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Zur Praxis der Minderheiten aus der Sicht des Regionalsprechers der Domowina im Landkreis Elle, Elisabeth

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Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Elle, E. (2002). Zur Praxis der Minderheiten aus der Sicht des Regionalsprechers der Domowina im Landkreis Bautzen. Europa Regional, 10.2002(2), 70-74. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-48731-7

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E lisa beth E lle

Rechtliche Bestimmungen für die 17). Sie sind in ihrer Gesamtheit Sorben - im SächsSorbG rechtlich fi­ Sorben in Sachsen Grundlage auch für die regionalen xiert wurde. Mit der räumlichen Ein­ Die Weimarer Reichsverfassung von minderheitenpolitischen Aktivitäten grenzung des Geltungsbereichs der 1919 sicherte im Artikel 113 den der Domowina; im Besonderen soll­ Rechtsvorschriften bleibt allerdings die „fremdsprachigen Volksteilen“ des ten hier erwähnt werden: Frage des Individualrechtes für die Reiches zu, dass sie durch die Gesetz­• Gesetz zur Raumordnung und Lan­ nicht geringe Zahl derjenigen Sorben gebung und Verwaltung nicht in ihrer desplanung des Freistaates Sachsen ungelöst, die nicht in diesem Siedlungs­ freien, volkstümlichen Entwicklung vom 24. Juni 1992, gebiet leben. Der Tatsache entspre­ beeinträchtigt werden durften. Hierbei • Landesentwicklungsplan Sachsen, chend, dass die Sorben außerhalb der blieb offen, ob die Sorben unter diesen 1994, Bundesrepublik Deutschland keinen Minderheitenartikel überhaupt fielen • Landkreisordnung für den Freistaat Staat (in der Präambel des SächsSorbG (P a s t o r 1997, S. 27). Der an diesen Sachsen vom 19. Juli 1993, als „Mutterstaat“ bezeichnet) haben, Artikel der Weimarer Verfassung an­ • Gemeindeordnung für den Freistaat „der sich ihnen verpflichtet fühlt und knüpfende Artikel 11 der Verfassung Sachsen vom 21. April 1993, Sorge für den Schutz und die Bewah­ der DDR aus dem Jahre 1949 hinge­ • Schulgesetz für den Freistaat Sach­ rung ihrer Sprache, Kultur und Über­ gen verpflichtete den Staat, die „fremd­ sen vom 3. Juli 1991, lieferung trägt“ (SächsSorbG, Präam­ sprachigen Volksteile“ zu fördern und • Gesetz zur Förderung von Kindern bel), sind die genannten gesetzlichen war Grundlage für die fördernde Nati­ in Tageseinrichtungen im Freistaat Grundlagen durchaus eine gute Vor­ onalitätenpolitik gegenüber den Sor­ Sachsen vom 3. Juli 1991 in der Fas­ aussetzung zum Erhalt der sorbischen ben mit allen ihren positiven und ne­ sung des Gesetzes zur Änderung Minderheit. Die vor allem die Berei­ gativen Aspekten (E l l e 1995, S. 11 - des Gesetzes zur Förderung von che Bildungswesen, Kultur- und Kom­ 21). Dies galt auch - mit gewissen Kindern in Tageseinrichtungen im munalpolitik betreffenden Regelun­ Einschränkungen (F a s s k e 1993, S. 74) Freistaat Sachsen und anderer Ge­ gen bedürfen j edoch größtenteils noch - für den ausdrücklich die Sorben be­ setze vom 19. August 1993, einer wirksamen Ausgestaltung ent­ treffenden Artikel 40 der zweiten Ver­ • Gesetz über die Kulturräume in sprechend den sehr unterschiedlichen fassung der D D R aus dem Jahre 1968. Sachsen vom 20. Januar 1994. örtlichen und regionalen Gegebenhei­ Die Weiterführung der fördernden ten. Nationalitätenpolitik gegenüber den Obgleich die Bundesrepublik Sorben nach dem Zusammenschluss Deutschland zum 