19 Anträge zu Korrekturen bei der Überleitung der Alterssicherungen der DDR in bundesdeutsches Recht

Die abschließende Debatte am 24. Februar 2011

Fraktion DIE LINKE Arbeitskreis V Dr. , Leiterin des Arbeitskreises, Verantwortliche für die Probleme der Rentenüberleitung Ost Deutscher Platz der Republik 1 11011 Berlin Telefon 030/227-51320 (Brigitte Holm) [email protected]

Berlin, im Februar 2011

Plenarprotokoll 17/93

Deutscher Bundestag

Stenografischer Bericht

93. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Inhalt:

Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- Ullrich Meßmer (SPD) ...... 10435 C neten Ottmar Schreiner und Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) ...... 10421 A Joachim Spatz (FDP) ...... 10436 C Wahl des Abgeordneten Bernd Siebert als (Köln) (BÜNDNIS 90/ stellvertretendes Mitglied in der Parlamenta- DIE GRÜNEN) ...... 10437 A rischen Versammlung des Europarates und Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) ...... 10437 C in der Versammlung der Westeuropäischen Union ...... 10421 B Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 10438 C Wahl des Abgeordneten Jörn Wunderlich als Mitglied im Beirat bei der Bundesbeauf- Jürgen Hardt (CDU/CSU) ...... 10439 C tragten für die Unterlagen des Staats- sicherheitsdienstes ...... 10421 B Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 10440 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung ...... 10421 B Dr. (CDU/CSU) ...... 10441 A Absetzung des Tagesordnungspunktes 28 . . . 10423 B Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 10423 C Tagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales Tagesordnungspunkt 4: – zu dem Antrag der Abgeordneten Erste Beratung des von der Bundesregierung Dr. Martina Bunge, Dr. , eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur , weiterer Abgeordneter und Änderung wehrrechtlicher Vorschriften der Fraktion DIE LINKE: Korrektur der 2011 (Wehrrechtsänderungsgesetz 2011 – Überleitung von DDR-Alterssicherun- WehrRÄndG 2011) gen in bundesdeutsches Recht (Drucksache 17/4821) ...... 10424 A – zu dem Antrag der Abgeordneten Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Bundesminister BMVg ...... 10424 B Dr. , weiterer Abgeordne- (SPD) ...... 10426 A ter und der Fraktion DIE LINKE: Ge- rechte Alterseinkünfte für Beschäftigte (FDP) ...... 10429 D im Gesundheits- und Sozialwesen der DDR (DIE LINKE) ...... 10431 C Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ – zu dem Antrag der Abgeordneten DIE GRÜNEN) ...... 10432 C Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- Markus Grübel (CDU/CSU) ...... 10434 A ter und der Fraktion DIE LINKE: II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Gerechte Lösung für rentenrechtliche Zusatz- und Sonderversorgungen der Situation von in der DDR Geschiedenen DDR – zu dem Antrag der Abgeordneten – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Ge- ter und der Fraktion DIE LINKE: rechte Versorgungslösung für Ballett- Vertrauensschutz für Versorgungsbe- mitglieder in der DDR rechtigte der DDR mit einem Ruhe- – zu dem Antrag der Abgeordneten standsbeginn bis zum 30. Juni 1995 Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, schaffen Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- – zu dem Antrag der Abgeordneten ter und der Fraktion DIE LINKE: Rege- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, lung der Ansprüche der Bergleute der Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- Braunkohleveredelung ter und der Fraktion DIE LINKE: Rege- – zu dem Antrag der Abgeordneten lung der Ansprüche und Anwartschaf- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, ten auf Alterssicherung für Angehörige Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- der Deutschen Reichsbahn der DDR ter und der Fraktion DIE LINKE: Beseiti- gung von Rentennachteilen für Zeiten – zu dem Antrag der Abgeordneten der Pflege von Angehörigen in der DDR Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- – zu dem Antrag der Abgeordneten ter und der Fraktion DIE LINKE: Rege- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, lung der Ansprüche und Anwartschaf- Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- ten auf Alterssicherung für Angehörige ter und der Fraktion DIE LINKE: Renten- der Deutschen Post der DDR rechtliche Lösung für Land- und Forstwirte, Handwerkerinnen und – zu dem Antrag der Abgeordneten Handwerker, andere Selbstständige so- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, wie deren mithelfende Familienangehö- Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- rige aus der DDR ter und der Fraktion DIE LINKE: Ange- messene Altersversorgung für Professo- – zu dem Antrag der Abgeordneten rinnen und Professoren neuen Rechts, Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- Dienst und weitere Beschäftigte univer- ter und der Fraktion DIE LINKE: Renten- sitärer und anderer wissenschaftlicher rechtliche Anerkennung von zweiten Einrichtungen in Ostdeutschland und vereinbart verlängerten Bildungs- wegen sowie Forschungsstudien und – zu dem Antrag der Abgeordneten Aspiranturen in der DDR Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- – zu dem Antrag der Abgeordneten ter und der Fraktion DIE LINKE: Ange- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, messene Altersversorgung für Beschäf- Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- tigte des öffentlichen Dienstes der DDR, ter und der Fraktion DIE LINKE: Renten- rechtliche Anerkennung von DDR-Re- die nach 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt gelungen für ins Ausland mitgereiste haben Ehepartnerinnen und Ehepartner sowie – zu dem Antrag der Abgeordneten von im Ausland erworbenen Ansprü- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, chen Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- – zu dem Antrag der Abgeordneten ter und der Fraktion DIE LINKE: Ange- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, messene Altersversorgung für Angehö- Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- rige von Bundeswehr, Zoll und Polizei, ter und der Fraktion DIE LINKE: Renten- die mit DDR-Beschäftigungszeiten nach rechtliche Anerkennung aller freiwilli- 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt haben gen Beiträge aus DDR-Zeiten – zu dem Antrag der Abgeordneten – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Einheit- ter und der Fraktion DIE LINKE: Befris- liche Regelung der Altersversorgung tetes System „sui generis“ für die Besei- für Angehörige der technischen Intelli- tigung des Versorgungsunrechts bei den genz der DDR Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 III

– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Wert- neutralität im Rentenrecht auch für Personen mit bestimmten Funktionen in der DDR – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, , Stephan Kühn, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbesserung der Versor- gung der im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 Geschiedenen (Drucksachen 17/1631, 17/3871, 17/3872, 17/3873, 17/3874, 17/3875, 17/3876, 17/3877, 17/3878, 17/3879, 17/3880, 17/3881, 17/3882, 17/3883, 17/3884, 17/3885, 17/3886, 17/3887, 17/3888, 17/4195, 17/4769) ...... 10442 B (CDU/CSU) ...... 10443 D Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) ...... 10445 A Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) ...... 10447 A Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) ...... 10448 D Anton Schaaf (SPD) ...... 10449 D Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ...... 10452 A Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) ...... 10453 A Ottmar Schreiner (SPD) ...... 10454 D Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) ...... 10455 A Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) ...... 10456 C (FDP) ...... 10458 A (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 10459 C (CDU/CSU) ...... 10460 C (CDU/CSU) ...... 10461 C (CDU/CSU) ...... 10463 A

Namentliche Abstimmungen ...... 10464 A

Ergebnisse ...... 10471 C

(...) 10442 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dr. Reinhard Brandl (A) Er hat es in seinem Beitrag fast geschafft, nur zur Sache – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina (C) zu sprechen. Aber am Ende ist er wieder abgerutscht auf Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, ein Niveau der Unterstellungen und der Verleumdung. weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Gerechte Versorgungslösung für Ballettmit- glieder in der DDR Das war schade; (Birgit Homburger [FDP]: Es ist eine Unsitte, – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina wenn man spricht und dann geht!) Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE denn die Sache ist viel wichtiger als ein Hinweis auf die LINKE Zustimmungswerte einer bestimmten Person. Regelung der Ansprüche der Bergleute der Die Reform, die wir in den nächsten Wochen im Bun- Braunkohleveredlung destag besprechen, wird unsere Parlamentsarmee über Jahrzehnte hinweg prägen. Wir haben dabei als die heute – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina in der Verantwortung stehenden Parlamentarier den Auf- Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, trag, die Bundeswehr der Zukunft mitzugestalten und weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE dafür zu sorgen, dass sie die Gesellschaft auch in Zu- LINKE kunft angemessen repräsentiert und sich nicht von ihr abkoppelt. Die Menschen werden uns als Koalition, aber Beseitigung von Rentennachteilen für Zeiten auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, der Pflege von Angehörigen in der DDR daran messen, ob wir dieser Verantwortung gerecht wer- – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina den. Heute sind Sie es zumindest nicht geworden. Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Rentenrechtliche Lösung für Land- und Forstwirte, Handwerkerinnen und Hand- werker, andere Selbständige sowie deren Präsident Dr. : mithelfende Familienangehörige aus der Ich schließe die Aussprache. DDR (B) (D) Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwur- – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina fes auf der Drucksache 17/4821 an die in der Tagesord- Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Andere weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE Vorschläge dazu liegen mir nicht vor. Dann ist die Über- LINKE weisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf: Rentenrechtliche Anerkennung von zweiten und vereinbart verlängerten Bildungswegen Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- sowie Forschungsstudien und Aspiranturen richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales in der DDR (11. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst, weiterer weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE LINKE Korrektur der Überleitung von DDR-Alters- Rentenrechtliche Anerkennung von DDR- sicherungen in bundesdeutsches Recht Regelungen für ins Ausland mitgereiste Ehe- – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina partnerinnen und Ehepartner sowie von im Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Ausland erworbenen Ansprüchen weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina LINKE Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Gerechte Alterseinkünfte für Beschäftigte weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE im Gesundheits- und Sozialwesen der DDR LINKE – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Rentenrechtliche Anerkennung aller freiwil- Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, ligen Beiträge aus DDR-Zeiten weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Gerechte Lösung für rentenrechtliche Situa- weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE tion von in der DDR Geschiedenen LINKE Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10443

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) Befristetes System „sui generis“ für die Be- Einheitliche Regelung der Altersversorgung (C) seitigung des Versorgungsunrechts bei den für Angehörige der technischen Intelligenz Zusatz- und Sonderversorgungen der DDR der DDR – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE LINKE Vertrauensschutz für Versorgungsberech- Wertneutralität im Rentenrecht auch für tigte der DDR mit einem Ruhestandsbeginn Personen mit bestimmten Funktionen in der bis zum 30. Juni 1995 schaffen DDR – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Strengmann-Kuhn, Fritz Kuhn, Stephan Kühn, Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN LINKE Verbesserung der Versorgung der im Bei- Regelung der Ansprüche und Anwartschaf- trittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 Geschie- ten auf Alterssicherung für Angehörige der denen Deutschen Reichsbahn der DDR – Drucksachen 17/1631, 17/3871, 17/3872, 17/3873, – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina 17/3874, 17/3875, 17/3876, 17/3877, 17/3878, Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, 17/3879, 17/3880, 17/3881, 17/3882, 17/3883, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE 17/3884, 17/3885, 17/3886, 17/3887, 17/3888, LINKE 17/4195, 17/4769 – Regelung der Ansprüche und Anwartschaf- Berichterstattung: ten auf Alterssicherung für Angehörige der Abgeordnete Silvia Schmidt (Eisleben) Deutschen Post der DDR Beide Fraktionen haben namentliche Abstimmung verlangt. Deshalb werden wir nach der Aussprache zu- – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina nächst über die 19 Anträge der Fraktion Die Linke na- Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, mentlich auf einem Stimmzettel abstimmen. Anschlie- weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE (B) ßend erfolgt die namentliche Abstimmung mit der (D) LINKE üblichen Stimmkarte über die Beschlussempfehlung zu Angemessene Altersversorgung für Profes- dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wir sorinnen und Professoren neuen Rechts, werden also zwei getrennte Abstimmungsgänge durch- Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Dienst führen. und weitere Beschäftigte universitärer und Auch für diese Aussprache sind nach einer interfrak- anderer wissenschaftlicher Einrichtungen in tionellen Vereinbarung 90 Minuten vorgesehen. – Ich Ostdeutschland höre keinen Widerspruch. Dann können wir so verfah- – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina ren. Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu- weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE nächst dem Kollegen Eckhardt Rehberg für die CDU/ LINKE CSU-Fraktion. Angemessene Altersversorgung für Beschäf- (Beifall bei der CDU/CSU) tigte des öffentlichen Dienstes der DDR, die nach 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt haben Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeord- – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina neten! In diesem Tagesordnungspunkt geht es um ge- Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, rechte Alterseinkünfte für Beschäftigte in der DDR. Die weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE Antragsteller führen auf Drucksache 17/1631 zum LINKE Schluss aus: Angemessene Altersversorgung für Angehö- 20 Jahre nach Herstellung der Einheit ist es an der rige von Bundeswehr, Zoll und Polizei, die Zeit, Regelungen zu treffen, die den sozialen Frie- mit DDR-Beschäftigungszeiten nach 1990 den zwischen Ost und West befördern. Dazu gehört ihre Tätigkeit fortgesetzt haben unabdingbar auch die Angleichung des Renten- werts Ost an West … – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Wenn man über die Rente in Ost und West redet, dann weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE lohnt es sich, gelegentlich noch einmal darüber nachzu- LINKE denken, woher wir bei diesem Thema kommen. Die 10444 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Eckhardt Rehberg (A) Mindestrente betrug 1983 in der DDR 270 Mark. Das spielsweise bekommt heute ein Arbeitnehmer in Rostock, (C) sind Almosen. der 10 Euro brutto verdient, eine Aufwertung von 1,90 Euro und erhält das Rentenwertäquivalent eines (Heinz Lanfermann [FDP]: So ist das!) Bruttolohns von 11,90 Euro, obwohl er nur einen Renten- 1984 gab es 300 Mark Mindestrente, beitrag für 10 Euro bezahlt. Dieses haben viele aus dem Blick verloren, wenn sie leichtfertig darüber reden, dass (Dr. [DIE LINKE]: Und wir den Rentenwert Ost an West angleichen müssen. wie hoch war die Miete?) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) nach 45 Arbeitsjahren gab es 370 Mark. Bei einem Brut- todurchschnittslohn 1984 von 1 080 DDR-Mark erhielt Wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften solche Ver- ein Rentner also ein Almosen von einem Drittel seines einbarungen schließen, wie in den letzten Wochen zum letzten Bruttodurchschnittslohnes. Beispiel für den Bereich der Zeitarbeit – branchenbezo- gener Mindestlohn Ost: 6,89 Euro, branchenbezogener (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wie Mindestlohn West: 7,79 Euro, Differenz: 90 Cent –, viel hat ein Brötchen gekostet? Wie hoch war kann man aus Sicht der Arbeitgeber vielleicht sagen: Da- die Miete? – Gegenruf des Abg. Patrick Kurth für habe ich Verständnis. Aus Sicht der Gewerkschaften [Kyffhäuser] [FDP]: Und wie sahen die Woh- muss man aber sagen: Dafür habe ich überhaupt kein nungen aus?) Verständnis. Ich habe gar kein Verständnis dafür, dass Wenn ich heute über Durchschnittsrenten von über diese Schere in 2013 nicht deutlich, sondern lediglich 1 000 Euro rede, dann wird deutlich, dass dies die Er- geringfügig zusammengeht. Dann sinkt die Differenz folgsgeschichte der deutschen Einheit, der Erfolg der von 90 Cent auf 79 Cent. Das heißt, solange zwischen letzten zwei Jahrzehnte ist. Arbeitgebern und Gewerkschaften keine in Ost und West gleichen branchenspezifischen Mindestlöhne vereinbart (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) werden, brauchen wir uns des ganzen Komplexes Ren- Neben der Rente für die Masse der Beschäftigten in tenwert Ost/West bzw. Aufwertung der Löhne erst gar der DDR gab es 63 Zusatzversorgungssysteme und vier nicht anzunehmen. Sonderversorgungssysteme. In diesen 63 Zusatz- bzw. Ich will noch einen Punkt ansprechen, weil immer vier Sonderversorgungssystemen wurde das Rentenni- wieder beklagt wird, dass keine Rentengerechtigkeit her- veau dann auf 90 Prozent bis 100 Prozent des letzten gestellt wurde. Die Punkte, die Sie in Ihren 19 Anträgen Nettolohnes angehoben. Es ist aber ganz bemerkenswert, anführen, haben aus meiner Sicht nichts im Rentenrecht für wen das galt: Es gab vier Sonderversorgungssysteme zu suchen. Allein zwischen 2001 und 2010 haben Bund für die Nationale Volksarmee, für die Volkspolizei, für und Länder rund 34 Milliarden Euro in die Abgeltung (B) die Zollverwaltung und für das MfS. Zusatzversorgungs- der Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorungssys- (D) systeme gab es für die technische Intelligenz, für haupt- temen stecken müssen. Pro Jahr sind das etwa 4 Mil- amtliche Mitarbeiter des Staatsapparates usw. liarden Euro; das müssen Sie sich einmal auf der Zunge Meine Damen und Herren von den Linken, besonders zergehen lassen. Angesichts dieser Tatsache können pervers war die Einführung der Freiwilligen Zusatzren- Sie von den Linken nicht sagen, dass für die Beschäf- tenversicherung 1971. Man merkte, dass die normale tigten in der DDR keine Rentengerechtigkeit herge- Rente so niedrig war, dass sie im Alter nicht mehr zum stellt wurde. Leben reichte. Wer dann mehr Rente haben wollte im (Beifall bei der CDU/CSU) real existierenden Sozialismus, der musste sich privat zusätzlich versichern. Das muss man sich einmal auf der Lassen Sie mich auch noch anmerken, dass die Zahlen Zunge zergehen lassen. frappierend sind. Rentenentgeltpunkte ≥ 1 – Durchschnitts- lohn oder mehr – haben im Jahr 2009 55 Prozent der Män- Viele haben außerdem vergessen, wie es chronisch ner im Westen, 50 Prozent der Männer im Osten, 16 Pro- Kranken ergangen ist. Sie hatten einen gesetzlichen zent der Frauen im Westen und 14,4 Prozent der Frauen Krankengeldanspruch von 300 DDR-Mark ab der sieb- im Osten erworben. Das Beeindruckende ist für mich ten Krankheitswoche, wenn sie nicht freiwillig zusatz- – das ist für mich ein Maßstab für Gerechtigkeit –, dass im versichert waren. Lassen Sie sich bitte einmal auf der Osten 38 Prozent der Männer und Frauen zusammen eine Zunge zergehen, was das zu DDR-Zeiten für chronisch Monatsrente ≥ 1 050 Euro erreicht haben. Im Westen sind Kranke bedeutet hat. das nur 32 Prozent. Wenn jemand sagt, dass die Rentne- Bereits an diesen wenigen Beispielen wird der Unter- rinnen und Rentner im Osten, gleich ob Bestands- oder schied zwischen dem werteorientierten System der so- Zugangsrentner, benachteiligt werden, muss ich sagen: zialen Marktwirtschaft und dem ideologiebehafteten Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Den Rentnern System des Sozialismus deutlich. Das ist ein Kernpunkt. aus dem Osten ist mehr als Gerechtigkeit und Solidarität widerfahren. Die Überleitung in das Rentensystem ist eine (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Erfolgsgeschichte der deutschen Einheit. Meine Damen Die Rentengeschichte der letzten zwei Jahrzehnte ist und Herren von der Linken, das lassen wir uns von Ihnen mehr als eine Erfolgsstory. Aus meiner Sicht haben wir nicht kaputt- und auch nicht kleinreden. viel zu wenig kommuniziert, dass wir die ostdeutschen Herzlichen Dank. Löhne auf den Durchschnittslohn West angehoben haben. Wir haben 1990 mit dem Faktor 3 begonnen und sind (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Patrick heute bei einer Aufwertung um knapp 19 Prozent. Bei- Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: So ist das!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10445

