Protokoll-Nr. 19/118

19. Wahlperiode Ausschuss für Wirtschaft und Energie

Wortprotokoll der 118. Sitzung

Ausschuss für Wirtschaft und Energie Berlin, den 5. Mai 2021, 11:32 Uhr 10557 Berlin, Paul-Löbe-Allee 2 Paul-Löbe-Haus, Europasaal 4.900

Vorsitz: , MdB

Tagesordnung - Öffentliche Anhörung

Einziger Tagesordnungspunkt Seite 4

Antrag der Abgeordneten , Federführend: Ausschuss für Wirtschaft und Energie , , weiterer

Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Zurück zu alter Stärke – Die Zukunft der deutschen Exportwirtschaft sichern BT-Drucksache 19/28767

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Ausschuss für Wirtschaft und Energie

Mitglieder des Ausschusses* Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder CDU/CSU Bleser, Peter Dött, Marie-Luise Durz, Hansjörg Grundmann, Oliver Grotelüschen, Astrid Holmeier, Karl Hauptmann, Mark Kemmer, Ronja Heider, Dr. Matthias Körber, Carsten Helfrich, Mark Kruse, Rüdiger Knoerig, Axel Linnemann, Dr. Carsten Koeppen, Jens Mattfeldt, Andreas Lämmel, Andreas G. Möring, Karsten Lenz, Dr. Andreas Nicolaisen, Petra Loos, Bernhard Pols, Eckhard Metzler, Jan Ramsauer, Dr. Peter Müller (Braunschweig), Carsten Schweiger, Torsten Pfeiffer, Dr. Joachim Steier, Andreas Rouenhoff, Stefan Stetten, Christian Frhr. von Stein (Rostock), Peter Vries, Kees de Willsch, Klaus-Peter SPD Freese, Ulrich Bartol, Sören Gremmels, Timon Jurk, Thomas Junge, Frank Kapschack, Ralf Katzmarek, Gabriele Miersch, Dr. Matthias Mohrs, Falko Raabe, Dr. Sascha Poschmann, Sabine Scheer, Dr. Nina Rimkus, Andreas Schmidt, Uwe Saathoff, Johann Stamm-Fibich, Martina Töns, Markus Thews, Michael Westphal, Bernd Weingarten, Dr. Joe AfD Chrupalla, Tino Bernhard, Marc Heßenkemper, Dr. Heiko Espendiller, Dr. Michael Holm, Leif-Erik Hollnagel, Dr. Bruno Komning, Enrico Kraft, Dr. Rainer Kotré, Steffen Sichert, Martin Müller, Hansjörg Spaniel, Dr. Dirk FDP Houben, Reinhard Bauer, Nicole Klinge, Dr. Marcel Dassler, Britta Katharina Neumann, Dr. Martin Kulitz, Alexander Todtenhausen, Manfred Reinhold, Hagen Ullrich, Gerald Solms, Dr. Hermann Otto Weeser, Sandra Theurer, Michael ______*Die unterschriebene Anwesenheitsliste sowie die Liste der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Video-/Telefonkon- ferenz werden dem Originalprotokoll beigelegt und sind während der laufenden und der darauf folgenden Wahlperi- ode im Sekretariat des Ausschusses für Wirtschaft und Energie und danach im Archiv des Deutschen Bundestages ein- sehbar.

19. Wahlperiode Protokoll der 118. Sitzung Seite 2 von 25 vom 5. Mai 2021

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DIE LINKE. Beutin, Lorenz Gösta Dağdelen, Sevim Ernst, Klaus De Masi, Fabio Lutze, Thomas Riexinger, Bernd Meiser, Pascal Tatti, Jessica Ulrich, Alexander Wagenknecht, Dr. Sahra BÜNDNIS 90/DIE Dröge, Katharina Badum, Lisa GRÜNEN Janecek, Dieter Baerbock, Annalena Müller, Claudia Bayaz, Dr. Danyal Nestle, Dr. Ingrid Kotting-Uhl, Sylvia Verlinden, Dr. Julia Krischer, Oliver

Sachverständigenliste:

Prof. Gabriel Felbermayr, Ph.D. Institut für Weltwirtschaft Kiel

Dr. Volker Treier DIHK, Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V.

Rupert Schlegelmilch Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission

Florian Moritz Deutscher Gewerkschaftsbund

Prof. Dr. Max Otte Investor und Philanthrop

Christoph Bertram Finsbury Glover Hering Europe GmbH

Prof. Dr. Heiner Flassbeck ehemaliger Chefvolkswirt der UNCTAD

Prof. Dr. Achim Truger Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Professor für Sozioökonomie, Schwerpunkt Staatstätigkeit und Staatsfinanzen an der Universität Duisburg-Essen

______*Die unterschriebene Anwesenheitsliste sowie die Liste der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Video-/Telefonkon- ferenz werden dem Originalprotokoll beigelegt und sind während der laufenden und der darauf folgenden Wahlperi- ode im Sekretariat des Ausschusses für Wirtschaft und Energie und danach im Archiv des Deutschen Bundestages ein- sehbar.

19. Wahlperiode Protokoll der 118. Sitzung Seite 3 von 25 vom 5. Mai 2021

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Einziger Tagesordnungspunkt haben wir Herrn Rupert Schlegelmilch, Generaldi- rektion Handel der Europäischen Kommission. Antrag der Abgeordneten Reinhard Houben, Herr Schlegelmilch, sind Sie auch da? Ich frag Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, weiterer nochmal. Bitte? Abgeordneter und der Fraktion der FDP Der Vorsitzende: Er ist noch nicht da. Dann hoffen Zurück zu alter Stärke – Die Zukunft der wir, dass er sich noch zuschaltet. Dann haben wir deutschen Exportwirtschaft sichern Herrn Florian Moritz vom DGB. Herr Moritz?

BT-Drucksache 19/28767 SV Florian Moritz (DGB): Hallo, ich bin da. Ich hoffe, man hört mich. Der Vorsitzende: Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich Der Vorsitzende: Super, wunderbar. Dann Profes- begrüße Sie recht herzlich hier im Saal und auch sor Dr. Max Otte, den habe ich hier schon gese- an den Bildschirmen zu unserer Webex-Videokon- hen. Guten Tag, Herr Otte. Dann Herrn Christoph ferenz, zu der heutigen öffentlichen Anhörung im Bertram, Herr Bertram, Sie sind auch da. Danke- Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Zunächst schön. Dann Professor Dr. Heiner Flassbeck. Herr bitte ich alle Teilnehmer, die uns zugeschaltet Flassbeck, sind Sie auch anwesend? sind, jetzt die Stummschaltung zu aktivieren, da- mit wir keine Nebengeräusche haben und die Sit- SV Prof. Dr. Heiner Flassbeck (ehem. Chefvolks- zung ordentlich abhalten können. Die Anhörung wirt der UNCTAD): Hallo. Ich bin auch da, ja. befasst sich mit der nachfolgenden Vorlage: Antrag der Fraktion der FDP „Zurück zu alter Der Vorsitzende: Habe Sie gehört. Dankeschön. Stärke - die Zukunft der deutschen Exportwirt- Und Herr Professor Dr. Achim Truger. Herr schaft sichern“, BT-Drucksache 19/28767. Das gibt Truger, können Sie uns auch hören? uns die Gelegenheit, über Exportindustrie grund- sätzlich mit Ihnen zu diskutieren, die ja oft auch SV Prof. Dr. Achim Truger (Mitglied des Sachver- im eine große Bedeutung hat hinsicht- ständigenrates): Guten Morgen, ich bin da. lich der Überschüsse, die erzielt werden, hinsicht- lich der Bedeutung derselben, hinsichtlich der Be- Der Vorsitzende: Wunderbar. Also, die Technik deutung der Exporte. Gerade jetzt führt die deut- funktioniert, und wir können damit in unsere An- sche Industrie oft zu sehr kontroversen Diskussio- hörung einsteigen. Ich begrüße auch die Kollegin- nen, wie Sie vielleicht wissen. Ich begrüße als nen und Kollegen des Ausschusses für Wirtschaft erstes unsere Sachverständigen, die gerne einzeln und Energie, die anwesend sind, aber auch an den aufrufen würde, um zu sehen, ob sie uns hören entsprechenden technischen Einrichtungen. Ich oder gegebenenfalls auch sehen können. Als erstes begrüße für die Bundesregierung die Parlamentari- Herrn Professor Gabriel Felbermayr, Herr Felber- sche Staatssekretärin, Frau Winkelmeier-Becker. mayr, sind Sie da? Guten Tag! Es nehmen weitere Fachbeamte des BMWi teil, die ich allerdings nicht sehe, wahr- SV Prof. Gabriel Felbermayr (IfW Kiel): Guten scheinlich auch an den Bildschirmen. Ich begrüße Morgen. die Vertreter der Länder, die Vertreter der Medien, natürlich nicht zuletzt die Gäste, die uns über das Der Vorsitzende: Guten Morgen, Herr Felbermayr, Parlamentsfernsehen zugeschaltet sind. Zum Ab- wir hören Sie. Dann Dr. Volker Treier vom Deut- lauf der heutigen Anhörung noch folgende Erläu- schen Industrie- und Handelskammertag. Herr terungen: Wir führen die Anhörung im Verhältnis Treier? der Stärke der einzelnen Fraktionen durch. Wir haben eineinhalb Stunden Zeit und sind darauf SV Dr. Volker Treier (DIHK): Grüß Gott, Herr angewiesen, dass wir uns möglichst alle kurz fas- Ernst. Ja, ich kann Sie gut hören. sen, um alle Fraktionen ausreichend zu Wort kommen zu lassen. Wir haben vorgesehen, dass Der Vorsitzende: Guten Tag, wir Sie auch. Dann

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wir in der ersten Runde, ich weise Sie dann da- Der Vorsitzende: Danke. Herr Professor Felber- rauf hin, wenn sie vorbei ist, vier Minuten für mayr bitte. Frage und Antwort haben. Und ich bitte Sie, die Zeit unbedingt einzuhalten, sonst müsste ich ge- SV Prof. Gabriel Felbermayr (IfW Kiel): Ja, vielen schäftsführend eingreifen. In der zweiten und Dank, Herr Vorsitzender. Lieber Herr Lämmel, vie- dritten Runde werden wir jeweils Frage und Ant- len Dank für die Fragen. Wir müssen uns ja verge- wort auf drei Minuten kürzen, sonst kriegen wir genwärtigen, dass das Jahr 2020 für die Export- das bis 13.00 Uhr nicht hin. Da müssen wir fertig wirtschaft ein sehr schwieriges Jahr war und dass sein, da beginnt die Parlamentssitzung. Es gilt also das Jahr 2021 von Nachholeffekten geprägt ist. der Grundsatz: Je kürzer die Frage, umso mehr Man kann also nicht davon ausgehen, dass es in Zeit steht für die Antwort zur Verfügung. Meine diesem Tempo weitergeht in dem nächsten Jahr. Bitte an die fragestellenden Kolleginnen und Kol- Vor der Krise haben wir ja ein Phänomen beob- legen, wie immer: Nennen Sie zu Beginn Ihrer achtet, auch in den deutschen Außenhandelsda- Frage den Namen des Sachverständigen, den Sie ten, das der britische „The Economist“ umschrie- befragen wollen. Und vielleicht noch ein Hinweis. ben hat, als er mit einer Verlangsamung des Ex- Vielleicht können wir uns darauf konzentrieren, portwachstums, und das ist ein Trend, der seit jeweils nur einen zu befragen, weil das ist mit 2008 ungefähr mit „Slowbalisation“ umschrieben Video dann sehr kompliziert, dass der zweite ist und der auch nach der Krise wahrscheinlich dann noch zu Wort kommt. Also wenn es geht, weitergeht. Für Deutschland ist jetzt in dieser ak- vielleicht nur eine Person pro Frage befragen. Wir tuellen Situation das Exportwachstum sehr wich- haben keine Eingangsstatements der Sachverstän- tig für die Konjunkturentwicklung, das ist ja auch digen vorgesehen. Aber uns liegen ja Ihre schriftli- im Gemeinschaftsgutachten der Institute, auch un- chen Stellungnahmen vor. Es wird ein Wortproto- ter Mitwirkung des Instituts für Weltwirtschaft so koll erstellt, und zur Erleichterung derjenigen, die beschrieben. Und die Bundesregierung hat das ja das Wortprotokoll erstellen, werde ich, nachdem übernommen. Und ich glaube, da sind wir uns Sie jemanden befragen wollen, den Sachverständi- alle einig: Die Tatsache, dass Deutschland eine gen immer noch einmal das Wort erteilen, damit offene Volkswirtschaft ist und auch profitieren auch der, der das Protokoll führt, weiß, wer kann, wenn in anderen Ländern die Nachfrage an- spricht. Okay, ich glaube, damit sind alle Unklar- zieht, ist ein Stabilitätsanker. Das führt dazu, dass heiten beseitigt. Und wir können mit unserer An- wir trotz der eigenen Probleme und der Probleme hörung beginnen. Die erste Frage in dieser Anhö- in der Eurozone mit ein bisschen mehr Tempo aus rung stellt der Kollege Lämmel von der CDU/CSU- der Krise kommen, als das sonst der Fall gewesen Fraktion. Herr Lämmel bitte. wäre. In der akuten Phase vor einem Jahr war das Gegenteil zu besichtigen. Da hat sozusagen das Abg. Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Ja, Herr Abbrechen von Lieferungen aus China zu Schlie- Vorsitzender, ich hätte eine Frage an Herrn Profes- ßungen in der deutschen Industrie geführt und zu sor Felbermayr. Wir haben gerade jetzt im Aus- Produktionsausfällen. Insgesamt aber ist die Tat- schuss über die Frühjahrsprognose der Bundesre- sache, dass Deutschland sehr diversifiziert ist, gierung diskutiert. Und in der Frühjahrsprognose viele Absatzmärkte hat, einen hohen Anteil des geht das Wirtschaftsministerium ja von einem Ex- Bruttoinlandsproduktes im Ausland erlöst, eine portzuwachs von 9,2 Prozent im laufenden Jahr stabilitätsfördernde Eigenschaft, die nicht nur das aus. Damit ist der Export die Lokomotive der Pro-Kopf-Einkommen erhöht, sondern eben auch deutschen Wirtschaftsentwicklung. Ich möchte in Phasen wie jetzt den Ausgang aus Krisen be- Sie fragen, wie bewerten Sie die deutsche Export- schleunigen kann. Die Frage ist, ob da alles gut ist stärke im internationalen Vergleich? Und braucht oder nicht. Ich habe schon auf das „Slowbalisa- man denn angesichts dieser Zahlen wirklich noch tion“-Phänomen verwiesen. Da sind politische Ri- Maßnahmen, um weiterhin die deutsche Außen- siken, die deutlich zugenommen haben. Erst wirtschaft zu stärken? Oder meinen Sie, dass das gestern haben wir gesehen, dass zwischen China ein Selbstläufer ist? und der Europäischen Union der nächste Schritt in eine Eskalation zu befürchten ist mit Ausset-