1. Januar 1999 die von DDR und BRD untermauerte Europäische Charta der Regional­ zunächst eine Protokollnotiz im Eini­ oder Minderheitensprachen auch für gungsvertrag, später Artikel 6 der die Sorben in Kraft gesetzt hat, fehlen Verfassung des Freistaates Sachsen gegenwärtig noch in beiden Bundes­ und Artikel 25 der Verfassung des ländern wirksame kompensatorische Landes Brandenburg aus dem Jahre sprachpolitische Konzepte und die 1992. Anstelle des sächsischen „Ge­ konsequente Einhaltung von gesetzli­ setz zur Wahrung der Rechte der sor­ chen Bestimmungen, die nicht nur dem bischen Bevölkerung“ aus dem Jahre Rückgang des Erwerbs und des Ge­ 1948 trat am 31. März 1999 das neue brauchs sorbischer Sprachkenntnisse „Gesetz über die Rechte der Sorben entgegenwirken könnten, sondern im im Freistaat Sachsen (SächsSorbG)“ Sinne dieser Charta zum Gebrauch in Kraft und stellt nun gemeinsam mit Foto 1: Zweisprachiger Wegweiser der Minderheitensprache ermutigen. den in der Verfassung formulierten Quelle: Sorbische Kulturinformation, Stiftung für das sorbische Volk (Hrsg.): Kleine Information zu Staatszielen die Grundlage für die den Sorben/Wenden in Deutschland, Bautzen 2001Zur Struktur des Kreises Bautzen Sorbenpolitik im Freistaat dar. Dar­ und Aktivitäten der Domowina auf aufbauend regeln Festlegungen in Alle Gesetze und Verordnungen ha­ 20 Gesetzen, Vorschriften und Bestim­ ben in Sachsen als räumlichen Gel­ Charakteristik des deutsch-sorbischen mungen im Detail die Verwirklichung tungsbereich das deutsch-sorbische Teils des Kreises Bautzen der den Sorben gewährten Rechte zur Siedlungsgebiet (vgl.E l l e 1999), wel­ Etwa ein Viertel der Sorben im Frei­ Erhaltung ihrer Identität, Sprache und ches - einerseits von Vorteil, aber staat Sachsen lebt im Landkreis Baut­ Kultur (Rechtsvorschriften 1999, S. andererseits auch von Nachteil für die zen {Tab. 1). Die Mehrzahl der 30

70 EUROPA REGIONAL 10(2002)2 Jahr Einwohner Zahl Anteil trum. Die Stadt war bzw. ist Sitz zahl­ der Sorben Sorben in % reicher sorbischer Einrichtungen in den 1885 49.646 38.922 78,4 Bereichen Kultur, Bildung, Medien 1956 58.911 21.840 37,5 und Wissenschaft, hier sind im Haus 1994 51.039 ca. 7.000 ca. 14,0 der Sorben die Domowina, die Stif­ tung für das sorbische Volk und weite­ Tab. 1 : Sorbischsprachige Bevölkerung im ländlichen deutsch-sorbischen Teil desre sorbische Vereinigungen beheima­ Kreises Bautzen tet. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Quelle: Ell e, L udw ig (1998): Serbskaгё с w ewangelsklm dzélu wokrjesa Budysin (= Sorbische Spracheim evangelischen Teil des Kreises Bautzen).F a s In: s k e, H e lm u t (red.): Serbscina. Opole 1998, S.102 sorbischen Intellektuellen lebt und/ oder arbeitet in der Stadt Bautzen Gemeinden des Kreises sind gemäß zessen der nationalen und sprachli­ {Tab. 2). SächsSorbG Teil des Siedlungsgebie­ chen Assimilation als Folge der zu­ Neben zwei sorbischen Kindergär­ tes der Sorben und damit Geltungsbe­ nehmenden Industrialisierung betrof­ ten, in Bautzen und , wurden reich der minderheitenrechtlichen fen. Seit dem Ende des 19. Jahrhun­ durch unterschiedliche Träger in Kin­ Bestimmungen. Es sind dies die fol­ derts entstanden auch in ländlichen dergärten in Bautzen, Königswartha genden 16 Gemeinden: Bautzen, Bur­ sorbischen Gemeinden - so in Königs­ und Muschelwitz (Gemeinde Göda) kau (nur Gemeindeteil Neuhof), Do- wartha, Großdubrau und Wetro - In­ Projektgruppen an Kindergärten ge­ berschau-Gaußig (19 Gemeindeteile), dustriebetriebe. Darüber hinaus stieg bildet, die den Kindern Sorbischkennt-

