Von Thomas Westphal zu welchen Ergebnisse seine Absichten führen, wahr- scheinlich ein Held und ein Norwegerpullover ist ein „Was tun? Der Diskurs über Gerechtigkeit wird nur ärmelloses T-Shirt. überzeugen, wenn er bittere Bilanzen nicht ver- schweigt. Warum ist so vieles so schief gelaufen, trotz * des vielen Geldes und noch mehr guter Absichten, von Die Volkspartei SPD genügt sich selbst. Das Attribut der Arbeitsmarkt- über die Bildungs- bis zur Familien- ,,Volk Iässt sich nur noch schwer begründen. Die An- politik? Es ist Zeit für radikale Revisionen, für eine re- kündigungen einer breiten Gerechtigkeitsdebatte flexive Aufklärung der Politik und der Gesellschaft über oder die Streichung des demokratischen Sozialismus sich selbst: Wo und warum sind sie gescheitert? Was aus dem Wortschatz des Grundsatzprogramms sind trauen sie sich als Ergebnis kollektiver Anstrengungen hohle Gebilde. Sie haben mit den gesellschaftlichen noch zu? Wo liegen die Potenziale brach? Die Zukunft Problemen nichts zu tun, sie dienen einzig und allein gewinnt jene Partei (und mit ihr gewinnt dann auch der innerparteilichen Flurbegradigung. Schröder und das Land), die ein inspirierendes Bild von der Zukunft seine Mannschaft wollen mit der Agenda 2010 in ei- hat, ein Bild, das die wirtschaftlichen uns sozialen Kräf- nem Atemzug den Traditionskern der SPD schmelzen, te freisetzt.Visionen? Nie waren sie so notwendig wie Gerechtigkeit und demokratischer Sozialismus sind die heute!" dafür auserkorenen Götzenbilder. Aus der Zerstörung Nein, nein dies ist kein Zitat aus der Rede des Juso- dieser Götzenbilder erhoffen sich Kanzler und Gene- Bundesvorsitzenden auf einem Parteitag, auch kein ralsekretär neue Kraft und Beifall von anderer Seite. Auszug aus einer der letzten Ausgaben des,,FreitagU, Kurzum: Das Vorgehen folgt der Maxime, wenn beide auch in diesem Heft stand dieser Satz nicht zu lesen. Er Volksparteien es schaffen, ihre sozialen Flügel abzu- stammt von Warnfried Dettling, langjähriger führender sprengen, kann sich in der Mitte eine Allianz der Glo- Mitarbeiter des Konrad-Adenauer-Hauses, der heute balisierungsreformen finden, die Deutschland in eine als freier Autor in Berlin lebt. Er veröffentlichte diese neue Prosperität führen kann. Passage in einem Artikel über das Gerechtigkeitsdi- lemma der SPD im Handelsblatt. Während die Mehrheit der Bevölkerung und auch der Aber das Drehbuch hat zwei entscheidende Schwä- Wähler,die ihre Einstellung zur Politik mittlerweile von chen: der Politikverdrossenheit zur Politikverachtung ge- Die siegesbewussten Modernisierer selbst sind es, die steigert haben, die Abwesenheit von Visionen, von in Wahlkämpfen das Ausmaß der Veränderungsnot- Konzepten und Zukunftsplänen genauso beklagt wie wendigkeiten und der sozialen Grausamkeiten verne- Warnfried Dettling, scheint die Parteispitze der SPD beln oder dem anderen in die Schuhe schieben. Schrö- noch immer nach dem Motto zu handeln:,,Wer Visio- der und auch Stoiber haben ihre Wahlkämpfe immer nen hat, sollte zum Arzt gehen!" nur dadurch gewonnen,dass sie ihren Wählern verspro- Die gesamte Volkspartei SPD hat sich in sich selbst zu- chen haben es bliebe im Wesentlichen alles beim Al- rückgezogen.Alle ihreTeile beziehen sich in ihrem po- ten. litischen Handeln nur auf eigene innere Wahrnehmun- Der Bedarf an neuer Orientierung im Lebensalltag, an gen und Aufgaben. Niemand hebt den Kopf und rich- Leitbildern für Familienwerte, Kinderziehung und an tet den Blick auf fernere Ziele, auf den Horizont, den es alltaglicher Gerechtigkeit ist groß, die Republik strei- zu erreichen gilt. Im Parteikarussell geben sich die tet über Kopftücher in der Schule, uber das Erziehungs- Kontrahenten die Stichworte gegenseitig, die Umdre- problem mit Jungen, über Kinderbetreuung und be- hungen pro Minuten steigen kontinuierlich und derTon ruflicher Perspektive für junge Frauen, über Sitte, An- wird rauer bis peinlich. stand und neuen Benimmregeln, das alles ohne eine Sechs Abgeordnete stimmen nicht für eine Gesund- sozialdemokratische Stimme. Schlimmer noch, die heitsreform, die im Konsens mit der CDU/CSU erarbei- nach innen gewendeten Gerechtigkeitsdiskurse der tet wurde und weit über die Beschlüsse des eigenen SPD signalisieren den Wahlern:Kümmert Euch um Eure Parteitages hinausgehen. Gleichzeitig fehlen der Uni- Probleme, wir haben unsere! on bei der Abstimmung über 20 Stimmen. Als,,Feig- Kurzum: Ich befürchte, die eigentlichen Feiglinge sit- linge" und ,,gewissenlose Gesellen" wurden die Ab- zen nicht auf den hinteren Stühlen des Parlaments, weichler anschließend öffentlich an den Pranger ge- sondern weit vorn auf den Regierungsbänken. stellt. Statt aus dem Traditionskern der SPD heraus die Kurzum: Wenn ein Abgeordneter, der einer Gesund- Dringlichkeit der Reformaufgaben zu beschreiben heitsreform nach monatelanger Debatte im Bundes- und sich darüber mit der Gesellschaft auseinander tag nicht zustimmt, obgleich er weiß, dass die Geset- zu setzen, werden Wahlprogramme und Versprechen zesvorlage im Parlament eine breite Mehrheit erfährt, wie Lotterielose mit Gewinnversprechen verteilt. ein Feigling ist, dann ist ein Koalitionär, der seinen Ko- Und diese wirft man bekanntlich gleich in den Mull- alitionsvertrag monatlich nachbessert, weil er merkt eimer. SPW 4 12.003 Burkhard Zimmermann DL21-Jahretsagung:Zwischen Bedeutungszuwachs und Krötenschlucken ...... 4 Dokumentation: Erklärungen von SPD-Abgeordneten zur Abstimmung über den ,,Gesundheitskonsens" ...... 4 Gernot Grumbach Neue Zeiten denken -die Tagung der SPD Hessen-Süd ...... 6 Claudia Tausend, Ralf Mattes Bayern-SPD - Abschied von der Volkspartei? ...... 7 Hans-Joachim Olczyk Schiffbau ist noch mehr als Schiffe bauen ...... 9 Björn Wiele Schill Out! ...... 10

