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Huber Sebastian

Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter I.

DIPLOMARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades Magister der Philosophie

Studium: Lehramtsstudium UF Geschichte, Sozialkunde, Polit.Bildg. UF Englisch

Alpen - Adria Universität Klagenfurt

Begutachter: Univ.-Prof. Mag. Dr. Reinhard Alexander Stauber

Institut: Institut für Geschichte

Juni 2016

Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. II Huber Sebastian

Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere an Eides statt, dass ich - die eingereichte wissenschaftliche Arbeit selbstständig verfasst und andere als die angegebenen Hilfsmittel nicht benutzt habe, - die während des Arbeitsvorganges von dritter Seite erfahrene Unterstützung, ein- schließlich signifikanter Betreuungshinweise, vollständig offengelegt habe, - die Inhalte, die ich aus Werken Dritter oder eigenen Werken wortwörtlich oder sinn- gemäß übernommen habe, in geeigneter Form gekennzeichnet und den Ursprung der Information durch möglichst exakte Quellenangaben (z.B. in Fußnoten) ersichtlich gemacht habe, - die Arbeit bisher weder im Inland noch im Ausland einer Prüfungsbehörde vorgelegt habe und - zur Plagiatskontrolle eine digitale Version der Arbeit eingereicht habe, die mit der gedruckten Version übereinstimmt.

Ich bin mir bewusst, dass eine tatsachenwidrige Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

Huber Sebastian Feldkirchen, 02.06.2016

Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. III Huber Sebastian

Inhaltsverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung ...... II

Inhaltsverzeichnis ...... III

Abbildungsverzeichnis ...... V

1 Vorwort ...... 1

2 Napoleon I...... 3

2.1 Napoleon: Charakter und Werdegang ...... 3

2.2 Machtfaktoren, Strategien und Taktiken ...... 7

3 Vorgeschichte ...... 13

3.1 Der Zweite Koalitionskrieg und seine Ausgangslage ...... 13

3.2 Eine kurze, aber ereignisreiche Zwischenkriegszeit ...... 18

3.3 Die Bildung der Dritten Koalition gegen Napoleon ...... 21

4 Die Entscheidung zur See ...... 25

4.1 Napoleons Invasionsidee ...... 25

4.2 Entwicklungen, Technik, Bewaffnung und Ausbildungsstand der damaligen Seefahrt ...... 26

4.3 Die Hauptakteure um Trafalgar ...... 31

4.3.1 Die französischen Befehlshaber ...... 31

4.3.2 Die britischen Befehlshaber ...... 34

4.4 „Katz und Maus“ Spiel auf Hoher See ...... 35

4.4.1 Fruchtlose französische Versuche der Jahre 1803 und 1804 ...... 36

4.4.2 Es kommt Bewegung ins Spiel ...... 38

4.5 Vorschlacht bei Kap Finisterre und die letzten Flottenbewegungen ...... 41

4.6 Das große Seegefecht bei Kap Trafalgar ...... 46

4.6.1 Neue Pläne, letzte Vorkehrungen und das Aufeinandertreffen der Flotten 46

4.6.2 Der erste Konfliktherd ...... 50

4.6.3 Der zweite Konfliktherd ...... 54

4.7 Unmittelbare Folgen, Resultate und Verluste der Schlacht ...... 60 Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. IV Huber Sebastian

5 Die Entscheidung auf dem Kontinent ...... 63

5.1 Die Kriegspläne beider Seiten ...... 63

5.1.1 Alliierte Kriegsplanung ...... 63

5.1.2 Napoleons Kriegsplanung ...... 66

5.2 Die Armeen der drei Mächte ...... 67

5.2.1 Die französische Armee ...... 67

5.2.2 Die österreichische Armee ...... 68

5.2.3 Die russische Armee ...... 70

5.3 Die Verträge mit den süddeutschen Staaten ...... 71

5.4 Die Einkesselung der Österreicher bei Ulm ...... 74

5.5 Der Nebenschauplatz Norditalien ...... 80

5.6 Napoleon auf dem Weg nach Wien und Brünn ...... 82

5.7 Die Dreikaiserschlacht bei Austerlitz ...... 86

5.7.1 Letzte Vorbereitungen und Napoleons List ...... 86

5.7.2 Kampfgeschehen im südlichen Sektor (07:00 Uhr bis 12:30 Uhr) ...... 91

5.7.3 Das Kampfgeschehen im Zentrum (07:00 Uhr bis 12:30 Uhr) ...... 94

5.7.4 Kampfgeschehen im nördlichem Sektor (08:30 Uhr bis 12:30 Uhr) ...... 97

5.7.5 Der Einsatz der kaiserlich-russischen Leibgarde (12:30 Uhr bis 15:00 Uhr) ...... 99

5.7.6 Die finalen Phasen (12:30 Uhr bis 16:00 Uhr) ...... 100

5.7.7 Ergebnisse der Schlacht ...... 102

6 Folgewirkungen der Ereignisse von 1805 ...... 104

6.1 Neue Verwaltungsschritte im Grande Empire ...... 105

6.2 Der Kriegszug gegen Preußen und Russland 1806/07 ...... 108

6.3 Die Kontinentalsperre ...... 111

7 Schlussbemerkung ...... 112

Literaturverzeichnis ...... 118

Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. V Huber Sebastian

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Bataillon carrée ...... 12

Abb. 2: Details eines Linienschiffes des 18. Jahrhunderts ...... 28

Abb. 3: Position der französisch-spanischen und britischen Schiffe, März 1805 ...... 39

Abb. 4: Villeneuves (schwarz) und Calders (weiß) Flotten bei Kap Finisterre (22. Juli 1805 um 05:15 Uhr) ...... 44

Abb. 5: Die Annäherung der Briten bei Trafalgar (11:30 Uhr) ...... 50

Abb. 6: Kampfgeschehen zwischen Collingwoods Division und Villeneuves Nachhut (12:30 Uhr) ...... 51

Abb. 7: Kampfgeschehen zwischen Collingwoods Division und Villeneuves Nachhut (14:30 Uhr) ...... 53

Abb. 8: Kampfgeschehen zwischen Nelsons Division und Villeneuves Zentrum (12:45 Uhr) ...... 56

Abb. 9: Kampfgeschehen zwischen Nelsons Division und Villeneuves Zentrum (14:00 Uhr) ...... 57

Abb. 10: Der Versuch von Dumanoirs Division das Zentrum von Villeneuve zu unterstützen (15:30 Uhr) ...... 59

Abb. 11: Alliierte Pläne zur Kriegsführung ...... 64

Abb. 12: Französische und alliierte Truppenbewegungen der Ulm-Kampagne ...... 76

Abb. 13: Die Aufstellung der zwei Heere (02. Dezember 1805 um 06:00 Uhr)...... 90

Abb. 14: Truppenbewegungen im südlichen Sektor (09:30 Uhr) ...... 92

Abb. 15: Truppenbewegungen im Zentrum (09:30 Uhr) ...... 95

Abb. 16: Truppenbewegungen im nördlichen Sektor (10:30 Uhr)...... 98

Abb. 17: Positionen der französischen und alliierten Truppen (15:30 Uhr) ...... 102

Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 1 Huber Sebastian

1 Vorwort

Das Hauptaugenmerk der folgenden Diplomarbeit liegt auf den französischen Militärstrategien und Kampfoperationen des Jahres 1805. Dabei stehen zwei hervorstechende Paradigmen im Vordergrund. Zum einen handelt es sich um die Herrschaft der Seefahrt, welche unabdingbar für die Kontrolle jedes kontinentalen Handelssystems ist. Die Entscheidung darum fiel in der Seeschlacht bei Trafalgar, am 21. Oktober 1805, wo die englische Royal einen Verbund der französischen und spanischen Kriegsmarine vernichtend besiegte. Zum anderen stellt die Schlacht bei Austerlitz, am 2. Dezember 1805, den Höhepunkt einer überaus erfolgreichen Landkampagne der französischen Grande Armée dar, die die Entscheidung am Kontinent herbeiführte. Französische Truppen durchschritten das Herz Österreichs binnen weniger Wochen, eilten von Sieg zu Sieg und besiegelten das Schicksal der alliierten Mächte durch den Triumph in der obengenannten Dreikaiserschlacht über austro-russische Truppen. Der Dritte Koalitionskrieg war entschieden und der Friedensvertrag von Preßburg wurde aufgesetzt. Frankreich verlor den Krieg zu See und festigte seine Stellung zu Land, was maßgebende Auswirkungen auf die weitere Geschichte Europas haben sollte.

Das erste Kapitel der Arbeit behandelt den entscheidenden und verbindenden Faktor der zwei großen Operationen, Napoleon Bonaparte. Seine Entscheidungen bestimmten den Ausgang der Kampfhandlungen, welche auch auf seinen Charakter und seinen Werdegang zurückzuführen sind. Das ist der Grund, weshalb der erste Teil des Kapitels auf seine Erziehung, seinen Aufstieg und auf seine Charakterentwicklung Bezug nimmt. Im zweiten Teil geht es dann konkreter um seine speziellen Fähigkeiten als Kommandant und die Anwendung bestimmter militärischer Strategien, denen er seinen Erfolg zu verdanken hatte.

Die Vorgeschichte zu diesem bedeutenden Jahr 1805 ist Inhalt des zweiten Kapitels. Denn der unbefriedigende Ausgang des Zweiten Koalitionskrieges, Napoleons provozierende Expansionspolitik der kurzen Zwischenkriegszeit sowie die Nichtbereitschaft der alten Mächte, eine zu machtvolle Hegemoniestellung Frankreichs zuzulassen, sind Ursachen genug gewesen, um Europa erneut in Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 2 Huber Sebastian

Kriegszustand zu versetzen. Somit sind die Ereignisse dieser Jahre unverzichtbar für das Gesamtverständnis der französischen Handlungsweise in 1805.

Im nächsten Großkapitel wird die Entscheidung zur See dargestellt. Angestrebt als Vorbereitung zur Invasion Englands sollten französische Schiffe die Heimatflotte Großbritanniens vom Ärmelkanal weglocken. Nach einer Verfolgungsjagd auf hoher See sollten diese nach Boulogne zurückzukehren, um die Übersetzung der Grande Armée auf die britische Insel gewährleisten zu können. Dieser Plan sah ursprünglich anders aus, änderte sich mehrmals, bis er schließlich fehlschlug und die britische Seestreitkraft die französisch-spanische Flotte bei Trafalgar stellen konnte. Die spezifischen Gegebenheiten der jeweiligen Flotten sowie die Vorgaben ihrer Kommandanten sind ausschlaggebend für das, aus französischer Sicht, niederschmetternde Ergebnis. Die Arbeit führt zusätzlich die genauen Kampfhandlungen zwischen den einzelnen Schiffen im Detail aus. Letztendlich versetzte ein aufkommender Sturm, unmittelbar nach der Schlacht, beiden Kriegsparteien einen unvermutet harten Schlag.

Kapitel vier stellt das zweite große Szenario das Jahres 1805 in den Mittelpunkt, Napoleons Landfeldzug gegen die Dritte Koalition. Zunächst müssen Frankreichs diplomatische Erfolge mit den süddeutschen Staaten Bayern, Baden und Württemberg erwähnt werden, da der französische Angriff ohne diese bereits im September 1805 ins Stocken hätte geraten können. In weiterer Folge konnte die französische Armee einen kapitalen Sieg bei Ulm über die österreichische Streitmacht erringen, was ihnen den Weg bis nach Wien ermöglichte. Nach kleineren Scharmützeln kam es nun zur entscheidenden Dreikaiserschlacht, benannt aufgrund der Teilnahme Napoleon I., Zar Alexander I. und Franz II./I., dessen Ausgang die französische Vorherrschaft auf dem Kontinent bedeutete.

Im letzten Kapitel wird der Blick auf die resultierenden Ereignisse der kommenden Jahre gerichtet. Napoleon baute seine Machtstellung aus und rief dazu den Rheinbund als Instrument zur Kontrolle Deutschlands ins Leben. Zudem versuchte Napoleon, trotz der militärischen Niederlage auf den Meeren, , nun wirtschaftlich, durch eine Kontinentalsperre zu zermürben. Austerlitz erlaubte es Napoleon, einen weiteren Feldzug gegen Preußen und Russland zu führen, was mit einem Triumph des Korsen endete. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 3 Huber Sebastian

Durch sein militärisches Handeln im Jahr 1805 konnte sich Frankreich die Herrschaft über Europa sichern. Dennoch muss gesagt werden, dass sich Napoleon und seine Grande Armée zu diesem Zeitpunkt schon am Gipfel ihrer Stärke befanden. Nie sollte Napoleon Bonaparte über eine besser ausgebildete und erfahrenere Armee verfügt haben, als während der Austerlitz-Kampagne von 1805. 15 Jahre im dauerhaften Kriegszustand sollten ihren Preis noch kosten.

2 Napoleon I.

2.1 Napoleon: Charakter und Werdegang

Napoleone Buonaparte, später unbenannt in Napoleon Bonaparte, wurde am 15. August 1769 in Ajaccio auf Korsika geboren. Seine Eltern, Carlo und Letizia Buonaparte, waren tatkräftige Unterstützer der von Korsen geführten Unabhängigkeitsbewegung unter Pasquale Paoli gegen die Inselbesatzung der Genueser und Franzosen. Zunächst konnte man die Besatzer aus einigen Teilen der Insel vertreiben, doch die französische Übermacht schlug das kleine Heer Paolis am 8. Mai 1769 bei Ponte Novo, was die französische Herrschaft über Korsika zur Folge hatte.1

Drei Monate danach wurde der spätere Kaiser der Franzosen in diese Neukonstellation hineingeboren und befand sich in seiner Jugend im ständigen Zwiespalt zwischen den Werten und Ideologien seiner korsischen Herkunft und jenen des französischen Ancien Regime. Sein Vater Carlo, ein ausgebildeter Anwalt, tat es nicht dem nach England geflüchteten Paoli gleich, sondern arrangierte sich mit den neuen Machthabern, was sich für ihn überaus positiv erwies, denn er bekam eine Stellung im Justizdienst. Damit konnte er in einflussreiche Kreise der Insel aufsteigen. Diese Art von politischem Opportunismus war es, die Napoleon noch stark prägen und die maßgebend an seinem weiteren Aufstieg beteiligt sein sollte. Nichtsdestotrotz war es für ihn ein Lernprozess, praktische und pragmatische Entscheidungen treffen zu lernen. Denn in seinen jungen Jahren neigte er zu oft dazu, verbissen seine persönlichen ideologischen Ansätze zu verfolgen. Als Beispiel

1 Vgl.: Willms Johannes. Napoleon. Eine Biographie. 5. Aufl. München 2007, S.12. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 4 Huber Sebastian

dient sein früher Hass auf Frankreich, dem er als 20-jähriger in einem Brief an Paoli Ausdruck verlieh:2

„Ich kam zur Welt, als mein Vaterland unterging. Zehntausend an unsere Küste geworfene Franzosen, die den Thron der Freiheit mit Blutströmen überschwemmten – das war das entsetzliche Schauspiel, das meine Augen zuerst sahen. Die Schmerzensschreie der Sterbenden, die Klagen der Unterdrückten, Tränen und Verzweiflung umgaben meine Wiege.“3 Nach der Revolution wollte Napoleon, der nun junge Offizier der französischen Armee, seinem Familienclan zu einer gesicherten und machtvollen Stellung auf Korsika, seinem geliebten Heimatland, verhelfen. 1790 kehrte sein Vorbild Paoli nach Korsika zurück und wurde, mit Unterstützung der Buonapartes, im September zum Militärbefehlshaber der Insel bestellt. Napoleon gegenüber verhielt sich Paoli jedoch stets eisig, da er ihm misstraute. Im Juni 1793 eskalierte die Lage und Korsika wurde von Paolis Truppen, mit englischer Unterstützung, eingenommen. Die Buonapartes mussten flüchten, da sie einerseits dem Neid und der Missgunst anderer Clans ausgesetzt waren und andererseits, da Paoli die Ansichten Napoleons keineswegs billigen wollte. Dieser wollte die Unabhängigkeit Korsikas durch den Kampf für Frankreich erreichen. Paoli hingegen wollte, um jeden Preis, die komplette und ausnahmslose Unabhängigkeit der Insel von Frankreich. In seiner Napoleon- Biographie zitiert Johannes Willms dazu Frèdèric Masson: „So wie Frankreich ihn zum Korsen gemacht hatte, so machte ihn jetzt Korsika zum Franzosen“4. Somit war seine Entwicklung zum Opportunisten abgeschlossen.5

Neben seiner korsischen Herkunft gab es einen weiteren Aspekt, welcher den jungen Buonaparte entschieden geprägt hatte. Es war seine Position innerhalb des Buonaparte-Clans, insbesondere die Beziehung zu seinem um eineinhalb Jahre älteren Bruder Joseph. Napoleon stand als Zweitältester immer im Konkurrenzverhältnis zu dem, nur von der Körpergröße betrachtet, größeren Bruder, denn bereits im Kindesalter sollte sich die Überlegenheit des Jüngeren herauskristallisieren. So schrieb er im selben, an Paoli adressierten, Brief:

2 Vgl.: Best Geoffrey. War and Society in Revolutionary 1770-1870. Guernsey 1998, S.108; Lentz Thierry. Napoleon: „My ambition was great“. New York 2005, S.14; Napoléon, I., Frankreich, Kaiser. Napoleon: die Memoiren seines Lebens. 1/2. Napoleons Jugend: (1769 - 1793). Wencker- Wildberg, Friedrich (Hg.) Wien (u.a.) 1930, S.22-23; Willms. 2007, S.12-14. 3 Napoléon I., zit. nach Wencker-Wildberg Hg. 1930, S.24. 4 Willms. 2007, S.41. 5 Vgl.: Lentz. 2005, S.16-17; Willms. 2007, S.26-31,39-41. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 5 Huber Sebastian

„Ich war zänkisch und kampflustig und fürchtete niemand. Den einen schlug ich, den anderen kratzte ich, und alle hatten Angst vor mir. Mein Bruder Josef hatte am meisten darunter zu leiden, denn ich schlug und biss ihn. Dafür wurde er gescholten, denn noch ehe er sich von seinem Schreck erholte, hatte ich ihn schon bei der Mutter verklagt. Meine Hinterlist kam mir zustatten,…“6 Carlo Bonaparte verschaffte seinen beiden Erstgeborenen die Möglichkeit, eine staatliche Ausbildung zu beginnen. Joseph trat in den Priesterberuf ein und Napoleon absolvierte eine militärische Laufbahn. 1784, als Napoleon seine Schulzeit abgeschlossen hatte, wurde er von seinem Vater benachrichtigt, dass die Familie in arger Geldnot steckte. Trotz Carlos Fähigkeit als Lebenskünstler handelte er viel zu oft unüberlegt und ging leichtfertig mit dem Geld um, was zu unergiebigen Investitionen führte. Zum gleichen Zeitpunkt entschied sich Joseph dazu, sein Priesteramt zu quittieren und auf den Militärberuf umzusatteln, was aus Napoleons Sicht komplett töricht erschien, denn seiner Meinung nach war Joseph überhaupt nicht für das Soldatenleben geschaffen. Er verspürte starke Eifersucht und Wut gegenüber dem Älteren, da dieser, standesrechtlich betrachtet, das Oberhaupt der Familie darstellen sollte, wozu er jedoch aufgrund seiner Leichtfertigkeit und Unentschlossenheit nicht in der Lage war. Ein Jahr später verstarb sein Vater, was den jungen Offizier sofort an die missliche Lage seiner Mutter denken ließ. Daraufhin verständigte er seinen Großonkel, den Erzdiakon Lucien, und bat ihn, kurzzeitig die Stelle als Familienoberhaupt anzunehmen, da kein anderes Mitglied des Clans über finanzielle Mittel verfügte. Danach stürzte sich Napoleon noch eifriger in sein Studium, schloss dies nach nur einem Jahr, statt dem Durchschnitt von drei bis vier Jahren, ab. Jeden Monat schickte er den Großteil seines Soldes an seine Mutter. Er war definitiv gewillt, die Führungsrolle des Clans zu übernehmen, einerseits aufgrund von Josephs Unfähigkeit dazu und andererseits, um seinen eigenen Machtanspruch zu befriedigen. Großonkel Lucien hatte mit seiner Bemerkung: „Joseph ist der Älteste, aber Napoleon wird der Erste der Familie sein!“7, die er bereits in deren Kindheit tätigte, vollkommen recht.8

Weitere wichtige Erfahrungen, die auf sein späteres Auftreten und Verhalten Einfluss haben sollten, sammelte er in seiner Schulzeit und seiner militärischen Ausbildung.

6 Napoléon I., zit. nach Wencker-Wildberg Hg. 1930, S.25. 7 Luciano Bonaparte, zit. nach Amelunxen Clemens. Der Clan Napoleons. Eine Familie im Schatten des Imperators. Berlin 1995, S.32. 8 Vgl.: Amelunxen. 1995, S.30-35; Manfred, Al'bert. Napoleon Bonaparte. Köln 1981, S.18-19; Wencker-Wildberg Hg. 1930, S.25,35,45-47; Willms. 2007, S.17-19. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 6 Huber Sebastian

Bis zu seinem zehnten Lebensjahr gibt es nur nichtnachweisbare Quellen über seine Ausbildung, obwohl in späteren Korrespondenzen Privatlehrer und eine Schule in Ajaccio erwähnt werden. Trotz der französischen Besatzung Korsikas konnte Napoleon kein Französisch sprechen, denn Korsisch ist dem Italienischen weitaus näher. Deshalb beschloss Carlo, seine Söhne Joseph und Napoleon im Jahr 1779 auf ein Kolleg in Autun zu schicken, um die Sprache zu erlernen. Drei Monate und 20 Tage dauerte die Ausbildung und danach war Napoleon einigermaßen in der Lage, Französisch zu schreiben und zu lesen. Nichtsdestotrotz sollte er zeitlebens eine „eigenwillige Aussprache des Französischen“9 beibehalten haben, was ihn in seiner zukünftigen Schulzeit auch fortlaufend zum Ziel von Spott und Hohn machen sollte. Sprachen zu lernen fiel ihm, im Gegensatz zu Joseph, extrem schwer.10

Nach diesem Kolleg wurde Napoleon auf die Militärschule in Brienne geschickt, welche für die Härte und Strenge ihrer Ausbildung bekannt war. Disziplin stand in dieser militaristisch-geistlichen Institution an erster Stelle. Es gab nur in Härtefällen Ausgang für die Zöglinge, beispielsweise bei Todesfällen. Es war nicht erlaubt in den Ferien nach Hause zu fahren. Aufgrund seiner Sprache, Herkunft und seines fremden Aussehens war er relativ isoliert und entwickelte hier auch seine Introvertiertheit. Er suchte auch nicht wirklich nach der Gemeinschaft anderer Menschen, wie Fauvelet de Bourrienne, einer seiner wenigen Schulfreunde, bestätigte. Er träumte viel lieber allein von seinen Machtphantasien, worin er Korsika als Nachfolger Paolis die Unabhängigkeit schenkte. Dennoch sollte er sich einen gewissen Respekt durch gewonnene Raufhandel erkämpft haben. Nach viereinhalb Jahren ohne persönlichen Kontakt zu seiner Familie, bis auf den Briefverkehr, schloss Napoleon die Militärschule als einer von 50 königlichen Stipendiaten, ausgesucht aus 110 Anwärtern, im Jahr 1784 ab. Dies ermöglichte ihm ein Studium an der Ècole Militaire in Paris, wo er im selben Jahr seine Ausbildung zum Artillerieoffizier begann.11

Der letzte Abschnitt seiner Ausbildung war, betreffend die Annehmlichkeiten, mit Abstand am komfortabelsten, denn diese Institution war die meistangesehene der königlichen Armee und wurde normalerweise ausschließlich von wichtigen

9 Willms. 2007, S.14. 10 Vgl.: Wencker-Wildberg Hg. 1930, S.32,35-36; Willms. 2007, S.13-14. 11 Vgl.: Manfred. 1981, S.20-21; Wencker-Wildberg Hg. 1930, S.37-41,43; Willms. 2007, S.14-17. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 7 Huber Sebastian

Adelssöhnen besucht. Dennoch knüpfte der Grad der Disziplin nahtlos an Brienne an. Die Gegenstände waren: Mathematik, Geographie, Geschichte, französische Grammatik, Festungsbau, Zeichnen, Fechten und Tanzen. Zudem wurde zweimal die Woche ein Gefechtsdienst abgehalten, welcher Schieß- und Geländeübungen beinhaltete. Mit großem Enthusiasmus studierte er Geschichte, insbesondere große Heerführer, wie Julius Caesar oder Alexander den Großen. Seine Stärken lagen in der Mathematik, den militärischen Taktiken und dem Fechten. Zeichnen, Tanzen und der Sprachunterricht lagen hingegen nicht in seinem Interessensbereich. Auch das Reiten soll ihm immer Probleme bereitet haben, obwohl Napoleon einen Großteil seiner Karriere im Sattel verbrachte. Er soll von Mitschülern sogar als „der beste Mathematiker in der ganzen Schule“12 bezeichnet worden sein. Nach nur einem Jahr graduierte er und trat seinen Militärdienst als 16-jähriger Unterleutnant im südfranzösischen Valere im Oktober 1785 an. Geprägt durch seine Heimat, durch seinen Vater und der Familie sowie durch seine militärische Ausbildung sollte eine unvergleichliche Karriere als Soldat und Machtmensch folgen.13

2.2 Napoleons Machtfaktoren, Strategien und Taktiken

Napoleons kometenhafter Aufstieg beruht größtenteils auf seiner Entschlossenheit, seiner Flexibilität, seinem militärischen Können und seiner mitreißenden Führungsqualität. Somit wird er nicht umsonst als einer der berühmtesten Feldherren der Geschichte bezeichnet. Seine Kriegskunst war geprägt von entschlossenem und raschem Vorgehen, um den Gegner schnellstmöglich und entscheidend zu schlagen. Der Vorteil bestand darin, dass man dadurch die Verluste auf beiden Seiten gering hielt. Dies ermöglichte ihm, von den noch unverbrauchten Ressourcen des Feindes zu profitieren, indem man diesen in ein Vasallenverhältnis zwang. Um die eigene militärische Stärke dauerhaft auf hohem Level halten zu können, bediente er sich mehrerer Instrumente, Mechanismen und Taktiken.14

12 Wencker-Wildberg Hg. 1930, S.56. 13 Vgl.: Lentz. 2005, S.14-15; Manfred. 1981, S.22-23; Wencker-Wildberg Hg. 1930, S.50-51,55-57; Schneid, Frederick. Napoleon's conquest of Europe: the War of the Third Coalition. Westport (u.a.) 2005, S.5-7; Willms. 2007, S.17-19. 14 Vgl.: Ellis, Geoffrey. The Napoleonic empire. Basingstoke (u.a.) 2003, S.75; Lefebvre Georges. Napoleon. (Hg. Schöttler Peter) Stuttgart 2003, S.201-203; Willms. 2007, S.70-71. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 8 Huber Sebastian

Um den großen Bedarf an Soldaten decken zu können, erweiterte Napoleon das Aushebungssystem für Rekruten. Die rechtliche Grundlage basierte auf dem Jourdan-Delbrel-Gesetz vom 5. September 1798, welches die Konskription eingeführt hatte. Napoleon schwächte es sogar nach seinen Vorstellungen ab, denn ihm war bewusst, dass ein Teil der Bevölkerung die Wirtschaft während den Kriegszeiten erhalten musste. Alle Franzosen zwischen 20 und 25 Jahren wurden für den Kriegsdienst herangezogen, jedoch erlaubte es viele Befreiungen, wie beispielsweise die Nichtheranziehung von verheirateten Männern, was den Prozentsatz der Eheschließungen in 1801 von 7,9% auf 12,9% im Jahr 1813 ansteigen ließ. Interessanterweise ging aber der Prozentsatz der Wehrdienstverweigerer von 13% im Jahr 1802 auf nur 1,6% um 1806 zurück, was auf Napoleons rigorose Verfolgungspolitik für Dienstverweigerer und Deserteure durch seine Militärpolizei zurückzuführen ist. Speziell im ländlichen Bereich ging diese besonders streng vor. Die gründliche Bürokratisierung durch standardisierte Prozesse im Aushebungsprozess während der Jahre zwischen 1804 und 1811 führten dazu, dass ein bemerkenswertes Wachstum der Armeegröße festgestellt werden kann. Der französische Kaiser verpflichtete auch die annektierten Gebiete zur Bereitstellung von Soldaten. Ab 1804 bestand die gesamte französische Streitmacht aus durchschnittlich 500.000 Soldaten. Dennoch war der Prozentsatz der kriegsdienstleistenden Personen, gemessen an der Bevölkerung des gesamten Kaiserreichs, relativ niedrig. Er betrug 5,77% für den Zeitraum zwischen 1800- 1814.15

Napoleon Bonaparte maß der Moral seiner Soldaten enorme Wichtigkeit zu. Deshalb reformierte er das Beförderungssystem und nutzte den Aspekt der Ehre für die Motivation seiner Truppen. Er verfügte nunmehr, dass nicht mehr einzig und allein die Abstammung eines Soldaten über dessen Aufstiegsmöglichkeit bestimmte, sondern nur sein Talent, seine Fertigkeiten, sein Mut und sein Einsatz. Durch ruhmvolle Taten konnte man schnell befördert werden oder Ehrungen erhalten. Besonders begehrt war die Aufnahme in die Kaiserliche Garde, eine

15 Vgl.: Blanton Harold, Schneid Frederick, Stoker Donald (Hgg). Conscription in the . A revolution in military affairs? London 2014, S.9-12; Bleyer Alexandra. Auf gegen Napoleon! Mythos Volkskriege. Darmstadt 2013, S.32; Broers, Michael. Napoleon's other war: bandits, rebels and their pursuers in the age of revolutions. Oxford 2010, S.85-87; Dufraisse, Roger. Napoleon: Revolutionär und Monarch. eine Biographie. München 1994, S.94-96; Lefebvre. 2003, S.188-190. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 9 Huber Sebastian

prestigeträchtige Elitetruppe, welche die letzte Reserve des Kaisers darstellte. Ein weiteres Instrument, um seine Kämpfer zu motivieren war die Einführung der Légion d’Honneur, der Ehrenlegion. Vergleichbar mit der amerikanischen Medal of Honor bezeugt deren Orden die Unterbeweisstellung größter Tapferkeit und wurde auch an einfachste Soldaten vergeben. Der direkte Kontakt zu seinen Truppen war ihm enorm wichtig. Durch mitreisende Reden an seine Soldaten vor Schlachten, durch kontrollierendes Durschreiten der Lager oder durch persönliche Interaktionen mit einzelnen Schützen vermittelte er ihnen Verbundenheit. Der Feldherr hielt, mit Hilfe seiner Eloquenz, die soldatischen Werte hoch und er fand stets die richtigen Worte. Aussagen wie: „…Always remember that I march accompanied by the god of war and the god of good fortune“16, entfachten Begeisterungsstürme in den Einheiten. Die Loyalität der Soldaten zu ihrem Kaiser war unübertroffen, denn sie konnten sich mit ihm identifizieren. Er war einer von ihnen. Im Vergleich dazu schien das zuvor herrschende Direktorium als abgehoben, dekadent, korrupt und ahnungslos in militärischen Belangen.17

Obwohl sich Napoleon seinen Soldaten sehr verbunden fühlte, zermürbte er sie und benutzte viele von ihnen als reines Kanonenfutter. Seine Stärke lag in der hohen Beweglichkeit und Schnelligkeit seiner Einheiten, was sich für jene in beinharten Gewaltmärschen niederschlug. So musste sein Heer oftmals über 100 Kilometer in nur zwei Tagen zurücklegen. Seine Taktik des offensiven Bewegungskrieges bescherte ihm zwar einerseits seine glanzvollen Siege, doch andererseits verheizte er die Kampfkraft seiner Soldaten. Das führte oft dazu, dass man sich nach 2 Jahren französischem Kriegsdienst am äußersten Rand seiner physischen und psychischen Leistungskraft befand. Bei der Bewaffnung vertraute er den alten, aus den 70er Jahre stammenden Technologien und beäugte jede technische Innovation mit Skepsis. Mit dem Anwachsen seiner Armeen hatte er mit einem immer größer werdenden Versorgungsproblem zu kämpfen, was an den meist schlechten Nachschubwegen und Nachschubmöglichkeiten lag. Es wurde nach dem neuartigen Prinzip gehandelt, dass „der Krieg vom Krieg leben muss“18, was die Soldaten dazu

16 Napoleon I., zit. nach Forrest Alan. The Military Culture of Napoleonic France. In: Napoleon and Europe. (Dwyer Phillip Hg.) Harlow 2001, S.48. 17 Vgl.: Best. 1998, S.112-113; Connelly Owen. The and Napoleonic Era. 3. Aufl. Harcourt 2000, S.80; Forrest. 2001, S.47-51; Lefebvre. 2003, S.192-193; Willms. 2007, S.72-73. 18 Lefebvre. 2003, S.198. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 10 Huber Sebastian

zwang, sich aus dem Operationsraum zu ernähren. Das verschaffte ihnen einen Zeitvorteil, da nicht auf Nachschub gewartet werden musste. Allerdings mussten in dem Operationsgebiet die benötigten Rohstoffe und Lebensmittel vorhanden sein, ansonsten ergaben sich Engpässe. Die schwerwiegenden Auswirkungen auf die ansässige Bevölkerung und die daraus entstehende Antipathie gegenüber der französischen Streitmacht erklären sich natürlich von selbst. Zudem spielte das Sanitätswesen nur eine Nebenrolle, da adäquate medizinische Behandlungen, genauso wie die vorausgesetzte Hygiene, nicht vorhanden waren. Napoleon führte auch keine Verbesserung im Lazarettwesen ein. Für ihn waren „Verwundete […] eine unvermeidliche, aber auch lästige Folge des Krieges“.19

Um, trotz dieser Negativaspekte, die Gunst der Bevölkerung und der Soldaten nicht zu verlieren, bediente sich Napoleon gesteuerter Propaganda, worin er sich als Genie erwies. Niederlagen wurden kurzerhand in Siege verwandelt, unbequeme Fakten oder verfehlte Entwicklungen wurden verschwiegen und die Feinde Frankreichs wurden stets als machtgierige Aggressoren dargestellt, welche Napoleon förmlich zwangen, sich ihnen in den Weg zu stellen, um die Freiheit des Vaterlandes gewährleisten zu können. Weiterhin wurden die Lager der Verwundeten immer dort platziert, wo kein Bürger sie zu Gesicht bekommen würde. Eigens für die Motivation und Manipulation seiner Kampftruppen ließ Napoleon die sogenannten Bulletins de la Grande Armée veröffentlichen, Armeezeitungen, worin die Heldentaten französischer Soldaten oder Verbände ausführlich beschrieben wurden. Sie waren ein Instrument zur psychologischen Kampfführung. Seine Gegner nutzten die Propaganda genauso für ihre Zwecke, insbesondere Großbritannien und die französische Emigrantenpresse. Aber auch nach Napoleons desaströsen Ägyptenfeldzug konnten sie die angestrebte „literarische[n] Vernichtung“20 Napoleons nicht erreichen.21

19 Willms. 2007, S.92; Vgl.: Best. 1998, S.114; Connelly. 2000, S.232-234; Dufraisse, 1994, S.97-98; Ellis, 2003, S.73-74; Lefebvre. 2003, S.197-200; Willms. 2007, S.74,76,89-93. 20 Holzhausen Paul. Bonaparte, Byron und die Briten. Ein Kulturbild aus der Zeit des ersten Napoleon. Frankfurt 1904, S.25. 21 Vgl.: Bleyer. 2013, S.14-16,32; Holzhausen. 1904, S.16-17,19,25-27; Mathews Joseph. Napoleon's Military Bulletins. In: The Journal of Modern History, Vol. 22, No. 2. Chicago 1950, S.137; Willms. 2007, S.91-93. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 11 Huber Sebastian

Der entscheidendste Faktor für Napoleons Erfolg war sein unvergleichbares taktisches Führungsverhalten, welches ihm erlaubte, aus vorab aussichtslos erscheinenden Ausgangslagen eindeutige Siege zu erringen. Dies konnte er aber nur mit einer Umgliederung seiner Truppen erreichen. Er fasste zwei bis vier Divisionen, bestehend aus den Waffengattungen Infanterie, Artillerie, Kavallerie und Pioniere, zu einem Armeekorps zusammen. Abhängig von der Zahl der Divisionen waren das zwischen 20.000 und 40.000 Soldaten. Dies ermöglichte es ihm, das komplette Operationsgebiet zu umfassen, aber auch, falls nötig, seine gesamte Stärke konzentriert auf ein bestimmtes Ziel zu werfen. Die größte Reichweite eines solchen Armeekorps konnte bis zu 200 Kilometer betragen. Ferner reorganisierte er den Generalstab und die Kommandogruppen, um die Befehls- und Meldungswege zu verkürzen, damit er seine direkten Befehle noch schneller an die einzelnen Truppenteile weiterleiten konnte. Dafür wurde ein großes Hauptquartier gebildet. Napoleon kombinierte die einzelnen Aktionen seiner Armeen in einer unverwechselbaren Manier und passte sich dabei immer den Umständen und Situationen entsprechend an. Erfolg oder Misserfolg hingen somit ausschließlich „von der Eile und Kühnheit der Entschlüsse Napoleons ab“22. Er handelte nach fünf strategischen Prinzipien. Erstens musste die Zielsetzung der Operation klar sein, damit man keine Kampfkraft unnötig für nebensächliche Dinge vergeudete. Zweitens sollte stets die feindliche Hauptarmee das vorrangige Ziel sein. Drittens sollte der Primärangriff entweder in die Flanke oder in den Rücken des Gegners geführt werden. Viertens muss die ungeschützteste Flanke des Feindes umbogen werden, um diesen von seinen Verbündeten und/oder seinen Nachschubwegen abzukappen. Fünftens muss der rückwertige französische Verbindungsweg immer aufrechterhalten werden. Napoleon hielt sich nicht immer starr an diese Prinzipien, sondern agierte auch hier situationselastisch.23

Napoleons Armee marschierte normalerweise in der Formation des bataillon carrée (siehe Abb. 1), bestehend aus vier Armeekorps. Diese übernahmen die Positionen der Vorhut, des linken und rechten Flügels, sowie der Nachhut. Durch eine Rochade konnten die Positionen getauscht werden, um kampfmüde Soldaten abzulösen und

