Das kann nicht allein aus Büchern gelernt [...] Wo wir uns nach sorgfältiger Überlegung entscheiden, dass aus Gründen der Effektivität das Amerikanische Rote werden. Unsere jungen Leute, die am Wiederaufbau inter- auf die bestehenden Ansätze aufzubauen, muss das wiede- Kreuz das neue System alleine umsetzen sollte. schaft sein. Das schließt das essiert sind, müssen dem Denken der jungen Leute aus den rum irgendwie in Übereinstimmung mit der Tradition und Wenn wir eine Liste von dem aufstellen, was wir zu tun hof- Achsenmächten ausgesetzt werden. Jetzt ist noch Zeit, das mit den Konzepten sein, damit sie diese Ansätze ausbauen fen, müssen wir Vorschläge machen, die auf wichtige reale ein, was gemeinhin »Re- zu tun. Ein Programm, wie beidseitig Informationen ausge- statt in Konflikt mit ihnen zu geraten. Bedarfe antworten. Das Programm muss es möglich ma- Education« genannt wird. tauscht werden können, könnte auf ausschließlich schrift- chen, unser Engagement für die Schaffung einer besseren licher Grundlage geschrieben werden. [...] Es gibt drei Zweige, zu denen es Überlegungen geben Welt vollinhaltlich auszudrücken. Die Art des Hilfsdienstes, Wir wollen nicht einfach die muss: (a) Aktivitäten, die mit der hiesigen Regierung, der die wir ins Auge fassen, muss zu der Art von Fähigkeiten und [...] Ich möchte vier Vorschläge zu Dienstleistungskonzepten öffentlichen Meinung und den privaten Organisationen Ressourcen passen, über die wir verfügen. Das Programm Parole um die Ohren hauen: machen. Sie sollten in der ersten Phase der unmittelbaren bei uns im Land verbunden sind, (b) Internationale Re- sollte sich nicht auf die unmittelbare Nothilfe beschränken, »Vergiss den Nazismus, Nothilfe starten, aber so gestaltet sein, dass es Gründe für gierung(en) und internationale Hilfsorganisationen und aber auch nicht mit dieser Art von Hilfe in Konkurrenz tre- ihre Fortsetzung gibt, so dass sie schließlich in das reguläre internationale öffentliche Meinung, und schließlich (c) Ak- ten. Es muss Gültigkeit für alle drei Perioden haben. glaube an die Demokratie.« Dienstleistungsangebot des Landes integriert werden kön- tivitäten, mit denen wir unsere eigenen Hilfsansätze und Schließlich muss es ein wirtschaftlich tragfähiger Dienst nen. Sie sollten für das Gemeinwesen der Umgebung deut- Projekte haben. Jede Aktion auf unserer Seite, mit der wir sein, der den größtmöglichen Effekt im Vergleich zu der [...] Besondere Bedarfslagen bei den Heranwachsenden lich sichtbar sein. Sie müssen unsere Motivation erkennen Menschen zu einer mehr gemeinsamen, sozialeren und Investition, die wir machen, erzielt – und zwar in Hinsicht müssen berücksichtigt werden. Sie brauchen um ein Drittel lassen, nicht nur stark, sondern auch verständlich. Das Ge- friedlichen Politik zusammenbringen, ist genauso wichtig auf geistige Kraft, Hingabe, Arbeitskraft und Finanzen. mehr Nahrungsmittel; sie bekommen (in der Regel) weniger. meinwesen muss wissen, warum wir kommen. AFSC MEMORANDUM AFSC MEMORANDUM

ca. 1902 Toynbee Hall, London erstes Nachbarschafts- und Bildungszentrum der Settlement- Bewegung Die Nachbarschaftszentren können zum Start als solche Ein anderer Dienst, den man ausführen könnte, kann darin Es muss da Chancen für Meinungsaustausch geben, für gemeinnützigen Restaurants beginnen. Sie können eben- bestehen, tagsüber für bestimmte Gruppen von Erwach- Freundlichkeit, eine Chance, die Eignung der Quäker in al- falls als ein Typus des sozialen Zentrums dienen, das für senen eine Erholungsmöglichkeit anzubieten: für ältere len möglichen informellen Bildungsangelegenheiten so ein- diese Nachbarschaft gebraucht wird. In diesen (= europäi- Menschen, für schwangere Frauen usw. – generell für Men- zubringen, dass die Gruppen davon profitieren können. Die schen) Ländern sind die sozialen Zentren üblicherweise schen, die unter schwierigen Bedingungen leben. Menschen, die Hilfe durch das Zentrum erfahren, müssen darauf angewiesen, dass sie Alkohol verkaufen und deswe- ebenfalls in dessen andere Aktivitäten einbezogen werden. gen in keiner Weise Hilfe für Frauen und jüngere Kinder an- Abends könnte das Haus als soziales Begegnungszentrum Das war die große Schwäche eines Programms, das sich aus- bieten. Das produziert einen ständigen Bedarf, der bislang dienen, aber nicht mit einem formalisierten Bildungspro- schließlich auf die Nahrungsversorgung beschränkt hat oder nur in einem sehr geringen Ausmaß durch die Initiative von gramm. Kein Re-Education-Programm kann wie eine Mas- darauf, die nationalen Ressourcen durch Subventionen zu Frauenorganisationen berücksichtigt wurde. senware künstlich übergestülpt werden, wenn es einen stärken: es gab keine wirkliche Begegnung der Gemüter. Wenn das Nachbarschaftsheim von Anfang an über einen Effekt haben soll. Es geht darum, einen neutralen Ort zu Um einen solchen Service zu entwickeln, müsste man als geeigneten Standort und Förderung verfügt hat, kann es schaffen, wo Menschen zusammenkommen und sich über erstes sorgfältig die