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: Trotzdem liegen die Löhne in den neuen Bundeslän- (C) Ich erteile das Wort der Kollegin Silvia Schmidt für dern durchschnittlich 20 Prozent unterhalb der Löhne in die SPD-Fraktion. den alten Bundesländern. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. 40 Prozent der Ostdeutschen arbeiten (Beifall bei der SPD) im Niedriglohnbereich. Niedriglohnbereich bedeutet: Trotz Arbeit leben sie an der Armutsgrenze. Auch das ist Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD): ein Tatbestand. Im Land Sachsen-Anhalt existieren Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten 34 Tarifverträge, die einen Bruttolohn von weniger als Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Rehberg, ich 7,50 Euro vorsehen. Das heißt, die Erwerbstätigen in habe eine Korrekturanmerkung: Die männlichen Zu- Sachsen-Anhalt und auch in Mecklenburg-Vorpommern gangsrentner im Osten haben seit 2008 5 Euro weniger arbeiten teilweise zu einem Hungerlohn. Da ist die Al- als die Zugangsrentner West. Die Schere geht auch in tersarmut im Grunde vorprogrammiert. Das heißt, wir diesem Bereich immer weiter auseinander. brauchen hier einen gesetzlichen Mindestlohn, was übri- gens unter anderem auch Jens Bullerjahn, der stellvertre- Als gesagt hat: „Jetzt wächst zusam- tende Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt, eindeutig men, was zusammengehört“, waren wir alle, glaube ich, fordert. voller Freude. Wir wussten aber auch, dass das ein lan- (Beifall bei der SPD) ger und schwieriger Weg wird, dass das eine Herausfor- derung für unser Land ist. Gerade das Rentenüberlei- Die Anträge der Fraktion Die Linke werden regelmä- tungsgesetz ist – ich glaube, darin sind wir uns alle einig – ßig zu den Wahlkämpfen eingereicht, eine einmalige historische Leistung. Das war ein großer Erfolg. Das können wir alle hier feststellen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: In je- der Legislaturperiode einmal!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten und Sie lassen namentlich über diese Anträge abstim- der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNIS- men; das ist natürlich legitim. Diese Anträge zeigen aber SES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb auch deutlich Ihren Populismus und eine gewisse Häme. [FDP]: Das stimmt!) (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Sie können Dieser Prozess des Zusammenwachsens ist aber noch auch einfach zustimmen! – Dr. Dagmar nicht beendet, weder gesellschaftlich noch konkret im Enkelmann [DIE LINKE]: Dann legen Sie ei- Rentenrecht. Deshalb ist eine Angleichung der Renten- nen Vorschlag vor!) systeme, die im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und (B) FDP versprochen wurde, eine wichtige, aber bestimmt Ich habe deutlich gemacht: Es ist kein leicht zu lösendes (D) keine einfache Herausforderung. In der letzten Legisla- Problem, es ist ein komplexer Tatbestand. Wir alle wis- turperiode haben auch wir das versucht. Das haben wir sen, dass das für die Bürger teilweise nicht nachvollzieh- gesagt, und natürlich sind wir das auch angegangen. Da bar ist. Wir dürfen auch den Anspruch der Solidarität für dieses große, schwierige und komplexe Thema aber die Rentnerinnen und Rentner in den alten Bundeslän- nicht so leicht zu stemmen ist, sind wir keinen großen dern nicht vergessen. Schritt weitergekommen. (Dr. [DIE LINKE]: Ja, das können Es gibt Fragen, die wir sehr schnell klären können. Sie alles besser machen!) Ich könnte mir vorstellen, dass Kindererziehungszeiten Niemand wird Anträgen zustimmen, durch die die da- im Osten wie im Westen gleich bewertet werden. Im mals Staatsnahen begünstigt werden sollen. Das wäre Westen führen sie zu einem monatlichen Zahlbetrag in eine Missachtung der DDR-Flüchtlinge. Höhe von 27,30 Euro, in den neuen Bundesländern zu einem monatlichen Zahlbetrag von 24,13 Euro. Die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Wehrpflichtzeiten führen zu einem monatlichen Zahlbe- der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNIS- trag von im Osten ungefähr 12 Euro, im Westen 15 Euro. SES 90/DIE GRÜNEN) Dieser Unterschied ist gesellschaftspolitisch nicht mehr Das kann man mit aller Sachlichkeit feststellen. Manche zu halten; denn diese Lebensphasen sind in Ost wie West Flüchtlinge haben ihr Leben geopfert, andere sind unter eigentlich identisch. Hier könnten wir sehr schnell ein- schweren Repressalien in die alten Bundesländer ge- schreiten. flüchtet. Das war kein Spaziergang, und das war auch Die Väter des deutschen Einigungsvertrages sind von keine freiwillige Übersiedlung. Auch das sollten Sie zur einer weitaus schnelleren Angleichung der Lebensver- Kenntnis nehmen. hältnisse ausgegangen. Aber wir alle wissen: Die An- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ gleichung vor allen Dingen der Löhne und damit auch CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE des Rentenwertes Ost/West ist seit einem Jahrzehnt zum GRÜNEN) Stillstand gekommen. Es gibt regionale Unterschiede. Einige Regionen in den neuen Bundesländern, zum Bei- Noch zu einer Tatsache – es ist vorhin schon ange- spiel das Umfeld von Berlin, die Potsdamer Region, ste- sprochen worden –, die man vielleicht am persönlichen hen sehr gut da. Es gibt natürlich auch Regionen in den Bereich darstellen kann. Die Mindestrente lag bis 1983 alten Bundesländern, die schlecht dastehen, zum Bei- bei ungefähr 165 Mark Ost. Man sagt: Etwa 30 Mark spiel das . Das alles ist uns bekannt. Miete mussten gezahlt werden, mehr Kosten habe es 10446 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Silvia Schmidt (Eisleben) (A) nicht gegeben. Nein, das war nicht so. Wenn Sie auf dem hängig von staatlichen Systemen und unabhängig davon, (C) Land gewohnt haben, mussten Sie Kohlen dazukaufen. wo sie gelebt und gearbeitet haben. Wir wissen auch Energie, Wasser usw., das alles musste bezahlt werden. ganz genau: Es dürfen keine neuen Ungerechtigkeiten Jeder Rentner, der noch krauchen konnte – das sage ich entstehen, zum Beispiel bei den pflegenden Angehöri- so bitterböse –, hatte noch einen kleinen Garten, damit er gen. Auch wenn es seit 1996 die Pflegeversicherung zusätzliche Lebensmittel hatte; denn der Konsum war gibt, existieren auch hier Härtefälle. Was die Geschiede- auch nicht gerade voll. nen betrifft, würden wir sehr gern dem Antrag der Grü- nen folgen. Eine Bundesratsinitiative und eine gemein- (Maria Michalk [CDU/CSU]: Richtig!) same Lösung sind wichtig. Das muss man sagen; ich kenne das zum Beispiel von Es liegen viele Vorschläge, die geprüft werden müs- meinen Großeltern. Wir haben dort gelebt. Damit will sen, auf dem Tisch. Wir reichen diese Vorschläge an die ich nichts verklären. Alterssicherungskommission im Willy-Brandt-Haus Durch die Beitragsbemessungsgrenze von 600 Mark weiter. Wir werden mit den betroffenen Personengrup- sollten höhere Renten vermieden werden. Glauben Sie pen reden. tatsächlich, dass viele Ostrentner dieses Problem nicht (Zuruf von der LINKEN: Oh! Davon haben sehen? Sie haben hart gearbeitet, 35 bis 45 Jahre einge- die bestimmt etwas!) zahlt, aber sie konnten nicht mehr erreichen. Wir werden alle Probleme noch einmal aufgreifen. Wir Festzuhalten ist, dass die DDR besonders in der In- fordern ein Mindesteinkommen, das heißt einen Min- dustrie die Menschen rigoros ausgebeutet hat. Viele in destlohn, der gesetzlich festgeschrieben wird. Wir for- meinem eigenen Wahlkreis, im Mansfelder Land dern auch eine Rente nach Mindesteinkommen, damit – Stichworte: Kupfer- und Silberhütte –, leiden noch die Lebensarbeitszeit gewürdigt wird. heute unter den schrecklichen Umwelt- und Gesund- heitsbedingungen der DDR-Wirtschaft. Ich komme aus (Beifall bei Abgeordneten der SPD) dem Gesundheitswesen. Ich weiß, wovon ich spreche. Im Rahmen eines Rentenüberleitungsabschlussgesetzes, Wir werden uns heute aus Sympathie für einige Per- das wir schon in der letzten Legislaturperiode in Angriff sonengruppen mit bestimmten Härtefällen enthalten. genommen haben, wollen wir diese ungelösten Fragen aufgreifen. (Zuruf von der LINKEN: Wie mutig!) Wir fordern eine Härtefallregelung und einen Fonds, Dabei geht es um die Personengruppe im Gesundheits- für den jährlich ungefähr 500 Millionen Euro zur Verfü- (B) wesen, die helfenden Familienmitglieder, zum Beispiel gung stehen; wir werden hierfür ein Konzept erarbeiten. (D) in der Landwirtschaft, die Balletttänzer, die Bergleute – in der Carbochemie wird es hoffentlich demnächst (Maria Michalk [CDU/CSU]: Das hätten Sie eine Einigung geben –, die pflegenden Familienangehö- doch schon unter Frau Schmidt machen kön- rigen usw. Diese Probleme sind aber nicht rentensyste- nen! Auch Herr Scholz hätte das schon längst matisch bedingt. Diese Probleme sind einheitsbedingt. machen können! – Eckhardt Rehberg [CDU/ Das muss jeder zur Kenntnis nehmen. CSU]: Ein Herr Müntefering war übrigens auch einmal im Amt!) Mit Zusatzversorgungen und Sondersystemen er- kaufte man sich die politische Gefolgschaft bestimmter Wir fordern die Vollendung der sozialen Einheit Gruppen; das wurde vorhin schon angesprochen. Sie Deutschlands durch rentensystematische Angleichun- wurden ungefähr 1970 eingeführt. Sie bilden ein kom- gen. Wir fordern Maßnahmen, die Altersarmut ver- plexes Geflecht. Kaum jemand durchblickt es noch, aber hindern, und, wie bereits erwähnt, einen gesetzlichen jeder hat einen eigenen Anspruch. Mindestlohn. Wir fordern eine Höherbewertung beschäf- tigungsloser Zeiten und geringer Verdienste ab sofort Dem mittleren medizinischen Personal wurden mit und rückwirkend, und das für das gesamte Bundesgebiet. der 1,5-Regelung, dem Steigerungsbetrag von 1,5 bei der Altersversorgung, Versprechungen gemacht. Ich glaube, wenn wir gemeinsam über diese Fragen diskutieren, können wir im Hinblick auf Härtefälle ver- ( [CDU/CSU]: Ja! Allerdings!) nünftige Lösungen finden. Das ist nicht ganz einfach, Ich selber komme aus dem Gesundheitsbereich. Ich sondern relativ kompliziert. Das können wir aber nur ge- weiß, was man mir gesagt hat. Ich weiß auch, wie hoch meinsam schaffen. Populismus ist hier fehl am Platz. mein Lohn war. Das alles waren Versprechungen. Nie- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nicht nur hier!) mand wird doch behaupten, dass die DDR diesen Ver- sprechungen nachgekommen wäre. Man hatte nämlich Ich sage noch einmal: Es ist schwierig, dieses komplexe gar kein Geld dafür, diese sogenannten Sondersysteme System zu durchschauen. Aber all die Rentner und Rent- zu bedienen. nerinnen, deren Einkommen unterhalb der Armuts- grenze liegt, haben unsere Solidarität verdient. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP) Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Wir wissen: Rentnerinnen und Rentner haben An- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten spruch auf die Anerkennung ihrer Arbeitsleistung, unab- der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10447