22 Lefebvre. 2003, S.201. 23 Vgl.: Connelly. 2000, S.282-232; Dufraisse. 1998, S.98; Ellis. 2003, S.74-77; Lefebrve. 2003, S.200- 203, Willms. 2007, S.74-75,79-80. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 12 Huber Sebastian

frische Kräfte auf den Feind werfen zu können. Die zwei Flügel lagen zwei bis drei Tagesmärsche auseinander. Diese großräumige Aufstellung machte es dem Feind unmöglich, etwaige Intentionen Napoleons vorauszuahnen. Vor einem Angriff zog sich die Entfernung der Flügel auf circa 60 Kilometer zusammen, um die Möglichkeit zu haben, ein bestimmtes Ziel gesammelt angreifen zu können. Ein Angriff der Grande Armée erfolgte immer nach demselben Muster: Einkreisung, Durchbrechen der Front und Verfolgung fliehender Teile. Zu Napoleons beliebtesten Manövern zählte der Umfassungsangriff. Dabei wurde ein Frontalangriff vorgetäuscht, um die Aufmerksamkeit des Feindes zu erregen. Danach umging die Hauptarmee durch einen Eilmarsch die feindliche Streitkraft, um ihr in den Rücken zu fallen. So handelte der Kaiser in der Schlacht von Ulm, während der Austerlitz-Kampagne. Voraussetzung dafür ist die Nichtanwesenheit eines zweiten Feindes, welcher dann Napoleon wiederum in den Rücken fallen könnte. Ein weiteres von ihm favorisiertes Vorgehen ist das Manöver aus der zentralen Position. Dies kam zur Anwendung, wenn dem französischen Heer zwei Armeen gegenüberstanden. Da man in diesem Zeitpunkt meist in unterlegener Position war, musste man zusehen, dass man einen Teil der feindlichen Streitkräfte vom Rest isolierte und rasch vernichtete, damit ein konzentrierter Angriff auf die übrigen Teile gestartet werden konnte. Nichtsdestotrotz griff Napoleon auch mit Frontalangriffen an oder ordnete eine Doppelschlacht an, worin an zwei Fronten gleichzeitig gekämpft wurde. Letzteres Schema sollte Napoleon in der Dreikaiserschlacht von Austerlitz im Jahr 1805 einsetzen.24

Abb. 1: Bataillon carrée25

24 Vgl.: Dufraisse. 1998, S.99; Willms. 2007, S.79-86. 25 Quelle: Willms. 2007, S.81. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 13 Huber Sebastian

3 Vorgeschichte

3.1 Der Zweite Koalitionskrieg und seine Ausgangslage

Nachdem Napoleon ruhmreiche Siege in Italien eingefahren, den Frieden von Campio Formio geschlossen und somit den Sieg Frankreichs im Ersten Koalitionskrieg gesichert hatte, entschied er sich um 1798 für eine prestigebringende Expedition nach Ägypten. Allerdings sollte sich dieses Unternehmen in kurzer Zeit als totale Katastrophe entpuppen. Das heißtrockene Klima, Krankheiten, sowie die vernichtende Seeniederlage gegen England, unter Lord , bei Abukir brachten das französische Ägyptenheer in eine aussichtslose Lage. Denn für ein weiteres Vorgehen zu Land war man zu erschöpft, und der Rückweg über das Mittelmeer konnte nur durch eine Kapitulation angetreten werden, da er von Großbritannien überwacht wurde. Napoleon wollte diese Schmach keinesfalls auf sich nehmen, da dadurch sein politischer und militärischer Einfluss höchstwahrscheinlich verschwunden wäre. Seine Ambitionen alleiniger Herrscher Frankreichs zu werden, wären demnach auch vergebens gewesen.26

Es trat jedoch ein für Napoleon glücklicher Umstand ein. Während seiner Abwesenheit bildete sich auf dem europäischen Kontinent bereits die Zweite Koalition, bestehend aus Russland, Österreich und England. Das Osmanische Reich war ein zusätzlicher Verbündeter der Alliierten, da sie sich schon im Krieg gegen Frankreich befand. Der Grund dafür lag im expansionistischen Vorgehen Frankreichs in Süditalien und in der Absicht des Direktoriums, weitere französische Tochterrepubliken zu schaffen. Zudem war die Eroberung der geostrategisch wichtigen Insel Malta durch Napoleon um 1798 von zentraler Bedeutung, was besonders Zar Paul I. verärgerte, da dieser sich als Maltas Schutzherr verstand. Russische Truppen durchquerten Österreich, um nach Oberitalien zu gelangen und das Direktorium erklärte daraufhin der Koalition am 12. März 1799 den Krieg.27

Spätestens im August erfuhr Napoleon, dass die französischen Armeen an allen Fronten geschlagen wurden und ihn ereilte der Befehl des Direktoriums, sich sofort

26 Vgl.: Bleyer. 2013, S.12; Lefebvre. 2003, S.31; 27 Vgl.: Frehland-Wildeboer, Katja. Treue Freunde?: das Bündnis in Europa 1714 – 1914. München 2010, S.169-171; Lentz. 2005, S.31. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 14 Huber Sebastian

mit seiner Ägyptenarmee auf die Rückreise in das Heimatland zu begeben, da dieses in äußerster Gefahr schwebte. Aufgrund bereits erwähnter Sachverhalte war es ihm nicht möglich, diesen Befehl auszuführen. Zur besseren Erklärung dieses Befehls muss gesagt werden, dass Napoleon in seinen ganzen Korrespondenzen mit dem Direktorium während des Ägyptenfeldzuges jenem schlichtweg viele negative Entwicklungen vorenthalten hatte. Es war äußerst schlecht über die missliche Lage informiert gewesen. Als nun Napoleon den Hafen von Alexandria am 23. August verließ, war er nur begleitet von einigen Forschern und Künstlern, die er auf die Reise mitgenommen hatte, um auf deren propagandistische Wirkung vertrauen zu können. Einen Tag zuvor hatte er die wichtigsten Befehle an seine verbleibenden, kommandierenden Offiziere erteilt. Er ließ seine Armee in aussichtsloser Lage in Ägypten zurück. Damit beging er „Verrat an jener Armee, die sein Ehrgeiz in die Falle geführt hatte“28 und es bestätigt zugleich seinen opportunistischen Charakterzug.29

Als Napoleon Bonaparte im Oktober Frankreich erreichte, ließ er sich als Retter der Nation feiern, welcher als einziger noch in der Lage wäre, den Untergang des Landes zu verhindern. Diese Einsicht im Volk zu verbreiten war die Grundlage für sein Putschvorhaben, welches seine beiden Brüder, Joseph und Lucien während der vergangenen zwei Jahre im Verborgenen, vorbereitet hatten. Sofort nach seiner Ankunft in Paris begann Napoleon damit, entscheidende Vorkehrungen zu treffen und Geheimgespräche zu führen, um den Erfolg der Verschwörung zu gewährleisten. Am 18. und 19. Brumaire, das waren der 9. und 10. November 1799, kam es schließlich zum Putsch gegen das Direktorium. Mit Hilfe seiner ihm treu ergebenen Soldaten und Luciens Rhetorikkünsten gelang es dem Korsen sich durchzusetzen. Das Direktorium wurde abgesetzt und an seine Stelle traten drei Konsuln: Bonaparte, Sieyès und Ducos. Letzterer war ein Gefolgsmann Napoleons und handelte stets in dessen Sinne. Sieyès war vormals, neben den Monarchisten und den Jakobinern, ein Vertreter der dritten Strömung mit der Vorstellung eines verfassungsgestützten, revolutionären Frankreichs. Napoleon überzeugte ihn, seinen Putsch zu unterstützen und stellte ihm dafür die Aufgabe, eine neue Verfassung nach eigenen Vorstellungen schreiben zu dürfen, in Aussicht. Diese durfte er dann auch verfassen, doch Napoleon änderte sie ganz nach seinen persönlichen

28 Willms. 2007, S.184. 29 Vgl.: Lentz. 2005, S.30; Willms. 2007, S.182-184. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 15 Huber Sebastian

Vorstellungen ab und übte in weiterer Folge massiv Druck auf Sieyès aus, damit diesem nur noch die Möglichkeit blieb, zurückzutreten. Roger Ducos trat später auch zurück und Cambacérès und Lebrun übernahmen deren Positionen. Als Erster Konsul hatte Napoleon, praktisch gesehen, volle Handlungsmacht. Zudem unterstand ihm die französische Streitmacht. Bevor die Öffentlichkeit das Vorgehen Napoleons bewerten wollte, war man bereit abzuwarten, ob sich die neue Regierung bewähren konnte, denn die Zweite Koalition bedrohte noch immer das Schicksal Frankreichs.30

Kurz bevor Bonaparte an die Macht kam, verbesserte sich die Ausgangslage Frankreichs ein wenig, denn Russland, unter Zar Paul I., gab am 22. Oktober 1799 seinen Kriegsrückzug bekannt. Man gab den Österreichern nicht nur die Schuld für die Niederlage in der Schweiz gegen französische Truppen im September, sondern man fühlte sich von Österreich zusätzlich gedemütigt und ausgenutzt. Die russischen Siege gegen Frankreich in Italien hätten zu wenig Anerkennung gefunden und Österreich hätte Russland allein als Mittel zum Zweck für die Wiedererlangung der Herrschaft in Italien benützt. Die erste außenpolitische Maßnahme Napoleons war ein gut getarntes Schauspiel. Er unterbreitete England und Österreich Friedensverhandlungen, die aufgrund der guten Erfolgsaussichten der Koalition schlagartig zurückgewiesen wurden. Folglich konnte sich Napoleon als Staatsmann präsentieren, der gewillt war, den lang herbeigesehnten Frieden zu schließen, doch durch kriegstreibende Feinde daran gehindert wurde. Nun hatte er die breite Unterstützung der Bevölkerung für den weiterzuführenden Krieg.31

Napoleon plante einen Krieg mit zwei möglichen Hauptschauplätzen. Die Rheinarmee (150.000) unter Moreau sollte in Süddeutschland der österreichischen Armee in den Rücken fallen und sie von ihren Versorgungsposten bei Stockach und Biberach abschneiden. Die Ligurienarmee (40.000), unter Masséna, sollte in Oberitalien Genua halten und österreichische Kräfte binden. Napoleon könnte sich

30 Vgl.: Brandt Peter, Kirsch Martin, Schlegelmilch Arthur (Hgg.). Handbuch der europäischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert. Institutionen und Rechtspraxis im gesellschaftlichen Wandel. Band 1: um 1800. Bonn 2006, S.241-244; Lefebvre. 2003, S.67-72; Lentz. 2005, S.33-36; Willms. 2007, S.186-189,194,203,206,226,231. 31 Vgl.: Krüger-Löwenstein Uta. Russland, Frankreich und das Reich: 1801 – 1803. Zur Vorgeschichte der 3. Koalition. Stuttgart 1972, S.6-7; Tulard Jean. Geschichte Frankreichs. Band 4: Frankreich im Zeitalter der Revolutionen 1789-1851. (Favier Jean Hg.) Stuttgart 1989, S. 198; Willms. 2007, S.265. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 16 Huber Sebastian

dann entscheiden, bei welchem Konflikt er mit der in Dijon zusammengezogenen Reservearmee auftauchen würde, um der österreichischen Armee den entscheidenden Todesstoß versetzen zu können. Dieser Plan scheiterte, denn Moreau widersetzte sich Napoleons Befehlen, wollte die österreichischen Reserven vernichten und attackierte Mainz, Kehl, Briesach und Schaffhausen. Zeitgleich griff in Italien Österreich Massénas Armee an und zwang den Ersten Konsul somit, mit seiner Reservearmee die Alpen zu überqueren, um einen Umfassungsangriff durchzuführen. Am 2. Juni 1800 erreichte Napoleon Mailand, doch Genua war bereits verloren. Es musste unbedingt verhindert werden, dass der Feind sich dort festsetzte und eine Seeverbindungslinie mit den Engländern errichten konnte. Schnelles Handeln war gefragt und es kam am 14. Juni zur Schlacht von Marengo. Um drei Uhr nachmittags war diese eigentlich schon für die Franzosen verloren, doch General Desaix erschien mit seinen Truppen im letzten Moment und attackierte die Österreicher von der Flanke. Daraufhin befahl Napoleon einen Gegenstoß, was zur österreichischen Niederlage führte. Desaix verlor bei seinem beherzten Eingriff das Leben. Die Schlacht war entschieden, am nächsten Tag wurde ein Waffenstillstand geschlossen und Piemont, wie auch die Lombardei, fielen wieder an Frankreich.32

Dennoch war Österreich nicht entscheidend geschlagen und zögerte die Friedensverhandlungen hinaus, in der Erwartung, den Krieg mit versprochenen Hilfsgeldern aus England weiterführen zu können. Die Entscheidung fiel dann aber am 3. Dezember 1800, als General Moreau die Truppen des Kaisers bei der Schlacht von Hohenlinden besiegte. Nun war man den Franzosen ausgeliefert und Napoleon diktierte Österreich den Frieden von Lunéville am 9. Februar 1801. Darin wurden die Bestimmungen von Campio Formio bestätigt, womit die italienischen, belgischen und linksrheinischen Gebiete an Frankreich abgetreten wurden. „Wien erkannte die Batavische, die Helvetische und die Cisalpinische Republik an“33. Zudem ordnete der Vertrag eine Entschädigung für die Verluste der Stände und Grafen der linksrheinischen Gebiete an, was 1803 im Reichsdeputationshauptschluss durchgeführt wurde. Großherzog Ferdinand III.

32 Vgl.: Demel Walter, Puschner Uwe (Hgg). Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Band 6: Von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongress 1789-1815. Stuttgart 2003, S.40-41; Lefebvre. 2003, S.83-86; Lentz. 2005, S.338-39; Tulard. 1989, S.199-200; Willms. 2007, S.265- 269,275,277-280. 33 Tulard. 1989, S.201. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 17 Huber Sebastian

wurde aus der Toskana vertrieben, welche von Frankreich besetzt wurde, und musste sich mit Salzburg als Entschädigung begnügen. „Lunéville war eine Demütigung“34 aus österreichischer Sicht.35

England geriet immer weiter in politische Isolation, weil nach dem Wegfall Österreichs, sich Russland sogar gegen das englische Empire stellte. Zar Paul I., welcher große Sympathie für den Ersten Konsul Frankreichs empfand, missfiel „Londons Vorherrschaft zu See“36. Speziell die englische Besetzung Maltas war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Russland brach die diplomatischen Beziehungen zu Großbritannien ab, beschlagnahmte dessen in russischen Hafen liegende Schiffe und forcierte den Zusammenschluss zu einer „Bewaffneten Neutralität“37 mit Schweden Dänemark und Preußen. Jedoch machte sich Paul mit dieser Politik mächtige Feinde aus dem russischen Adel, welche auf die russisch- englischen Beziehungen angewiesen waren. Das führte dazu, dass Paul I. von Verschwörern, unterstützt von England, am 22. März 1801 ermordet wurde. Wenige Tage später folgte der militärische Präventivschlag der britischen Seeflotte gegen Dänemark. Bei Kopenhagen, am 2. April, gelang es Lord Nelson, den dänischen Kronprinzen zur Kapitulation zu bewegen. Damit war die bewaffnete Neutralität gebrochen und Zar Alexander I., der Sohn und Nachfolger Pauls, war gezwungen das englisch-russische Bündnis zu erneuern. Napoleon, welcher zu dieser Zeit mit einer russisch-französischen Koalition liebäugelte, fand dazu klare Worte:38

„Europa sah mit Erstaunen den schimpflichen Vertrag, den Rußland unterzeichnete […]. Er war so gut wie eine Erklärung, daß die Meere unter britischem Sklavenjoch wären und daß das englische Parlament unumschränkt die Welt beherrschte.“39

Kriegsmüde unterschrieb Russland im Herbst 1801 einen Friedensvertrag mit Frankreich. Auch Alexander I. war, wie sein Vater, vom Wesen und Auftreten Napoleons nicht uneingenommen geblieben. Die englische Öffentlichkeit war genauso am europäischen Frieden interessiert. Die Ablöse von William Pitt durch den gemäßigteren Henry Addington ermöglichte diesen Wunsch. Am 27. März 1802

34 Beller Steven. Geschichte Österreichs. Köln (u.a.) 2006, S.100. 35 Vgl.: Beller. 2006, S.100; Demel, Puschner. 2003, S.40-43; Lefebvre. 2003, S.91-94; Schneid. 2005, S.3; Tulard. 1989, S.200-201. 36 Krüger-Löwenstein. 1972, S.16. 37 Krüger-Löwenstein. 1972, S.16. 38 Vgl.: Connelly. 2000, S.205; Frehland-Wildeboer. 2010, S.171-174; Krüger-Löwenstein. 1972, S.16- 17; Lefebvre. 2003, S.95-97. 39 Napoleon I., zit. nach Frehland-Wildeboer. 2010, S.174. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 18 Huber Sebastian

wurde der Friedensvertrag von Amiens zwischen England und Frankreich beschlossen. Das Empire verpflichtete sich dazu, alle Eroberungen bis auf Ceylon und Trinidad zurückzuerstatten. Außerdem sollten Malta und Elba evakuiert werden. Im Austausch versprach Napoleon, keine Truppenteile in Neapel zu stationieren, von weiterer Kolonialpolitik Abstand zu nehmen und die Integrität Portugals und Hollands zu respektieren. Damit herrschte erstmals seit Frühling 1792 Friede auf dem Kontinent, obwohl die Gewitterwolken eines zukünftigen Krieges bereits am Heranziehen waren.40

3.2 Eine kurze, aber ereignisreiche Zwischenkriegszeit

Der beschlossene Frieden stand auf wackeliger Basis, denn die Mächte England und Frankreich verfolgten Ziele, die, auf längere Zeit betrachtet, sich als inkompatibel herausstellen sollten. Großbritannien hatte die Absicht, einen fortwährenden Frieden innerhalb Europas zu etablieren. Napoleon hingegen war darauf fixiert, trotz der großzügigen britischen Zugeständnisse die Hegemonialstellung Frankreichs aufrechtzuerhalten und diese gegebenenfalls sogar auszubauen. Johannes Willms schreibt dazu treffend, dass für ihn „Frieden stets die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln“41 darstellte. Zu diesem Zeitpunkt offenbarten sich erstmals die Unfähigkeit, aber auch der Unwille des Ersten Konsuls, ein langfristiges, stabiles, außenpolitisches Konzept zu etablieren, welches eine andauernde Friedensphase garantieren könne. Sein politisches Überleben hing schlichtweg von seinen militärischen Erfolgen ab. Falls diese Erfolge nun ausblieben, verschwand auch seine Legitimation als Führer der Nation. Er war schon damals ein Getriebener seines eigenen Ehrgeizes, seines Stolzes und seines Hungers nach Macht. Wenn das Ziel Macht war, war sein Hilfsmittel dazu der Krieg.42

Um weitere erfolgreiche Feldzüge durchführen zu können, musste er zunächst seine Herrschaft innenpolitisch konsolidieren. Um nicht die Unterstützung der Bevölkerung zu verlieren proklamierte er mehrmals öffentlich, dass er seine Anstrengungen den Frieden zu sichern vervielfachen werde. Seinen Charakter betrachtend, kann gesagt

40 Vgl.: Demel, Puschner. 2003, S.40-43; Krüger-Löwenstein. 1972, S.45-47; Lefebvre. 2003, S.98- 103; Tulard. 1989, S.201-202. 41 Willms. 2007, S.262. 42 Vgl.: Esdaile, Charles. The wars of Napoleon. London (u.a.) 1995, S.9-10; Vgl.: Willms. 2007, S.262,314. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 19 Huber Sebastian

werden, dass diese Behauptung, speziell nach seiner vielversprechenden Ausgangslage, nur Täuschung war. In 1801 und 1802 wurden zahlreiche Maßnahmen gesetzt. Napoleon stiftete die Ehrenlegion, organisierte das Schulwesen, angepasst an seine Zukunftspläne, neu und schloss ein Konkordat mit der Römischen Kirche ab. Mit der Kirche stand man aufgrund der Revolution und deren religionsfeindlicher Idee auf Kriegsfuß, doch ein Großteil der französischen Bevölkerung, speziell am Land, behielt ihren religiösen Glauben. Um sich deren Wohlwollen zu sichern, bemühte sich Napoleon um die Kirche. Der Gedanke an eine zukünftige Kaiserkrönung durch den Papst dürfte ihn zusätzlich gereizt haben. In den letzten Jahren war mit seiner Macht, auch seine Opposition gewachsen, was mehrmals sein Leben bedrohen sollte. Darauf reagierte er rigoros mit Polizei- und Militäreinsätzen gegen Aufständische. Um seine Machtbefugnisse noch zu erweitern, ließ er sich am 3. August 1802, per fragwürdigem Volksentscheid, zum Konsul auf Lebenszeit ausrufen. Die anderen Mächte nahmen diese Entwicklung mit Misstrauen und Skepsis auf. Ferner begann er während der Konsulzeit die Erarbeitung des Code Civil, einer Gesetzesordnung, die Einzug in alle annektierten Gebiete Frankreichs haben wird.43

Der Konsul auf Lebenszeit war nun gezwungen, Geld zu beschaffen, wenn er seine Kriegsabsichten in die Tat umsetzen wollte. Dazu erhielt er seine Okkupation Hollands aufrecht und bedrängte es zur Beibehaltung seiner Verpflichtungen mit Frankreich. Neapel und der Kirchenstaat wurden geräumt, doch Napoleon annektierte Piemont im September 1802. Die Cisalpinische Republik war schon im Februar 1802 in die Italienische Republik umbenannt worden, wobei Napoleon das Präsidentenamt übernommen hatte. Überdies wurde die Ligurische Republik in eine Militärdiktatur umgewandelt. Der mit der Toskana beschenkte Herzog von Parma erhob diese zum Königreich Etrurien, dafür überließ er Frankreich die Insel Elba. Nach seinem Tod wurde die Toskana, im Oktober 1802, kurzerhand besetzt und einem französischen Kommissar unterstellt. Die in der Schweiz herrschenden Bürgerkriegszustände und die Hilfslosigkeit der Schweizer Regierung machte sich Napoleon zunutze und marschierte dort Anfang 1803 ein. Im September verpflichtete er den Staat zu einem 50 Jahre währenden Defensivbündnis. Speziell die deutschen

43 Vgl.: Connelly. 2000, S.206-207; Esdaile. 1995, S.11-12; Lentz. 2005, S.42; Manfred. 1981, S.354- 356,382; Tulard. 1989, S.202-205; Willms. 2007, S.318, 323,325,328,336-337. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 20 Huber Sebastian

Gebiete waren für Napoleon von enormer Wichtigkeit, da er die Chance erkannte, den dort herrschenden Einfluss des Hauses Habsburg zu zerschlagen. Dafür entwickelte er mit Hilfe Russlands einen Beschluss betreffend der Entschädigung für den Verlust linksrheinischer Gebiete, der dem Reichstag vorgelegt wurde. Als Reichsdeputationshauptschluss wurde dieser Ende Februar 1803 ratifiziert und bescherte den „französisch“ gesinnten Staaten Preußen, Bayern, Württemberg und Baden einen deutlichen Macht- und Gebietsgewinn auf Kosten der freien Reichsstädte und der geistlichen Fürstentümer. Das führte dazu, dass Österreich einen Großteil seiner Bedeutung im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation einbüßte. All diese Satelliten- und Pufferstaaten hatten Tributzahlungen an Frankreich zu leisten sowie Napoleon eine bestimmte Anzahl an kampfbereiten Truppen zur Verfügung zu stellen.44

Napoleons aggressive Expansionspolitik dieser Jahre beunruhigte die anderen Großmächte zutiefst, speziell England, denn der Erste Konsul betrieb gegenüber dem Inselstaat eine unerbittliche Provokationspolitik, die mit Amiens begann. Schon bei den Friedensverhandlungen stellte sich Napoleon gegen einen Handelspakt mit der Seemacht, denn dieser war für seinen Kriegsplan hinderlich. Außerdem duldete sein Ego keine andere Herrschaft auf Augenhöhe. Großbritannien war angewiesen auf seine Absatzmärkte zur See, worüber Napoleon sich im Klaren war. Deshalb befehligte er allen französischen Häfen und jenen seiner Satellitenstaaten, dass der Handel mit englischen Waren blockiert werden musste. Für das britische Empire war das eine erhebliche Ernüchterung, rechnete man doch mit der in Amiens versprochenen Unantastbarkeit der Integrität von Drittstaaten. Verhandlungstechnisch war der Friedensvertrag ein napoleonischer Geniestreich, denn Napoleon verstieß mit seinen Aktionen nicht gegen die darin enthaltenen Bestimmungen. England erkannte den Versuch Bonapartes, sich der Seevorherrschaft bemächtigen zu wollen, was durch ein verstärktes Schiffsbauprogramm und die Rekrutierung von Schiffen Verbündeter immer evidenter wurde. Die französische Ägyptenexpedition von Colonel Horace Sebastiani zur Jahreswende goss weiteres Öl ins Feuer. Die Briten vermuteten einen

44Vgl.: Beller. 2006, S.100; Dufraisse. 1994, S.85-86; Esdaile. 1995, S. 13-14; Etienne François. Das napoleonische Hegemonialsystem auf dem Kontinent. In: Das Jahr 1806 im europäischen Kontext. Balance, Hegemonie und politische Kulturen. (Hgg. Hahn Hans Werner, Klinger Andreas, Schmidt Georg) Köln 2007, S.74; Frehland-Wildeboer. 2010, S.175. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 21 Huber Sebastian

wiederholten französischen Angriff auf Ägypten mit der daraus resultierenden Gefährdung ihrer Kolonialbesitzungen in Indien. Das englische Empire konterte mit einer Verschiebung des Abzuges von Malta und Ägypten, was Napoleon die Gelegenheit dazu gab, es international als Brecher des Friedensvertrages darzustellen. Der englische Botschafter wurde zu Napoleon zitiert und musste sich von ihm streng zurechtweisen lassen. Inhalte der Standpauke waren persönliche Attacken gegen Napoleon in englischen Zeitungen, die Beherbergung von emigrierten, regimefeindlichen Franzosen durch England und die nicht durchgeführten Evakuierungen. Die Regierung Großbritanniens war der Meinung, dass dieses Verhalten Frankreichs nicht tolerierbar wäre. Man zog den Botschafter aus Paris ab, begann seine Flottenkontingente zu verstärken und erklärte Frankreich am 18. Mai 1803, nach nur einem Friedensjahr, den Krieg. Manfred umschreibt diesen Konflikt wie folgt:

„Der Krieg zwischen Frankreich und England ähnelte dem Zweikampf eines Löwen mit einem Wal. Frankreich besaß keine Flotte, um England zur See zu schlagen, die Briten aber keine Armee, um Frankreich auf dem Festland zu bezwingen.“45 Napoleon hatte dennoch erreicht was er wollte, denn die Briten ließen sich zu einem Zeitpunkt auf einen Krieg ein, wo sie noch keinerlei Verbündete besaßen.46

3.3 Die Bildung der Dritten Koalition gegen Napoleon

Direkt nach der Kriegserklärung fand sich Großbritannien in einer kritischen Situation wieder. Die ehemals alliierten Mächte waren an erneuten Kampfhandlungen überhaupt nicht interessiert und waren überzeugt, mit dem napoleonischen Frankreich koexistieren zu können. International wurde England die Rolle des Aggressors zugeschoben, da London die diplomatischen Beziehungen abbrach und Krieg erklärte. Die anhaltende englische Besetzung Maltas hatte den faden Beigeschmack, schier aus Gründen britischer Machterhaltung getätigt worden zu sein. Neben den fehlenden Verbündeten mangelte es Großbritannien zusätzlich an militärischer Schlagkraft. Die war zwar noch immer aufgrund ihres fortgeschrittenen Kampfverhaltens, ihrer Seefahrtskunst und ihrer Moral

45 Manfred. 1981, S.384. 46 Vgl.: Dufraisse. 1994, S.84,86-88; Esdaile. 1995, S.14-15; Frehland-Wildeboer. 2010, S.175-176; Fremont-Barnes Gregory. Austerlitz 1805. Story. Stroud 2013, S.21,23,25-27, 29-30; Lefebvre. 2005, S.149,154-157; Manfred. 1981, S.383-384; Tulard. 1989, S.209-210. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 22 Huber Sebastian

unübertroffen zu Wasser, doch hatte sie, seit 1801, einen beachtlichen Teil ihrer einstigen Größe einbüßen müssen. Zu Kriegsantritt waren es nur 34 Kampfschiffe, die ihren Dienst verrichteten, siebenundsiebzig lagen hingegen in Reserve. Die circa 130.000 Soldaten der britischen Landarmee wirkten, im Vergleich zu den britischen Seeleuten, wie ein Haufen undisziplinierter Kinder. Sie waren überlastest, überfordert mit ihren Aufgaben, unterbesetzt, uneffektiv und von ihren Offizieren schlecht geführt, so das harte Urteil Charles Esdailes. Man war für einen Landkampf überhaupt nicht gerüstet, da man nun auch auf die Unterstützung der deutschen Staaten nicht mehr zählen konnte. Die einzige Chance den Krieg zu überstehen lag darin, die Heimatgewässer vehement zu verteidigen und die französischen Häfen zu blockieren damit feindliche Schiffe nicht auslaufen und sich formieren konnten. Nichtsdestotrotz war es unumgänglich, Alliierte auf dem Kontinent zu gewinnen.47

Währenddessen scharte Napoleon seine Gefolgschaft um sich. Frankreich allein konnte eine Streitkraft von bis zu 300.000 Mann aufstellen, was auf die Populationsgröße, mit ungefähr 29 Millionen Einwohnern, und das fortgeschrittene Kriegswesen zurückzuführen ist. Das Schiffsbauprogramm sollte die magere Anzahl von 23 französischen Kampfschiffen beträchtlich erhöhen. Die Batavische, die Italienische und Ligurische Republik wurden gezwungen sofort in den Krieg miteinzusteigen und ihre Streitkräfte Napoleon zur Verfügung zu stellen sowie Zahlungen abzuliefern. Besonders willkommen waren die 15 holländischen Kampfschiffe. Portugal musste seine Häfen gegenüber britischen Schiffen verschließen und monatlich eine Summe von 16 Millionen francs zahlen. Spanien wurde zur Zahlung von 6 Millionen francs bestimmt und bei einem etwaigen Kriegseintritt konnte es 130.000 Soldaten und 32 Linienschiffe aufbieten. In weiterer Folge wurde die Schweiz um 1804 dazu verpflichtet, 16.000 Soldaten zu stellen. Trotz all dieser Zahlungen benötigte der Konsul weitere Einnahmen, denn die Weigerung, mit England Handel zu betreiben, und der Wegfall der Kolonie Santo Domingo schlugen große Löcher in die Staatskasse. Napoleon war deshalb schon im Jänner 1803 dazu gezwungen gewesen, an die USA, für die lächerliche Summe von 80 Millionen francs, zu verkaufen. Darüber hinaus okkupierte er Hannover im Juli 1803 und anschließend das hanseatische Gebiet Cuxhaven sowie

47 Vgl.: Esdaile. 1995, S.15-18; Fremont-Barnes. 2013, S.31-32. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 23 Huber Sebastian

die neapolitanischen Häfen Taranto, Otranto und Brindisi. Zuvor, am 14. Juni 1803, hatte Bonaparte schon den Befehl an seine Grande Armée gegeben, sich nach Boulogne zu begeben, um für die geplante Invasion der Mutterinsel des britischen Empires bereit zu sein. Somit bewahrheitete sich die schlimmste Befürchtung Englands, dass die Möglichkeit im Raume stand, erstmals seit 1066 durch eine ausländische Macht erobert zu werden.48

Napoleon sollte sein expansionistisches Spiel jedoch zu weit treiben. Die Ernennung des französischen Generals zum Konsul auf Lebenszeit sowie die Okkupation der, für Österreich und Russland wichtigen Handelszonen Neapels und den hanseatischen Gebieten ließen die beiden Mächte zunehmend erzürnen. Das war aber noch lange nicht der Höhepunkt napoleonischer Provokation. Im August 1803 planten französische Generäle in Zusammenarbeit mit den Briten einen Anschlag auf das Leben des Ersten Konsuls, welches aber verhindert werden konnte. Es musste ein Exempel statuiert werden. Zugleich wollte man die noch herrschenden royalistischen Unruhen beseitigen. Deshalb entführte man den Herzog von Enghien, ein emigrierter Bourbone, aus dem neutralen Kurfürstentum Baden. Die Begründung dafür waren angebliche Verbindungen zu diesem Attentatsversuch. Er wurde hingerichtet und Napoleon äußerte sich darüber wie folgt:

„Das sind Beweise, die man nicht widerlegen kann. Diese Leute49 wollten Frankreich in Unruhe stürzen und in mir die Revolution ermorden, die ich verteidigen und rächen musste. Der Herzog von Enghien war ein Verschwörer wie jeder andere – er mußte also auch wie ein solcher behandelt und abgeurteilt werden.“50 Nach dem französischen Recht waren das Urteil und die Hinrichtung legitim, denn der Beschuldigte unterstützte französische Kriegsgegner und fachte den Bürgerkrieg innerhalb Frankreichs weiter an. Mit diesem Prozess konnte Napoleon einerseits die Royalisten einschüchtern und andererseits den Republikanern beweisen, dass er immer noch die anti-royalen Werte der Revolution vertrat. So konnte er den Unruhen im eigenen Land Herr werden. Auf internationaler Ebene hingegen, war die Empörung gigantisch. Die anderen Königshäuser bewerteten die Hinrichtung als

48 Vgl.: Dufraisse. S.86-89; Esdaile. 1995, S.16-18,22; Lefebvre. 2005, S.157-158; Schneid. 2005, S.11-13,77-78. 49 Dabei bezog er sich auf die Bourbonen. 50 Napoléon, I., Frankreich, Kaiser. Napoleon: die Memoiren seines Lebens. 7/8. Innere und äussere Politik des Konsulats, Kampf um die Freiheit der Meere und das Seekriegsrecht, zit. nach Wencker- Wildberg, Friedrich (Hg.) Wien (u.a.) 1931, S.209. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 24 Huber Sebastian

zweiten Königsmord Frankreichs nach 1793. Gustav IV. von Schweden, welcher für ein Bündnis mit Napoleon bereit gewesen wäre, machte eine Kehrtwende. Alexander I. brach auch die Beziehungen zum Konsul ab. 51

Nichtsdestotrotz ging Bonaparte noch ein paar Schritte weiter und bekundete Interesse an Griechenland und den Ionischen Inseln, welche unter russischem Protektorat standen. Das veranlasste Russland dazu, Truppen nach Griechenland zu schicken und an England zu signalisieren, für ein Defensivbündnis gegen Frankreich bereit zu sein. Die Krönung Napoleons zum Kaiser der Franzosen am 18. Mai 1804 wurde als weiterer Affront aufgefasst. Der alteingesessene Adel in Europa fragte sich, wie es sich ein korsischer Emporkömmling aus einfachen Verhältnissen erlauben könne, sich selbst zum Kaiser zu erheben und damit faktisch gleichgestellt mit den anderen kaiserlichen Familien zu sein, deren Stammbaum Jahrhunderte zurückreichte. Franz II. reagierte darauf, indem er sich zum Kaiser von Österreich ernennen ließ. Er war nun Franz II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation und Franz I., Kaiser von Österreich. An Napoleon wurde ein Ultimatum gestellt, Neapel und Hannover schnellstmöglich zu räumen. Der frisch gekrönte Kaiser dachte nicht im Entferntesten an die Ausführung dieser Aufforderung. England ergriff unterdessen die Initiative und kaperte, zum Entsetzen Russlands, die Schatzflotte Spaniens. Das führte dazu, dass Spanien an Frankreichs Seite in den Krieg eintrat und dieses mit einer Flotte von knapp 30 Linienschiffen verstärkte. Anfang 1805 war die Bildung einer Dritten Koalition noch immer keine beschlossene Tatsache. Der seit Mai 1804 erneut herrschende Premierminister William Pitt bemühte sich stark darum, was England positive Resultate bescheren sollte. Russland und Großbritannien unterzeichneten am 11. April 1805 einen Allianzvertrag, worin das Zarenreich sich dazu verpflichtete in den Krieg gegen Frankreich einzusteigen, falls dieses nicht zu den Bedingungen von Lunéville und Amiens zurückkehrte. Doch die Krönung Napoleons zum König von Italien am 26. Mai und die darauffolgende Annexion Genuas im Juni waren die Tropfen, die das Fass zum Überlaufen brachten. Nun sah sich auch Österreich gezwungen, am 9. August in die Koalition einzusteigen, falls es noch irgendwelche Ansprüche auf Italien gültig machen wollte. Preußen verblieb in neutraler Position, da man sich durch diese

51 Vgl.: Amelunxen. 1995, S.90-92; Vgl.: Dufraisse. 1994, S.89-90; Vgl.: Esdaile. 1995, S.21-22; Vgl.: Wencker-Wildberg Hg. (7/8) 1931, S.158-159,177-181,209. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 25 Huber Sebastian

Haltung Vorteile versprach. Napoleon hatte sich in kürzester Zeit die europäischen Mächte erneut zum Feind gemacht, nur bedingt durch die Sorge um sein eigenes Prestige. Sein Ego machte es ihm unmöglich, die richtigen Schritte zu setzen, um eine militärische Auseinandersetzung zu vermeiden. Die Bildung der Dritten Koalition war Mitte 1805 abgeschlossen, doch bestand sie nur bis Ende des Jahres. In diesem halben Jahr ereigneten sich zwei bedeutsame Schlachten, die die Verhältnisse in Europa stark verändern und klar definieren sollten.52

4 Die Entscheidung zur See

4.1 Napoleons Invasionsidee

Die Idee um eine Invasion der britischen Heimatinsel war keineswegs ein kurzgefasster Schnellentschluss Napoleon Bonapartes, sondern eine langverfolgte Zielvorstellung. Das Grundkonzept hinter diesem „Kriegszug, den Napoleon am längsten und intensivsten vorbereitete“53 war bereits um 1798 greifbar. Im April dieses Jahres schrieb er nieder, dass er voller Hoffnung sei, nach der erfolgreichen Expedition nach Ägypten und Indien, im Oktober oder November eine Flotte von 50 Linienschiffen bei Brest zusammenziehen zu können. Die Expedition sollte den Gegner zwingen, einen Teil seiner Flotte nach Indien schicken zu müssen. Die 50 Kampfschiffe sollten anschließend 400 französischen Kanonenbooten Schutzgeleit über den Ärmelkanal verschaffen, um 40.000 Soldaten, mitsamt Artillerie, auf die Insel befördern zu können. Zusätzlich sollte ein niederländisches Heer von 10.000 Mann, transportiert in 400 Fischerbooten aus der Boulogne, unterstützend in Schottland einfallen. Zwischenzeitlich sollte Frankreich ständig die Herrschaft über den Mittelmeerraum aufrechterhalten können. Um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen inspizierte er sogleich seine Seestreitkräfte der nördlichen Häfen und kam enttäuscht zu dem Schluss: „To effect an invasion on England without having mastery at is the boldest and most difficult operation which has been undertaken.“54 Schließlich wurde dieser ungemein optimistische Plan Napoleons

52 Vgl.: Beller. 2006, S.101; Bleyer. 2013, S.16-18; Dufraisse. 1994, S.92-94; Esdaile. 1995, S.22-25; Fremont-Barnes. 2013, S.35-37; Krüger-Löwenstein. 1972, S.122-126; Wencker-Wildberg Hg. (7/8) 1931, S.468-469; Schneid. 205, S.79-80. 53 Willms. 2007, S.402. 54 Napoleon I., zit. nach Holland Rose John. Napoleon and Sea Power. In: The Cambridge Historical Journal, Vol. 1, No. 2; Cambridge 1924, S. 141. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 26 Huber Sebastian

Anfang August 1798 zerschmettert, als Horatio Nelson die französische Landungsflotte der Ägyptenexpedition bei Abukir eindeutig besiegte. Somit war auch die Herrschaft über das Mittelmeer an die Engländer verlorengegangen. Was aber bei diesem ersten Plan schon erkennbar ist, ist die darin implizierte Überzeugung Napoleons, dass eine Landung auf englischem Boden möglich sei, wenn genug britische Seestreitkräfte des Kanals und dessen Umgebung weggelockt werden können. Dann könnten französische Kriegsschiffe solange die Kontrolle über den Kanal halten, damit die Landungsschiffe die Überfahrt unbeschadet überstehen würden. Das sollte seinen Leitgedanken für die Invasionsversuche darstellen, dessen Etappen, Details und Zeitvorgaben, zwischen 1803 und 1805, insgesamt achtmal, durch Napoleon selbst, abgeändert werden sollten.55

4.2 Entwicklungen, Technik, Bewaffnung und Ausbildungsstand der damaligen Seefahrt

Die Schifffahrt hat sich im 18. Jahrhundert, speziell in den letzten Jahrzehnten vor Trafalgar, bedeutend gewandelt. Neuerungen und Verbesserungen wurden eingeführt, was sich auf den Kampf zu Wasser revolutionär auswirkte. Man wollte in der Lage sein, schnellstmöglich zu segeln, die bestmöglichsten Verbindungslinien zu schaffen und den Feind größtmöglichen Schaden zuzufügen. Dieses Streben katapultierte den Seekrieg auf ein nie dagewesenes Level der Zerstörungskraft, welches sich bei Trafalgar offenbarte. Um diesen Konflikt in seiner Größe und seinem Ausmaß verstehen zu können, ist es notwendig, die Grundkenntnisse und den Technikstand der damaligen Seefahrt kurz zu umschreiben.