GERECHTIGKEIT Horst Peter, Reinhold Rünker Gerechtigkeit - Einleitung zum Schwerpunkt ...... 11 Olaf Struck Die Gerechtigkeitsdebatte in der SPD - ein Überblick ...... 13 Umverteilen - aber was? ...... 19 Sönke Kluges Was will die SPD heute unter Sozialer Gerechtigkeit verstehen? ...... 22 Niels Annen, Björn Böhning Gerechtigkeit im Generationswechsel ...... 26 Michael Opielka Der Gesundheits"konsens" ...... 29 Michaela Willert Geschlechtergerechtigkeit - Von Leitbildern zu Leidbildern? ...... 31 Gerhard Bäcker Sozialabbau im Namen der ,,Generationengerechtigkeit"? ...... 35

INTERNATIONALE POLITIK Nils Hindersmann, Oliver Lindner, Torben Klant, Sebastian Vollmer, Jan Wagner, Sven-Björn Wieduwilt Die WO-Verhandlungen in der Doha-Runde ...... 39 Thilo Scholle Global Action for Peace - IUSY-Festival 2003 ...... 44 lnken Wiese Der palästinensische ,,Dritte Weg" ...... 46

THEORIE & STRATEGIE Marcel Sachs Die Vermarktlichung der deutschen Gesundheitsversorgung ...... 48 Horst Heimann Die Linke muss die Welt auch interpretieren! ...... 51 Stefan Grönebaum Die Genossen, das Geld und die Gemeinden ...... 53

Rez.: Nach dem Fortschritt (Ingo Zander) ...... 56 Rez.: Armut und Reichtum (Michael Klundt) ...... 57 Rez.: Kritik der reinen Oberfläche (Lennart Laberenz) ...... 58 1 +.* ,..*F@...,...... 4 spw 4 12003 SPD-Linke macht Druck! Die Herbsttagung des Forum DL21 e.V.am 26. und 27.September 2003