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: stände, neue Ungerechtigkeiten und Systemwidrigkei- (C) Nächster Redner ist der Kollege Dr. Heinrich Kolb ten. für die FDP-Fraktion. Ich weise noch einmal darauf hin: Im Mai 2009 gab (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) es in der Anhörung ein klares Ergebnis. Die Sachver- ständigen empfahlen keine Korrektur der geltenden Ge- setze. Sie machten deutlich, dass jede Nachjustierung zu Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): neuen Ungleichbehandlungen – also zu Ungerechtigkei- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir ten – führt. Betroffene dürfen nicht bessergestellt werden debattieren dieses Thema heute nicht zum ersten Mal als vergleichbare Rentner in den alten Bundesländern. und, wie ich vermute, auch nicht zum letzten Mal. (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Das wollen (Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Richtig! – wir auch nicht!) Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ver- sprochen!) Betroffene dürfen auch nicht bessergestellt werden als andere Versicherte in den neuen Bundesländern. Diese Ich halte es für notwendig, in meinem Debattenbeitrag beiden Maximen spielen für uns eine wichtige Rolle. zu diesem Thema immer zunächst darauf hinzuweisen, dass die Überführung des Rentenrechts der DDR in das (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) SGB VI eine große und herausragende Leistung der Wir haben nun einmal die paradoxe Situation, dass Politik und der Mitarbeiter der Deutschen Rentenversi- ein Teil der Betroffenen fordert, das frühere DDR-Recht cherung war. Das war einmalig und ist – das kann man nicht mehr wirken zu lassen, und ein anderer Teil for- so festhalten – im Großen und Ganzen gelungen. dert, dass die Ansprüche nach dem früheren Recht kom- Es ist nicht überraschend, dass bei einem so großen plett anerkannt werden. Diesen Gegensatz kann man ein- Projekt nicht jedes Anliegen zu jedermanns Zufrieden- fach nicht auflösen; das leisten auch Ihre Anträge nicht. heit erfüllt werden konnte. Insofern steht das Renten- Was mich stört an Ihrem Antragskonvolut, an diesem recht vielleicht auch stellvertretend für das gesamte Pro- Paket, ist, dass Sie versuchen, uns neben 18 anderen jekt deutsche Einheit. Gruppen mal eben auch Angehörige des Ministeriums Die Linke legt zu diesem Thema regelmäßig – und für Staatssicherheit und des Amtes für Nationale Sicher- auch regelmäßig unveränderte – Anträge vor. heit der DDR unterzuschieben. Wir bleiben dabei: Für MfS-Angehörige darf nicht mehr als das frühere Durch- (Widerspruch bei der LINKEN – Dr. Dagmar schnittsentgelt für die Rentenberechnung angesetzt wer- (B) Enkelmann [DIE LINKE]: Dann haben Sie den. Diese Entscheidung haben wir getroffen, und sie ist (D) nicht draufgeguckt!) ausdrücklich und mehrfach vom Bundesverfassungsge- richt bestätigt worden. Das will ich hier sehr deutlich sa- – Das müssen dann aber marginale Unterschiede sein. gen. Aber Herr Gysi wird bestimmt gleich erläutern, wo die großen Fortschritte in Ihren Anträgen sind. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Er NISSES 90/DIE GRÜNEN) wird es Ihnen gleich erläutern!) Sie machen es sich zu einfach. Sie listen alle denkba- Ich glaube, insgesamt gesehen kann man sagen: Das ist ren Gruppen Betroffener auf und vermischen dabei Pri- das alte Muster, das da durchscheint, auch bei den jetzt vilegierte, auch Verantwortliche aus DDR-Zeiten mit vorgelegten Anträgen. Menschen, die ganz einfach – ich sage es einfach einmal (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) so – Pech mit ihrem DDR-Schicksal hatten. Sie bleiben hartnäckig bei Ihren Lösungsvorschlägen, (Manfred Grund [CDU/CSU]: Oder belogen obwohl in den letzten Jahren in Anhörungen und Aus- worden sind!) schussdiskussionen mehrfach nachgewiesen worden ist, Sie versuchen, sich als Fürsprecher aller möglichen dass sie falsch sind. Wir hatten dem schon in 2008 einen Gruppen aufzuspielen, die sich benachteiligt fühlen kreativen Vorschlag entgegengestellt, und zwar wollten könnten. Aber dabei übersehen Sie Folgendes: Teil der wir ein Nachversicherungsangebot unterbreiten, was Gerechtigkeit, in die auch alle anderen einbezogen wer- systemgerecht gewesen wäre und immer noch ist, neue den müssen, ist, auch die Situation und Befindlichkeit Ungerechtigkeiten vermeidet und allen Betroffenen die derjenigen zu berücksichtigen, die für Ihre großzügigen Chance gibt, ihre Situation zu verbessern. Lösungsvorschläge am Ende mitbezahlen sollen und müssen. (Zuruf der Abg. Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]) Ich will hier festhalten: Ohne deutsche Einheit und Anpassung des Rentenrechts hätte kein DDR-Rentner Ähnliches hat sich bewährt, als 1992 die Rentenberech- auch nur annähernd den Lebensstandard erreichen kön- nung nach Angestelltenversicherungsgesetz in das nen, den er heute hat. SGB VI überführt worden ist. Wo unsere Vorschläge systemgerecht und überzeugend sind, liegen die Schwä- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie chen Ihrer Anträge: Sie schaffen neue Ausnahmetatbe- bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- 10448 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dr. Heinrich L. Kolb (A) NISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der geltend zu machen. Ich wiederhole: Die Höhe der Bei- (C) FDP: Sehr richtig!) tragsentrichtung ist an dem auszurichten, was zu DDR- Zeiten zur Erlangung eines vergleichbaren Anspruchs Dazu fehlen angemessene Worte Ihrerseits. Vielleicht, hätte aufgewendet werden müssen. Diese Lösung ver- Herr Gysi, ringen Sie sich in Ihrer jetzt folgenden Rede meidet Willkür und erreicht größtmögliche Gerechtig- dazu durch. keit. (Zuruf der Abg. Dr. Martina Bunge [DIE (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten LINKE]) der CDU/CSU) Stattdessen erinnert Frau Bunge im Dezember bei der Weil das auch in anderen Redebeiträgen betont letzten Debatte und auch heute wieder per Zwischenruf wurde, will ich zum Schluss sagen: Neben den heute hier an die 30 Mark Miete für eine DDR-Zweiraumwohnung. vorliegenden Fragen sehe ich auch die Angleichung des Frau Bunge, man muss doch sehen, wie das damals in Rentenrechts Ost an das Rentenrecht West als eine große Leipzig war! Herausforderung an. In dem Koalitionsvertrag ist dies (Maria Michalk [CDU/CSU], an die Abg. für diese Wahlperiode zugesichert. Deswegen machen Dr. Martina Bunge [DIE LINKE] gewandt: wir uns in diesem Jahr ernsthaft an die Arbeit. Gucken Sie sich das mal an!) (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ Da sind Wohnungen „freigewohnt“ worden – das Wort DIE GRÜNEN]: Wann kommt das?) kennt man in den alten Bundesländern gar nicht. Das – Herr Strengmann-Kuhn, Sie wissen: Im letzten Jahr heißt, man ist aus der nassen Dachgeschosswohnung waren wir sehr damit beschäftigt, Baustellen aus der rot- eine Etage tiefer gezogen, weil es da gerade noch tro- grünen Ära abzubauen: durch die Jobcenterreform, cken war. So war das doch damals! durch die Reform in Bezug auf die Hartz-IV-Regelsätze. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Das haben wir in dieser Woche abgeschlossen. Jetzt ge- Zurufe von der LINKEN) hen wir an neue Baustellen heran. Das werden wir tun, und zwar gerne, und wir hoffen auf Ihre Mitarbeit. Wie war denn die Versorgung mit Obst und Gemüse für Rentner? Wie war es denn, wenn man freitags um Einstweilen bedanke ich mich für Ihre Aufmerksam- 18 Uhr im HO-Laden noch ein viertel Pfund Bauch- keit. Herzlichen Dank. fleisch haben wollte? Das war damals einfach nicht ver- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – fügbar. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wieder (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das falsche Versprechen!) (B) (D) ist ja auch ungesund!) Das sind die Unterschiede im Vergleich zu heute. Heute Vizepräsident Dr. : können sich Rentner auch in den neuen Bundesländern Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Gregor Gysi von all das leisten. der Fraktion Die Linke. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Beifall bei der LINKEN) Und wo Sie sich schon so viel Mühe gemacht haben, Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Herr Gysi, für alle Gruppen, die Ihnen eingefallen sind, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir müs- Anträge zu schreiben: Wo ist Ihr Antrag, das DDR-Un- sen uns erst einmal darüber verständigen, worüber wir recht an den Flüchtlingen, sofern sie ihre Flucht überlebt hier reden und um welche Anträge es geht. haben, wiedergutzumachen? Da ist Fehlanzeige bei Ih- nen, und das ist nicht in Ordnung! (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Richtig!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- Sie haben hinsichtlich der Flüchtlinge ja völlig recht. NISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir haben auch mit ihnen gesprochen. Sie wollen gerne, dass alle drei Oppositionsfraktionen gemeinsam einen Stattdessen brandmarken Sie das Rentenrecht als „Ren- Antrag für sie stellen, um nicht in irgendeiner Form ver- tenstrafrecht“, weil es Privilegien für SED- und Stasi- einnahmt zu werden. bonzen beschränkt. Was ist denn das für ein Weltbild, das hinter Ihren Anträgen steht, meine Damen und Her- In Bezug auf die Verfolgten in der DDR haben Sie ren? auch recht. Wir haben aber immer weiter gehende An- träge gestellt, als Sie je beschlossen haben – gerade für (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie die Verfolgten in der DDR. Das ist die Wahrheit, die Sie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der nicht zur Kenntnis nehmen wollen. LINKEN) (Beifall bei der LINKEN – Manfred Grund Wir bleiben bei unserem Vorschlag zum Nachversi- [CDU/CSU]: Erst einsperren und dann von cherungsangebot. Wir glauben, dass eine Nachversiche- uns entschädigen lassen!) rung auf freiwilligem Weg die richtige Lösung ist. Sie bietet die Chance, nicht in das SGB VI übertragene oder Ferner versuchen Sie auf eine polemische Art und aus anderen Gründen ausgeschlossene Rentenansprüche Weise, gegen die Rentnerinnen und Rentner aus dem Os- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10449

Dr. Gregor Gysi (A) ten zu polemisieren. Das können wir nicht im Geringsten Grund [CDU/CSU]: Sie mit Ihren Kindermär- (C) akzeptieren. chen haben die wenigste Ahnung vom Osten!) (Beifall bei der LINKEN – Patrick Kurth Jetzt komme ich zu den einzelnen Anträgen. [Kyffhäuser] [FDP]: Falsche Sachbeschrei- Die Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen bung, Herr Gysi! Ihre Klientel!) in der DDR haben für ihre besonders schwere körperli- Ich sage Ihnen: Es ist und bleibt ein Verhängnis, dass es che und psychische Belastung einen höheren Satz für 20 Jahre nach Herstellung der deutschen Einheit noch ihre Renten zuerkannt bekommen, weil ihr Verdienst immer keine gleichen Renten für gleiche Lebensleistun- viel zu niedrig war. Warum erkennen Sie diesen Zusatz- gen in Ost und West gibt. anspruch der Betroffenen bis heute nicht an? Es gibt keine Erklärung dafür. Sie hatten einen höheren Renten- Natürlich brauchen wir eine Angleichung der Renten- spruch. Der ist aberkannt worden. werte, werter Herr Rehberg, und zusätzlich eine Höher- bewertung der Einkommen im Osten, solange für die- Die geschiedenen Frauen bekamen in der DDR kei- selbe Arbeit in längerer Arbeitszeit weniger verdient nen Versorgungsausgleich. Die Bundesregierung erklärt wird als im Westen. Das akzeptieren auch alle Menschen uns, man habe nach Lösungen gesucht und keine gefun- in den alten Bundesländern. den. (Beifall bei der LINKEN) (Manfred Grund [CDU/CSU]: Nein! Sie haben zu wenig verdient! Das war Ihr Verdienst!) Im Übrigen hat die Bild-Zeitung immer völlig un- recht, wenn sie sagt, die gesetzliche Durchschnittsrente Wir haben einen Antrag vorgelegt, der zwei Varianten im Osten liege höher als im Westen. enthält, wie man diesen geschiedenen Frauen rechtlich sauber entgegenkommen kann. Sie sagen dazu nur Nein. Erstens wird ein Ehepaar betrachtet und vergessen, zu Warum? Erklären Sie das den geschiedenen Frauen im erwähnen, dass die meisten Frauen in der DDR berufstä- Osten! tig waren, während viele Frauen in der alten Bundesre- publik – gerade ältere – nicht berufstätig waren. Es (Beifall bei der LINKEN) macht eben einen Unterschied, ob man zwei Renten oder Wir haben einen Antrag zu den Balletttänzerinnen nur eine Rente hat. und Balletttänzern vorgelegt. Sie bekamen eine berufs- (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: bezogene Zuwendung bei der Rente. Diese ist zum Genau!) 1. Januar 1992 von Ihnen ersatzlos gestrichen worden. Warum? Erklären Sie das den relativ wenigen Balletttän- Zweitens. Sie erwähnen nicht, dass es im Osten keine (B) zerinnen und Balletttänzern! (D) Pensionen gibt. Ein Professor für Gerichtsmedizin be- zieht im Westen immer eine Pension, im Osten aber eine gesetzliche Rente. Natürlich ist sie höher als andere Ren- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: ten. Deshalb ist der Vergleich des Durchschnitts völlig Herr Kollege Gysi, erlauben Sie eine Zwischenfrage absurd. Das passt überhaupt nicht. des Kollegen Schaaf? (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Es wird auch vergessen, zu erwähnen, dass alle Be- Ja, bitte. triebsrenten im Osten gestrichen worden sind, während es sie im Westen noch gibt. Außerdem gab es im Westen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Lebensversicherungen, mit denen man für das Alter ein Bitte schön. gewisses Vermögen ansparen kann. Solche Regelungen gab es in der DDR gar nicht. Anton Schaaf (SPD): (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Woran liegt Herr Kollege Gysi, ich will Ihren Redefluss ungern das denn? – Weiterer Zuruf von der FDP) unterbrechen. Aber wenn Sie Personengruppen in der DDR nennen und sagen: „Da brauchen wir eine Lö- – Ja, natürlich. Bestreite ich, dass das ein Nachteil ist? – sung“, dann kann es durchaus sein, dass das auch Wech- Deshalb leben die Rentnerinnen und Rentner im Osten selwirkungen für den Westen hat. Was die Geschiedenen alleine von gesetzlichen Renten. Das nehmen Sie bis angeht, gab es vor 1977 auch in der BRD keinen Versor- heute nicht zur Kenntnis. gungsausgleich. (Beifall bei der LINKEN) (Maria Michalk [CDU/CSU]: Warum hat denn Herr Kolb, Sie haben ja gerade geredet, und ich muss Ih- die DDR keinen gehabt? – Peter Weiß [Em- nen sagen: Ich muss Sie irgendwann einmal zum Essen mendingen] [CDU/CSU]: Genauso ist es!) einladen, um Ihnen den Osten zu erklären. Sie haben Wenn Sie jetzt einen fiktiven Versorgungsausgleich für wirklich überhaupt keine Ahnung. Ich lade Sie großzü- Geschiedene in der DDR fordern, meinen Sie dann auch, gig ein. dass es einen fiktiven Versorgungsausgleich für Geschie- (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – La- dene in der BRD vor 1977 geben muss? Nur dann wäre chen bei der FDP – Eckhardt Rehberg [CDU/ es gerecht. Alles andere wäre völlig ungerecht und ein- CSU]: Darauf verzichten wir alle! – Manfred seitig. 10450 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Anton Schaaf (A) Dazu müssten Sie sich bekennen und auch sagen, wer In der DDR gab es bis 1961 private Land- und Forst- (C) den fiktiven Versorgungsausgleich bezahlen soll, den Sie wirte. Es gab immer private Handwerker und andere fordern. Vielleicht die Beitragszahlerinnen und Beitrags- Selbstständige sowie deren mithelfende Familienange- zahler, die damit nun wirklich nichts zu tun haben? Wer hörige. Sie unterlagen in der DDR nicht immer einer soll das, was Sie fordern, bezahlen? Versicherungspflicht, erwarben aber auch in diesen Zei- ten einen Rentenanspruch. Nach 1990 wurden die Zeiten (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ ihrer Selbstständigkeit weiterhin rentenwirksam aner- CSU und der FDP) kannt, und zwar wiederum bis zum 31. Dezember 1996. Wer aber etwas jünger war und danach in Rente ging, Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): bekam für die Zeit als Selbstständiger oder als mithel- Hier kriegt man schon für die Frage Beifall. Ich fende Ehefrau keine Rente mehr zuerkannt. dachte, den gibt es für die Antwort. Wozu gibt es eigentlich die FDP, wenn Sie sich nicht (Heiterkeit bei der LINKEN) einmal mehr um die privaten Handwerker und deren Warten Sie doch ab! Ich wollte dazu noch Folgendes Ehefrauen kümmern? Das alles muss die Linke machen, sagen: weil Sie nicht einmal diese Art der Interessenvertretung organisieren. Erstens können wir uns darauf verständigen, dass es auch für die entsprechenden Personengruppen aus den (Beifall bei der LINKEN – Dr. Heinrich L. alten Bundesländern einen Ausgleich geben muss. Heute Kolb [FDP]: Keine Sorge! Das haben wir geht es um einen Antrag, der den Osten betrifft. schon im Blick!) Zweitens soll das Vorhaben nicht aus Beiträgen, son- Es gab Personen, die auf dem zweiten Bildungsweg dern aus Steuern finanziert werden. oder mit längeren Studiengängen verlängerte Ausbil- dungszeiten hatten. Das galt auch für die Spitzensportler. (Zuruf von der CDU/CSU: Ach!) Diese verlängerten Ausbildungszeiten wurden renten- – Ja, warten Sie ab. Wenn wir in Deutschland nur den wirksam anerkannt. Sie haben auch das anerkannt, wie- Steuerdurchschnitt der 15 alten EU-Mitgliedsländer er- derum bis zum 31. Dezember 1996. Wer danach in Rente reichen würden, dann hätten wir jährlich Mehreinnah- ging, bekam die verlängerten Ausbildungszeiten nicht men von 120 Milliarden Euro. Davon wäre das alles mehr anerkannt. Warum bestrafen Sie immer die Jünge- finanzierbar. ren? Ich kann das nicht nachvollziehen. (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der Ins Ausland mitgereiste Ehepartnerinnen und Ehe- (B) FDP: Die sind doch schon 20-mal ausgege- partner von dort Berufstätigen, die selbst nicht beruflich (D) ben!) tätig waren, erwarben dennoch Rentenansprüche. Auch diese Ansprüche haben Sie für Personen anerkannt, die Jetzt komme ich zu einer weiteren Gruppe, nämlich bis zum 31. Dezember 1996 in Rente gingen. Denjeni- zu den 500 Bergleuten der Braunkohleveredlung in gen, die danach in Rente gingen, haben Sie die Anerken- Borna/Espenhain, die derartig schwere gesundheitliche nung versagt. Wieder eine Bestrafung der Jüngeren ohne Belastungen hatten, dass sie einen Rentenanspruch wie jede Erklärung. Bergleute unter Tage erwarben. Das ist von Ihnen ab- erkannt worden. Warum? Erklären Sie das diesen (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das waren 500 Menschen! Genossen an der unsichtbaren Front!) (Beifall bei der LINKEN – Patrick Kurth Dann gab es Versicherte in der DDR, die ihre Er- [Kyffhäuser] [FDP]: Warum haben Sie das da- werbstätigkeit unterbrachen, zum Beispiel wegen Kin- mals nicht geregelt, Herr Gysi?) dererziehung. Es handelt sich dabei überwiegend um Wer in der DDR Angehörige pflegte und dafür Pfle- Hausfrauen und nur um ganz wenige Hausmänner. Diese gegeld erhielt, erwarb dafür Rentenanwartschaften. konnten in dieser Zeit „Marken kleben“. Deshalb erwar- Diese haben Sie bis zum 31. Dezember 1996 anerkannt. ben sie weiterhin Anwartschaften auf Rente. Das haben Diejenigen, die danach in Rente gegangen sind, bekom- Sie einfach gestrichen. Warum? Erklären Sie doch ein- men dafür nichts mehr. Erklären Sie jemandem, der im mal den Hausfrauen, die jahrelang „Marken geklebt“ ha- Dezember 1996 in Rente gegangen ist, dass er anders als ben, warum Sie ihnen diese Jahre nicht anerkennen und derjenige, der im Januar 1997 in Rente gegangen ist, da- das einfach gestrichen haben! Das ist nicht nachvollzieh- für eine Rente bekommt! Das ist indiskutabel. bar. Das ist grob ungerecht. Die meisten Betroffenen er- halten heute Grundsicherung. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist ungerecht!) (Beifall bei der LINKEN – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Wer durfte denn Hausfrau Davon sind, um zu einer weiteren Kritik zu kommen, sein?) auch die Eltern von impfgeschädigten Kindern betroffen, die ihre Kinder jahrelang gepflegt haben und Rentenan- – Auch Sie haben wirklich keine Ahnung. Aber Sie lade wartschaften erwarben, die Sie nicht mehr anerkennen, ich nicht zusätzlich zum Essen ein. Einer reicht mir. und zwar im Unterschied zu Westdeutschen, bei denen diese Zeiten anerkannt werden. (Heiterkeit bei der LINKEN) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10451