Mitarbeiter*innen auswählen, die in schließlich vom lokalen Gemeinwesen übernommen wer- die Dinge aussprechen können. In dieser Hinsicht hat das der Lage sind, die verschiedenen Anteile des künftigen den. Ein gemeinsamer Förder-Ausschuss sollte mit den Zentrum eine vergleichbare Funktion wie unsere Interna- Dienstes gekonnt zu lenken. Ein Mitarbeiter sollte z. B. Frauenorganisationen und anderen Gruppen, die sich für tionalen Zentren. eine Küche leiten können. Andere Mitarbeiter mögen ge- Nachbarschaftszentren Erwachsenenbildung interessieren, aufgebaut werden. nug Wissen in einem anderen Feld haben, um zu helfen Dies Projekt, vergleichbar mit der Idee der Settlement- Dieser würde schließlich die Verantwortung für das Zent- Eine Verbindung zwischen materiellem und geistigem oder als Ersatz eines anderen Mitarbeiters einzuspringen. HäuserE, besteht einfach daraus, vier bis sechs Mitarbei- rum übernehmen können. Nutzen ist notwendig. Letzterer ist der länger andauernde Menschen, die schon über Erfahrungen in den benötigten ter*innen an einer Stelle in einer bestimmten Gegend zu- Viele Varianten sind möglich. Gesundheitsdienste könnten Bedarf, aber ihm kann man nicht entsprechen, ohne zu der Arbeitsfeldern verfügen, könnten dabei unterstützt wer- sammenzubringen, von denen jede*r eine Dienstleistung an- angeboten werden. Zusätzliche Dienstleistungen könnten materiellen Erholung der Nachbarschaft beizutragen. Das den, ihre Fähigkeiten so zu erweitern, dass sie eine verant- bieten kann, für die in dieser Nachbarschaft Bedarf besteht. möglich sein. Tagesbetreuung von Kindern könnte eins die- Ganze sollte so gestaltet werden, dass beides möglich ist. wortliche Position übernehmen können. Der ausgebildete Sie leben in einer Basisstation zusammen, die groß sein ser Angebote sein. Eine Nachbarschaftsbibliothek, Bildersammlung, Film, Mitarbeiter sollte Helfer im Gemeinwesen rekrutieren. In sollte. Ich würde ein Lagerhaus wählen oder den Sitz einer andere Materialien, die Interesse für ein Problem wecken einigen Feldern könnte eine spezielle Vorbereitung von ehemaligen Institution, falls das zur Verfügung steht, oder Alle Funktionen der verantwortlichen Mitarbeiter*innen können, können wichtige Bestandteile des Zentrums sein. Mitarbeitern notwendig sein. Das könnte in existierenden das größte Einfamilien-Wohnhaus, das gefunden werden sollten unter dem einen Dach ausgeübt werden. Wenn es Das können wir schon vorzubereiten beginnen. Wir kön- Einrichtungen in unserem Land zur Verfügung stehen oder 99 kann, um hier die Zentrale zu errichten. Es könnte auch eine dort ein Warenlager gibt, sollte die verantwortliche Person nen schon einmal dafür sammeln (Bücher in den jeweili- ein Praktikum könnte (vielleicht auch im Ausland) angebo- Fertigbau-Einheit benutzt werden. ihr Büro an dieser Stelle haben, und so sollte es auch eine gen Sprachen, Plakate, Spielzeug, Lernmaterial für Kinder, ten werden oder Erfahrung in einem Settlement-Haus mit Die Grundstruktur scheint in praktisch jeder Gegend an- Person halten, die Beratung anbietet. Das Zentrum sollte Liederbücher, potentielle Mitarbeiter*innen, die etwas dem richtigen Ansatz. wendbar zu sein, sie passt zu zerstörten städtischen Ge- dazu bereit sein, sich an wechselnde Bedarfslagen anzu- von Erwachsenenbildung verstehen usw.) Jeder Anteil der Arbeit sollte unter der Leitung eines bieten, zu ländlichen Regionen oder zu Örtlichkeiten, die passen. ausländischen Mitarbeiters sein, und dieser sollte von evakuiert waren und in die die Bewohner zurückkehren. Das gleiche Zentrum könnte die Basis für verschiedene Menschen aus dem betreffenden Land selbst unterstützt Genauso kann so ein Zentrum in einem Lager für Menschen Werkstätten sein, die in der ersten Phase der Erholung so werden. Diese Menschen können auch Anlernlinge ohne eingerichtet werden, die vorübergehend "displaced" sind wichtig sind. Der Bedarf für solche Werkstätten auf dem 1947 vorherige einschlägige Ausbildung sein. Wenn es zu wenig Kindergruppe vor und nicht weiterwandern können. Gelände der Einrichtung sollte von vornherein mit ge- der Muthesiusvilla freiwillige Hilfe gibt, kann es sein, dass mehr Ausländer her- Dies Zentrum könnte ein möglicher Ausgangspunkt für zu- plant werden. Diejenigen, die dort zum Arbeiten kommen, angezogen werden müssen. Diese Ausländer müssen nicht sätzliche Dienste sein, z. B. für Kinder, z. B. für die Unter- werden von den anderen Diensten profitieren – sowohl unbedingt Amerikaner sein. Die Beteiligung von Menschen stützung von Pflegefamilien. Ebenso denkbar: Gesundheits- vom Unterhaltungsbereich wie von Kooperativen etc. Auf aus dem Land selbst als Helfer bereitet den schlussendlichen dienste, allgemeine und Ernährungsberatung, Erholung für diese Weise kann der Kontakt zu den Nachbarn sehr viel Übergang des Dienstes in deren Verantwortung vor. Kindergruppen. Das Nachbarschaftszentrum könnte vor- enger werden, als das andere, spezielle Dienstleistungen Die Leitungskräfte, die wir entsenden, sollten ihr