INSECTA HELWTICA Fauna
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
INSECTA HELWTICA Fauna Herausgegeben von der Schweizerischen Entomologischen Geseilschaft Redigieri von Prof. Dr. W. Sauter DIPTERA von Gerhard Bächtund Hans Burla Zoologisches Museum der UniversitäZüric Mit drei Farbtafeln von Frau C. Hesse-Honegger DRUCK: FOTOROTAR AG, EGG ZH FARBDRUCK: WASER DRUCK AG, BUCHS ZH Drosophilidae 3 EINLEITUNG Es gibt wohl keine grösser Familie von Insekten, die weltweit besser bearbeitet ist als die Drosophiliden. Ohne Zweifel beruht der Vorsprung auf der Bedeutung von Droso- phila fü die Genetik. Nachdem im Jahr 1900 Erbgesetze nochmals entdeckt wurden, wählt der Amerikaner Thomas Hunt Morgan Drosophila melanogaster zum genetischen Ver- suchsobjekt. Zur besonderen Eignung der Art füVersuche im Labor gehört dass sie problemlos und in Massen gezüch tet werden kann und im Durchschnitt alle zwei Wochen eine neue Generation schlüpft der Experimentator muss also nicht lange auf die Ergebnisse von Kreuzungen warten. Unzählig Mutanten, die man aus Wildstämme erhielt oder mittels Zell- giften und ionisierenden Strahlen erzeugte, spalteten nach einfachen Mendelregeln auf und markierten Vorgänge auf Grund deren man die Entwicklung vom Ei bis zur Imago zu verstehen beginnt. D. melanogaster ist ausserordentlich tolerant gegen schlechte Lebensbedingungen, und selbst Mutanten, die erblich stark geschädig sind, bleiben am Leben und pflanzen sich fort. Mittlerweile verwendet man D. melanogaster ausser in der Genetik noch in anderen bio- logischen Fachgebieten, zum Beispiel in Physiologie, Zytolo- gie, Entwicklungsphysiologie, Molekularbiologie, Ethologie und Ökologie Was lag näher als sich auch füandere Gattungen und Arten von Drosophiliden zu interessieren? Der erste Geneti- ker, der dies erfolgreich tat, war A. H. Sturtevant, ein Schüleund Mitarbeiter von Morgan. lm Jahr 1921 berichtete er in einer wegweisenden Schrift übe Drosophiliden von Nordamerika. Schon vorher (1919) hatte er D. simulans als eine neue Art beschrieben, die sich im Aussehen fast nicht von D. melanogaster unterscheidet. Als er beide im Labor kreuzte, erhielt er mit geringem Erfolg Bastarde, von denen die Männche steril, die Weibchen beschränk fortpflanzungs- fähi waren. Damit und weil er im Freien nie Bastarde fand, hat er bewiesen, dass es sich um zwei getrennte Arten han- delt. Hinfort achtet man bei jeder Art auf kleinste Abwei- chungen vom bekannten Aussehen und rechnet damit, dass sie die Existenz einer fast ununterscheidbaren Geschwisterart anzeigen. Ob die Vermutung stimmt, muss allerdings durch Kreuzungsversuche bewiesen werden. Auf diese Weise hat Pomini (1940) in Europa fün Arten der obscura-Gruppe von Drosophila unterschieden - frühe kannte man nur deren drei. Ein anderer fundamentaler Beitrag Sturtevants (1939, 4 Drosophilidae 1942) zur Taxonomie der Drosophiliden bestand darin, die Gattung Drosophila in sechs Untergattungen zu teilen, diese in Artgruppen, wobei er ausser morphologischen Merkmalen auch anatomische beachtete. Indem er konsequent den Merk- malskatalog bei jeder Art anwandte, wurde Sturtevant zu einem Vorläufe der numerischen Taxonomie: sein System war objektiv begründet nicht nur subjektiv. Dem Beispiel folgend, wurden in manchem Teil der Welt Drosophiliden gesammelt, inventarisiert und vergleichend studiert: noch- mals und extensiver in Nordamerika (Patterson 1943, Patter- son & Mainland 19441, sodann in Südamerik (Dobzhansky & Pavan 1943, Frota-Pessoa 1954, Burla 19561, Westafrika (Burla 19541, Japan (Okada 19561, Australien (Bock 19761, Indien (Gupta 19741, in der Schweiz (Burla 1951a1, in den Niederlanden (Sobels et al. 19541, in Schottland (Basden 1954a), Finnland (Hackman 19551, Spanien (Monclus 1964) und Portugal (Rocha Pite 1972). Diese Aufzählun ist nicht vollständig Bis heute wurden rund 2500 Arten unterschieden und benannt, wobei das genetische Verständnis das man bei wenigen Arten im Labor gewonnen hatte, das taxonomische Urteilsvermöge schärft und zur Einheitlichkeit von Begrif- fen beitrug. Es war dann möglich weltweit bei Artgruppen und Gattungen Ãœbereinstimmunge und Unterschiede herauszuarbeiten, wobei auch Chromosomensätz (Wasserman 1982) und Enzyme (Throckmorton 1982) verglichen wurden. Das Ergebnis sind hypothetische Einsichten in stammesge- schichtliche Beziehungen und in die Geschichte der zoogeo- graphischen Verbreitung (Bächl & Rocha Pite 1981). Vor einem solchen Hintergrund entstand der vorliegende Beitrag, der sich aber auf Arten beschränkt die in der Schweiz oder in den angrenzenden Gebieten vorkommen. Von europäische Arten lagen schon ausführlich Beschreibungen vor (Duda 1924, 1934/35), als Burla (1951a) eine erste Monographie übe die Gattung Drosophila in der Schweiz verfasste. Die