Von Burkhard Zimmermann

Einen solchen Medienrummel gabes Perspektivenwie die Bürgerversicherung und von der ParlamentarischenLinken in der Bun- lange nicht bei einem Herbsttreffen der SPD- Erbschaftssteuerzuentwickeln,aufklärerische destagsfraktion und den Abweichlern in der Linken. Musste doch gar die Presse von eini- Arbeit sei zudem erforderlich. Bundestagsfraktion,von der Arbeit in den Par- gen Diskussionen ausgeschlossen werden, Bemerkenswerterweise hat der Parteivor- teibezirken,im Parteirat bis zu den Initiatorln- denn sonst wären wir gar nicht zur inhaltli- stand am darauffolgenden Montag seinen nen des Mitgliederbegehrens. chen Arbeit gekommen.Dieszeigte aber auch Leitantrag nicht abgestimmt. Offensichtlich Festzustellen ist, dass in der Folge der unsozi- deutlich die wachsende Bedeutung einer so- hatten sie Angst vor zu vielen Gegenstimmen alen Politik der rot-grünen Bundesregierung zialdemokratischen Parteilinken in der heuti- in der Öffentlichkeit. Nach der Satzung gibt es und der Wahlniederlagen ein immer ernster gen Zeit. Nachdem sich die Grünen und die damit eigentlich keinen Antrag des PV zum zunehmender Widerstand in der Partei ent- PDS immer stärker aus der Rolle einer gesell- Parteitag. steht. Eines der wesentlichen Beispiele war der schaftlichen Alternative verabschieden, nach- Deutlich wurde in der Diskussion,dass die Par- letzte Parteirat Anfang September.Auch NRW dem die Lokomotive aus dem Bundeskanzler- teilinke in der SPD sehr breit ist und dass es hat erkannt, dass ohne eine Strategieände- amt immer stärker ohne Basiskontakt in ir- gendeine gesellschaftliche Richtung ,,fehln rollt, kommt der Parteilinkeneine noch größe- Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Horst Schmidbauer, Fritz Schösser, Ottmar re Bedeutung zu.Auch ohne Journalisten war Schreiner, Rüdiger Veit, Sigrid Skarpelis-Sperk und zum Gesetzesentwurf der diese Herbsttagung wesentlich besser be- Fraktionen SPD, CDUICSU und Bündnis 901DIE GRÜNENzur,,Modernisierung der Gesetzli- chen Krankenversicherung (GKV Modernisierungsgesetz-GMG) sucht als die vergangenen Tagungen. Gesundheit ist unser höchstes Gut. Deswegen haben die Menschen den Anspruch auf ein hoch- wertiges Gesundheitswesen, das solidarisch und gerecht ist. Mitgliederversammlung der Forum DL 21 Die Unterzeichner anerkennen die Bemühungen der Bundesregierung und der Regierungskoa- Der Freitag stand unter dem Schwerpunkt der lition, diese Aufgabe zu lösen. Der ursprüngliche Koalitionsentwurf war dafür eine gute Grundla- Analyse und Betrachtung der eigenen Arbeit ge. Den jetzt vorliegenden parteiübergreifenden Gesetzesentwurf vom 4. September 2003 kön- und der,,Vereinsarbeit.AlsVorsitzende wurden nen wir jedoch nicht zustimmen. und Detlev von Larcher Die CDUICSU hat es verstanden, den Kranken und Versicherten tief in die Tasche zu greifen und die medizinische Leistung Zahnersatz zu,,privatisieren". Gleichzeitig verstand sie es mehr Wett- wiedergewählt. bewerb unter den Anbietern zu verhindern. Das Ziel einer wirklichen Reform, nämlich eine Ver- Im Rechenschaftsbericht betonte Andrea besserung des Bestehenden, wird damit nicht erreicht.Vielmehr werden wesentliche Grundsät- Nahles die Notwendigkeit,die aktuelle Debat- ze einer sozialen und solidarischen Gesellschaft aufgegeben und die Lasten ohne Notwendigkeit te in der SPD dazu zu nutzen, verstärkt neue einseitig verteilt. Mitglieder zu werben und konnte berichten, 1 .Die mit dem Gesetzesentwurf beabsichtigte Kostendämpfung belastet ungerechtfertigtdiever- dass sich zunehmend regionale Strukturen in sicherten und Kranken mit 17.6 Milliarden Euro,die Anbieterseite aber nur mit 3,5 Milliarden Euro. den Landesverbänden bilden. Die Strukturfehler der Über-,Unter- und Fehlversorgung im Gesundheitswesen ,die vom Bundes- kanzler in seiner Rede vom 14.03.03 mit 20 Prozent beziffert wurden, werden damit nicht einmal Vorgestellt wurde zudem der Antrag der Par- ansatzweise behoben. Der Gesetzentwurf bringt allenfalls eine kurzzeitige Kostenentlastung der teilinken zum Bochumer Bundesparteitag.Die Krankenversicherung. aktuelle Fassung kann im lnternet unter 2.Wesentliche Elemente,die zustimmungsfrei möglich gewesen wären, wie die Positivlistefür Arz- www.forum-dl2l .de abgerufen werden. An- neimitte1,eine wirksame Qualitätskontrolle und eine klare Kosten-Nutzen-Bewertungvon Arznei- drea Nahles erläuterte, dass dieser zwar nicht mitteln werden nicht realisiert. Unser Ziel einer Stärkung des Hausarztprinzips und der integrier- auf alle zur Debatte stehenden Fragen einge- ten Versorgung werden durch den,,Kompromiss" nur noch halbherzig angegangen. he, sondern vor allem längerfristige Perspek- 3. Der vorliegende Gesetzentwurf bedeutet den Einstieg in den Ausstieg aus dem Solidarprinzip. Die,,Privatisierung" der Kosten des Zahnersatzes ist der erste Schritt weg von der Parität, hin zu tiven in Richtung Bürgerversicherung, Umla- einer ungerechten und einseitigen Lastenverteilung.Auch das Solidarprinzip wird mit der Einfüh- gefinanzierung, Erbschaftssteuer zu entwi- rung des Einheitsbeitrages für Zahnersatz ausgehebelt. ckeln suche. Nils Annen, JUSO-Bundesvorsit- Menschen mit geringem Einkommen müssen bei der Gesetzlichen Krankenversicherungebenso- zender, bemerkte hierzu, man müsse in der viel zahlen wie ein gutverdienender Versicherter. Dies ist unsolidarisch. Diskussion eine gewisse Weinerlichkeit ver- 4. Die Belebung der Binnenkonjunktur,die durch die Steuerreform auf den Weg gebracht worden meiden, wenn die Partei zu einer klaren Stra- ist,wird durch die zusätzlichen Belastungen für dieversicherten, wie Zuzahlungen, Leistungsaus- grenzungen und Zusatzbeiträge konterkariert. tegie zurückfinden wolle. Im Moment sei es Der vorliegende Gesetzesentwurf löst die Strukturprobleme im Gesundheitswesen nicht. jedoch so, dass von denen, die noch den Die Unterzeichner treten für eine Weiterentwicklung der Krankenversicherungzu einer Versiche- 2OO2er Wahlkampf mehr gemacht haben, kei- rung für alle Erwerbstätigen,vom Abgeordneten bis zum Freiberufler,ein.Siefordern die Bundes- ner mehr motiviert sei,Wahlkampfzumachen. regierung auf, die Grundlagen für eine solche Reform zu schaffen. Schröder glaube,er habe die Bundestagswahl alleine gewonnen.Gürtel enger schnaIlen,gelt für arme Leute. Niemand sei überzeugt wor- notwendig ist,dieverschiedenen Strömungen rung der Bundespolitik Kommunalwahlen den von der Agenda 201 0. Deshalb gelte es zusammenzufassen und zusammenzuführen, und Landtagswahlen verloren sind. Deshalb gab es einen halben Aufstand im Parteirat wegen der Gemeindefinanzreform. Auf der anderen Seite entwickelt sich ein zunehmend Burkhard Zimmermann, Mitglied im Vorstand von DL21 e. K, lebt in Berlin konstruktiver Widerstand um den Parteibezirk Hesssen-Süd, der im Umfeld des Parteitages Franz Müntefering betonte in seinem Referat, in die Strategie,,da müssen wir jetzt durch" so vom 1. Juni mehrere Konferenzen durchge- die SPD sei nicht eine Partei der Programme, verbissen,dass damit dieZukunft der Partei und führt hatte. sondern des Gestaltens.Solange er die Frakti- des bundesdeutschen Sozialstaates gefährdet Teilgenommen an der Tagung haben auch on führe,ginge diese nie gegen die Bundesre- wird. In der Steuerpolitik wurden irrational die mehrere der sog„Abweichler"aus der Bundes- gierung. Und verschmitzt formulierte er, er Reichen entlastet. Die Folgen sind fatal. tagsfraktion. Einigkeit unter den Teilnehmern wisse wie man dieses täte.Erstrittenes sei nicht In dieser Situation muss die Parteilinke in ihrer bestand in der Ablehnung der Maßregelun- sicher. Der Sozialstaat sei die