Dr. Gregor Gysi (A) Kommen wir zum Versorgungsunrecht. In der DDR chen Dienstes schon ab 1990 vollständig in die schon da- (C) gab es – damit haben Sie recht – Zusatzversorgungen für mals geltende Altersversorgung einbezieht? wissenschaftliche, pädagogische, medizinische, techni- sche und künstlerische Intelligenz sowie im öffentlichen Dann gibt es Angehörige der Bundeswehr, des Zolls Dienst. Außerdem gab es Sonderversorgungssysteme für und der Polizei, die ihre Tätigkeit nach 1990 fortsetzten, sämtliche Sicherheitsorgane, Armee, Polizei, Staats- die Sie also übernommen haben. Diese sind gegenüber sicherheit etc. Die hier erworbenen Ansprüche wurden ihren westdeutschen Kolleginnen und Kollegen eben- zu großen Teilen nicht mehr anerkannt. Warum richten falls schlechter gestellt, weil ihre in der DDR erworbe- Sie nicht wenigstens ein befristetes Versorgungssystem nen Anwartschaften nicht vollständig anerkannt und be- sui generis ein, das die Ansprüche aus der Zusatzversor- rücksichtigt werden. Warum verweigern Sie hier die gung der DDR wenigstens einigermaßen wahrt? Übernahme? Für solche Personen, die einem Zusatz- oder Sonder- Des Weiteren gibt es keine einheitlichen Regelungen versorgungssystem der DDR angehörten, werden die für Angehörige der technischen Intelligenz. Lassen Sie Ansprüche bis zum 30. Juni 1995 nur unvollständig, mich als Beispiel die Ingenieurinnen und Ingenieure aber immerhin teilweise anerkannt. Wer allerdings da- nennen, die zu DDR-Zeiten eine spezielle Zusatzversor- nach in Rente ging, bekommt aus diesem System gar gung hatten. Bis heute sind bestimmte Berufsabschlüsse nichts mehr. Erklären Sie den Jüngeren, warum die einen nicht anerkannt. Wenn der Betreffende Chemiker, die schlimmere Verbrecher sind als die anderen! Das können Betreffende Physikerin oder der Betreffende Mathemati- Sie doch auch nicht erklären. Bloß weil jemand ein Jahr ker war, werden die Ansprüche nicht anerkannt. Wenn jünger ist, bekommt er gar nichts mehr aus dem Sonder- die Betreffenden in landwirtschaftlichen Produktionsge- versorgungssystem, ganz abgesehen davon, dass es so- nossenschaften, Produktionsgenossenschaften des Hand- wieso falsch ist, Biografien bei der Rente zu bewerten. werks, beim Konsum oder bei der Interflug tätig waren, bekommen sie keine Zusatzversorgung. Dann gibt es (Beifall bei der LINKEN) eine Stichtagsregelung, die absurd ist. Danach muss die Ingenieurin oder der Ingenieur bis zum 30. Juni 1990 in Aber weshalb versagen Sie diesem Personenkreis bis einem volkseigenen Betrieb gearbeitet haben. Wenn der heute den Vertrauensschutz? Betrieb zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Volkseigentum war, sondern schon umgewandelt war, bekommen die Dann gab es Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn, Betreffenden keine Rente. Erklären Sie einer Ingenieurin die eine spezielle Altersversorgung hatten. Diese galt oder einem Ingenieur, weshalb sie oder er die Rente ver- – das ist interessant – von 1856 bis 1945. Sie wurde liert, bloß weil der Betrieb nicht mehr Volkseigentum dann von den Sowjets ausgesetzt und 1956 wieder einge- (B) war, sondern sich in Privatbesitz befand. Das ist gera- (D) führt. Sie haben das bis 1996 anerkannt. Wer aber ab dezu absurd, selbst aus kapitalistischer Sicht, finde ich. 1997 in Rente ging, dem wird das nicht mehr anerkannt. Erklären Sie das den Reichsbahnerinnen und Reichsbah- (Beifall bei der LINKEN) nern! (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Gysi, bedenken Sie: Ihre Redezeit ist abgelau- Eine ähnliche Regelung gilt für die Angehörigen der fen. Deutschen Post. Dort haben Sie dieselbe Entscheidung getroffen. Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Dann gibt es Professorinnen und Professoren neuen Außerdem gibt es Personen mit herausgehobenen Rechts, Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Dienst so- Positionen im Partei- und Staatsapparat. Sie wurden frü- wie Beschäftigte in universitären und wissenschaftlichen her nach der Einkommenshöhe beschnitten; jetzt werden Einrichtungen. Sie erhalten wesentlich geringere Alters- sie wegen ihrer Tätigkeit beschnitten. Ich sage noch ein- bezüge als ihre Kolleginnen und Kollegen in den alten mal: Strafrecht hat im Rentenrecht nichts zu suchen. Bundesländern. Besonders benachteiligt sind diejenigen, Deshalb muss das weg. die zwischen 1995 und 2005 in Rente gingen. Die Ursa- che sind verspätete Verbeamtung und Aufnahme in die In Ihrem Koalitionsvertrag steht – damit schließe ich –: Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder. Warum Wir führen in dieser Legislaturperiode ein einheitli- behandeln Sie diese Personen nicht nach dem seit 1990 ches Rentensystem in Ost und West ein. geltenden Recht? Sie hätten sie von Anfang an in die Al- tersvorsorge einbeziehen müssen. Wenn Sie das wirklich wollen, dann müssen Sie heute allen Anträgen zustimmen. Eines sage ich Ihnen auch: Auch die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Es stimmt, in jeder Legislaturperiode kommen wir wie- der DDR, die nach 1990 ihre Tätigkeiten im öffentlichen der mit diesen Anträgen. Es ist ein Glück, dass es die Dienst fortsetzen konnten, die Sie also übernommen ha- Linke gibt, die diese Ungerechtigkeit immer wieder an- ben, sind in ihrer Altersversorgung schlechter gestellt, spricht. Sie würden das nie auf die Tagesordnung setzen. weil auch bei ihnen die Verbeamtung und die Aufnahme in die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Anhaltender Beifall bei der LINKEN – Wi- erst 1997 erfolgten. Weshalb verschließen Sie sich bis derspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU heute einer Regelung, die die Beschäftigten des öffentli- und der FDP) 10452 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wenn man diese beiden Kriterien zugrunde legt, kom- (C) Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Wolfgang men wir zu dem Ergebnis, dass nur bei einer sehr kleinen Strengmann-Kuhn von Bündnis 90/Die Grünen. Anzahl von Gruppen Bedarf besteht, nachzujustieren. Darüber hinaus mag es einzelne Härtefälle geben. Daher Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ finde ich den Vorschlag der SPD, einen Härtefallfonds DIE GRÜNEN): einzurichten, durchaus sympathisch. Ich bin auf den ent- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! sprechenden Antrag gespannt. Gegebenenfalls kann man Lieber Herr Gysi, was Sie vernachlässigen, ist: Die DDR ihm zustimmen. Man müsste sich die Kriterien, den Um- gibt es nicht mehr. fang und die Finanzierung genau anschauen. Dass ganze Gruppen benachteiligt sind, ist häufig gar nicht unbe- (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: dingt der Fall. Diese Behauptung ist zu grob, und es wird Gott sei Dank!) alles über einen Kamm geschoren. Das System, in das eingezahlt worden ist, war nicht die Es gibt tatsächlich einige wenige Gruppen, bei denen gesetzliche Rentenversicherung, sondern das DDR-Ren- es Nachjustierbedarf gibt. Deswegen haben wir einen tensystem. Antrag zur Verbesserung der Versorgung Geschiedener (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- gestellt. Wir hoffen, dass dieser Antrag eine Chance hat, SES 90/DIE GRÜNEN – Manfred Grund angenommen zu werden. Grundlage dieses Antrags ist [CDU/CSU], an die LINKE gewandt: Sie ha- nämlich ein Beschluss des Bundesrates, in dem die Grü- ben es vor den Baum fahren lassen!) nen bekanntlich nicht die Mehrheit haben. Der Bundes- rat hat am 24. September letzten Jahres beschlossen Dadurch wurden keine Ansprüche in der gesetzlichen – ich zitiere –: Der Bundesrat bittet die Bundesregierung Rentenversicherung aufgebaut. Es ist in der Tat eine nachdrücklich, eine befriedigende Lösung für die im große Leistung gewesen, trotzdem die DDR-Rente in Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 geschiedenen das Gesamtrentensystem zu überführen. Ehegatten herbeizuführen. – Sie, liebe Kolleginnen und (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!) Kollegen von CDU/CSU und FDP, insbesondere die Ab- geordneten aus Ostdeutschland, haben gleich die Mög- Dass dies gelungen ist, liegt an der Umlagefinanzierung. lichkeit, mit dafür zu sorgen, dass auch der Bundestag (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Das haben die Bundesregierung auffordert, eine Lösung herbeizu- wir auch gesagt, dass das eine Leistung war!) führen. Wir haben den Beschluss des Bundesrates ein- fach kopiert und dabei lediglich das Wort „bitten“ durch Nur durch sie war dies möglich. das Wort „auffordern“ ersetzt. Aber wir sagen wenigs- (B) (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tens, woher die Kopie kommt. und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordne- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – ten der SPD und der FDP) Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Insofern kann man nicht sagen, dass jegliche Zusatzver- NEN]: Da wir es anmerken, ist es kein Pla- sorgung übernommen werden musste. Es war ein kom- giat!) plett anderes System. – Insofern ist das kein Plagiat, sondern wir haben das Es ist klar: Wenn man zwei Systeme zusammenführt, korrekt zitiert. dann gibt es immer einzelne Fälle, in denen sich Men- schen benachteiligt fühlen oder tatsächlich benachteiligt (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ist denn sind. Für die Betroffenen haben wir großes Verständnis. eine Fußnote dabei?) Es ist aber falsch, den ganzen Prozess 20 Jahre später Um es Ihnen besonders leicht zu machen, haben wir so- von vorne zu beginnen und alles neu zu überlegen. Des- gar eine identische Begründung verwendet. wegen halten wir die Generalüberholung, wie Sie sie mit Ihren 19 Anträgen vorschlagen, für falsch. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfrak- Wir meinen aber nicht, dass man alles beiseiteschie- tionen, tun Sie es Ihren Landesregierungen nach und ben und dagegen stimmen sollte, wie das die Koalitions- stimmen Sie unserem Antrag zu! fraktionen machen. Wir wollen vielmehr genau hin- Die Partei Die Linke beschäftigt sich wieder einmal schauen. Dabei müssen nach unserem Dafürhalten vor mit der Vergangenheit, nämlich mit der Situation von allen Dingen zwei Kriterien erfüllt sein: vor 20 Jahren und mit dem, was damals bei der Renten- Erstens. Die Gruppen, bei denen etwas getan werden überleitung vielleicht schiefgelaufen ist oder nicht. Des- muss, sind besonders benachteiligt worden. wegen möchte ich die restlichen anderthalb Minuten meiner Redezeit nutzen, um nach vorne zu gucken. Zweitens. Es muss gewährleistet werden – darauf hat der Kollege Schaaf in seiner Zwischenfrage schon hin- Im Koalitionsvertrag steht, es solle ein einheitliches gewiesen –, dass keine weiteren Ungerechtigkeiten ent- Rentenrecht geben. Ich habe gerade durch einen Zwi- stehen, etwa in der Form, dass Ostrentner anders als schenruf nachgefragt, wann da endlich etwas passiert. Westrentner behandelt werden. Das heißt, es muss sich Sicherlich gibt es beim zuständigen Bundesministerium um eine Benachteiligung gegenüber Westrentnern han- eine Rentenabteilung; sie hat sich sicherlich nicht nur deln, die gegebenenfalls ausgeglichen werden muss. mit Hartz IV befassen müssen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10453