vorliegende Schrift, die seine nun ablöst ist auf die ganze Familie erweitert, im Konzept neu und neu illustriert. Faunistisch beruht sie auf mehreren Schriften, die seit 1951 erschienen sind (Burla 1961, Bächl 1972a, 1972b, 1973a, 1973b, 1974a, 1974b, 1975a, 1975b, 1977, 1979, Bächl & Nigro 19811, ausserdern auf einer Reihe von Publikationen mit sporadischen Fundmeldungen. Auch wurden Belegtiere in verschiedenen schweizerischen und ausländische Sammlungen berücksichtig (Bächli unveröf fentlicht). Nur die in anderen Schriften am häufigste Drosophilidae 5 verwendeten Synonyme sind aufgeführt Die Bemerkungen zu den Gruppen und Arten (ab S. 38) enthalten nur wenige Literaturhinweise. Einen vollständige Literaturnachweis fin- det man in der Schrift von Bächl und Rocha Pite (1982). Bei der Ausarbeitung und überprÃung der Schlüsse war Herr Ernst Schatzmann beteiligt. Die Abbildungen sind das Werk von Frau Cornelia Hesse-Honegger. Als Vorlage dienten teils Präparate teils lebende Fliegen aus Zuchten. Die Strichzeichnungen sind auf das zu Beachtende beschränkt Bei den Farbtafeln wurden feine Borsten wegge- lassen. An die Kosten flossen Beiträg aus der Hochschul- stiftung der Universitä Zürich der Kar1 Hescheler-Stiftung und dem Zoologischen Museum. Das Manuskript wurde mit der Software SCRIPT auf dem Computer der Universitä Züric druckfertig hergestellt. BIOTOPE Die meisten Arten findet man in Laubwäldern vor allem an feuchten Stellen mit viel Unterwuchs; doch gibt es sie auch in Nadelwäldern Gute Fangerträg hat man an Waldrän dern und in Auenwäldern Hecken, Obstbäum in lockeren oder dichten Bestände und Parks werden von Drosophila auch angeflogen. Auf Wiesen und Rasen kann man Arten von Scaptornyza fangen. Sind solche Stellen nicht viel weiter als etwa 50 m von einem Waldrand entfernt, gehen auch einige Drosophila-Arten ins Netz. Es scheint also, dass die meisten Arten ökologisc an Gehölz gebunden sind, sei es wegen Feuchtigkeit, Schatten oder Nahrung. Arten, die man ausschliesslich oder hauptsächlic in und bei Gehölze fängt nennt man Wildarten. Anders die domestizierten Arten, auch Kulturfolger genannt. Man findet sie - je nach Art - in Küche Keller, Toilette, in Obstgeschäfte und Obstlagern, in Gärten auf Kompost, überall wo Frücht liegen und wo alkoholische oder gärend Getränk offen dastehen. In der Kultur des Men- schen dürfte Drosophila-Arten durch die Hefen, die sie Ãœbertragen eine hilfreiche Rolle bei der Erfindung alkoholi- scher Getränk gespielt haben. Kulturfolger sind D. rnela- nogaster, D. sirnuians, D. funebris, D. busckii, D. irnrni- grans, D. hydei und D. repleta. 6 Drosophilidae Einige wenige Arten halten sich nicht an die Unterscheidung zwischen Wildarten und Kulturfolgern: die Wildarten D. subobscura und D. limbata kommen in Gärten D. subobscura sogar in Häuser vor. Einzelne Kulturfolger - D. funebris, D. melanogaster - entfernen sich aus Sied- lungen, doch gelingt es ihnen anscheinend nicht, in freier Natur beständig Populationen aufzubauen. Der Anteil von Wildarten im Fang charakterisiert den Biotop: wo man nur Wildarten fängt kann man auf ein natürliche Milieu schlies- Sen, wo man auch Kulturfolger im Fang hat, verraten sich Einflüss des Menschen. Bei solchen Rückschlüsswird man auch auf die Anzahl Arten achten: wo es im Vergleich zu anderen Stellen des Gebiets viele Wildarten hat, dürft das Milieu besonders unverdorben sein. Allerdings gibt es ursprünglich Biotope, deren Vegetation monoton ist; sie sind nur von wenigen Drosophiliden-Arten bewohnt. Währen viele Schweizer Wildarten nur in Europa vor- kommen, sind die Kulturfolger geographisch weiter verbrei- tet. D. funebris ist die am weitesten verbreitete Drosophila- Art. Anderen Arten begegnet man in menschlichen Sied- lungen auch ausserhalb Europas. Wir müsse annehmen, Kulturfolger stammten aus anderen Kontinenten und hätte die Schweiz als Begleiter des Menschen erreicht. Ausser bei gärende Früchte und zuckerhaltigen Säfte findet man Drosophila-Arten auch bei und übe Hut- pilzen (Burla und Bächl 19681, wo sie Eier ablegen oder soeben aus der Puppe geschlüpf sind. Doch werden die Imagines der meisten dieser Arten auch vom Fruchtköde angelockt. Scaptomyza pallida ist saprophag und entwickelt sich in abgestorbenen Pflanzen (Maca 1972, Kimura 1976). Die ande- ren europäische Scaptomyza-Arten minieren als Larven in Stengeln und Blätter von Pflanzen, besonders von Kreuzblütler und Leguminosen. Bei massenhaftem Auftreten könne sie wirtschaftlichen Schaden anrichten. Es gibt in Europa noch Arten mit ganz anderer Lebens- weise. Als Räube von gewissen Pflanzensaugern sind die Ac/etoxenus-Arten bekannt; vielleicht lebt auch Gitona distigma räuberisch Die Larve von Cacoxenus indagator ver- zehrt Honig- und Pollenvorrät in Brutzellen von