Antwort auf den ganzen Breite zusammenhalten und Druck in gen der Bundestagsabgeordneten. nationalen Kapitalismus gewesen. Wer rede der Partei und auf die Partei entfalten.Die Auffor- Natürlich bestehen zum Abstimmungsverhal- ten vom 26. September unterschiedlicheMei- nungen, wie es sinnvoll ist, im ab- Erklärung nach 531 der GO der Abgeordneten Horst Kubatschka, Christine Lucyga, Flori- zustimmen. Klar wurde auch, dass wesentlich an Pronold,Rene Röspel, Waltraud Wolff und weitere zur Abstimmung über Punkt 17 der Ta- mehr Bundestagsabgeordnete - auch über gesordnung des Deutschen Bundestages am 26. September 2003: Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz die Linke hinaus - abweichendes Abstimmen - GMG) nicht ausschließen. Unser Land braucht eine Reform des Gesundheitswesens. Die Unterzeichner anerkennen die Ein Blick in unser Grundsatz- bzw.ins Wahlpro- Bemühungen der Bundesregierung und der Regierungskoalitionen, diese Aufgabe zu lösen. Der gramm belegt zudem, wer eigentlich die Ab- als Ergebnis aus den Konsensgesprächen mit der CDUICSU nunmehr vorliegende Gesetzesent- weichler sind.Nur angesichts von Europawah- wurf vom 4.September 2003 erfüllt unsere Ansprüche an eine langfristigwirksame und sozial aus- len im Juni 2004 und 13 Kommunalwahlen gewogene Reform des Gesundheitssystems in weitenTeilen nicht. Die Union hat hier Einschnitte und Landtagswahlen mit leicht zu prognosti- durchgesetzt, die über die auf dem SPD-Parteitag beschlossenen Festlegungen der Agenda 2010 hinaus gehen und gleichzeitig einen angemessenen Konsolidierungsbeitrag der Anbieterseite zierendem Ausgang ist es absolut notwendig, verhindert. Damit werden wesentliche Grundsätze einer sozialen und solidarischen Gesellschaft sich eine Oppositionsfähigkeit und -1egitima- aufgegeben und die Lasten ohne Notwendigkeit ungerecht und einseitig verteilt. tion zu erhalten. 1. Die mit dem Gesetzesentwurf beabsichtigte Kostendämpfung belastet Versicherte und Kran- Der Ausgang der bayrischen Landtagswahl, ke überproportional, die Anbieterseite dagegen kaum. Die Strukturfehler der Über-, Unter- und bei der die CSU in ihrem Wahlsieg immerhin Fehlversorgung im Gesundheitswesen,die vom Bundeskanzler in seiner Rede vom 14.03.03 mit 237.000 Stimmen verloren hat, die SPD aber 20 Prozent beziffert wurden,werden damit nicht einmal ansatzweise behoben.Der Gesetzentwurf fast die Hälfte der Stimmen, spielte eine gro- bringt allenfalls eine kurzzeitige Kostenentlastungder Krankenversicherung. 2. Wesentliche Elemente, die zustimmungsfrei möglich gewesen wären, wie die Positivliste für ße Rolle in der Debatte. Nicht nur die bayri- Arzneimitte1,eine wirksame Qualitätskontrolle und eine klare Kosten-Nutzen-Bewertungvon Arz- schen Vertreter bezogen sich immer wieder neimitteln werden nicht realisiert.Die Ziele einer Stärkung des Hausarztprinzipsund der integrier- darauf. ten Versorgung werden nur noch halbherzig angegangen. 3.Der vorliegende Gesetzentwurf bedeutet den Einstieg in den Ausstieg aus dem Solidarprinzip. Die Herbsttagung Wir befürchten, dass die,,Privatisierungn der Kosten des Zahnersatzes nur der erste Schritt weg Im Mittelpunkt der Debatte am Samstag stand von der Parität und hin zu einer ungerechten und einseitigen Lastenverteilung ist. Das Solidar- die Auseinandersetzung mit dem SPD-Gene- prinzip wird mit der Einführung des Einheitsbeitrages für Zahnersatz ausgehebelt. 4. Der vorliegende Gesetzesentwurf konterkariert wesentliche Zielsetzungen zur Stärkung des ralsekretär Olaf Scholz,der mit seinem Beitrag Wirtschaftswachstums. Die Stärkung der Einkommen und Kaufkraft breiter Bevölkerungsschich- eher enttäuschte. Seine Durchhalterede ba- ten,die durch die Steuerreform auf den Weg gebracht wurde,wird durch die zusätzlichen Ausga- sierte darauf, alle hätten den Aufschwung er- ben für die Gesundheitssicherung konterkariert. wartet, der Sozialstaat werde nicht abgebaut, Mit der Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf beugen wir uns der Mehrheitsentschei- „wir halten uns einen guten Sozialstaat", bes- dung unserer Fraktion. Die Reform des Gesundheitsssystems ist damit für uns jedoch keinesfalls ser als alle Länder um uns herum. Es werde abgeschlossen. Ziel der Reform kann für uns nur eine Bürgerversicherung sein, die die finanziel- ,,beobachtet, ob wir uns durchsetzen". Wir len Lasten der Gesundheitsvorsorge fair und solidarisch auf Teile der Gesellschaft entsprechend verteilt. müssten noch bis zum Jahresende durchhal- ten. Wir brauchen natürlich Diskussion, aber nicht über das, was die Agenda 2010 beträfe. Wir brauchen Mut zur Priorität ,,Bildung" und über europäische Sozialpolitik?Viele spielten derung von Franz Müntefering, kurzfristigweite- befänden uns in einem Sinnfindungsprozess. defensiv, man dürfe jedoch nicht nur im eige- re konkrete Änderungsvorschlägein die Debat- Dieser Analyse wurdevielfältig widersprochen. nen 16-Meter-Raum bleiben.lm übrigen gäbe te um Hartzlll und IVeinzubringen,wurde in den Gernot Grumbach (Bezirksvorsitzender Hes- es für alle Einschnitte Übergangsfristen. Tagen nach der Tagung intensiv genutzt.Ob sie sen-Süd) verwies auf die Defensive, in der wir Er kündigtean,die Fraktion wolle mehr Geld für Anerkennung und Umsetzung finden, be- uns gesellschaftlich befinden.Er beschrieb,wie die Bereiche Bildung,Gesundheit und Wohnen schreibtdie Kehrseitederaktuellen Situation der sich der Widerspruch in der Gesamtpartei aus- mobilisieren.Ende des Jahres sei es mit den Ein- Linken:zu strukturellenÄnderungen an den so- breitet, wie ein Parteibezirk nach dem anderen schnitten vorbei,doch bis dahin müssten Frak- genannten„Reformpaketenuwird es nicht mehr in Opposition zum Gesamtkurs der Partei gehe. tion und Regierung Handlungsfähigkeitzeigen kommen können,weil die Regierungbefürchten Die Parole,,lrgendwann wird es besser" sei für und bei der verabredeten Linie, die der Partei- muss,von ihrer Strategie abzuweichen. Die Lin- die Partei töd1ich.E~sei ökonomisch unlogisch, tag vom 1. Juni beschlossen habe, bleiben. ke ist also zu Korrekturen aufgefordert, ohne Massenkaufkraft abzubauen und die Zerstö- Allerdings sei es noch nie um so viele Details wirklich erfolgreich sein zu können. rung der Binnenkaufkraftzu forcieren, beklag- gegangen wiejetzt.Vieles hängezudem abvon Deshalb gilt mehr denn je, dass wir verstärkt te Uli Maurer (Parteivorstand und Baden- der Entwicklung der Weltwirtschaft. mit zivilgesellschaftlichenKräften in Gewerk- Württemberg). Mechthild Bolik aus Sachsen- Der Fraktionsvorsitzende beschwor die Ge- schaften,Kirchen,Friedensbewegung koope- Anhalt betonte,dass die SPD die Bundestags- schlossenheit der Partei in dieser Situation: rieren müssen.Heute bravsein,gilt nicht,son- wahl vor allem im Osten gewonnen hat und „wer nicht macht, wird nicht recht behalten". dern schadet der Zukunft der demokrati- dass der Osten sich jetzt verlassen vorkomme. Die Menschen würden nurgoutieren,wenn es schen Gesellschaft morgen Die Herbstta- Mit der dritten Generation der Buddenbrooks weitergehe. gung zeigte deutlich, dass eine sozialdemo- verglich Björn Böhning die jetzige Politik der kratische Linke gerade jetzt gebraucht wird Bundesregierung. Deren dritte Generation Fazit einer gelungenen Tagung. und in der Öffentlichkeit Gehör finden kann, habe alles in Schutt und Asche gelegt,was die Auf die sozialdemokratische Linke kommen wenn sie als eigenständige Kraft in der SPD Vorfahren aufgebaut haben. wichtige Aufgaben zu. Die Parteispitze hat sich erkennbar ist. Forum ~~21 II Neue Zeiten denken" Der Kongress,,Neue Zeiten denken" der SPD Hessen-Süd entwickelt Perspektiven