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zung der Ratifizierung des Investitionsabkom- demie und die notwendigen Maßnahmen die Ak- mens. Und ich denke, die deutsche Bundesregie- tivitäten stark eingeschränkt sind im Dienstleis- rung muss sich mit der Frage befassen, wie man tungsbereich. Und meine Priorität läge eigentlich vor allem mit politischen Risiken, aber auch mit erstmal da, zu schauen, dass das alles wieder auf Risiken, die durch Naturkatastrophen, Klimaer- die Beine kommt. Und das würde bedeuten, dass wärmung oder Pandemien einhergehen, wie man wir insbesondere bei Schutzmaßnahmen nicht zu damit umgeht. Ich glaube, dass sich der Bundestag früh zurückfahren. Und dass wir dann eine lang- sich mit der Frage, welche Versicherungsfunktion fristige Strategie haben, die verhindert, dass es es geben kann für die deutsche Exportwirtschaft, jetzt zu massiven Steuererhöhungen kommen welche Kompensationsmodelle man braucht, muss wegen der Schuldenbremse, dass es zu Aus- wenn Handelskonflikte eskalieren und Kollateral- gabenkürzungen kommt. Das sind hier alles noch schäden entstehen. Also es gibt viele offene Fra- Herausforderungen. Und was die Wettbewerbsfä- gen. Und ich bin froh, dass der Bundestag sich da- higkeit und das Wachstumspotential angeht, wird mit befasst. Vielen Dank. es natürlich darauf ankommen, hier sozialökologi- sche Transformationen so mit Investitionen zu be- Der Vorsitzende: Herzlichen Dank. Die nächste gleiten und Rahmenbedingungen zu schaffen, Frage stellt der Kollege Westphal von der SPD dass die Wirtschaft gut aufgestellt ist. Wir haben bitte. tatsächlich im Sachverständigenrat im letzten Jah- resgutachten ein Kapitel zur Klimapolitik. Und Abg. (SPD): Vielen Dank, Herr wir haben das überschrieben mit „Klimapolitik als Vorsitzender. Vielen Dank, meine Herren Sachver- industriepolitische Chance“. Das ist jetzt natürlich ständigen, dass Sie uns zur Verfügung stehen. Ich keine ausgefeilte Bewertung im Hinblick auf Ex- habe eine Frage an Professor Dr. Achim Truger. portstärke. Vielleicht muss man das auch nicht je- Wir haben natürlich alle erkannt, welche Bedeu- des Mal machen, aber was da schon natürlich tung und Relevanz unsere Industrie hat, wie ex- rauskommt, ist, dass die neuen Technologien, die portorientiert unsere Industrie ist. Und deshalb für den Klimawandel beziehungsweise die Ver- hat ja diese Anhörung heute die Aufgabe zu hinderung des Klimawandels notwendig sind, schauen, wie das eigentlich nach vorne gerichtet dass die gleichzeitig natürlich für Produktivitäts- ist. Und das, was wir sehen, ist im internationalen wachstum und auch für das Wachstumsmodell Vergleich schon eine Innovationskraft. Aber was Deutschlands wichtig sind. Insofern glaube ich, bedeutet das für zukünftige Märkte? Haben wir, dass das die wesentlichen Prioritäten sind. Abge- was Liefer- und Wertschöpfungsketten angeht, sehen davon, dass natürlich die Corona-Krise was Wettbewerbsfähigkeit angeht, Herausforde- noch eine Menge anderer Narben hinterlässt: Im rungen? Und wie muss man denen begegnen? Bildungssystem, im Gesundheitswesen. Das wä- Also die Frage, welche zentralen Faktoren sehen ren aus meiner Sicht wichtige Prioritäten, um Sie in Ihrer Bewertung, was die Absicherung der Wirtschaft und Gesellschaft gut aufzustellen. Über deutschen Exportstärke betrifft? Einzelheiten der Maßnahmen im Antrag kann man sicherlich sprechen. Was mich wundert, ist Der Vorsitzende: Danke. Herr Professor Truger die Konzentration auf Steuersenkungen, die natür- bitte. lich dem ganzen Finanzierungsbedarf, den es gibt, ziemlich im Wege stehen, wo ich nicht das Gefühl SV Prof. Dr. Achim Truger (Mitglied des Sachver- habe, dass das eine konsistente Strategie ist, so ständigenrates): Ja, vielen Dank, Herr Vorsitzen- wie sie im Antrag vertreten wird. Ja, damit bin ich der, vielen Dank, Herr Westphal, für die Frage. Ich vor der Zeit. Aber es ist ja ganz gut, wenn wir ein würde vielleicht zunächst erst nochmal sagen, bisschen Zeit sparen. Vielen Dank. dass man sich natürlich über Exporte Sorgen ma- chen kann. Und viele der hier angesprochenen Der Vorsitzende: Danke. Die nächste Frage stellt Punkte sind sicher richtig. Im Moment ist es ja tat- die AfD, Herr Müller bitte. sächlich so, dass wir insbesondere in der Binnen- wirtschaft das Problem haben, weil durch die Pan- Abg. Hansjörg Müller (AfD): Ja, danke, Herr Vor- sitzender. Ich habe eine Frage an Herrn Professor

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Otte. Und zwar in Ihrem Papier, das finde ich sehr Projekte, dann ist da auch viel Gutes getan. „Stra- interessant, wenn Sie die starke Exportorientie- tegische Großprojekte“, der Begriff kommt vom rung, die ja als Dogma, als quasi religiöses Dogma Kollegen Felbermayr, Und es ist ganz wichtig, in Deutschland immer erklärt wird, kritisch hin- dass wir eine strategische Außenwirtschaftspolitik terfragen. Und ich möchte jetzt eben nochmal ge- betreiben. Das Weltsystem hat sich geändert, dar- nau wissen, warum Sie das tun und wie eine über habe ich mehrfach geschrieben. Ich zitiere Außenwirtschaftsförderung am besten aussieht? den Kollegen Felbermayr, das nationale Interesse Danke. muss definiert und in den Vordergrund gestellt werden, ergänzt durch das europäische Interesse. Der Vorsitzende: Herr Professor Otte bitte. Das wäre auch meine Empfehlung.

SV Prof. Dr. Max Otte (Investor und Philanthrop): Der Vorsitzende: Dankeschön. Die nächste Frage Vielen Dank, Herr Müller. Sehr geehrter Herr Vor- stellt der Kollege Loos von der CDU/CSU-Frak- sitzender, sehr geehrte Damen und Herren. Ich tion. freue mich. Zwei persönliche Bemerkungen: 1986 war ich im Institut für International Economics, Abg. (CDU/CSU): Sehr geehrter sechs Monate, habe dort strategische Außenwirt- Herr Vorsitzender, ich hätte eine Frage an den schaftspolitik studieren können, war ein Jahr Pro- Herrn Treier. Und zwar: Haben die Verschärfun- jektleiter im Bundeswirtschaftsministerium für gen des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außen- eine externe Beratungsgesellschaft zur Reorganisa- wirtschaftsverordnung aus Ihrer Sicht Auswirkun- tion. Im Jahre 1997 konnte ich dabei auch die Ab- gen auf den deutschen Export gehabt? Und wenn teilung 5 sehr eng unter die Lupe nehmen, das ja, in welchem Umfang? Und dazu: Mit der macht man als Volkswirt gerne. Und ein Hinweis 17. Außenwirtschaftsverordnung wird die EU- an die Abgeordneten meiner Partei, der CDU: Sie Screening-Verordnung in nationales Recht umge- dürfen mich natürlich auch gerne fragen. Zur Ex- setzt. Sehen Sie die klaren deutschen Definitionen portorientierung: Die ist natürlich wichtig. Ich der Fallgruppen statt der EU-Schlagworte eher als habe einige der Gutachten lesen können und bin hinderlich einschränkend oder förderlich, da in dem Fall sehr erfreut über das Gutachten des rechtssicher? Kollegen Felbermayr, weil sich, ohne dass wir uns abgesprochen hätten, es so aussieht, als ob wir Der Vorsitzende: Herr Treier bitte. uns in diesem Teil abgestimmt hätten. Das ist nicht der Fall gewesen, aber da sind sehr viele SV Dr. Volker Treier (DIHK): Dankeschön für die ähnliche Gedanken drin. Aber die Exportorientie- Frage. Wir leben nicht nur als Exportnation, dass rung, Herr Müller, ist nicht das Einzige. Wir ha- wir hier im Inland Produkte herstellen und sozu- ben durch diese Exportorientierung strukturelle sagen unabhängig sind vom Ausland, sondern wir Außenhandelsbilanzüberschüsse und damit auch sind ja, früher waren wir mal Exportweltmeister, Finanzüberschüsse. Und diese legen wir sehr jetzt sind wir auf Platz 3. Wir sind auch bei den schlecht an. In Targetsalden oder in Geldforde- Direktinvestitionen sehr stark vertreten im Aus- rung ans Ausland, das reicht nicht. Das heißt, wir land. Und diese Direktinvestitionen sind vielfach müssen im Prinzip, wie China schon vor einigen der Zugang zu den Märkten, wie uns die Unter- Jahren, schauen, wie wir auch die Binnenwirt- nehmen schildern, wenn wir sie nach ihren Aus- schaft ankurbeln, dort strategische Projekte för- landsinvestitionsplänen fragen. Und sie sagen, das dern, Infrastruktur fördern. Exportförderung ist ist zur Markterschließung. Das heißt, die Aus- nicht das Einzige, sondern Deutschland muss landsinvestitionen unsererseits beruhen auch, auch sehen, dass wir strategische Zukunftsbran- sind Mutter oder Vater auch des Erfolgs, des Ex- chen aufbauen, denn da ist nicht mehr viel. Un- porterfolgs auf den Märkten. Und umgekehrt ist es sere größten Warengruppen im Export sind dieje- die Offenheit der Länder, dass sie diese Form der nigen, die schon vor 150 Jahren für den Auf- Investition zulassen. Umgekehrt müssen wir dann schwung der deutschen Wirtschaft gesorgt haben. auch eine Reziprozität walten lassen, selbst als Und bei Zukunftsindustrien ist das relativ wenig. offenes Land zu gelten. Das betrifft Europa und Also wenn wir die Binnenwirtschaft fördern, gute Deutschland im Speziellen. Und die Verschärfung

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der Außenwirtschaftsverordnung, die verschie- SV Christoph Bertram (fgh): Vielen Dank, Herr denfache, stellt von daher auch eine Gefahr einer Vorsitzender. Vielen Dank, Herr Abgeordneter Reziprozität dar. Auch klar ist, wir sind offener Houben. Meine Damen und Herren, ich will jetzt als viele andere Märkte, aber die Entwicklung ist nicht wiederholen, was Herr Treier eben schon erstmal eine Verschärfung der Außenwirtschafts- mehrfach gesagt hat. Die Ausweitung ist natürlich verordnung. Dementsprechend haben wir sie von erst einmal legitim, aber wozu sie in der Praxis der wirtschaftlichen Betroffenheit erstmal negativ führt, ist, dass ein sogenannter Korridor der Unsi- bewertet. Eine andere Frage ist natürlich der Si- cherheit für alle Erwerber aus dem Ausland be- cherheitsaspekt, der mit den Verschärfungen be- steht. Man versucht, sich eine Unbedenklichkeits- gründet wurde. Und das müssen andere bewerten, bescheinigung in jedem Fall zu besorgen. Und wie gewichtig dieser Aspekt ist, dass die Ver- man sieht das in der Entwicklung der Fallzahlen schärfungen eingetreten sind. Jetzt haben wir ver- über die letzten Jahre ja schon, letztes Jahr waren schiedene Stufen. Die aktuelle veränderte Außen- es 159, es wird zu einer weiteren Ausweitung wirtschaftsverordnung sieht jetzt die Fallstufen kommen. Da ich mittlerweile als Erwerber ange- vor oder die neuen Fallgruppen und unterschied- sichts der Rückabwicklungsfristen und anderer liche Schwellenwerte, ab denen geprüft werden eigentlich nicht mehr umhin komme, eine Unbe- muss. Insgesamt ist das gegenüber der alten Ver- denklichkeitsbescheinigung einzuholen. Verbun- ordnung, oder gegenüber dem, was vorgelegt war, den mit der Ausweitung der Sektoren und immer eine Verbesserung. Wir haben die Fallgruppen noch dem Vorhandensein von vielen unbestimm- jetzt näher definiert, sodass neben den kritischen ten Rechtsbegriffen, als Beispiel „voraussichtliche Infrastrukturen, die ab 10 Prozent geprüft werden, Beeinträchtigungen“, führt das dazu, nochmal ge- wo wir von 25 auf 10 Prozent runter sind, jetzt koppelt mit den immer noch sehr geringen Res- auch 20 Prozent. Die Fallgruppen sind näher defi- sourcen, die für die Prüfung bereitgestellt werden, niert, das ist eine gute Sache. Wir haben aber jetzt dass die Verfahren schwieriger, weniger evidenz- drei verschiedene Prüfschwellenwerte. 10, 20 und basiert und in der Tendenz auch noch länger dau- 25 Prozent. Das ist für sich gesehen also keine be- ern werden. Ein Beispiel, was mich immer um- sonders übersichtliche Situation, aber es ist eine treibt, jetzt ist es ausgeweitet worden auf den me- Situation, mit der die Unternehmen, so liegen uns dizinischen Bereich, aber hätten wir vor vier Jah- die Befragungsergebnisse vor, klarkommen. Ein ren hier zusammengesessen als Prüfer und einen Problem, das bleibt, letztes Wort, ist die Dauer der CureVac-Erwerb geprüft, dann hätten wir alle ge- Verfahren. Und hier sind die avisierten zwei Mo- sagt, mRNA, das ist keine Technologie, die irgend- nate schon sehr lang. wie bedeutend ist, weil man in diesem Sinne nicht voraussagen kann, wie sich die Welt ent- Der Vorsitzende: Danke. Für die FDP stellt die wickeln wird. Im Moment ist es aber tatsächlich nächste Frage Herr Houben bitte. so, dass sich diese Erwerber diesem Prozess unter- werfen müssen, indem höchst qualifizierte und Abg. Reinhard Houben (FDP): Herr Vorsitzender, sehr, sehr professionelle Menschen versuchen, et- Herr Bertram, danke, dass Sie zur Verfügung ste- was zu prüfen, was sie kaum prüfen können. Und hen wie alle anderen Experten auch. Ich möchte wie ich schon eben sagte, insgesamt führt es dazu, auch erst einmal auf die Außenwirtschaftsverord- dass eine Transaktionsunsicherheit stattfindet; die nung eingehen. Die Novelle, die Sektoren sind, es Transaktionsunsicherheit steigt immens. Und das ist angesprochen worden, von 11 auf 27 erweitert ist etwas, und Kollege Treier hat es eben schon ge- worden. Und in dem Zusammenhang die Frage: sagt, mit der Reziprozität, aber es führt auch dazu, Wie ist es mit der Zukunftsaussicht, wieviel Prüf- und das werden wir uns angucken, weil es einen verfahren werden letztendlich in Zukunft durch- internationalen Wettbewerb gibt, dass ich erstmal geführt werden? Werden Sonderprüfungen noch eine Investition in Deutschland schlechter be- länger dauern als heute? Und wie gehen Sie davon werte als einen in anderen Ländern, weil es diese aus in Zukunft, wie lange Bewilligungen insge- Unsicherheit gibt und diese lange Verfahrens- samt dauern werden? dauer und die Rückabwicklung dazu führt, dass ich mir nicht sicher sein kann, was da passieren Der Vorsitzende: Herr Bertram bitte. sollte. Und, und das haben Herr Professor Otte