Hand- übergehend die Rolle einer Zentralstelle wahrnehmen, um vermöchten. Die Werkstätten könnten auch Gegenstände werk nicht nur verstehen, sondern auch in der Lage sein, es Kindern zusätzliche Hilfe zu leisten, die ganz auf sich selbst produzieren, die im Zentrum selbst gebraucht werden. Das zu lehren. Diejenigen, die mit ihnen zusammenarbeiten, be- gestellt oder in Heimeinrichtungen in der Nähe leben. könnte die Basis sein, Arbeitsprojekte zu entwickeln. geben sich in eine „Lernerfahrung“. Die jungen Menschen, die gehen, sollten die Chance bekommen, selbst in eine Das Nachbarschaftszentrum kann auch die Zentralstelle Arbeitsprojekte für Jugendliche gehören zu den wichtigs- Führungsrolle hineinzuwachsen. für die Ernährung solcher Gruppen sein, die nicht von ten Bestandteilen aller Dienste. Sie könnten damit anfan- Weil wir Männer und Frauen haben wollen, sollten wir da- Schulspeisungsprogrammen erreicht werden: Heranwach- gen, das Haus aufzuräumen und zu reinigen, damit es als mit anfangen, beide jetzt für die künftigen Einsätze vorzu- sende, Vorschulkinder, stillende oder schwangere Frauen, Zentrum fungieren kann. Ähnliche Arbeiten könnten für bereiten. Die Frauen, die unsere Anforderungen zu erfüllen die gesundheitliche Hilfen brauchen. Die gleiche Küche Schulen in der Nachbarschaft gemacht werden, aber auch scheinen, sollten für die Aufgaben trainiert und vorbereitet kann zu unterschiedlichen Uhrzeiten den Bedarfen von un- für Straßen usw. Es gibt jede Menge an Aufgaben für solche werden, die wir brauchen werden. terschiedlichen Gruppen dienen. In einer Nachbarschaft, Arbeitsprojekte, aber sie brauchen eine Basis, einen Ort, an Wen wir genau rekrutieren werden, wird davon abhängen, in der eine dieser Problemgruppen beheimatet ist, sind die dem man sich z. B. auch dann zurückziehen kann, wenn das wie genau wir die Dienstleistungen bestimmen können. Bedingungen wahrscheinlich so, dass andere dort ebenfalls Wetter es erfordert. Unsere Auswahl wird davon abhängen, welche Dienste es gefunden werden können. geben wird. AFSC MEMORANDUM AFSC MEMORANDUM

[...] Die Teilhabe von Menschen aus den betroffenen Ländern Einige der oben beschriebenen Nachbarschaftszentren Potentielle Studenten und Leiter brauchen Auffrischungs- ist sowohl für den Planungsprozess als auch für die spätere könnten auch über eine Sommerunterkunft verfügen. In kurse und konzentrierte Kurzzeit-Trainings. Dabei würde Arbeit wichtig. Von diesen Gruppen gibt es Repräsentanten anderen Jahreszeiten könnte eine solche Herberge als es sich nicht um geisteswissenschaftliche Fächer handeln. in unserem Land und viel könnte dadurch gewonnen wer- wertvolle Erholungsmöglichkeit für unsere Mitarbeiter Diese sollten in Heimatnähe angeboten werden, um teure den, sich schon jetzt mit ihnen zu treffen und ihr Wissen genutzt werden. Dafür könnten Räumlichkeiten genutzt Reisekosten zu vermeiden. über ihre Länder zu erforschen. Indem wir jetzt um ihre werden, die im Gemeinwesen bereits vorhanden sind. Viel- Sie brauchen breiter gefächerte Kontakte als vor dem Krieg. Hilfe bitten, könnten wir ebenso eine Basis für ihre späte- leicht müssen sie dafür angepasst werden, unterschiedli- Diese Zentren könnten so ähnlich sein wie das Confe- re finanzielle Unterstützung schaffen. Tatsächlich könnten che Gruppen empfangen zu können. Wir sollten uns nicht rence-Center Pendle Hill (ein Studienzentrum der Quäker) einige Mitarbeiter*innen aus dieser Gruppe rekrutiert auf die eine oder andere Gruppe festlegen, die dauernd auf Sie könnten zu verschiedenen Zeiten verschiedene Grup- werden, obwohl ich nicht vollständig mit Adamics Idee Hilfe angewiesen ist, stattdessen sollten wir die Herber- pen für unterschiedliche Trainingsprogramme aufnehmen: übereinstimme, die er in dem Buch „Zwei-Wege-Passage“ gen für vorübergehende Nutzungen offen halten. Es geht Krankenpflege, Seminare zum Thema Eindämmung von veröffentlicht hat (Hier geht es um die Vorstellung, dass es darum, eine freundliche Atmosphäre für die wechselnden Epidemien, Sanitätsingenieure. Diese Gruppen könnten je- zu einer gewissen Umkehrung der ursprünglichen Ent- Bedarfe unterschiedlicher Gruppen zu schaffen, die eine weils für ein paar Monate dort sein. wicklung kommen könne: ehemalige Auswanderer in die intensive Betreuung brauchen. 