Von Gernot Grumbach

Die südhessische SPD hatte einge- dass eine Politik, die auf Innovationen zur laden und viele sind gekommen.230TeiIneh- Energieeinsparung und Ressourcenscho- mer aus 10 Bundesländern haben am Wo- nung setzt, nicht nur langfristig unvermeid- chenende des 617 September in Frankfurt lich ist, sondern bereits kurzfristig zusätzli- über Perspektiven für die SPD diskutiert. Das ches Wachstum und Beschäftigung ohne Ergebnis von sieben Arbeitsgruppen und 3 Schädigung der Umwelt sichern kann. Not- Foren kann sich sehen lassen.Ziel war es,end- wendig um dies anzuschieben, ist eine Mix lich eine offene zukunftsorientierte Diskussi- aus Ordnungsrecht, langfristig berechenba- on darüber zu führen, wie soziale Gerechtig- ren Abgaben und die Förderung von tech- keit und Solidarität unter heutigen Bedin- nischen und gesellschaftlichen Innovatio- gungen langfristig organisiert werden kön- nen insbesondere im Energiebereich. nen. Breit eingeladen und öffentlich war die Ein wichtiger Schwerpunkt war die Zukunft Veranstaltung ein bewusstes Gegenbild zu der sozialen Sicherungssysteme.Dabei ging der zunehmenden Tendenz der Bundespar- es im Kern um eine Verbesserung der Qua- tung von Konsequenzen für die Geschlech- tei, wichtige Weichenstellungen nur noch lität auf der einen Seite und eine Ablösung ter bei politischen Entscheidungen. hinter verschlossenen Türen zu diskutieren. der Finanzierung von der engen Bindung an In der Schlussrunde mit den drei Landes- Bei dem Kongress ist deutlich geworden, es die Lohnkosten. Kernthema war die Einfüh- vorsitzenden Andrea Ypsilanti (Hessen), gibt eine Reihe von Konzepten, die Probleme rung einer solidarischen Bürgerversiche- Claus Möller (Schleswig-Holstein) und besser lösen können oder weiter in die Zu- rung im Gesundheitsbereich, in die ohne Wolfgang Jüttner (Niedersachsen) und kunft reichen als das chaotische Flickwerk der Beitragsbemessung beziehungsweise mit dem Generalsekretär der SPD Olaf Scholz derzeitigen Bundespolitik. Dazu gehört eine einer deutlicher höheren Beitragsbemes- wurden die Diskussionen im Vorfeld des Wirtschafts- und Finanzpolitik, die bewusst sungsgrenze als heute alle einzahlen und Bundesparteitages noch einmal konkreter. alle Möglichkeiten einsetzt, um zusätzliche mit der alle Einkommensarten erfasst wer- Mit einer Erhöhung der Erbschaftssteuer Beschäftigung zu schaffen. Das fängt an bei den. Darüber hinaus gab es Vorschläge zur bei großen Vermögen soll ein Schritt für einer anderen Zeitplanung für die Haushalts- Reform der Rentenversicherung und zur mehr Gerechtigkeit bei den Steuern getan konsolidierung,die Spielraum lässt für zusätz- Einführung einer Arbeitsversicherung, in der werden. Mit einer Bürgerversicherung, in liche Investitionen, geht über eine Stärkung Zeiten von Arbeitslosigkeit und Qualifizie- die alle den gleichen Anteil ihrer Einkom- der kommunalen Finanzen, mit der Konse- rungsphasen aber auch de Wechsel zwi- men einzahlen soll die Krankenversiche- quenzvon Neuinvestitionenin die kommuna- schen Selbständigkeit und abhängiger Be- rung auf solidarische Weise zukunftsfähig le Infrastruktur und damit zusätzlicher Be- schäftigung abgesichert werden soll.Damit gemacht werden. Und mit einer Korrektur schäftigung über Vorschläge für eine andere würde zukünftig eher Arbeit und Qualifizie- der Gemeindefinanzreform sollen zusätzli- PolitikdereuropäischenZentralbank hin zu re- rung finanziert und nicht Arbeitslosigkeit. che Mittel für beschäftigungsschaffende gionalen Erfahrungen mit einer integrierten Ein weiter wichtiger Bereich waren neue In- kommunale Investitionen gesichert wer- Struktur- und Beschäftigungspolitik. itiativen zur Gleichstellung von Frauen. den. Ein zweiter wichtiger Aspekt ist der Umbau Dabei ging es um eine Doppelstrategie von Einig waren sich alle, dass Verteilungsge- von Wirtschaft und Gesellschaft im Sinne Gleichstellungspolitik auch im privatwirt- rechtigkeit und Teilhabe bzw. Chancen- der Nachhaltigkeit.Hier waren sich Vertreter schaftlichen Bereich und der Durchsetzung gleichheit untrennbar zusammen gehören. von Wirtschaft und Umweltverbänden einig, von Gender-Mainstreaming zur Berücksich- Es gibt eine tiefe Sehnsucht nach Gerechtig- keit in Partei und Bevölkerung. Wer mehr Gerechtigkeit will, muss einfach mehr De- Gernot Grumbach ist Vorsitzenderdersüdhessisc:hen SPD und Mitglied des Hessischen Landtags. mokratie wagen. Forum 01-21