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und Professor Felbermayr auch schon erwähnt: ten Defizite gegenüber. Und man sollte sich erin- Gerade in den Zeiten von schnellem technologi- nern, dass nicht traditionell in den USA die Re- schen Wandel, den wir jetzt gerade erleben und publikaner diejenigen sind, die die Defizite ab- auch dem geringen Vorhandensein von Investiti- bauen wollen, sondern die Demokraten. Und die onskapital gerade in Deutschland, da ist es so, sind jetzt an der Macht. Und es wird mit Sicher- dass wir auf diese Investitionen häufig angewie- heit dazu kommen, dass die USA ihren Druck auf sen sind. Ich habe in den letzten 11 Jahren mit die deutschen Überschüsse, zur Verringerung der knapp 40 Nicht-EU-Erwerbern gearbeitet. Ich habe deutschen Überschüsse massiv erhöhen werden. noch niemanden gesehen, der schlechte Intentio- Und das ist vollkommen berechtigt. Es gibt, auch nen hatte. Wenn Sie durchs Land fahren, werden das haben meine Kollegen leider nicht gesagt, es Sie überall Cluster sehen, werden Sie Fabriken gibt immer noch keine Freihandelstheorie, die sehen, die durch ausländische Direktinvestitionen Überschüsse rechtfertigt. Es gibt kein Recht auf entstanden sind. Und das ist etwas, was ein hohes dauernde Überschüsse. Und es gibt auch in Eu- Gut ist und was im Rahmen des Möglichen wei- ropa keinerlei Rechtfertigung für dauernde Über- terhin geschützt werden soll. schüsse eines Landes und insbesondere des größ- ten Landes. Kleinere Länder wie die Niederlande Der Vorsitzende: Danke. Die nächste Frage geht an oder Irland konnten das tun. Aber seit Deutsch- die Fraktion DIE LINKE., den Kollegen Ulrich land Überschüsse hat, ist es eine massive Belas- bitte. tung für Frankreich, Italien, Spanien, für alle an- deren Länder. Und ich verstehe nicht, wie man in Abg. (DIE LINKE.): Ja, vielen Deutschland über eine weitere Stärkung der Über- Dank. Anlass der Anhörung ist ja der FDP-Antrag. schüsse der deutschen Exportwirtschaft zurück zu Und wir teilen ausdrücklich die Überschrift der alter Stärke reden kann, wo Deutschland mit sei- Stellungnahme von Herrn Dr. Truger. Meine Frage ner Exportstärke, mit diesen Überschüssen, eine geht an Professor Flassbeck. Herr Flassbeck, Sie massive Belastung für die anderen Länder schafft. haben ja schon sehr oft auf die Probleme unserer Nämlich dadurch, dass die anderen Länder eben Außenhandelsüberschüsse hingewiesen. Gleich- nicht wie Deutschland sich über die Überschüsse zeitig sind auch die Unternehmen Nettosparer, es aus ihrer Lage befreien können. Herr Felbermayr wird zu wenig investiert. Die Streitigkeiten mit hatte angedeutet, das sei ein wunderbarer Weg, den USA, der Brexit und auch mit China zeigen dass man sich über höhere Überschüsse, nochmal zugleich, dass die globalen Handelskonflikte zu- höhere Überschüsse aus der Corona-Rezession be- nehmen. Wie werden Ihrer Ansicht nach andere freit. Das würde ja bedeuten, dass andere noch tie- Volkswirtschaften und vor allem die neue US-Re- fer in Defizite gehen. Das ist nun mal ein Null- gierung auf die deutschen Exportüberschüsse rea- summenspiel. Überschüsse und Defizite, man mag gieren? Und welche Rolle hat die EU? Und wie es begreifen oder nicht, das ist nun mal ein Null- sollte sie sich ausrichten, um diese Konflikte ab- summenspiel. Und man kann die anderen Länder zumildern? Vielen Dank. nicht in dieser Lage lassen. Wir haben nämlich einen engen Zusammenhang, das ist auch schon Der Vorsitzende: Danke. Herr Professor Flassbeck erwähnt worden, ganz kurz, zwischen dem Sparen bitte. insgesamt und den Schulden insgesamt. Und wenn Deutschland dauernd seine Schulden ins SV Prof. Dr. Heiner Flassbeck (ehem. Chefvolks- Ausland verlagert, dann bedeutet das, dass die an- wirt der UNCTAD): Ja, vielen Dank. Ich will mich deren Länder, Italien, Spanien vor allem, und in der Tat auf diese allgemeinen Leistungsbilanz- Frankreich nicht in der Lage sind, über diesen überschüsse beziehen, die von meinen Kollegen ja Weg ihre Probleme zu lösen. Dieser Weg ist für sie bisher fast nicht erwähnt wurden. Diesen Über- blockiert. Und dann bleibt bei sparenden Unter- schüssen, wir müssen das immer bedenken, ste- nehmen auf dieser Welt logischerweise, das ist ab- hen Defizite gegenüber in anderen Ländern, und solut zwingende Logik, bei sparenden Unterneh- insbesondere in den USA stehen den deutschen men und sparenden privaten Haushalten, da Überschüssen seit vielen, vielen Jahren, Jahrzehn- bleibt nur der Weg über steigende Staatsdefizite, um die eigene Konjunktur anzuregen. Und genau

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diesen Weg haben wir in Europa verboten. Und dingungen geschaffen werden für die sozialökolo- wir werden jetzt diskutieren, dass dieser Weg gische Transformation, für die Investitionen in die nochmal verschärft wird, weil man von diesen entsprechenden Technologien, wenn auch die Ländern erwarten wird, dass sie ihre Schulden re- öffentlichen Investitionen massiv hochgefahren duzieren. Und dann gibt es eine absolute Katastro- werden. Dann ist es erstens gut für die technologi- phe in Europa, weil die anderen Länder keine sche Entwicklung und löst viele der gesellschaftli- Chance haben, sich wirklich aus eigener Kraft zu chen Probleme inklusive Veränderungen des Kli- bewegen, denn die Bewegung hat Deutschland mawandels und trägt gleichzeitig dazu bei, dass verhindert. die Leistungsbilanzungleichgewichte über ver- stärkte Importe reduziert werden. Also insofern Der Vorsitzende: Herzlichen Dank. Die nächste wäre das hier eine Win-Win-Strategie, auch Frage geht an die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE makroökonomisch. Was mir tatsächlich Sorge be- GRÜNEN. Frau Dröge bitte. reitet bei dem Ganzen ist, dass wir ja eigentlich einen expansiven Pfad brauchen, sowohl in Abge. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE Deutschland als auch in Europa, der sehr stark auf GRÜNEN): Ja, vielen Dank, Herr Vorsitzender. öffentliche Investitionen setzt und die man natür- Meine Frage geht an Professor Truger. Ich würde lich verstetigen muss. Also auf ein höheres gar nicht so sehr auf den Antrag der FDP einge- Niveau bringen und verstetigen muss. Und Sorge hen, weil der aus meiner Sicht nicht so richtig ge- bereitet mir, dass wir auf der einen Seite durch eignet ist zu beschreiben, was gut ist, um die deut- die Schuldenbremse in Deutschland, auf der an- sche und europäische Wirtschaft richtig aufzustel- deren Seite durch die europäischen Fiskalregeln len, sondern eher die grundsätzliche Frage noch- sehr stark beschränkt werden und dass es da im mal an Dich stellen. Du hattest auf den Kollegen Zusammenwirken wirklich sehr gut sein kann, Westphal ja auch schon ein Stück weit geantwor- dass wir die notwendigen Investitionen nicht täti- tet. Was sind aus Deiner Sicht kurzfristige und gen können oder aber eben an sonstigen, an ande- längerfristige Maßnahmen, die in Deutschland ren Stellen in starke Kürzungsprogramme oder notwendig sind, aber die auch europäisch not- massive Steuer- und Abgabeerhöhungen getrieben wendig sind, um einen Zukunftspfad zu beschrei- werden. Das wäre natürlich kontraproduktiv. Und ten? vor dem Hintergrund glaube ich, dass wir auch nochmal über das fiskalische Rahmenwerk, die Der Vorsitzende: Danke. Herr Professor Truger Schuldenbremse und die EU-Fiskalregeln spre- bitte. chen müssen. Das bedeutet vor allen Dingen, dass die aus meiner Sicht investitionsorientierter wer- SV Prof. Dr. Achim Truger (Mitglied des Sachver- den müssen. Das heißt, dass wir entsprechende ständigenrates): Ja, vielen Dank. Ja, ich habe Investitionen privilegieren sollten, so dass diese einige Sachen eben ja schon kurz angedeutet. Und getätigt werden können. Ganz kurz noch zu ich glaube tatsächlich, vielleicht auch in Anknüp- Europa: Ich halte diesen Wiederaufbaufonds und fung an das, was Heiner Flassbeck eben gesagt hat: das, was jetzt auf europäischer Ebene passiert ist, Diese Fixierung auf die Exporte ist sicherlich ein- erstmal für einen riesigen Fortschritt. Es ist näm- seitig. Man muss vielleicht aber auch sagen, wenn lich anders als in der Eurokrise gelungen, nicht wir uns über die Leistungsbilanzungleichgewichte wieder eine Eurokrise auszulösen und durch kata- zu Recht Sorgen machen, dann heißt das aber ja strophale Austerität viele Länder zu treiben. Son- natürlich nicht, dass wir uns jetzt eine export- dern da ist wirklich ein Signal der Gemeinsamkeit schwächere wünschen müssen, sondern eher eine gesetzt worden, und die Mittel aus dem Fonds größere Importstärke. Und das ist ja genau der können wirklich jetzt auch für Zukunftsinvestitio- Punkt, wo es auch makroökonomisch dann wieder nen genutzt werden. Das ist eine Chance für die aufgeht, wenn es nämlich gelingt, die Binnenwirt- Zukunft, an der man aber noch anknüpfen muss schaft zu stärken, die ja im Moment, wie gesagt, und wo dann auch noch auf europäischer Ebene aufgrund der Krise noch vergleichsweise am Bo- am Regelwerk einiges sich ändern muss. Vielen den liegt. Wenn wirklich die richtigen Rahmenbe- Dank.

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Der Vorsitzende: Ich bedanke mich auch. Wir sind richtigen Ergebnissen geführt. Das heißt, aus unse- damit am Ende der ersten Runde. Jetzt müsste ich rer Sicht muss es vor allen Dingen darum gehen, die Zeit auf drei Minuten für Frage und Antwort dass in Handelsabkommen beispielsweise durch- verkürzen, damit Sie das alle im Hinterkopf behal- setzbare, verbindliche und auch sanktionsbe- ten. Die nächste Frage geht an die SPD, Herr Kol- währte Standards festgeschrieben werden, die für lege Töns bitte. eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen überall sorgen, damit wir dann ein Level-Playing-Field im Abg. Markus Töns (SPD): Vielen Dank, Herr Vor- internationalen Wettbewerb haben und einen ge- sitzender. Meine Frage richtet sich an Florian rechten Wettbewerb herstellen können oder zu- Moritz vom DGB: Ich würde fragen, vor welchen mindest in die Richtung gehen können, wo sozu- Herausforderungen steht die EU zurzeit in der sagen globaler Wettbewerb nicht auf Kosten der Handelspolitik? Woran fehlt es in der Handels- Beschäftigten, auf Kosten der Löhne ausgetragen politik Ihrer Meinung nach zurzeit? Wir wissen ja, wird, sondern beispielsweise tatsächlich durch dass die Verhandlungen der EU mit Mercosur und komparative Vorteile, durch Produktivitätsvorteile China, die muss man sicherlich unterschiedlich oder durch Spezialisierung stattfinden kann. beurteilen, abgeschlossen sind. Aber es gibt da er- Das heißt, da brauchen wir noch viele weitere hebliche Zweifel, gerade in der Öffentlichkeit, an Schritte. Wir brauchen außerdem, müssen wir den Zielen der Nachhaltigkeit, der Menschen- außerdem wegkommen, und das ist quasi das Ge- rechte etc. Sind diese Politikziele in Handelsab- genteil von dem, was die FDP ja vorschlägt, von kommen der EU überhaupt zu verwirklichen? der reinen Liberalisierungsagenda. Beispielsweise Und wenn ja, welche Voraussetzungen würden im Dienstleistungsbereich. Es gibt wichtige Sie dort dafür formulieren? Dienstleistungsbereiche, die zu Recht nicht libera- lisiert sind. Und die müssen künftig viel stärker Der Vorsitzende: Danke. Herr Moritz bitte. ausgenommen werden.