Foto 2: Der Tagebau Nochten mit Blick auf das Kraftwerk Foto 3: In der sorbischen Grundschule Boxberg im sorbischen Siedlungsgebiet Foto: K eil 1 999 Foto: K eil 1999

Göda, Großdubrau, Großpostwitz (9die Zahl der Beschäftigten aus dem nisse auf der Basis der Sprachimmersi- Gemeindeteile), Guttau, Kreis in den benachbarten Braunkoh­ on vermitteln. Der Sorbische Schul- (17 Gemeindeteile), Königswartha, lerevieren, und die Eisenbahnlinien verein und die Domowina-Kreisverei- Kubschütz, , , Dresden - - Bautzen - nigung bereiten in einigen Gemein­ , Puschwitz, Radibor, Wei­ Görlitz und Bautzen - Königswartha - den die Bildung von weiteren derarti­ ßenberg. Historisch bildete der Kreis erhöhten die Mobilität gen Projektgruppen vor. Bautzen, gemeinsam mit den sorbi­ der überwiegend sorbischen Bevölke­ Zum sorbischen Schulwesen sei auf schen Gemeinden des benachbarten rung sprunghaft. Damit war eine Ver­ den Beitrag vonB udar, H andrick, Kreises , das Zentrum der sor­ breiterung der Kommunikation in Paulig und Pech in diesem Heft ver­ bischen nationalen und kulturellen deutscher Sprache verbunden. wiesen. Bewegung. Die Kreisstadt Bautzen Zu erwähnen ist die besondere Rol­ wird allgemein als die „Hauptstadt“ le der Stadt Bautzen. Im Ergebnis der Regionale Arbeit der Domowina im der Sorben angesehen. Zugleich war fördernden Nationalitätenpolitik seit Kreis jedoch der Kreis Bautzen frühzeitig 1949 festigte sich die Bedeutung derDie Domowina mit ihren Gruppen auf und in besonderem Maße von den Pro- Stadt als sorbisches kulturelles Zen­ örtlicher oder Gemeindeebene stellt die wichtigste politische Kraft in min­ derheitenpolitischen Fragen auf kom­ Jahr Einwohner Zahl Anteil munaler Ebene dar. Weitere spezifi­ der Sorben Sorben in % sche Mitgliedervereine der Domowi­ 1885 18.351 4.195 22,9 na (z. B. wissenschaftliche Gesellschaft 1956 44.485 5.181 11,6 Macica Serbska, Sorbischer Künstler­ 1994 49.126 ca. 2.500 ca. 5,0 bund, Sorbischer Schulverein, Bund sorbischer Gesangsvereine) leisten Tab. 2: Sorbischsprachige Bevölkerung in der Stadt Bautzen Quelle: El l e, L udw ig (1998): Serbska гёс w ewgngelskim dzélu wokrjesa Budysin (= Sorbische Sprache vornehmlich im abgegrenzte fachbezoge­ evangelischen Teil des Kreises Bautzen).F a s In: s k e, H e lm u t (red.): Serbscina. Opole 1998, S.102 ne Aktivitäten und vereinigen daher

71 Abb. 1: Logo der nalen Minderheiten und internati­ in ihrer unmittelbaren Arbeitsplanung Domowina, des onalen Vereinigungen der nationa­ und -organisation unterstützen muss Dachverbandes der len Minderheiten zu pflegen und so­ (Vermittlung von Vorschlägen für die Sorbern lidarisch gemeinsame Interessen zu Arbeit in den Gruppen, Mitwirkung vertreten. bei der Realisierung von Projekten Innerhalb der Geschäftsstelle der Do­ usw.), ist bei anderen Gruppen vor in ihren Reihen vor allem diesbezüg­ mowina ist es die Aufgabe der sechs allem Unterstützung bei der Bewälti­ lich interessierte Sorben. Sie nehmen Regionalsprecher (im Wesentlichen gung von verwaltungstechnischen Ar­ bestenfalls im Zusammenwirken mit jeweils zuständig für je einen Land­ beiten (z. B. Hilfen bei der Erarbei­ der Kreisvereinigung Anteil an min­ kreis bzw. eine kreisfreie Stadt), die tung von Projekt- und Förderanträ­ derheitenbezogenen