Die Bayern SPD nach der Landtagswahl

Von Ralf Mattes und Claudia Tausend

Am 21. September hat Bayern ei- und eine Zweidrittelmehrheit der Mandate gen Schatten des CSU-Übervater Franz-Jo- nen neuen Landtag gewählt. Die CSU konn- freuen. Dieses Ergebnis ist auch einTriumph sef Strauß (bestes Wahlergebnis: 58.3%) ab- te sich über ein Rekordergebnis von 60.7 % für Edmund Stoiber,dem es gelang,den lan- zuschütteln und gestärkt in die kommen- den bundespolitischen Auseinandersetzun- gen um die Führungsfrage zu gehen. Ralf Mattes, Wahlkampfleitung der SPD München, Claudia Tausend, Wahlkampfleiterin SPD Die Bayern SPD hingegen ist am Boden zer- München stört.Mit 19.6% erreichte sie das schlechtes- te Ergebnis ihrer Geschichte, gleichzeitig kandidaten der Bayern SPD wurde von Stoi- len in Bayern von vorn herein abgeschrie- das schlechteste Ergebnis,dem sich die SPD ber nicht in den Mund genommen, das ge- ben hatte, die Rücksichtslosigkeit der Berli- jemals in Westdeutschland gegenübersah. forderte TV-Duell der Spitzenkandidaten ner Ankündigungspolitik in der Gesund- Alle 92 Direktmandate gingen verloren kommentarlos verweigert. Der Gegner von heits- und Rentenpolitik oder bei der Ge- (1998 noch 5 von damals 102 in den Bal- Stoiber saß und sitzt in Berlin. So schrieb meindefinanzreform, die die bayrischen lungsräumen München und Nürnberg ).Der denn auch am Wahlabend niemand die ver- Kommunalpolitiker aller Parteien auf die Landtagsfraktion werden künftig noch 41 heerende Wahlniederlage der SPD dem bay- Barrikaden treibt. Handwerkliche Mängel statt 67 Abgeordnete angehören. Der Status rischen Spitzenkandidaten, der ,,tapfer in bei der Umsetzung von Reformvorhaben der SPD als Volkspartei ist existenziell ge- aussichtsloser Position gekämpft habe" zu, wurden attestiert, Kommunikations- und fährdet,in manchen Regionen bereitsverlo- sondern Kommentatoren,Wahlforscher und Vermittlungsprobleme thematisiert, aber ren: ganze Landstriche bleiben ohne sozial- die Sieger der CSU sprachen von einer,,Ohr- auch der Kurs der rot-grünen Regierung als demokratische Vertretung. Die Rückwirkun- feige für Schrödern,von einer,,Quittung,die Ganzes in Frage gestellt. Erste Analysen der gen auf die Finanz- und Organisationskraft die Bundesregierung für ihre verfehlte Poli- Wählerwanderungen haben gezeigt, dass können noch gar nicht abgeschätzt werden, tik bekommen habe". Staatskanzlei-Chef der Rückgang derwahlbeteiligung von 12.5 auch wenn die Generalsekretärin Susanne Erwin Huber rief Schröderzum,,Verlierer des % auf 57.3 % vor allem zu Lasten der SPD Biedefeld spontan erklärte, dass ein Verlust Tages" aus, GeneralsekretärThomas Goppel ging. Die SPD verlor insgesamt ein Drittel des Jahresetats in Höhe von 6%für den Lan- sah in dem Wahlergebnis einen,,Wählerauf- ihrer Wähler, gleichermaßen bei der klassi- desverband verschmerzbar wäre. Die Unter- trag, in Berlin für Ordnung zu sorgen" und schen Stammwählerschaft der Arbeiter und gliederungen, die künftig auf die Unterstüt- Gattin Karin Stoiber erklärte:,,Von Bayern Kleineren Einkommen wie auch bei jünge- zung von 25 Abgeordneten,deren Abgaben geht die Kraft aus". ren Menschen und Frauen. und Mitarbeiterapparat verzichten müssen, Kanzler Schröder hingegen verzichtete am Wie bereits zuvor bei den Landtagswahlen werden dies anders sehen. Wahlabend auf einen Auftritt vor den Fern- in Hessen und Niedersachsen zeigte sich Die gesamte Opposition im Bayrischen sehkameras und überließ es Generalsekre- auch in Bayern, dass die Verunsicherungen Landtag ist empfindlich geschwächt. FDP tär Scholz den Bayern zu kondolieren und über die Belastungen durch die Agenda und Freie Wähler konnten zwaran Zuspruch gewinnen,scheiterten aber an der Fünf-Pro- zent-Hürde. Die Grünen gewannen zwar zwei Prozent, erreichten aber mit 7.7% we- niger als von ihnen erhofft und verloren zudem einige etablierte Kräfte die aufgrund des stark persönlichkeitsbezogenen Zweit- stimmenwahlrechts von Neulingen wie der ehemaligen Schauspielerin und Tierschutz- aktivistin Barbara Rütting überholt wurden. Auch die SPD verlor namhafte Leistungsträ- ger, darunter mehrere Ausschusssprecher und - besonders bitter - als einen der we- nigen jüngeren Hoffnungsträger den parla- mentarischen Geschäftsführer der Fraktion. Noch in den letzten Wochen hatten alle Oppositionskräfte - an der Spitze die SPD - unabgesprochen versucht, die Angst vor ei- ner Zweidrittelmehrheit der CSU zu schüren und dadurch die eigenen Lager zu mobili- sieren - vergebens. Nach vierzig Jahren Al- dem bayrischen Spitzenkandidaten für sei- 2010 ehemals SPD-nahe Wählerschichten leinherrschaft der CSU schreckt diese neue ne ,,großartige Arbeit" zu danken. Er hieß massenhaft in die Wahlenthaltung,teilweise Dimension der Allmacht einer Partei nicht übrigens Franz Maget. auch ins konservative Lager treibt, ohne mehr,zumal die Zweidrittel-Mehrheit in ers- Während des gesamten Wahlkampfes hatte dass dieser Verlust durch einen Zugewinn ter Linie Einfluss auf die parlamentarische sich das Spitzenpersonal aus Berlin auffal- an anderer Stelle kompensiert werden Geschäftsordnung hat und keine für die lend zurückgehalten, was im übrigen kaum konnte Bürgerinnen und Bürger unmittelbar spür- jemand bedauerte. Die wenigen Auftritte Die Stellungnahme der Bayern SPD am baren Folgen. von Kanzler Schröder wurden lustlos als Wahlabend lautete dementsprechend: Weder der totaleTriumph der CSU noch die Pflichtprogramrn absolviert und trugen „Wir haben in einem Umfeld gekämpft,das vernichtende Niederlage der SPD kamen nicht zur Besserung der Stimmung bei. Die noch nie so schwer war.Viele sind verunsi- ganz überraschend: die Strategie der CSU angereisten Bundesminister Clement und chert über den Kurswechsel der Bundesre- setzte darauf, ein ,,Signal an Berlin" (Plakat- Stolpe belehrten den Spitzenkandidaten gierung in Anbetracht des Reformbedarfs. motiv der Schlussphase) auszusenden und und die Bayern SPD,die sich in Einzelfragen Es ist uns auch nicht gelungen, landespoli- damit dem Wähler die Gelegenheit zu ge- behutsam von der Regierungspolitik abzu- tischeThemen in den Mittelpunkt der Wahl- ben, die rot-grüne Bundesregierung in Ber- grenzen versuchte, über die Richtigkeit ihrer auseinandersetzung zu stellen. Die Bundes- lin für ihre Politik in einer Denkzettelwahl Reformvorhaben, die ihre positive Wirkung politik hat alles überlagert. Viel unserer abzustrafen. Das Leitmotiv der Wiederho- schon noch entfalten würden, wenn man Wähler sind nicht zur Wahl gegangen und lung der Bundestagswahl, die von Stoiber