SV Florian Moritz (DGB): Ja, vielen Dank für die Der Vorsitzende: Herzlichen Dank. Die nächste Frage. Vielleicht ganz kurz vorab allgemein zu Frage geht an die CDU/CSU, Herr Rouenhoff bitte. dem Antrag der FDP. Ich glaube, es ist schade, dass da die falschen Fragen gestellt werden, die Abg. Stefan Rouenhoff (CDU/CSU): Meine Frage falschen Themen, weil aus meiner Sicht müssten geht an Rupert Schlegelmilch. Wir sehen ja inter- genau die Fragen gestellt werden, die beispiels- national, dass es zunehmend Handelsabkommen weise Herr Professor Truger aufgeworfen hat: Wie zwischen anderen Wirtschaftsregionen und Wirt- wir denn die Industrie, um die es hier im Wesent- schaftsblöcken gibt, beispielsweise RCEP (Regio- lichen geht, wie wir die zukunftsfähig halten. Und nal Comprehensive Economic Partnership) oder das wären Investitionen, auch öffentliche Investi- CPTPP. Sollte die Europäische Union darauf rea- tionen und eine vernünftige Industriepolitik. Die gieren und wenn ja, wie? Und ein weiterer Aspekt andere Frage, die in dem Kontext zu stellen wäre, in diesem Zusammenhang: Wir haben ja gerade wäre die Frage nach einer fairen Globalisierung. vom DGB gehört, dass es keine reine Liberalisie- Wie verändern wir denn die Globalisierung, dass rungsagenda geben soll. Sind denn andere Staaten sie mehr Akzeptanz findet und sozusagen die Vor- überhaupt bereit, unseren Standards, die wir in teile, die sie bringen könnte, gerecht verteilt und anderen Weltregionen uns wünschen, zu folgen, auch in der Bevölkerung gesehen werden. Ich denn eine Verhandlung ist ja nie ein Wunschkon- glaube, das sind die Sachen, auf die es ankommt. zert. Dankeschön. Und da kann eben auch die Handelspolitik eine große Rolle spielen. Da komme ich auf Ihre Frage Der Vorsitzende: Herr Schlegelmilch bitte. zurück. Dann muss die Handelspolitik aber anders ausgerichtet sein. Wir hatten ein paar Diskussio- SV Rupert Schlegelmilch (EU-KOM): Ja, schönen nen, die in die richtige Richtung gehen in der Dank auch für die Frage und für die Einladung. europäischen Handelspolitik in den letzten Jah- Ganz konkret zu der Frage, wie wir uns in Asien ren. Aber die haben noch nicht zu konsequent aufstellen. Und Hintergrund ist natürlich, dass

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das Wachstum weltweit zum großen Teil in die- Der Vorsitzende: Sie müssten bitte auch zum sem Teil der Welt stattfinden wird in den nächs- Schluss kommen, Herr Schlegelmilch. ten Jahren. Das hat die Kommission, die ja für die Handelspolitik auf europäische Ebene federfüh- SV Rupert Schlegelmilch (EU-KOM): Ja, das heißt, rend ist, schon seit langem versucht. Und wir ha- da sind wir auch dabei. Die Kommission erarbei- ben das ja auch teilweise umgesetzt, mit diesen tet einen neuen Aktionsplan für die Nachhaltig- Partnern zu verhandeln. Wir haben ein Freihan- keitsziele, da liegt die Frage auf den Tisch. delsabkommen mit Vietnam, wir haben das China-Abkommen, das sehr umstritten und ein In- Der Vorsitzende: Ich meine das wirklich ernst, vestitionsabkommen ist, abgeschlossen. Aber na- Herr Schlegelmilch, Ihre Redezeit ist abgelaufen. türlich noch nicht ratifiziert. Wir sind mit Indien Danke. Als nächstes spricht Herr Willsch von der im Gespräch. Das hat dieser Tage ja auch schon in CDU/CSU bitte. der Presse Widerhall gefunden. Wir versuchen also, was wir können, auch mit den anderen Abg. Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Ja, danke. ASEAN-Staaten. Mit Singapur haben wir auch ein Meine Frage geht an Herrn Professor Felbermayr, Freihandelsabkommen. Es geht darum, diese von dem ich mir für die Union auch zukünftig, Märkte durchaus auch für uns zu erschließen. Na- auch vom Süden aus der Alpenrepublik Rat er- türlich unter den Bedingungen, die dort herr- hoffe und erbitte. Sie schreiben, dass Entwick- schen, das heißt, wenn Sie ein Land wie Indone- lungszusammenarbeit und Außenwirtschaftsför- sien sehen, wo wir seit langem verhandeln, die derung enger miteinander verschränkt werden haben eine sehr protektionistische Tradition, sage sollten. Wie stellen Sie sich so etwas vor? Und wo ich mal. Das ist gar nicht so einfach, Zugeständ- sehen Sie die wesentlichen Defizite hier und nisse auszuhandeln. Aber wir haben das natürlich heute? im Blick, wir sind also sehr stark darauf bedacht, sowohl das China-Abkommen, das uns wesentlich Der Vorsitzende: Herr Professor Felbermayr bitte. bessere Zugangsbedingungen zum chinesischen Nicht aus der Alpenrepublik, sondern von Kiel. Markt gibt, anders, als die Amerikaner das ge- macht haben, aber trotzdem, meiner Ansicht nach SV Prof. Gabriel Felbermayr (IfW Kiel): Ja genau - genauso wirksam, dort weiter Fuß zu fassen. Ob noch. Vielen Dank. Also ich glaube, dass das zu- das mit den Dingen vereinbar ist, die natürlich sammen geht mit dem Wunsch, deutsches und auch uns sehr am Herzen liegen, das heißt, die europäisches Interesse besser zum Ausdruck zu Handelspolitik auch nachhaltig zu gestalten. Ich bringen und unsere strategischen Interessen in der möchte da kurz auf die Mitteilung der Kommis- Welt mit den Instrumenten, die wir haben, nicht sion vom Februar verweisen, die ja die ganze Han- nur der Außenwirtschaftsförderung oder auch der delspolitik auf den Prüfstand gestellt und auch Entwicklungszusammenarbeit, der Wirtschafts- ganz klar sagt, die Handelspolitik ermöglicht uns diplomatie insgesamt mit mehr Nachdruck zu ver- auch natürlich, die eigentlichen Ziele der EU, folgen. Da gehören natürlich auch Themen dazu das heißt Wohlstand, Sicherheit und Wachstum, wie die ökologische Transformation unserer grünes Wachstum umzusetzen. Da muss die Han- Volkswirtschaft und der globalen Wirtschaft, da- delspolitik ihren Beitrag leisten. Das versuchen mit das ein Erfolg sein kann. Wenn Sie mich fra- wir auch. Mercosur wurde auch schon genannt. gen, wie die Entwicklungszusammenarbeit und Mercosur ist ein klassisches Beispiel, was zeigt, die Exportförderung zusammengehen können, dass man da einiges machen kann, was man näm- dann sind zum Beispiel die Exportkreditversiche- lich umsetzen kann, dass die Klimaziele und das rungen des Bundes ein Thema, an das man den- Pariser Abkommen effektiv umgesetzt werden. In ken kann. Dort geht es ja bisher nicht um entwick- einem Handelsabkommen ist das festgeschrieben. lungspolitische Ziele. Häufig können ja deutsche Die Gretchenfrage, die oft gestellt wird: Können Unternehmen, indem sie zum Beispiel Maschinen wir das mit Sanktionen umsetzen? Da sind wir liefern oder Produktionsanlagen in ärmere Länder, eher skeptisch in der Kommission, weil wir es mit einen Beitrag leisten zur dortigen Entwicklung. souveränen Staaten zu tun haben Technologietransfer passiert häufig durch Maschi- nen, durch Güter, durch den Handel selber und

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durch Investitionen. Aber in den Exportkreditver- SV Prof. Dr. Achim Truger (Mitglied des Sachver- sicherungen ist dieses entwicklungspolitische Ziel ständigenrates): Vielen Dank. Das sind jetzt viele nicht verankert. Da geht es immer noch sehr stark Fragen. Könnten Sie die erste Frage noch einmal darum, welche Wertschöpfungsanteile aus wiederholen? Deutschland kommen. Wenn die groß genug sind, kann gefördert werden. Wenn das nicht passiert, Abg. Bernd Westphal (SPD): Die erste Frage war, wird nicht gefördert. Und das wäre ein Beispiel, inwieweit Sie Freihandelsabkommen auch als wie man das machen kann. Was ich nicht verlan- politisches Gestaltungsinstrument sehen, um sozi- gen würde, ist, dass man Entwicklungszusammen- ale und Umweltstandards zu etablieren. arbeit immer darauf prüft und abhängig macht da- von, ob dann auch für Deutschland wirtschaftli- SV Prof. Dr. Achim Truger (Mitglied des Sachver- che Vorteile daraus entstehen. Ich glaube, in der ständigenrates): Das ist ja ein grundsätzliches Welt, in der wir heute sind mit geostrategischen Problem, dass, wenn man eine naive Freihandels- Rivalitäten, auch mit politischen Risiken, muss lehre vertritt, im Grunde fast alles als Handels- man einfach die Außenwirtschaftspolitik breiter hemmnis auffasst, als nicht-tarifäres Handels- aufstellen. Das können nicht mehr nur die klassi- hemmnis, wobei es natürlich schon so ist, dass schen Instrumente sein, sondern da gehören eben eigentlich die EU oder einzelne Staaten, bezie- andere dazu, aus der Entwicklungszusammenar- hungsweise die EU als Staatenverbund das Recht beit auch. Und man muss einen holistischen An- nutzen sollten, ihre eigenen Standards, Umwelt- satz fahren. Und da gehört auch übrigens nicht standards, Sozialstandards abzusichern und nur Exporte dazu, Herr Flassbeck, sondern natür- selbstbewusst zu vertreten. Und mein Eindruck lich auch Importe. Und ein weiteres Element, das ist, dass das Verständnis dafür zunimmt. Und ich man überlegen kann, ist, ob die deutsche Export- finde es auch richtig, wenn man auf der einen kreditversicherung nicht auch Risiken versichern Seite den Binnenmarkt als wichtiges Instrument kann, die sich durch Importbeziehungen ergeben. sieht, dass man dann auch den Zugang zum Bin- Denn dort stellen sich ja auch Finanzierungsfra- nenmarkt strategisch nutzt, um sicherzustellen, gen, häufig aus Ländern, die keine eigene Export- dass die, die gerne vom Nutzen des Binnenmark- kreditversicherung haben. Vielen Dank. tes profitieren, indem sie zu uns exportieren möchten, dass die dann auch bestimmte Stan- Der Vorsitzende: Herzlichen Dank. Die nächste dards einhalten müssen. Und wenn in bestimmten Frage stellt die SPD, der Kollege Westphal bitte. Freihandelsabkommen, die verhandelt werden oder unterschriftsreif, aber noch nicht unter- Abg. Bernd Westphal (SPD): Vielen Dank, Herr schrieben sind, wenn da das Problem besteht, Vorsitzender. Meine Frage geht an Professor Dr. dass genau solche Standards nicht eingehalten Truger. Die Freihandelsabkommen, Zuständigkei- werden oder dagegen verstoßen werden soll, dann ten auf europäischer Ebene sind nach unserer kann ich sehr gut verstehen, wenn die dann eben Auffassung schon auch ein politisches Gestal- nicht unterzeichnet werden und man sich dage- tungsinstrument. Von daher die Frage, wie kön- gen wendet. Das selbstbewusste Vertreten der nen neben technologischem Fortschritt und Stan- eigenen sozialen und ökologischen Standards dards und Zollabbau auch genau diese sozialen halte ich für sehr wichtig. Und diese soll man ein- Standards gesichert werden? Wie beurteilen Sie setzen. Das gilt insbesondere natürlich auch für das? Und als nächstes würde ich fragen, was die die Industriepolitik, wenn sie beispielsweise dann Sicherung von Lieferketten angeht. Wir erleben auf grünen Wasserstoff setzen will, für die Zu- gerade, dass Teile der Automobilindustrie, die kunft auch eine ganz wichtige Sache, auch in Sa- Bänder ruhen, weil die Versorgung, zum Beispiel chen Grenzausgleichsregime. Vielen Dank. mit Speicherchips nicht funktioniert. Und als letz- tes, welche Exportförderinstrumente müssen wei- Der Vorsitzende: Herzlichen Dank. Die nächste terentwickelt werden? Vielen Dank. Frage stellt Herr Müller von der AfD.