1948 USA oder ihre Nachkommen könnten nach Europa zurück- [...] Die Notwendigkeit dieses Angebots muss hervorge- International Projekte für Leitungsaufgaben** Student Seminar gehen, um sich in den jeweiligen Herkunftsländern zu enga- hoben werden, weil das ganze Wiederaufbauprogramm Erfahrungsbericht gieren – Louis Adamic „Two-Way Passage“ New York 1941). Schließlich könnten Menschen dabei unterstützt werden, darauf angewiesen ist, dass es Führungskräfte gibt, die amerikanischer die Last des Wiederaufbaus auf sich zu nehmen. Menschen körperlich, geistig und technisch fit sind. Wir können nicht Student Wenn erstklassige Personen gefunden würden, könnten sie könnten zusammengebracht werden, die sich normalerwei- davon ausgehen, dass solche Führungskräfte einfach so motiviert werden, das Trainingprogramm zu absolvieren. se nicht treffen, aber es doch besser tun sollten. Ihre Treffen vorzufinden sind, und deswegen wird es eine der Haupt- Gemeinsame Projekte Die Kooperation sollte auf der planerischen, nicht auf der könnten mit Erholung und Kurzzeit-Trainings verbunden aufgaben der Hilfsorganisationen sein, den Wiederaufbau [...] So wie die Armee ihre Führungskräfte dadurch vor- operativen Ebene beginnen. Der internationale Charakter werden. Auf diese Weise könnten Führungspersönlich- des Führungspersonals zu beschleunigen. bereitet, dass sie sie zu Führungsakademien entsendet, sollte von vornherein betont und dadurch gestützt wer- keiten in den verschiedenen Ländern aufgebaut werden. sollten wir uns einem vergleichbaren Training unterziehen, den, dass die Hilfe von Menschen aus neutralen Ländern Die Menschen mit der entsprechenden Kompetenz und [...] Wenn wir eine Basis schaffen, die vom Geist der Kame- weil wir in Europa ein Problem im Auge haben, das genauso genauso gesucht wird wie die von amerikanischen Nach- Führungsqualitäten in den einzelnen Ländern sollten eine radschaft und internationalen Zusammenarbeit geprägt kompliziert ist wie das, was die Armee zu bewältigen hat. 101 kommen der Nationen, für die wir Hilfe leisten wollen, Chance bekommen, schnell wieder ihre Stärke zurückzu- ist, schaffen wir die Mechanismen, um die Praxis der Zu- aber auch von Menschen aus den besetzten oder krieg- gewinnen. Nationale Führungsqualitäten kann man nicht sammenarbeit zu entwickeln. Diese Lücke in den üblichen [...] man sollte mit Kriegsgefangenen arbeiten, um etwas führenden Ländern. auf der Straße finden. Einige sind getötet worden. Einige Diensten sollte in den Anfangszeiten gefüllt werden, wenn über die Psychologie der Europäer herauszufinden. Das Wir müssen auch einen akzeptablen Weg finden, diejeni- sind durch die Kriegserfahrung gelähmt. Andere werden im die Welt (noch) voller guter Absichten ist. Später wird aus könnte man durch eine Zusammenarbeit mit dem YMCA gen in den Ländern der ehemaligen Kriegsgegner zu be- besten Fall über eine unterbrochene Erfahrung verfügen. einer solchen Einrichtung z. B. eine internationale Studen- (Young Men‘s Christian Association) realisieren. strafen, die unter dem Gesichtspunkt jedes Rechtssystems Physische Wiederherstellung könnte damit verbunden tenherberge, ein internationales Sommerinstitut oder et- Wir könnten auch von totalitär ausgerichteten Gruppen in schwere Verbrechen begangen haben, weil es ein gewisses werden, ihren Geist wieder zu öffnen, ihnen Ideen zu brin- was Ähnliches. Die Finanzierung und Initiative muss von unserem eigenen Land lernen. Wir könnten dadurch viele Ventil für den Hass geben muss, der existiert. gen, ihnen dabei zu helfen, sich auf die Veränderungen in internationalen Gruppierungen ausgehen, aber nicht jede Bündnispartner für die Zusammenarbeit nach dem Krieg Es wird anfangs zweifellos eine Polizei geben müssen, die einer Friedenswelt einzustellen und das nachzuvollziehen, internationale Gruppe ist dafür passend. Quäker können gewinnen. Das ist eine Gelegenheit, die wir nicht außer die Ordnung aufrecht erhält und Rechtlosigkeit bekämpft. was in Wissenschaft und Technik in den Kriegsjahren und in eine Brücke sein und Brücken sind notwendig. Acht lassen sollten. In diesem Zusammenhang kann es viel wert sein, mit dem einigen Jahren vorher geschehen ist. Kriegsministerium gute Beziehungen aufzubauen und viel- [...] Diese Trainingszentren könnten in jedem Land entwi- [...] Noch einmal: das System der Nahrungsmittel-Gutschei- leicht dessen Akteuren den Moralkodex unserer Hilfeleis- [...] Ich befürworte die Einrichtung internationaler Aus- ckelt werden, vorzugsweise in Örtlichkeiten in den Vor- ne, das eine sehr schöne Einkommensquelle und gleichzei- tungen zu vermitteln, in der Hoffnung, dass das bei ihnen bildungsstätten (Colleges) und Trainingszentren an vielen städten, akzeptabel sowohl für Menschen aus der Stadt als tig eine wichtige Dienstleistung ist, indem sie die Versor- auf Interesse stößt Europäischen Standorten, die generell darauf ausgerichtet auch aus der Umgebung. Sie würden für kurze Konferenzen gung mit Lebensmitteln und Kleidung für viele einheimische sind, Studierende aus unterschiedlichen Ländern zusam- und längere Seminare zur Verfügung stehen. Sie könnten in Gruppen ermöglicht, die nicht von den Nothilfe-Fonds pro- Herbergen* menzubringen. Das ist besser, als sie nach Amerika zu brin- der Nähe einer Hochschule gelegen sein, so dass sie Ge- fitieren, sollte zentralisiert werden. Es handelt sich hier um Herbergen könnten für bestimmte Kategorien von Men- gen, wo sie auf eine Umwelt und Probleme stoßen würden, brauch von deren Lehrkräften machen könnten. Wenn es ein wichtiges gemeinsames Vorhaben aller Hilfsorganisati- schen geschaffen werden, die vorübergehend besondere die sich völlig von ihrer eigenen Situation unterscheiden übers Jahr nicht genügend