Die Basis aller Operationen zu See bildet das Wissen um den genauen eigenen Standpunkt und um die entsprechenden Entfernungen zur Landmasse, insbesondere zu Häfen, kurzum die Navigation. James Cook legte den Grundstein mit seinen Entdeckungsreisen und den daraus resultierenden kartographischen Errungenschaften. Zudem hatte er großen Anteil an der Lösung für das Problem der Bestimmung der Längengrade, was für Gesamteuropa bis in die 1770er ein Problem darstellte. Ohne diese Lösung wäre es fast unmöglich gewesen, die genaue Position eines Schiffes auf Hoher See bestimmen zu können. Nicht nur die Navigation

55 Vgl.: Bennett Geoffrey. The . Barnsley 2004, S.80-81; Holland. 1924, S.141; Willms. 2007, S.402. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 27 Huber Sebastian

entwickelte sich im 18. Jahrhundert weiter, sondern auch die Schiffsbauweise. Die Kastellbauweise, wobei sich auf dem Bug, Heck oder eine hölzerne Befestigung befand, wurde abgeschafft. Somit lagen die Schiffe stabiler im Wasser, was einem erlaubte, mehr Segel setzen zu können, ohne Gefahr zu laufen zu kentern. „Neue dreieckige Stagsegel zwischen den Masten, verbesserte Klüver und eine optimierte Trimm“56 ermöglichten zusätzlich bessere Manövrierfähigkeit und mehr Schnelligkeit. Kupferbeschläge erhöhten die Langlebigkeit der Schiffe, da sie vor Algenbewuchs und Holzbohrwürmern schützten. Die Fertigung der Schiffe bekam immer mehr industriellen und serienproduktionsmäßigen Charakter. Ein anderer bedeutsamer Fortschritt war die verbesserte Verbindungstechnik innerhalb und zwischen Flotten. Die bereits im späten 17. Jahrhundert entstandene Verbindung durch gehisste Signalflaggen wurde zwar beibehalten, aber das System war Anfang 1800 so ausgereift, speziell bei den Briten, dass so ziemlich jeder Befehl gegeben werden konnte. Für oft gebrauchte Wörter oder Phrasen gab es spezielle Flaggen, ansonsten konnte das Wort buchstabiert werden.57

Die Unterscheidung von Linienschiffen oder Kampfschiffen und Kreuzern oder Fregatten ist althergebracht und bestimmt wurde sie durch die Anzahl der sich am Schiff befindenden Geschützen, also den Kanonen. Letztere durften nur bis zu 50 davon besitzen, alles darüber hinaus galt als Linienschiff. Eine wichtige Neueinteilung stammt aus den 1750er Jahren und wurde bis zum Ende der Segelschifffahrt beibehalten. Der Grund dafür lag darin, dass durch die alte Gliederung einer Flotte von Linienschiffen, ein unvorteilhaftes Verhältnis zwischen schnelleren, kleinen Schiffen und langsameren, großen Schiffen bestand. Erstere waren sehr oft nicht in der Lage, die Linie halten zu können. Somit wurde die Grenze zum Linienschiff auf mindestens 64 Kanonen erhöht. Bei den Schiffstypen unterscheidet man anhand von sechs Kategorien. Schiffe erster Klasse führten 100 und mehr Kanonen mit sich, waren knapp 57 Meter lang und 16 Meter breit. Die Besatzung zählte 900 Mann, ihr Tiefgang betrug sechseinhalb Meter und ihre Baukosten beliefen sich auf ungefähr 67.600 Pfund.58 Als visuelles Beispiel dient

56 Karsten Arne, Rader Olaf. Große Seeschlachten. Wendepunkte der Weltgeschichte von Salamis bis Skagarrak. München 2013, S.239. 57 Vgl.: Bennett. 2004, S.44-47; Karsten, Rader. 2013, S.238-239 58 Die Kostenangaben stammen aus 1789. Umgerechnet auf die Zeit von 1800 wären das circa 1.352.000 francs. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 28 Huber Sebastian

Abbildung 2. Schiffe zweiter Klasse führten 98-90 Kanonen mit sich und Schiffe dritter Klasse 84-64. Die Nicht-Linienschiffe waren eingeteilt in Schiffe vierter Klasse, mit 60-50 Kanonen, fünfter Klasse, mit 44-32 Kanonen, und sechster Klasse, mit 28- 20 Kanonen. Letztere zwei Klassen wurden auch als Fregatten bezeichnet und dazu eingesetzt, um Nachrichten zu überbringen, Aufklärungsaufgaben durchzuführen oder die Flotte mit Proviant, Personal und Munition zu versorgen. Weiters wurden die Kanonen ab einer Anzahl von 44, auf zwei Decks und ab 90, auf drei Decks verteilt. Linienschiffe konnten eine Höchstgeschwindigkeit von sieben Knoten (circa 13 km/h) und Fregatten eine von neun Knoten (circa 17 km/h) erreichen.59

Abb. 2: Details eines Linienschiffes des 18. Jahrhunderts60

Diese Einteilung würde von allen Seemächten übernommen, aber trotzdem gab es Unterschiede in der Konstruktion und dem Bau-Design. Oft wird behauptet, dass die

59 Vgl.: Bennett. 2004, S.17-20,22,52; Karsten, Rader. 2013, S.239-240; Nimitz, Chester; Potter, Elmar. Seemacht: eine Seekriegsgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart. Herrsching 1982, S.44-45. 60 Quelle: Bennett. 2004, S.24-25. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 29 Huber Sebastian

damaligen französischen und spanischen Schiffe besser konstruiert gewesen sein sollen, als die britischen, wogegen Geoffrey Bennet sich wehrt und schreibt:

„The French and Spanish ones were not, as is sometimes stated, better built; on the contrary, […] They were, however, of better design.”61 Damit meint er, dass die handwerkliche Konstruktion und die verwendeten Materialien und Rohstoffe der französischen und spanischen Schiffe von minderer Qualität waren. Nichtsdestotrotz war die Konstruktionsweise durchdachter, da ihre Schiffe größer waren, einen breiteren Deckbalken besaßen und mehr Tiefgang hatten. Somit stellten sie eine stabilere Plattform dar was sich positiv auf den Feuerkampf auswirkte.62

Die Bewaffnung auf den Schiffen konnte von großer Relevanz für den Schlachterfolg sein. Die Kanonen, sie bestanden aus Gusseisen oder Bronze, waren benannt durch das Gewicht ihrer Geschosse, wonach es 6-, 8-, 9-, 12-, 18-, 24-, 32- und 36-Pfünder gab. Sie waren alle Vorderlader, da das bereits bekannte Prinzip des Hinterladers noch praktische Anwendungsprobleme vorwies. Um einen 32-Pfünder zu bedienen waren 15 Seeleute von Nöten. Die schwersten Kanonen mussten im untersten Deck platziert werden, damit man den optimalen Schwerpunkt erreichen konnte. Die gebräuchlichste Munitionsart war die einfache, runde Vollkugel, die auf weitere Distanz verwendet wurde, da sie die besten Flugeigenschaften besaß. Die Maximalschussweite betrug ungefähr 2,3 Kilometer, aber geradlinige Treffer ohne Winkelberechnung konnten erst ab circa 360 Meter erzielt werden. Eine andere Munitionsart waren zwei Halbkugel, die durch eine Kette verbunden waren. Dieser Kettenschuss wurde verwendet, um die Takelage eines feindlichen Schiffes zu zerstören und dieses somit manövrierunfähig zu machen. Die dritte Munitionsart war die Kartätsche, eine Schrotladung, welche bevorzugt für menschliche Ziele verwendet wurde. Ein 3-Decker war durchschnittlich mit 120 Tonnen Munition und 35 Tonnen Schießpulver beladen. Letzteres wurde in Magazinen unter dem Wasserspiegel gelagert, um die Explosionsgefahr zu vermeiden. Mit gewöhnlichen Vollkugeln war es beinahe unmöglich ein anderes Linienschiff versenken zu können, deshalb zielte man auf die Takelage oder das feindliche Schiff wurde von den

61 Bennett. 2004, S.26. 62 Vgl.: Bennett. 2004, S.26. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 30 Huber Sebastian

eigenen Seeleuten geentert, was in erster Linie von den Briten betrieben wurde. Die französischen und spanischen Seeleute bevorzugten den langen offenen Kampf, bis eines der kämpfenden Schiffe die weiße Fahne hisste und kapitulierte. Es gab auch Spezialwaffen der einzelnen Nationen. Die Royal Navy verwendete beispielsweise sogenannte , das waren leichte, kurzläufige und großkalibrige Geschütze, die nur halb so lang und halb so schwer wie durchschnittliche Schiffskanonen waren. Auf kurze Entfernung wirkten sie jedoch verheerend, da ihre großen 68-Pfund- Kugeln, aufgrund der langsamen Geschoßgeschwindigkeit, bedingt durch wenig Treibpulver und dem immensen Geschoßgewicht, das Schiffsgerüst förmlich zerschmetterten, anstatt es lediglich zu durchschießen. Ein britisches Linienschiff hatte normalerweise, ab 1800, zwei bis vier dieser Höllenmaschinen am Vorderdeck installiert. Napoleon hingegen trieb die Entwicklung eines Torpedos, zwei fünfeinhalb Meter lange Zylinder gefüllt mit Schießpulver, voran. Diese wurden von schnellrudernden Schiffen mitgezogen und auf feindliche Schiffe zugesteuert. Gezündet wurden sie durch ein Detonationsuhrwerk. Für die Bekämpfung von Landbefestigungen montierten die Franzosen auch Mörser und Haubitzen auf Bombardierschiffe. Diese beiden Waffengattungen fanden bei Trafalgar jedoch keine Verwendung. Napoleon verließ sich aber im Seekrieg zusätzlich auf Scharfschützen, welche auf der Takelage seiner Schiffe postiert waren und vornehmlich die Aufgabe hatten, feindliche Offiziere zu eliminieren.63

Es sollte sich herausstellen, dass ein anderer Aspekt viel entscheidender für den Erfolg eines Seegefechts war, als Bewaffnung, Konstruktion oder Design. Der ausschlaggebende Faktor war die Moral, der Ausbildungsstand, Einsatz- und Kampfbereitschaft der Schiffscrew, sowie die Führungsqualitäten, die Flexibilität und die Risikobereitschaft ihrer Kommandeure. In dieser Hinsicht war die britische Royal Navy all ihren Widersachern zur See, einen Riesenschritt voraus. Durch die Härte der Ausbildung britischer Seeleute und die abverlangte Disziplin war in der Royal Navy keineswegs Platz für Amateure. Mittelmäßige Bezahlung, durchgehendes Dienstversehen über Monate hinweg fernab der Heimat und gnadenlose Drills formten den Charakter, waren aber genauso ausschlaggebend für Meutereien und

63 Vgl.: Bennett. 2004, S.28-33; Karsten, Rader. 2013, S.240-242; Nimitz, Potter. 1982, S.46; . Seekrieg gegen Napoleon: Waffen. 2010. Url.: http://www.line-of-battle.de/index.php/waffen besucht am 18.04.2016. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 31 Huber Sebastian

Desertationen. Trotzdem waren ihre Moral und ihr Können unerreicht. So war es britischen Seeleuten beispielsweise möglich, im Schnitt dreimal so schnell ihre Kanonen zu laden und abzufeuern, verglichen zu französischen Seeleuten. Bei günstigen Verhältnissen konnte eine gute britische Crew drei Salven innerhalb von zwei Minuten abfeuern. Normalerweise dauerte ein Ladevorgang sechs bis neun Minuten. Die Ladegeschwindigkeit hängt natürlicherweise auch von den Gefechtsumständen und dem Kaliber der Kanonen ab, so konnte das Laden eines 32-Pfünders bis zu 15 Minuten dauern. Napoleon stand sich allerdings nicht nur einem zu Wasser extrem gut ausgebildeten Feind gegenüber, sondern hatte zusätzlich mit marineinternen Problemen zu kämpfen. Während der Französischen Revolution wurde ein Großteil der Marine Offiziere ermordet oder war zur Emigration gezwungen. Neben der Knappheit an fähigen Kommandeuren, fehlte es auch an allen Ecken und Enden an kompetenten Seeleuten. Man musste sogar so weit gehen, dass Artilleristen der Landarmee auf den Schiffen Dienst zu versehen hatten. Weiters waren die französischen Flotten nicht in der Lage, adäquate Ausbildungen und Drills durchzuführen, da ihre Schiffe in den von England blockierten Häfen festsaßen. Noch schlechter stand es um die Kompetenz, Erfahrung und Fertigkeit der spanischen Seestreitmacht, die die Personalprobleme der Franzosen teilte. Lord Horatio Nelson bezeichnete diese um 1795 schon als „ill-manned and worse officered“64. Trotz genannter Nachteile der vereinigten französisch-spanischen Flotten, stellten sie, aufgrund ihrer Größe, ihrer fortgeschrittenen Schiffen und den Regeln der unberechenbaren See, eine ernstzunehmende Bedrohung für das Empire dar.65

4.3 Die Hauptakteure um Trafalgar

4.3.1 Die französischen Befehlshaber

An erster Stelle um die Wirkung bei Trafalgar ist selbstredend Napoleon I. Kaiser der Franzosen zu nennen. Trotz bereits erfolgter Ausführungen seines Charakters und seiner Strategien bleibt sein Verhältnis zum Seekampf ein eigenes Kapitel. Er war nicht nur Oberbefehlshaber aller Landoperationen, sondern auch der

64 Horatio Nelson 1795. Zitat aus Bennett. 2004, S.40. 65 Vgl.: Bennett. 2004, S.30,38,40-42; Gates, David. The 1803-1815. London (u.a.) 2003, S.40,42-44; Karsten, Rader. 2013, S.241; Nimitz, Potter. 1982, S.90. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 32 Huber Sebastian

Entscheidungsträger betreffend den Seekrieg. Sein Stolz ließ es nicht zu, die Planung militärischer Aktionen anderen zu überlassen, was fatale Folgen haben sollte, denn so brillant seine Taktik und Kampfführung auf dem Kontinent gewesen sein mag, so unzureichend waren sie auf Hoher See. Er hatte alles über die Geschichte der Seekriegsführung studiert, maß ihr anfangs aber keinen großen Stellenwert bei. Zudem litt er noch an Seekrankheit. Man konnte ihm eine regelrechte Abscheu vor dem Meer nachsagen, was durch die Aufzeichnungen seines Onkels Michele Durazzo über Napoleons Kindheit, bestätigt werden kann: „Das Meer haßte er; er witterte in ihm einen Feind.“66 Als junger Offizier galt sein Interesse vielmehr politischen Umbrüchen als der See, so schrieb er 1789 noch in korsischer Befangenheit folgende Worte:

„The sea, which for all the other peoples was the first source of riches and power – the sea which raised Tyre, Carthage, Athens, which still upholds England, Holland, France, etc., in the height of splendor and power - was the source of the misfortunes and misery of my Fatherland.”67 Er war überzeugt gewesen, dass Seeherrschaft nur die Reichen und Großen auf Kosten der Kleinen bevorzugte. Nach der Revolution änderte sich jedenfalls seine Denkweise und er erkannte die Wichtigkeit und die strategischen Vorteile maritimer Stützpunkte, wie beispielsweise Malta. In weiterer Folge plante er die Seekriegsführung immer konkreter in seine politischen Pläne ein, wodurch die optimistischen Ideen der Erschaffung eines französischen Weltkolonialreiches oder der Invasion Englands entstanden. Um diese Bestrebungen verwirklichen zu können, mangelte es ihm indessen an praktischer Erfahrung in der Seefahrt. Napoleon setzte seine Flotten mit seinen Armeen gleich. Er erwartete von ihnen, ihren Marschbefehl gemäß der vorgegebenen Marschroute genau einzuhalten und dies in der vorgegebenen Zeit durchzuführen. Das Faktum, dass in der Ära der Segelschifffahrt, die Gezeiten, der Wind und das Wetter bestimmenden Einfluss auf den Erfolg einer Operation hatten und deshalb unbedingt berücksichtigt werden mussten, schien er nie ganz erfasst zu haben. Diesen Umstand bezeugt ein Zwischenfall bei Boulogne um 1804, als Napoleon einem kleineren Flottenverband befahl, trotz eines

66 Michelle Durazzo, zit. nach Wencker-Wildberg Hg. 1930, S.32. 67 Napoleon I., zit. nach Holland Rose. 1924, S.138. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 33 Huber Sebastian

bevorstehenden Sturmes, zu einer Aufklärungsfahrt aufzubrechen. Die Folge war, dass einige Fregatten kenterten und mehrere hundert Seeleute ertranken.68

Die zweite zentrale Figur der Franzosen war Pierre Charles Jean Baptiste Silvestre de Villeneuve, um 1763 adeliger Abstammung geboren und 15 Jahre später in den Dienst getreten. 1796 nach nur dreijähriger Befehlsherrschaft eines Linienschiffes wurde ihm bereits die Admiralitätswürde verliehen, was auf den umgreifenden Personalmangel von Flottenoffizieren nach der Revolution zurückzuführen ist. Diese überstand er nur, da er sich schon früh den revolutionären Ideen verschrieb und seinen Adelstitel ablegte. Nach der Schlacht bei Abukir 1798 war er großer Kritik ausgesetzt, denn anstatt Vizeadmiral Brueys gegen Nelsons Angriff zu unterstützen, floh er ohne in das Geschehen einzugreifen nach Malta. Dort war er zwei Jahre später gezwungen zu kapitulieren. Nach einem Gefangenenaustausch kehrte er nach Frankreich zurück und wurde von Napoleon gelobt, dass er einen Teil Brueys Flotte retten konnte. 1804 wurde er Vizeadmiral und der Erste Konsul übergab ihm, nach dem Tod des Vizeadmirals Latouche-Tréville, den Befehl über die Flotte. Diese wurde ein Jahr später, dann natürlich verstärkt, als Landungsflotte für die Invasion auserwählt, was aber in der Schlacht von Trafalgar endete. Es gibt Spekulationen, dass Napoleon 1804 nicht mehr wirklich an eine erfolgreiche Invasion glaubte. Das veranlasste auch Willms zur Frage: „Hat Napoleon diesen Mann zum Oberbefehlshaber gemacht, weil auf dessen Versagen Verlass war?“69 Dieser Umstand kann wissenschaftlich nicht belegt werden, aber nach dem Trafalgar Desaster galt „Villeneuve mit Abstand als der größte Versager in der Geschichte der französischen Marine“70.Ihn sollte auch ein unrühmliches Schicksal ereilen.71

Drei weitere wichtige Kommandeure der Trafalgar Kampagne waren Vizeadmiral Frederico Carlos Gravina, Kommandant der spanischen Schiffe bei Trafalgar, Vizeadmiral Joseph Antoine Ganteaume, der Befehlshaber der Brest Flotte, und Vizeadmiral Denis Decrès, der französische Marineminister. Ersterer war einer der

68 Vgl.: Gates. 2003,S.45; Holland Rose. 1924, S.138-141; Willms. 2007,S.403-404. 69 Willms. 2007, S.412. 70 Willms. 2007, S.412. 71 Vgl.: Bennett. 2004, S.100-101; Emsley Clive. The Longman Companion to Napoleonic Europe. London, New York 1993, S.226; Willms. 2007, S.412; Line of Battle. Seekrieg gegen Napoleon: Biografien Frankreich. 2013. Url.: http://www.line-of-battle.de/index.php/lexikon/51-frankreich?start=10 besucht am 19.04.2016. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 34 Huber Sebastian

wenigen fähigen spanischen Offiziere und er besaß den Respekt seiner Seeleute. Der an ihm geübte Tadel nach Trafalgar ist seiner Unterordnung zu Villeneuve verschuldet. Ganteaume und Decrès waren nicht direkt an der Schlacht beteiligt, spielten aber in der Vorbereitung der Invasion eine wichtige Rolle. Doch sie beide hatten die sich ständig wechselnden und unglücklichen Befehle Napoleons zu befolgen, was ihnen ihr Handwerk sehr erschwerte. Alle drei waren definitiv die beste Besetzung für ihre jeweilige Position, was dennoch nicht für eine erfolgreiche Invasion reichen sollte.72

4.3.2 Die britischen Befehlshaber

Den Mittelpunkt Londons ziert die Statue eines Mannes, Lord Horatio Nelson, welcher auch bei Kap Trafalgar im Mittelpunkt stand. Mit zwölf Jahren verschlug es ihn, gefördert durch seinen berühmten Onkel Captain Maurice Suckling, auf die hohe See. Paradoxerweise litt der berühmteste englische Seeheld aller Zeiten, genauso wie der berühmteste französische Kriegsheld, an Seekrankheit. Sein erstes nennenswertes Auftreten hatte Nelson 1793, als er die Truppen Paolis unterstützt hatte, um Korsika von den Franzosen zu befreien. Dies stellte gleichzeitig einen Schnittpunkt zwischen seinem und Napoleons Lebensweg dar. Sein Charakter war geprägt durch die Liebe zu seinem Vaterland, wofür er jederzeit sein Leben gegeben hätte. Zudem war er kein Kommandant der sich an starr vorgeschriebenen Kampftaktiken orientierte, sondern intuitiv, risikobereit und vor allem rasch handelte. Er war für sein eigenmächtiges Verhalten in Kampfsituationen bekannt, weshalb er auch sehr oft die Befehle seiner Vorgesetzten missachtete. So geschehen 1797 bei Kap Saint Vincent, als er gegen den Befehl des Flottenkommandanten direkt das feindliche Flaggschiff ansteuerte. Durch dieses Manöver gelang den 15 britischen Schiffen ein phänomenaler Sieg gegen eine 27 Schiffe umfassende spanische Flotte. Dieses unerschrockene Kampfverhalten brachte zwar glorreiche Siege, war aber wiederum verbunden mit hohen physischen Kosten. 1794 verlor er ein Auge und drei Jahre später kostete ihm ein Musketen-Schuss in den Ellbogen seinen gesamten rechten Arm und beinahe sein Leben. Diese Verluste grämten ihn nicht was durch seine Worte kurz nach der Schussverletzung verdeutlicht wird: „Tell the surgeon to

72 Vgl.: Bennett. 2004, S.98-102; Guimerá Agustín 2005. Gravina and the naval leadership of his day. In: Journal for Maritime Research, S.46,49. 2005. Url.: http://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.1080/21533369.2005.9668344 besucht am 19.04.2016. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 35 Huber Sebastian

make haste, and get his instruments. I know I must lose my right arm; so the sooner it is off the better.”73 Nach längerer Genesungspause traf er 1798 bei Abukir auf seinen späteren Gegenspieler bei Trafalgar, Jean Baptiste Villeneuve, welcher ihn in unschöner Erinnerung behalten sollte. 1801 besiegte er die Dänen vor Kopenhagen und zerschmetterte so die Liga der bewaffneten Neutralität. Als der Krieg gegen Frankreich 1803 erneut aufflammte wurde er wieder rekrutiert und kam diesem Befehl ohne Zögern nach.74

Neben Nelson gab es den 79-jährigen Lord Barham. Er war um 1805 das Oberhaupt der englischen Navy und hatte die Aufgabe der administrativen Organisation aller Seeoperationen inne. Nelsons Stellvertreter in der Trafalgarschlacht war Vizeadmiral Cuthbert Collingwood. Er führte die zweite Linie von Schiffen in den Kampf. Bei Kap Saint Vincent war er der Erste, der Nelson ohne Nachzudenken in den Angriff folgte. Seit 1780 verband ihn eine enge Freundschaft mit Nelson, dessen Oberbefehl der Flotte auf ihn überging nachdem der Lord seiner Verletzung erlag. Ganteaumes Gegenspieler war , welcher mit der Flotte des Heimatkanals stets eine französische Landung verhindern konnte und den Hafen Brest blockierte. Schließlich ist noch Vizeadmiral zu nennen, welcher, genau wie Cornwallis, nicht bei Trafalgar mitkämpfte. Trotzdem legte er aber den Grundstein für diese Schlacht, indem er im Sommer 1805 Villeneuves Flotte bei Kap Finisterre besiegte und diese so zum Rückzug nach Cádiz zwang. Zum jetzigen Zeitpunkt kann gesagt werden, dass die englischen Befehlshaber den französischen und spanischen in vielerlei Hinsicht überlegen waren, was in der fast zwei Jahre dauernden Trafalgar Kampagne öfters bewiesen werden konnte.75

4.4 „Katz und Maus“ Spiel auf Hoher See

Der bedeutenden Schlacht bei Kap Trafalgar gingen traktierende Versuche der französischen Flotten voraus aus den blockierten Häfen auszubrechen. Diese

73 Horatio Nelson 1797. Southey Robert. Southey on Nelson. The Life of Nelson by Robert Southey. (First published 1813, edited with an Introduction by Richard Holmes) London 2004, S.106. 74 Vgl.: Lambert Andrew. 'THE GLORY OF ENGLAND': Nelson, Trafalgar and the Meaning of Victory. In: The Great Circle, Vol. 28, No. 1; 2006 S.4; Southey. 1813 (2004), S.3-4,60-61,105-106,113; Warner Oliver. Lord Nelson. Stuttgart 1965, S.6-7,9. 75 Vgl.: Bennett. 2004, S.92-97; Line of Battle. Seekrieg gegen Napoleon: Biografien England. 2013. Url.: http://www.line-of-battle.de/index.php/lexikon/50-england/80-collingwood-cuthbert besucht am 19.04.2016. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 36 Huber Sebastian

Verfahrensweise nahm ihren Anfang mit der englischen Kriegserklärung und wurde für beide Seiten zum nervenaufreibenden Spiel. Für Napoleon, weil er zum einen in akutem Geldmangel steckte und die Invasionsvorbereitungen kostspielig waren. Zum anderen da Frankreich etwaige Angriffe aus dem Osten durch Österreich und Russland fürchten musste. Für Großbritannien war es nachteilig, da die englischen Seemänner und Schiffe durch das ständige Bewachen ausgezerrt und abgenutzt wurden. Falls es den Franzosen nun gelänge der erschöpften Royal Navy kurz zu entkommen und eine erfolgreiche Landung durchzuführen, würde das britische Empire zusammenbrechen. Englands Landarmee hätte der extrem gut ausgebildeten Grande Armée, damals noch Armée d’Angleterre genannt, nichts entgegenzusetzen. Im Wesentlichen trug also Frankreich die Rolle des Angreifers, der seine Flotten in den Häfen in Stand hielt und vergrößerte, aber auf den richtigen Moment wartete, um zuschlagen zu können. England machte sich für den ersten französischen Schritt bereit, um eine ihrer Flotten stellen und entscheidend vernichten zu können.76

4.4.1 Fruchtlose französische Versuche der Jahre 1803 und 1804

Der Vizeadmiral Latouche-Tréville unternahm ab der Kriegserklärung bis zum Ende des Jahres 1803 immer wieder kurze Versuche den Hafen von Toulon zu verlassen. Doch jedes Mal erschien Nelsons Blockadeflotte am Horizont und der französische Admiral war gezwungen zurück zu segeln. Die genauen Absichten Latouche- Trévilles waren den Briten und ihren Verbündeten zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht klar und die Vermutungen über die angestrebten Destinationen reichten von Ägypten, Griechenland, Sizilien und Sardinien bis zur englischen Südküste und Irland. Im Jänner 1804 gab Napoleon konkrete Befehle an Latouche-Tréville, wonach dieser am 11. Jänner Toulon verlassen, in das östliche Mittelmeer segeln und damit Nelson weglocken sollte. Zeitgleich sollte eine Schwadron Rochefort in Richtung Irland verlassen, um Cornwallis aus dem Kanal zu ziehen. Dann sollte der Weg frei sein für Vizeadmiral Truguet bei Brest, der mit einer auf 17 Linienschiffen verstärkten Flotte die Invasion durchführen sollte, welche für den 20. Februar geplant wäre. Eine offene Seekonfrontation mit den Briten sollte dabei tunlichst vermieden werden. Das unkontrollierbare Wetter, die meisterhaft verrichteten englischen Blockaden und der Attentatsversuch auf Napoleon setzten diesem Vorhaben schnell ein Ende. Napoleon

76 Vgl.: Gates. 2003, S.42; Lambert. 2006, S.5-6. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 37 Huber Sebastian

war gezwungen es zu verschieben. Nach seiner Kaiserkrönung im Mai entwarf er einen neuen Plan, der eine Invasion im September vorsah. Dafür ersetzte er Truguet, welcher ihm zu inaktiv war, mit Vizeadmiral Ganteaume. Latouche-Tréville hatte Order im Juli auszulaufen, Nelson mitzuziehen, nach Rochefort zu segeln, um sich zu verstärken. Dann könnte er mit 16 Linienschiffen entweder durch den Ärmelkanal oder um Irland herum nach Boulogne segeln. Währenddessen hatten Ganteaumes 23 Schiffe die Aufgabe in Brest zu verbleiben, um Cornwallis Aufmerksamkeit zu binden. Die Verfahrensweise des ständigen Auslaufens und Einlaufens setzte Latouche-Tréville fort, bis sie ihm am 13. Juni 1804 die Chance ermöglicht hätte, mit seiner diesmal gesamt-ausgelaufenen Flotte von acht Linienschiffen, Nelsons kleinere Schwadron von fünf anzugreifen. Er entschied sich dagegen, wobei er nur Napoleons Vorgaben befolgte, was ihm den höchsten Rang der Ehrenlegion einbrachte.77

Bevor Latouche-Tréville im Juli die Vorgaben Napoleons durchführen konnte, verschob der Kaiser die Mission erneut, da Bruixs Landungsflotte noch nicht bereit war. Schon wieder wurde der Plan umgeworfen, bestand nun aus mehreren Etappen und sah im September wie folgt aus: Zuallererst mussten drei Expeditionen gestartet werden. Eine musste von Rochefort aus, Martinique und Guadeloupe sichern und Dominica sowie Santa Lucia erobern. Die zweite sollte von Toulon aus, Surinam und die anderen holländischen Besitzungen konfiszieren. Die letzte sollte von Brest kommend, Sankt Helena besetzen. In weiterer Folge musste Ganteaumes Flotte, beladen mit 18.000 Soldaten und 500 Pferden aus Brest ausbrechen und diese Armee raschestens in Irland landen. Dann hatte er zwei Optionen. Priorität hatte die Weiterfahrt Richtung Boulogne, um die Grande Armée überzusetzen. Falls der Wind dies verhindern sollte, musste er nach Texel in Nordholland segeln, wo er sieben holländische Schiffe, bestückt mit 25.000 Soldaten, nach Irland zu eskortieren hatte. Kurz zuvor war Latouche-Tréville unerwartet verstorben und der neueingesetzte Kommandant der Toulon Flotte, Vizeadmiral Villeneuve, bekam die Anweisungen betreffend den afrikanisch-karibischen Expeditionen. Zudem sollte er sich mit Missiessys Flotte vereinigen, nach Erfüllung der Mission mit der nun 15 Schiffe

77 Vgl.: Bennett. 2004, S.83-85; Nimitz, Potter. 1982, S.126-129; Williams Hamilton. Britain’s Naval Power. A Short History of the Growth of the British Navy, From the Earliest Times to Trafalgar. London 2015, S.225-227. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 38 Huber Sebastian

fassenden Flotte nach Ferrol bei Spanien segeln. Dort würde er die englische aufheben, die fünf ankernden Schiffe eingliedern und mit diesen 20 Linienschiffen Ganteaumes Flotte von 30 verstärken. Der Beginn war mit Ende Oktober und Anfang November festgesetzt. Nichts von all dem sollte in diesem Jahr realisiert werden können, denn weder Villeneuve in Toulon, noch Missiessy in Rochefort, noch Ganteaume in Brest konnten die englischen Blockaden durchbrechen. Nichtsdestoweniger gab es für Napoleon positive Nachrichten, denn Spanien trat am 12. Dezember als Frankreichs Verbündeter in den Krieg ein und verstärkte es mit circa 5.000 Soldaten und fast 30 Schiffen, stationiert in den Häfen von Ferrol, Cádiz und Cartagena. Somit waren die spanisch-französischen Flotten zahlenmäßig den britischen Flotten ebenbürtig.78

4.4.2 Es kommt Bewegung ins Spiel

Erst nach Eintritt des entscheidungsvollen Jahres 1805 konnten erste Schritte des „raffinierte[n] Täuschungsmanöver[s]“79 von den französischen Flottenoffizieren durchgeführt werden. Missiessy gelang es am 11. Jänner mit seinen fünf Kampfschiffen und fünf Fregatten aus Rochefort auszubrechen und Richtung Karibik zu segeln. Das bewegte Konteradmiral Cochrane, stationiert bei Ferrol, sofort dazu seine Verfolgung aufzunehmen. Vizeadmiral Calder übernahm die Blockadeaufgabe bei Ferrol. Am 17. Jänner sollte es auch Villeneuve gelingen von Toulon aus die Segel seiner elf Linienschiffe und sieben Fregatten zu setzen. Zwei Tage später hörte Nelson, sich bei der Inselgruppe La Maddalena befindend, von diesem Umstand. Er suchte mit seinen elf Schiffen vergeblich Sardiniens Ostküste ab, konnte aber keine Franzosen finden. Er bekam auch die Information, dass die gesuchte Flotte weder in Sizilien, noch in Neapel versucht hätte zu landen. Ihm war klar, dass nur mehr Ägypten das Ziel hätte sein können und eilte ostwärts, nur um am 7. Februar den Hafen von Alexandria leer vorzufinden. Wo befand sich nun Villeneuve? Kurioserweise konnte dieser nicht einmal den Golfe de Lion vor Toulon verlassen, da ein Sturm einige seiner Schiffe beschädigte, was ihn zur Umkehr verleitete. Das trieb Napoleon zur Weißglut und er schimpfte:

78 Vgl.: Bennett. 2004, S.86-91; Nimitz, Potter. 1982, S.129; Williams. 2015, S.227-229. 79 Karsten, Rader. 2013, S.250. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 39 Huber Sebastian

„What is to be done with admirals who … hasten home at the first damage they receive? … The damage should have been repaired en route …A few topmasts carried away … [are] everyday occurrences. […] The great evil of our navy is that the men who command it are unused to all the risks of command.”80 In der Zwischenzeit war Missiessy bereits in der Karibik angelangt und landete Truppen, um die Garnison auf Santo Domingo zu verstärken. Als Villeneuve nun nicht auftauchte, wartete er noch einige Zeit zu und trat daraufhin die Rückreise nach Europa an, ohne dabei zu wissen, was ihn erwarten sollte. (Die derzeitigen Standpunkte der einzelnen Flotten sind Abbildung 3 zu entnehmen) 81

Abb. 3: Position der französisch-spanischen und britischen Schiffe, März 180582

80 Napoleon I., 1805, zit. nach Bennet. 2004, S.104. 81 Vgl.: Bennett. 2004, S.103-104; Corbett Julian. The Campaign of Trafalgar. (pdf-Kopie des Originals) New York (u.a.) 1910, S.27-29, 31-34; Nimitz, Potter. 1982, S.129; Runciman Walter 2005. The Project Gutenberg eBook. DRAKE, NELSON AND NAPOLEON. http://www.gutenberg.org/files/15299/15299-h/15299-h.htm#ILLUSTRATIONS; besucht am: 21.04.2016; Kapitel 12 (Absatz 8); Williams. 2015, S.232-233. 82 Quelle: Nimitz, Potter. 1982, S.130. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 40 Huber Sebastian