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (A) (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber die Gesetze ma- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) chen noch immer die Abgeordneten, oder?) Das Wort hat der Kollege Peter Weiß von der CDU/ CSU-Fraktion. Aber bisher gibt es da noch keine Initiative. Wenn in die- ser Legislaturperiode tatsächlich noch etwas passieren (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- soll, dann wird die Zeit dafür langsam knapp; denn die neten der FDP) Rentenversicherung braucht für eine solch umfangreiche Reform Zeit, um das zu implementieren. Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Wir finden, dass es über 20 Jahre nach der deutschen Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Einheit endlich Zeit ist, dass der Rentenwert in beiden Man könnte geradezu das Lied „Alle Jahre wieder“ an- Landesteilen identisch ist und die Rente identisch be- stimmen – wenn es nicht noch zehn Monate bis Weih- rechnet wird. Das heißt, wir wollen ein einheitliches nachten wären –; denn alle Jahre wieder bekommen wir Rentenrecht für Ost und West. ungefähr die gleichen Anträge vorgelegt, Anträge, über die wir schon zigmal beraten haben, Wir wollen auch, dass in beiden Landesteilen der gleiche Lohn zu einem gleichen Rentenanspruch führt. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es Wir werden den Menschen in Ostdeutschland gerecht, wird Zeit, dass Sie sich bewegen! Dann wenn wir sagen, ihr Lohn ist genauso viel wert wie im brauchte man das nicht!) Westen und nicht 20 Prozent weniger. zu denen wir mehrmals Fachexperten angehört haben (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wenn und die zu einem Großteil im Petitionsausschuss des die Löhne gleich hoch sind, dann ist es ja Deutschen Bundestages behandelt worden sind. Es ist okay!) schon verwunderlich, dass das Urteil der Rentenexperten zu den vorgelegten Anträgen offensichtlich von einer – Herr Birkwald, zu Ihrem Zwischenruf. Ich finde nicht, Fraktion permanent nicht zur Kenntnis genommen wird. dass man alle Ungerechtigkeiten dieser Welt im Renten- recht lösen muss. Wir müssen in Ost und West in der Tat (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und zu einer gleichen Bezahlung für gleiche Arbeit kommen. der FDP) Natürlich brauchen wir einen flächendeckenden Min- Ich möchte Herrn Professor Ruland, immerhin Vorsit- destlohn, der in Ost und West gleich hoch ist, um da eine zender des Sozialbeirats, aus dem Jahr 2009 – damals Untergrenze zu finden. So muss man an die Lösung ge- haben wir unsere letzte Anhörung zu diesem Thema hen. durchgeführt – zitieren. Er hat damals festgestellt: Es hat (B) (D) Sie fordern ja auch nicht, dass Frauen für ihren Lohn zu der grundsätzlichen Regelung im Rentenüberleitungs- höhere Rentenansprüche bekommen sollen, weil Frauen gesetz keine Alternative gegeben. 25 Prozent weniger verdienen als Männer. Dazu sagen (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Es gibt immer wir: Wir brauchen die gleiche Bezahlung von Männern eine Alternative!) und Frauen und keine höheren Renten für Frauen wegen geringerer Löhne. Er führt dazu weiter aus: Bei der Rentenüberleitung mussten ja in sehr kurzer Zeit sehr verschiedene Systeme (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ge- zusammengeführt werden. Das Problem lag darin, dass nau! Das fordern wir schon ewig!) es in der damaligen Situation außerordentlich schwer So muss man darangehen. Man darf nicht alles im Ren- war, einen Überblick darüber zu bekommen, welche Re- tenrecht regeln. gelungen galten und welche Sondersysteme existierten. Man hat in dieser Zeit fast täglich neue Sondersysteme (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ entdeckt. Viele davon waren nicht einmal rechtlich kodi- DIE GRÜNEN) fiziert, dafür gab es kein Gesetz. Im Einigungsvertrag ist die Schließung der Sonderversorgungssysteme bis zum Stattdessen wollen wir eine Untergrenze, eine Garan- Dezember 1991 festgelegt worden. Eine Regelung, die tierente für Ost und West einführen. Jetzt sind die Ren- das rückgängig machte, stünde nicht in Übereinstim- ten im Osten höher. Wenn man jedoch alles zusammen- mung mit dem Einigungsvertrag. zählt, sieht man: Die Einkommenssituation im Osten ist jetzt schlechter als im Westen – anders als vor 20 Jahren, (Maria Michalk [CDU/CSU]: Genau!) als die Rentner im Osten die Gewinner der deutschen Das ist das Problem. Einheit waren. Mit einer solchen Garantierente schaffen wir tatsächlich einen Schutzwall gegen künftige Alters- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) armut, von der der Osten besonders betroffen sein wird. Aber Altersarmut gibt es, wie gesagt, nicht nur im Osten. Mit den Anträgen, die heute wieder zur Abstimmung Wir sollten viel mehr gesamtdeutsch denken, als das die gestellt werden, wird folgender Fakt vernebelt: Die Ren- Linke in ihren Anträgen tut. tenüberleitung im Zuge der deutschen Einheit war, ist und bleibt die größte sozialpolitische Solidarleistung der Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Deutschen, die es je gegeben hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 10454 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Peter Weiß (Emmendingen) (A) Hätten wir diese Rentenüberleitung nicht vorgenommen, In der Anhörung hat der Vertreter des Deutschen Ge- (C) dann würde heute der größte Teil der Rentnerinnen und werkschaftsbundes ausdrücklich auf einen Punkt hinge- Rentner im Osten Deutschlands in Armut leben. Das ist wiesen, der auch schon angesprochen worden ist. Die die Wahrheit. Vor diesem Schicksal haben wir sie mit der Frage, ob ein Bürger der ehemaligen DDR die aus einem Rentenüberleitung bewahrt. Sonderversorgungssystem zugesagte Leistung je einge- löst bekommen hätte, wird von den Linken klugerweise In diesem Zusammenhang möchte ich einen kurzen gar nicht beantwortet. Es ist offenkundig, dass eine Blick in die Vergangenheit werfen: bankrotte DDR den betreffenden Arbeitnehmerinnen (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Das hat und Arbeitnehmern die zugesagten Leistungen nie und Herr Rehberg schon gemacht!) nimmer als Rente hätte auszahlen können. Gerade einmal 30 bis 40 Prozent des durchschnittlichen (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Gesine Arbeitseinkommens wurden in der ehemaligen DDR als Lötzsch [DIE LINKE]: Sie müssen einfach Rente ausgezahlt. Wenn wir dieses System beibehalten mal zur Kenntnis nehmen, dass es die DDR hätten, könnte die Mehrheit dieser Rentnerinnen und nicht mehr gibt! Darum geht Ihre Argumenta- Rentner nicht von dem Geld existieren. Sie würden in tion völlig an der Sache vorbei! – Gegenruf des Altersarmut leben. Abg. Manfred Grund [CDU/CSU]: Warum ha- ben Sie die gute DDR denn nicht verteidigt? – (Maria Michalk [CDU/CSU]: Und eine Gegenruf der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE Grundsicherung gab es nicht!) LINKE]: Sie reden völlig an der Sache vor- Mit der Rentenüberleitung haben wir dafür gesorgt, dass bei!) die Rentnerinnen und Rentner in der ehemaligen DDR Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir, die Ko- im ersten Jahr der Wiedervereinigung rund 35 Prozent alition aus CDU/CSU und FDP, wollen ein gesamtdeut- einer Westrente erhielten; das war schon wesentlich sches einheitliches Rentensystem. Im Gegensatz zu mehr als das, was ihnen in der DDR ausgezahlt worden dem, was der Kollege Gysi vorgetragen hat, ist zu sa- wäre. Mittlerweile haben wir für die Rentnerinnen und gen: Wer ein einheitliches, gesamtdeutsches Rentensys- Rentner in den neuen Bundesländern ein Rentenniveau tem will – dieses wird ja von allen Beitragszahlerinnen in Höhe von 89 Prozent einer Westrente erreicht. und -zahlern akzeptiert, weil es gerecht ist –, der darf Die Rentenüberleitung hat für eine Sicherheit im Al- Sonderversorgungssysteme und Sonderregelungen nicht ter gesorgt, die sich viele Rentnerinnen und Rentner so- neu auflegen. wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu DDR-Zei- Vielen Dank. (B) ten überhaupt nicht hätten vorstellen können. Es ist (D) deshalb gegenüber der großartigen Solidarleistung, die (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) im Wesentlichen von den Beitragszahlerinnen und Bei- tragszahlern erbracht wird, ungerecht, dass die Linke Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: jetzt verschiedene Sondersysteme aus alten DDR-Zeiten Das Wort hat jetzt der Kollege Ottmar Schreiner von wieder öffnen will. der SPD-Fraktion. Ich persönlich verstehe, dass sich diejenigen Arbeit- (Beifall bei der SPD) nehmerinnen und Arbeitnehmer, denen in der ehemali- gen DDR in Form eines Sondersystems eine Leistungs- zusage gemacht worden ist, ungerecht behandelt fühlen, Ottmar Schreiner (SPD): weil sie aus diesem Sondersystem jetzt keine Leistung Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erhalten. Aus Sicht dieser Menschen ist damit eine will zunächst als Vorbemerkung sagen, dass die Renten- Rechtsposition aufgegeben worden, die sie vermeintlich überleitung in den frühen 90er-Jahren, aus meiner Sicht hatten. Unser gesamtdeutsches Rentensystem kennt aber jedenfalls – ich war damals von sozialdemokratischer aus guten Gründen keine Sonderregelungen. Unsere Seite gemeinsam mit Regine Hildebrandt und Rudolf Rente ist lohn- und beitragsbezogen, und das gilt für alle Dreßler beteiligt –, einen herausragenden Beitrag zum Personengruppen. sozialen Frieden im vereinigten Deutschland geleistet hat. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP) Damit ist unser Rentensystem ein Rentensystem, das Gleiches gleich behandelt. Es ist insofern gerecht, weil Das kann man sagen, wohl wissend, dass es in der Folge nicht danach unterschieden wird, in welchem Beruf ein zu einer Reihe von Härtefällen und einer Reihe von Wi- Arbeitnehmer beschäftigt war. Die Lohn- und Beitrags- dersprüchen gekommen ist, die zum allergrößten Teil an- bezogenheit der Rentenversicherung ist die Grundlage gesichts der enormen Komplexität des Themas und an- der Solidarität und der Gerechtigkeit in unserem gesamt- gesichts der Eile, in der das Thema damals deutschen Rentensystem. parlamentarisch abgearbeitet werden musste, nicht ver- meidbar waren. (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Aber zwi- schen Ost und West ist es doch etwas Unter- (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Herr schiedliches! Das haben Sie nicht begriffen!) Schreiner, Sie haben damals auch manchmal Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10455

Ottmar Schreiner (A) bei Herrn Seehofer nachgefragt: „Muss das so wir Anfang der 90er-Jahre große Probleme auf dem ost- (C) sein?“!) deutschen Arbeitsmarkt mit denkbar unkalkulierbaren Folgen hatten. Insofern war die Rentenversicherung ein – Bitte? Ich habe nicht ganz verstanden, was Sie gesagt Stabilisierungsfaktor. Das sollte sie auch zukünftig blei- haben. ben. ( [SPD]: Sie soll eine Frage (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten stellen!) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wollen Sie eine Frage stellen? Das geht ja schon früh Wenn man sich die Anträge der Linkspartei anschaut, los. so stellt man fest: Diese sind seit geraumer Zeit, auch wenn es kleine Korrekturen gibt, im Wesentlichen un- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: verändert. Ich habe mir das Protokoll der Anhörung vom Die Zwischenfrage ist bereits genehmigt. 30. April 2009 durchgelesen. Diese ist jetzt knapp zwei Jahre her. Auf diese umfängliche Anhörung des Aus- Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): schusses für Arbeit und Soziales komme ich gleich zu- Herr Schreiner, ich habe eine sehr hohe Achtung vor rück. Ihnen, weil ich weiß, dass Sie damals, als im Deutschen Zunächst einmal möchte ich aber sagen, worum es Bundestag in Bonn über die Rentenüberleitung beraten geht, weil diese Debatte für viele außerhalb des Parla- wurde – ich habe dabei in der hinteren Reihe gesessen –, ments völlig unverständlich ist. Es geht im Kern um die als Experte bei dem damaligen Staatssekretär Seehofer Probleme, die bei der Überführung der sogenannten Zu- häufig nachgefragt haben: Herr Seehofer, wie war das in satz- und Sonderversorgungssysteme der ehemaligen der DDR? Muss man heute diese Regelung so fällen? – DDR in die gesetzliche Rentenversicherung entstanden Da hat Herr Seehofer häufig gesagt: Nein, man muss das sind. Nach meinen Zahlen gab es in der ehemaligen nicht so machen; das ist Ihre politische Entscheidung. Es DDR etwa 61 dieser Zusatz- und Sonderversorgungssys- waren dann nicht Sie, sondern andere, die gesagt haben: teme, die teilweise außerordentlich unterschiedlich aus- Nein, das muss man so machen, weil das Privilegien des gestaltet waren. Es gab Systeme mit einer Beitrags- Ostens waren. Dieses Argument kam vor allen Dingen pflicht, und es gab Systeme ohne Beitragspflicht. Es von der CDU- und FDP-Seite. Können Sie bestätigen, bestand also eine extrem unübersichtliche Situation, was dass es damals so war, die Gesamtheit dieser Zusatz- und Sonderversorgungs- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Lassen Sie sich systeme anbelangte. nicht vereinnahmen! – Maria Michalk [CDU/ (B) Daraus mussten sich Probleme ergeben, weil natür- (D) CSU]: Lassen Sie sich nicht vereinnahmen! lich Kernelemente der gesetzlichen Rentenversiche- Sie waren viele Jahre an der Regierung!) rung, in die diese Sondersysteme überführt worden sind, dass Sie dies hinterfragt haben und auch nicht mit allem zu beachten waren. Darunter fielen die starke Beitrags- einverstanden waren? abhängigkeit der Leistungen und die Begrenzung der Anwartschaften entsprechend der Beitragsbemessungs- grenze. Es war völlig klar, dass Besonderheiten der so- Ottmar Schreiner (SPD): zialrechtlichen Absicherung in der DDR nicht in dem Nein. Ich habe eben ganz bewusst gesagt, dass das Maße berücksichtigt werden konnten, wie das für einige Thema damals eine ganze Menge Konfliktstoff in sich Beteiligte wünschenswert gewesen wäre. Ebenso war barg. Dieser besteht zum Teil, wie man an der heutigen klar, dass es sozialpolitisch nicht in jedem Fall unbe- Debatte sieht, bis in die Gegenwart. Das ist angesichts denklich war, so zu handeln, weil damals die DDR-Bür- der enormen Komplexität und des hohen Schwierigkeits- ger wesentliche Entscheidungen in ihrem privaten und grads, zwei in Teilen sehr unterschiedliche Rentensys- beruflichen Leben mit Blick auf rentenrechtliche Rah- teme zusammenzubringen, auch nicht verwunderlich. menbedingungen getroffen hatten. Eine Reihe von soge- Das geschah übrigens in der Regel auf der Basis der nannten Härten wurde in der Folge durch die Rechtspre- westdeutschen gesetzlichen Rentenversicherung, ob- chung des Bundesverfassungsgerichts ausgeglichen. Ich wohl auch einige von uns der Meinung waren, man sage hier in aller Klarheit für die SPD: Falls dennoch in müsse einige damals im DDR-Rentensystem vorhandene einzelnen Bereichen Unterversorgung aufgrund der da- Ansätze, die durchaus mit dem westdeutschen System maligen Maßnahmen besteht, sind wir gerne bereit, den zusammenführbar gewesen wären, stärker berücksichti- Handlungsbedarf zu prüfen und die Probleme sehr gen. Das gilt insbesondere für die Verankerung von Min- schnell abzuarbeiten. destrenten im System; das ist nicht in dem Maße erfolgt, wie wir uns das vorgestellt hatten. Das ist ein Beispiel; (Beifall bei der SPD) ich könnte Ihnen eine Fülle von weiteren Beispielen nen- nen. Was bei der Anhörung aufgefallen ist, ist Folgendes: Es ist von den Vertretern der Linkspartei gesagt worden, All das hält mich nicht davon ab, in der Gesamtbe- die Sachverständigen, die sich damals gegen die Vor- wertung zu sagen: Die Zusammenführung der Systeme schläge der Linkspartei ausgesprochen haben, seien die auf der Grundlage der gesetzlichen Rentenversicherung Sachverständigen der anderen Fraktionen. Da machen stellt einen großartigen Beitrag zur Wahrung des sozia- Sie es sich viel zu einfach. Der Deutsche Gewerkschafts- len Friedens im gemeinsamen Deutschland dar, zumal bund, die Sozialverbände und die Deutsche Rentenversi- 10456 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Ottmar Schreiner (A) cherung sind keine Organisationen von irgendwelchen das verstärkt zu tun; das ist nichts Neues. Nur muss man (C) Fraktionen in diesem Haus. Das sind unabhängige Orga- dann natürlich konsequenterweise dazusagen, dass wir nisationen, die sich eine Einflussnahme strikt verbitten im bundesdeutschen Recht 1992 zum ersten Mal eine würden. Anrechnung von Pflegezeiten hatten und dass die von Ihnen begehrte Anerkennung auf Zeiten fällt, in denen Ich habe mir die Mühe gemacht, mir die schriftlichen westdeutsche Versicherte, die notwendige Pflegedienste Erklärungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes und leisteten, keinerlei rentenrechtliche Ansprüche erwer- der Sozialverbände, in Sonderheit die des Sozialver- ben konnten. Wenn man diese Zeiten anerkennen würde, bands Deutschland e. V., entlang dieser Anhörung etwas müsste man es für alle machen. Es macht keinen Sinn, genauer anzuschauen. Sie werden so gut wie keinen ein- eine isolierte Ostregelung zu forcieren, weil das in wei- zigen Vorschlag der Linkspartei finden, der von diesen ten Teilen des Westens auf großes Unverständnis stoßen Verbänden nicht deutlich kritisiert worden ist. würde. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Peter Weiß [Em- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: mendingen] [CDU/CSU]: So ist es!) Herr Kollege Schreiner, der Herr Kollege Gysi würde Es ist bedauerlich, dass die Linkspartei letztlich keinen Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. der Kritikpunkte, die von den Gewerkschaften und den Sozialverbänden angesprochen worden sind, aufgenom- Ottmar Schreiner (SPD): men hat und in veränderte Vorschläge einfließen ließ. Das abzulehnen, wäre jetzt wirklich merkwürdig. – Ich will einmal versuchen, das am Beispiel von zwei Bitte. Bereichen deutlich zu machen. Der erste Bereich – er wurde bereits vom Kollegen Gysi angesprochen – be- Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): trifft die Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwe- Herr Schreiner, es geht doch um folgendes Problem: sen der ehemaligen DDR, die besonders schlecht bezahlt Den Krankenschwestern etc. in der DDR war das doch worden sind. Offenkundig war es als eine Entschädigung versprochen worden, für die sehr schlechten Löhne gedacht, für diese Be- schäftigten im DDR-Rentenrecht einen Steigerungsfak- (Maria Michalk [CDU/CSU]: Warum denn?) tor von 1,5 einzuführen. Jedweder Steigerungsfaktor war dem westdeutschen Rentenrecht völlig fremd. weil sie zu geringe Löhne bekamen. – Moment! Das habe ich doch gesagt. – Deshalb war ihnen bei der Rente (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: In der ein Erhöhungsfaktor versprochen worden. Das war et- (B) Knappschaft! – Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: was, worauf sie sich bei der Arbeit verlassen hatten. (D) Bei der Knappschaft gibt es das auch!) Aber dann streichen Sie den Erhöhungsfaktor und sagen, – Bei der Knappschaft gibt es andere Regelungen; aber dass das westdeutsche Recht dies nicht kenne. So be- es gibt keine Steigerungsfaktoren, die generell in der ge- kommt man doch keine Vereinigung hin. Auch bei der setzlichen Rentenversicherung wirken. Das bundesdeut- Pflege hatten sie sich darauf verlassen, dass diese Zeiten sche Recht kennt diese Steigerungsbeträge nicht. als Rentenanwartschaftsjahre gelten. Aber dann sind sie einfach gestrichen worden. Verstehen Sie? Da ist doch Ein anderes Problem betrifft die Frage, ob die niedri- Vertrauen verloren gegangen. Diese Menschen sagen: gen Löhne im Gesundheitsbereich der ehemaligen DDR Ich habe immer gearbeitet, und das war mir zugesichert. heute rentenrechtlich noch korrigierbar sind und korri- Dann kommt die deutsche Einheit, und dann wird dieser giert werden sollten. Wenn man das macht, Kollege Faktor gestrichen. Gysi, dann muss man konsequenterweise hinzufügen, dass es damals auch in Westdeutschland Niedriglohnsek- (Manfred Grund [CDU/CSU]: Die DDR hat toren gab, wenn auch nicht in dem Ausmaße wie heute. sich verflüchtigt! Ihr habt euch davongemacht! Man müsste also auch für diese Bereiche im Nachhinein Ihr habt die Kasse mitgenommen!) eine spürbare Verbesserung bewerkstelligen, weil man sich ansonsten dem berechtigten Vorwurf aussetzte: Für Ottmar Schreiner (SPD): die einen tut ihr was, und die anderen lasst ihr links, Kollege Gysi, wir sind im Kern in dieser Frage nicht rechts oder sonst wo liegen. – Das ist politisch nicht so furchtbar weit auseinander. Wir sind in der Frage aus- durchzuhalten. einander, ob dieser Stabilisierungsfaktor, der nur im (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten DDR-Recht galt und vermutlich auch nur für ganz we- der CDU/CSU und der FDP) nige Bereiche – mir ist nicht klar, ob dies außerhalb des Gesundheitswesens noch für irgendeinen anderen Sektor Das zweite Beispiel, das ich im Zusammenhang mit galt –, der Logik nach in die Konstruktion der gesetzli- Ihren Anträgen nennen will, bezieht sich auf die Beseiti- chen Rentenversicherung mit Beitrags- und Lohnbezo- gung von Rentennachteilen für Zeiten der Pflege von Fa- genheit, mit Beitragsbemessungsgrenze usw. hineinpasst. milienangehörigen in der ehemaligen DDR. Das ist für Es bleibt aber das Kernproblem einer rentenrechtlichen mich ein besonders beeindruckendes Beispiel, weil ich Besserstellung von Leuten im Osten wie im Westen, immer zu denen gehört habe, die der Meinung waren, dass wir notwendige Pflegezeiten entsprechend honorie- (Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Nein, das ren müssen. Es gibt auch aktuell eine Debatte darüber, wollen wir nicht!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10457