Nachfrage für ihre Nutzung als onen, durch das sie sowohl ihrer eigenen Zielgruppe helfen Zuwendung und einen Platz zum Leben brauchen – Ge- würden. Trainingszentrum gäbe, könnten sie für den Rest des Jahres können als auch eine Finanzierungsquelle für ihr Programm nesende, Sommerlager für Kinder, stillende Mütter usw. von anderen Gruppen genutzt werden (z. B. als Herberge). schaffen. Wir sollten den kommerziellen Firmen zuvor- kommen, die dieses Feld sicherlich betreten, wenn wir das nicht tun. Es könnte in Verbindung mit den Warenlagern * Dieser Konzeptbaustein wurde im Mittelhof durch den Arbeitsbereich „Erholungsheim“ umgesetzt, der bis Anfang der des Ernährungshilfe-Programms betrieben werden. Es hat 60er Jahre bestand, u.a. für Teilnehmerinnen der Mütter-und Altenerholung aus Ost und West. darüber hinaus den Vorteil, viele Menschen zu erreichen, ** Trotz anfänglicher Skepsis seitens der amerikanischen Militärbehörde konnte sich im Mittelhof ein Conference Center die gleichzeitig dazu gebracht werden, zu der allgemeinen etablieren, das viele der hier entworfenen Pläne aufgriff und bis weit in die 50er Jahre über Berlin hinaus sich einen exzel- Notlinderung beizutragen, wenn sie ein Paket für Freunde lenten Ruf erwarb. oder Verwandte kaufen. ANHANG ANHANG

Glossar Zu jeder der insgesamt zehn Qualitätsdimensionen wurden in der Studie Refle- F QuaKi-Studie xionsfragen für Kita-Teams entwickelt (vgl. Nentwig-Gesemann, Iris; Walther, Bezug auf S. 67 Bastian & Thedinga, Minste (2017): Kita-Qualität aus Kindersicht. Eine Studie im Auftrag der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Wissenschaftlicher Ab- schlussbericht. Verfügbar unter: https://www.qualitaet-vor-ort.org/wp-content/ A Soziale Arbeitsgemeinschaft „Sie war im Jahre 1911 von dem ebenso legendären Friedrich Siegmund-Schult- uploads/2017/07/2017_07_27_QuaKi_Abschlussbericht.pdf. (abgerufen am Berlin-Ost (SAG) ze gegründet worden, der damals evangelischer Prediger an der Friedenskirche 12.12.2018) Bezüge auf S. 11, 13, 21 in Potsdam war, später Professor für Sozialethik und Sozialpädagogik […], und einer der zentralen Gestalter der christlichen Ökumene werden sollte […]. Diese Das vollständige 16-seitige „Confidential memorandum“, zusammengestellt am G AFSC-Memorandum Organisation war die früheste deutsche Variante der aus dem angelsächsischen 8. Juni 1943 (EEW) befindet sich u. a. im Evangelischen Zentralarchiv Berlin, Bezüge auf S. 9, 11, 92 - 101 Kontext entstandenen Settlement-Arbeit [...]. Siegmund Schultze war zusammen EZA - Abteilung Quäker 230 /296. Das Dokument kann über die Homepage des mit seiner Frau, seiner Schwester und einigen Theologiestudenten der Berliner Mittelhof e. V. abgerufen werden: www.mittelhof.org/ueber-uns/Historie. Die Universität in das Arbeiterviertel Friedrichshain gezogen und hatte von dem Übersetzung der gekürzten Fassung ins Deutsche erstellte Dr. Herbert Scherer. Haus Friedensstraße 60 ausgehend in direkter sozialer Aktion ein Geflecht von Maßnahmen aufgebaut, das die Situation der Bevölkerung des Viertels verbes- sern sollte […]: Jugendarbeit, Jugendberatung, Jugendgerichtshilfe, Aktivierung der Nachbarschaft, Versuche einer Volksbildung in kleinem Maßstab. Bildverzeichnis Schirrmacher, Gerd: Hertha Kraus - Zwischen den Welten. Biografie einer Sozial- wissenschaftlerin und Quäkerin (1897-1968), Verlag Peter Lang, Frankfurt a. M. 2002, S. 66.

B Casework Casework beherrschte um 1950 in den USA die Methodendiskussion in der So- S. 1 Illustration S. 19 Wladimir Lindenberg S. 55 Dr. Gabriele Schlimper Bezüge auf S. 11, 14, 24, 27 zialen Arbeit. In der deutschen Übertragung entspricht sie der (individualisie- Christine Rösch Ullstein bild - Rainer Binder, Holger Groß renden) Einzelhilfe oder Einzelfallhilfe. Das Konzept setzt auf die Stärkung des Nr. 02607221 einzelnen Individuums in einer zeitlich begrenzten Intervention. Mit der Kern- S. 5, 30, 31, 50, 53, 56, 60 - 64, S. 57 Zerbombtes Berlin 103 aussage „Hilfe zur Selbsthilfe“ verbindet sich das Zutrauen in eine selbstverant- 68, 78, 89, 90 Fotos aus der Arbeit S. 20 Harald Poelchau FMS88_S4_B14_F4_I080, wortliche Persönlichkeitsentwicklung, die eine dauerhafte professionelle Unter- des Mittelhof 2010-2017 Gedenkstätte Deutscher Widerstand Alice Shaffer Papers, a. a. O. stützung überflüssig macht. Mittelhof Archiv, Victoria Tomaschko S. 22 Katharina Provinski S. 58 Mittelhof 1948 C Anna von Gierke Anna von Gierke (1874-1943) leitete von 1911 bis zur Auflösung durch die Na- S. 4 Frauen vor der Muthesiusvilla Lutz van Dick, Oppositionelles Einladung zum offenen Abend Bezug auf S. 14 tionalsozialisten das Jugendheim Charlottenburg, einen weit über Berlin hinaus FMS88_S4_B14_F4_I104, Alice Lehrerverhalten 1933-1945 , Alice Shaffer Papers, a. a. O. bekannten Verein, der zahlreiche Kindergärten und Schulhorte unterhielt und Shaffer Papers, Friends Collection and Max-Traeger-Stiftung Juventa Verlag parallel im Sozialpädagogischen Seminar Jugendleiterinnen, Hortnerinnen und College Archives, Earlham College, Weinheim und München, 1988, S. 230) S. 66 Prof. Dr. Iris Schulpflegerinnen ausbildete. Lilly Library, Richmond Indiana Nentwig-Gesemann Privat S. 25 Alice Shaffer D Religiöser Sozialismus „Für Tillich ist der religiöse Sozialismus ein Prinzip, um das Ganze der mensch- S. 6 Kinder vor der Muthesiusvilla ECXVI_S1_B82_Shaffer_Alice_I0002, S. 80, 82, 85, 88 Drei Geschäfts- Bezug auf S. 21 lichen Existenz zu verstehen und zu deuten. Die Wirtschaft ist nicht isoliert, son- FMS88_S4_B14_F4_I047, Alice Shaffer Papers, a. a. O. führer*innen des Mittelhof dern steht in Abhängigkeit von sozialen, intellektuellen und geistigen Faktoren.