Der Vorsitzende: Herr Professor Truger bitte. Abg. Hansjörg Müller (AfD): Ich hätte zu Beginn, wenn ich das darf, eine Anmerkung als kleiner

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Diplom-Volkswirt hier an die großen Volkswirt- Kriterien für ihre eigenen Investitionen zu entwer- schaftsprofessoren. Ich habe mir alle Gutachten fen. Da ist dann wieder dieses alte Paradigma angeschaut und mir ist aufgefallen, dass man in Staat = schlecht, und Privat = gut, das in dieser allen Gutachten praktisch nur den Status quo be- einfachen Form nicht gilt, drin. Wir Deutschen spricht. Es fehlt der Blick nach vorne. Wir befin- setzen Recht, wie die DSGVO, asymmetrisch, den uns in einer kompletten Transformation des exakt und penibel um. Und das ist ein riesiger Weltwirtschaftssystems. Ich meine, Trump hat das Wettbewerbsnachteil, der sich dann in der gehen- angestoßen, das hat hier keinem gefallen, das weiß den Rechtsetzungspraxis auswirkt. Man müsste ich schon. Aber jetzt auch mit Corona, wir sind sich auch anschauen, wie die Umsetzungsprakti- jetzt in einem Paradigmenwechsel drin, sodass ken in verschiedenen Ländern sind. Da können vieles nicht mehr stimmen kann, was in den wir ein Stück voraus gehen, aber nicht endlos volkswirtschaftlichen Büchern steht. Also, das ist weit. mir einfach nur aufgefallen. Der einzige, der hier auf diesen Punkt eingeht, der in meinen Augen Der Vorsitzende: Danke. Die nächste Frage geht an völlig zentral ist, wenn wir dieses Thema über- die CDU/CSU, Herr Dr. Lenz bitte. haupt sinnvoll besprechen wollen, das ist Herr Professor Otte. Und deswegen möchte ich Ihnen Abg. Dr. (CDU/CSU): Meine Frage eine Frage stellen: Sie haben diesen Paradigmen- geht an den Professor Felbermayr. Es ist ja immer wechsel gut beschrieben und haben auch noch ei- stärker so, dass Europa auch in der Handelspolitik nen sehr interessanten Einzelpunkt drin, wenn letztlich Politikziele verfolgt, wie die „grüne Sie sagen, ein sehr effektives Produktivitätshemm- Transformation“, wenn man es so bezeichnen nis für die deutsche Wirtschaft wird gerne totge- will. Wie beurteilen Sie denn das Urteil vom Bun- schwiegen, die Praxis der Rechtsetzung. Was mei- desverfassungsgericht von letzter Woche, auch im nen Sie denn damit? Kontext einer Carbon Border Tax? Und, wenn Sie noch Zeit haben, wie stark wirken sich denn die Der Vorsitzende: Herr Professor Otte bitte. Konjunkturprogramme, gerade auf die aktuellen Konjunkturprogramme der USA auf die Nachfrage SV Prof. Dr. Max Otte (Investor und Philanthrop): aus Deutschland und damit eben auch auf die Ex- Also zu dem Paradigmenwechsel ist es zumindest porttätigkeit aus Deutschland aus? implizit im Gutachten von Kollegen Felbermayr enthalten, indem er sagt, wir haben global diese Der Vorsitzende: Herr Professor Felbermayr bitte. strategische Handelspolitik, die sich ausweitet. Ich habe es auch in einigen anderen Gutachten ge- SV Prof. Gabriel Felbermayr (IfW Kiel): Ich be- sehen, dass die Kollegen das ernst nehmen, dass ginne mal mit der ersten Frage, lieber Herr Lenz. sich die Weltwirtschaft ändert und dass unbeding- Ja, sie wirken sich natürlich aus. Das Konjunktur- ter Freihandel ohne strategischen Blick nicht programm der USA jetzt auch; die deutschen Ex- mehr funktioniert. Was in einigen Gutachten nicht porte, sie leben. Vieles aber hängt von der Ent- drin steht, die europäische Ebene ist extrem wich- wicklung des Euro-/Dollar-Wechselkurses ab. Und tig. Wir müssen sehen, dass die USA und Europa man muss damit rechnen, dass der Euro im Ver- oftmals sehr gegenläufige Interessen vertreten, hältnis zum Dollar aufwerten wird, als Folge der auch unter einem neuen Präsidenten Joe Biden, expansiven Maßnahmen in den USA. Und das re- wenn es um Nord Stream 2 und viele andere Fra- duziert halt diesen Stimulus ein bisschen. Grenz- gen geht. Europa muss sehr viel selbstbewusster ausgleich: Also Sie haben Recht, es gibt auch aus gegenüber den USA werden. Das sage ich auch als dem Bundesverfassungsgerichtsurteil heraus ei- amerikanischer Staatsbürger. Und zur Rechtset- nen höheren Bedarf, noch schneller auf die CO2- zung, da gab es eben bei Herrn Bertram eine Ein- Preise zu gehen. Und höhere CO2-Preise in der lassung zur Schwierigkeit des Zulassungsprozes- Europäischen Union oder in Deutschland bedeu- ses für ausländische Direktinvestitionen. Da habe ten natürlich auch, dass die „Leakage“-Gefahr ich einen kleinen Widerspruch gesehen, gleichzei- steigt, dass es also zu einer Verlagerung von in- tig will in dem Antrag die FDP-Bundestagsfrak- dustrieller Wertschöpfung ins Ausland kommt. tion die Bundesregierung verpflichten, genauere Und deswegen wird man sich etwas überlegen

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müssen. Die Alternativen, die wir aber auf dem beantworten. Wenn wir uns das angucken, dann Tisch liegen haben, sind allesamt schlecht. Ein sind die USA immer noch weit vorne, bei allen CO2-Grenzausgleich, vor allem, wenn er unilateral anderen ist es schwieriger zu bewerten, weil die verfolgt wird, birgt hohe Gefahren. Einerseits die Verflechtung der internationalen Finanzströme Gefahr der Retorsion aus dem Ausland, anderer- und der Unternehmen das auch schwierig macht. seits aber auch hohe Ungenauigkeiten, die Len- Wir hatten vor kurzem gerade einen Fall, der ist kungswirkung ist schwierig. Deswegen habe ich auch relativ groß durch die Presse gegangen, eines gemeinsam mit Kollegen des Beirats des Bundes- indonesischen Erwerbers. Wenn Sie sich aber die wirtschaftsministeriums vorgeschlagen, dass Kapitalstruktur des indonesischen Erwerbers an- Europa sich stark machen soll für einen Klima- schauen, dann sehen Sie, dass dort fast die ganze club. Dass wir also die Gunst der Stunde nutzen, Welt mit dabei ist. Interessant, beim Center for In- auch mit einer neu-klimabewussten US- ternational Relations Studies (CEFIR): In den USA Administration gemeinsam voranzugehen, andere gibt es eine „Whitelist“, eine Positivliste an Län- Partner mit einzubinden, allen voran auch das dern, die ein vereinfachtes Verfahren durchlaufen. Vereinigte Königreich, was ja nicht mehr formell Darauf wurde jetzt nicht zurückgegriffen, also im europäischen Emissionshandel ist, und ge- auch in Großbritannien, wo gerade das Gesetz her- meinsam CO2-Mindestpreise zu vereinbaren und ausgekommen ist, wurde auch nicht darauf zu- dann aber innerhalb eines solchen Klimaclubs rückgegriffen. Man müsste tatsächlich noch ein- keinen CO2-Grenzausgleich durchführen, keine mal hingehen, Herr Schlegelmilch und die EU Belastung des grenzüberschreitenden Handels ha- würden den schwierigen Begriff „Fitness-Check“ ben. Für Drittstaaten hätte das den Vorteil, dass sehen. Ich würde es mir tatsächlich noch einmal die einen Anreiz hätten, einem solchen Klimaclub anschauen: Wen wollen wir denn eigentlich ha- beizutreten, weil sie dann dem Grenzausgleich ben, welche Finanzströme wollen wir da haben, entgehen könnten und Einnahmen aus einer CO2- welche Länder wollen wir da haben, wo gibt es Bepreisung selbst behalten, die sonst in das euro- tatsächlich auch Sektoren, in denen wir vorrangig päische Budget fließen würden. Insgesamt ist es Investitionen betreiben wollen? Und dann kann so, dass natürlich das große, prioritäre Thema der man auch versuchen, allerdings kann man das ökologischen Transformation auch in der Han- nicht auf Länderebene machen, eine sogenannte delspolitik Ausdruck finden muss. Und es ist naiv „Blacklist“ aufzustellen. Das wurde versucht, also zu glauben, man kann hier im Sinus denken. Ver- in den Prüfverfahren läuft das tatsächlich so, dass bindungen sind klar da. Man muss vorsichtig mit eben auch geschaut wird, ist da eine staatliche In- Verschränkungen umgehen, aber sie sind natür- vestition, ist da ein staatlicher Akteur darin vor- lich politisch absolut wichtig. handen? Das ist teilweise handwerklich extrem schwierig zu machen, um zu sehen, ob irgendein Der Vorsitzende: Danke. Herr Houben für die FDP chinesisches Investitionsvehikel tatsächlich bitte. staatskapitalistisch organisiert ist oder nicht. Da werden heute - und das ist jetzt vom Timing die- Abg. Reinhard Houben (FDP): Ich möchte noch- ser Anhörung her ein bisschen schwierig - die mal Herrn Bertram fragen, es ist angesprochen Anti-Subsidy/Public-Subsidy-Vorschläge der worden: Das jetzt angehaltene Verfahren China- Kommission vorgelegt. Das wäre vermutlich noch EU-Investitionen. Aus Ihrer beruflichen Erfah- so ein rechtssystematischer Hinweis, dass man da rung, bei manchen Debatten hier habe ich ja auch noch einmal schauen muss, gibt es eigentlich ein so das Gefühl, das ist eine Anti-China-Debatte. „european interest“, das innerhalb von Europa Welche Drittstaaten investieren denn tatsächlich und der EU sehr eng vorhanden ist. Welche Inves- in Deutschland und wie sind die prozentualen toren möchten wir haben als Europa, mit wem Anteile, also wer ist Nummer eins, zwei, drei, möchten wir tatsächlich auch Nähe haben, kön- vier? nen wir uns dort als Europa in Richtung einer „Whitelist“ bewegen? Und dass man da eine Der Vorsitzende: Danke. Herr Bertram bitte. grundsätzliche Angleichung macht. Im Moment ist es so, das Foreign Direct Investment (FDI) in SV Christoph Bertram (fgh): Das ist schwierig zu Frankreich hat andere Schwellenwerte als die

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AWVO (Außenwirtschaftsverordnung) in Deutsch- men haben wir überall auf der Welt. Und deswe- land. Das heißt, die Franzosen können „national gen ist die deutsche Lösung, ich muss wieder da- interest“ bei Investitionen nach Deutschland an- rauf zurückkommen, eine vollkommen absurde greifen, wir im Gegensatz nicht. Also das wäre so Lösung: Zu glauben, ein Land der Welt, eines der ein Teil der tatsächlichen Zielbestimmungen, den größten Länder der Welt, kann auf Dauer die wir nochmal angehen sollten. Schuldenfrage nach außen verlagern und alle an- deren müssen sie intern lösen, obwohl die Unter- Der Vorsitzende: Danke. Die nächste Frage geht an nehmen überall Sparer sind. Das ist ein grandio- DIE LINKE., Kollege Ulrich bitte. ses Missverständnis. Und man wird es in allen Freihandelsverhandlungen der Zukunft ganz ge- Abg. Alexander Ulrich (DIE LINKE.): Mehrere nau sehen, Freihandelspolitik alter Art wird ein- Sachverständige haben heute schon dargelegt, fach nicht mehr funktionieren. Die Amerikaner dass wir eigentlich weniger Probleme in der Ex- haben schon in den asiatischen Verträgen darauf portwirtschaft haben, sondern eher bei der Bin- beharrt, dass makroökonomische Klauseln einge- nenwirtschaft. Und meine Frage geht auch noch baut werden, die darauf hinauslaufen, dass die einmal an Herrn Flassbeck. Die FDP fordert ja in Partner keine hohen Überschüsse haben. Dass es ihrem Antrag, die Investitionsbedingungen zu ver- keine absoluten Vor- und Nachteile gibt und da- bessern und meint damit auch Steuersenkungen mit auch keine hohen Defizite auf ihrer Seite. Und oder auch Deckelungen der Sozialabgaben oder das wird die Zukunft sein, machen wir uns nichts auch Privatisierungen. Welche Effekte hätten vor. Sie glauben, Sie können Freihandelsabkom- denn solche Maßnahmen für die Binnennach- men treffen wie in der Vergangenheit, wo man ein frage? Und was bedeutet denn solches auch für bisschen hier fummelt, ein bisschen da fummelt, die Arbeitnehmerschaft in Deutschland? ein bisschen nicht-tarifäre Handelshemmnisse be- seitigt. Das wird es alles nicht geben, sondern es Der Vorsitzende: Danke. Professor Flassbeck bitte. wird überall glasklar drinstehen: Überschüsse müssen weg! Und das ist vollkommen berechtigt, SV Prof. Dr. Heiner Flassbeck (ehemaliger Chef- das ist vor der Freihandelstheorie, die all meine volkswirt der UNCTAD): Vielen Dank. Ich habe ja Kollegen hier vertreten. Ansonsten ist das voll- schon darauf hingewiesen, wir haben das Phäno- kommen berechtigt, es gibt keine Möglichkeiten men seit 15 bis 20 Jahren, dass die deutschen Un- für dauerhafte Überschüsse, noch zumal in der ternehmen zu Nettosparern geworden sind. Und Größenordnung Deutschlands von sechs, sieben mit einem Unternehmenssektor, der Nettosparer Prozent. Die sind ja auch sogar in Europa verbo- ist, kann man einfach viele Probleme auf dieser ten, und Deutschland verstößt permanent gegen Welt nicht lösen. Die ganze Marktwirtschaft, wie die europäischen Regeln. Es gibt keinerlei Recht- sie alle unsere Kollegen lehren an ihren Universi- fertigung dafür. Und es ist ein Wunder, dass bis- täten und sonst wo, beruht darauf, dass die Unter- her nur Trump einmal aufgestanden ist, aber ich nehmen Schuldner und Investoren sind. Aber vermute Herr Biden wird das in Zukunft sehr viel man hat in Deutschland ja Anfang der 2000-er besser machen. Jahre die Steuerlast für die Unternehmen halbiert. Die Löhne sind massiv gedrückt worden, Lohnne- Der Vorsitzende: Herzlichen Dank. Die nächste benkosten sind gedrückt worden. All das hat dazu Frage geht an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das ist geführt, dass im Ergebnis, aus welchen Gründen die Frau Dröge bitte. auch immer, das will ich gar nicht diskutieren jetzt, da haben wir keine Zeit für, die deutschen Abge. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE Unternehmen Sparer sind. Und das bedeutet per GRÜNEN): Ich möchte noch einmal Achim Truger definitionem sozusagen, dass sie nicht genug in- fragen, und ich hätte jetzt doch noch eine Frage vestieren und dass immer jemand in diese Lücke zum Antrag der FDP. Die FDP schlägt ja auf der springen muss. Und in diese Lücke springt im einen Seite vor, die Schuldenbremse in jedem Moment in Deutschland immer nur das Ausland. Falle einzuhalten und sogar einen „Schulden- Aber dieses Phänomen der sparenden Unterneh- bremsen-Turbo“ einzuführen mit Blick auf die Coronaschulden. Und gleichzeitig plant die FDP