kommunalpoliti­ programmatischen Ziele des Dachver­ gen), für die sich die zum Teil älteren schen Aktivitäten, zu einem nicht un­ bandes und die Beschlüsse des Bun­ Domowina-Aktivisten vor Ort über­ beträchtlichen Teil bleiben die in die­ desvorstandes entsprechend den spe­ fordert fühlen, erforderlich. In jedem sen Vereinigungen vorhandenen Po­ zifischen regionalen Bedingungen auf­ Falle aber ist ein ständiger Kontakt tenzen jedoch ungenutzt. zuarbeiten und zu ihrer Verwirklichung zwischen dem gewählten Kreisverein, Gemäß ihrer Satzung ist die Domo­ beizutragen. dem Regionalsprecher und den Mit­ wina e. V. Dach verband sorbischer Partner in der Arbeit der Regional­ gliedern an der Basis notwendig. So Vereine der Ober- und Niederlausitz sprecher sind die Kreisvorstände und kann gewährleistet werden, dass die (Abb. 1). Ihr gehören derzeit 14 Mit­ die Ortsgruppen der Domowina, die von der Nutzung der sorbischen Spra­ gliedsverbände - fünf Territorialver­ gewählten kommunalen Volksvertre­ che und Rezeption sorbischer Kultur bände (in Brandenburg der Regional­ tungen, die Verantwortlichen für sor­ geprägte gemeinschaftliche sorbische verband Niederlausitz, in Sachsen die bische Angelegenheiten der Kreise und Identität gefestigt wird. Die Eigenak­ Kreisvereinigungen Bautzen, Kamenz, der Gemeinden sowie die Bürgermeis­ tivitäten der Ortsgruppen umfassen Hoyerswerda und Weißwasser/Nies- ter der deutsch-sorbischen Gemein­ vor allem Bereiche der Kultur- und ky) - und neun weitere sogenannte den. Heimatpflege und Bildungsveranstal­ spezifische Vereine an. Die Regional­ Eine der Besonderheiten im deutsch­ tungen (Vorträge, gemeinsame Besu­ verbände stellen etwa 70 Prozent der sorbischen Kreisgebiet Bautzen besteht che von Museen und Ausstellungen Gesamtmitgliedschaft der Domowina. im Gegensatz zwischen den nur noch usw.), weitere Aktivitäten erfolgen im Die Satzung der Domowina formu­ wenigen relativ intakten sorbischen Zusammenwirken mit dem Kreisver­ liert als Ziel ihrer Aktivitäten: Sprachgebieten (nahezu ausschließlich ein und den regionalen Büros der Stif­ • sich für die Bewahrung und Ent­ mit Sorben katholischer Konfession) tung für das sorbische Volk. wicklung, Förderung und Verbrei­ in Teilen der Gemeinden Göda, Nesch- tung der Sprache, Kultur und Tra­ witz, Puschwitz und Radibor und den Sorbengesetz, Satzungen zur Förde­ dition des sorbischen Volkes, des übrigen Gemeinden, in denen die sor­ rung sorbischer Sprache und Kultur sorbischen Nationalbewusstseins, bische Bevölkerung (vorrangig mit - Probleme der Realisierung der Gemeinschaft der Sorben und evangelischer Konfession) eine un­ Das vom Sächsischen Landtag verab­ der Heimatverbundenheit einzuset­ günstige Altersstruktur aufweist und schiedete und inzwischen in Kraft ge­ zen, auch örtlich nur einen geringen Ein­ tretene Sächsische Sorbengesetz löst • die Sorben und die sorbischen Ver­ wohneranteil aufweist. das am 23. März 1948 vom Sächsischen einigungen in ihrer Arbeit zum Im Gebiet des Landkreises und der Landtag beschlossene „Gesetz zur Wohle des sorbischen Volkes zu Stadt Bautzen wirken zur Zeit 35 Orts­ Wahrung der Rechte der sorbischen vereinigen und zu unterstützen, gruppen der Domowina und wenige Bevölkerung“ sowie das „Vorläufige • die Interessen des sorbischen Vol­ sorbische Kulturvereine. Bis 1990 wa­ VerwaltungsVerfahrensgesetz für den kes in der Öffentlichkeit, gegenü­ ren es 102 