Anschließend verwarf Napoleon erneut seinen Invasionsplan. Die Irlandlandung wurde gecancelt und Villeneuve bekam den Auftrag nach Cádiz zu fahren, dort alle seetauglichen, spanischen Schiffe einzuverleiben, um im Anschluss Martinique anzusteuern. Einen ähnlichen Befehl bekam Ganteaume, der von Brest kommend die höchstmögliche Anzahl französisch-spanischer Schiffe aus Ferrol aufzunehmen hatte, um sich weiterführend in Martinique mit Villeneuve und Missiessy zu verbinden. Diese kombinierte Flotte von ungefähr 50 Linienschiffen sollte dann unter oberster Befehlsmacht Ganteaumes in europäische Gewässer zurückkehren und Cornwallis unterlegene Seestreitmacht vernichten, damit mit einem Erreichen in der Boulogne zwischen 10. Juni und 10. Juli 1805 zu rechnen sei. Julian Corbett schrieb, dass Seefahrt-kundige Personen, die Napoleon objektiv gegenüberstehen, diesen Plan nur als „the work of a self-confident amateur in “83 betrachten können. Villeneuve befolgte den Plan, unternahm am 30. März einen Ausfall und steuerte auf die Öffnung zwischen Sardinien und den Balearen zu. Er wechselte aber schnell den Kurs, als er erfuhr, dass Nelson sich bei Sardinien befände. Er fuhr die spanische Küste entlang und erreichte am 6. April Cartagena. Nelson vermutete wieder, dass Villeneuves Ziel Sizilien, Neapel oder Ägypten sein musste und brach dadurch in die entgegengesetzte Richtung auf. Erst am 16. April bekam der englische Admiral die entsetzende Nachricht, dass Villeneuve Richtung unterwegs war. Augenblicklich wurde die Verfolgung aufgenommen. Der französische Befehlshaber war indessen bereits in Cádiz zwischengeankert, hatte dort seine Flotte auf 18 Linienschiffe verstärkt und segelte zu den Karibischen Inseln. Villeneuve, nun in Begleitung mit Vizeadmiral Gravina, überquerte den Atlantik in 34 Tagen und kam in Martinique am 14. Mai an. Er befolgte Napoleons Order und wartete 40 Tage auf Ganteaumes Eintreffen. Unterdessen kam Nelson, verzögert durch einen Sturm, erst am 7. Mai in Gibraltar an. Er entschied sich, da der Heimatkanal mit 40 britischen Schiffen bewacht war, zur Verfolgung Villeneuves mit einer unterlegenen Flotte von zehn Linienschiffen und drei Fregatten. Aufgrund überlegener, englischer Bootsmannkunst dauerte ihre Atlantiküberquerung nur 24 Tage, wonach sie am 4. Juni vor Barbados ankerten.84

83 Corbett. 1910, S.41. 84 Vgl.: Bennett. 2004, S.106-109; Corbett. 1910, S.35-40; Holland Rose. 1924, S.150; Runciman (e- book). 2005, Kapitel 12 (Absatz 16-18); Williams. 2015, S.233. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 41 Huber Sebastian

Missiessy kehrte zeitgleich über den Atlantik zurück, begegnete jedoch weder Villeneuve noch Nelson, und ankerte am 20. Mai in Aix, in der Provence, was Napoleon abermals erzürnte. Er teilte seinem Marineminister Decrès mit:

„I chocked with indignation when I read that he had not taken the Diamond Rock. I would have preferred to lose a -of-the-line if only I could have gained that appendage of Martinique … You will make him aware of my dissatisfaction.”85 Der Marineminister zögerte nicht lange und enthob Missiessy unverzüglich seines Postens. Nachdem Villeneuves Streitmacht die britische Festung des Diamond Rocks am 2. Juni einnehmen konnte, erreichten sie neue Befehle des Kaisers. Darin hieß es, dass Ganteaume nicht ausbrechen konnte, aber Konteradmiral Magon de Medine mit zwei Linienschiffen auf dem Weg wäre. Weiters solle Nelson sich in Ägypten befinden. Villeneuve solle nur 35 Tage auf Ganteaumes etwaiges Eintreffen warten und in der Zwischenzeit Antigua, St. Vincent, Grenada und wenn möglich Barbados einnehmen. Einige Tage später erfuhr der Franzose jedoch, dass Nelson ihm gefolgt war und nun in der Karibik nach ihm suchte. In diesem Bericht wurde Nelsons Flottengröße maßlos übertrieben. Aufgrund dieser Informationen beschloss Villeneuve seine Karibikmissionen abzubrechen, Ganteaumes unwahrscheinliches Eintreffen nicht abzuwarten und am 10. Juni mit 20 Linienschiffen nach Europa zurückzusegeln. Im Prinzip hatte er seine übergeordnete Aufgabe, eine ernstzunehmende feindliche Flotte in die Karibik zu locken, erfüllt und konnte jetzt Napoleons finalen Schlag des Invasionsplans einleiten. Sobald der britische Kommandant erfuhr, dass sein Gejagter die Karibik mit Kurs auf Europa verließ, brach auch er auf, da die englischen Karibik-Besitzungen nun außer Gefahr waren. Da er Villeneuves Destination nicht kannte fuhr er, mit jetzt 12 Kampfschiffen und 3 Fregatten, nach Gibraltar und betrat dort, am 16. Juli 1805 das erste Mal seit knapp zwei Jahren Festland.86

4.5 Vorschlacht bei Kap Finisterre und die letzten Flottenbewegungen

Die Nachricht, dass Vizeadmiral Villeneuve im Begriff war Kurs auf englische Heimatgewässer zu haben erreichte das Oberhaupt der englischen Marine, Lord Barham, erst am 9. Juli 1805. Schleunigst befahl dieser die Auflösung der Blockaden

85 Napoleon I., 1805, zit. nach Bennett. 2004, S.109. 86 Vgl.: Bennett. 2004, S.108-111; Lefebvre. 2003, S.169; Nimitz, Potter. 1982, S.132-133; Williams. 2015, S.233-234. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 42 Huber Sebastian

von Ferrol und Rochefort, da die wenigen dort vor Anker liegenden Schiffe für ein Invasionsvorhaben bedeutungslos wären. So konnte England eine Flotte von 15 Linienschiffen aufstellen, die, unter Kommando von Vizeadmiral Calder, auf Villeneuves und Gravinas Geschwader westlich bei Kap Finisterre wartete.87

Das Zusammentreffen dieser beiden Flotten geschah am 22. August. Erst als sich der Nebel um ungefähr 11 Uhr lichtete, war es den beiden Parteien möglich, die jeweilige Stärke des anderen festzustellen. Der Umstand, dass das feindliche Seegeschwader fünf Linienschiffe mehr besaß, bereitete Calder kein Kopfzerbrechen. Zielstrebig formte er seine Schiffe zu einer Linie mit kurzen Zwischenabständen und war gewillt, den Kampf nach den Instruktionen der althergebrachten Dogmen der Seekriegsfahrt zu bestreiten. Diese sahen vor, dass die zwei kämpfenden Flotten in einer Linienform, parallel aneinander vorbeifuhren und sich so auf kurze Distanz bekämpften. Für kleinere Flotten war dieses Verfahren ein klarer Nachteil, da mehr Schiffe auf sie einwirken konnten. Zu Calders Entscheidung äußerte sich Geoffrey Bennett wie folgt: „He had, it seemed, learnt nothing from the of The Saints and Camperdown, nor […] from the battle of Cape St Vincent“88. Villeneuve und Gravina schienen überrascht zu sein, als sie die britische Flotte auf sie zusteuern sahen, denn es hatte den Anschein, dass sie kurz im Begriff waren ihre Schiffe beizudrehen, um einen offenen Kampf zu vermeiden. Schließlich ließ sich Villeneuve aber auf einen offenen Seekampf ein und hielt Kurs.89

Der Wind ermöglichte nur eine langsame Annäherung, wodurch die Kampfbefehle erst nach 16 Uhr gegeben werden konnten. Villeneuve ging nun mit voller Zuversicht in den Kampf, da der derzeitige Kurs perfekt in seinen Plan gepasst hätte. So könnten sie nämlich, nach einmaliger Konfrontation, weiter nach Norden zu ihrem Bestimmungsort segeln. Calder erkannte diese Gefahr und befahl der Linienspitze nach Norden zu wenden, obwohl eine gleichzeitige Wende aller Schiffe um 180 Grad weitaus vorteilhafter gewesen wäre. Zur gleichen Zeit änderte Villeneuve seine Fahrtrichtung auch nach rechts rückwärts, um einer französischen Fregatte zu helfen, welche Gefahr lief von einer britischen Fregatte geentert zu werden. Nun befanden sich die Franzosen auf südlichem Kurs und die Briten auf nördlichem,

87 Vgl.: Bennett. 2004, S.112; Corbett. 1910, S.179,182-183; Nimitz, Potter. 1982, S.133. 88 Bennett. 2004, S.113. 89 Vgl.: Bennett. 2004, S.113-115; Nimitz, Potter. 1982, S.133; Williams. 2015, S.234. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 43 Huber Sebastian

worauf Calder erneut die Richtung wechselte und nach Süden einschwenkte (siehe Abbildung 4). Erst ab 18:00 Uhr waren alle Flottenteile in Feuerreichweite. Der dichte Nebel verhinderte genaues Zielen und schnitt die Verbindung zwischen den einzelnen Schiffen ab. Die Schlacht wurde zu einem Chaos-Gefecht. Keiner der Kommandanten konnte aufgrund des Nebels und des Kanonenrauchs erkennen, wie sich die Schlacht für ihre jeweilige Flotte entwickelte. Als die Nacht anbrach wurden die Kampfhandlungen eingestellt und die Ergebnisse begutachtet. Nach dreistündigem Kampf hatten die Franzosen 647 Tote und Verwundete, zwei verlorene, sowie drei schwer beschädigte Schiffe zu beklagen. Großbritannien zählte dagegen „nur“ 201 Tote und Verletzte, dazu noch drei schwer beschädigte Schiffe, hatte aber zwei französische Kampfschiffe als Preise ergattern können. Damit hat die englische Seestreitkraft zwar einen moderaten Sieg feiern können, aber keinen entscheidenden. Am nächsten Tag lagen ungefähr 27 km Entfernung zwischen den Flotten. Calder wollte seine Schiffe zusammenziehen, um Reparaturen durchzuführen und seine Preise zu sichern. Das veranlasste Villeneuve dazu, gegen die Befehle des Imperators, eine Entscheidungsschlacht herbeiführen zu wollen. Der Wind verhinderte jedoch eine Annäherung an diesem 23. August. Am 24. hätte Calder dann die Chance gehabt die französische Flotte zu attackieren, unterließ es aber, weshalb er ein paar Monate später vor ein Tribunal gestellt wurde. Die zu See erfolgsverwöhnten Briten konnten sein Verhalten nicht nachvollziehen, nach einer gewonnen Schlacht gegen einen überlegenen Feind die erhaltenen Preise und die eigene Flotte in Sicherheit zu bringen, anstatt die totale Entscheidung zu suchen.90

90 Vgl.: Bennett. 2004, S.116-119; Cutcliffe Hyne C. J., Parry D. H. u. and Others. Illustrated Battles of the Napoleonic Age. Volume 1 – 1800-1811. Norderstedt 2014, S.179-180; Holland Rose. 1924. S.153; Nimitz, Potter. 1982. S.134-135. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 44 Huber Sebastian

Abb. 4: Villeneuves (schwarz) und Calders (weiß) Flotten bei Kap Finisterre (22. Juli 1805 um 05:15 Uhr)91 Nach diesem Gefecht, lief Villeneuve in den Hafen von Vigo ein. Dort schickte er eine Nachricht an Napoleon, worin er von einem ruhmreichen Sieg gegen Calder berichtete. Der Kaiser war sehr zufrieden und schickte sogleich weitere Befehle an seinen Vizeadmiral. Nach diesen durfte keineswegs in Ferrol eingelaufen werden, sondern man sollte sofort über Schottland in den Kanal stoßen, „um dort das Schicksal des Kaiserreiches zu entscheiden“92. Unglücklicherweise erreichte diese Depesche Villeneuve erst, als dessen halbe Flotte bereits in Ferrol vor Anker gegangen war, da er dort die besseren Nachschubmöglichkeiten als in Vigo hatte. Verängstigt durch die vorstellbaren Folgen seiner unbedachten Entscheidung, ließ er die restliche Flotte bei La Coruna ankern, wo es nahezu keinen Proviant und nur wenige Rohstoffe gab. Er wartete auf eine Ausbruchsmöglichkeit, die er am 10. August vorfand, da die Engländer die Ferrol Blockade auflösten, um ihre Streitkräfte im Kanal zu sammeln. Das war am 11. geschehen, womit eine 39 Kampfschiffe fassende, englische Flotte am Eingang des Kanals entstanden war. Völlig niedergeschlagen nahm Villeneuve einen westlichen Kurs mit einer auf 33 Linienschiffen verstärkten Flotte. Am 15. August verließ ihn vollends der Mut und, beeinflusst von dem schlechten Zustand seiner Schiffe und seiner Crew, steuerte er Cádiz an, was der äußerste Notfallplan Napoleons war. Er erreichte den Hafen am

91 Quelle: Bennett. 2004, S.117. 92 Nimitz, Potter. 1982, S.135. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 45 Huber Sebastian

20. August, was den Todesstoß für das Invasionsvorhaben des französischen Kaisers bedeutete.93

Aufgrund der rückständigen und langsamen Informationsübertragung dieser Zeit war man am Kontinent über die eben beschriebenen Vorfälle wenig bis gar nicht in Kenntnis gesetzt. Nachdem sich Napoleon am 26.05.1805 in Mailand zum König von Italien hatte krönen lassen, war er nach Fontainebleau geeilt, wo er am 11. Juli angekommen war, um mit seinen Heerführern das weitere Vorgehen zu besprechen. Er war sich sicher gewesen, dass Österreich in den Krieg gegen Frankreich eintreten würde, was neben Russland eine weitere Bedrohung zu Lande dargestellt hätte. Entlang des Rheins und in Italien waren Vorkehrungen zur Verteidigung getroffen worden. Napoleon hatte damit gerechnet, dass Österreich und Russland noch etwas Zeit für die Mobilmachung ihrer Armeen benötigen würden, was ihm die Chance für eine schnelle Niederwerfung Englands geben würde. Somit stand der Kaiser mit seiner Grande Armée unter enormen Zeitdruck und das ganze Invasionsvorhaben hing von Villeneuves und Gravinas vereinigten Flotten ab. Ganteaume bekam die Anordnung, alle verfügbaren Schiffe aus Rochefort aufzunehmen und auf Villeneuve zu warten. Als die Defensivvorbereitungen abgeschlossen waren und Napoleon letzte Befehle an seinen Außenminister Talleyrand gegeben hatte, hatte er sich nach Boulogne verfügt, wo ihn seine Armee jubelnd empfangen hatte. Die Soldaten waren sich sicher gewesen, dass sie ihre Übungen der letzten zweieinhalb Jahre für die Invasion schon bald in die Tat umsetzen werden können. Am 4. August hatte Napoleon an Decrès geschrieben:

„Die Engländer wissen nicht, was über ihren Häuptern schwebt, […] Wenn wir zwölf Stunden lang der Überfahrt sicher sind, ist England erledigt.“94 Ironischerweise kann das ganze Landungsmanöver zu diesem Zeitpunkt bereits als gescheitert betrachtet werden, denn zwei Wochen zuvor hatte Villeneuve den Vorgaben des Kaisers nicht gerecht werden können. Diese Botschaft war nur noch nicht bis nach Boulogne vorgedrungen.95

93 Vgl.: Bennett. 2004, S.118-123; Napoléon, I., Frankreich, Kaiser. Napoleon: die Memoiren seines Lebens. 9/10. Die dritte Koalition von Bologne bis Ulm und Austerlitz (1805). Wencker-Wildberg, Friedrich (Hg.) Wien (u.a.) 1931, S.39-40; Nimitz, Potter. 1982, S.125-136; 94 Napoleon I., 1805, zit. nach Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.38. 95 Vgl.: Bennett. 2004, S.113; Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.36-38 Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 46 Huber Sebastian

Die Nachricht von Villeneuves Fahrt nach Cádiz anstatt nach Brest und in den Kanal erreichte Napoleon am 25. August, was seine Wutanfälle erneut beschwor. Er schrie zu Decrès:

„Ihr Villeneuve […] ist nicht einmal imstande, eine Fregatte zu befehligen. Was soll ich von einem Mann halten, der bei der Erkrankung einiger Matrosen, beim Verlust von ein paar Masten, bei jedem nachteiligen Gerücht den Kopf verliert und seine Befehle widerruft?“96 Man kann sagen, dass Napoleon das unglückliche Verhalten Villeneuves genau Recht kam, denn somit hatte er einen Sündenbock für sein gescheitertes und kostspieliges Invasionsvorhaben gefunden. Ein Schreiben des 4. Septembers 1805 an seinen Marineminister macht dies in theatralischer Ausdrucksweise deutlich:

„Villeneuve ist ein Elender, den es mit Schimpf und Schande aus dem Amt zu jagen gilt. Ohne eigene Einfälle, ohne Mut, ohne höheres Interesse opfert er alles, nur um seine Haut zu retten.“97 Als Napoleon seine fünfminütige Schimpftirade über die französische Marine, speziell über Villeneuve, beendet hatte, kam wieder sein eiskaltes Genie zum Vorschein. Er begann sein weiteres Vorgehen sofort seinen Schreiber zu diktieren und traf alle Vorkehrungen für einen Landfeldzug gegen Österreich und Russland. Villeneuve beging in der Zwischenzeit einen weiteren Fehler und verblieb mit seinem Geschwader in Cádiz, anstatt nach Toulon weiterzusegeln. Das gab einer englischen Flotte von 33 Linienschiffen, unter Kommando Nelsons, die Chance die französisch- spanische Flotte erneut zu blockieren.98

4.6 Das große Seegefecht bei Kap Trafalgar

4.6.1 Neue Pläne, letzte Vorkehrungen und das Aufeinandertreffen der Flotten

Der Traum einer Invasion Englands war zunichte gemacht, was Napoleon dazu ermächtigte seinen gesamten Fokus auf den Landkrieg zu richten. Er gab Villeneuve ein letztes Mal neue Befehle. Der französische Flottenkommandant hatte die Vorgabe in den Mittelmeerraum zu segeln, wo er mit seinem mächtigen Seegeschwader in Neapel landen sollte, um von dort aus den französischen Vormarsch gegen die Truppen Österreichs unterstützen zu können. Einen Aspekt

96 Napoleon I., 1805, zit. nach Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.42. 97 Napoleon I., 1805, zit. nach Willms. 2007, S.411. 98 Vgl.: Manfred. 1981, S.421; Nimitz, Potter. 1982, S.136-137; Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.42-43; Williams. 2013, S.237-238; Willms. 2007, S.411-412. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 47 Huber Sebastian

hatte der neueste Plan mit den vorhergehenden jedoch gemeinsam, denn eine offene Seeschlacht war abermals unbedingt zu vermeiden. Napoleon ließ Villeneuve betreffend dem Umstand, dass er bereits Vizeadmiral Rosily für dessen Ersatz nach Cádiz geschickt hatte, in Unkenntnis. Durch Nelsons Seeblockade war die Schwierigkeit der an Villeneuve gestellten Aufgabe natürlich maßgeblich erschwert. Die von Napoleon getätigte Unterstellung der Feigheit sollte Villeneuves Ego aber so getroffen haben, dass sie ihn zu einer unüberlegten Handlung bewegte.99

Die Order aus Paris lösten heftige Diskussionen innerhalb der Führungsebene der vereinigten Flotten aus. Kapitän zur See Prigny, Villeneuves Stabschef, riet von der Unternehmung, in Anspielung auf die seit 1793 ungebrochene britische Seeherrschaft, ab. Auch Vizeadmiral Gravina war skeptisch und sprach zu Villeneuve: „Do you not see, sir, that the barometer is falling“100, mit Verweis auf die immer näher kommenden Unwetter der Winterzeit. Daraufhin erwiderte Villeneuve: „It is not the glass, but the courage of certain persons that is falling“101, was zu keiner Verbesserung der Stimmung und der Moral beitrug, sondern die Vertrauensbasis zwischen den Befehlshabern schädigte. Auf der Gegenseite stimmte Lord Nelson die Besatzungen seiner Schiffe auf eine längere Blockadezeit ein, da es ungewiss war, wann der Feind aktiv werden würde. Um die Wartezeit zu verkürzen und somit eine weitere Schwächung der Kampfkraft seiner Flotte zu verhindern, wandte er eine List an und steuerte diese aufs offene Meer hinaus. So konnten die Franzosen und Spanier die Briten nicht ausmachen und wurden zum Ausbruch provoziert. Nelson behielt nur seine fünf Fregatten in der Nähe zum Festland, die als seine mobilen Beobachtungsposten dienten. Am 19. Oktober war es dann soweit. Villeneuve gab den vereinigten Flotten, entgegen der Mahnung seiner nachrangigen Offiziere, den Befehl zum Auslaufen aufgrund zweier Überlegungen. Erstens vermutete er seine schon baldige Ablöse durch den vor kurzem in eingetroffenen Rosily. Zweitens bekam er die Information, dass ein Teil Nelsons Flotte auf dem Weg war

99 Vgl.: Lambert. 2006, S.6; Nimitz, Potter. 1982, S.136; Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.42-43; Williams. 2015, S.238-239; Willms. 2007, S.412. 100 Gravina, 1805 zit. nach Bennett. 2004, S.134. 101 Villeneuve, 1805 zit. nach Bennett. 2004, S.134. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 48 Huber Sebastian

Proviant zu holen. Die englischen Fregatten gaben sofort das Signal „The enemy are coming out of port“102 an Nelsons Seestreitmacht weiter.103

Dieser Zeitpunkt war für die Briten ungünstig, da man einerseits noch vergeblich auf die sechs Kampfschiffe wartete, welche Proviant und Wasser holten, und da sich andererseits ein gewaltiges Gewitter ankündigte. Dennoch hatte der Bericht an Nelson einen positiven Aspekt, da er bestätigte, dass die Zahl der feindlichen Linienschiffe 33 betrug, anstatt den von ihm angenommenen 40. Den Franzosen und Spaniern war es erst am 20. Oktober gelungen, vollständig formiert aus Cádiz auszulaufen. Nelson hielt sich in der Zwischenzeit mit seiner Flotte noch bedeckt, um die vereinigten Flotten vorübergehend in Sicherheit zu wiegen. Ihnen sollte die Chance verwehrt werden, nach Cádiz zu retournieren. Die genaue Kampfstrategie für dieses große Gefecht hatte Nelson bereits Anfang September ausgearbeitet. Er führte aus: „No day can be long enough to arrange a couple of fleets and fight a decisive battle, according to the old system“104, was ihn dazu bewegte, die neuartige “T-Schnitt-Taktik”105, später auch bekannt als The Nelson Touch, anzuwenden. Dafür hatte er drei Angriffslinien vorgesehen, Collingwoods Division, seine Division und eine vorgeschobene Schwadron. Collingwood sollte im rechten Winkel windwärts die Linie der französisch-spanischen Nachhut attackieren und diese vom Zentrum trennen. Nelson würde im gleichen Stil das Zentrum angreifen, wobei die vorgeschobene Schwadron eine Presche zwischen Zentrum und Vorhut schlagen sollte, um in weiterer Folge Nelson gegen das starke Zentrum unterstützen zu können. Nach den erfolgreichen Kampfhandlungen könnte schließlich die Vorhut mit vereinten Kräften ausgeschaltet werden. Am Tag vor der Schlacht hielt Nelson eine Besprechung mit seinen Kommandanten und erläuterte ihnen ein letztes Mal seinen Plan. Alle waren fasziniert von seinen Überlegungen und von deren Wirksamkeit überzeugt.106

102 Bennett. 2004, S.135. 103 Vgl.: Bennett. 2004, S.129,132-135; Lambert. 2006, S.6; Nimitz, Potter. 1982, S.137. 104 Nelson, 1805 zit. nach Hauptmann Keats, aus Bennett. 2004, S.137. 105 Cau Paolo. Die 100 Größten Schlachten – Sie haben die Welt verändert. Von Kadesch (1285 v. Chr.) bis heute. Klagenfurt 2006, S.131. 106 Vgl.: Bennett. 2004, S.135-141; Cau. 2006, S.130-131; Lefebvre. 2003, S.170; Nimitz, Potter. 1982, S.138. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 49 Huber Sebastian

Villeneuve hatte den Plan des englischen Admirals antizipiert und sah einen Angriff von der Seite voraus. Dennoch hatte er keinerlei Vorkehrungen getroffen, um dieser Attacke entgegenwirken zu können. Am Tag vor der Schlacht hatte er die natürliche Linienform angeordnet, mit Gravinas Beobachtungsgeschwader an der Spitze, gefolgt von der Vorhut unter Vizeadmiral Alava, seinem Zentrum und der Nachhut unter Konteradmiral Dumanoir le Pelley. Während der Nacht konnte keine der sich gegenüberstehenden Flotten ihre zuvor eingenommenen Positionen halten. Um 5:50 Uhr gab die englische Achille (britisch, 74 Kanonen) das Signal, eine fremdartige Flotte gesichtet zu haben und als das Tageslicht die Unordnung in seiner Flotte offenbarte, befahl Nelson kurzerhand die Aufteilung seiner vorgeschobenen Schwadron auf die zwei Divisionen. Villeneuves erster Befehl geschah um 06:30 und gab die erneute Bildung der natürlichen Linienform in Auftrag. Eine Stunde später erkannte er Nelsons Absicht seine Nachhut zu attackieren, um ihm somit den Rückweg nach Cádiz abzuschneiden. Zusätzlich bestand die Möglichkeit, dass der englische Konteradmiral Louis, welcher sich auf der Rückreise seiner Versorgungfahrt befand, ihm bei Gibraltar auflauern könnte. Diese Umstände veranlassten ihn dazu seine Fahrtrichtung komplett zu reversieren und den 32 Kilometer entfernten Hafen von Cádiz anzusteuern, wonach Gravina und Alava nun zur Nachhut und Dumanoir zur Vorhut wurden. Diese Umkehrung hatte eine, von britischer Seite aus, Konkavbildung zur Folge und riss vereinzelt größere Lücken in die französisch-spanische Linienform. Das sollte den Briten den Einfall zwischen ihre Schiffe erleichtern. Das Befehlsverhalten Villeneuves kommentierte Kapitän zur See Churruca auf der spanischen San Juan Nepomuceno (sp., 74) wie folgt: „Our fleet is doomed. The French Admiral does not understand his business. He has compromised us all“107. Kurz bevor die zwei englischen Linien auf ihr Gegenüber trafen, ließ Nelson den berühmten Kampfspruch „England expects that every man will do his duty“ signalisieren. Die genaue Annäherungsbewegung der Briten kann aus Abbildung 5 entnommen werden. Collingwoods Division traf gegen Mittag auf Alavas Nachhut und steuerte mit seiner Royal Sovereign (br., 100) sofort dessen Flaggschiff, die Santa Ana (112), an. 15 Minuten später konnte auch Nelson in den

107 Churruca, 1805 zit. nach Bennett. 2004, S.149. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 50 Huber Sebastian

Kampf eingreifen und suchte sich sogleich die Bucentaure (fr., 80) unter Villeneuve und die gewaltige Santisima Trinidad (sp., 140) als Ziel aus.108

Abb. 5: Die Annäherung der Briten bei Trafalgar (11:30 Uhr)109

4.6.2 Der erste Konfliktherd

Der erste Kampffokus, graphisch dargestellt in den Abbildungen 6 und 7, der Trafalgarschlacht spielte sich zwischen der 16 Schiffe fassenden Nachhut der Vizeadmiräle Alava und Gravina und der 15 Schiff starken Division Collingwoods ab. Auf den letzten Kilometern schwenkte Letztere auf die rechte Seite aus, um die einzelnen Schiffe in die Abstände zwischen den französisch-spanischen Schiffen manövrieren zu können, von wo aus sie effektiver wirken konnten. Weil die Nachhut nach Südwesten abgedriftet war, konnte sie zusätzlich viel schneller in einen Kampf verwickelt werden. Sukzessive traten die Schiffe in die Kampfhandlungen ein.

108 Vgl.: Bennett. 2004, S.145-146,148-149,157-159; Cau. 2006, S.131; Cutcliffe Hyne. 2014, S.184- 187; Lambert. 2006, S.6-7; Nimitz, Potter. 1982, S.138-139; Williams. 2015, S.239-241. 109 Quelle: Bennett. 2004, S.157. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 51 Huber Sebastian

Collingwood steuerte sein Schiff zwischen die Santa Ana (sp., 112) und die Fogeaux (fr., 74), wobei seine Breitseiten Ersterer gewaltige Schäden zufügten. Das bewegte die Indomptable (fr., 80), die San Leandro (sp., 64) und die San Justo (sp., 74) dazu, dem Flaggschiff zu Hilfe zu kommen. Die Belleisle (br., 74) unterstützte die Royal Sovereign. Sie war es auch, die von der britischen Flotte am meisten in Mitleidenschaft gezogen wurde. Um circa 14:00 Uhr war sie zu einem unmanövrierbaren Wrack geschossen, hielt den Feuerkampf aber dennoch aufrecht. Eine halbe Stunde zuvor musste die Santa Ana kapitulieren. Sie hatte bis zu dem Zeitpunkt 238 Verwundete und Tote zu beklagen, außerdem wurden alle ihre Masten zu Fall gebracht. Vizeadmiral Alava war es nicht möglich auf die Royal Sovereign zu kommen, um die Kapitulation durchzuführen, da er schwer verwundet war. Der Kapitän des Schiffes, Gardoqui, kam stellvertretend und übergab Alavas Degen. Nachdem er den Namen seiner Kontrahentin erfuhr, antwortete er: „I think she should be called Royal Devil“110. Trotzdem gab es 141 Tote und Verletzte auf ihr und die Euryalus (br., 36) musste sie ans Tau nehmen.111

Abb. 6: Kampfgeschehen zwischen Collingwoods Division und Villeneuves Nachhut (12:30 Uhr)112

110 Gardoqui, 1805 zit. nach Bennett. 2004, S.174. 111 Vgl.: Bennett. 2004, S.172-178; Corbett. 1910, S.387-388; Cutcliffe Hyne. 2014, S.187-189; Nimitz, Potter. 1982, S.139. 112 Quelle: Bennett. 2004, S.179. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 52 Huber Sebastian

Als die schon manövrierunfähige Fogeaux den Kurs der Mars (br., 74) bemerkte, welche der Belleisle gefolgt war, empfing sie diese mit heftigem Kanonenfeuer. Dadurch wurde deren Kapitän zur See Duff tödlich verwundet. Sofort erwiderte die Mars das Feuer und dieser unerbittliche Kampf sollte von 12:15 Uhr bis 17:00 Uhr dauern. Das nächste englische Schiff, welches in den Kampf eingriff war die Tonnant (br., 80). Zuerst kämpfte es gegen die Pluton (fr., 74) und die Monarca (sp., 74). Das französische Flaggschiff Algésiras (fr., 74) erkannte dabei ihre Chance und steuerte direkt auf die Tonnant zu, feuerte eine massive Breitseite gegen sie und verkeilte ihren Bug mit dem britischen Schiff, um sie entern zu können. Französische Seeleute konnten auch das oberste Deck einnehmen, doch die britischen Kanonen feuerten unaufhörlich auf das Flaggschiff ein. Sie setzten die französischen Geschütze außer Gefecht, zerschossen die Masten und töteten einen Großteil der Mannschaft sowie Konteradmiral Magon. Danach konnte die britische Besatzung einen erfolgreichen Gegenangriff starten und nahm das Schiff ein. Zeitgleich wirkte die Tonnant so heftig auf die Monarca ein, dass diese nicht mehr geentert werden konnte und sank.113

Die spanische Bahama (sp., 74) stellte für die Bellerophon (br., 74) keine große Herausforderung dar, da sie in kürzester Zeit durch die englischen carronades kampfunfähig gemacht wurde. Während das britische Schiff noch beschäftigt mit der Bahama war, gelang es der Aigle (fr., 74) ihren Bug gegen die Bellerophon zu steuern und sie festzunageln. Daraufhin begannen die französischen Musketiere durch gezieltes Fernfeuer und den Einsatz von Handgranaten das oberste Deck zu säubern, woraufhin die britische Besatzung sich davon zurückzog. Sie konzentrierte sich auf Löscharbeiten und musste sich auf ihre überlegene Feuerkraft verlassen. Die Aigle führte einen vorbildlichen Feuerkampf, tötete 26 und verwundete 126 der 540 Mann starken Bellerophon, doch war sie gegen 14:00 Uhr gezwungen ihre Flaggen zu streichen, da die Defiance (br., 74) ihr mindestens genauso hart zugesetzt hatte. Die Swiftsure (fr., 74) wurde durch das übermächtige Feuer der Colossus (br., 74), welche auch mithalf die Bahama zu malträtieren, zur Aufgabe gezwungen. Die britische Achille (br., 74) war der Colossus gefolgt, führte kurz einen Feuerkampf mit der Montanez (sp., 74), unterstützte die Belleisle und nahm anschließend den Kampf mit der Argonauta (sp., 80), welche sich ihr ergab, und der

113 Vgl.: Bennett. 2004, S.178-181. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 53 Huber Sebastian

französischen Achille (fr., 74) auf. Danach verwickelte sie die Berwick (fr., 74) in ihren erbittertsten Kampf. Er dauerte eine Stunde und endete mit der Gefangennahme des französischen Schiffes und seiner Mannschaft.114

Abb. 7: Kampfgeschehen zwischen Collingwoods Division und Villeneuves Nachhut (14:30 Uhr)115

Zwischen die San Ildefonso (sp., 74) und die französische Achille war die Revenge (br., 74) gestoßen und sah sich plötzlich auch der übermächtigen Principe de Asturias (sp., 112) entgegen. Die französisch-spanischen Schiffe feuerten auf die Revenge von drei Seiten, wodurch sie aber auch an „friendly fire“ zu leiden hatten. Das spanische Flaggschiff eröffnete einen Enterversuch, der mit großen Mannesverlusten endete, denn die mit Schrotladungen versehenen carronades richteten grausamen Schaden an. Diese Gefechtskonstellation hielt sich ungefähr eine Stunde bis die Polyphemus (br., 64) und die Dreadnought (br., 98) der Revenge aushelfen konnten. Die erste Konfrontation der Dreadnought geschah mit der

114 Vgl.: Bennett. 2004, S.181-185. 115 Quelle: Bennett. 2004, S.184. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 54 Huber Sebastian

Principe de Asturias, wobei sie Vizeadmiral Gravina schwerwiegend verletzte. Die San Juan Nepomuceno (sp., 74) stellte sich ihr als nächstes in den Weg, doch musste das kleinere, spanische Schiff nach nur einer Viertelstunde die Segel streichen. Die Thunderer (br., 74) und die Defence (br., 74) hatten kurze Auseinandersetzungen mit der San Ildefonso und der Berwick. Als letztes Schiff trat die (br., 98) in den Angriff ein und ging kurzzeitig gegen Gravinas Flaggschiff vor. Im Anschluss nahm sie sich der französischen Achille an und setzte sie unter so heftiges Feuer, dass sie ihr Magazin traf, was eine Explosion des Schiffes zur Folge hatte. Kurz nach 17:00 Uhr fanden die Kampfhandlungen in diesem Bereich ein Ende. Von 17 französisch-spanischen Schiffen explodierte eines, elf wurden gefangen genommen und nur fünf konnten nach Cádiz flüchten. Keines der englischen Schiffe war gezwungen zu kapitulieren, dennoch waren von den 15 Schiffen nur noch sechs handlungs- und kampffähig geblieben.116

4.6.3 Der zweite Konfliktherd

Im zweiten Konfliktherd ging es nicht weniger heiß umkämpft zu, dessen Kampfhergang durch die Abbildungen 8, 9 und 10 verdeutlicht wird. Auf diesem Schauplatz standen 16 französisch-spanische Schiffe des Zentrums und der Vorhut, zwölf britischen der Division Nelsons gegenüber. An der Spitze steuerte der englische Admiral seine Victory (br., 100) geradewegs in das Schaltzentrum der vereinigten Flotten. Schon bald war das Schiff einem Kanonenhagel von beiden Seiten durch die Bucentaure (fr., 80), Villeneuves Flaggschiff, und der Redoutable (fr., 74) ausgesetzt. Außerdem befand sich die Victory in Schussweite der Santisima Trinidad (sp., 140), der Neptune (fr., 84) und der San Justo. Bevor das englische Flaggschiff seinen ersten Schuss abgeben konnte hatte es bereits 20 Tote, 30 Verwundete und einen gefallenen Masten. Nachdem es aber seine Salven abzufeuern begann, richtete sie verheerenden Schaden an, indem sie 20 Kanonen der Bucentaure ausschaltete und mehr als 100 Franzosen tötete oder verwundete. Als Villeneuves nördlicher Kurs keinen direkten Kampf mehr zuließ und sich die Redoutable aufopferungsvoll so positionierte, dass sich die Victory dem französischen Flaggschiff nicht mehr nähern konnte, widmete sich Nelson verstärkt der Redoutable. Zu diesem Zeitpunkt wurde Villeneuve klar, dass sein Zentrum und

116 Vgl.: Bennett. 2004, S.185-190; Williams. 2015, S.247. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 55 Huber Sebastian

seine Nachhut drohten, durch die britische Flotte vernichtet zu werden. Sofort ließ er „Ships not engaged with the enemy take whatever steps are necessary to get into action“117 signalisieren. Jedoch fasste Dumanoir, der Kommandeur der Vorhut, den Befehl als allgemeine Kampfanweisung auf und nicht speziell auf ihn bezogen. Er unternahm zunächst nichts und hielt seinen Kurs nach Norden aufrecht. Die Téméraire (br., 98) brachte sich auf der gegenüberliegenden Seite der Redoutable in Stellung und lag nun zwischen dieser und der Fogeaux. Nach Berichten von der Victory und der Téméraire lieferte die Redoutable den tapfersten und härtesten Kampf. Speziell ihre Scharfschützen kosteten vielen britischen Seemännern das Leben, darunter auch Horatio Nelson. Bis 14:00 Uhr hielt sich ihr Widerstand, wonach auch die „Vive l’Empereur“-Rufe verstummten. Mit einer komplett zerstörten Takelage, einem durchlöcherten Rumpf, wodurch das Schiff zu sinken drohte, und 522 Toten und Verwundeten aus einer Gesamtbesatzung von 645 war sie, neben der französischen Achille, das schwerstgeprüfte Schiff der vereinigten Flotten. Zuvor hatte die Téméraire einen Mast bei einem schonungslosen Gefecht mit der französischen Neptune verloren. Während sie dann, zusammen mit der Victory, die stark bedrängte Redoutable im Visier hatten, bescherte ihr die Fogeaux eine zweite Front. Diese hatte ihren Kampf mit der Belleisle aus Collingwoods Division abgebrochen, war aber schon stark beschädigt. Zeitgleich mit der Redoutable kapitulierte sie.118

117 Villeneuves Signal um 12:30 Uhr, 1805 zit. nach Bennett. 2004, S.167. 118 Vgl.: Bennett. 2004, S.191-197; Cutcliffe Hyne. 2014, S.189-191; Nimitz, Potter. 1982, S.139; Runciman (e-book). 2005, Kapitel 13 (Absatz 21,24); Williams. 2015, S.244-245. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 56 Huber Sebastian

Abb. 8: Kampfgeschehen zwischen Nelsons Division und Villeneuves Zentrum (12:45 Uhr)119