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umfassende Steuersenkungen. Deswegen meine sogar gefordert, dass die Rücklagen, die jetzt ver- Frage an Sie: Wie kann das funktionieren, ist das plant sind, die 48 Milliarden, dass die eingesetzt durchgerechnet und welche Folgen hätte das wirt- werden, um die Kreditaufnahme im Rahmen der schaftlich, wenn man das so durchzieht, wie die Nachtragshaushalte zu mindern. Also dann wären FDP das vorschlägt? wir schon komplett im Defizit jetzt, das würde gar nicht funktionieren. Der Vorsitzende: Herr Professor Truger bitte. Der Vorsitzende: Danke. Die nächste Frage geht an SV Prof. Dr. Achim Truger (Mitglied des Sachver- die CDU/CSU, Herr Bleser bitte. ständigenrates): Also ich kann jetzt natürlich nicht die Frage beantworten, ob das durchgerech- Abg. (CDU/CSU): Ja, ich hätte eine net ist. Meine Meinung ist, dass das auf keinen Frage an Herrn Dr. Treier von der DIHK. Dr. Fall aufgeht. Wenn wir uns nur einmal den Bun- Treier, ich will mal jetzt die groben globalen The- deshaushalt anschauen, und wir haben auch noch men ein bisschen ausblenden und meinen Blick Länder- und Kommunalhaushalte, die vor Proble- auf die KMU richten. Ich habe es oft erlebt, dass men stehen, aber wenn wir uns die Eckwerte des kleine mittelständische Unternehmen im Ausland Finanzplans anschauen, dann ist es so, dass ob- Probleme haben, die kulturellen, rechtlichen und wohl dort die 48 Milliarden aus der ehemaligen sonstigen Voraussetzungen zu erkunden. Und um Flüchtlingsrücklage voll verplant sind und 2024 darauf einzugehen, haben die Außenhandelskam- bis 2025 da schon Handlungsbedarfe darin stehen, mern genügend Unterstützung durch die Botschaf- 2025 fehlen noch 15 Milliarden. Und da sind jetzt ten? Und was glauben Sie, welche Handelsabkom- noch nicht die Belastungen für das Gesundheits- men, die derzeit in Verhandlung stehen, würden wesen und für die Beitragssätze im Rahmen der der deutschen Wirtschaft, insbesondere dem Mit- gesetzlichen Krankenversicherung drin. Da ist telstand, helfen? auch noch kein besonderer Aufwuchs zusätzlich an Investitionen drin. Das heißt, da ist eine große Der Vorsitzende: Danke. Das war die Frage an Dr. Lücke. Und vor dem Hintergrund frage ich mich Treier. Und ich bitte alle anderen, die Mikrofone tatsächlich, wie man an der Schuldenbremse fest- auszuschalten. Herr Dr. Treier bitte. halten möchte, sogar die Tilgung, die dort vorge- sehen ist, noch verschärfen möchte. Und dann SV Dr. Volker Treier (DIHK): Ja, die KMU sind gleichzeitig aber auch kurzfristig Steuersenkungs- ganz, ganz wichtig im internationalen Handel. Es vorschläge einzubauen, die in der Dimension von ist genauso wie im Inland. Die Mehrheit der Un- irgendwas zwischen 20 und 40 Milliarden Euro ternehmen, auch die international aktiv sind, sind liegen würden. Das passt aus meiner Sicht auf kei- aus dem Bereich der mittelständischen Wirtschaft. nen Fall zusammen. Und man torpediert tatsäch- Und hier gilt es vor allem darum, Hürden abzu- lich damit die Haushaltsplanung. Und würde man senken und an den verschiedenen Stellen die Zu- das einfach umsetzen oder versuchen umzuset- gänge zu erleichtern. Und das war schon ange- zen, würde man die Haushalte, wenn jetzt nicht sprochen, Herr Felbermayr, beim Thema Exportfi- ein Riesenaufschwung irgendwo herkommt, den nanzierung, hier sehen wir, dass gerade die klei- im Moment noch keiner vorhersieht, würde man neren Losgrößen, also Aufträge von KMU, wenn die öffentlichen Haushalte wirklich vor die Wand wir jetzt die Unternehmen hierzulande betrach- fahren und dann eben wirklich in harte Kürzungs- ten, die mit Exporten auf internationale Märkte programme oder Notsteuererhöhungsprogramme gehen, Probleme haben, eine Exportkreditabsiche- laufen. Die öffentlichen Investitionen, die man rung zu bekommen. Hier müssen wir nacharbei- braucht, sind da noch gar nicht drin, in der Be- ten. Die Zusammenarbeit vor Ort, muss ich sagen, sorgnis jetzt. Also ich halte das finanzpolitisch für das läuft sehr gut. Wir haben ein Netzwerk von unverantwortlich, da solche Steuersenkungsvor- 140 Standorten in 92 Ländern. Das bildet spiegel- schläge zu machen und gleichzeitig noch Ver- bildlich ab, wir sind von keinem Markt extrem ab- schärfungen bei der Schuldenbremse zu fordern. hängig, sondern auf allen Märkten vertreten. Und Ich erinnere mich daran, die FDP hat tatsächlich auch gerade der deutsche Mittelstand ist gut posi- tioniert für Qualität, für Liefertreue, wenn investiv

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vor Ort getätigt wird, durch Berufsbildungsaktivi- richtig verstanden, kann das nicht gut einschät- täten. Das heißt, es ist eine Vielzahl von einzelnen zen, was genau das bringen soll. Also ich habe das Instrumenten notwendig, die wir nutzen, ohne in meiner Stellungnahme eher als kosmetisch be- groß mit Subventionen herumzulaufen, wie an- handelt, eben vor dem Hintergrund, dass wir das dere Wettbewerber. Das ist ein Vorteil. Und das natürlich in den wesentlichen Handelsfragen mit sollte sich unseres Erachtens widerspiegeln in der der EU-Ebene abstimmen müssen, beziehungs- Welthandelspolitik, bei der WTO. Wir haben eine weise die Kompetenz auf EU-Ebene liegt. Insofern Mittelstandsagenda auf den Weg gebracht, dass habe ich das nicht besonders ernst genommen. Ich die Ursprungsregeln, gerade für KMU, leichter habe jetzt in der Stellungnahme, glaube ich, von handhabbar werden. Hier gibt es einen Ursprungs- Herrn Felbermayr gelesen, dass da durchaus eine rechner von der EU-Kommission, es gibt viele In- gewisse Sympathie für solche Maßnahmen ist. strumente, kleinere Instrumente, aber die sind Aber wenn Sie so formulieren, Gefahr von Unila- sehr wichtig. Sie zu betrachten, das können wir teralismus, dann ist das natürlich wirklich eine jetzt an der Stelle nicht, weil die Zeit vorbei ist. Gefahr. Und vielleicht ist es ein bisschen so, dass man in so einen Konflikt gerät, entweder ist es Der Vorsitzende: Dank, Herr Treier. Die nächste mehr oder weniger kosmetisch, dann frage ich Frage geht an Herrn Töns bitte. mich tatsächlich, warum man, wenn man sich jetzt hier für Wachstum und Beschäftigung aus- Abg. Markus Töns (SPD): Meine Frage geht an spricht und für die großen Fragen, warum man Professor Truger. Wir erleben jetzt zunehmend dann solche kosmetischen Sachen diskutiert. Diskussionen um die Frage von Freihandelsab- Oder aber, es ist nicht kosmetisch und birgt dann kommen, Handelspolitik et cetera. Und die Frage, möglicherweise die Gefahren von Unilateralismus wo liegt die Kompetenz? Wir alle hier wissen, die und der Umgehung der EU, mit neuen Konflikten. sich damit ein bisschen beschäftigen, dass die Das wäre jetzt auch nicht meine Priorität, da groß Kompetenz bei der EU liegt, was Handelsabkom- darüber zu diskutieren, andere Dinge sind viel men betrifft, dass sie nicht beim Bundestag liegt wichtiger. und dass wir trotz alledem immer wieder auch vor Ort hier Diskussionen dazu haben. Inwiefern Der Vorsitzende: Danke. Kollege Lämmel bitte, schätzen Sie diese Risiken ein, die Verhandlungs- von der CDU/CSU-Fraktion. position der EU-Kommission zu schwächen, wenn wir wieder über unilaterale Verträge reden. Ich Abg. Andreas Lämmel (CDU/CSU): Ich hätte eine halte das grundsätzlich für schwierig, aber viel- Frage an Herrn Dr. Treier. Der Export der deut- leicht können Sie dazu eine Einschätzung geben. schen Unternehmen funktioniert ja deswegen so Auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir gut, weil China und die USA große Nachfrager seit Jahren eine geschwächte WTO haben. Ob uns sind. Aber es gibt ja auch andere Märkte auf der das gelingt mit der Biden-Administration, die zu Welt. Und wenn man sich mal zum Beispiel das stärken, hier wäre vielleicht auch noch einmal Thema Afrika anschaut, stellt sich ja die Frage bei eine Einschätzung Ihrer Seite wichtig. den Aufwendungen für Außenwirtschaftsförde- rung auf der einen Seite und bei den Aufwendun- Der Vorsitzende: Herr Professor Truger bitte. gen für Entwicklungszusammenarbeit auf der an- deren Seite, dass es da eine ganz klare Unwucht SV Prof. Dr. Achim Truger (Mitglied des Sachver- gibt, aus meiner Sicht. Ich frage Sie: Können Sie ständigenrates): Ich muss sagen, ich konnte im sich vorstellen, dass die Bereiche Entwicklungs- Antrag die Vorschläge zur Handelspolitik, also zusammenarbeit und Außenwirtschaftsförderung insbesondere Handelsministerium und mit Auf- noch besser verzahnt werden könnten, um sozusa- wertung einzelner Positionen, so Staatssekretäre gen auch in schwierigen Märkten den Marktein- mit gehobener Bezeichnung und auch die Beset- tritt deutscher Firmen zu unterstützen? zung von Stellen aus dem Wirtschaftsministerium dann in den Ausbildungsvertretungen nicht nach- Der Vorsitzende: Danke. Herr Dr. Treier bitte. vollziehen. Das habe ich, ehrlich gesagt, nicht

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SV Dr. Volker Treier (DIHK): Die Antwort ist: Ab- Frage bei Ihrer Schlussfolgerung, wo Sie schrei- solut ja! Ich will dazu auch nochmal nachreichen, ben, also dass das alles überbürokratisiert ist und wir haben über die deutschen Auslandshandels- Investoren abschreckt. Da bin ich mit Ihnen völlig kammern gestern über zwei Geschäftsführer der einer Meinung, wir brauchen da eine andere AHK unseren World Business Outlook veröffent- Lösung. Dann schlagen Sie vor einen schnellen licht. Und darin sind die konkreten Hemmnisse, verlässlichen und auch letztlich europäischen denen die deutschen Unternehmen, insbesondere Prozess, das ist dann meine erste Frage. Es inves- KMU, im Moment weltweit begegnen, aufgelistet: tiert ja niemand in Europa, es investiert jemand in Rechtsicherheit, Finanzierungsprobleme, Han- Belgien, in Frankreich, in Deutschland oder in delshemmnisse. Und je schwieriger ein Land, je Österreich. Müsste dann die Entbürokratisierung weniger entwickelt es ist, umso stärker sind die des Prozesses nicht im konkreten Investitionsland Handelshemmnisse. Und das auch als Antwort vorhanden sein? Das ist meine erste Frage, warum auf die vorherige Frage, das erlaubt es gerade den hier Europa steht, weil es wird in einem konkre- KMU noch weniger, weil für die sind es einmal ten Land investiert. Und die zweite Frage ist, ich diese Kosten, die können diese nicht über die Ska- möchte nochmal auf meine Grundsatzfrage zu- lierung ihrer Produkte ausgleichen, wenn solche rückkommen, die ich gerade im Vorwort auch in Kosten auftreten. Dementsprechend ist die Zu- meiner Frage an Professor Otte genannt hatte, dass sammenarbeit zwischen Botschaften und Aus- wir einen Paradigmenwechsel in der Weltwirt- landshandelskammern, wir sind nicht in jedem schaft haben, den ja auch gerade Herr Professor Land in Afrika, aber da wo wir sind, besonders Flassbeck angesprochen hat, mit dem „es wird nie wichtig. Und Herr Lämmel, Sie sprechen das an, mehr so sein, wie es mal war“. Das sind meine wir haben unsere Instrumente ausgerichtet nach beiden Fragen an Sie. ordnungspolitischen Kriterien, wenn ich nur die Exportfinanzierung nehme oder Investitionsgaran- Der Vorsitzende: Herr Bertram bitte. tien. Wenn ein Land ein schlechtes Rating erhält, wird es dann, insbesondere für ein KMU noch SV Christoph Bertram (fgh): Zu der ersten Frage, schwieriger, in dieses Land zu gehen. Und wir ich hatte da eben schon ein bisschen darauf rekur- diskutieren natürlich auch zurecht das Sorgfalts- riert: Im Moment haben wir ein Durcheinander an pflichtengesetz an anderer Stelle. Aber dann er- europäischen und nationalen Regeln, also ich laubt es den KMU noch weniger, noch weitere habe andere Schwellen in der FDI-Screening- Pflichten, Verantwortungen, die außerhalb des Richtlinie als in der Außenwirtschaftsverordnung, eigenen Betriebes stehen, in die eigene Verantwor- ich habe dazu, wie gesagt heute wird es vorgestellt tung zu nehmen. Und umso weniger werden KMU werden, ich will nicht vorgreifen zu den „Anti- zum Beispiel in Ländern Afrikas investieren. Und Subsidy/Public-Subsidy“-Sachen. Die Frage ist, wir sehen hier, dass das Thema Rechtsicherheit wenn wir uns immer weiter in Europa vernetzen bei den Ergebnissen, die ich hier auf dem Tisch und immer mehr abhängig sind von Lieferketten, habe, bei den Unternehmen, die in Afrika tätig von Zulieferern, dann ist die Frage, kann ich es, sind, ein viel größeres Thema als zum Beispiel in wenn ein deutsches kleines Unternehmen erwor- europäischen Ländern ist. Also, eine Verzahnung ben wird, das vor allen Dingen Auswirkungen hat der Entwicklungszusammenarbeit und der Außen- auf ein größeres Werk oder ein größeres Unterneh- wirtschaftsförderung tut Not. men in Österreich. Dann ist es im Moment so, das wird in Deutschland geprüft, nun haben wir sehr Der Vorsitzende: Danke. Die nächste Frage geht an niedrige Schwellen, das heißt andere Länder kön- Herrn Müller von der AfD. nen da nationale Sicherheitsinteressen geltend machen. Andersherum ist es tatsächlich nicht so Abg. Hansjörg Müller (AfD): Ich habe eine Frage sehr. Aber es gibt eben kaum noch Investitionen, an Herrn Bertram. Und zwar ist es schön, dass wir die einfach nur national funktionieren. Und zum auch aus der Unternehmenspraxis jemanden hier Zweiten, was sicherlich zu sehen ist in dem Wan- haben, mit Ihren M&A-Geschichten. Also Ihre del, ich bin keiner der großen Volkswirte, die das Analyse teile ich weitgehend, die Sie in schriftli- global betrachten können. Von der Investitions- cher Form vorgelegt haben. Ich habe nur eine praxis her, würde ich sagen, dass wir gar keinen