“ Alice Shaffer Papers, a. a. O. Thomas Räse Weber, Friedrich: Harald Poelchau (1903-1972), der religiöse Sozialismus und S. 26 Ellen Simon der Kreisauer Kreis, Vorlesung im Rahmen der Ringvorlesung am Institut für S. 10 Hertha Kraus Privat, Familie Seckel S. 93 Kindergruppe im Europäische Geschichte der Universität Mainz am 9. Mai 2011, S. 7. Bryn Mawr College Library zerbombten Berlin Special Collections S. 43 Bibliothek, Mittelhof FMS88_S4_B14_F4_I043, E Settlement Mit Toynbee-Hall (1884) in Ost-London und dem Universitäts-Settlement FMS88_S4_B14_F4_I125, Alice Shaffer Papers, a. a. O. Bezug auf S. 11, 27, 57, 98 (1886) in New York entstanden die ersten Settlements, denen in den Folgejah- S. 12 Elisabeth Abegg Alice Shaffer Papers, a. a. O. ren zahlreiche weitere Gründungen in den angelsächsischen Ländern folgten. No. CAS-187093, Yad Vashem Photo S. 95 Quäker Hilfe „Sozial engagierte Intellektuelle zogen in soziale Problemviertel wie Slums oder Archive, Jerusalem, 1495/9 S. 46 Jutta Petenati Privat ECXVI_S1_B82_Shaffer_Alice_I0001, Arbeiterviertel, teilten (partiell) die Lebensbedingungen der dort Lebenden, die Alice Shaffer Papers, a. a. O. sie gleichzeitig zu Gegenständen eigener wissenschaftlicher Untersuchungen S. 15 Isa Gruner S. 47 Marjorie Clay machten, und halfen ihnen durch gezielte soziale Beratung und Bildungsange- Privat, Gruner Ullstein bild – Prinz, Nr. 00001344 S. 96 Illustration bote, ihre problematische Situation zu überwinden, das war das grundlegende Praktische Sozialarbeit Handlungsmuster englischer und amerikanischer Settlement-Arbeit […].“ S. 16 Franz Hoffmann S. 54 Cerstin Richter-Kotowski Nachbarschaftsheim Mitteilungen Schirrmacher, Gerd a. a. O. S. 66 Privat, Isi Fischer-Sperling Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, Nr. 8 Mittelhof Berlin Mai 1949, Fotograf: Uwe Steinert Alice Shaffer Papers, a. a. O., Titelseite ANHANG ANHANG

S. 98 Toynbee Hall S. 99 1947 Kindergruppe S. 101 Illustration 1948 S. 13 Wegbereiterin Elisabeth Abegg 25 Gailus, Manfred/Vollnhals, Clemens: Protestantische Unbekannt - The World Today vor der Muthesiusvilla Int. Student Seminar Frauen mit viel Empathie und Eigensinn. Zur Magazine April 1902, FMS88_S4_B14_F4_I040, Nachbarschaftsheim Mitteilungen 13 Heinrich, Gisela, in der Festschrift des Freundeskreis: Einführung, S. 16 in: Anmerkung 26, Vgl. Heinrich- https://de.wikipedia.org/wiki/Toyn- Alice Shaffer Papers, a. a. O. Nr. 4 Sept. 1948, Alice Shaffer Papers, „Und ein Licht leuchtet in der Finsternis. Unserer Wilhelm Wörmann, Widerstand in Charlottenburg, bee_Hall, abgerufen am 31.10.2018 a. a. O., S. 7 lieben Elisabeth Abegg zum 75. Geburtstag am Berlin 1991, in: Gailus, Manfred/Vollnhals, Clemens 3. März 1957“, S. 21 (Hg.): Mit Herz und Verstand – Protestantische Frauen im Widerstand gegen die NS-Rassenpolitik, 14 aus einer Rede Hildegard Arnolds anlässlich der Berichte und Studien Nr. 65, herausgegeben vom Literaturverzeichnis Enthüllung der Gedenktafel für Elisabeth Abegg in: Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung, Religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker) 1. Auflage, 2013, V&R Unipress Dt. Jahresversammlung e. V., Lebensbilder deutscher Quäker während der NS-Herrschaft 1933-1945, 26 Paul, Erika: a. a. O., S. 469 Band 1 aus der Reihe „Quäkerhaltung im S. 7 Licht am Ende des Tunnels - 20. Jahrhundert“, Bad Pyrmont 1992, 27 URL https://de.wikipedia.org/wiki/Isa_Gruner# Das Quäkernachbarschaftsheim S. 11 Wegbereiterin Hertha Kraus (Elisabeth Abegg, S. 12 f) cite_ref-13 abgerufen am 22.08.2018

1 Internationale Quäker-Konferenz vom 22.-27. Januar 9 Schirrmacher, Gerd: Hertha Kraus - Zwischen den 15 Bernet, Claus: Quäker aus Politik, Wissenschaft und 28 Gruner, Isa: „Mütter, lasst Eure Kinder spielen!