Ortsgruppen. Überregional Freistaat Sachsen“ vom 21. Januar 1993 ber Parlamenten, Institutionen und organisierte spezifische sorbische Ver­ ab. Behörden auf kommunaler, kreisli­ eine, die sich nach der politischen Wie viele solcher Gesetze beinhal­ cher, Landes- und Bundesebene zu Wende wieder oder neu formierten, tet es politische Positionen des Staates vertreten, haben zumeist ihren Sitz in Bautzen. zum Schutz und zur freien Entwick­ • sich für rechtliche Regelungen zum Auch diese Tatsache stellt eine spezi­ lung des sorbischen Volkes, aber es Schutz und zur Förderung nationa­ fische Herausforderung für die min­ formuliert keine einklagbaren Rechte ler Minderheiten in Deutschland derheitenpolitische Arbeit des Regio­ weder auf Selbstbestimmung noch auf sowie für die Erhaltung entspre­ nalsprechers der Domowina im Kreis bindende Ansprüche zur Förderung chender gesetzlicher Bestimmungen Bautzen bei der Bündelung aller im und Entwicklung vor allem von Spra­ und internationaler Vereinbarungen Territorium wirkenden sorbischen che und Kultur. einzusetzen, Kräfte, wie sie sich für die anderen Im Jahre 1994 rief die seinerzeit für • die gegenseitige Achtung zwischen fünf Regionalsprecher nicht in glei­ sorbische Belange zuständige Sächsi­ der sorbischen und deutschen Be­ cher Form stellt, dar. sche Staatskanzlei alle Gemeinden des völkerung und deren Gleichstellung Die Arbeit mit und für die Domo­ deutsch-sorbischen Siedlungsraumes zu fördern, winaortsgruppen erfordert eine sehr auf, gemäß der Gemeinde- und Land­ • freundschaftliche Verbindungen zu differenzierte Herangehensweise. kreisordnung des Freistaates die För­ den slawischen Völkern, zu natio­ Während man einzelne Gruppen auch derung der sorbischen Sprache und

72 EUROPA REGIONAL 10(2002)2 Kultur in Satzungen zu regeln und Siedlungsgebiets ist die satzungsmäßi­ angestellten in Sachsen verweist (F r e n ­ meinte dies mit einer Mustersatzung ge Regelung der Förderung sorbischer z e l 1999, S. 27). Positiv ist dagegen, unterstützen zu müssen. Sprache und Kultur staatlicherseits als dass die 1999 überarbeitete Satzung Die im Landkreis Bautzen damals gesetzliche Pflichtaufgabe anzusehen. zur Förderung der sorbischen Sprache bestehenden 19 Gemeinden haben sich Die Stadt Bautzen hat 1998 ihre und Kultur in der Gemeinde Radibor sehr zögernd und zumeist nur formell Satzung zur Förderung der sorbischen der Ortsgruppe der Domowina ein (durch wörtliche Übernahme der vor­ Sprache und Kultur verabschiedet. Mitwirkungsrecht bei der Bestellung gegebenen Mustersatzung ohne An­ Dem ging zunächst längere Zeit des Beauftragen für sorbische Fragen passung an die örtlichen Gegebenhei­ „Druck“ seitens der Ortsgruppen der einräumt und die Stadt Bautzen und ten) dieser Aufgabe gestellt. So be­ Domowina voraus, da die Mehrzahl der Kreistag des Landkreises sorbi­ schlossen in den Jahren 1995 und 1996 der Stadträte (auch sorbische) der sche Verbände bei der Besetzung ih­ acht ländliche Gemeinden und die Auffassung war, es reiche eine Grund­ rer Arbeitsgruppen für sorbische An­ Stadt Weißenberg eine solche Satzung satzbemerkung zum gleichberechtig­ gelegenheiten einbeziehen. zur Förderung der sorbischen Sprache ten Leben der Sorben in der Hauptsat­ Die bisher genannten Probleme lie­ und Kultur. Drei weitere Gemeinden zung der Stadt aus. Heute hat die Stadtgen eher im formellen Bereich und lösten diese Aufgabe 1997 bzw. 1998. Bautzen