nur lange genug abwarten würde. So kon- haben uns damit abgestraft." nie verkraftete Niederlage 1998 wettzuma- zentrierte sich denn die erste Wahlanalyse An dieser Stelle könnte man jede Wahlana- chen, ihn nachträglich als eigentlichen Sie- der innerparteilichen Gremien zunächst auf lyse beenden,wenn man glaubte,dass allein ger zu legitimieren und ihm eine zweite den Beitrag der Bundespolitik zum Wahler- der Bundestrend für die vernichtende Wahl- Chance einzuräumen,durchzog den ganzen gebnis.Viel kritisiert wurde das Desinteres- niederlage der Bayern SPD verantwortlich Wahlkampf der CSU. Der Name des Spitzen- se der Bundespartei, die die Landtagswah- wäre und man sich so in guter Gesellschaft mit der niedersächsischen und der hessi- noch realistisch, zumal sie auf die Abtren- legung einiger weniger Themenbereiche schen SPD, die aus einer günstigeren Aus- nung der Bayern SPD von der Bundesorga- und die Zuspitzung dieser auf für Wähler- gangslage dramatisch abstürzte, befinden nisation hinausläuft. Auch die Wahl von Re- innen und Wähler verständliche Aussagen. würde. Tatsächlich sitzt der Wahlverlierer nate Schmidt als bekannter und beliebter Wirft man einen Blick auf die Kompetenzen, aber nicht nur in Berlin,sondern auch in Bay- Spitzenpolitikerin zur Landesvorsitzenden die der SPD von den Wählern zugestanden ern.Zumindest der LandesvorsitzendeWolf- und zweimaligen Spitzenkandidatin führte werden, kann man erkennen,welche Herku- gang Hoderlein teilte diese Einschätzung.Er nur zu einem vorübergehenden Zwischen- lesarbeit hier auf Landesverband und Land- übernahm die Verantwortung, zog am Tag hoch bei den Wahlen 1994. Die sich von ihr tagsfraktion zukommen: gleich ob es sich nach der Wahl die Konsequenzen und trat als Person angesprochenen fühlenden Wäh- um Wirtschaftspolitik, um Arbeitslosigkeit zurück. Weitergehende Forderungen nach lergruppen, vor allem jüngeren Frauen, oder Zukunftskonzepte handelt,die Kompe- Rückzug des gesamten Führungspersonals, konnten nicht dauerhaft gebunden werden. tenzzuweisungen der Bayern SPD liegen bei das während der Dauer des ganzen Land- Dennoch: der Wunsch nach einem ,,Heils- unter 10% und damit 50 % hinter der CSU. tagswahlkampfes nicht in Erscheinung trat, bringer" durchzieht auch jetzt wieder die Selbst in der Bildungspolitik liegt der Ab- weder Inhalten noch Strategien ausgab und Debatte um die Zukunft der Bayern SPD,die stand zwischen SPD und CSU bei 30%. Hin- die wahlkämpfende Partei schussendlich Hoffnung auf einen, der es ,,schon wieder ter diesen Werten zeigt sich das ganze Aus- allein ließ, wurden überhört. richten" würde,ohne allzu tief in die Befind- maß der Versäumnisse der Oppositionspo- Die Bayern SPD muss sich seit dem 21. Sep- lichkeiten und lieb gewonnenen Gewohn- litik in der Landtagsfraktion wie in der Par- tember nicht zum erstenmal mit dem heiten einer Partei einzugreifen, die es sich tei und die Aufbauarbeit,die jetzt in Angriff schlechtesten Wahlergebnis ihrer Geschich- in der Opposition über die Jahre eingerich- genommen werden muss. te auseinandersetzen.Bereits die 28.7 % bei tet hat. Wenn Franz Maget, dem nun diese Ein Baustein für das Gelingen dieser Aufgaben der Landtagswahl 1998 waren ein histori- Aufgabe angetragen wird, Zurückhaltung wird die grundsätzliche Neukonstruktion des scherTiefststand,der bei den Europawahlen zeigt, so ist dies nachvollziehbar. Mit einem Landevorstands sein, der gelähmt durch Regi- 1999 mit knapp über 21% noch einmal reinen Auswechseln von Personen wird es onalproporz und schiere Größe, bisher vor al- deutlich unterboten wurde. Es folgten ohnehin nicht getan sein. So einigte sich lem durch eigene Nabelschau, Unverbindlich- 26.1% bei der Bundestagswahl 2002 und denn der Landesvorstand auch darauf, die keit und Nichtstun auffiel. Die von den Unter- jetzt der Absturz auf unter 20 %.Damit nä- Führungsfrage zunächst offen zu lassen und gliederungen über die Jahre viel gerügte Auf- hert sich die Bayern SPD als Ganzes einer erst auf einem Sonderparteitag Anfang sichtsratsmentalität und organisierte Verant- Marke, die 2002 in einem der schwächsten nächsten Jahres zu entscheiden. Leider wortungslosigkeit muss durch eine straffere bayrischen Bundeswahlkreise vom Juso- steht zu befürchten, dass auch andere Fra- Organisation der Vorstandsarbeit mit klarer Vorsitzenden und Bundestagskandidaten gen auf Dauer unbeantwortet bleiben. Aufgabenstellung und Kompetennuordnung erreicht wurde, der sich Kaum jemand traut der jetzt vom Landes- überwunden werden. Und ganz entscheidend damals für dieses Wahlergebnissesvom spä- vorstand bestimmten Überganglösung aus für diesen Prozess: noch immer besteht mehr teren Spitzenkandidaten als,,Protagonisten den drei stellvertretenden Landesvorsitzen- als die Hälfte des Landesvorstands aus amtie- des Projektes 18" verspotten lassen musste. den mit dem in Berlin an vielfachen Fronten renden Bundestagsabgeordneten,ehemaIigen Tatsache ist, dass es der Bayern SPD seit 40 kämpfenden Landesgruppenchef Ludwig Bundestagsabgeordneten und solchen, die es Jahren nicht gelingt, die Gleichung CSU = Stiegler an der Spitze zu, positive Ansätze noch werden wollen. Künftig ist die Arbeit des Bayern aufzulösen. Der in den 70er und 80er zur Lösung des Kernproblems der Bayern Landesvorstands von der starken Konzentrati- Jahren gestartete Versuch, das,,Andere (wie SPD zu entwickeln. Nötig wäre nämlich die on auf die der Vertretung - weniger der politi- auch immer geartete) Bayern" zu definieren, Formulierung eines erkennbaren gemeinsa- schen als der persönlichen- Interessen der Lan- konnte keine neuen Wählerschichten er- men sozialdemokratischen Projekts. Diese desgruppe im Bundestag und ihrer Exponen- schließen, sondern verprellte eher noch erfordert als erstes die Verzahnung der ten zu lösen. Nur so kann die nötige Kraft ent- Wohlmeinende, die sich ihr Heimatland bisher völlig unabhängig voneinander agie- wickelt werden, um langfristig ein Profil als nicht madig machen lassen wollten. Die renden Ebenen von Landtagsfraktion, Lan- glaubwürdige politische Alternative zur CSU jetzt in den Feuilletons wieder aufflammen- desgruppe im Bundestag und Kommunal- auszubilden und den Status der CSU als wahr- de Strategie, die darauf setzt, aus der,,rotenU politik, die Einbindung der wenigen profi- scheinlich letzter Hegemonialmachtin derfrei- eine,,weiß-blaue" SPD und damit eine,,bay- lierten und erfolgreichen Einzelfiguren vor en Welt zu brechen. Forum ~~21 rische" Partei zu machen ist weder hilfreich allem aus der kommunalen Ebene,die Fest-