Die britische Neptune (br., 98) trat als Dritte in den Kampf ein und suchte sich gleich die Santisima Trinidad als Zielobjekt aus. Sie brachte innerhalb von 20 Minuten fast alle ihrer Masten zu Fall. Die San Agustin (sp., 74) wurde von der nachfolgenden Leviathan (br., 74) verfolgt und in weiterer Folge zur Aufgabe gezwungen. Villeneuves Bucentaure wurde kurz nach seinem Signal an die Vorhut vom englischen Flaggschiff Conqueror (br., 74) angegriffen. Eine Stunde nach Villeneuves Befehl signalisierte Dumanoir „How is my division to engage the enemy?“120 und der französische Vizeadmiral gab endlich den konkreten Befehl „Tack and support centre division“121. Dieses Signal sollte das letzte des französischen Flaggschiffs sein, denn die Bucentaure glich bereits einem Wrack. Villeneuve war noch überzeugt mit der Hilfe Dumanoirs einen positiven Ausgang der Schlacht herbeiführen zu können und teilte seinem Kapitän mit: „The Bucentaure has played her part; mine is not yet over“122. Er wollte mit seiner Flagge auf ein anderes

119 Quelle: Bennett. 2004, S.196. 120 Dumanoirs Signal um 13:30 Uhr, 1805 zit. nach Bennett. 2004, S.167. 121 Villeneuves Signal um 13:50 Uhr, 1805 zit. nach Bennett. 2004, S.167. 122 Villeneuve, 1805 zit. nach einem Offizier der Conqueror, Bennett. 2004, S.198. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 57 Huber Sebastian

Schiff ausweichen, doch als er erfuhr, dass seine Beiboote komplett zerstört waren, dachte er an das Wohl seiner tapferen Mannschaft, wovon 400 tot oder verwundet waren, und ließ von dem Gedanken ab, diesen aussichtslosen Kampf weiterzuführen. Er signalisierte seine Bereitschaft zur Kapitulation und wurde mit seinen Offizieren auf die Mars gebracht, wo er Leutnant Hannah seinen Degen übergab, da Kapitän zur See Duff ein Opfer der Schlacht wurde.123

Abb. 9: Kampfgeschehen zwischen Nelsons Division und Villeneuves Zentrum (14:00 Uhr)124

Sobald die Bucentaure besiegt war, half die Conqueror der britischen Neptune der gewaltigen Santisima Trinidad den entscheidenden Stoß zu versetzen. Danach plante sie sich der ankommenden Vorhut unter Dumanoir, in Begleitung der Leviathan, anzunehmen. Die ankommenden, frischen französisch-spanischen Schiffe empfingen die bereits stark in Mitleidenschaft gezogene Conqueror und ihre Gefährtin mit maximaler Feuerkraft. Die (br., 100), die Ajax (br., 74), die Orion (br., 74), die Agamemnon (br., 64) und die über Nacht versprengte Africa (br., 64) waren unterwegs um den zwei Vorkämpferinnen beizustehen. Bald fand sich die Leviathan zwischen der Intrépride (fr., 74) und der San Agustin wieder. Wäre die Conqueror ihr nicht zu Hilfe geeilt, hätte sie diesen Kampf wohl nicht überstanden. So war sie jedoch in der Lage, den Kommandanten der San Agustin zur Kapitulation

123 Vgl.: Bennett. 2004, S.197-200; Cutcliffe Hyne. 2014, S.195-198; Nimitz, Potter. 1982, S.139-140. 124 Quelle: Bennett. 2004, S.199. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 58 Huber Sebastian

zu bewegen und anschließend die Intrépride so lange zu beschäftigen, bis die Africa sie entern konnte. Dumanoir bemerkte, dass alle Schiffe Nelsons Division in den Kampf getreten waren, bis auf die Minotaur (br., 74) und die Spartiate (br., 74), welche seine Nachhut bildeten. Sein Plan war es nun, den Weg dieser Schiffe abzuschneiden, um sie in Überzahl vernichten zu können. Er signalisierte den anderen sieben Schiffen der Vorhut, seiner Formidable (fr., 80) zu folgen, was aber nur von der Duguay Trouin (fr., 74), der Scipion (fr., 74) und der Mont Blanc (fr., 74) ausgeführt wurde. Die Neptuno (sp., 80) war zunächst unsicher, entschloss sich aber dann Dumanoirs Befehl Folge zu leisten, was ihr zum Verhängnis wurde, denn sie war nicht in der Lage aufzuschließen. Nach kurzer Zeit wurde sie gestellt und war gezwungen ihre Flagge einzuholen. Man konnte die zwei britischen Linienschiffe allerdings nicht von der restlichen Division trennen. Als Dumanoir erfuhr, dass die Bucentaure schon längst kapituliert hatte, das Zentrum sowie die Nachhut ihrer Flotte kurz vor dem Kollaps standen und eine Linie britischer Schiffe auf sie zusegelte, beschloss er das Gefecht abzubrechen. Er fuhr mit der übriggebliebenen Vorhut Richtung Südwesten, um sie vom Kampfgeschehen fernzuhalten. Die Rayo (sp., 100) und die San Francisco de Asis (sp., 74) griffen gar nicht in die Schlacht ein, sondern segelten nach Cádiz, was das gleiche Ziel von neun französisch-spanischen Schiffen aus dem Zentrum und der Nachhut war. Auch in diesem Konfliktgebiet war das Gefecht kurz nach 17:00 Uhr zu Ende und die Briten konnten sechs feindliche Schiffe erbeuten. Dennoch war der englische Sieg von einer Tragödie überschattet.125

125 Vgl.: Bennett. 2004, S.200-205; Williams. 2015, S.247. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 59 Huber Sebastian

Abb. 10: Der Versuch von Dumanoirs Division das Zentrum von Villeneuve zu unterstützen (15:30 Uhr)126

Der bereits beschriebene, halsbrecherische Einsatz der Redoutable blieb aber mitnichten ohne Folgen. Gerade als Admiral Nelson mit seinem Kapitän zur See Hardy das Achterdeck um 13:30 Uhr inspizierend überschritt, traf die Musketenkugel eines französischen Scharfschützen der Redoutable, die Epaulette seiner linken Schulter, durchschlug seine Lunge und Rückgrat und blieb in seiner Hüfte stecken. Kopfüber fiel er aufs Deck und nachdem Hardy sich zu ihm herabkniete, bekundete ihm Nelson: „They have done for me at last, Hardy. […] my backbone is shot through“127. Auf dem Weg zum Schiffsarzt verdeckte er sein Gesicht und seine Abzeichen mit einem Taschentuch, um seine Crew nicht zu verunsichern oder deren Moral herabzusetzen. Der Arzt bestätigte Nelsons Verdacht der tödlichen Verletzung und wurde von diesem beauftragt, sich um die anderen Verwundeten zu kümmern, da für ihn keine Chance mehr bestünde. Sein Kampf mit dem unausweichlichen Tod dauerte drei volle Stunden, worin Hardy immer wieder auftauchte und ihm Bericht erstattete. Als er vom unangefochtenen Sieg erfuhr, fragte er sofort nach der Zahl der errungenen feindlichen Schiffe. Hardy schätzte sie auf 14 oder 15, worauf Nelson

126 Quelle: Bennett. 2004, S.203. 127 Nelson, 1805, Warner. 1965, S.279 Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 60 Huber Sebastian

antwortete: „That’s well, but I have bargained for twenty“128. Daraufhin gab Lord Nelson seinen letzten Befehl. Die Flotte sollte ankern, um die eigenen, sowie die Preise vor dem herannahenden Unwetter zu sichern. Mit seinen letzten Worten „I’ve done my duty, and I thank God for it”129, verstarb Großbritanniens größter Seeheld. Sein Leichnam wurde nicht, wie üblich, über Bord geworfen, sondern, konserviert in Brandy, zurück nach England gebracht, wo er feierlich in der Westminster Abbey bestattet wurde.130

4.7 Unmittelbare Folgen, Resultate und Verluste der Schlacht

Die Schlacht war geschlagen und die vereinigten Flotten waren mit einer heftigen Niederlage konfrontiert. Sie verloren 18 ihrer 33 Schiffe und verzeichneten über 7.000 Gefallene und Verwundete. Jedoch sollte der nun folgende Sturm den Großteil dieser Opferzahl ausmachen und nicht die Kampfhandlungen selbst. Auf britischer Seite waren es 429 Gefallene und 1241 Verwundete, sie nahmen dem Feind aber 17 Linienschiffe ab und machten unglaubliche 20.000 französisch-spanische Gefangene. Nichtsdestotrotz hatten sie noch die kolossale Aufgabe das Unwetter zu überstehen vor sich. Collingwood folgte Nelson als Befehlshaber, handelte aber nicht nach dessen letzten Befehl die Schiffe zu ankern, sondern fuhr mitsamt seinen Preisen auf das offene Meer hinaus. Seine Rechtfertigung war, dass viele Schiffe ihre Anker verloren hatten und damit drohten, an den Klippen der Küste zu zerschellen. Dennoch gab es keinen Grund, die Schiffe, welche zu Ankern im Stande gewesen waren, mitzunehmen anstatt sie vor der Küste zu lassen. Nur Kapitän zur See Hope auf der Defence ließ, auf Eigeninitiative, sein Schiff und seine drei zu bewachenden Preise, die Bahama, die San Ildefonso und die Swiftsure, ankern und folgte Collingwood nicht. Der Sturm war viel stärker als erwartet und dauerte bis zum 27. Oktober. Am nächsten Tag steuerte Collingwood Gibraltar an. Von den 17 ergatterten spanisch-französischen Schiffen überstanden nur vier den Sturm, drei davon lagen mit Kapitän zur See Hope bei Cádiz vor Anker. Die Verletzten wurden von Bord gebracht, Reparaturen durchgeführt und der Proviant aufgefrischt. Als das

128 Nelson, 1805, Warner. 1965, S.281. 129 Nelson, 1805, Cutcliffe Hyne. 2014, S.201. 130 Vgl.: Cutcliffe Hyne. 2014, S.191,194,199-202; Nimitz, Potter. 1982, S.139-140; Runciman (e- book). 2005, Kapitel 13 (Absatz 24-25); Warner. 1965, S.279-281; Williams. 2015, S.246. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 61 Huber Sebastian

erledigt war, stach Collingwood, unterstützt von Louis Schwadron, mit den noch seetüchtigen Schiffen in See und setzte seine Blockade vor Cádiz fort.131

Gravina erreichte schwer verwundet am 22. Oktober den Hafen von Cádiz mit elf Schiffen. Eine Schrotladung hatte seinen linken Arm zerfetzt. Mit dem damaligen Stand der Medizin war es nicht möglich gewesen den Auswirkungen seiner ernsthaften Verletzung entgegenzuwirken. Nach langen Qualen verstarb er am 9. März 1806 an Wundbrand. Als er im Sterben lag, sagte er zu seinem Bruder: „I am a dying man, but I die happy; I am going, I hope and trust, to join Nelson, the greatest hero that the world perhaps has produced“132. Dumanoirs vier Linienschiffe waren immer noch irgendwo auf Hoher See. Er wollte zunächst Gibraltar ansteuern, doch der Wind und die Furcht vor Konteradmiral Louis Schwadron ließen ihn nach Norden segeln, um einen französischen Hafen anzulaufen. Am 4. November wurden sie von Kapitän zur See Strachans Suchschwadron gestellt und unterlagen nach vierstündigem Kampf dessen drei britischen Linienschiffen. Vizeadmiral Villeneuve wurde nach ein paar Monaten englischer Gefangenschaft, während welcher er sogar Nelsons Begräbnis besuchte, im Zuge eines Gefangenenaustausches wieder nach Frankreich geschickt. Auf seine unglücklichen Entscheidungen verweisend schreiben Karsten und Rader: „Ein solcher Mann erschien den Engländern in seiner Heimat wahrscheinlich nützlicher als in Gefangenschaft“133. Doch sollte ihm schon im April 1806 bei Rennes ein rätselhaftes Ende bevorstehen, als er in einem Gasthauszimmer tot aufgefunden wurde, mit sechs Messerstichen in der Brust. Die napoleonische Presse berichtete sofort von einem tragischen Selbstmord und Napoleon selbst fand folgende Worte für den Zwischenfall:

„Fearing to be convicted by a council of war of having disobeyed my orders, and of having lost the fleet as a result. … Villeneuve determined to end his own life. … When they opened

131 Vgl.: Adkins Roy. The World after Trafalgar. In: New England Review, Vol. 26, No. 3; 2005 S.151- 154; Bennett. 2004, S.205,221-226; Cutcliffe Hyne. 2014, S.201; Karsten, Rader. 2013, S.261-262; Williams. 2015, S.247-249. 132 Gravina 1806, zit. nach Fraser Edward 2011. The Enemy at Trafalgar: An Account Of The Battle From Eye-Witnesses Narratives and Letters And Despatches From The French And Spanish Fleets (ebook). Chapter XXVIII (since Trafalgar – Absatz 3) Url.: https://books.google.at/books?id=VeFvCwAAQBAJ&pg=PT249&lpg=PT249&dq=admiral+gravina+I+a m+a+dying+man,+but+I+die+happy;+I+am+going,+I+hope+and+trust,+to+join+Nelson,&source=bl&ot s=DNkTeGXWpp&sig=fpQMfI574OM1fedpUARRxGwzDbs&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjd0fjy_rjMAh WCWhQKHUYJBvQQ6AEIIzAB#v=onepage&q&f=false besucht am 01.05.2016. 133 Karsten, Rader. 2013, S.264. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 62 Huber Sebastian

his room next morning they found him dead, a long pin being in his breast and through his heart. He should not have done this. He was a brave man, although he had no talent.”134

Inwieweit der Imperator in den Tod des Vizeadmirals verwickelt war, kann mit der heutigen Quellenlage nicht bewiesen werden. Ganteaume verblieb in seinem Amt als Kommandant der Brest Flotte sowie auch Decrès Napoleons Marineminister blieb. Die französische Navy war durch Trafalgar nicht vollkommen bedeutungslos geworden, musste dadurch aber einen herben Rückschritt in Kauf nehmen. England beseitigte die Gefahr der drohenden Invasion der Heimatinseln, erkämpfte sich die unumstrittene Seeherrschaft und begann sogleich, diese durch den Bau maritimer Stützpunkte zu festigen. Das führte dazu, dass Großbritannien „bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges von keiner Macht mehr ernsthaft herausgefordert wurde“.135

Die französisch-spanische Niederlage bei Kap Trafalgar mit 33 Linienschiffen gegen eine zahlenmäßig schwächere, britische Flotte von 27 Linienschiffen hatte multiple Gründe. Erstens waren die britischen Seeleute den französischen und speziell den spanischen betreffend Geschützführung und Schifffahrtsfertigkeit weit voraus und viel effektiver. Zweitens verhinderten die oft dilettantisch getroffenen Entscheidungen und die fehlende Initiative mehrerer Kommandanten der vereinigten Flotten, ein einheitliches und wirkungsvolles Vorgehen ihrer Schiffe. Zudem fehlte vielen von ihnen die erwartete Opferbereitschaft, wenn man bedenkt, dass von insgesamt 33 alliierten Schiffen, nur 23 an den Kampfhandlungen teilgenommen hatten. Drittens fehlte es an Koordination zwischen den französischen und spanischen Linien, was bei einer solchen Flottengröße katastrophale Auswirkungen hat. Schließlich ist noch Napoleon zu nennen dessen Vorgaben nahezu undurchführbar waren. Das Konzept um jeden Preis eine Auseinandersetzung zu vermeiden, hatte einen negativen psychologischen Effekt auf seine Kommandanten, da sie schleichend ihren Siegeswillen verloren. Der Kaiser der Franzosen bekam die Nachricht von Trafalgar erst am 12. November von seinem Außenminister Talleyrand mit den Worten: „Das Genie und das Glück waren in Deutschland“136, übermittelt. Damit bezog er sich auf die erfolgreiche Einkesselung und die anschließende Kapitulation der

134 Napoleon I., 1806, zit. nach Bennett. 2004, S.241. 135 Wende Peter. Das Britische Empire. Geschichte eines Weltreichs. 2. Aufl. München 2009, S.126; Vgl.: Bennett. 2004, S.226-227,238, 241; Cutcliffe Hyne. 2014, S.202; Karsten, Rader. 2013, S.263- 264; Wende. 2009, S.126-127. 136 Talleyrand, 1805, zit. nach Willms. 2007, S.423. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 63 Huber Sebastian

österreichischen Armee durch die Franzosen bei Ulm, was beinahe zeitgleich zu Trafalgar geschehen war. Napoleon nahm diese Mitteilung vergleichsweise gelassen und stoisch hin, denn er hatte andere Dinge im Kopf. In den nächsten Tagen marschierte er in Wien ein. Die Entscheidung zur See war verloren, doch die Entscheidung zu Land stand kurz bevor.137

5 Die Entscheidung auf dem Kontinent

5.1 Die Kriegspläne beider Seiten

5.1.1 Alliierte Kriegsplanung

Im Laufe des Sommers feilten die Befehlshaber der englischen, russischen und österreichischen Armeen an einem gigantischen Kriegsvorhaben gegen Napoleons Kaiserreich, welches Operationen (dargestellt in Abbildung 11) von mehr als 500.000 Soldaten vorsah. Diese waren in Kampfzonen über den gesamten Kontinent verteilt. Im Norden sollte eine britische Landung von 15.000 Mann erfolgen, welche sich mit weiteren 12.000 Schweden und 20.000 Russen in Stralsund, an der heutigen Nordküste Deutschlands, vereinigen sollten. Als nächstes sollten 50.000 Russen in Riga, unter den Generälen Buxhöwden und Michelson, zusammengezogen werden. Diese sollten einerseits, westliche Manöver der Alliierten unterstützen und andererseits, Preußen zum Kriegseintritt animieren. Man könnte dann über dessen 200.000-Mann starke Armee verfügen und das preußische Gebiet als Aufmarsch- und Versorgungsgebiet nützen. Bayern wurde als einer der Hauptkampfschauplätze vermutet, worin sich Feldmarschall-Leutnant Mack und Erzherzog Ferdinand verfügten. Nach dem Zusammentreffen in Ulm mit Generalfeldmarschall Kutusows 85.000 russischen Soldaten würden sie vereint den Rhein überschreiten. Erzherzog Johann musste Tirol mit seinen 25.000 Männern besetzen, um die Alpenübergänge schützen zu können. Je nach Bedarf konnte er nach Deutschland oder Italien abkommandiert werden. Die Alliierten gingen davon aus, dass der Hauptstoß der Franzosen wie in 1796/97 und 1800 über Norditalien erfolgen würde. Dorthin wurde Erzherzog Karl, „der einzige ebenbürtige Feldherr, den das Haus Habsburg einem Napoleon entgegenstellen konnte“138, beordert. Er wurde von der gesamten Planung

137 Vgl.: Bennett. 2004, S.213-214; Karsten, Rader. 2013, S.264-265; Willms. 2007, S.423. 138 Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.49. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 64 Huber Sebastian

der Kriegsführung ausgeschlossen, da es Differenzen zu seinem Bruder Kaiser Franz II./I. gab und er eine mächtige Opposition innerhalb Österreichs Armee und Bürokratie gegen sich hatte. Seine Aufgabe war es, die französisch-italienischen Truppen unter Eugène de Beauharnais zu schlagen, die Lombardei zurückzuerobern und nach Südwestfrankreich einzumarschieren. Im Mittelmeerraum sollte per Flotte eine englisch-russische Einheit von 17.000 Soldaten in Neapel gelandet werden, die mit 36.000 Neapolitanern aus Sizilien die Besitzungen Ferdinands IV. von der französischen Besatzung befreien sollten. Anschließend wäre es ihre Aufgabe nach Norden zu marschieren, um mit Erzherzog Karl zusammenzustoßen. Falls es sich anbieten würde, könnte Großbritannien zusätzlich amphibische Operationen an der Westküste Frankreichs und Hollands durchführen.139

Abb. 11: Alliierte Pläne zur Kriegsführung140

139 Vgl.: Fremont-Barnes. 2013, S.54-57; Gates. 2003. S.18-20; Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.49, 53-54; Willms. 2007, S.413. 140 Quelle: Fremont-Barnes. 2013, S.56. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 65 Huber Sebastian

Auf alliierter Seite gab es aber zwei grundlegende Probleme. Erstens war es der russischen Armee nicht möglich die angestrebten Soldatenzahlen bereitzustellen sowie deren Mobilmachung und Aufmarsch zeitgerecht durchzuführen. Das weitaus größere Problem lag jedoch darin, dass Österreich noch überhaupt nicht bereit war einen Krieg in dieser geplanten Größenordnung zu bestreiten. Kaiser Franz, dem alle militärischen Befugnisse unterstanden, wurde seit Anfang 1804 von seinem Bruder Erzherzog Karl darauf eingeschworen, dass der richtige Weg die Beibehaltung des Friedens wäre. Denn wie 1800 schon bewiesen hatte, war das österreichische Militär nicht konkurrenzfähig verglichen mit Napoleons Streitmacht. Zudem verwies er darauf, dass man den anderen Mächten nicht blindlings vertrauen könne. Er erklärte ihm:

„Der wirkliche Stand der Armee ist nicht so, daß man mit ihm einen Krieg gegen Frankreich wagen könnte. […] Noch einige Jahre des Friedens sind für die Monarchie unbedingt notwendig, […] England versucht, Österreich in den Krieg gegen Frankreich hineinzuziehen. Rußland hat ein Interesse, Österreich in Ohnmacht zu versetzen, damit der Zar besser die Pforte verschlingen kann. […] Mit keinem Staat könnte Österreich eine so natürliche, auf beiderseitigen Vorteil gegründete und eben darum dauerhafte Allianz schließen wie mit Frankreich.“141 Karl, welcher als Kriegsminister tätig war, zog Lehren aus den verlorenen Kriegen gegen Frankreich und begann längst notwendige Reformen des österreichischen Heerwesens zu realisieren. Diese lösten Unmut beim alteingesessenen Hofkriegsrat und dem Kaiser aus. 1805 wurden aufgrund Napoleons expansionistischen Verhaltens die Kriegsstimmen in Wien immer lauter und Karls Beschwichtigungen verhallten ungehört. An die Spitze der Kriegstreiber wurde der mit bescheidenen Fähigkeiten ausgestattete Feldmarschall-Leutnant Mack, gesetzt. Wencker-Wildberg beschreibt ihn sogar als „ebenso unfähig wie eingebildet und anmaßend“142. In den letzten Monaten fragte der Kaiser seinen Bruder, wie lange wohl eine Mobilmachung der österreichischen Armee dauern würde. Karl nannte sechs Monate als Minimum. Mack hingegen versicherte Franz II./I., dass er in nur zwei Monaten damit fertig wäre. Damit lag er genau auf einer Linie mit dem russischen Zaren und seinem Adel, welche die unbedingte Kriegsabsicht teilten. FML Mack wurde daraufhin die gesamte

141 Erzherzog Karl, April 1804, Hertenberger Helmut, Wiltschek Franz. Erzherzog Karl. Der Sieger von Aspern. Graz (u.a.) 1983, S.135. 142 Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.50. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 66 Huber Sebastian

Planung und Disposition der österreichischen Armee erteilt. Erzherzog Karl blieb somit nur noch die Übernahme der Italienarmee.143

5.1.2 Napoleons Kriegsplanung

Dem französischem Kaiser war aus zwei Gründen klar, dass er einen schnellen Erfolg gegen die Koalition führen musste. Erstens steckte er in großer Geldnot, wegen dem teuren Invasionsvorbereitungen und einer französischen Bankenkrise. Zweitens hätte er gegen eine vereinte Front komplett mobilisierter Armeen der Alliierten wenige Chancen. Er musste ihnen einen militärischen Erstschlag versetzen und sie zum Handeln nach seinen Vorgaben zwingen. Durch Informationen seiner bestens ausgebildeten Nachrichtendienste waren ihm die Bewegungen der Alliierten schon im August 1805 bekannt. Sein gesammelter Vorstoß sollte 200.000 Soldaten, aufgeteilt auf sieben Korps, umfassen. Diese waren Korps I unter Marschall Bernadotte in Hannover, Korps II unter General Marmont in Utrecht, Korps III unter Marschall Davout in Ambleteuse, Korps IV unter Marschall Soult bei Boulogne, Korps V unter Marschall Lannes in Etaples, Korps VI unter Marschall Ney, auch in Etaples und Korps VII unter Marschall Augereau in Bayonne. Die kaiserliche Leibgarde aus Paris und die Kavallerie Reserve, welche sich bei Boulogne und verstreut in Restfrankreich befand, kamen hinzu. Napoleon machte den Bereich der westlichen Donau als Schwachpunkt des Gegners aus, wo er mit einem großflächigen Manöver hineinstechen wollte. Nachdem die sieben Korps abgezogen waren, sollte Marschall Brune mit 30.000 Soldaten an der Küste Frankreichs die Stellung halten, um englische Landungsversuche abzuwehren. Im Süden erwählte Napoleon Marschall Masséna, anstelle des unerfahrenen Eugène de Beauharnais, als Truppenführer der italienisch-französischen Armee in Norditalien. Seine zuerst nur 35.000 Mann, in späterer Folge knapp das Doppelte, hatten den Befehl, Erzherzog Karl zu beschäftigen und ihn davon abzuhalten die Donau entlang zu operieren. Mit dem Abmarsch der Grande Armée Ende August 1805 begann Napoleons wahrscheinlich triumphalster und erfolgreichster Feldzug.144

143 Vgl.: Fremont-Barnes. 2013, S.44-45,55; Hertenberger, Wiltschek. 1983, S.134-135, 139, 142-145; Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.49-53. 144 Vgl.: Connelly Owen. The wars of the French Revolution and Napoleon, 1792 – 1815. London (u.a.) 2006, S.119-121; Fremont-Barnes. 2013, S.57-58; Hertenberger, Wiltschek. 1983, S.150-151; Schneid. 2005, S.92-95. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 67 Huber Sebastian

5.2 Die Armeen der drei Mächte

5.2.1 Die französische Armee

Zu keiner Zeit der gesamten napoleonischen Ära sollte Bonaparte über ein kampferfahreneres und disziplinierteres Heer verfügen, als in der Austerlitz- Kampagne. „Für Napoleon war es die beste Armee, die er je hatte“145. Dieser Umstand hatte mehrere Gründe. Erstens bestand der Großteil dieser Armee aus routinierten Soldaten, welche bereits die Feldzüge des Zweiten Koalitionskrieges miterlebt hatten. Zweitens waren dessen Heerführer jung und dynamisch. Die meisten wurden 1804 in den Marschallrang erhoben, hatten sich aber dennoch schon als Kommandanten in Schlachten bewährt. Hier greift Napoleons Prinzip der Vorrangstellung von Talent und Einsatz vor Status und Herkunft, was entscheidenden Einfluss auf den Verlauf der Kampagne haben sollte. Drittens profitierten die erst kürzlich eingezogenen Soldaten sowie auch die länger-dienenden von den Waffen-, Formations- und Marschübungen der zweieinhalb Jahre dauernden Invasionsvorbereitungen. Gemessen an der Größe war sie den Armeen der Koalition unterlegen, aber gefechtstechnisch suchte sie ihresgleichen.146

Die Unterteilung der sieben Korps, jede besaß Teile der drei Waffengattungen Infanterie, Kavallerie und Artillerie, war wie folgt: ein Korps (20.000 bis 40.000 Soldaten) bestand aus zwei bis drei Divisionen. Eine Division bestand aus zwei bis drei Brigaden Infanterie, einer Brigade Leichter Kavallerie, sowie Elemente von Artillerie und Pionieren. Eine Brigade bestand normalerweise aus zwei Regimentern, welche, betreffend ihrer Größen, auf mehrere Bataillone aufgeteilt wurden. Diese fassten bis zu 1.000 Mann, waren die kleinsten, selbstständigen Grundeinheiten jeglicher Kampfführung und bestanden wiederum aus neun Kompanien. Die Infanterie war in Einheiten mit enger Formation, um geballte und konzentrierte Feuerkraft auf den Gegner zu bringen, oder in Einheiten mit ungebundener, beweglicherer Formation unterteilt. Letztere wurde verwendet, um herannahende Feinde abzufangen, flüchtende Feinde zu verfolgen oder nachkommende, formierte

145 Willms. 2007, S.413. 146 Vgl.: Chandler David 1990 (Kapitel 24). Austerlitz 1805. Battle of the Three Emperors (ebook). Url.: http://greatestbattles.iblogger.org/Austerlitz/Austerlitz1805BattleOfTheThreeEmperorsByChandler.htm ?ckattempt=1 besucht am 03.05.2016; Dufraisse. 1994, S.102; Fremont-Barnes. 2013, S.38,40; Gates. 2003, S.20; Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 68 Huber Sebastian

Einheiten zu verdecken. Neben den sieben Korps gab es noch die eigenständige Kavallerie, welche in leichten, mittleren und schweren Regimentern, eines bestehend aus vorzugsweise 720 Mann, vertreten war. Kürassiere und Karabiniers stellten die Schwere Kavallerie dar, dessen Pferde und Reiter groß und stark gebaut waren. Sie trugen eine gepanzerte Rüstung, ein langes, schweres Schwert und wurden in der Reserve gehalten, um als „shock element“147 zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt zu werden. Dragoners waren mit einer Muskete oder Pike und einem Degen bewaffnet. Sie konnten vom Pferd aus, aber auch abgesessen kämpfen und galten als Mittlere Kavallerie. Husaren und chasseurs à cheval (berittene Jäger) führten nur einen leichten Säbel mit und machten die Leichte Kavallerie aus. Ihre Aufgabe war es, Lücken in die feindlichen Linien zu schlagen, flüchtende Gegner zu verfolgen, nichtformierte Infanterie zu bekämpfen oder die Flanken verbündeter Infanterie zu schützen. Allesamt sehr gefährliche, aber essentielle Pflichten. Letztendlich verkörperte die kaiserliche Leibgarde, bestehend aus den besten Soldaten, die ultimative Reserve. Diese Elitetruppe war wieder in Infanterie- und Kavallerieeinheiten unterteilt.148

5.2.2 Die österreichische Armee

Neben den bereits erwähnten Differenzen in der Befehlsetage des österreichischen Heeres litt es noch an drastischen Finanzproblemen, denn der Etat für das Militär wurde als Konsequenz der Niederlagen um 1800 empfindlich gekürzt. Erzherzog Karl machte dies dem Kaiser deutlich als er ihm am 30. September 1805 den Zustand seiner Italienarmee per Brief beschrieb: „der Armee fehlt es an Geld, Brot, Pferden, Verpflegung und Menschen“149. Im April des Jahres hatten der Monarchie noch 37.000 Pferde für die Kavallerie gefehlt. Im Sommer waren viele Bataillone erst zur Hälfte bemannt und erst die Hälfte der Artillerie einsatzbereit. Das hinderte den Kaiser und den zum Generalquartiermeister ernannten FML Mack nicht daran, in den Krieg miteinzusteigen. Zudem waren Erzherzog Karls Heeresumstrukturierungen noch in vollem Gange, was bedeutete, dass viele Soldaten und Offiziere in komplett andere Einheiten versetzt wurden. Somit konnten viele Kommandanten den

147 Fremont-Barnes. 2013, S41. 148 Vgl.: Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 24-28); Fremont Barnes. 2013, S.40-44. 149 Erzherzog Karl, 1805, Rauchensteiner Manfried. Kaiser Franz und Erzherzog Carl: Dynastie und Heerwesen in Österreich 1796 – 1809. Wien 1972, S.72. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 69 Huber Sebastian

Ausbildungsstand ihrer Untergebenen wenig bis gar nicht einschätzen. Weitere Probleme waren der Mangel an guten und erfahrenen Offizieren, wie auch die unterschiedlichen Nationalitäten der Soldaten der Habsburgermonarchie. Das schlug sich in Verständigungsproblemen und sinkender Moral, bedingt durch wenig Zugehörigkeitsgefühl zur Monarchie, nieder. Der Kaiser hatte zusätzlich mit rapid sinkenden Zufriedenheitswerten der zivilen Bevölkerung zu kämpfen, welchen, trotz der hohen Staatsausgaben für das Militär, die schrittweise Entmachtung des Habsburgerreiches im letzten Jahrzehnt durch die überlegenen Franzosen nicht verborgen blieb.150

Nach den Heeresumstrukturierungen von Erzherzog Karl verfügte Österreich im Jahre 1805 über 61 Infanterie Regimenter, wobei jedes Regiment in vier Bataillone zu je vier Kompanien unterteilt war. Auf dem Papier war jedes Bataillon 800 Mann stark. Die Realität offenbarte ein komplett anderes Bild, denn im Schnitt kamen auf ein Bataillon nur 500 Soldaten. Außerdem konnte Österreich auf 17 sogenannte Grenzer-Regimenter, jeweils bestehend aus drei Bataillonen zu je vier Kompanien, zurückgreifen. Sie waren an der langen Grenze zum Osmanischen Reich stationiert und wurden für die Kampagne von 1805 herangezogen. Die Leichte Kavallerie bestand aus sechs Regimenter von Chevaulegers, vergleichbar mit den berittenen Jägern, zwölf Regimenter von Husaren und drei Regimenter von Ulanen. Letztere waren mit Lanzen bewaffnet. Die Mittlere Kavallerie zählte sechs Regimenter Dragoners und die Schwere Kavallerie kam auf acht Kürassier Regimenter. Jedes dieser Kavallerie Regimenter war unterteilt in acht Schwadronen. Trotz der schlechten finanziellen Lage genoss die österreichische Kavallerie, theoretisch aus illusorischen 58.000 berittenen Soldaten bestehend, hohes Ansehen in ganz Europa. Die einstig vorbildhafte österreichische Artillerie war mit ihren nunmehr 11.000-Mann zu einem „relic of a greater past“151 verkommen.152

150 Vgl.: Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 36); Fremont Barnes. 2013, S.44-46; Hertenberger, Wiltschek. 1983, S.146-147; Rauchensteiner. 1972, S.74-75; Schneid. 2005, S.101; Ziegler Walter. Kaiser Franz II. (I.) Person und Wirkung. In: Heiliges Römisches Reich und moderne Staatlichkeit. Rechtshistorische Reihe 112. (Brauneder Wilhelm Hg.) New York (u.a.) 1993, S.17-19. 151 Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 36). 152 Vgl.: Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 30-37); Fremont Barnes. 2013, S.46-48. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 70 Huber Sebastian

5.2.3 Die russische Armee

Seit dem Tod seines Vaters im Jahr 1801 leitete Zar Alexander I. mehrere Maßnahmen ein, die sowohl die Innenpolitik, als auch den Militärdienst reformieren sollten. Bis zum Kriegsbeginn in 1805 sind diese Reformen aber nur spärlich umgesetzt worden, denn die adelige Gesellschaftselite und die militärischen Führer teilten sehr oft die Ansichten des jungen Zaren nicht und blockierten darum deren Realisierung. Die Soldaten der russischen Armee führten ein hartes, spartanisches Dasein und mussten nachdem sie eingezogen wurden 25 lange Jahre an Kriegsdienst ableisten. Sie werden als zähe, gehorsame und fanatische Kämpfer beschrieben, welchen aber die Fähigkeit zum selbstständigen Denken und der Besitz von Eigeninitiative fehlte. Die Offiziere des russischen Heeres waren von adeliger Geburt, wobei deren soziale Stellung für die Wichtigkeit ihrer Position innerhalb der Armee ausschlaggebend war. Dieser Umstand führte oft dazu, dass viele eingesetzte Kommandanten ihren Aufgaben nicht gewachsen waren. Vergleichend kann gesagt werden, dass das russische Heer mit ähnlichen Problemen wie das österreichische zu kämpfen hatte, wobei es speziell an chronischem Schießpulver-Mangel litt.153

Die russische Infanterie bestand aus 77 Musketier Regimentern zu je drei Bataillonen. Ein Bataillon umfasste 616 Mann und war in vier Kompanien unterteilt. Weiters gab es 13 Grenadier Regimenter mit derselben Mannesaufteilung. Die Grenadiere galten als Art Spezialtruppe der Russen, waren besser trainiert und verwendeten, wie ihr Name schon sagt, Handgranaten. Schließlich komplettierten 20 leichtbewaffnete Jägerregimenter, bestehend aus jeweils drei Bataillonen zu 416 Mann, die Infanterie. Die Qualität der russischen Kavallerie stand jener von Frankreich und Österreich in keiner Weise nach. 1805 verfügte die Armee über sechs Regimenter von Kürassieren, 26 Regimenter Dragoners, neun Regimenter Husaren und vier Regimenter Ulanen. Die theoretische Stärke der Kürassier- und Dragonerregimenter betrug 1.000 Soldaten und die der Husaren und Ulanen sogar 1.800, was durch akuten Pferdemangel aber nicht erreicht werden konnte. Außerdem kamen zusätzlich Kosaken, mit Lanze, Schwert und Pistole bewaffnet, als Aufklärungs-, Verfolgungs- und Plünderungstruppen zum Einsatz. Sie waren

153 Vgl.: Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 37,39); Fremont Barnes. 2013, S.48-51; Utz, Raphael. Rußlands unbrauchbare Vergangenheit: Nationalismus und Außenpolitik im Zarenreich. Forschungen zur Osteuropäischen Geschichte Band 73. Wiesbaden 2008, S.88-89. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 71 Huber Sebastian

irreguläre Einheiten, undiszipliniert und oft schwer zu befehligen. Die Artillerie war ordentlich bemannt und der österreichischen überlegen, konnte aber an den französischen Standard nicht heranreichen. Die kaiserliche Leibgarde umfasste elf Bataillone Infanterie, 17 Schwadronen Kavallerie und 40 Kanonen. Beinahe alle ihrer Mitglieder gehörten dem Adel an.154

5.3 Die Verträge mit den süddeutschen Staaten

Um den geplanten Feldzug gegen Österreich und Russland erfolgreich durchführen zu können, musste Napoleon auf die Diplomatie zurückgreifen, was normalerweise nicht seine Vorgehensweise war. Die Verträge und Abmachungen, welche der französische Kaiser im Vorfeld der Austerlitz-Kampagne tätigte, kamen nichtsdestoweniger einem Geniestreich gleich.