“, 1949 in Lisieux (Frankreich) S. 31 in: Alice Shaffer Welten. Biografie einer Sozialwissenschaftlerin und Kunst, Ein biographisches Lexikon, Verlag Traugott Berlin 1935 Papers, Friends Collection and College Archives, Quäkerin (1897-1968), Verlag Peter Lang, Bautz, 2. Auflage, 2008, S. 12 Earlham College, Lilly Library, Richmond Indiana Frankfurt a. M. 2002, S. 361 S. 17 Wegbereiter Franz Hoffmann 16 Paldiel, Mordecai: The Path of the Righteous, Gentile S. 8 - 9 Quäker - Stille Helfer in schweren Zeiten 10 Notiz über Hertha Kraus als Gast im Mittelhof Rescuers of Jews During the Holocaust, KTAV 29 URL https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Hoffmann_ während ihres Berlin-Besuches am 9.5.1950 in: Publishing House, Inc. Hoboken N.J. in association (Architekt,_1884) abgerufen am 16.10.2018 2 von Borries, Achim: 350 Jahre Quäker, Mitteilungen Evangelisches Zentralarchiv, Abteilung Quäker, with The Jewish Foundation for Christian Rescuers / des Deutschen Historischen Museums, Berlin 1996, Akte Mittelhof 230 /71 ADL New York, NY. 1993, S. 153 30 Fischer-Sperling, Isi: Kriegsende 1944-1945, 105 S. 37 Erinnerungen an meinen Vater, Eigenverlag, 1998, 11 Mensing, Hans Peter (Bearbeiter): Adenauer. Briefe 17 Vester, Margarete, in der Festschrift des S. 4 3 Tent, James F.: Den Deutschen Freund sein: 1945-1947, Berlin 1983, S. 34 Freundeskreis, a. a. O., S. 23 Das American Friends Service Committee und die 31 URL https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Hoffmann humanitäre Hilfe im Deutschland nach 1945, 12 Kraus, Hertha: Casework in USA: Theorie und Praxis 18 Heinrich, Gisela, in der Festschrift des Freundeskreis, (Architekt, 1884) abgerufen am 16.10.2018, Quäkerhilfe Stiftung 1996, Übersetzung: der Einzelhilfe, Frankfurt a. M. 1950, S. 40 a. a. O., S. 20 Einzelnachweis 3: Vortrag von Franz Hoffmann um Jan Caspers, S. 10 1950: Über sozialistisches Bauen und über Arbeiter- weiterführende Literatur zu Hertha Kraus 19 Schrevsensky, Gerhard und Ilse, in der Festschrift siedlungen in der Vergangenheit und Zukunft; 4 Bernet, Claus: Elisabeth Rotten, Hertha Kraus und des Freundeskreis, a. a. O., S. 14 Archivnummer 90-01-14 im Baukunstmuseum der Magda Kelber – Angloamerikanische Ansätze in der Bussiek, Beate: Hertha Kraus – Quäkergeist und Kom- Berliner Akademie der Künste intervenierenden Pädagogik 1933-1949 in: Adriane petenz in: Die Geschichte der Sozialen Arbeit in Europa 20 verschiedene Gratulanten in der Festschrift des Feustel, Inge Hansen-Schaberg, Gabriele Knapp (1900 -1960). Wichtige Pionierinnen und ihr Einfluss auf Freundeskreis, a. a. O. 32 Hörner, Unda: Die Architekten Bruno und Max Taut, (Hrsg.): Die Vertreibung des Sozialen, Edition Text + die Entwicklung internationaler Organisationen: Sabine Zwei Brüder – zwei Lebenswege, Gebr. Mann Verlag Kritik, München 2009, S. 99 Hering, Berteke Waaldijk (Hrsg.), Leske und Budrich, S. 14 - 15 Wegbereiterin Isa Gruner 2012, Berlin, S. 38 in: Anmerkung Nr. 51 Fischer- Opladen 2002, S. 51-60 Sperling, Isi: Erinnerungen an die Architektengemein- 5 von Borries, Achim, a. a. O., S. 23 21 Paul, Erika: Isa Gruner (1897-1989), DZI Soziale schaft „Taut & Hoffmann“, Selbstverlag Braunschweig Kraus, Hertha, Mensch zu Mensch: Casework als soziale Arbeit, Zeitschrift für soziale und sozialverwandte 1999 6 Freund, Hans: (AFSC) Brief an Ellen Simon 1947, Aufgabe, Frankfurt a. M. 1950 Gebiete, November 2013, 62. Jahrgang, S. 468 Evangelisches Zentralarchiv (EZA), Abteilung 33 Kenworthy, Leonard S.: Another Dimension of the Quäker, Akte Mittelhof 230 /70 Langkau-Alex, Ursula: Hertha Kraus, Die Flüchtlingshilfe 22 Paul, Erika: a. a. O., S. 469 Holocaust: An American Quaker Inside Nazi der Quäker und die Perzeption von Verfolgten/Gerette- Germany, World Affair Materials, 1982 abrufbar 7 Centers of Relief and Reconsiliation, 1952, ten, in: Adriane Feustel, Inge Hansen-Schaberg, Gabriele 23 Jahnke, Michael: Liebe Isa! Brief an Isa Gruner, o. O., unter: URL https://leonardkenworthy.net/books/ Mittelhof-Archiv Knapp (Hrsg.): Die Vertreibung des Sozialen, Edition Text o. J. abrufbar unter: https://de.wikipedia.org/wiki/ +Kritik , München 2009, S. 115-129 Isa_Gruner#cite_ref-13, abgerufen am 22.08.2018 34 Fischer-Sperling, Isi: Kriegsende 1944-1945, a. a. O., 8 Leitbild des Mittelhof e. V., URL S. 15 https://www.mittelhof.org/ueber-uns/leitbild/ 24 Hunter, Allan A.: Courage In Both Hands, Fellowship of Reconciliation: New Century Foundation Press, Los Angeles, 1951, S. 57 ANHANG ANHANG

S. 18 Wegbereiter Vladimir Lindenberg 44 Weber, Friedrich: Harald Poelchau, a. a. O., S. 7 S. 27 Wegbereiterin Ellen Simon 64 Shaffer, Alice: Mittelhof Entertains (Elisabeth Abeggs Ansprache anläßlich der Einladung in den 35 Lindenberg, Wladimir: Himmel in der Hölle, Ernst 45 Hammerstein, Franz v.: „Poelchau, Harald“, in: Neue 54 Simon, Ellen: unveröffentlichtes Manuskript 1947, Mittelhof am 19.04.1948) in: Nachbarschafts- Reinhardt Verlag München 1988 Deutsche Biographie 20 (2001), (Onlinefassung), Evangelisches Zentralarchiv Berlin EZA 230 /296 heim-Mitteilungen Nr. 2 Mittelhof Berlin Mai 1948, S. 561 f; URL http://deutsche-biographie.de/ (Orig. in Englisch - übersetzt von Gerd Schmitt), S. 1 Alice Shaffer Papers, a. a. O., S. 7 36 Lindenberg, Wladimir: Himmel in der Hölle, a. a. O., , pnd118595318.html abgerufen am 22.08.2018