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so großen Umschub haben. Was wir natürlich ha- glaube ich, dann haben wir weniger Datenübertra- ben, ist der Zuwachs der staatskapitalistischen gung. Systeme, das wurde ja schon mehrmals gesagt, und an den Industriestrategien. Damit muss man SV Florian Moritz (DGB): Was die erste Frage an- umgehen, aber damit geht man auch am besten geht, ist es richtig, dass insbesondere die deutsche um, wenn man glasklar sagt, was man haben Industrie sehr erfolgreich ist im Export. Und das möchte und was man nicht haben möchte. Und ist auch natürlich erfolgreich. Aber wie ich schon nicht, wie ich schon sagte, so ein Korridor der Un- vorhin angedeutet habe, müssen wir dafür sorgen, sicherheit macht, wo auch sehr viele normale In- dass diese Zukunftsfähigkeit der Industrie gesi- vestoren sich drin verhaken und die großen chert bleibt. Und das muss insbesondere gesche- Staatsinvestoren normalerweise doch durchkom- hen dadurch, dass wir beispielsweise viel mehr men. investieren, auch öffentlich investieren in eine gute Infrastruktur, in Digitalisierung, in die Be- Der Vorsitzende: Danke. Die nächste Frage geht an gleitung der Transformationsprozesse, die derzeit die SPD, Kollege Westphal bitte. in der Industrie stattfinden. Und so kann, denke ich auch, die Zukunftsfähigkeit gesichert werden, Abg. Bernd Westphal (SPD): Meine Frage geht an angesichts von den Maßnahmen, die wir zum Kli- Florian Moritz vom DGB. Zahlreiche Arbeitsplätze maschutz betreiben müssen und auch angesichts in Deutschland sind ja vom Export abhängig. Das der Digitalisierungsprozesse, die dort stattfinden. zeigt auf der einen Seite die Leistungsfähigkeit Ich glaube, darauf kommt es an. Und das sind die und Wettbewerbsfähigkeit, auch dass Produkte Schwerpunkte, die sozusagen erfolgreich sind. Ich von deutschen Arbeitnehmern und Arbeitnehme- weiß nicht, ob man jetzt im Dienstleistungssektor rinnen hergestellt werden. Aber die Frage ist stark auf Exporte setzen muss. Herr Flassbeck und auch, welches zukünftige Exportpotential sieht auch Herr Truger haben ja schon aufgezeigt, dass der DGB noch von zusätzlichen Branchen? Und es auch sehr wichtig ist, die Binnennachfrage zu eine weitere Frage, das Lieferkettengesetz wird stärken und dass es eigentlich da auch eine zurzeit im Deutschen Bundestag diskutiert, das Schwäche gibt. Und wir würden eher dafür plä- hat sicherlich auch Auswirkungen auf Handels- dieren, dass wir uns hier zum deutschen Exporter- ströme und Export und Import. Wie beurteilt der folg eine zweite Säule schaffen, die auch die Bin- DGB, welche Auswirkungen auf Beschäftigte in nennachfrage stärkt und auch diese Sektoren stär- Schwellenländern, aber auch in Deutschland, das ker und erfolgreicher macht. haben wird? Der Vorsitzende: Herzlichen Dank. Die nächste Der Vorsitzende: Herr Moritz bitte. Frage geht an Herrn Rouenhoff, CDU/CSU-Frak- tion. SV Florian Moritz (DGB): Ich fang vielleicht kurz hinten an. Das Lieferkettengesetz ist für uns eine Abg. Stefan Rouenhoff (CDU/CSU): Meine Frage sehr wichtige Maßnahme. Wir denken, dass es geht an Volker Treier. Wir sehen ja auf europäi- enorm wichtig ist, dass auch deutsche Unterneh- scher Ebene, dass die Kommission eine neue Han- men darauf achten, dass Menschenrechte, Arbeits- delsstrategie verabschiedet hat. Die Handelsstrate- bedingungen und gute Standards bei den Zuliefe- gie umfasst viele Politikbereiche, weit über die rern und im Ausland eingehalten werden. Im Ein- reine Handelspolitik, den Abbau von Zöllen und zelfall zu dem, was da jetzt vorliegt, die dürften nicht tarifären Handelshemmnissen, hinaus. Wie Ihnen wahrscheinlich auch bekannt sein, wir sind beurteilt der DIHK, die deutsche Wirtschaft hier ja da mit zahlreichen NGOs zusammen in einem diese Handelsstrategie? Und was erhoffen Sie sich Bündnis und kämpfen dafür, dass da noch nach- von den Ratsschlussfolgerungen, die die Mitglied- gebessert wird. staaten der Europäischen Union demnächst verab- schieden werden? Der Vorsitzende: Herr Moritz, wir hätten einen besseren Ton, wenn Sie das Bild ausschalten, Der Vorsitzende: Danke. Herr Dr. Treier bitte.

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SV Dr. Volker Treier (DIHK): Das ist eine ganz kein Problem haben mit Massenkaufkraft. Es gibt zentrale Frage für die deutsche… sicherlich unschöne Verteilungswirkungen in der Krise, aber wir haben eine sehr hohe Sparquote, es Der Vorsitzende: Herr Treier, jetzt können wir Sie ist genügend Geld auf den Konten. Es braucht jetzt nicht mehr hören. Probieren Sie es auch mal ohne in dieser Situation keine massive Anschiebung Bild… Die Verbindung ist abgebrochen. Ich würde der Massennachfrage. Eher geht es darum, punk- sagen, wir nehmen Sie dann zum Schluss noch- tuell zu entlasten. Dort ist auch für den Standort mal dran, einverstanden? Gut dann geht jetzt die Deutschland ganz zentral, dass vor allem die Ener- nächste Frage an die FDP, Herr Houben bitte. giepreise gedeckelt bleiben. Also, ich bin sehr da- für, dass man die EEG-Umlage sehr viel stärker Abg. Reinhard Houben (FDP): Ich möchte Herrn aus dem öffentlichen Haushalt heraus finanziert. Professor Felbermayr fragen: Es ist ja viel über Das entlastet die Wirtschaft und trägt auch noch Binnennachfrage gesprochen worden. Sehen Sie einen Teil zur ökologischen Transformation bei. auch eine Möglichkeit, durch Steuerentlastungen Es ist sicherlich nicht, ich glaube, da sind wir uns im privaten, aber auch im wirtschaftlichen Raum, hier alle einig, jetzt an der Zeit, über Steuererhö- eine Binnennachfrage auszulösen? Und kann es hungen nachzudenken. Manche politische Wett- nicht sein, dass eben genau nicht über staatliche bewerber tun das, ich glaube eine Vermögensteuer Ausgaben, sondern über die Initiierung privater oder auch eine Anhebung der Spitzensteuersätze Investitionen, eine Binnennachfrage gestartet würde jetzt, in dieser Phase der Konjunktur in wird? Deutschland, keine gute Idee sein.

Der Vorsitzende: Danke. Herr Professor Felber- Der Vorsitzende: Danke. Die nächste Frage geht an mayr bitte. Herrn Loos von der CDU/CSU.

SV Prof. Gabriel Felbermayr (IfW Kiel): Es ist na- Abg. Bernhard Loos (CDU/CSU): Ich hätte auch türlich so, dass die Möglichkeiten für groß ange- eine Frage an den Herrn Felbermayr. Und zwar legte Steuersenkungen in Deutschland zurzeit e- haben wir ja die aktuelle Frühjahrsprojektion, das her knapp sind. Dass die Spielräume nicht groß Bundeswirtschaftsministerium geht von einem sind, ist klar. Andererseits aber gibt es Bedarfe, Exportplus von 9,2 im laufenden Jahr und 4,5 Pro- nicht ins Hintertreffen zu gelangen mit anderen zent in 2022 aus. Die Exportindustrie ist ja damit Industriestandorten. Und das bedeutet, dass man der Garant des Aufschwungs. Wie bewerten Sie Freiräume schaffen muss. Es ist nicht so, dass der dies im internationalen Vergleich, fällt da Staat ein Einnahmen-Problem hat, sondern es geht Deutschland zurück? Und könnten Sie etwas sa- um die Priorisierung der Ausgaben. Und man gen, wie die augenblickliche Lage der deutschen kann, das haben Investitionsberichte immer wie- Wirtschaft im Vergleich zu den anderen Volks- der gesagt, Mittel frei machen, um auch mehr öf- wirtschaften der EU ist? fentliches Geld für Investitionen zu haben. Man kann auch Freiräume freischaufeln, um bessere Der Vorsitzende: Herr Professor Felbermayr. Anreize zu bieten für private Investitionen in Deutschland. Ich glaube auch, dass das Augen- SV Prof. Gabriel Felbermayr (IfW Kiel): Also, was merk viel stärker, als das bisher der Fall ist, auf das Wachstum der Exporte angeht oder auch des private Investitionen gelenkt werden muss. Dort internationales Geschäfts insgesamt, also Importe, haben wir das Problem, wie die Vorredner viel- will ich da gleich mit ins Bild nehmen, sieht es so fach darauf hingewiesen haben, dass in Deutsch- aus, dass Deutschland eher unter den Ländern land zu wenig investiert wird, dann ist das vor liegt, die größere Zuwachsraten haben, also so- allem eine Schwäche bei den privaten Investitio- wohl bei Importen, als auch bei den Exporten, nen und nicht so sehr bei den öffentlichen, auch was mit dem offenen Wirtschaftssystem zu tun dort, aber die privaten Investitionen machen das hat. Also immer dann, also in allen deutschen Ex- Gros des Investitionsgeschehens in Deutschland porten stecken ja auch im großen Ausmaß Im- aus. Und das muss auch so bleiben. Ich meine, porte. Im Vergleich mit anderen Ländern ist es na- dass wir jetzt in der Krise gesehen haben, dass wir

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türlich immer noch so, dass der Anteil der auslän- Europäischen Union sagen, und zwar nicht allein dischen Wertschöpfung im inländischen Wirt- auf Deutschland bezogen? schaftsgeschehen eine größere Rolle spielt, wenn Sie die G20-Länder vergleichen, mit ähnlicher Der Vorsitzende: Danke. Herr Schlegelmilch bitte. Größe wie Deutschland. Dann ist Deutschland im- mer noch außergewöhnlich. Und das ist ein Quali- SV Rupert Schlegelmilch (EU-KOM): Ich glaube, tätsmerkmal des deutschen Standorts. Ich sehe die Frage lässt sich in beiden Richtungen beant- das nicht als Nachteil. Im Übrigen muss man, worten. Die Exportstrategie, die wir verfolgen, die wenn man über deutsche Handels- oder Leis- ruht natürlich auf einem starken Binnenmarkt. Es tungsbilanzüberschüsse spricht, Rechnung tragen, wurde eben schon gesagt, dass, wenn Deutschland dass wir in einem Binnenmarkt sind, in einer exportiert, da sind da 20, 30, 50 Prozent europäi- Zollunion, einer Währungsunion in der Europäi- scher Input drin. Und das kommt ja nicht alles schen Union. Und da sind insbesondere die euro- aus Deutschland in den Lieferketten, was letzt- päischen Überschüsse, die es ja mittlerweile auch endlich in der deutschen Bilanz auftaucht. Das gibt, zu sehen und nicht die deutschen. Das ist heißt, wir sind auch in der GD Handel immer da- eine logische Konsequenz aus dem europäischen rauf bedacht, dass wir natürlich einen funktionie- Integrationsprozess. Die internationale Konjunk- renden Binnenmarkt haben müssen, um auch turlage ist sicherlich so, dass Deutschland, auch dann als Europäer, von welchem Hafen oder von die Europäische Union, aus dieser Corona-Krise welchem Land letztendlich das Endprodukt schlechter hervorgeht als die großen Länder wie kommt, Exportpolitik machen zu können. Und da- China oder die USA. Da gehen jetzt mittelfristig, rum versuchen wir, das wurde schon ein paar Mal wenn man so will, Anteile am globalen Bild verlo- erwähnt, insbesondere die KMU zu befähigen, ren. Aber der Aufschwung, den wir sehen, den ja nicht nur zu exportieren, sondern auch in den auch die Bundesregierung in ihren Frühjahrsgut- europäischen Binnenmarkt Verstärkungen, das achten übernommen hat, der wird auch in macht die Generaldirektion Wachstum, immer Deutschland etwas von diesem verlorenem Ter- mehr Anteil zu bekommen an den Lieferketten. rain wieder zurückbringen. Die wirtschaftliche Unsere Auslandspolitik beruht natürlich darauf, Dynamik, glaube ich, ist eher mittelfristig in Ge- dass wir insbesondere die Märkte offen halten. fahr, denn das Potenzialwachstum in Deutschland Wir dürfen nicht vergessen, der Trend geht in die liegt deutlich zurück und liegt dann auch mittel- falsche Richtung seit Jahren schon. Und das ist und langfristig unter dem Potenzialwachstum an- nicht nur in Ländern mit großen Volkswirtschaf- derer großer Volkswirtschaften in der OECD. Das ten, wie China, der Fall, das geht auch in vielen ist das, was mir eigentlich Sorgen macht für die anderen Ländern. Südafrika ist zum Beispiel auf mittlere und längere Zukunft. meinem Tisch seit Tagen, Kolumbien, also viele von den kleineren Partnern, die aber auch beitra- Der Vorsitzende: Danke. Die nächste Frage geht an gen zum europäischem Wohlstand. Die großen die SPD, Kollege Töns. Zeiten der Liberalisierung sind in der Tat vorbei, und wir begleiten die ganze Politik deshalb. Es Abg. Markus Töns (SPD): Ich würde ganz gerne gibt ja auch immer mehr Überlegungen, wie kön- nochmal den europäischen Blickwinkel in die nen wir die Märkte in der WTO, die ja auch schon Fragestellung einbringen. Und deshalb geht meine als schwach bezeichnet worden ist, und auch über Frage auch an Herrn Schlegelmilch. Wir reden unsere Freihandelsabkommen als offen absichern. hier immer von der Binnennachfrage, ist die Frage Und da haben wir ganz viel zu tun, das fängt bei nicht eigentlich die, ob eine deutsche Binnen- den USA an, wo das neue Programm, was schon nachfrage gestärkt wird, sondern eine europäische erwähnt worden ist, eben auch sehr starke und wie wir den europäischen Ausgleich der ver- „Buy America“-Elemente hat. Und das endet eben schiedenen wirtschaftlichen Entwicklungen der bei China und Indien, ihrer Politik über Made in Regionen hinbekommen? Und die zweite Frage in China, China 2025, wie immer das heißt. Also un- dem Zusammenhang: Können Sie da vielleicht sere Politik beruht darauf, die Regeln der WTO auch noch ein bisschen zu der weitergehenden und die Freihandelsabkommen so weit wie mög- europäischen Strategie für den Exporthandel der