Der erste Verhandlungspartner war Bayern, mit welchem man seit Ende 1804 geheime Verhandlungen geführt hatte. Bayern wollte ein Bündnis mit Frankreich so lange wie möglich hinausschieben. Es war aber trotzdem unumgänglich, wenn Bayern seine eigenständige Haltung behalten wollte, denn Österreich und Russland würden bei erneuten Kriegshandlungen einen Anschluss an ihr Bündnis einfordern. Zudem war das neutrale Preußen nicht gewillt, den bayrischen Kurfürsten Max Joseph und sein Gebiet in dessen Neutralitätszone aufzunehmen. Napoleon und sein Außenminister Talleyrand führten die Verhandlungen geschickt. Zuerst ließ man sich von dem bayrischen Diplomaten Anton von Cetto über die territoriale Bedrohung und die mögliche Entmündigung Bayerns durch Österreich informieren. Dann wurde nach den Forderungen gefragt und nach deren Erhalt stellte der Kaiser sofort Gegenforderungen. Anfang 1805 schien die Möglichkeit eines Bündnisses dennoch gering, da der Kurfürst und seine Frau immer noch an dem Modell der Neutralität festhielten, obwohl Talleyrand ausdrücklich gefordert hatte, dass die Bayern sich eindeutig für eine Seite festlegen müssten. Daraufhin begann der umsichtige bayrische Außenminister Maximilian von Montgelas Einfluss auf den Kurfürsten zu nehmen. Er wusste, dass falls man sich mit Österreich verbinden würde, man mit der Einbuße seiner staatlichen Eigenständigkeit zu rechnen hätte. Neutralität wäre erstrebenswert, doch nicht realisierbar, da man dem Druck der Großmächte nicht

154 Vgl.: Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 37-40); Fremont Barnes. 2013, S.51-53. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 72 Huber Sebastian

würde standhalten können. Die Entscheidung für Frankreich wäre der beste Weg, denn im letzten Jahrzehnt dominierte es ganz Resteuropa militärisch und Bayern wurden reizende Vorteile versprochen. Somit war Max Joseph und Montgelas klar, „daß nur Napoleon ihr Land vor einer österreichischen Besetzung und wahrscheinlichen Annexion schützen könnte“155. Montgelas ging auch richtig in der Annahme, dass die parteiische Deklaration Bayerns unbedingt bis zum Kriegsbeginn geheim gehalten werden musste, um einen vorzeitigen Einmarsch der Österreicher zu verhindern. Der Frühling und Sommer waren geprägt von zähen Verhandlungen über den genauen Inhalt eines Offensiv- und Defensivbündnisses. Österreich wähnte man in der Zwischenzeit in Sicherheit, was sogar so weit ging, dass noch am 2. September 1805 ein Staatsvertrag zwischen Bayern und Österreich geschlossen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Bündnisvertrag zwischen Bayern und Frankreich, unterzeichnet am 25. August, schon beschlossen gewesen. Darin verpflichtete sich Napoleon zum Schutz von Bayern mit 110.000 Soldaten, er genehmigte Max Joseph die Absorption aller autonomen Lehensgüter innerhalb der bayrischen Grenzen und er stellte ihm die Gewährung des Königstitels in Aussicht. Im Gegenzug stellte der Kurfürst Napoleon 20.000 Soldaten zur Verfügung, er versprach die logistische Versorgung der französischen Armee auf bayrischen Boden und erklärte sich bereit, die französischen Besitzansprüche in Italien zu garantieren. Bayern wäre jetzt Österreich schutzlos ausgeliefert wenn der Vertrag bekannt werden würde, da Napoleons Truppen sich erst im Anmarsch befanden. Trotz der Unterschrift von Montgelas musste der Vertrag noch vom Kurfürsten ratifiziert werden, welcher erneut zauderte, da Österreichs Truppen in Bewegung gesetzt wurden.156

Neben Bayern benötigte Napoleon noch die Kooperation von Baden und Württemberg, welche ähnliche Anfragen wie Bayern erhielten, jedoch nichts von dem bereits geschlossenen Pakt wussten. Max Joseph wartete mit der Ratifizierung noch zu, denn Anfang September befanden sich die Österreicher schon auf Höhe des

155 Weis Eberhard. Montgelas. 2. Der Architekt des modernen bayerischen Staates: 1799 – 1838. München 2005, S.270. 156Vgl.: Aretin, Karl Otmar von. Das Alte Reich: 1648 - 1806. 3. Das Reich und der österreichisch- preußische Dualismus: 1745 – 1806. Stuttgart 1997, S.523; Kraus, Andreas. Geschichte Bayerns : von den Anfängen bis zur Gegenwart. München 1983, S.379,381; Spindler Max (Hg. u.a.). Handbuch der Bayerischen Geschichte. Band 4: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart. 1. Teilband: Staat und Politik. 2. Aufl. München 2003, S.20-22; Schneid. 2005, S.95; Weis. 2005, S.269-278. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 73 Huber Sebastian

Inns. Der 6. September war dann der Schicksalstag, denn der österreichische Feldmarschall-Leutnant Karl Phillip Fürst Schwarzenberg erschien überraschend und in Begleitung mit 200 Husaren und Dragoner auf Max Josephs Anwesen. Er händigte ihm ein Schreiben von Kaiser Franz II./I. aus, worin dieser die augenblickliche Einfügung der bayrischen Kampftruppen in das österreichische Heer forderte. Zutiefst geschockt konnte der Kurfürst den Offizier darauf vertrösten, das Gespräch bei einem Mittagsessen des nächsten Tages fortzuführen. Sofort danach ließ er eine Nachricht an Montgelas schicken, um dem französischen Gesandten Otto zu benachrichtigen und um Rat zu fragen. Es half alles nichts, man musste das Spiel mitspielen und so schrieb Max Joseph am 7. September folgende Worte an Schwarzenberg:

„Ich habe mich entschieden, mein lieber Fürst. Besprechen Sie sich morgen früh mit dem Minister Baron Montgelas. Er wird Ihnen meine Forderungen mitteilen, stellen Sie sich Ihnen nicht entgegen. Ich rechne auf Ihre alte Freundschaft. Gute Nacht, mein lieber Freund, ich gehe zu Bett, ich habe den ganzen Abend Brechanfälle und habe Fieber. Max. Den 7. September 1805“157 In dieser Besprechung ging es Montgelas darum, Zeit zu gewinnen. Als er merkte, dass Schwarzenberg keine Vollmacht für Verhandlungen bei sich trug, sagte er diesem, dass eine solche unabdingbar wäre. Mit verhandlungstaktischer Raffinesse überzeugte er den diplomatisch unerfahrenen Schwarzenberg davon, dass dieser Bayern für sich gewonnen hätte. Fürst Schwarzenberg zog in der Folge ab, um den Kaiser Bericht zu erstatten. Max Joseph war nach Schwarzenbergs Drohung wieder verunsichert, doch konnten auch diesmal Montgelas und Otto einen Sinneswandel des Kurfürsten verhindern. Endlich gab dann dieser die nötigen Befehle. Er verlegte seine Residenz über Nacht nach Würzburg und die bayrischen Heere wurden schleunigst nördlich der Donau konzentriert, um einem Zugriff durch die österreichische Armee unter Mack zu entgehen. Kurz zuvor am 5. September gab auch der Kurfürst von Baden dem Versprechungen Napoleons nach und unterzeichnete ein Bündnis mit den Franzosen, worin er sich für die Bereitstellung von 3.000 Soldaten verpflichtete. Dieser Vertrag blieb vorerst ebenfalls geheim. Am 9.9.1805 erfolgte die immense Ernüchterung der Österreicher, als sie erfuhren, dass die Bayern sich einem Anschluss entgegenstellten und wenn notwendig sogar die Waffen erheben würden. Der Vertrag mit Frankreich blieb immer noch unbekannt

157 Brief Max Josephs an Fürst Schwarzenberg, 07.09.1805, Weis. 2005, S.283-284. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 74 Huber Sebastian

und Österreich bemühte sich in den kommenden Tagen, Bayern mit großen Zugeständnissen zu einem Bündnis zu überreden. Die Anbiederungen waren vergebens und als die französische Armee gegen Ende September Bayern erreichte, wurde der Vertrag am 28. September 1805 vom Kurfürsten ratifiziert. Schließlich willigte auch Friedrich von Württemberg am 5. Oktober ein, sich dem Bündnis mit Napoleon zu verschreiben, da Marschall Ney mit seiner Armee schon vor den Toren Stuttgarts stand. Abgesehen von der militärischen Bedrohung durch Frankreich waren die Gründe für ein Bündnis mit Napoleon der „Landgewinn, neue Würden und Souveränität“158. Der französische Imperator war hingegen auf einen Pakt angewiesen, um seinen Armeen ein sicheres Aufmarschgebiet für den Feldzug zur Verfügung zu stellen und um die Versorgung, den Nachschub und die rückwärtige Verbindung gesichert zu wissen.159

5.4 Die Einkesselung der Österreicher bei Ulm

Napoleons Armee war losmarschiert und alles verlief nach seinen Planungen. Der österreichische FML Mack gab dem französischen Kaiser mit seinem Einmarsch in Bayern, welches zu dem Zeitpunkt offiziell noch als neutral galt, einen formellen Kriegsgrund gegen Österreich. Mack versammelte seine Truppen am 18. September um die Stadt Ulm, nordöstlich von München und nahe der Grenze zu Württemberg. Die bayrische Armee konnte sich noch rechtzeitig entlang des Mains in Sicherheit bringen. Der Feldmarschall-Leutnant und der erst 24-jährige Erzherzog Ferdinand richteten ihren Beobachtungsbereich auf den Schwarzwald und den oberen Rhein, von wo man den Durchstoß der Franzosen vermutete. Ferdinand hatte den eigentlichen Oberbefehl, da Zar Alexander I. gefordert hatte, dass diesen ein kaiserlicher Prinz übernehmen sollte. Man wartete auch auf Kutusows russische Armee, deren Ankunft mit Mitte Oktober erwartet wurde, was sich nach Macks Berechnungen rechtzeitig ausgehen sollte. Er hatte die Marschzeit der Grande Armée bis zum Rhein mit 68 Tage bemessen. Feldmarschall-Leutnant Mack lag aber

158 Schaab Meinrad, Schwarzmeier Hansmartin (Hgg.). Handbuch der Baden-Württembergischen Geschichte. Erster Band: Allgemeine Geschichte. 2. Teil: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Alten Reiches. Stuttgart 2000, S.418. 159 Vgl.: Boelcke Willi. Handbuch Baden-Württemberg. Politik Wirtschaft, Kultur von der Urgeschichte bis zur Gegenwart. Stuttgart (u.a.) 1982, S.184; Borst Otto. Geschichte Baden-Württembergs. (Quarthal Franz, Quarthal Susanne Hgg.) 2. Aufl. Stuttgart 2005, S.163-164; Kraus. 1983, S.381-382; Schaab, Schwarzmeier. 2000, S.418; Weis. 2005, S.273-275,277-284,286,288,295,299. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 75 Huber Sebastian

mit all seinen Kalkulationen falsch. Erstens brauchte die russische Armee für ihren Anmarsch weitaus länger, was deren Eintreffen frühestens Ende Oktober zugelassen hätte. Zweitens erreichten die Franzosen den Rhein viel schneller und hatten dort am 24. September bereits ihre Positionen eingenommen. Macks Vorgabe von 68 Tagen wurde eindeutig unterboten, indem die Franzosen diese Strecke, die bis zu über 500 Kilometer für bestimmte Armeen betrug, in weniger als einem Monat zurücklegten. Drittens war ihm nicht bewusst, dass sich die süddeutschen Staaten in einer Allianz mit Napoleon befanden, wonach er sich schon tief in Feindesland befand. Sein wahrscheinlich fatalster Fehler war seine Überzeugung, dass Napoleon nur die Möglichkeit bliebe, von Osten durch den Schwarzwald aufzumarschieren. Daraufhin hatte er auch beschlossen in Bayern einzufließen ohne zuvor auf die alliierten Truppen Kutusows oder Erzherzog Karls zu warten. Das sollte seine rückwärtigen Verbindungs- und Versorgungslinien offenlegen. Der französische Kaiser nahm eine ganz andere Route für seinen Angriff.160

Napoleon positionierte seine Armee in einer solchen Weise, um den Anschein zu wahren wirklich durch den Schwarzwald in Richtung österreichische Armee stoßen zu wollen (die folgenden Truppenbewegungen werden durch Abbildung 12 verdeutlicht). Dafür befahl er seinem Schwager Marschall Murat, mit seinen zwei Kavalleriedivisionen einen Ausfall zu starten. Dies diente als Finte. Vom 24. auf den 25. September begann dann die Offensive in typischer Manier eines Umfassungsangriffes, als sich alle Teile der Armee in Bewegung setzten, um durch Eilmärsche den Gegner östlich entlang der Donau zu umgehen. Aufgrund Napoleons ausgezeichneten Führungsstabes und der Durchhaltefähigkeit seiner Soldaten gelang es der Grande Armée, im Schnitt 30 Kilometer am Tag zurückzulegen. Ein geprüfter Veteran jener Zeit beschrieb diese Vorgänge wie folgt:

„Never was there such a terrible march. We had not a moment for sleep, marching … all day and all night, and at last holding on to each other to prevent falling. Those who fell could not be wakened. … Blows with the flat of the sabre had no effect on them. The bands played and the drums beat; nothing got the better of sleep.”161

160 Vgl.: Connolly. 2006, S.120-121; Gates. 2003, S.20-22; Koch Hansjoachim. Die Befreiungskriege 1807-1815. Napoleon gegen Deutschland und Europa. Berg 1998, S.76-77; Lefebvre. 2003, S.208- 209; Manfred. 1981, S.422-423; Schneid. 2005, S.102-104. 161 Aufzeichnungen von Hauptmann Coignet, ohne Zahl, zit. nach Gates. 2003, S.22. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 76 Huber Sebastian

Abb. 12: Französische und alliierte Truppenbewegungen der Ulm-Kampagne162

Nicht nur die französische Armee selbst hatte auf dieser gewaltigen Fußreise zu leiden, sondern auch die Zivilbevölkerung durch deren Land gezogen wurde. Napoleon verfolgte die Taktik der Selbsternährung des Krieges, denn der Nachschub und die Versorgung konnten mit dem Tempo der Armee nicht mithalten. Zu diesen Umständen äußerte sich ein Mitglied Davouts Korps:

„the speed of our march made it impossible for supplies to keep up with us, and so we were often short of bread despite all the efforts of our commander. … Fortunately, it was the height of the potato season, and they were plentiful. … How many times did we ruin the hopes of the villagers! We pillaged from them the fruits of an entire year’s work.”163

162 Quelle: Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 13). 163 Soldat des III. Korps unter Davout, ohne Zahl, zit. nach Gates. 2003, S.22. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 77 Huber Sebastian

Den linken Flügel bildeten die Korps I. und II. unter Bernadotte und Marmont welche über Würzburg und Ansbach marschierten, sich dann mit den bayrischen Truppen verbanden, um anschließend in Neuburg und Ingolstadt einzufließen. Zuvor hatten die Soldaten Bernadottes bei Ansbach neutrales Gebiet Preußens durchschritten, was Wilhelm III. von Preußen sehr erzürnte. Dennoch veranlasste ihn das aber nicht zum Kriegseintritt gegen Napoleon. Er gab den Alliierten lediglich die Erlaubnis durch Schlesien zu ziehen. Der König war zu sehr an der Beibehaltung der Neutralität interessiert und an dem möglichen Erhalt Hannovers durch Napoleon. Am 6. Oktober erreichte die Grande Armée das Donautal, nachdem sie 300 Kilometer an nur 13 Tagen zurückgelegt hatte. Am nächsten Tag wurde der Fluss bei Donauwörth überschritten.164

Bernadotte wurde vom Kaiser nach München geschickt, um die Vorhut gegen die herannahenden Russen zu bilden und um die Vereinigung Macks mit Kienmayers Armee zu verhindern. Davout wurde als Verbindungsstück in den Raum zwischen Bernadotte und der Restarmee abgestellt. Die verbleibenden Teile des Heeres wurden von Napoleon gefächert nach Ulm und zur Iller geführt, um ein Entkommen Macks auszuschließen. Der österreichische Feldmarschall-Leutnant war schockiert, als er am 5. Oktober von der tatsächlichen Position seines Antagonisten unterrichtet wurde. Napoleon begann dann zur Iller vorzustoßen, wobei Mack diese Einkesselungsbewegung für einen Rückzug durch den Schwarzwald hielt. Er hatte völlig irreführende Gerüchte einer englischen Landung in Boulogne vernommen. Daraufhin ließ er seine Truppen bei Günzburg, dieses liegt knapp 22 Kilometer vor Ulm, zusammenziehen, damit er Napoleon am „Rückzug“ hindern könnte. Erste Kampfhandlungen gab es am 8. Oktober. Die Marschälle Murat und Lannes schlugen eine kleinere Armee unter Feldmarschall-Leutnant Auffenberg bei Wertingen nahe Donauwörth vernichtend. Von den 5.500 Österreichern wurden mehr als 3.000 getötet oder gefangengenommen und der Rest musste sich nach Günzburg zurückziehen. Am 11. Oktober überquerte die letzte französische Armee die Donau. Am selben Tag unternahm Feldmarschall-Leutnant Mack einen Ausbruchsversuch aus Ulm mit mehr als 30.000 Mann. Er fand nur Duponts 5.000

164 Vgl.: Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 12-13); Connolly. 2006, S.121-122; Gates. 2003, S.22-23; Schneid. 2005, S.104-105,109-110; Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.60-61,75; Wunder, Bernd. Europäische Geschichte im Zeitalter der Französischen Revolution: 1789 – 1815. Stuttgart (u.a.) 2001, S.106-107. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 78 Huber Sebastian

Mann starke Division, welche Teil Neys Armee war, bei Haslach-Jungingen vor. Der Kampf dauerte den gesamten Tag und die Österreicher konnten die genaue Stärke der Franzosen nie wirklich ausmachen. Diese beschränkten sich auf gut vollzogene Verzögerungs- und Verteidigungsmaßnahmen und nützten die geographischen Gegebenheiten perfekt aus. Einem weiteren Vorgehen der Österreicher hätte Dupont nicht standgehalten, doch Mack entschied sich nach Ulm zurückzuziehen, um eine Verteidigungsposition einzunehmen. Somit verlor das österreichische Heer die Chance, die französischen Versorgungs- und Nachschubposten zu konfiszieren, womit man Napoleon in eine aussichtslose Lage hätte versetzen können.165

Die genaue Position von Macks Streitkräften war dem Kaiser der Franzosen nicht bewusst gewesen. Er hatte damit gerechnet, dass der Feldmarschall-Leutnant sich in südöstliche Richtung zurückziehen würde, um einer Einkreisung zu entgehen. Von Macks militärisch-unorthodoxem Verhalten erfuhr er erst am nächsten Tag. Sofort gab er neue Befehle, da nun das französische Nachschublager bei Ellwangen, circa 64 km nördlich von Ulm entfernt, gefährdet war. Murat, Ney und Lannes mussten die Donau wieder rücküberqueren und die Österreicher bei Ulm konfrontieren. Soult hatte über Memmingen nach Ulm zu stoßen und Marmont sollte über einen nördlichen Kurs selbiges Ziel anmarschieren. Am 13. Oktober erfolgte ein weiterer Ausbruchsversuch von 13.000 österreichischen Soldaten in nordöstliche Richtung nach Nördlingen, angeführt von Feldmarschall-Leutnant Werneck. Erzherzog Ferdinand erkannte dabei die Chance selbst zu entkommen und schloss sich mit 6.000 Kavalleristen, geformt zu 12 Schwadronen, Werneck an. Um es mit den Worten von Frederick Schneid zu sagen: „He had enough of Mack“166. Napoleon entsendete sofort Murat mit zwei Kavalleriedivisionen und einer Infanteriedivision um den Ausbruchsversuch zu stoppen. Kurz vor Nördlingen wurden die Österreicher isoliert und man setzte ihnen so hart zu, dass Werneck am 18. Oktober kapitulieren musste. Dem jungen Erzherzog war es jedoch gelungen sich mit seiner Kavallerie Murats Zugriff über das preußische Ansbach zu entziehen. Murat wollte sogleich die Verfolgung aufnehmen, aber Napoleon hielt ihn mit folgenden Worten zurück: „I have

165 Vgl.: Connolly. 2006, S.121-122; Gates. 2003, S.24; Schneid. 2005, S.113-114; Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.75-76. 166 Schneid. 2005, S.114. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 79 Huber Sebastian

already quarreled enough with this power over the first passage“167. Am 14. Oktober war Marschall Ney dem stark bedrängten Dupont zu Hilfe geeilt, besiegte 9.000 Österreicher unter FML Riesch bei Elchingen und versperrte Österreich somit endgültig den Weg nach Norden. Zeitgleich war Generalmajor Spangen mit seinen knapp 6.000 Soldaten in Memmingen gezwungen gewesen zu kapitulieren und die Stadt an Soult zu übergeben. Dieser zog weiter, um Macks eventuellen Ausbruch nach Westen zu verhindern. Dennoch gelang es ihm nicht 5.000 nach Vorarlberg fliehende Österreicher unter Feldmarschall-Leutnant Jelačić festzusetzen. Marmont blockierte Ulm im Süden und Davout, Bernadotte sowie die bayrischen Truppen vertrieben Kienmayer aus München. Der österreichische Feldmarschall-Leutnant konnte mit einem Teil seiner Streitkraft fliehen und sich später mit den Russen vereinigen. Die Falle war zugeschnappt und FML Mack sah sich mit seinen verbleibenden Soldaten, deren Zahl von 72.000 auf 24.000 geschrumpft war, von allen Seiten eingekesselt.168

Mit dem 16. Oktober richtete Napoleon alle verfügbaren Kanonen auf Ulm aus und begann die Stadt heftig zu bombardieren. Mack war verzweifelt. Einer seiner Generäle sagte er habe gebrüllt, geschrien und ein wahrhaft irres Verhalten an den Tag gelegt. Der Oberkommandierende der österreichischen Truppen war noch immer von seinen Siegeschancen überzeugt, da er dachte, dass alliierte Kräfte schon nahe wären und Werneck wie auch Jelačić weiterhin über starke Streitkräfte verfügen würden. In Wirklichkeit befanden sich die Russen noch 160 Kilometer entfernt, Jelačić war geflüchtet und Werneck stand kurz davor komplett aufgerieben zu werden. Von der geplanten russisch-englischen Landung in Neapel und Erzherzog Karl kamen auch keine Nachrichten. Mack konnte am 17.10. eine Galgenfrist von acht Tagen mit den Franzosen aushandeln, bevor diese die Stadt stürmen würden. Er glaubte, im Gegensatz zum Rest der österreichischen Befehlsetage, dass sein Zeitspiel aufgehen würde. Doch als er zwei Tage später von der tatsächlichen Lage der eigenen und alliierten Heere erfuhr, verließ ihn endgültig der Mut. Am nächsten Tag, dem Vortag der Trafalgarschlacht, kapitulierte er unter dem Druck des eigenen Führungsstabes. Der Sieg war überwältigend, nichtsdestotrotz wusste Napoleon,

167 Napoleon I., 1805, zit. nach Schneid. 2005, S.114. 168 Vgl.: Connolly. 2006, S.122; Gates. 2003, S.24; Schneid. 2005, S.114; Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.77-78. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 80 Huber Sebastian

dass er lediglich einen erfolgreichen Erstschlag gegen die Koalition geführt hatte. Österreichs Militär war nicht entscheidend besiegt und Russland verfügte noch über seine gesamte Streitmacht. Zudem steckte Napoleon weiterhin in finanziellen Schwierigkeiten, die nur durch einen diktierten Frieden und den damit verbundenen Zahlungen beseitigt werden konnten. Die französische Bevölkerung verfiel nach diesem Triumph auch nicht in Kriegseuphorie, da ein Sieg über Österreich, seit den Italienfeldzügen, nicht mehr von großer Bedeutung war. Der französische Kaiser war entschlossen die ultimative Entscheidung zu suchen und zog weiter in das Herz Österreichs.169

5.5 Der Nebenschauplatz Norditalien

Dem Kampfgeschehen im Norden Italiens kann, trotz der Mitwirkung der 100.000 besten Soldaten der österreichischen Armee, nur als Nebenschauplatz bezeichnet werden. Napoleons Feldzugsstrategie und Macks vorschnelles Handeln waren ausschlaggebend dafür.

Napoleon hatte den Oberbefehl seiner 35.000 Mann starken Italienarmee an den erfahrenen Marschall Masséna übertragen. Da der Feind um das Dreifache überlegen war, hatte der Marschall in erster Linie Defensiv- und Verzögerungsaufgaben zu erfüllen. Erzherzog Karl, der Kommandant der österreichischen Italienarmee, befand sich zum Zeitpunkt von Macks Einfall in Bayern am 6. September 1805 noch immer in Wien. Er musste letzte Vorbereitungen für die Kriegstauglichkeit seiner Truppen treffen. Gemäß dem alliierten Kriegsplan hätte der erste Vorstoß jedoch von Italien aus erfolgen sollen. Erst 14 Tage später kam er in Padua an, um seine Kommandopflichten anzutreten. Nachdem Karl die Truppen vor Ort inspiziert und sich über die Stellungen der Franzosen informiert hatte, traf er eine umstrittene Entscheidung. Er schloss mit Masséna einen vorübergehenden Waffenstillstand. Karl vermutete, dass ein überhasteter Angriff seiner schlecht ausgerüsteten und unorganisierten Verbände gegen die befestigten Stellungen der Franzosen fatal enden würde. Persönlich berichtete er:

„So wie die Armee gegenwärtig an allem Not leidet, ist es meine Pflicht zu erklären, daß sie immobil ist und daß ich mich glücklich schätze, wenn ich es dahin bringe, dem Feind meine

169 Vgl.: Connolly. 2006, S.123; Gates. 2003, S.25; Lefebvre. 2003, S.209; Schneid. 2005, S.114-115; Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.82-85; Willms. 2007, S.417. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 81 Huber Sebastian

Schwäche zu verbergen, damit er nicht versuche, zum unabsehbaren Nachteil des Staates meine Verlegenheit zu benützen.“170

Dies kam dem französischen Heerführer sehr gelegen, zumal er Verstärkung von mehreren Einheiten erhielt. Auf anderer Seite konnte Österreich sich zwar organisieren, doch Kaiser Franz II./I. verfügte 15.000 Infanterie- und Kavalleriesoldaten aus Karls Reihen nach Deutschland, um den bereits in Bedrängnis geratenen FML Mack zu unterstützen. Weitere 15.000 waren zur Absicherung in Südtirol stationiert und Erzherzog Johann bewachte mit 25.000 Soldaten Tirol. Damit waren die Streitkräfte unter Masséna und jene unter Karls direkten Befehl relativ ausgeglichen und lagen jeweils bei knapp 50.000 Mann.171

Am 14. Oktober endete der Waffenstillstand und am 18. begann Masséna mit ersten Angriffen, welche die Eroberung eines Brückenkopfes an der Etsch zur Folge hatte. Von dort aus konnten nun weitere Operationen gestartet werden. Die inoffizielle Nachricht von der österreichischen Kapitulation bei Ulm löste ekstatische Begeisterung im französischen Lager aus. Bei der feindlichen Fraktion herrschte hingegen Krisenstimmung. Der Erzherzog verfasste unverzüglich ein Schreiben an den Kaiser, dessen wichtigsten Thesen wie folgt lauteten:

„Nach glaubwürdigen Nachrichten hat die k.k. Armee in Deutschland das Schicksal gehabt, das leider vorauszusehen war; […] Die k.k Armee in Italien steht an der Etsch; hält Venedig und Trient besetzt. […] Noch ein Sieg über die Russen und Bonaparte marschiert unaufhaltsam nach Wien. Masséna wird noch von der k.k. italienischen Armee in Respekt gehalten, die vielleicht die letzte Streitkraft der österreichischen Monarchie ist. […] Bei der ersten Nachricht, daß die Russen geschlagen worden sind, beginnt der gemeinschaftliche Rückzug.“172

Beflügelt durch den französischen Sieg startete Masséna am 28. Oktober seinen Angriff gegen Karls Truppen, die sich in Caldiero in Stellung gebracht hatten. Der französische Marschall hatte mit einem raschen Sieg gerechnet, doch Karl kommandierte seine Einheiten ideal und parierte die ersten Aufklärungsvorstöße der Franzosen. Für den 30. Oktober hatten beide Befehlshaber spezielle Kampftaktiken vorbereitet. Masséna wollte seinen Hauptangriff auf das Zentrum führen und gleichzeitig den feindlichen linken Flügel umgehen. Der Erzherzog durchschaute den

170 Erzherzog Karl, 1805, Hertenberger, Wiltschek. 1983, S.152-153. 171 Vgl.: Hertenberger, Wiltschek. 1983, S.151-153; Lefebvre. 2003, S.208-209; Rauchensteiner. 1972, S.75-76. 172 Auszüge aus Erzherzog Karls Depesche an Franz II./I., 1805, Hertenberger, Wiltschek. 1983, S.155. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 82 Huber Sebastian

Plan und ging gleichzeitig gegen beide Flügel und das Zentrum vor. Die Schlacht war geprägt von immer wiederkehrenden Angriffen und darauffolgenden Gegenstößen. Bis zum Einbruch der Nacht konnten auf beiden Seiten keine namhaften Erfolge erzielt werden, obgleich die Kampfhandlungen äußerst hart geführt wurden und beide Seiten große Verluste erleiden mussten. Diese wurden im Morgengrauen sichtbar und die Strapazen des Vortages machten sich bei beiden Armeen bemerkbar. Viel mehr als vereinzelte Scharmützel konnten nicht ausgefochten werden. Am 1. November erreichte Erzherzog Karl die offizielle Bestätigung der Lage in Ulm, was ihn dazu bewegte, den Rückzug anzutreten, um die Disposition wenigstens einer österreichischen Armee zu gewährleisten. Er befahl seinen Truppen nach Osten zu marschieren und sich in Lienz mit Erzherzog Johanns Einheit zu verbinden. Diese Vorgabe konnte aber erst in Cilli am 26. November realisiert werden. Die österreichische Armee Karls führte einen geordneten Rückzug nach Ljubljana durch, wobei sie von Masséna rigoros verfolgt wurde. Es kam immer wieder zu kleineren Kampfhandlungen zwischen dessen Vor- und Karls Nachhut. Nach der Vereinigung mit Johann zog das nun 80.000 Mann starke Heer nach Körmend in Ungarn, welches ungefähr 90 Kilometer östlich von Graz liegt, um der Monarchie zur Hilfe zu eilen. Da seine Armee extrem entkräftet und ausgekämpft war ließ Masséna Karl davonziehen, der am 6. Dezember besagte Stadt erreichte. Außerdem befand man sich eindeutig in der Unterzahl. Währenddessen hatte Napoleon die verbleibenden Restkräfte der Alliierten bis nach Wien zurückgedrängt und als Erzherzog Karl in Körmend eintraf, war die finale Entscheidung schon gefallen.173

5.6 Napoleon auf dem Weg nach Wien und Brünn

Das Kapitel Ulm war geschlossen und die nächste Etappe Bonapartes Plan sah die Verfolgung und Vernichtung Kutusows Armee vor. Der russische Generalfeldmarschall stand mit 50.000 Soldaten, Kienmayers Armee inkludiert, bei Braunau und veranlasste am 23. Oktober umgehend den Rückzug, nachdem er von Macks Debakel erfahren hatte. Der französische Imperator stellte 40.000 Kräfte, darunter auch frische aus Frankreich, entlang des Rheins ab, damit die rückwärtige

173 Vgl.: Hertenberger, Wiltschek. 1983, S.152-153,155-157,159-161,163-164; Lefebvre. 2003, S.210; Rauchensteiner. 1972, S.77. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 83 Huber Sebastian

Verbindung geschützt war. Bernadotte und Davout befanden sich nahe Passau. Marmont, Lannes, Soult und Murat wurden bei München konzentriert. Marmont musste dann über Salzburg und Leoben nach Graz ziehen, um Erzherzog Karl den Weg nach Wien abzuschneiden. Davout, Lannes, Soult und Murat bildeten den Hauptteil der Grande Armée, die die Verfolgung Kutusows nach Linz aufnehmen musste. Bernadotte diente als Reserve. Neys Aufgabe bestand darin, die Truppen Erzherzog Johanns über Tirol zu verfolgen. Zusätzlich erschuf Napoleon ein 15.000 Mann starkes französisch-niederländisches Korps unter Marschall Mortier. Dieses war vorgesehen für die Säuberung des Nordufers der Donau von verbliebenen Feindeskräften, um dort eine sichere Versorgungslinie einrichten zu können. Außerdem wollte der Kaiser seine linke Flanke gedeckt wissen, denn man musste vor etwaigen Angriffen aus Böhmen durch Erzherzog Ferdinand geschützt sein.174

Die austro-russische Armee zog sich über den Inn zurück und zerstörte dessen Brücken, um die Franzosen zu behindern. In gekonnter Manier wurden die Franzosen auf Abstand gehalten, indem man Flüsse, andere unwegsame Geländeteile oder Städte als vorübergehende Defensivsperren verwendete. Dazu wurden Einheiten der Nachhut in diesen Befestigungen abgestellt, welche die nachkommenden französischen Soldaten in ein Feuergefecht verwickeln sollten. Währenddessen konnte Kutusow mit dem Großteil der Armee weiterziehen. Bevor die Nachhut überrannt wurde, setzte sie sich schnell ab und zog hinterher. Ein gutes Beispiel dafür war die Schlacht von Amstetten des 5. Novembers 1805. Der georgische Prinz musste sich gegen ein überlegenes Heer Frankreichs stellen. Er konnte diese unter schweren Verlusten lang genug aufhalten, damit Kutusow seine Armee außer Reichweite Napoleons halten konnte. Murat und Lannes bildeten die Vorhut und hatten am 26. Oktober den konkreten Befehl bekommen, die Russen zu verfolgen. Nichtsdestotrotz entschied sich Murat für das weitaus prestigeträchtigere Ziel Wien und führte fünf Korps Richtung österreichischer Hauptstadt. Das hatte zur Folge, dass sich Mortiers Korps ohne Unterstützung einem doppelt so starken, russisch-österreichischen Heer gegenübersah. Am 11. November kam es bei Dürnstein zur Schlacht. Mortier konnte knapp einer völligen Vernichtung entkommen, da Kutusows primäres Ziel der Rückzug blieb. Die französische Armee

174 Vgl.: Connelly. 2006, S.124; Fremont-Barnes. 2013, S.68-69; Schneid. 2005, S.116-117,125,129; Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.88 Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 84 Huber Sebastian

hatte 4.000 Gefallene zu beklagen. Als Napoleon von Murats eigensinnigem Verhalten erfuhr war er wutentbrannt und tadelte ihn:

„Ich kann durchaus nicht ihre Art zu marschieren verstehen. Sie handeln leichtsinnig und wägen die Befehle nicht ab, die ich Ihnen geben lasse. Die Russen sind bei Krems auf das andere Ufer hinübergegangen, statt Wien zu decken. Indes haben Sie den durch den Marschall Berthier übermittelten Befehl erhalten, den Russen mit dem Degen in den Lenden zu folgen. Sie haben mich zwei Tage verlieren lassen und nur den armseligen Ruhm im Kopf gehabt, als erster in Wien einzurücken.“175

Sein Schwager hatte ihn vor vollendete Tatsachen gestellt und er war somit gezwungen nach Wien zu marschieren und Kutusows Verfolgung vorerst abzubrechen.176

Am 12. November zogen Lannes und Murat in Wien ein, die die freundliche Behandlung der Stadt und seiner Bewohner an eine Bedingung knüpften. Die strategisch wichtige Taborbrücke über die Donau musste erhalten bleiben. Um diese zu zerstören wurde Carl Fürst Auersperg mit 13.000 Soldaten zurückgelassen. Murat vollzog einen trickreichen Bluff, damit die Sprengung verhindert werden konnte. Er ließ Brigadegeneral Bertrand bekunden, dass ein Waffenstillstand geschlossen wurde. Viele Wiener Bürger stützten die Aussagen des Generals, denn „Hauptsorge der Bevölkerung war naturgemäß, Wien nicht in Kampfgeschehen verwickelt zu sehen“177. Die österreichischen Wachsoldaten konnten verunsichert und überzeugt werden. Während Bertrand zu Auerspergs Kommandoquartier geführt wurde, war es französischen Soldaten möglich die österreichischen Bewacher zu überwältigen, die gelegten Zündleitungen zu entschärfen und die Brücke unbeschädigt einzunehmen. Zusätzlich wurden die gesamten Artilleriegeschütze von Auerspergs Korps erbeutet. Der österreichische Befehlshaber wurde in späterer Folge aufgrund dieses Versagens vor ein Tribunal geführt, degradiert und drei Jahre unter Arrest gestellt. Am 14. November hielt dann Napoleon Einzug in Wien und erkor Schloss Schönbrunn zu seiner Residenz. Mit der erfolgreichen Einnahme der Donaubrücke hatte Murat einen Teil der Gunst des Kaisers wiedergewonnen, denn die Masse der

175 Napoleon I., am 11. November 1805, zit. nach Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.101. 176 Vgl.: Connelly. 2006, S.124; Fremont-Barnes. 2013, S.68-70; Schneid. 2005, S.129-131; Wencker- Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.95-101. 177 Csendes Peter, Opll Ferdinand (Hgg.). Wien. Geschichte einer Stadt. Band 3: Von 1790 bis zur Gegenwart. Wien (u.a.) 2006, S.92. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 85 Huber Sebastian

Grande Armée konnte diese nun überqueren, was die verlorenen zwei Tage egalisierte.178

Nichtsdestotrotz befahl Napoleon seinem Kavalleriegeneral die Wiederverfolgung der russischen Armee, mit der Absicht diese noch stellen zu können bevor sie sich mit Buxhöwdens Einheit verbinden konnte. Am 15. November stellte er Prinz Bagration bei Hollabrunn, welcher, diesmal im Gegenzug, Murat mit dem Verweis auf einen geschlossenen Waffenstillstand täuschen konnte. Der französische Marschall hielt Rücksprache mit Napoleon, der ihn mit den geschriebenen Worten: „I am lost for words with which to express my displeasure […] you have thrown away the advantages of the entire campaign”179, aufklärte. Er konnte erst am nächsten Tag mit seinen 30.000 Soldaten angreifen. Bagrations 8.000 Mann starker Nachhut gelang es abermals, diese Übermacht durch Verzögerungstaktiken lange genug hinzuhalten. Der Rückzug Kutusows Armee wurde gewährleistet und die russische Nachhut konnte sich auch selbst über die Brücke von Schönegraben in Sicherheit bringen. Am 20. November konnte Kutusow sich mit Buxhöwden verbinden, was dessen Armee auf 86.000 Soldaten anwachsen ließ. Für Napoleon war das ein herber Rückschlag, denn nun stand er einem mächtigen Heer gegenüber, wollte er doch die Armeen des Feindes einzeln schlagen. Zudem waren Neys und Marmonts Armeen geographisch weit entfernt, die rückwertige Versorgungs- und Verbindungslinie war über 1.000 km mit Manneskraft abzusichern und die Grande Armée war extrem entkräftet. Sie hatte über 1.500 km innerhalb von drei Monaten zurückgelegt. Letztendlich stand noch immer die Möglichkeit einer Mobilisation Preußens gegen Frankreich im Raum. Diese Gründe veranlassten Napoleon am 23. November in Brünn Halt zu machen, um seinen Truppen Erholung zu gönnen und sie zu reorganisieren. Die alliierten Kräfte konzentrierten sich um Olmütz, circa 72 km entfernt von Brünn und waren nun Zar Alexander I. unterstellt. Die große Entscheidung zu Land stand kurz bevor.180