S. 239 f, S. 252 ff 55 Deutsche Jahresversammlung , Brief an Ellen Simon S. 56 - 59 59 Fachvortrag: Erziehung zur Demokratie S. 23 Wegbereiterin Katharina Provinski vom 19. Oktober 1946 in: Mittelhof-Akte 37 Kasak, Wolfgang: Wladimir Lindenberg Nachruf mit 1946 -1950, Evangelisches Zentralarchiv Berlin 65 Reinhard Rürup, Berlin 1945. Eine Dokumentation, Bibliographie (Memento vom 9. Mai 2003 im 46 van Dick, Lutz: Oppositionelles Lehrerverhalten EZA 230 /71 Berlin 1995. Entnazifizierung und Antifaschismus, Internet Archive) 1933-1945. Biographische Berichte über den S. 143 aufrechten Gang von Lehrerinnen und Lehrern, 56 Bericht über die Arbeit im Nachbarschaftsheim 38 Wüste, Werner: Wer war Wolodja? Zum (Veröffentlichungen der Max-Traeger-Stiftung, VI), Mittelhof vom 12. Juni 1947 bis 31. Dezember 1948, 66 Mary Lee Nickolson, Self-observation-study, 1957 in: 10. Todestag von Wladimir Lindenberg, in: Juventus München 1988, (Katharina Provinzki S. 221) Mittelhof-Archiv 1948, S. 13 40 Jahre „Mittelhof“ Nachbarschaftsheim Berlin Wir in Reinickendorf 04 / 2007 Zehlendorf, Dokumentation 1947 bis 1987, 47 Provinzki, Käthe: Müttererholung im Mittelhof, 57 Simon, Ellen: Lebenslauf vom 12.3.1952, Mittelhof Archiv, 1987 S. 21 Wegbereiter Harald Poelchau veröffentlicht im Mitteilungsblatt des Mittelhofs Archiv Pestalozzi-Fröbel-Haus, S. 4 Nr. 4, September 1948, Mittelhof-Archiv, 67 Bericht von Irma Skorczewski an Claude Shotts, 39 Fuchs-Kittkowksi, Klaus: Geleitwort zur „Auslegung Alice Shaffer Papers, a. a. O., S. 19 58 Bernet, Claus: a. a. O. (S. 97) Berlin, den 9. April 1947 in: 40 Jahre „Mittelhof“, des Neuen Testaments“ durch Emil Fuchs a. a. O., S. 38-41, Mittelhof Archiv, 1987 (im Internet als pdf abrufbar unter dem genauen 48 van Dick, Lutz, a. a. O., S. 226 59 Schirrmacher, Gerd: a. a. O., S. 393 Wortlaut), S. 11 in: Quelle 44, Poelchau, Harald, Die Ordnung der Bedrängten, Erinnerungen des 49 Faust, Gisela: Nachruf auf Katharina Provinzki in: 60 Simon, Ellen: Lebenslauf vom 12.3.1952 Gefängnisseelsorgers und Sozialpfarrers Der Quäker Nr. 2 \70, Febr. 1996, S. 50 f Archiv Pestalozzi-Fröbel-Haus, S. 4 (1903-1972), Hentrisch & Hentrisch, 2004, 107 S. 105-106 weiterführende Literatur zu Katharina Provinski S. 47 Überraschungsbesuch 1948 Marjorie Clay

40 Weber, Friedrich: Harald Poelchau (1903-1972), Der Religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker) Dt. Jahres- 61 Nachbarschaftsheim-Mitteilungen Nr. 4 Mittelhof religiöse Sozialismus und der Kreisauer Kreis, S. 2, versammlung e. V., Lebensbilder deutscher Quäker Berlin September 1948 – englische Fassung zum Vorlesung im Rahmen der Ringvorlesung am Institut während der NS-Herrschaft 1933 – 1945, Band 1 aus der 1. Internationalen Service Seminar, Alice Shaffer für Europäische Geschichte der Universität Mainz Reihe „Quäkerhaltung im 20. Jahrhundert“, Bad Pyrmont Papers, a. a. O., S. 4 am 9. Mai 2011 1992, (Katharina Provinzski S. 87-91) 62 Mrs. Clay’s Visit at Mittelhof, Nachbarschafts- 41 Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer. Theologe S. 24 Wegbereiterin Alice Shaffer heim-Mitteilungen Nr. 4 Mittelhof Berlin September – Christ – Zeitgenosse. Eine Biographie. Gütersloh 1948 - zweite veränderte Ausgabe dt./engl. 20059, 897, 956, 967. DBW 8, 189, 204, 324, 50 Kenworthy, Leonard S.: Alice C. Shaffer – Champion Alice Shaffer Papers, a. a. O., S. 12 541-543. Dietrich Bonhoeffer Jahrbuch 2003, 40. of the World’s Children (S. 205-220) in Leonard S. Ferdinand Schlingensiepen, Dietrich Bonhoeffer, Kenworthy (Hg): Living in the Light, Some Quaker 63 Lucius D. Clay, Decision in Germany, New York 1950, München 2005 abrufbar unter: URL https://www. Pioneers of the 20th Century, Volume I –In the U.S.A., S. 277 dietrich-bonhoeffer.net/bonhoeffer-umfeld/ Friends General Conference and Quaker Publicati- harald-poelchau/ abgerufen am 22.08.2018 ons, 1984, S. 209, abrufbar unter: URL https://leonardkenworthy.files.wordpress. 42 Hey, Georg: Harald Poelchau (1903-1972), com/2014/06/1984-living-in-the-light.pdf Publikationen des Mittelhof e. V. Bearbeiteter Beitrag Gilde Rundbrief, DZI Eigen- verlag Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen 51 Kenworthy, Leonard S.: Alice C. Shaffer, a. a. O., S. 206 Evangelischer Pressedienst /432 / Soziale Arbeit veröffentlicht in Soziale Arbeit (Zeitschrift für soziale 52 Kenworthy, Leonard S.: Alice C. Shaffer, a. a. O., und sozialverwandte Gebiete), Nov. 2012, S. 213/220 Bericht über die Arbeit im Nachbarschaftsheim 40 Jahre „Mittelhof“ Nachbarschaftsheim 61. Jahrgang, S. 431 Mittelhof vom 12. Juni 1947 bis 31. Dezember 1948 Berlin Zehlendorf, Dokumentation 1947 bis 1987 53 Earlham College Administrative/Biographical Mittelhof-Archiv, 1948 Mittelhof Archiv, 1987 43 Weber, Friedrich: Harald Poelchau, a. a. O., S. 8 in: History, Alice Shaffer Papers, a. a. O., sowie Nr. 3 von Moltke, Helmuth James, Briefe an Freya URL http://earlham.edu/alumni/alumni-awards/ Suzanne Seeland, 25 Jahre Mittelhof, Berlin 1972, 60 Jahre Mittelhof, Zeitreise, Blick zurück – nach vorn 1939-1945, München 1988 award-recipient-archives/abgerufen am 16.10.2018 Mittelhof Archiv, 1972 Mittelhof Archiv, 2007 Wir sind für alle Nah!

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