Ottmar Schreiner (A) die in schlecht bezahlten Niedriglohnsektoren gearbeitet Ich sage Ihnen nochmals: Der beste Beitrag zur Be- (C) haben, und Lösungsversuche stoßen bei der SPD auf kämpfung drohender Altersarmut ist es, Menschen für ausgesprochen große Sympathien. anständige Arbeit anständig zu entlohnen. Das gilt für Ostdeutschland, aber auch für Westdeutschland. Wir (Beifall bei der SPD) wissen aus den Zahlen, die wir haben, dass in absehbarer Ich will dazu einen Kollegen der CDU zitieren, und Zeit 30 bis 40 Prozent der Männer in Ostdeutschland zwar den Kollegen Karl-Josef Laumann. Er ist inzwi- eine Rente unterhalb der Grundsicherung erwartet. Bei schen Fraktionsvorsitzender der CDU im nordrhein- den Frauen sind die Zahlen noch deutlich höher. Wir westfälischen Landtag und gleichzeitig Chef der Christ- kennen Zahlen aus Westdeutschland, nach denen sich die lich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft. Ich schätze Situation dort nicht ganz so dramatisch darstellt, wir es den Kollegen Laumann sehr. Er hat vor kurzer Zeit die aber auch dort mit wachsender Altersarmut zu tun be- Einführung der Rente nach Mindesteinkommen gefordert. kommen. Er sagte, ein Durchschnittsverdiener müsse 27 Jahre in Es ist kein Leben in Würde, wenn Menschen, die die Rentenkasse einzahlen, um die Grundsicherung zu jahre- und jahrzehntelang in die Rentenversicherung ein- bekommen. gezahlt haben, im Alter von der Sozialhilfe leben müs- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sehr sen. Deshalb besteht hier dringender Reformbedarf, weit richtig!) über die 19 Einzelpositionen aus den Anträgen der Lin- ken hinaus. Das sei nicht leistungsgerecht. Wer Jahrzehnte einge- zahlt habe, müsse mehr bekommen als jemand, der nie (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Beiträge überwiesen habe. Dazu kann ich nur sagen: des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bravo! Das ist völlig richtig. – Der Grundsatz „Leistung Wir von der SPD haben uns vor einiger Zeit dazu ent- muss sich lohnen“ ist doch das Mantra, das die FDP pau- schieden, eine Kommission mit dem vorrangigen Ziel senlos vor sich herträgt. Der Grundsatz „Arbeit muss einzusetzen, Vorschläge für die Bekämpfung der drohen- sich lohnen“ muss für Arbeitnehmerinnen und Arbeit- den Altersarmut zu entwickeln. nehmer und auch später bei der Rente gelten. Das ist doch völlig unbestritten. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das tut die Re- gierung auch!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNIS- Bei der einen oder anderen Frage werden die Probleme, SES 90/DIE GRÜNEN) die von der Linken dargestellt worden sind, mit aufge- griffen; das liegt auf der Hand. (B) Die Bekämpfung drohender Altersarmut, und zwar (D) nicht erst die im Jahr 2030 drohende Altersarmut, ist Lassen Sie mich zum Abschluss eine Bemerkung zu – über die 19 Anträge der Linkspartei hinaus – die ei- einem Thema machen, das in keinem unmittelbaren Zu- gentliche Herausforderung. Ich zitiere aus Welt Online sammenhang zu dem steht, worüber wir heute beraten. von gestern Morgen: Gleichwohl bin ich der Meinung, dass dieses Thema für alle Mitglieder des Hohen Hauses beschämend ist. Es Altersarmut wächst in Berlin rapide. geht um die Art und Weise, wie wir in den letzten Jahren In Berlin leben immer mehr ältere Menschen, und und Jahrzehnten rentenpolitisch mit ehemaligen DDR- die Älteren werden immer ärmer. Im Jahr 2009 wa- Flüchtlingen umgegangen sind. Das ist wahrlich kein ren in der gesamten Stadt mehr als 57 500 Men- Ruhmesblatt der deutschen Rentenpolitik. schen darauf angewiesen, zusätzlich zu ihrer Rente (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten eine Leistung der Sozialhilfe vom Staat zu bekom- der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜND- men. NISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Rentenarmut wächst rapide. Das ist mit Ergebnis ei- Hier geht es zu erheblichen Teilen um Menschen, die bei ner Politik, die den Niedriglohnsektor – prekäre Be- Gefahr für Leib und Leben die damalige DDR verlassen schäftigungsverhältnisse – systematisch ausgeweitet hat. haben. Es waren Menschen, die teilweise mit erhebli- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Durch Ihre Poli- chen Repressalien fertigwerden mussten und sich ent- tik in Berlin!) schieden hatten, das Land zu verlassen. Die ehemaligen DDR-Flüchtlinge sind durch die Überleitungsgesetzge- – Es mag sein, dass auch wir da beteiligt waren. bung Anfang der 90er-Jahre deutlich schlechter gestellt (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Agenda worden. Vorher sind sie nach dem sogenannten Fremd- 2010!) rentengesetz behandelt worden und hatten sich – ähnlich wie andere aus der ehemaligen DDR – auf den Fortbe- Ich sage Ihnen nur: Wer erkannt hat, dass das ein Fehler stand dieser Regelung zu ihren Renten verlassen. Da war, und ihn korrigieren will, ist mir tausendmal lieber sind sie bitter enttäuscht worden. Teilweise mussten sie als Leute, die mit dem Kopf durch die Wand wollen, wie mit Einkommensminderungen von mehreren Hundert Sie, Herr Kolb. Euro rechnen. Ich glaube, es stünde dem ganzen Haus gut an, bei dieser Frage alsbald zu einer vernünftigen (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Lösung zu kommen. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]) Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. 10458 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Ottmar Schreiner (A) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ren immer wieder darauf hingewiesen: Man muss fest- (C) der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des stellen, dass es eine Herkulesaufgabe und eine Meister- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) leistung gesetzgeberischer, aber auch finanzieller Art war, zwei ganz unterschiedliche Rentensysteme zusam- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: menzuführen. Das Wort hat der Kollege Pascal Kober von der FDP- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Fraktion. der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Dass die Grundsatzentscheidung, das DDR-Rentensys- der CDU/CSU) tem in das bundesdeutsche Rentenversicherungssystem zu überführen, richtig war, bestreitet niemand. Auch na- Pascal Kober (FDP): tionale und internationale Gerichte bestätigen seit Jah- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ren, dass die Grundsatzentscheidung, im wiedervereinig- Lieber Herr Gysi, Sie haben Ihre Redezeit bedauerli- ten Deutschland ein einheitliches und gemeinsames cherweise nicht dafür genutzt, uns deutlich zu machen, beitrags- und lohnbezogenes Rentenrecht einzuführen, worin sich die Anträge in diesem Jahr von den Anträgen richtig war. vor zwei Jahren unterscheiden. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Lesen Sie CDU/CSU) sie mal!) Die Alternative wäre gewesen, dass bestimmte Ein- Insofern können Sie in der Tat nicht damit rechnen, dass zelregelungen des DDR-Rechts in das Sozialgesetz- Ihre Anträge, die die gleichen wie vor zwei Jahren sind buch VI hätten übertragen werden müssen, obwohl dies in vielen Fällen nicht passt und den Grundsätzen des (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Es sind Sozialgesetzbuchs VI widerspricht. Durch eine solche zumindest zwei mehr!) Übertragung von Einzelregelungen des DDR-Rentensys- und damals von der großen Mehrheit des Hauses abge- tems in das bundesdeutsche Rentenrecht wäre es im lehnt wurden, jetzt von der Mehrheit dieses Hauses an- Übrigen zu neuen Ungerechtigkeiten gekommen. Bei ei- genommen werden. nem so komplexen Projekt wie der Überführung zweier so komplexer Systeme zu einem gemeinsamen System (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dazwi- Einzelfallgerechtigkeit herzustellen, ist unmöglich. schen war eine Bundestagswahl!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Für uns gilt in der Tat: Leistung muss sich lohnen. Das, (B) der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: (D) was Sie vorgelegt haben, ist aber keine parlamentarische Leider wahr!) Leistung. Deshalb wird die große Mehrheit dieses Hau- ses Ihre Anträge auch in diesem Jahr ablehnen. Wir müssen selbstverständlich auch beachten, dass die Umsetzung dessen, was in manchen Anträgen gefordert (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Was wird, bedeuten würde, dass wir Privilegien einzelner Be- wissen Sie, was Leistung ist!) rufsgruppen in der DDR gegenüber anderen Berufsgrup- Zweiter Punkt. Herr Gysi, Sie wollten in Ihrer Rede, pen in der DDR in unser heutiges gesamtdeutsches Ren- soweit ich ihr folgen konnte, tenrecht übernähmen. (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) Wir sollten festhalten: Die Integration des Rentensys- tems der DDR in das Rentensystem der Bundesrepublik an vielen Einzelbeispielen deutlich machen, warum die ist wahrlich eine große Leistung. Dadurch ist dafür ge- Überleitung der Renten, so wie sie geschehen ist, unge- sorgt, dass Millionen von Menschen im Alter einen Le- recht sein soll. Die meisten Beispiele bezogen sich auf bensstandard haben, der ihnen durch das DDR-Renten- die Frage von Fristen und Stichtagen. Nun ist es aber system nicht gewährt worden wäre. Wesen des Gesetzgebungsprozesses, dass wir mit Stich- tagen und Fristen arbeiten müssen. Es gäbe keine Wei- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten terentwicklung des Rechts, wenn wir nicht Stichtage und der CDU/CSU) Fristen setzen und diese dann auch anerkennen würden. Unbestritten gehören die Rentnerinnen und Rentner der Wenn wir dies nicht täten, würde nämlich immer altes ehemaligen DDR in ihrer Gesamtheit zu der Gruppe, die Recht gelten und neues Recht nicht möglich sein. finanziell gesehen am meisten von der Einheit profitiert Sie haben in Ihrer Rede versucht, die grundsätzlich hat. richtige Entscheidung zur Rentenüberleitung anhand ei- (Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]) ner Fülle von Einzelbeispielen zu kritisieren. Schon zweieinhalb Jahre nach der deutschen Einheit (Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Grundsätzlich hatte sich der Wert der Rentenzahlungen für das Gebiet richtig!) der ehemaligen DDR mehr als verdreifacht. Das ver- Sie versuchen nach wie vor, das Vertrauen in diese deutlicht die große Leistung, die damals insgesamt er- grundsätzliche Entscheidung zu erschüttern. Ich möchte bracht worden ist. Ohne die Überleitung der Renten wür- dazu etwas Grundsätzliches sagen. Die Redner haben in den die Rentnerinnen und Rentner im Osten der dieser Debatte, aber auch schon in den vergangenen Jah- Republik heute fast alle in Armut leben. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10459