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lich zu stärken, um Planungssicherheit, Investiti- muss man sich immer vor Augen führen. Jetzt so onssicherheit zu haben und wo es geht, Handels- zu tun, als hätte man das irgendwie voraus pla- hemmnisse abzubauen. Aber wir sind da zu gro- nend gemacht, das stimmt einfach nicht. Es gab ßen Teilen, muss man ganz offen sagen, in der De- im vergangenen Jahr massive Verzweiflung in die- fensive im Moment. sen Ländern; und das 750 Milliarden-Programm war eine Panikreaktion auf diese Verzweiflung. Der Vorsitzende: Herzlichen Dank. Die nächste Und diese Verzweiflung ist begründet, ich habe es Frage geht an DIE LINKE., Kollege Ulrich bitte. vorhin schon erklärt. Ich will es nicht nochmal tun, ist begründet in der deutschen Exportüber- Abg. Alexander Ulrich (DIE LINKE.): Eine kleine schussstrategie, die durch nichts gerechtfertigt ist. Bemerkung nur an Herrn Felbermayr: Herr Felber- Wir haben einen Binnenmarkt, aber Deutschland mayr, der Blick nach Amerika zeigt ja zumindest hat diesen Binnenmarkt ausgenutzt durch Lohn- mal auch dort, dass die neue Administration auch dumping Anfang der 2000-er Jahre, auch wenn die über Steuererhöhungen für wohlhabende, vermö- Gewerkschaften nicht mehr darüber reden wollen, gende Unternehmen nachdenkt. Also so ganz aber es war Lohndumping. Und das hat dazu ge- falsch sind diese Ansätze vielleicht auch in führt, dass Deutschland diese Überschüsse hat. Europa oder in Deutschland nicht. Meine Frage Und diese Überschüsse sind durch nichts zu geht aber nochmal an Herrn Flassbeck: Was sind rechtfertigen, und sie müssen umgedreht werden denn Ihrer Meinung nach die Kernpunkte einer durch eine Verstärkung der Binnennachfrage in wirklich zukunftsfähigen europäischen Wirt- Deutschland, damit die anderen Länder eine Ent- schaftspolitik und welche Hemmnisse hätte denn lastung erfahren. Und wenn wir das nicht tun, ist da eine schnelle Rückkehr der Schuldenbremse Europa immer noch in höchstem Maße gefährdet, oder die Fiskaldisziplin? genauso stark wie im vergangene Sommer.

Der Vorsitzende: Die Frage ging an den Kollegen Der Vorsitzende: Herzlichen Dank. Die Kollegin Flassbeck, Herr Kollege Flassbeck bitte. Dröge von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bitte.

SV Prof. Dr. Heiner Flassbeck (ehemaliger Chef- Abge. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE volkswirt der UNCTAD): Das ist in der Tat die GRÜNEN): Ich habe zwei Fragen an Herrn Schle- zentrale Frage, die sich nach dieser Anhörung gelmilch. Herr Schlegelmilch, Herr Kommissar stellt. Ich habe jetzt das letzte Wort sozusagen. Dombrovskis hat gestern zum EU-China Abkom- Und ich wollte in der Tat auf die grandiose euro- men gesagt, dass angesichts der Sanktionen gegen päische Divergenz eingehen, die auch der europäi- EU-Parlamentarier eine politische Fortsetzung der sche Kollege nicht erwähnte, erstaunlicherweise. Ratifizierung nicht geboten sei. Wir haben das ja Die grandiose Divergenz, die darin liegt, dass begrüßt, dass er sich hier anders positioniert hat Deutschland eben in einer ganz anderen Situation als Kanzlerin Merkel. Jetzt gibt es ein bisschen ist als die übrigen Länder, insbesondere die Unklarheit darüber, was er eigentlich gemeint hat. großen Italien und Frankreich. Und das bedeutet, Deswegen können Sie das vielleicht nochmal klar- eben weil die traditionellen Anregungsmechanis- stellen, ob, solange China die Sanktionen gegen men nicht funktionieren, der traditionelle Anre- EU-Parlamentarier aufrechterhält, es keine politi- gungsmechanismus, die Geldpolitik, Zinsen, weil sche Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses gibt. das nicht funktioniert, weil die Unternehmen Und wenn Sie noch eine Minute Zeit haben, kön- nicht so reagieren, wie sie die letzten 50 Jahre nen Sie mir nochmal sagen, wie Sie die Zusatzer- nach dem 2. Weltkrieg reagiert haben, deswegen klärungen zu Mercosur so rechtlich ausgestalten ist die deutsche Politik der Exportförderung, die wollen, dass sie den gleichen Charakter haben wie deutsche Politik der Exportüberschüsse, Herr Fel- der Vertragstext. bermayr, Überschüsse, so unglaublich belastend für die anderen Länder und deswegen haben wir Der Vorsitzende: Herr Schlegelmilch bitte. diese Riesen-Aktion gemacht mit den 750 Milliar- den, weil die Verzweiflung, weil die Wut in den SV Rupert Schlegelmilch (EU-KOM): Zunächst anderen Ländern unglaublich groß war. Und das einmal zu dem China-Abkommen: Sie wissen alle,

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dass wir das einerseits immer verteidigt haben, lich verbindende, um zum Ende zu kommen, Zu- auch gegenüber den USA, als einen wichtigen Bei- satzvereinbarung sein. trag, nicht den einzigen Beitrag, aber einen wichti- gen Beitrag, um die Bedingungen für unsere Inves- Der Vorsitzende: Dankeschön. Jetzt bleibt noch toren, in China insbesondere, zu verbessern. Das übrig die Frage von Herrn Rouenhoff an Herrn ist natürlich in der Tat jetzt durch die Sanktionen Treier. Herr Treier, ich hoffe Sie können sich an und andere Unstimmigkeiten mit unseren chinesi- die Frage noch erinnern. Herr Treier bitte. schen Partnern oder Rivalen, je nachdem wie Sie es ausdrücken wollen, ins Hintertreffen geraten. SV Dr. Volker Treier (DIHK): Kann ich, danke. Ich Was momentan sowieso noch stattfinden muss ist hoffe, mich hört man jetzt, ich habe ein anderes das, was wir als „Legal Scrubbing“ und die Über- Gerät angeschaltet. Danke für die Frage. Also erst- setzung und all diese Dinge erleben. Das endet mal ist es ganz wichtig, dass die EU die Kompe- normalerweise Monate später mit einem Kommis- tenz hat in der Handelspolitik. Die neue Handels- sionsvorschlag, was jetzt eben klar ist, dass wir strategie legt zu Recht einen großen Wert auf die diesen Kommissionsvorschlag unter den jetzigen Reform und Weiterentwicklung der WTO, denn Bedingungen wahrscheinlich nicht machen wür- WTO-Regeln sind, gerade aus der Perspektive der den. Aber da wird noch einiges hoffentlich passie- mittelständischen, international aktiven Unter- ren. Wir hoffen ja auch, dass sich die Lage wieder nehmen, weil sie für alle gelten, planbar und bie- bessert. Aber es gibt natürlich Dinge, wo wir ein- ten eine hohe Rechtssicherheit. Jetzt könnte man fach ganz klar sagen, die roten Linien sind über- einsteigen in das Thema Reform der WTO. Und da schritten. Und das ist natürlich mit der Sanktio- gibt es viel zu sagen. Und da kann die EU-Han- nierung von Europaparlamentariern und ähnli- delsstrategie letztlich nicht alles schon voraus pla- chen Dingen ganz klar passiert. Und das wollte nen und jeden Schritt, deshalb erspare ich mir der Kommissar, glaube ich, da zum Ausdruck das, da sind absolut richtige Aspekte enthalten. bringen. Das Mercosur-Abkommen als zweiten Herr Rupert Schlegelmilch hat zu Recht darauf Punkt: Wir sind uns ja alle einig, auch mit den hingewiesen, dass der Marktzugang im Moment Mercosur-Staaten, dass wir ein Zusatzabkommen nicht so ist, dass er sich mittelstandskonform oder einen Zusatz, einen „Side Letter“, wie das in weltweit verbessert. Das Gegenteil ist der Fall, das deren Sprache heißt im jetzigen Stand der Ver- zeigen uns Umfragen, Handelshemmnisse nehmen handlungen, dass wir da nachbessern müssen, deutlich zu. Und dementsprechend und zwar seit insbesondere deutlicher werden müssen, was die Jahren, eigentlich kann man sagen seit Ende der eigentlich sehr guten Verpflichtungen, nämlich Finanzmarktkrise 2008/2009, und das spüren un- effiziente Implementierung der Pariser Klimaab- sere Unternehmen. Die Corona-Krise verschärft kommen und der Biodiversitätskonvention, was dieses Thema noch. Vor diesem Hintergrund ist es das eigentlich „on the ground“, was das im Land dann schon etwas enttäuschend, dass das Thema selber in dem Fall bedeuten kann. Das muss recht- Wettbewerbsfähigkeit und Marktzugang in der lich bindend sein, sonst wird es nicht den Test be- Handelsstrategie etwas hinten runterfällt und dass stehen, den wir erwarten, den Parlamentarier in der Abbau von Handelshemmnissen als dezidiert ganz Europa auch erwarten. Das ist ganz klar, das explizites Ziel keine zentrale Rolle einnimmt. wissen die Mercosur-Staaten auch. Was dann ge- Und dass auch richtige Maßnahmen auf der EU- nau darin steht, ist natürlich noch Gegenstand der Ebene, wie der Ursprungsrechner, also um präfe- Diskussion. Wir haben auch ganz klar gesagt, wir renzielle Ursprungsnachweise für die Unterneh- können das Abkommen nicht wieder aufmachen. men zu bekommen, um für Freihandelsabkommen Das würde unsere Glaubwürdigkeit als Verhandler der EU die dann tatsächlich auch zu nutzen. Das schwer belasten, das wird aber auch zu Forderun- sind richtige, ganz konkrete praktische Beispiele, gen der anderen Seite führen, wenn wir das auf- wo die Politik eigentlich weiter ist, als es sich in machen, die wir eben wahrscheinlich auch nicht der Strategie widerspiegelt. Aber das gesagt, erfüllen könnten. Insbesondere was Zugang zu un- glaube ich, sollte die EU in ihrer Strategie auch seren Agrarmärkten anbelangt, was ja auch ein noch einen stärkeren Wert auf diese Zugangshür- sehr sensibles Thema ist. Aber es muss eine recht- den und auch die KMU-Agenda auf der WTO-

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Ebene legen, neben den Themen, der WTO-Streit- Land Probleme bekommen. Diese Frage war im beilegungsmechanismus, Umwelt- oder Gesund- Bundestag schon oft umstritten, heute hier auch. heitsabkommen oder Digitalisierung, alles ganz Ihre Beiträge haben einige Aspekte dieser Frage wichtige Themen. Wo aber auch mehr Fleisch an erhellt. Ich danke insbesondere der Fraktion der den Knochen gebracht werden muss, ist bei der FDP, die diese Debatte in Form einer Anhörung konkreten Frage konkreter Abkommen. Man hat angestoßen hat. Ich hoffe zum Schluss, dass wir mit Mercosur ein Abkommen ausverhandelt, man bei den nächsten Anhörungen wieder alle gemein- hat sogar Nachhaltigkeitskapitel, was ganz wichtig sam in einem Raum sitzen können, ohne sich ge- ist und eigentlich müsste man jetzt stärker noch genseitig zu gefährden. mit Nachdruck solche Abkommen angehen, weil der Protektionismus aktuell weltweit zunimmt.

Der Vorsitzende: Ich möchte mich bei allen Sach- verständigen recht herzlich bedanken. Wir haben erlebt, dass die Frage der Ausweitung der Exporte keine unumstrittene Geschichte ist. Und dass wir insbesondere auch darauf achten sollten, eine aus- geglichene Handelsbilanz, eine ausgeglichene Leistungsbilanz zu erreichen. Sonst könnte unser

Schluss der Sitzung: 13:10 Uhr Eck/Ku/Jae

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