178 Vgl.: Csendes, Opll. 2006, S.92-94; Csendes, Peter. Geschichte Wiens. 2. Aufl. Wien 1990, S.91; Schneid. 2005, S.131; Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.102-104. 179 Nachricht Napoleon I. an Murat, 1805, zit. nach Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 15). 180 Vgl.: Connelly. 2006, S.124; Fremont-Barnes. 2013, S.70-72; Schneid. 2005, S.131-132. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 86 Huber Sebastian

5.7 Die Dreikaiserschlacht bei Austerlitz

5.7.1 Letzte Vorbereitungen und Napoleons List

Die französische Besatzungszeit Brünns wurde von einem damaligen Bürger der Stadt in seinem Tagebuch festgehalten. Vor der Ankunft der ersten napoleonischen Truppen wird vermerkt, wie viele alliierte Kuriere und Militärpersonen eiligst die Stadt durchquerten. Während dem 17. und 18. November wurden zahlreiche Vorräte, Artillerie- und Munitionsteile aus Brünn fortgeschafft, um so wenig wie möglich den Franzosen zu überlassen. Jene Szenen wurden von dem Zeugen wie folgt beschrieben:

„Den 18ten kamen wieder viele hundert Wägen zu Abführung der Vorräthe. Der Lärm – die Bestürzung aller Einwohner Brünns war unbeschreiblich. Alles lief durch einander – packte und versteckte die besten Effekten, und bange Erwartung der Dinge, die kommen sollen, war mit großen Zügen auf jedem Gesichte zu lesen.“181 Am nächsten Tag zog Murat mit seiner Vorhut in Brünn ein, am 20. November folgte der französische Kaiser und bis zum 23. November war das Gros der Grande Armée eingetroffen. Die Soldaten wurden in öffentliche Gebäude, Kirchen, Klöster, Schulen, Gast- und Wohnhäusern einquartiert. Es wurde begonnen Vorräte zu beschaffen, die Ausrüstung nachzubessern und zu vervollständigen. Das alles geschah auf Kosten der Brünner Bevölkerung. Bis zum 1. Dezember sollen über 3.000 Pferde abgegeben, 6.000 Schafe, 4.000 Kühe und Ochsen konfisziert und geschlachtet worden sein. Die Stadt und ihre Umgebung wurden befestigt, dass man bei einem Rückzug eine gute Verteidigungsposition einnehmen könnte. Ab dem 27. November begannen die Armeen sukzessive in Richtung Olmütz abzumarschieren, um ihre geplanten Kampfformationen einzunehmen. In die Stadt Brünn wurden dann Bernadottes Nachhut, darunter auch knapp 7.000 bayrische Soldaten, und die Verwundeten nachgezogen.182

Napoleon hatte bereits am 21. November die gewählte Landschaft des bevorstehenden Kriegsschauplatzes mit seinen Kommandanten erkundet. Im Zentrum davon, knapp 13 km östlich von Brünn, lag eine Anhöhe von 324 Metern genannt Pratzen. Ein paar Kilometer weiter in derselben Richtung lag Austerlitz. Im

181 Unterweeger Kajetan, Auszug seines Tagebucheintrages des 18. November 1805, Unterweeger Kajetan. Im Schatten von Austerlitz. (Skutil Jan Hg.) Berlin 1995. 182 Vgl.: Unterweeger (Skutil Hg.). 1995, S.7-18. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 87 Huber Sebastian

Süden begrenzten zwei Teiche sowie die Städte Menitz, Telnitz und Satschan das Schlachtfeld. Am nördlichen Ende lagen die Dörfer Siwitz, Posorsitz und Kowalowitz. Die gesamte Frontlinie zog sich so über eine Entfernung von mehr als 16 Kilometern, wobei dann schließlich 71.000 Franzosen einer Übermacht von 92.000 Österreichern und Russen gegenüberstehen sollten.183

Napoleon befand sich aus mehreren Gründen in einer kritischen Situation. Er stand unter großem Zeitdruck, denn die alliierten Truppen erwarteten noch zusätzliche Verstärkung und Preußen stand kurz davor in den Krieg gegen ihn miteinzusteigen. Deshalb waren die Franzosen gezwungen eine schnelle, entscheidende Schlacht zu schlagen, was in Unterzahl umso schwieriger war. Ney verfolgte Erzherzog Johann und Marmont war nach Graz marschiert, um Erzherzog Karls Weg abzuschneiden. Davouts Korps wurde nach Pressburg beordert, damit das mittlerweile neutrale Ungarn beobachtet werden konnte. Ferner konnte Napoleon die feindliche Armee in deren gehaltener Position nicht überstürzt attackieren, würde man so nämlich in einen Kampf mit taktischen Nachteilen verstrickt werden. Der französische Imperator musste ein Szenario schaffen, bei welchem zu seinen Bedingungen, in einem von ihm bestimmten Raum gekämpft werden würde. Hierfür musste er sich einer meisterhaft geführten Manipulation bedienen. Am 27. November kam es zu kurzen Kampfhandlungen, als die französische Vorhut von den Russen zurückgeworfen wurde. Dieser Erfolg der Alliierten gab Napoleon die Chance seine Täuschung zu beginnen. Er signalisierte seinen Gegnern Verhandlungsbereitschaft und infolgedessen suchte am 28. November der russische Prinz Dolgoruki, Napoleon auf. Der Kaiser lamentierte über die anstrengende Kampagne und bat um Friedensverhandlungen. In arroganter Manier unterbreitete der russische Adelige den Franzosen überzogene Forderungen, wonach Napoleon die Gespräche abbrach. Der Prinz kehrte zu Alexander zurück und berichtete ihm von der scheinbar aussichtslosen Lage der Franzosen und Napoleons Verzweiflung. Sein Bericht enthielt den Auszug:

„Napoleon ist ein Mann in grauem Rock, der sehnlichst wünscht, mit Sire angeredet zu werden, dem ich aber zu seinem großen Kummer keinen Titel gegönnt habe … Wir wären

183 Vgl.: Cutcliffe Hyne. 2014, S.152; Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.112. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 88 Huber Sebastian

schön dumm, wenn wir noch warten wollten und ihn jetzt, wo er sicher in unseren Händen ist, entwischen ließen!“184 Um seine Irreführung vollkommen zu machen, zog Bonaparte Murat aus Posoritz und Soult nahe Austerlitz zurück und ließ seine Armee auf Höhe des Goldbachs in Stellung gehen. Sogar die militärstrategisch vorteilhafte Pratzen-Höhe wurde aufgegeben. Napoleon rechtfertigte diese Entscheidung wie folgt:

„If I remained master of this fine plateau, I could here check the Russians, but then I should only have an ordinary victory; whereas by giving it up on them and refusing my right, if they dare to descend from these heights in order to outflank me, I secure that they shall be lost beyond redemption.“185 Nur mit Legrands Division aus Soults IV. Korps, besetzte Napoleon seinen rechten Flügel in Kobelnitz, Telnitz und Sokolnitz extrem schwach. Dort wollte er einen Angriff provozieren, mit der verlockenden Aussicht für die Alliierten seine Versorgungslinie nach Wien abzuschneiden. Davouts Korps sollte rechtzeitig eintreffen, um Legrand dann zu unterstützen. Die Konzentration der Alliierten auf Napoleons rechte Flanke sollte ihr Zentrum zum verwundbaren Punkt machen. Dafür hielt Napoleon 30.000 Soldaten hinter seinem eigenen Zentrum bereit, welche vor Schlachtbeginn von dem Feind nicht eingesehen werden konnten. Der Kaiser wollte einen defensiven Eindruck vermitteln, aber keineswegs defensiv bleiben. Im richtigen Moment würde er diese Truppe in den Kampf werfen, damit das Zentrum des Feindes durchbrechen und diesen so in zwei Teile spalten. In der Folge sollte der rechte Flügel der Alliierten von Lannes und Murat nach Süden gedrängt werden. Dort hätte man nun die gesamte feindliche Armee, mit See- und Sumpfgebiet im Rücken, aufgerieben. Die französischen Einheiten wurden am 1.Dezember in ihre jeweiligen Stellungen geschickt. Der Köder war ausgelegt und der Feind hatte ihn geschluckt. Zar Alexander I. „hatte Kutusow gezwungen, eine ausgezeichnete Stellung aufzugeben“186, um genau den von Napoleon beabsichtigten Angriff durchzuführen. Der erfahrene russische Generalfeldmarschall und die Österreicher wollten den Zaren noch von diesem Plan abbringen und rieten ihm, auf Verstärkung zu warten. Alexander I. und sein Befehlsstab, bestehend aus Angehörigen des russischen Adels, schmetterten die Kassandrarufe ab und verfolgten den ausgearbeiteten Plan

184 Prinz Dolgoruki in einem Bericht an zar Alexander I., am 29.11.1805, zit. nach Vallotton, Henry. Alexander der Erste: ein Zar gegen Napoleon. Eine Biographie. Hamburg 1967, S.71. 185 Napoleon I., 1805, zit. nach Cutcliffe Hyne. 2014, S.155. 186 Vallotton. 1967, S.72. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 89 Huber Sebastian

des dazu beauftragten österreichischen Generalmajors Franz von Weyrother. Dessen Grundkonzept sah den massiven Vorstoß auf den rechten Flügel der Franzosen von den Pratzen-Höhen aus vor. Nun konnte nur noch auf den Morgen gewartet werden.187

Die Gefechtsschwerpunkte waren auf drei Bereiche verteilt: dem südlichen Sektor, dem zentralen Sektor und dem nördlichen Sektor. Abbildung 13 zeigt dazu die Ausgangstellungen der beiden Heere um 06:00 Uhr.

187 Vgl.: Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 16-19); Cutcliffe Hyne. 2014, S.149,152-156; Fremont- Barnes. 2013, S.73-78; Vallotton. 1967, S.71-72. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 90 Huber Sebastian

Abb. 13: Die Aufstellung der zwei Heere (02. Dezember 1805 um 06:00 Uhr)188

188 Quelle: Fremont-Barnes. 2013, S.80. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 91 Huber Sebastian

5.7.2 Kampfgeschehen im südlichen Sektor (07:00 Uhr bis 12:30 Uhr)

Der erste alliierte Angriff folgte um 07:00 Uhr auf das Dorf Telnitz und dessen Umgebung durch Buxhöwdens Vorhut der österreichischen Armee, bestehend aus knapp 7.000 Mann. Dieses Gebiet wurde von insgesamt 2.000 französischen Infanteristen und 650 Kavalleristen gehalten. Die Österreicher waren zahlenmäßig überlegen und rechneten mit wenig Widerstand, doch hatten sie die Franzosen unterschätzt. Legrands Soldaten hatten sich in den Weingärten vor der Stadt verschanzt und konnten zwei Angriffe der Österreicher abwehren. Der dritte zwang sie dazu, sich zurückzuziehen und sich in der Stadt neu zu formieren. Brigadegeneral Kienmayers vorderste Einheiten wurden stark dezimiert, weshalb er drei weitere Grenzer-Bataillone anmarschieren ließ. Der nächste Angriff wurde mit starkem Feuer der Franzosen aus befestigten Deckungen empfangen, was die Österreicher zurückwarf. Die Franzosen konnten wieder in die Weingärten vorrücken und Österreich war gezwungen nochmals drei Grenzer-Bataillone einzusetzen. Außerdem waren weitere 3.000 Soldaten der I. Kolonne (= vergleichbar mit frz. Korps) unter Doctorov im Anmarsch. Die Franzosen mussten deshalb Telnitz aufgeben und sich über den Goldbach nach Sokolnitz zurückziehen. Gemäß Plan begann nun die alliierte II. Kolonne unter Langeron die Pratzen-Höhen herabzusteigen, um nach Sokolnitz zu marschieren und dann gemeinsam mit der I. Kolonne gegen Napoleons rechte Flanke weiter vorzugehen. Kurz bevor Kienmayers Truppen die Brücke bei Telnitz über den Goldbach queren konnten, wurden sie von Davouts Vorhut unter Divisionsgeneral Heudelet aus dem Süden überrascht. Diese Armee legte den über 100 km langen Weg von Wien nach Austerlitz in nur einem Tag zurück, weshalb auch nur ein Teil davon rechtzeitig am Kampf teilnehmen konnte. Schnell gelang es das Dorf wieder zurückzuerobern. Die Alliierten setzten nun auf verstärktes Bombardement der Stadt durch ihre Artillerie. Nach einer halben Stunde, es war ungefähr 09:00 Uhr, musste Heudelet sich nach Norden absetzen. Buxhöwden beließ seine übrigen Grenzer-Bataillone in Telnitz und stellte die verbleibenden zwölf Bataillone seiner Einheit auf dem ungeschützten Gebiet Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 92 Huber Sebastian

zwischen Augezd und Telnitz ab, um auf die Einnahme Sokolnitzs durch die II. Kolonne zu warten.189

Abb. 14: Truppenbewegungen im südlichen Sektor (09:30 Uhr)190

Sokolnitz wurde von Oberst Hulot mit 500 Soldaten gehalten und die restlichen sieben Bataillone Legrands befanden sich fünf Kilometer nördlich bei Kobelnitz. Hulots Männer verschanzten sich in einem Obstgarten, im Dorf selbst und in einem kleineren Landschloss. Langeron (II. Kolonne) wollte Sokolnitz nur ungern ohne die Kooperation mit Przbyswskis III. Kolonne angreifen. Nachdem dieser noch nicht vor Ort war, schickte Langeron seine Vorhut mit Unterstützung russischer Artillerie in den Kampf. Verspätet durch matschigen Boden traf Przbyswski gegen 09:00 Uhr ein. Er schickte zwei Bataillone russische Jäger südlich nach Sokolnitz und weitere Teile zur Entsetzung des Landschlosses. In der Zwischenzeit kamen zwei Bataillone aus Soults IV. Korps den Verteidigern zur Unterstützung. Das Landschloss wurde schnell zum Ziel alliierter Aufmerksamkeit und nach kurzen Kampfhandlungen mussten die Franzosen zeitweise ihre Positionen aufgeben. Als russische Jäger dann die freien

189 Vgl.: Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 50-52); Cutcliffe Hyne. 2014, S.161-163; Fremont-Barnes. 2013, S.79-86. 190 Quelle: Fremont-Barnes. 2013, S.82. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 93 Huber Sebastian

Flächen überqueren wollten, wurden sie von französischem Infanteriefeuer zum Rückzug gezwungen, wonach man sich wieder im Schloss positionieren konnte. Langeron und Przbyswski fassten den Plan mit zwei Bataillonen das Schloss zu erobern, mit drei Bataillonen von Norden in das Dorf zu stoßen und mit zwei weiteren Bataillonen Sokolnitz im Süden zu attackieren. Drei Bataillone dienten zusätzlich als Reserve. Diese Übermacht von zehn Bataillonen konnte unter schwerem Verlust die drei französischen Bataillone um 09:45 Uhr zur Aufgabe ihrer Positionen bewegen und sie zum Rückzug nach Westen bewegen. Telnitz und Sokolnitz waren in russischer Hand, jedoch erst nach knapp drei Stunden, was den alliierten Zeitplan durcheinanderbrachte.191

Nach der Eroberung von Sokolnitz begannen sich die I., II. und III. Kolonne der Alliierten zu reorganisieren, da angenommen wurde, dass sich die Franzosen im vollen Rückzug befänden. Buxhöwden hatte das Oberkommando über das Vorgehen der Alliierten im Süden bezogen. Außerdem übernahm er Doctorovs I. Kolonne und verblieb südlich bei Telnitz. Die III. Kolonne verharrte nahe der Baulichkeiten Sokolnitzs. Langeron andererseits, beließ seine Einheiten auf freier Fläche westlich selbiger Stadt und des Goldbaches, was sie verwundbar machte, anstatt sie in die Stadt zurückzuziehen. Das wurde von den Franzosen ausgenützt, indem eine frische Division mit Unterstützung der Artillerie, Langerons Kolonne attackierte. Man war zwar in der Unterzahl, doch das Überraschungselement ermöglichte den Franzosen das Wiedereinsickern in Sokolnitz. Es wurde im Dorf, auf den Flächen zwischen Dorf und Schloss, um das Schloss selbst und im angrenzenden Tierpark gekämpft. Bis 12:00 Uhr dauerten diese Scharmützel und die Alliierten konnten das Dorf, das Landschloss und dessen unmittelbare Umgebung halten. Die Franzosen zogen sich ein Stück nach Westen zurück. Dort gingen sie auf einer Anhöhe in Stellung, von wo aus man den Goldbach überblicken konnte. Die russisch-österreichischen Kommandanten des linken Flügels hatten keine Ahnung in welcher Gefahr sie sich zu diesem Zeitpunkt befanden. Kutusow war kurz davor, vom Zentrum aus, den

191 Vgl.: Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 53); Cutcliffe Hyne. 2014, S.163-164; Fremont-Barnes. 2013, S.86-88. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 94 Huber Sebastian

allgemeinen Befehl zum Rückzug nach Krzenowitz zu geben, was den alliierten linken Flügel komplett offenlegen würde.192

5.7.3 Das Kampfgeschehen im Zentrum (07:00 Uhr bis 12:30 Uhr)

Napoleons Plan für das Zentrum war es, vier Divisionen des IV. und V. Korps gestaffelt nach vorne zu führen. Nachdem diese den Goldbach überschritten hätten, würde Bernadotte nachziehen und sich östlich von Jirzikowitz dem Imperator zur Verfügung halten. Die kaiserliche Leibgarde würde hinter dem Goldbach zurückbleiben und die Reserve darstellen. Die Alliierten hatten ihren Angriff auf Frankreichs rechten Flügel mit ihrer vorgeschobenen Sicherung und drei Kolonnen begonnen. Kutusow schickte die IV. Kolonne unter Miloradovich und Kollowrath erst um 07:30 Uhr zum Dorf Pratze, deren Soldaten damit rechneten, sich ihrem Ziel Kobelnitz relativ rasch bemächtigen zu können. Der Nebel und die 200-Meter Santon Anhöhe versperrten ihnen allerdings die Sicht auf die vier feindlichen Divisionen, die zwischen Kobelnitz und Jirzikowitz auf den Befehl ihres Kaisers warteten. Sobald die III. Kolonne nach Sokolnitz gezogen und außer Sichtweite war, wurde der Angriffsbefehl um 08:00 Uhr durch Napoleon erteilt. Die Franzosen bestiegen so schnell sie konnten die Anhöhe, wobei sie von der Vorhut der IV. Kolonne gesichtet wurden. Es entbrannte ein regelrechter Wettlauf um das Erreichen des Gipfels, knapp 1 km südlich des Dorfes Pratze liegend. Alliierte Truppen erreichten diesen zuerst. Die Franzosen wollten unverzüglich Pratze einnehmen, welches aber von russischen Musketieren gehalten werden konnte. Völlig überrascht schickte Kutusow den Großteil der Einheiten der IV. Kolonne nach vorne. Bald umfassten die Kampfhandlungen auf beiden Seiten bis zu 12.000 Soldaten und konzentrierten sich auf drei strategisch wichtige Punkte: den Gipfel der Pratzen Höhen, das Dorf Pratze und die Stare Vinohrady Höhen. Die besser ausgebildeten Soldaten der Grande Armée brauchten nicht lange, um den Gipfel des Pratzenberges einzunehmen. Das ermöglichte ihnen das Dorf Pratze zu umstellen und die Alliierten daraus zu vertreiben. Es waren keine 45 Minuten seit Napoleons Angriffsbefehl vergangen und dem österreichisch-russischen Heer drohte bereits das Schicksal gespalten zu werden. Der kürzlich verwundete Kutusow erkannte diese Gefahr und bat schleunigst

192 Vgl.: Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 54-55); Cutcliffe Hyne. 2014, S.170; Fremont-Barnes. 2013, S.106-107. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 95 Huber Sebastian

die V. Kavallerie-Kolonne unter Prinz Johann von Liechtenstein und die russisch- kaiserliche Leibgarde unter Großfürst Constantine um Verstärkung. Die österreichisch-russische Kavallerie-Kolonne war jedoch im Norden durch Murat und Lannes in Kampfhandlungen verwickelt worden. Die 10.600 Elitesoldaten waren nun die letzte Reserve einer Armee, die kurz davor stand auseinanderzubrechen. Bis 09:00 Uhr lichtete sich der Nebel und der Kaiser tätigte den berühmten Satz: „Voilà le soleil d’Austerlitz!“193. Zu diesem Zeitpunkt hatte Napoleon bereits die Oberhand auf den Pratzen-Höhen.194

Abb. 15: Truppenbewegungen im Zentrum (09:30 Uhr)195

193 Napoleon I., betreffend den Umstand, dass die Sonne den Nebel lichtete und die feindlichen Bewegungen offenlegte, zwischen 08:00 und 09:00 Uhr am 2. Dezember 1805, Universal Lexikon. Das ist die Sonne von Austerlitz! 2014. Url.: http://universal_lexikon.deacademic.com/225003/Das_ist_die_Sonne_von_Austerlitz! besucht am 15.05.2016. 194 Vgl.: Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 55-57); Cutcliffe Hyne. 2014, S.165-166; Fremont-Barnes. 2013, S.88-94; Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.142-143. 195 Quelle: Fremont-Barnes. 2013, S.89. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 96 Huber Sebastian

Um 10:00 Uhr verteidigten 4.500 Franzosen unter St. Hilaire den Pratzengipfel gegen 4.000 alliierte Kämpfer und das Dorf Pratze wurde ebenfalls von Frankreich gehalten. 5.000 Österreicher waren jedoch noch in der Lage die Stare Vinohrady Höhen gegen Vandammes 7.000 Soldaten zu halten. Für die Alliierten stellte diese Frontlinie das Rückgrat der gesamten Schlacht dar. Würde sie durchbrochen werden, stünde man höchstwahrscheinlich vor einer Totalniederlage. Sich gegen dieses Schicksal stemmend, warf Kutusow die verbleibenden Bataillone der IV. Kolonne in den Kampf, welche kurz vor dem Kollaps der alliierten Linien eintrafen. Zusätzlich lieferte der österreichische Widerstand am Stare Vinohrady, den zurückgedrängten Bataillonen kostbare Zeit, um sich wieder neu zu formieren. Kamensky führte seine sechs Bataillone gegen den Gipfel, welche nach langem Feuerkampf die Franzosen nicht werfen konnten und über 50% ihrer Einheiten verloren. Auch der Angriff von Jurcziks Brigade bei Pratze wurde erfolgreich abgewehrt. Gegen 11:00 Uhr war es den Österreichern nicht mehr möglich den ständigen Angriffen Vandammes standzuhalten und gaben die Kampfhandlungen in diesem Bereich vollständig auf. Um nicht das ganze Plateau preiszugeben befahl Kutusow zwei konzentrierte Offensiven auf den Pratzengipfel. Beide Sturmangriffe wurden durch zielgerichtetes Feuer binnen kurzem beendet. Die Resultate waren der Tod von Generalmajor Jurcziks und der von vielen anderen alliierten Soldaten. Langeron schickte Kamensky um Verstärkung aus der I. Kolonne bei Telnitz zu holen. Um 11:30 Uhr endete der letzte konkrete, alliierte Widerstand auf den gesamten Anhöhen. Eine Stunde später waren die letzten vereinzelten Feinde auf dem Plateau eingekreist und mussten sich ergeben. Kutusow befahl den Rückzug auf Höhe von Krzenowitz und Zbeischow, um sich neu zu formieren. Gegen Mittag war Frankreich, nach nur ungefähr drei Stunden, in vollkommener Kontrolle über das Plateau, denn „superior French training, discipline and skill at arms had told“196. Napoleon verlegte sein Kommandolager auf die Stare Vinohrady Höhen, welche ungehinderten Blick auf das gesamte Schlachtfeld boten. Die erste Phase der Schlacht war geschlagen. Der Feind war entzweit, nun musste er nur noch vernichtet werden.197

196 Fremont-Barnes. 2013, S.105. 197 Vgl.: Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 57-58); Fremont-Barnes. 2013, S.101-105. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 97 Huber Sebastian

5.7.4 Kampfgeschehen im nördlichem Sektor (08:30 Uhr bis 12:30 Uhr)

Prinz Liechtenstein wurde befohlen mit seiner V. Kolonne nach Blasowitz zu ziehen, um dort die Verbindung zwischen Kolowraths IV. Kolonne und Bagrations Vorhut der russischen Armee zu gewährleisten. Letztere platzierte sich in dem Bereich zwischen Kowalowitz und der Straße nach Olmütz, in welchem er verbleiben sollte bis die IV. Kolonne über Kobelnitz hinweg marschiert war. Danach hätte er den linken Flügel der Franzosen angreifen sollen. Constantines kaiserliche Leibgarde befand sich auf erhöhtem Areal zwischen dem Fluss Rausnitz und Blasowitz. Die französischen Truppen standen zwischen dem Santon und Jirzikowitz. In Abstimmung mit den Truppen, welche die Pratzen-Höhen gestürmt waren, zog Lannes Korps in Begleitung Murats Kavallerie um 09:15 auf die Fläche zwischen Bosenitz und Blasowitz. Um 09:30 war es zu ersten Auseinandersetzungen zwischen 1.300 französischen und 1.400 russischen Kavalleristen gekommen. Kurz war es den Russen gelungen die Franzosen zurückzudrängen, doch mit Hilfe französischer Infanterie wurden sie wieder zurückgeworfen und verloren 200 Soldaten. Russische Husaren starteten einen Konterangriff, der zu einem Getümmel ohne klare Gefechtsordnung verkam, wonach sich die Russen erneut zurückzogen. Währenddessen war die Okkupation von Blasowitz das Primärziel, welches von russischer Seite schneller erreicht werden konnte. Ein harter Kampf entbrannte und der Kommandant der Russen forderte sofortige Unterstützung aus Constantines Reihen, ansonsten könnten die Defensivstellungen nicht gehalten werden. Es wurde lediglich ein Bataillon als Verstärkung geschickt. Ein weiteres entsandte Constantine auf die Pratzen-Höhen, um den in Bedrängnis geratenen Kutusow zu helfen. Um 10:30 Uhr hatten die Franzosen genug Infanterie bei Blasowitz angesammelt, um es zu umstellen (Abbildung 16 zeigt die genauen Positionen der Einheiten zu diesem Zeitpunkt). Die Alliierten konnten das Dorf nicht halten und traten die Flucht an. Um 11:00 Uhr besetzten Lannes Soldaten Blasowitz und erbeuteten dabei fünf Kanonen und machten 300 Gefangene.198

198 Vgl.: Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 58); Cutcliffe Hyne. 2014, S.166-167; Fremont-Barnes. 2013, S.95-98; Schneid. 2005, S.138. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 98 Huber Sebastian

Abb. 16: Truppenbewegungen im nördlichen Sektor (10:30 Uhr)199

Eine Stunde zuvor hatte Bernadottes I. Korps den Befehl bekommen, verbündete Kräfte auf dem Pratzenberg zu verstärken und hatte mit dem Anmarsch begonnen. Nachdem Bagration Blasowitz aufgeben hatte müssen, konzentrierte er sich auf Bosenitz. Durch starkes Artilleriefeuer gelang es ihm dieses einzunehmen, was Lannes linke Flanke offenlegte. Deshalb schickte er Truppen zur Entsetzung der Stadt bevor er weiter vorrücken konnte. Nach kurzer Zeit war Bosenitz wieder in französischer Hand. Die Mehrzahl der sich gegenüberstehenden Kavallerie war in intensive Kämpfe entlang der Brünn-Olmütz Straße verwickelt. Gegen 11:30 Uhr setzten sich die französischen Reiter durch und drängten die alliierte Kavallerie über die Rausnitzbrücke zurück. Somit entstand eine Lücke zwischen Blasowitz und Holubitz, die Constantine unbedingt schließen musste, wollte er die Isolierung des rechten Flügels von der Restarmee verhindern. Er ging mit seinen Elitetruppen nun

199 Quelle: Fremont-Barnes. 2013, S.94. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 99 Huber Sebastian

gegen diesen Raum und das Dorf Blasowitz vor und setzte den Franzosen heftig zu. Dem französischen linken Flügel gelang es nicht den alliierten rechten Flügel in der vorgesehenen Zeit nach Süden abzudrängen, wonach Napoleon seine Pläne geringfügig abändern musste. Der Kampf dauerte ungefähr eine Stunde, als Constantine den Befehl von Kutusow erhielt, sich nach Krzenowitz zu verfügen. Die Alliierten evakuierten zu diesem Zeitpunkt die Pratzen-Höhen, um den weiteren Kampf auf dem südlichen Sektor zu entscheiden. Um 12:30 brach Constantine das Gefecht bei Blasowitz ab und folgte Kutusows Anweisung.200

5.7.5 Der Einsatz der kaiserlich-russischen Leibgarde (12:30 Uhr bis 15:00 Uhr)

Napoleon hatte den Feind im Zentrum gespalten und befahl den zwei Divisionen unter St. Hilaire und Vandamme aus Soults IV. Korps, die Pratzen Anhöhe abzusteigen. Sie müssten anschließend kurvenförmig nach rechts einschwenken, um gegen den Feind im Süden zu marschieren. Im Zuge dieser Bewegung trafen Infanterieregimenter Vandammes auf die russische Leibgarde, welche sich am Weg nach Krzenowitz befand. Auf dem freien Gelände hatte die Gardekavallerie leichtes Spiel mit der französischen Infanterie, speziell die berittene Artillerie richtete verheerenden Schaden mit ihren Antipersonenkartätschen an. Die Verluste waren so schwerwiegend, dass die Soldaten der zwei Regimenter fluchtartig den Rückzug antraten. Ihr Weg hinter die eigenen Reihen führte sie über die Stare Vinohrady und somit auch mitten durch des Kaisers Quartier. Dessen Offiziersgefolgschaft befahl den Flüchtenden wutentbrannt den Kampf wieder aufzunehmen. Die einzige Antwort die sie bekamen waren mechanische „Vive l’Empereur!“-Rufe. Napoleon lächelte mitleidig, machte eine abwertende Handbewegung und sprach: „Let them go!“201. Er griff nun auf die Kavallerie seiner kaiserlichen Leibgarde zurück und ließ sie gegen die russische vorgehen. In kürzester Zeit war es Bessières mit seinen chasseurs à cheval gelungen, die von französischer berittener Artillerie geschwächten Husaren des Zaren zu zerschlagen und die Infanterie-Leibgarde ins Visier zu nehmen. Um 14:00 Uhr erreichten die ersten Infanteristen Constantines Krzenowitz, doch die französische Kavallerie konnte ein ganzes Regiment noch vor den schützenden Häusern stellen und vernichten. Dieses Ereignis verschaffte Constantine wiederum

200 Vgl.: Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 62-66); Fremont-Barnes. 2013, S.98-101. 201 Napoleon I, am 2. Dezember 1805, zit. nach Cutcliffe Hyne. 2014, S.171. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 100 Huber Sebastian

Zeit seinen Rückzug weiter zu verfolgen und sieben kaiserliche Kavallerieschwadronen anzufordern. Kurz vor 15.00 Uhr kam es zu einem unkontrollierten Zusammenstoß von Teilen Bernadottes I. Korps sowie der französischen Gardekavallerie mit der verbleibenden russischen Leibgarde. Dieser endete mit einem Rückzug der alliierten Truppenteile, was die endgültige Spaltung ihrer Armee bestätigte.202

5.7.6 Die finalen Phasen (12:30 Uhr bis 16:00 Uhr)

Nach Constantines Abzug aus dem nördlichen Sektor konnten Lannes und Murat die Truppen Bagrations verstärkt attackieren. Der alliierte Befehlshaber hatte seine Einheiten auf einer Linie zwischen Holubitz und Siwitz aufgereiht. Lannes begann auf der einen Seite mit einem Frontalangriff gegen Krug und Holubitz vorzugehen. Auf der anderen Seite ordnete er seinem Divisionsgeneral Suchet an, Siwitz anzugreifen. Siwitz, Holubitz und Krug waren schnell eingenommen, doch der französische Hauptangriff erfolgte erst um 14:15 Uhr. Murat sah sich der alliierten Kavallerie gegenüber und konnte diese nach Kowalowitz zurückwerfen. Suchet attackierte verbissen die Mitte der russischen Linie, wurde aber beim ersten Versuch abgewehrt. Unterstützt durch Murats Truppen konnte diese beim zweiten Versuch um circa 14:30 Uhr durchbrochen werden. Mit hohen Verlusten zogen sich die alliierten Infanterietruppen nach Kowalowitz zurück. Bis zum Ende der Schlacht gab es keine nennenswerten Vorkommnisse in diesem Sektor mehr.203

Im Süden hatte Buxhöwden den Befehl zum allgemeinen Rückzug um ungefähr 12:30 Uhr bekommen, doch er wirkte wie paralysiert und gab keine Befehle an die anderen Kolonnen. Langeron und Przbyswskis waren aufgrund der aktuellen Lageinformation über die Zustände auf den Pratzen-Höhen und dem anhaltenden Widerstand der Franzosen nicht mehr gewillt, die Offensive weiterzuführen. Davout startete kurz nach 12:30 Uhr einen Angriff auf Sokolnitz und drängte Langeron in die Stadt zurück. Zusätzlich musste der alliierte Kommandant 3.000 Soldaten als Unterstützung auf das Pratzen-Plateau abkommandieren. Erbitterte Kämpfe in und um Sokolnitz folgten, wobei auf beiden Seiten jeweils knapp 4.500 Soldaten involviert

202 Vgl.: Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 66-73); Cutcliffe Hyne. 2014, S.170-172; Fremont-Barnes. 2013, S.108-113; S.; Gates. 2003, S.33. 203 Vgl.: Fremont-Barnes. 2013, S.114-117. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 101 Huber Sebastian

waren. Deren Verlauf änderte sich schlagartig, als um 13:30 Uhr vom Pratzenberg aus eine Division Soults IV. Korps das Dorf Sokolnitz anzumarschieren begann. Langeron erkannte seine aussichtslose Lage und trat mit allen Einheiten, die er zusammenhalten konnte, den Rückzug nach Süden an. Um 15:00 waren alle Kampfhandlungen in Sokolnitz eingestellt. Dabei sind die Soldaten der II. und III. Kolonne entweder geflohen oder getötet, verwundet und gefangen genommen worden. Die Franzosen setzten ihren Vormarsch nach Telnitz im Süden fort. Erst als Langeron in Buxhöwdens Quartier eintraf, gab dieser den Befehl zum Rückzug. Er befahl Doctorov mit der ersten Kolonne über den schmalen Dammweg zwischen dem Mönitz und dem Satschan Teich zu schreiten. Er selbst wollte mit seiner Vorhut durch Augezd marschieren, den Littwa Fluss überqueren um dann mit dem Restbestand der IV. Kolonne zusammenzutreffen. Diese Befehle kamen aber zu spät, denn Napoleons Truppen hatten Telnitz bereits um 15:00 Uhr von Westen, Norden und Osten umstellt. Den 12.000 bis 14.000 eingeschlossenen Soldaten blieb nur der Rückzug nach Süden wo man den schmalen Dammweg oder die gefrorenen Seen überschreiten musste. Das wollten die Franzosen nicht zulassen. Sie platzierten ihre Artillerie auf den Anhöhen um die Seen und feuerten auf die Flüchtenden. Unter der Last der Soldaten und ihrer Rösser sowie durch den Artilleriebeschuss brach das Eis. Ein Teil der Soldaten ertrank, einige andere konnten flüchten, aber der Großteil geriet in Gefangenschaft. Abbildung 17 visualisiert die Positionen der einzelnen Einheiten zu besagtem Zeitpunkt. Der von Napoleon angepeilte und so dringend gebrauchte Entscheidungskrieg war damit vollkommen.204

204 Vgl.: Chandler (ebook). 1990, (Kapitel 74-83); Cutcliffe Hyne. 2014, S.174-175; Fremont-Barnes. 2013, S.114-121; S.; Gates. 2003, S.33-34. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 102 Huber Sebastian

Abb. 17: Positionen der französischen und alliierten Truppen (15:30 Uhr)205

5.7.7 Ergebnisse der Schlacht

Genaue Zahlen über den Verlust der alliierten Armee sind nicht bekannt, doch nach modernen Schätzungen müssten sie zwischen 20.000 und 25.000 liegen, wobei ungefähr 11.500 davon in Gefangenschaft gerieten. Den Zahlen, die in den napoleonischen Bulletins de la Grande Armée veröffentlicht wurden, ist nicht zu trauen. Denn diese besagen, dass allein beim alliierten Rückzug über die zugefrorenen Seen 20.000 feindliche Soldaten ertrunken seien. Im Vergleich zu den

205 Quelle: Fremont-Barnes. 2013, S.120. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 103 Huber Sebastian

Verlusten der russisch-österreichischen Armee waren jene der Grande Armée, trotz ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit, beträchtlich kleiner. Gates beziffert sie mit 1.305 Toten, 6.940 Verwundeten und 573 Gefangenen. Napoleon ließ seinen überlebenden Soldaten ausrichten:

„Soldaten! Ich bin mit euch zufrieden: Ihr habt am Tage von Austerlitz alles gerechtfertigt, was ich von eurer Unerschrockenheit erwartete. Ihr habt eure Adler mit unsterblichem Ruhm geschmückt. Eine Armee von 100 000 Mann, von den Kaisern von Rußland und Österreich geführt, wurde in weniger als 4 Stunden zerstreut oder vernichtet. Was eurem Eisen entging, ertrank in den Seen.“206 Alexander I., von großer Enttäuschung geplagt, verließ überhastet den Kampfschauplatz mit dem Überbleibsel seiner Armee in Richtung Ungarn. Franz II./I. unterzeichnete am 4. Dezember einen Waffenstillstand mit Napoleon, da er trotz Erzherzog Karls noch intakter Armee von 80.000 Mann, keinen weiteren Konflikt mehr riskieren wollte. Napoleon Bonaparte hatte am 2. Dezember 1805, genau am Jahrestag seiner Kaiserkrönung, die Dritte Koalition gesprengt.207

Am 7. Dezember kam Napoleon in Wien an, wo er sich mit dem preußischen Botschafter Haugwitz traf, der ihm zum Sieg gratulierte. Eine skurrile Situation, hatte Wilhelm III. von Preußen am 3. November doch einen Vertrag mit den Alliierten geschlossen. Dieser hätte Preußens Kriegseintritt gegen Napoleon am 15. Dezember vorgesehen, falls sich der französische Kaiser bis dahin nicht den alliierten Friedensbedingungen gebeugt hätte. Am 15. Dezember unterzeichnete Haugwitz einen Vertrag mit dem Kaiser, welcher jedoch den zukünftigen Konflikt der beiden Mächte nicht verhindern sollte. Mit den süddeutschen Staaten wurden politische Allianzen geschaffen. Bayern erhielt die Königswürde am 10. und Württemberg diese am 11. Dezember. Baden wurde am 12. Dezember zum Großherzogtum erhoben. Noch war Napoleon aber nicht fertig mit Deutschland. Der französische Außenminister Talleyrand war zuvor, am 4. Dezember, von Napoleon mit folgenden Worten aufgefordert worden, die Bedingungen eines Friedensvertrages mit Österreich auszuarbeiten:

206 Napoleon I., in seinem schriftlichen Aufruf an die Armee am 3. Dezember 1805, zit. nach Wencker- Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.153. 207 Vgl.: Cutcliffe Hyne. 2014, S.175-177; Fremont-Barnes. 2013, S.122-123; Manfred. 1981, S.432; Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.152-153,157-159; Willms. 2007, S.428. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 104 Huber Sebastian

„Sagen Sie den Österreichern, dass man sich, weil man alles auf eine Karte gesetzt hatte und deshalb auch alles verloren hat, sich auf wesentlich härtere Bedingungen gefasst machen muss.“208 Diese wurden am 26. Dezember Österreich vorgelegt, welches „nun die Zeche für den Übermut seines russischen Verbündeten allein bezahlen“209 musste. Talleyrand hatte Napoleon noch gebeten, milde Bedingungen an Österreich zu stellen, damit dessen Status als Großmacht erhalten bliebe, um das europäische Kräftegleichgewicht zu bewahren. Der französische Imperator nahm diesen Rat nicht an, sondern setzte lediglich die Reparationszahlungen auf 90 Millionen francs, umgerechnet 40 Millionen Gulden, herab. Österreich musste zustimmen Venetien, Dalmatien, Istrien und Friaul an das Königreich Italien abzutreten. Tirol und Vorarlberg fielen zudem an Bayern und der Rest Vorderösterreichs wurde zwischen Baden und Württemberg aufgeteilt. Kleinere freie Reichsstädte wurden ebenso in den Herrschaftsbereich der süddeutschen Bündnispartner Napoleons integriert. Durch diese Gebietsabtritte verlor Österreich ungefähr ein Sechstel seiner Gesamtbevölkerung. Die Kampagne nach Austerlitz war es, die Napoleon „die unangefochtene Dominanz über Kontinentaleuropa“210 verschaffte. Er war am Gipfel seiner Macht, was Johannes Willms jedoch als „Anfang vom Ende“211 beschrieb.212

6 Folgewirkungen der Ereignisse von 1805

Die Resultate der zwei großen Schlachten sowie die vorangegangenen Geschehnisse des Jahres 1805 hatten bedeutende und prägende Auswirkungen auf Gesamteuropa auf mehreren Ebenen. Zunächst gestaltete Napoleon sein Grande Empire auf politischer Verwaltungsebene um. Dafür annektierte er Neapel, rief den Rheinbund ins Leben und stabilisierte seine Hegemoniestellung durch ausgewählte Familienpolitik. In militärischer Hinsicht bildete 1805 die Ursache für Bonapartes weiteren Feldzug gegen die verbleibenden Großmächte Preußen und Russland. Schließlich wurde der Mechanismus der Kontinentalsperre verstärkt betrieben, damit

208 Napoleon I., am 4. Dezember 1805, zit. nach Willms. 2007, S.428. 209 Willms. 2007, S.428. 210 Willms. 2007, S.429. 211 Willms. 2007, S.429. 212 Vgl.: Demel, Puschner. 2003, S.44-46,48-51; Fremont-Barnes. 2013, S.72,123-125,127; Manfred. 1981, S.431-436; Schneid. 2005, S.139-141; Willms. 2007, S.428-429; Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.165,171-176. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 105 Huber Sebastian

Großbritannien wirtschaftlich geschadet werden konnte, da Frankreich militärisch dazu nicht in der Lage gewesen war.