Pascal Kober (A) Trotzdem sehen wir als FDP durchaus Handlungsbe- Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) darf. Die FDP tritt dafür ein – Herr Kolb hat es schon Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die ausgeführt –, dass wir den Menschen über eine günstige Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion gerieren Nachversicherungslösung auf freiwilliger Basis eine sich heute wieder einmal als Rächer der Enterbten und Perspektive geben, um manche individuellen Härten ab- tun so, als ob sie die Einzigen wären, die sich um die zumildern. Rentnerinnen und Rentner im Osten kümmern. (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Wovon sol- (Zurufe von der LINKEN: Machen wir doch len die sich denn nachversichern?) auch! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Vorredner heute und in vergangenen Debatten zu diesem Stimmen Sie zu! Dann sind Sie dabei!) Thema haben stets betont, wie schwierig eine gerechte Vergessen wird, wie die Lage der Rentnerinnen und Rent- Lösung ist. ner in der DDR war. Zu Beginn der Debatte wurden schon (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!) einige Zahlen genannt; ich möchte noch einige nennen. Anfang der 60er-Jahre lag das Rentenniveau bei etwa Im Koalitionsvertrag haben FDP und CDU/CSU festge- 27 Prozent des Bruttoarbeitseinkommens. Von 1972 bis halten, dass wir das Rentensystem von Ost und West zum Ende des Jahrzehnts stieg die Mindestrente von vereinheitlichen werden. Persönlich habe ich die Hoff- 160 Mark auf 270 Mark. 1989 beschloss die SED, den nung, dass wir im Zuge dieses Verfahrens zahlreiche Mindestsatz von 300 Mark auf 330 Mark anzuheben. Im Einzelfragen der Rentenüberleitung erneut behandeln Juni 1990 betrug die durchschnittliche Ostrente 475 DDR- und abschließend beantworten können. Mark. Vier Jahre später lag sie bei 1 200 D-Mark. (Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]) (Zuruf von der CDU/CSU: Durchschnittlich!) Wir können bei diesem Thema keine Einzelfallge- – Durchschnittlich. rechtigkeit schaffen, auch wenn das wünschenswert wäre. Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der Linken, Es ist beschämend, wie die Menschen in der DDR be- machen es sich bei diesem Thema wieder einmal viel zu handelt wurden. Zahlreiche Rentnerinnen und Rentner einfach. Die Lösung des Problems liegt für Sie darin, waren aufgrund des geringen Rentenniveaus gezwun- einfach allen Forderungen einzelner Berufsgruppen pau- gen, nach Eintritt in das Rentenalter weiter zu arbeiten. schal und vollkommen nachzugeben. Dies kann aber Man sollte sich genauso vor Augen halten, unter wel- wieder zu neuen Ungerechtigkeiten zwischen den ver- chen Bedingungen die Menschen gelebt und gearbeitet schiedenen DDR-Erwerbsbiografien und den daraus re- haben. (B) sultierenden Rentenansprüchen führen. Wir dürfen nicht Sie, Kolleginnen und Kollegen von der Linken, haben (D) versuchen, Einzelfallgerechtigkeit herzustellen; denn zum Beispiel auch einen Antrag für die Bergleute aus das würde zu neuen Ungerechtigkeiten führen. der Braunkohleveredelung eingebracht. Ich komme aus (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: dem Süden von Leipzig, einer Landschaft, die früher Quatsch!) – auch jetzt noch – stark von der Braunkohleindustrie geprägt war. Ich weiß, wie die Lebensbedingungen und Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei, man Arbeitsbedingungen der Menschen dort waren. Es wurde sollte bei diesem Thema vielleicht auch darüber nach- in den Betrieben keinerlei Rücksicht auf die Menschen denken, dass heutzutage viele Menschen aus der ehema- genommen. ligen DDR eine geringere Rente erhalten, weil ihnen aus politischen Gründen durch das System der DDR eine (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist das bessere Ausbildung oder bessere Berufschancen unter- Schlimme!) sagt oder vorenthalten wurden. Deshalb können Sie sich doch jetzt hier nicht als Retter (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – darstellen. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Guter As- (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Quatsch!) pekt!) Die SED war doch damals dafür zuständig. Das muss man in diesem Zusammenhang ansprechen, auch wenn wir die Ungerechtigkeit des DDR-Systems (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP nicht durch unser Rentenrecht im Nachhinein rückgän- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gig machen können. Ich persönlich finde das schmerz- lich, kann an dieser Stelle aber nur in Erinnerung rufen, Die Betriebe wurden bankrottgefahren, und jetzt stellen wo die Zuständigkeiten für dieses Unrecht liegen. Sie sich so hin, als seien Sie überhaupt nicht schuldig. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Diana Golze [DIE LINKE]: Die DDR gibt es gar nicht mehr!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) – Die DDR existiert zum Glück nicht mehr. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das müs- Das Wort hat die Kollegin Monika Lazar vom Bünd- sen Sie sich einmal merken, dass sie nicht nis 90/Die Grünen. mehr existiert! Unsinn, niveaulos!) 10460 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Monika Lazar (A) Nach der Ablehnung Ihrer Anträge im Jahr 2009 ha- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) ben Sie im Bundestagswahlkampf ein Flugblatt ge- Das Wort hat der Kollege Max Straubinger von der macht. CDU/CSU-Fraktion. (Zuruf von der LINKEN: Das machen wir (Beifall bei der CDU/CSU – wieder!) [DIE LINKE]: Ich habe mich gemeldet!) Die Kolleginnen und Kollegen der ostdeutschen Länder – Das ist zu spät. Ich habe Herrn Straubinger schon auf- können sich sicherlich gut daran erinnern. Ich habe die gerufen. sächsische Version davon mitgebracht. Max Straubinger (CDU/CSU): ( [DIE LINKE]: Super! Das Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! machen wir wieder!) Ich möchte eine Vorbemerkung machen: Das Renten- – Bitte nicht vorher lachen. – Wissen Sie, Kolleginnen überleitungsgesetz war und ist für die Menschen in der und Kollegen von der Linken, wer genauso gestimmt hat ehemaligen DDR ein großer Erfolg. Es gibt ihnen eine wie Sie? Henry Nitzsche, ehemaliger Rechtsausleger der materielle Sicherheit im Alter, die in der DDR nie mög- CDU, später fraktionsloser Abgeordneter im Deutschen lich war und nie möglich gewesen wäre. Trotz aller Son- Bundestag und jetzt im nationalkonservativen Lager in derversicherungssysteme und Zusatzsysteme wäre diese Sachsen unterwegs. Sind das wirklich Ihre Mitstreiter? materielle Sicherheit für die Menschen in der ehemali- gen DDR nie erreicht worden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU – Dr. Gesine Lötzsch [DIE (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) LINKE]: Was können die Rentner dafür? – Auch unter sozialpolitischen Gesichtspunkten hat das Weitere Zurufe von der LINKEN) Rentenüberleitungsgesetz einen großen Beitrag geleistet. Es hat nämlich – das ist die soziale Komponente – zum – Wir sehen das Problem durchaus differenziert. Mein Zusammenwachsen der beiden Teile Deutschlands, von Kollege hat schon gesagt, dass wir bei einigen in den Ost und West, beigetragen. Hinter diesem Erfolg stehen Anträgen angesprochenen Punkten durchaus Verände- die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler und die Steu- rungsbedarf sehen. erzahler in unserem Land, die die Grundlage dafür Die DDR-Geschiedenen sind bereits angesprochen schaffen, dass die Leistungen, die den Menschen über worden. Ihr Verein ist sehr aktiv, und ich persönlich habe das Rentensystem zuteilwerden, erbracht werden kön- auch sehr gute Kontakte und unterstütze ihn. Die DDR- nen. (B) (D) Geschiedenen haben – das richtet sich an die Kollegin- Natürlich ist es immer möglich, für Verbesserungen nen und Kollegen von den Regierungsfraktionen – übri- für vermeintlich Benachteiligte einzutreten, wie die gens auch Beistand von europäischer Ebene bekommen. Fraktion Die Linke dies heute wieder darzustellen ver- Sie klagen jetzt beim Europäischen Gerichtshof für sucht. Damit will sie sich in der Öffentlichkeit bei Perso- Menschenrechte, und auch der CEDAW-Ausschuss, also nenkreisen, die sie begünstigen will, anbiedern. Diese der UN-Überprüfungsausschuss zur Bewertung der Dis- Menschen sollen glauben, dass die Linke die aus ihrer kriminierung der Frauen, will sich der Sache annehmen. Sicht berechtigten Ansprüche hier einbringt. Ich möchte Wir hatten schon in der letzten Wahlperiode einen An- schon herausstellen, dass es in der DDR aufgrund eines trag dazu eingebracht. Heute steht ein Antrag zur Ab- Unrechtssystems zu diversen Sonderzulagen und Son- stimmung, der – mein Kollege hat das schon angedeutet – derzusagen gekommen ist. Ich habe mir berichten lassen, vom Bundesrat übernommen wurde. Wir würden uns dass die Menschen in der ehemaligen DDR es ebenfalls wirklich sehr freuen, wenn insbesondere für diese als große Ungerechtigkeit empfunden haben, dass die In- Gruppe Abhilfe geschaffen wird. Es gibt eine Rege- telligenzrente wesentlich höher war, die Beitragszahlun- lungslücke, und wir müssen einer größeren Gruppe Be- gen dafür niedriger. Das können wir in einem bundes- troffener gerecht werden und sollten nicht erst auf die deutschen Rentensystem nicht fortführen. europäische Rechtsprechung warten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Eine langfristige Lösung ist, wie viele Rednerinnen der FDP) und Redner zu Recht schon gesagt haben, mit den Anträ- gen der Linksfraktion natürlich nicht zu erreichen. Wir Das Rentenüberleitungssystem ist gelungen, und deshalb müssen uns gemeinsam mit allen Fraktionen bemühen, lehnen wir Ihre Anträge zu den einzelnen Bereichen ab. endlich ein einheitliches Rentensystem zu schaffen. Es ist entscheidend, dass wir der Öffentlichkeit unser Viele Bundesregierungen in der Vergangenheit haben Rentensystem erklären. Wir müssen immer wieder sa- sich das schon vorgenommen. Bisher ist es leider nicht gen, dass Beitragszahlungen die Grundlage dieses Sys- geglückt. Wir sind sehr gespannt, was die aktuelle Bun- tems sind und Ansprüche auf diese Art und Weise erwor- desregierung vorlegen wird. Vielleicht schaffen wir es ja ben werden. In der ehemaligen DDR gab es den von der in dieser Wahlperiode, zu einem einheitlichen System zu Linken heute so sehr bekämpften Niedriglohnsektor. Er kommen, das diesen Namen auch verdient. wurde so begründet: Ihr bekommt zwar jetzt niedrige Vielen Dank. Löhne, aber dafür später eine höhere Rente. Die Leis- tung der Arbeit sollte sozusagen erst in der Zukunft be- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) lohnt werden. Auch das ist ein eigenartiges System ge- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10461

Max Straubinger (A) wesen. Wir kämpfen dafür, dass der entsprechende Lohn ist, an gerechten Lösungen in unserem Rentensystem (C) sofort ausgezahlt wird. Wir verweisen nicht auf die Zu- mitzuarbeiten. kunft. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Auch daran wird die Ungerechtigkeit des DDR-Systems deutlich. Diese Ungerechtigkeit wollen Sie, verehrte Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Kolleginnen und Kollegen von der Linken, im deutschen Rentensystem fortführen. Auch deshalb lehnen wir diese Das Wort hat jetzt der Kollege Frank Heinrich von der Anträge ab. CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Heute wurde wieder vorgetragen, dass es zukünftig mehr Altersarmut geben würde. Natürlich gilt es, das zu Frank Heinrich (CDU/CSU): beachten, und natürlich lohnt es sich auch, sich damit auseinandersetzen. Ich möchte aber daran erinnern: Ich Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und komme aus einem Landstrich, in dem die Löhne nach Kollegen! Ich bin sehr dankbar, dass ganz am Anfang dem Zweiten Weltkrieg grundsätzlich niedrig waren. Er der Debatte ein Kollege von mir, Herr Rehberg, mit fol- ist ausschließlich landwirtschaftlich geprägt, ohne indus- gender Frage begonnen hat: Woher kommen wir? In der trielle Arbeitsplätze. In Niederbayern fand der Auf- ganzen Debatte sind wir immer wieder zu dieser Frage schwung erst in den 70er-/80er-Jahren statt. Letztendlich zurückgekehrt. Wo beginnt denn die Überleitung, die im würde das bedeuten, dass in diesem Landstrich alle Titel dieser Debatte steht? Ich möchte den Bogen span- Menschen der Altersarmut anheimgefallen sind, weil in nen. Bei einer Überleitung denkt man an eine Brücke. den Jahrzehnten nach dem Krieg nur geringe Löhne er- Wenn es ein Woher gibt, dann muss es auch ein Wohin wirtschaftet werden konnten. Es gab Perioden, in denen geben. Ich bin dankbar, dass Sie, Frau Lazar, gesagt ha- in einzelnen Landkreisen eine Arbeitslosigkeit von ben: Wir wollen eine Perspektive, wohin das führen soll. 40 Prozent und mehr geherrscht hat, insbesondere im Zu den Anträgen von Ihnen, von den Linken, ist viel Winter, weil mit der Landwirtschaft viele Saisonberufe gesagt worden, nicht erst heute und, wie Kollege Kolb verbunden sind. Trotzdem hat unser Rentensystem es zu- gesagt hat, wahrscheinlich nicht zum letzten Mal. Die stande gebracht, dass wir keine höhere Altersarmut zu 19 Anträge sind unseres Erachtens nicht im ureigensten verzeichnen haben als vielleicht das Ruhrgebiet. Das Interesse der Gruppen, für die Sie hier sprechen. Das (B) zeigt sehr deutlich, dass die beste Grundlage gegen Al- Vorgehen wird kaum einer der Gruppen – manche sagen (D) tersarmut in unserem Land Arbeitsplätze sind. Es lohnt uns das sogar – gerecht. Da wird instrumentalisiert, und sich, hier dafür einzutreten. es riecht nach seltsamen Motiven. Herr Gysi, wenn Sie (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- hier sagen, dass der Grund, keinen Antrag bezüglich der neten der FDP) Flüchtlinge zu stellen, der ist, dass diese gern gemein- sam etwas machen wollen, dann muss ich darauf hinwei- Geringere Rentenansprüche sind oft verbunden mit sen, dass ich das auch schon von anderen Gruppen ge- hoher Arbeitslosigkeit, wie sie zum Beispiel in der Ver- hört habe. Diese dürften Sie dann auch nicht vertreten. gangenheit bei Rot-Grün geherrscht hat. Damals gab es 5 Millionen Arbeitslose, heute sind es nur noch 3 Millio- Am Ende kann die Linke letztlich allen diesen Grup- nen Arbeitslose; aber auch das sind 3 Millionen Arbeits- pen sagen, dass sie sich für sie eingesetzt hat. Frau lose zu viel. Deshalb ist es hier mitentscheidend, nicht Schmidt, Sie haben vollkommen recht: Das ist ein Stück bessere Versprechungen gegenüber den Menschen zu weit Populismus. Wir hören – wir haben miteinander da- machen, sondern daran zu arbeiten, dass wir Arbeits- rüber gesprochen – aus den Gruppen andere Einstellun- plätze, dass wir sozialversicherungspflichtige Beschäfti- gen dazu. Es ist inzwischen zur Genüge gesagt worden, gungsverhältnisse haben, durch die die Menschen hohe dass es eine große gesellschaftliche Leistung ist, die ih- Rentenansprüche erwerben. resgleichen sucht. Die Komplexität der Lösung, die dann noch nötig sein kann, kommunizieren Sie nicht, weil es Ein Letztes, verehrte Damen und Herren. Kollege viel zu schwierig ist, das in drei Sätzen zu sagen. Herr Schreiner hat auf ein Problem hingewiesen, das mit dem Schreiner, da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Da sind Fremdrentengesetz und den Flüchtlingen aus der ehema- die 63 Zusatz- und Sonderversorgungssysteme. Da ist ligen DDR und der damit verbundenen Bewertung dieser die juristische Realität, die vielem davon im Weg steht. Zeiten zu tun hat. Wir haben entsprechende Petitionen Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsmä- im Bundestag. Es gilt, diese Petitionsverfahren abzuwar- ßigkeit bestätigt. Die UN-Menschenrechtskommission ten. Ich glaube nicht, dass wir dies so einfach lösen kön- ist damit befasst worden und hat dem Ganzen stattgege- nen. Wir müssen aufpassen, dass wir keine neuen Tatbe- ben. Der Europäische Gerichtshof hat gesagt: Das ist so stände der möglichen Ungerechtigkeit schaffen. Deshalb nicht widersprüchlich. Es gibt die Grundsätze des Bun- gilt für uns, dies alles sehr sachgerecht zu beurteilen, dessozialgerichts und rentenrechtliche Regelungen im aufzunehmen und natürlich auch in einem parlamentari- SGB. So viele Dinge muss man dazusagen, wenn man schen Verfahren darüber zu diskutieren. Hier sind alle solche einfachen Forderungen – polemisch, wie ich eingeladen, weiterhin, wenn es notwendig und möglich meine – nutzen möchte. 10462 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Frank Heinrich (A) Auch die Fachleute, die auch Sie in den Anhörungen tigkeiten schaffen. – Gestern fiel in einem weiteren Ge- (C) gehört haben, waren eindeutig. Dazu gab es Bedingun- spräch auch der Begriff der Minimalstungerechtigkeit, gen und Prinzipien, über die wir nicht einfach springen die wir anstreben. Ich glaube, wir sind mit den momenta- dürfen: Der Gleichheitsgrundsatz – wir haben hier von nen Möglichkeiten nah an sie herangekommen. Wir wol- Ost und West gesprochen – muss auf beiden Seiten ge- len schauen – das ist unsere Haltung als Koalition; das währleistet sein – Herr Schaaf, das haben Sie in Ihrer ist deshalb auch im Koalitionsvertrag verankert –, dass Zwischenfrage erwähnt –, der Grundsatz der Lohn- und wir so nah wie möglich an die Grundsätze der Gerechtig- Beitragsbezogenheit ist ein hohes Gut in unserem Land, keit herankommen. Aber da gibt es die Grenze des Ein- die Systematik der auch schon vorher bestehenden zelfalls. Diese Grenze kann das Gesetz nicht überwin- Rechtsverordnungen und die Vorgaben im Einigungsver- den, schon gar nicht bei einem so starken Bruch in der trag, darüber können wir uns nicht einfach hinwegset- deutschen Geschichte, einschließlich der Fehler, die zen. Ich halte es für polemisch, dass Sie das einfach tun auch noch danach – wohlgemerkt: danach – gemacht und so einfach kommunizieren wollen. wurden. Ich denke, an der Minimalstungerechtigkeit sind wir nahe dran. Die Frage, die sich mir stellt, lautet: Wie ernst neh- men Sie dieses Anliegen tatsächlich? Wenn einzelne Jetzt gibt es noch Möglichkeiten des Weiterdiskutie- kleine Nachbesserungen nötig sind, dann sind wir bereit, rens. Sie von der Opposition redeten vorhin von einer daran mitzuarbeiten. Die meisten der Forderungen sind Fondslösung, die die größten Schwierigkeiten und die allerdings realitätsfern, insbesondere wenn Sie – da bin größten Schärfen, die durch die Gesetze passiert sind, ich mir mit den Kollegen von der SPD einig – Anträge auszugleichen versucht. Wir setzen uns da zusammen; für Personengruppen mit großer Nähe zum Staat, wie das haben wir schon vereinbart. Wie diese Fondslösung man das allgemein sagen kann, formulieren. aussehen könnte und ob es eine Fondslösung geben wird, kann ich noch nicht sagen. Eines noch ganz persönlich zur Debattenkultur, zur politischen Auseinandersetzung. Sie stellen sich hier hin Insgesamt betrachtet unterstreiche ich noch einmal: und fordern, dass wir alle gemeinsam so entscheiden sol- Es war eine gewaltige gesellschaftliche Leistung, das hat len – als ob Sie diese Anliegen vertreten! Ich verstehe sich immer wieder gezeigt; das haben auch Sie an einer nicht, dass sich, seit ich der Sprecher bzw. der Bericht- Stelle in Ihrem Antrag – fairerweise muss ich das sagen – erstatter meiner Fraktion im Bundestag zu diesem kon- geschrieben. Aber die wirtschaftlichen Fehler von vor kreten Thema bin, nicht einer von Ihnen mit mir zusam- der Wende, die sich in unzähligen Lebensläufen, in die mengesetzt und gesagt hat: Das Anliegen ist uns so widerrechtlich eingegriffen wurde, niedergeschlagen ha- wichtig, dass wir hier gemeinsam etwas bewegen soll- ben, kann man heute trotz aller rechtmäßigen Bestrebun- (B) ten. – Kein Versuch Ihrerseits, Gespräche dieser bilatera- gen nicht einfach ausgleichen. Ungerechtigkeit kann (D) len Art zu führen. Das ist bei den anderen Fraktionen an- man nicht gegen Gerechtigkeit aufwiegen, auch ein de- ders gewesen. Ob das wirklich ein Anliegen um der mokratischer Rechtsstaat kann das nicht. Sache willen ist, möchte ich zumindest bezweifeln. Ein zweiter Gedanke. Nachdem ich die Frage gestellt Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: habe, inwiefern es Ihnen hier um Quantität – 19 Anträge – Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen. anstatt um Qualität geht, stellt sich auch die Frage nach dem Wort „gerecht“. In all Ihren Anträgen kommt das Frank Heinrich (CDU/CSU): Wort „gerecht“ vor. Ich komme zum Ende. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Fragen Sie sich nicht, warum Ihnen keiner von Ihren eige- Unser Anliegen: Woher, wohin? Wohin wollen wir? nen Leuten mehr zuhört? Kein Einziger hat ein Wir wollen zu einem einheitlichen Rentenrecht kom- einziges Mal geklatscht!) men. Dazu haben wir uns bekannt, deshalb werden wir uns auch mit Ihnen auseinandersetzen; Herr Durch die Wende – das haben Sie an keiner Stelle ver- Strengmann-Kuhn, Herr Schaaf, Sie haben darauf hinge- schwiegen; das habe auch ich in meinen Reden hier ex- wiesen. Wir unterstützen dieses Bestreben. Allerdings plizit gesagt – sind Ungerechtigkeiten passiert – Sie ha- dürfen bestimmte Gruppen nicht erneut benachteiligt ben das von uns an verschiedenen Stellen gehört –: werden. Wir gehen das an; wir werden in diesem Jahr durch Stichtage – Herr Kober hat das gesagt –, durch damit beginnen. Fristenregelungen. Und doch sind wir in unserem Rechtssystem an diese Regeln gebunden. Welche Ge- Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. rechtigkeit spielen wir gegen welche aus? Generationen- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gerechtigkeit? Einzelfallgerechtigkeit? Wir brauchen Rechtssicherheit für die kommenden Generationen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Gestern telefonierte ich mit einer Frau in ungefähr Das Wort hat jetzt als letzte Rednerin zu diesem Ta- meinem Alter. Sie sagte mir in etwa Folgendes: Egal wie gesordnungspunkt die Kollegin Maria Michalk von der wir in dieser zugegebenermaßen verfahrenen und teil- CDU/CSU-Fraktion. weise ungerechten Situation entscheiden, wir werden wegen der Komplexität immer wieder neue Ungerech- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10463