eine der auf die konkreten haben oft ihre Ursache in fehlenden Vier nach der 1998 abgeschlossenen Bedingungen am besten zugeschnitte­ Erfahrungen. In anderen Fällen sind Gemeindegebietsreform verbliebene ne und mit speziellen Inhalten verse­ die Gegensätze zwischen formulierten Gemeinden des deutsch-sorbischen hene Satzung; in dieser wurde unter Rechten und ihrer Durchsetzung Teils des Landkreises haben bis zum anderem auch die Bildung eines spezi­ grundsätzlicher Natur. Dies betrifft vor gegenwärtigen Zeitpunkt eine solche ellen „Arbeitskreises für sorbische An­ allem Felder der Sprachpolitik. Satzung nicht verabschiedet. Sie be­ gelegenheiten“ festgelegt, der den Einerseits wird in der Verfassung des gründen das damit, dass dies wegen Stadträten und dem Oberbürgermeis­ Freistaates, im SächsSorbG und in vie­ des geringen sorbischen Bevölkerungs­ ter als beratendes Gremium in sorbi­ len weiteren Dokumenten die Bedeu­ anteil nicht erforderlich sei (in der schen Angelegenheiten zur Seite steht. tung der sorbischen Sprache für die Phase der Anhörung des SächsSorbG Der Landkreis Bautzen hatte aus Identität der Angehörigen der Min­ gab es von einem Teil dieser Gemein­ „Rücksicht“ auf die Haltung von Ge­ derheit herausgehoben, andererseits den Bestrebungen, mit der gleichen meinden, die nicht mehr dem sorbi­ wird dies jedoch in der kommunalen Argumentation nicht in die Liste der schen Siedlungsgebiet zugehören woll­ Praxis ignoriert bzw. unterlaufen. So Gemeinden des deutsch-sorbischen ten, die Verabschiedung der bereits ist es uns, der Domowina, gemeinsam Siedlungsgebiets aufgenommen zu 1996 in einer ersten Fassung vorgeleg­ mit den sorbischen Eltern bisher noch werden). Eine Gemeinden hatte ver­ ten Satzung hinausgezögert. Man war­ nicht gelungen - trotz entsprechender sucht - obgleich man sich der sorbi­ tete das SächsSorbG und die damit Bestimmungen der Sorbischen Kin­ schen Geschichte und kulturellen Tra­ verbundene gesetzliche Festlegung des dertagesstättenverordnung in Sachsen dition durchaus bewusst ist - sich per sorbischen Siedlungsgebiets „von - den Einsatz einer muttersprachli- Ratsfestlegung aus dem Siedlungsge­ Oben“ ab, am 22 .3. 99 wurde diechen(!) sorbischen Erzieherin für mut- biet „herauszubeschließen“, obwohl Satzung zur Förderung der sorbischen tersprachliche(i) sorbische Kinder im hier aktiv tätige Sorben leben, die die Sprache und Kultur im Landkreis Baut­ Hort der Sorbischen Grundschule in sorbische Sprache in ihren Familien zen mit einer Gegenstimme angenom­ Bautzen durchzusetzen. Die genannte sprechen und bei der Religionsaus­ men. Verordnung definierte nicht ausrei­ übung pflegen, die Kinder am Sor­ Partner für die örtlichen sorbischen chend eindeutig die notwendigen bischunterricht teilnehmen lassen und Vereinigungen, die Domowina und den Rezipienten sorbischer Kultur sind. für das jeweilige Territorium zustän­ Hierzu ist festzustellen, dass die Zuge­ digen Regionalsprecher sollten die hörigkeit zum deutsch-sorbischen Ge­ entsprechend den genannten Satzun­ biet keine quantitative Frage des sor­ gen bzw. der Festlegung von § 11 Sächs­ bischen Be Völker ungsan teils ist, der SorbG zu benennenden Ansprechpart- wegen der Freiheit des Bekenntnisses ner/Beauftragte für sorbische Angele­ zur sorbischen Volkszugehörigkeit sta­ genheiten sein. Insgesamt kann hier tistisch überhaupt nicht ermittelt wer­ derzeit nur auf erste praktische Erfah­ den kann. Die Zugehörigkeit zum rungen der Zusammenarbeit zurück­ deutsch-sorbischen Gebiet ergibt sich gegriffen werden. Dabei zeigt sich, dass vielmehr aus qualitativen Aspekten, an mancher Stelle eine eher formelle die das SächsSorbG als nachgewiese­ Auswahl (Angestellte der Gemeinden ne „sorbische sprachliche und kultu­ mit freier Arbeitskapazität, Gleich­ relle Traditionen bis in die Gegen­ stellungsbeauftragte) erfolgt und der Foto 4: D er Friedhof in Ralbitz stellt eine Besonderheit dar: Einfache weiße wart“ benennt (E l l e 1999, S. 83). „Sorbenbeauftragte“ unzureichend in Holzkreuze in zeitlicher Reihenfolge Zumindest seit der Gültigkeit des Grundlagen und Spezifik der Minder­ aufgestellt, symbolisieren, dass im Tod SächsSorbG und damit verbunden auch heitenpolitik qualifiziert ist. Ein Defi­ alle Menschen gleich sind. In Europa ist der diesem Gesetz beigefügten Liste zit, auf dasF r e n z e l generell hinsicht­ dieser Friedhof in seiner Art einmalig. der Gemeinden des deutsch-sorbischen lich der Ausbildung von Verwaltungs­ Foto:K eil 1999

73 sprachlichen Voraussetzungen für den ren des öffentlichen Lebens einzube­ pas. Sociolinguistica: Internationales Einsatz von Erzieherinnen in sorbi­ ziehen. Nur wenn vor Ort die Vertre­ Jahrbuch für europäische Soziolinguis­ schen Einrichtungen, um daraus ein­ ter sorbischer Verbände und Vereine tik 7. Tübingen. F r e n z e l, F. (1999): Die Sorben als Min­ ihre Rechte wahrnehmen und einfor­ klagbare Rechte abzuleiten, und der derheit in Deutschland im besonderen Träger der Einrichtung sieht sich da­ dern, wird auf der anderen Seite auch Hinblick aus Sachsen. Diplomarbeit. her nicht veranlasst, den Mangel abzu­ das Verständnis in die Notwendigkeit Fachhochschule der Sächsischen Ver­ stellen. besonderer Förderung wachsen. Die­ waltung. Meißen. Die Einsicht in die Notwendigkeit ses Wechselspiel politisch zu führen P a sto r ,T. (1997): Die rechtliche Stellung und Berechtigung für eine besondere und zu lenken, ist in der Praxis immer der Sorben in Deutschland. Schriften Förderung und Unterstützung einer eine Gratwanderung zwischen Tole­ des Sorbischen Instituts 15. Bautzen. Rechtsvorschriften: Rechtsvorschriften ethnischen Minderheit auf den unter­ ranz, Akzeptanz und Unterstützung zum Schutz und zur Förderung des sor­ einerseits und Ablehnung, Intoleranz schiedlichsten Gebieten bedarf nicht bischen Volkes. In: Domowina-Infor­ nur guter gesetzlicher Regelungen, und Aggression andererseits. mation 01/1999. Bautzen. sondern auch einer kontinuierlichen Informations- und Bildungsarbeit un­ Literatur ter den Angestellten, Abgeordneten E l le , L. (1995): Sprachenpolitik in der und weiteren Entscheidungsträgern in Lausitz. Eine Dokumentation 1949 bis den Kommunen und Regionen. Sei­ 1989. Schriften des Sorbischen Instituts tens der Domowina wiederum ist be­ 11. Bautzen. E l le , L. (1999): Regionale Aspekte nati­ ständig darauf hinzuwirken, dass so onaler Minderheiten und das deutsch­ Dr. Elisabeth E lle viel wie nur möglich Sorben nicht nur sorbische Siedlungsgebiet. In: Letopis aktiv bei der Pflege ihrer Sprache und DOMOWINA, Regionalny berow 46, 2, S. 70 - 90. Postplatz/Póstowe namesto 2 Kultur mitwirken, sondern auch dar­ Fassk e, H. (1993): Lausitz (Ex-DDR). In: 02625 Bautzen/Budysin auf Einfluss nehmen, sie in alle Sphä­ Mehrsprachigkeit in den Schulen Euro­

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