6.1 Neue Verwaltungsschritte im Grande Empire

Der Umstand, dass sich das Königreich Neapel dem Bündnis gegen Napoleon angeschlossen hatte, löste beim französischen Kaiser heftigen Unmut aus. Prompt nach dem Sieg bei Austerlitz schritt er zur Tat und proklamierte:

„Soldaten, die Dynastie von Neapel hat aufgehört zu regieren. Ihre Existenz ist unvereinbar mit der Ruhe Europas und der Ehre meiner Krone.“213 Im Zuge dieser Worte sandte er im Januar 1806 seinen Marschall Masséna mit 40.000 Soldaten nach Neapel. König Ferdinand IV. von Neapel, welcher zugleich auch Ferdinand III. König von Sizilien war, wollte gegen Massénas Heer in den Kampf ziehen. Er begann mit den Vorbereitungen einer militärischen Massenaushebung, doch die Alliierten rieten ihm strengstens davon ab. So blieb ihm und seiner Familie nichts weiter übrig, als nach Sizilien zu flüchten. Massénas Armee verfolgte die fliehende Armee des Bourbonen, stellte sie bei Campotenese in Kalabrien und schlug sie vernichtend. Die Restposten Ferdinands Armee ließen ihre Waffen und Geräte zurück, um den Fluchtversuch nach Sizilien zu wagen. Die Unterwerfung Neapels war erfolgreich. Prinz , Napoleons Bruder, übernahm die Königswürde in Neapel am 30. März. In der Zwischenzeit wurden polizeiliche Kommissare eingesetzt, die die höchsten Befugnisse hatten, um die unumstrittene Machtposition Frankreichs innerhalb Neapels zu garantieren. Joseph war eher widerwillig König geworden. 1804 hatte ihn Napoleon bereits das Angebot unterbreitet, König von Italien zu werden. Der ältere Bruder lehnte ab, da er damit seine Hoffnungen auf eine mögliche Nachfolge Napoleons aufgeben hätte müssen. Dieses zweite Angebot konnte Joseph nun nicht mehr ablehnen, ohne sich den Zorn des französischen Kaisers einzuhandeln. Seine Herrschaft über Neapel dauerte auch nur zwei Jahre, denn Napoleon war sehr unzufrieden mit der Arbeit seines Bruders. Englische Landungskommandos konnten eine erfolgreiche amphibische Operation mit 5.000 Mann in Maida im Juli 1806 durchführen. Wegen Sommerfieberausbrüchen mussten die Engländer wieder nach Sizilien zurückkehren, doch sie hatten Unruhen

213 Napoleon I., Proklamation des 27.12.1805, zit. nach Bleyer. 2013, S.24. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 106 Huber Sebastian

und Aufstände innerhalb Kalabriens angefacht. Als Joseph Neapel im Mai 1808 verließ, um König vom kürzlich annektierten Spanien zu werden, trat seine Nachfolge als König von Neapel an. Diesen Titel sollte er bis zu seinem Tod im Jahre 1815 behalten.214

Neapel war nicht das einzige Beispiel für Napoleons Strategie der Familienpolitik. Bereits 1805 hatte er seinen Stiefsohn, Eugène de Beauharnais zum Vizekönig von Italien ernannt. Fünf Jahre später wurde diesem zusätzlich das Großherzogtum Frankfurt zugesprochen. Caroline, Murats Frau, wurde 1806 zur Großherzogin von Berg. Als ihr Mann 1808 zum König von Neapel gekrönt wurde, übergab Napoleon die Großherzogwürde an seinen vierjährigen Neffen Napoleon . Die batavische Republik wurde im Juni 1806 formell zum Königreich Holland umgewandelt, welches an seinen Bruder Louis ging. Jérôme, der Letztgeborene des Bonaparte Clans, regierte ab 1807 das Königreich Westphalen. Elisa Bonaparte und ihr Ehemann Felice Bacciocchi herrschten über die Fürstentümer von Piombino und Lucca. Im Jahr 1809 wurde Elisa zudem noch Großherzogin der Toskana. Die Frage ob Napoleon seine Familienmitglieder zu Herrschern aus Gründen korsischer Familientradition oder aus Gründen der berechnenden Machtverteilung an Vertraute erhob, ist umstritten. Zur Frage um die Bedeutung von Verwandtschaft für Napoleon selbst, fand er folgende Worte:215

„Ich kenne nur solche Verwandten, die mir nützen. Diejenigen, die nicht zusammen mit mir aufsteigen, gehören nicht mehr zu meiner Familie.“216 Ein anderes, spezielles Verwaltungsinstrument Napoleons Herrschaft bildete der 1806 ins Leben gerufene Rheinbund. Schon im Januar dieses Jahres festigte der französische Kaiser sein Verhältnis mit seinen süddeutschen Partnern. Er verheiratete seinen Stiefsohn Eugène de Beauharnais mit der bayrischen Prinzessin Auguste von Bayern. Eugènes Schwester Stephanie wurde mit dem Erbprinz von Baden vermählt und Jérôme Bonaparte ehelichte Prinzessin Katharina von Württemberg. Die Beziehungen waren stabilisiert und Napoleon konnte seinen Plan

214 Vgl.: Bleyer. 2013, S.23-24; Connelly. 2006, S.128; Connelly. 2000, S.239; Davis, John Anthony. and Napoleon: Southern and the European Revolutions 1780-1860. Oxford (u.a.) 2008, S.133-135,137-139,142; Grab, Alexander. Napoleon and the transformation of Europe. New York (u.a.) 2003, S.12 215 Vgl.: Bleyer. 2013, S.26-27; Davis. 2008, S.130-131. 216 Napoleon I., ohne Zeitangabe, zit. nach Bleyer. 2013, S.27. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 107 Huber Sebastian

das Heilige Römische Reich deutscher Nation zu einem „von Frankreich gesteuerten Fürstenbund“217 umzuformen, anfangen zu verwirklichen. Er hatte die größeren Staaten in der Hand, da deren Erwerbungen Napoleon zu verdanken waren und dieser seine Garantien jederzeit rückgängig hätte machen können. Die rechtlichen Rahmenbedingungen des Rheinbundes wurden am 12. Juli 1806 in der Rheinbundakte festgehalten, worin alle beteiligten Fürsten ihren Austritt aus dem Reich bestätigten. Insgesamt waren es 16 Reichsstände, die somit „das Ende des freilich schon lange machtlosen Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation“218 besiegelten. Napoleon Bonaparte wurde zum Protektor über den Bund erklärt und Karl Theodor von Dalberg erhielt die Würde des Fürstprimas. Dem österreichischen Kaiser Franz, der noch immer Kaiser des Reiches war, stellte Napoleon am 22. Juli ein Ultimatum bis zum 10. August 1806 aus, worin er dessen Abdankung als römisch-deutscher Kaiser forderte. Um erneute Kriegshandlungen zu verhindern, legte dieser am 6. August seine Krone nieder und war fortan lediglich Franz I. Kaiser von Österreich. Napoleon nahm diese Kaiserwürde, entgegen aller Spekulationen, allerdings nie an. Bis zum Jahr 1808 waren, bis auf ein paar Ausnahmen, alle deutschen Staaten dem Rheinbund beigetreten. Die Beziehungen zu Frankreich waren aber nicht bei allen gleich. Westphalen und Berg wurden beispielsweise direkt von Frankreich regiert, größere Staaten konnten sich einen Teil ihrer Selbstständigkeit erhalten und kleinere Mitglieder waren beinahe komplett auf Frankreich angewiesen. Eines hatten jedoch alle Rheinbundstaaten gemeinsam und das war die Verpflichtung zu militärischer Assistenz. Für die weiteren Kriegszüge Napoleons musste der Bund Soldaten und Material bereitstellen. Der Bund wurde auch als Durchsetzungsmechanismus der napoleonischen Kontinentalsperre herangezogen. „Der Rheinbund von 1806 bis 1813 blieb in der Realität ein reines Militärbündnis“219, was die verfassungsrechtlichen Hoffnungen Karl Theodors von Dalberg nicht erfüllte. Der Grund dafür war die Weigerung der großen deutschen Staaten Dalbergs Visionen zu unterstützen. Sie betrachteten die Umwandlung in

217 Aretin. 1997, S.525. 218 Niederstätter Alois. Geschichte Österreichs. Stuttgart 2007, S.165. 219 Weis. 2005, S.330. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 108 Huber Sebastian

einen Bundesstaat mit einer gemeinsamen Verfassung als Bedrohung ihrer Souveränität.220

6.2 Der Kriegszug gegen Preußen und Russland 1806/07

Preußen hatte, wie im Vertrag mit Frankreich des 15. Dezembers vermerkt war, Hannover besetzt. Napoleon wollte aber im Februar 1806 Neuverhandlungen. Friedrich Wilhelm III. war darüber sehr erzürnt, doch er stimmte zu. Er durfte Hannover behalten, musste im Gegenzug aber Kleve, Neuchâtel und das Fürstentum Ansbach abtreten. Zudem musste Hannover in die Kontinentalsperre für englische Güter miteinsteigen. Im Sommer 1806 änderte sich die Kriegsbereitschaft des preußischen Königs schlagartig. Erstens hatte er Gerüchte vernommen, dass Napoleon den Briten Hannover als Gegenleistung für Frieden angeboten hätte. Zweitens versicherten ihm seine militärischen Führer, dass die preußische Armee kampfbereit und jener Frankreichs ebenbürtig wäre. Drittens drängte auch der preußische Adel auf eine Konfrontation, da sie ihre Gebiete durch Napoleons Vorgehen im Deutschen Reich gefährdet sahen. Im Juli des Jahres verbündete sich Friedrich Wilhelm III. mit Zar Alexander I. von Russland. Am 9. August wurde die Mobilmachung der 250.000 preußischen Soldaten gegen Frankreich befohlen. Preußen stellte drei Feldarmeen mit insgesamt 145.000 Mann auf und Russland versprach die Beteiligung mit 120.000 Kräften. Der preußische König war siegessicher, doch nach Connelly Owen sah die Situation der preußischen Armee weitaus bedenklicher aus. Mit 52, 60 und 71 Jahren waren die drei Hauptkommandeure Rüchel, Hohenlohe und Brunswick schon relativ alt. Letztere zwei lagen außerdem im Zwist miteinander. Die Entscheidungsfindung sowie die Koordination der Armeen waren schwierig, da jederzeit auf die Ansichten des Königs Rücksicht genommen werden musste. Zudem war der Befehlsstab viel zu groß. Am 26. September sandte Friedrich Wilhelm III. ein Ultimatum, wonach Frankreich die deutschen Gebiete räumen sollte, andernfalls drohe Krieg. Zu dem Zeitpunkt war

220 Vgl.: Aretin. 1997, S.524-528; Gotthard, Axel. Das Alte Reich: 1495 – 1806. 5. Aufl. Darmstadt 2013, S.162-164; Brandt, Kirsch, Schlegelmilch. 2006, S.641-643; Grimm Dieter. Deutsche Verfassungsgeschichte 1776-1866. Frankfurt 1988, S.54-55,59-62; Niederstätter. 2007, S.165-166; Schmidt Georg. Deutschland 1806 – Staatliche Zäsur und nationale Kontinuität? In: Das Jahr 1806 im europäischen Kontext. Balance, Hegemonie und politische Kulturen. (Hgg. Hahn Hans Werner, Klinger Andreas, Schmidt Georg) Köln 2007, S.103-107,109-110; Weis. 2005, S.330-332,336,345- 348. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 109 Huber Sebastian

Napoleon bereits nach Bamberg unterwegs, welches er am 6. Oktober erreichte und sogleich den Oberbefehl über die Armee übernahm. Er verfügte über 180.000 französische Soldaten, unterstützt von knapp 100.000 Kämpfern aus den Rheinbundstaaten. Die sechs französischen Korps wurden von den erfahrenen und erprobten Marschällen Lannes, Ney, Augereau, Mortier, Bernadotte und Davout geführt. Murat befehligte die 20.000 Reserve-Kavalleristen. Friedrich Wilhelm III. beschloss nicht auf die Russen zu warten und setzte seine Truppen in Bewegung. Preußen rechnete nicht mit der schnellen Mobilmachung Frankreichs und wurde überrascht. Am 10. Oktober kam es zu den ersten Kampfhandlungen. Der entscheidende Tag war dann der 14. Oktober, als es zu zwei eigenständigen Schlachten bei Jena und Auerstedt kam. Beide Schlachten wurden von Frankreich gewonnen, obwohl in Auerstedt knapp 27.000 Franzosen beinahe 50.000 Preußen gegenüberstanden. Nach den Schlachten zog Napoleon in Berlin ein und seine Armeen verfolgten die restlichen preußischen Kräfte. Friedrich Wilhelm III. konnte nach Ostpreußen fliehen. Einem Teil seiner Armee gelang es auch sich mit Zar Alexanders Truppen zu vereinigen.221

Napoleon wusste, dass der Krieg noch nicht gewonnen war solange Russland nicht geschlagen und Preußen nicht der Frieden diktiert worden war. König Friedrich Wilhelm III. hatte sich geweigert auf die Forderungen des französischen Imperators einzugehen und verließ sich auf seinen Verbündeten. Den schon ausgezehrten napoleonischen Truppen stand eine harte Winterkampagne bevor. Während den Monaten Dezember, Januar und Februar gab es mehrere kleine Gefechte zwischen den Franzosen und ihren russisch-preußischen Widersachern. Am 8. Februar kam es schließlich zur großen Schlacht bei Preußisch-Eylau, welche zu einer „gräßlichen Schlächterei“222 verkam. Schneefall und Nebel schränkten das Sichtfeld ein und verhinderten schnelle Truppenbewegungen. Auf beiden Seiten kämpften jeweils circa 70.000 Mann, wobei die preußisch-russische Seite ungefähr 25.000 Verluste machte und Frankreich ungefähr 18.000. Die Russen traten zwar den Rückzug an, doch Napoleon und seine Armee waren so geschwächt, dass sie die Verfolgung nicht aufnahmen, sondern bei Thorn ein Winterlager errichteten. Im Mai wurde die

221 Vgl.: Asmus Helmut, Kathe Heinz, Miehe Lutz. Geschichte Sachsen-Anhalts. II. Reformation bis Reichsgründung 1871. München, Berlin 1993, S.88-89; Connelly. 2006, S.128-133; Grab. 2003, S.12- 13; Koch. 1987, S.84-88; Schmid; Spindler. 2003, S.28-29; Wunder. 2001, S.108-109. 222 Tulard. 1989, S.217. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 110 Huber Sebastian

französische Offensive fortgesetzt und am 26. Des Monats konnte Danzig erobert werden. Von dort aus wurde weiteroperiert und am 14. Juni kam es zur Entscheidungsschlacht bei Friedland. Frankreich dominierte die russisch- preußischen Truppen erneut und zwang sie unter großen Verlusten zum Rückzug. Der Feldzug gegen die sogenannte Vierte Koalition war erfolgreich. Napoleon und Alexander I. trafen sich am 25. Juni 1807 bei Tilsit auf einem Floß mitten in der Memel. Die dort getroffenen Vereinbarungen hatten schwerwiegende Folgen für Preußen. Neben hohen Kontributionszahlungen erlitt es einen massiven Gebietsverlust. Auf Pommern, Schlesien und Brandenburg reduziert, verlor Preußen ungefähr die Hälfte seiner Fläche. Das Gebiet zwischen Elbe und Rhein wurde mit einem Teil Hannovers zum Königreich Westphalen. Regiert wurde es von Jérôme Bonaparte. Das neue Herzogtum Warschau erhielt die polnischen Teile Preußens und wurde an Sachsen gegeben, welches die Königswürde erhielt. Daraufhin trat auch Sachsen dem Rheinbund bei. Alexander I. überließ Frankreich die Ionischen Inseln und erkannte die erfolgten Gebietsveränderungen in Europa an. Es wurde ein russisch-französischer Freundschaftsvertrag vereinbart. Die Sympathie der beiden Herrscher für den jeweiligen anderen formulierte Henry Vallotten wie folgt:

„Nach einer Stunde und 53 Minuten erschienen die beiden Herrscher wieder, ein Lächeln auf den Lippen, jeder anscheinend vom anderen entzückt.“223 Am nächsten Tag trafen sich der Kaiser und der Zar nochmals. Letzterer diesmal in Begleitung von Friedrich Wilhelm III., dem Napoleon zu spüren gab, wer der Sieger und wer der Besiegte war. In den kommenden Tagen wurden weitere Treffen abgehalten, wobei über vieles geredet, verhandelt und diskutiert wurde. Auf Sankt Helena erinnerte sich Napoleon zurück:

„In Tilsit waren Alexander und der König von Preußen oft damit beschäftigt, Dragoneruniformen zu entwerfen und darüber zu debattieren, an welchem Knopf die einzelnen Orden getragen werden müssen. Beide glaubten, sie stünden mit den besten Generalen Europas auf einer Stufe, weil sie wußten, wieviel Reihen Knöpfe auf einer Dragonerjacke wären. Ich konnte manchmal kaum das Lachen unterdrücken, wenn ich hörte, wie sie über solche Albernheiten mit einem Ernst sprachen, als ob es sich über den bevorstehenden Aufmarsch von 200 000 Mann handelte.“224

223 Vallotten. 1967, S.79. 224 Napoleon I., ohne Zeitangabe, zit. nach Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.435. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 111 Huber Sebastian

Schließlich wurden die getroffenen Vereinbarungen beim Frieden von Tilsit am 7. Juli 1807 besiegelt. Der letzte verbleibende Feind für Frankreich war Großbritannien.225

6.3 Die Kontinentalsperre

Die industrielle Revolution hatte England voll erfasst. Die Güterproduktion lief auf Hochtouren und gekoppelt mit dem englischen Seehandel wurde großer Gewinn erzielt. Da Frankreich dem englischen Empire nicht durch seine gut ausgebildeten Soldaten schaden konnte, entschied sich Napoleon dafür, eine Kontinentalsperre gegen die Seemacht zu verhängen. Diese untersagte jeglichen Handel und Austausch mit England und seinen Bürgern. Englische Geschäfte wurden geschlossen und britische Staatsbürger wurden auf napoleonischem Gebiet als Kriegsgefangene klassifiziert. Ferner wurden alle englischen Güter konfisziert und der Handel damit strengstens verboten. Die Grundzüge dieser Kontinentalsperre waren schon vorher vorhanden, als Napoleon seine Häfen gegenüber englischen Waren verschlossen hatte. Die konkrete Definition und die genannten Anordnungen wurden gesammelt in einem Dekret unterzeichnet. Dies war am 21. Oktober 1806 im kurz zuvor besetzten Berlin geschehen. Die Vorgaben waren bindend für alle Einflussgebiete Frankreichs und dessen Bündnispartnern. Dänemark verbündete sich Ende Oktober 1807 mit Napoleon und stieg mit in die Sperre ein. England reagierte im November 1807 und blockierte alle Häfen jener Länder, die sich im Krieg mit Großbritannien befanden, für neutrale Schiffe. Napoleon konterte, indem er rigorose Strafen für neutrale Schiffe, die einen englischen Hafen angelaufen waren, verkündete. Im Jahr 1808 verschlossen auch Schweden und Russland ihre Häfen für britische Schiffe und Güter. Auch Portugal, als europäischer Hauptabnehmer Großbritanniens, sah sich einer französischen Invasion gegenüber. Nichtsdestotrotz sollte es Napoleon nicht gelingen die britischen Inseln durch einen Wirtschaftskrieg zu brechen. Dafür gab es mehrere Gründe. In Spanien waren Volksaufstände gegen die durchgeführte französische Besatzung des Landes ausgebrochen, was die dortige Durchführung der Sperre erschwerte. Die britischen Güter waren auch so gefragt in Europa, dass das Schmuggelwesen regelrecht aufblühte. Napoleon konnte zwar den Großteil Europas von dem Handel mit England abhalten, doch war es ihm

225 Vgl.: Demel, Puschner. 2003, S.52-56; Keller Katrin. Landesgeschichte Sachsen. Stuttgart 2002, S.160; Tulard. 1989, S.216-219; Vallotten. 1967, S.76-82; Wencker-Wildberg Hg. (9/10) 1931, S.429- 435. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 112 Huber Sebastian

unmöglich die weit erschlossenen Handelswege und Handelszentren in Übersee zu kontrollieren. Außerdem litten Frankreich und seine Verbündeten selbst an den wirtschaftlichen Einbußen durch die Kontinentalsperre. Letztlich forderte der Fünfte Koalitionskrieg des Jahres 1809 Napoleons volle Aufmerksamkeit. Die Kontinentalsperre wurde noch bis 1812 mit wenig Erfolg weitergeführt. „Napoleons Hoffnung, durch das Berliner Dekret die Britischen Inseln auszuhungern, erwies sich als Fehlschlag“.226

7 Schlussbemerkung

Die europäischen Ereignisse des langen Jahres 1805 sind untrennbar mit dem Leben und Wirken eines Mannes verbunden, Napoleon Bonaparte. Aufgewachsen im vom Frankreich besetzten Korsika musste er schon mit 16 Jahren die Versorgung seiner Großfamilie übernehmen, da sein Vater verstarb und sein älterer Bruder Joseph dazu nicht in der Lage war. Deshalb sah er es als Notwendigkeit an, keine Zeit zu verschwenden und seine Ausbildung möglichst schnell zu beenden, um seiner Familie Geld schicken zu können. Sein Eifer, seine Introvertiertheit und sein enormer Ehrgeiz machten ihn zum Einzelgänger. Nichtsdestotrotz waren dies auch die Eigenschaften, die es ihm ermöglichten sein volles Potenzial als Heerführer und Machtmensch auszuschöpfen. Geprägt durch seine Herkunft, seine Familienverhältnisse und seinen Bildungsweg entwickelte der junge Napoleon die Charakterzüge eines Opportunisten mit Spielernatur. Er neigte dazu, alles auf eine Karte zu setzen und sich den Umständen entsprechend anzupassen, in der Politik, im Privatleben sowie im Krieg. Als fähiger junger Artillerieoffizier begann sein militärischer Aufstieg mit der erfolgreichen Entsetzung Toulons 1793, der ihn in weiterer Folge bis zum Beherrscher von fast ganz Kontinentaleuropa führte. Bei seinen Soldaten war er extrem angesehen und beliebt, denn sie konnten sich mit ihm identifizieren. Napoleon war es auch wichtig sie zufriedenzustellen. Dafür verwendete er Honorierungen und Beförderungen. Der Aspekt, dass er Talent, Einsatz und Können über Herkunft und Abstammung stellte, unterschied ihn von den

226 Nimitz, Potter. 1982, S.144.; Vgl.: Adkins. 2005, S.158-160; Dufraisse Roger. Die „hegemoniale“ Integration Europas unter Napoleon I. In: Geschichte und Gesellschaft. Sonderheft 10: Wirtschaftliche und politische Integration in Europa im 19. und 20. Jahrhundert. (Berding Helmut Hg.) Göttingen 1984, S.38-42; Jones Martin, Simpson William. Europe 1783-1914. New York (u.a.) 2000, S.70-71; Nimitz, Potter. 1982, S.143-144; Tulard. 1989, S.219-221; Wunder. 2001, S.114-118. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 113 Huber Sebastian

restlichen Herrschern Europas. Seine militärische Kampfführung war modern, innovativ und flexibel. Er lehnte die starren, lehrbuchartigen Instruktionen der althergebrachten Kriegskunst ab und verließ sich auf seine Intuition. Die einzige Unvollkommenheit seines umfassenden, militärischen Wissens sollte die Seekriegsführung bleiben, was sich 1805 auch gezeigt hatte.

Napoleon war noch vor der Jahrhundertwende zum erfolgreichsten französischen Feldherrn aufgestiegen. Doch Frankreich befand sich schon im 2. Koalitionskrieg und musste Niederlagen in Italien erleiden. Der junge Offizier, welcher sich gerade auf seiner desaströsen Ägyptenexpedition befand, wurde als „Retter der Nation“ in die Heimat zitiert. Napoleon nützte die Schwäche des regierenden Direktoriums aus und riss mit Hilfe seiner Brüder und der Armee die Macht an sich. Sobald alle politischen Belange des Umsturzes geregelt waren, suchte der nunmehrige Erste Konsul seine Armee auf. Das österreichische Heer wurde mehrmals geschlagen, wonach Kaiser Franz II. 1801 den Frieden von Luneville unterzeichnete. Österreich war bezwungen und Russland hatte sich aus dem Kriegsgeschehen zurückgezogen. Somit war England isoliert. Nach politischen Änderungen im Vereinigten Königreich, entschloss man sich 1802 mit Frankreich den Frieden von Amiens zu besiegeln. Dabei stiegen die Franzosen mit vorteilhafteren Bedingungen aus, doch Napoleons Plan beabsichtigte keineswegs einen gesamteuropäischen Frieden. Er wollte die Hegemonialstellung Frankreichs erweitern. Neben politischen Provokationen gegenüber England, führte der Erste Konsul auch militärische Interventionen in der Schweiz, in der batavischen Republik und in Piemont durch. Zudem wurden die französischen Häfen für englische Güter gesperrt. England reagierte darauf mit einem verzögerten Abzug aus Malta. Die Spannungen zwischen den beiden Mächten schwollen an, bis Großbritannien das Verhalten Napoleons nicht mehr tolerieren wollte und erklärte Frankreich im Sommer 1803 den Krieg. Zu diesem Zeitpunkt hatte England noch keine Verbündeten, doch Napoleon ging mit seiner Kaiserkrönung, der Ermordung des Herzogs von Enghien und seiner Krönung zum König von Italien zu weit. Russland und Österreich stiegen in den Krieg gegen Frankreich im Sommer 1805 mit ein. Die Dritte Koalition war damit gebildet.

Der Krieg gegen diese Koalition wurde zu Wasser und zu Land ausgefochten. Napoleon war das bewusst gewesen und er hatte seine Kriegspläne dahingehend Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 114 Huber Sebastian

ausgerichtet. Nach der Kriegserklärung Englands hatte er eine Invasionsarmee bei Boulogne zusammengezogen, um die Insel zu erobern bevor er sich auf den Landkrieg hätte konzentrieren können. Es war vorgesehen, dass eine französische Flotte aus ihrem Hafen ausbrechen sollte, um eine größere britische Flotte in die Karibik zu locken. War das gelungen, musste die französische Flotte schnell nach Europa zurückkehren, um die Überfahrt der Invasionsarmee nach Großbritannien zu gewährleisten. Allerdings hatten die Briten ihre Blockade der französischen Häfen so gewissenhaft verrichtet, dass Napoleons Seeoffiziere in 1803 und 1804 keine nennenswerten Ausbrüche vollführen hatten können. Ende 1804 war Spanien mit Frankreich in ein Bündnis getreten und hatte es erheblich zu See verstärkt. Im Frühjahr dieses Jahres war es Vizeadmiral Villeneuve gelungen aus Toulon auszubrechen, sich bei Cádiz mit spanischen Schiffen zu verstärken und Richtung Karibik zu segeln. Sobald der britische Admiral Nelson davon erfahren hatte, war er dem Franzosen gefolgt. Als Österreich Anfang August 1805 der Koalition beitrat, befand sich Villeneuve schon wieder auf dem Rückweg nach Europa, um Napoleons Plan auszuführen. Doch nach einem Gefecht mit Vizeadmiral Calder bei Kap Finisterre zweifelte er daran, ob er es in den Ärmelkanal schaffen würde und segelte nach Cádiz zurück. Napoleon war außer sich vor Wut, als er von Villeneuves Entscheidung erfuhr. Er änderte seinen Invasionsplan, wie schon oft zuvor, und befahl seinem Vizeadmiral ins Mittelmeer zu segeln. Dort müsste er in Neapel anlegen, um die französische Landoperation zu unterstützen. Dies konnte der Flottenkommandant nicht durchführen, denn Nelson wartete nur auf dessen Auslaufen. Villeneuve und seine französisch-spanische Flotte wurden bei Kap Trafalgar gestellt und am 21. Oktober 1805 vernichtend geschlagen. Diese Niederlage beendete Napoleons Invasionspläne vollends und garantierte den Briten die Seeherrschaft über Jahrzehnte hinweg. Der französische Imperator hatte aber mittlerweile einen ganz anderen Fokus. Der Landkrieg war schon längst ausgebrochen.

Gegen Ende August, als Napoleon vom Versagen Villeneuves den Ärmelkanal anzusteuern erfahren hatte, war ihm die derzeitige Unmöglichkeit einer Invasion Englands bewusst geworden. Aus Zeitdruck hatte er seiner Landungsarmee den Abmarschbefehl zum Rhein gegeben. Nun betitelt als Grande Armée, hatte sie Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 115 Huber Sebastian

enorme Strecken innerhalb von sehr kurzer Zeit zurückgelegt und war so in der Lage gewesen, die österreichische Armee unter Feldmarschallleutnant Mack bei Ulm einzuschließen. Dabei waren süddeutsche Gebiete als Aufmarschgebiet genutzt worden, welche zuvor Bündnisse mit den Franzosen eingegangen waren. Am 19. Oktober, zwei Tage vor der Katastrophe von Trafalgar, hatte sich Mack ergeben müssen. In der Zwischenzeit war der von alliierter Seite angedachte Hauptkriegsschauplatz in Norditalien zur Nebensache geworden. Nach diesem Erfolg schickte Napoleon seine Armeen voraus, um das russische Heer zu verfolgen, welches seinen Verbündeten nicht zu Hilfe eilen konnte. Die russische Armee zog sich taktisch klug zurück. Endgültig entkam sie, als der französische Reitergeneral Murat beschloss, Wien einzunehmen, anstatt die russische Armee zu konfrontieren. Napoleon tobte aufgrund des eigenständigen Verhalten Murats. Dieser konnte den Kaiser aber beschwichtigen, indem er die Donaubrücke in Wien kampflos und unzerstört einnehmen konnte. Nichtsdestotrotz war es den Franzosen nicht mehr möglich, die Russen abzufangen. Sie vereinigten sich mit anderen russischen Kräften und bezogen bei Austerlitz ihr Lager. Der französische Kaiser richtete sich in Brünn ein und begann am 21. November damit, die bevorstehende Schlacht zu planen. Er musste die Alliierten rasch zum Handeln zwingen, denn einerseits waren diese in der Überzahl und andererseits durfte er keine Zeit mehr verlieren. Preußen rüstete sich bereits für den Krieg und die Soldaten der Grande Armée waren geschwächt von den Strapazen der geführten Kampagne. Durch geschickte Manipulation erreichte er, dass ihn die Russen und Österreicher attackierten, ohne auf weitere Verstärkung zu warten. Er ließ den linken Flügel der Alliierten einen Vorstoß auf seinen rechten Flügel durchführen, nur um dann dessen Frontlinie in der Mitte zu durchbrechen. Der Feind wurde eingekreist und aufgerieben. Nach diesem fulminanten Sieg des 2. Dezembers 1805 stand Frankreich als unumschränkter Beherrscher des europäischen Kontinents fest. Alle anderen Mächte hatten nur noch Nebenspielercharakter.

Das Jahr 1805 war vorbei und Frankreich erstritt sich mit der Austerlitz-Kampagne die Vorherrschaft über Kontinentaleuropa. Dieser Zustand erlaubte es Napoleon seine Hegemonialstellung weiter auszubauen. Neapel wurde kurzerhand besetzt, da es der Dritten Koalition beigetreten war und weil es eine vorteilhafte, geostrategische Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 116 Huber Sebastian

Lage im Mittelmeerraum bot. Um Neapel und weitere seiner errungenen Territorien zu verwalten, setzte er dort Familienmitglieder als Regenten ein. Die deutschen Staaten und Fürstentümer traten in den neugegründeten Rheinbund ein. Das führte dazu, dass Kaiser Franz die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation ablegen musste. Der von Frankreich gesteuerte Rheinbund wurde von Napoleon in erster Linie als Instrument zur Unterstützung seiner Feldzüge genützt. So wie beim neuerlichen Krieg gegen die Vierte Koalition von Preußen, Russland und England der Jahre 1806/07. Preußen hatte aufgrund der Hannover-Frage und der Vorgänge im deutschen Gebiet Napoleon den Krieg erklärt. König Friedrich Wilhelm III. war sich sehr siegessicher, doch sein Heer wurde schon im Oktober 1806 bei Jena und Auerstedt eindeutig geschlagen. Einige seiner Soldaten konnten sich zu den verbündeten Russen retten und Napoleon führte den Feldzug fort. Beiden Seiten stand eine harte Winteroperation bevor. Nach der blutigen Schlacht bei Preußisch-Eylau im Februar 1807 entschlossen sich die Kontrahenten dazu, eine Gefechtspause einzulegen. Im Frühjahr wurden die Kampfhandlungen erneut entfacht und am 14. Juni besiegten die französischen Truppen ein russisch- preußisches Heer entscheidend. Der Friede von Tilsit wurde am 7. Juli unterzeichnet, wobei Preußen auf die Hälfte seiner ursprünglichen Größe verkleinert wurde. Russland trat die Ionischen Inseln ab, bestätigte Frankreichs Gebiete in Europa und schloss mit der Grande Nation einen Freundschaftsvertrag. Somit war der letzte verbleibende Feind Napoleons England. Die Vorherrschaft zu See konnten die Briten behaupten, was Napoleon nun wirtschaftlich zu unterbinden versuchte. Dazu hatte er am 21. November 1806 in Berlin ein Dekret erlassen, welches eine Kontinentalsperre gegen England beinhaltete. Englische Güter wurden konfisziert und der Handel damit war verboten. Alle Bundesgenossen Frankreichs waren verpflichtet dieser Bestimmung Folge zu leisten. Gleichwohl ein Großteil Europas sich dadurch dem englischen Handel verschloss, konnte Großbritannien in diesem Wirtschaftskrieg nicht besiegt werden. Dafür waren der britische Überseehandel, das Schmuggelwesen und die wirtschaftlich-negativen Rückwirkungen auf Europa selbst, ausschlaggebend.

Trotz der Niederlage zu Wasser, kann Jahr 1805 aus Sicht Napoleons als wahrscheinlich erfolgreichstes Jahr seiner Herrschaft bezeichnet werden. Nach Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 117 Huber Sebastian

Austerlitz standen ihm keine wirklich ebenbürtigen Mächte mehr gegenüber. Seine Grande Armée war auf dem Höhepunkt ihrer Stärke, da sie die richtige Mischung aus erfahrenen Veteranen, frischen, jungen Kämpfern und kompetenten Offizieren besaß. Außerdem war die Moral, infolge des niedrigen Söldneranteils und Napoleons Zuwendungen für das Militär, auf einem Höchststand. Was ihm zu diesem Zeitpunkt zum langjährigen Frieden für Frankreich gefehlt hat, war eine langfristige politisch- diplomatische Lösung mit den restlichen Mächten. Mit der Nichtbefolgung Talleyrands Ratschlag, Österreich nach Austerlitz als Großmacht zu erhalten, entschied er sich gegen diesen Weg. Er wollte niemanden auf Augenhöhe dulden, wodurch er seine Machtlegitimation immer wieder durch Kriege beweisen musste. Jedoch nicht, „weil er von seinen Gegnern nicht in Ruhe gelassen wurde, wie von ihm immer wieder behauptet wird, sondern weil er selber nicht anders konnte, als immer weiter Krieg zu führen“227.

227 Willms. 2007, S.89. Das Jahr 1805: Kriegswesen und Militärpolitik Frankreichs unter Napoleon I. 118 Huber Sebastian

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