(A) Maria Michalk (CDU/CSU): gibt, der Scheidung zugestimmt, weil das für sie der bes- (C) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! sere Weg für die Zukunft war. Normalerweise bin ich eine begeisterte Anhängerin der Wer meint, man könne jedes Einzelschicksal mit ei- Volksweisheit: Wiederholung ist die Mutter des Er- nem Grundsatzsystem korrigieren, der verkennt, was folgs. – Aber die Rentenantragsserie der Linken zeigt Politik leisten kann. Wir bemühen uns in unseren Dis- ganz deutlich, dass dieser Ansatz dann nicht stimmt, kussionen durchaus, Brüche zu erkennen und Lösungen wenn bei der Lösung des Grundproblems einfach an der zu finden. Ich halte in diesem Zusammenhang nichts da- falschen Stelle angesetzt wird. von, immer nur Durchschnittszahlen zu zitieren. Sie sind Sie fordern mit Ihren Anträgen – dabei hangeln Sie interpretationswürdig; in manchen Statistiken werden sich an den einzelnen Sachverhalten entlang, und das Berufsgruppen involviert – zum Beispiel Ingenieure zum wiederholten Male – eine gründliche Überprüfung oder Ärzte –, die nach heutigem Recht eigene Versor- und Korrektur der Rentenüberleitung. Das – das ist in gungswerke haben. Insofern kann man nicht jede Statis- der Debatte sehr deutlich geworden – ist nach fast tik korrekt miteinander vergleichen. Das führt zu einem 20 Jahren der Überleitung in eine beitrags- und lohnbe- falschen Ansatz. zogene Rentensystematik einfach der falsche Ansatz. Sie Uns ist wichtig, dass man jetzt nicht so tut, als ob wir können noch so viele Anträge stellen, Sie werden nie- mit unseren vielfältigen Bemühungen in diesem komple- mals unsere Zustimmung dazu bekommen. xen Prozess der Überführung dieses Wirrwarrs von Ren- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- tensondersystemen Probleme verursacht hätten. Dazu ist neten der FDP) es aufgrund des Systems gekommen, das diejenigen zu vertreten haben, die die Anträge stellen. Es geht nicht, Denn Politik ist nicht, das Wünschenswerte zu formu- dass Sie erst die Sozialsysteme an die Wand fahren, lieren und die anderen für die Umsetzung bezahlen zu quasi das Haus anbrennen und sich jetzt wiederholt zum lassen. Das war gelegentlich – nach Gutsherrenart – die Feuerwehrmann aufspielen. Das funktioniert nicht. Methode der alten SED-Regierung. Unser Prinzip heißt, das Wünschenswerte mit dem Machbaren zu verglei- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- chen, sich am Realistischen zu orientieren und das dann neten der FDP) durchzusetzen. Deshalb sage ich es noch einmal ganz konkret: Dass (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und wir uns bemühen, merken Sie doch; das war auch in der der FDP) rot-grünen Regierungszeit so. Als es zum Beispiel um das Problem ging, eine Regelung für die geschiedenen (B) Die politische Grundsatzentscheidung war damals auf Ehefrauen zu finden, hat es eine interministerielle Ar- (D) dem Weg zur deutschen Einheit richtig. Wir müssen uns beitsgruppe gegeben. Von den Anhörungen der Experten noch einmal in Erinnerung rufen: Das Rentenniveau lag wurde schon gesprochen. Auch die Länder waren an die- damals bei 40 Prozent; und jetzt liegt es bei 88, 89 Pro- ser Abstimmung und an der interministeriellen Arbeits- zent. Wer meint, das sei keine besondere Leistung, der gruppe beteiligt. Sie haben eben kein Ergebnis vorlegen verkennt die gesamtdeutsche Solidarität, für die ich mich können, das politisch diskutiert und beschlossen werden hier noch einmal ausdrücklich bedanken möchte. konnte, weil es neue Ungerechtigkeiten bedeutet hätte. Deshalb ist die Lösung nicht so einfach. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ich sage Ihnen – ich habe von diesem Pult aus ja wie- derholt zu diesem Thema gesprochen –: Ich verkenne natürlich auch nicht, dass es bei Stich- tagsregelungen, die im politischen Geschäft normal und (Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Leider!) manchmal nicht abwendbar sind, auch Einzelschicksale gibt, die einem in der Seele leidtun. Aber im Osten – das Wir erkennen, dass sich das Prinzip „Wer arbeitet, soll war dort die Realität – gab es ein System ohne rote Li- mehr Lohn haben als jemand, der nicht gearbeitet hat“ nie. Herr Gysi, es wird Ihnen nicht gelingen, die Grund- im Grunde genommen in der Rente widerspiegeln muss. sätze des Einigungsvertrages durch die Hintertür aufzu- Klar haben wir die Grundsicherung im Alter. Das ist ein heben. Rechtsanspruch. Aber wir sind uns einig: Es ist nicht ge- rade sehr bequem, das zu beantragen. Ich kenne vor allen (Beifall bei der CDU/CSU) Dingen viele Frauen, die sich schwertun, diesen Antrag zu stellen. Ich sage aber immer wieder: Das ist ein Ich nenne einmal das heute schon mehrfach ange- Rechtsanspruch. führte Beispiel der Krankenschwester. Ich frage mich: Wieso mussten in den meisten Fällen die Frauen zu ei- Die Kommission, deren Einsetzung wir in unserem nem so niedrigen Lohn diese ganz schwere Arbeit ver- Koalitionsvertrag beschlossen haben, wird dieses Ge- richten? Es gab damals noch keine Pflegebetten oder samtbild betrachten, weil das dann nicht mehr alleine Badewannen mit Lift. Erinnern Sie sich an die damali- nur ein ostdeutsches Problem ist. Ich bitte Sie herzlich, gen Zustände: Das war eine äußerst schwere Arbeit in dafür Verständnis zu haben, dass wir bei unserer Grund- Schichten. Die meisten Frauen haben nebenbei Kinder satzhaltung bleiben, weil sie von Fachexperten, in vielen erzogen, und wenn es ganz dicke kam, dann hatten Sie Anhörungen und von Gerichten bestätigt worden ist. Ar- auch noch einen Mann, der sie betrogen hat. Dann haben beitsminister aller Couleur in diesem Haus haben keine sie oft, wissend, dass es keinen Versorgungsausgleich Patentlösung vorlegen können. Das ist der Beweis dafür, 10464 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Maria Michalk (A) dass das ein sehr schwieriger Prozess ist, dem wir uns Gibt es noch Mitglieder des Hauses, die ihren Stimm- (C) stellen werden. Darüber freue ich mich. zettel nicht eingeworfen haben? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Wir werden hier wiederholt darüber diskutieren, aber Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh- nicht auf der Grundlage Ihrer Anträge, sondern wir ge- lung zu beginnen. hen das Gesamtpaket an. Ich darf die Kolleginnen und Kollegen bitten, sich Herzlichen Dank. wieder auf ihre Plätze zu begeben, damit man den Über- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) blick behalten kann. Da die vollständige Auswertung der Stimmzettel ei- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: nen erheblichen Zeitbedarf erfordert, werden die Schrift- Ich schließe die Aussprache. führerinnen und Schriftführer zunächst noch kein zah- lenmäßiges Ergebnis ermitteln können, sondern nach Bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte ich Ih- Sichtung der Stimmzettel feststellen, ob die Anträge an- nen noch einige Hinweise zum Abstimmungsverfahren genommen oder abgelehnt wurden. Das vorläufige Er- geben. gebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gege- ben.2) Zunächst möchte ich Ihnen mitteilen, dass eine grö- ßere Zahl von Erklärungen nach § 31 der Geschäftsord- Bevor wir zu der namentlichen Abstimmung über die nung von Mitgliedern der SPD-Fraktion vorliegt, die wir Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Fraktion zu Protokoll nehmen.1) Bündnis 90/Die Grünen kommen, weise ich vorsorglich darauf hin, dass wir unmittelbar nach dieser namentli- Wir kommen zunächst zur namentlichen Abstimmung chen Abstimmung bei den Beratungen ohne Aussprache über die 19 Anträge der Fraktion Die Linke zu Korrektu- eine weitere namentliche Abstimmung zu Tagesord- ren bei der Überleitung der Alterssicherungen der DDR nungspunkt 34 b vorzunehmen haben. Ich bitte Sie also, in das bundesdeutsche Recht. Bitte beachten Sie: Abge- den Saal nach dieser namentlichen Abstimmung nicht zu stimmt wird über die Anträge selbst und nicht über das verlassen. Votum der Beschlussempfehlung. Es ist vereinbart, die insgesamt 19 namentlichen Abstimmungen auf einem Jetzt setzen wir die Abstimmungen fort. Der Aus- Stimmzettel durchzuführen. Die Stimmzettel erhalten schuss für Arbeit und Soziales empfiehlt unter Sie, falls noch nicht geschehen, von den Plenarassisten- Buchstabe t seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung ten hier im Saal. Schreiben Sie bitte zunächst Ihren Na- des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf (B) men und die Bezeichnung Ihrer Fraktion deutlich in Drucksache 17/4195 mit dem Titel „Verbesserung der (D) Druckbuchstaben auf den Stimmzettel. Stimmzettel ohne Versorgung der im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar Namensangabe sind ungültig. Der Ausschuss für Arbeit 1992 Geschiedenen“. Wir stimmen nun über den und Soziales empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung Buchstaben t der Beschlussempfehlung zu der Vorlage auf Drucksache 17/4769 unter den Buchstaben a bis s von Bündnis 90/Die Grünen namentlich ab. die Ablehnung der Vorlagen. Auf dem Stimmzettel fin- Hier wird wie üblich über die Beschlussempfehlung den Sie unter Ihrem Namen eine Auflistung der 19 abzu- und nicht über den Antrag abgestimmt, damit es hier stimmenden Anträge. Sie können über jeden einzelnen kein Missverständnis gibt. Antrag mit „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ abstimmen. Einzelne Abstimmungen mit mehr als einem oder kei- Haben die Schriftführerinnen und Schriftführer die nem Kreuz sind ungültig. Sie können die Stimmzettel vorgesehenen Plätze eingenommen? – Das ist der Fall. auf Ihrem Platz ankreuzen. Nachdem Sie den Stimmzet- Dann eröffne ich die Abstimmung. tel ausgefüllt haben, werfen Sie ihn in eine der aufge- Hat ein Mitglied des Hauses seine Stimmkarte noch stellten Urnen. nicht eingeworfen? – Wenn das nicht der Fall ist, dann Bevor wir nun zur Abstimmung kommen, möchte ich schließe ich den Wahlgang und bitte, auszuzählen. Das Sie an die unmittelbar folgenden zwei namentlichen Ab- Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen spä- stimmungen mit der üblichen Stimmkarte erinnern. ter bekannt gegeben.3) Wir setzen die Beratungen fort. Zunächst folgt die Abstimmung über die 19 Anträge Ich darf zunächst einmal darum bitten, dass sich die der Fraktion Die Linke. Ich bitte die Schriftführerinnen Kolleginnen und Kollegen wieder zu ihren Plätzen bege- und Schriftführer, die Plätze einzunehmen. – Sind an al- ben, damit wir die Beratungen vernünftig fortsetzen kön- len Wahlurnen die notwendigen Schriftführer? – Das ist nen. der Fall. Ich eröffne die Abstimmung über die (...) 19 Anträge der Fraktion Die Linke. Ich bitte, die Stimm- zettel einzuwerfen. Ich will daran erinnern, dass die Namen auf den Stimmzetteln eingetragen sein müssen; sonst ist der Stimmzettel ungültig.

2) Ergebnis Seite 10471 C 1) Anlagen 2 bis 4 3) Ergebnis Seite 10471 C