Schiffbau ist noch mehr als Schiffe bauen 0der:Strandet die EU in Südkorea?

Von Hans-Joachim Olczyk,

In der Debatte um die neoliberale er Arbeitsplätzezu bemühen,als durch Leis- in Deutschland zu produzieren.Konzeptions- ,,Agenda 2010" gab es nicht wenige,die an- tungskürzungen bei Arbeitslosen und Be- losigkeit in der Wirtschafts- und Strukturpo- merkten, ob es nicht besser sei, sich um die schäftigten die Arbeit hier so billig machen litik ist die eine Ursache dafür. Beispiel Schiff- Sicherung bestehender und Schaffung neu- zu wollen, dass es sich wieder,,lohnenU soll, bau:,,Beim Schiffbau", so Clement bei einem Besuch auf der Lloyd-Werft in Bremerhaven im Mai 2003,,,reden wir jedoch von einer In- dustrie, die Chance hat - wenn die Wettbe- Hans-Joachim Olczyk, Unternehmensberater, Bremen werbsbedingungen weltweit gleich wären." Forum Bemakra

Clement versprach auch künftige Hilfen,die ,,Der maritime Sektor ist unter industriepo- Stärkung der Kooperationen der maritimen jedoch so gestaltet werden müssten, dass litischen Gesichtspunkten eines der zentra- Wirtschaft insbesondere in ihrer Klein- und sie vor der EU Bestand haben. Künftige Hil- len Zukunftsfelder des 21 .Jahrhunderts.Die mittleren Unternehmensstruktur verbes- fen -gemeint sind damit die,,BeihilfenJ'von maritimen Wirtschaftszweige sind in hohem sern, fördern und stützen. Kooperation ist 6%, die nach den EU-Wettbewerbsrichtlini- Grad technologieintensiv. Schlüsseltechno- das Stichwort:Es geht um Kapitalbeteiligun- en bei der Finanzierung von Aufträgen logien aus der Elektronik, Informatik, Logis- gen oder Zusammenschlüssenvon Werften, durch die Landes- und Bundesregierungen tiksowie der Antriebs- und Werkstofftech- engerer Kooperation bei Forschungsvorha- gestellt werden dürfen.,,Nur der Protest von nik kommen im Schiffbau, der Schifffahrt ben und technologischen Entwicklungen, 120.000 Werftbeschäftigten im Jahr 1999 und Hafenumschlag zum Einsatz. Die mari- der Nutzung gemeinsamer Qualifizierungs- und der ständige Druck des europäischen time Industrie kann für diezentralen Proble- und Trainingseinrichtungen, der engeren Gewerkschaftsdachverbandes EMB hat es me der Energieversorgung und der Umwelt Abstimmung mit Zulieferern und Reedern überhaupt möglich gemacht, dass über die und Verkehrspolitik Fortführung der Schiffbauhilfen in Europa Antworten geben .- - positiv entschieden wurde," so Heino Bade auf die drangenden von der IG Metall Küste.,,Es gibt da immer strukturpolitischen ein fürchterliches Gezerre im Ministerrat. Probleme Europas. In #-+- W Und die Genehmigung der Hilfen für den dieser Hinsicht kann i Schiffbau bedeutet dann nicht,dass sie auch sich die maritime gewährt werden. Das mussten wir in den Produktion mit der meisten Küstenländern - aufgrund der an- Luft- und Raumfahrt- gespannten Haushaltlagen - auch immer industrie messen.," wieder durchsetzen." Das Jahr 2003 konn- so Bezirksleiter IG ten diese Hilfen für zukünftige Aufträge zum Metall Küste, Frank Teil gar nicht voll ausgeschöpft werden. Der Teichmüller. Die Hintergrund: Eine Auftragslücke, die sich Struktur unterschei- , schon im Jahre 2002 abzeichnete, konnte det sich allerdings 1 nicht gefüllt werden. In 2003 wurden auf fundamental. Auf 1 europäischen Werften nur noch 7 % der über 200 EU-Werften I",? weltweit vergebenen Aufträge platziert - werden heute See- gerade deutsche Reeder lassen lieber in schiffe gebaut undloder repariert. Die bis hin zu gemeinsamen Einkaufs- und Mar- Südkorea bauen.Der Grund:Dort gibt es die durchschnittliche Betriebsgröße einer euro- ketingaktivitäten. Schiffe zu Dumpingpreisen. Wie die EU- päischen Werft liegt bei 500, das Nebenein- Die Werften in Deutschland und der EU Kommission im Mai 2003 feststellte, liegen ander von kleinen und großen,privaten und brauchen eine politische Initiative zur Stär- die Preise der Schiffe in einigen Bereichen staatlichen Werften bringt mit der Konkur- kung des maritimen Sektors. Der maritime um bis zu 25% unter den realen Bau- und renz zu insbesondere südostasiatischen Sektor braucht verlässliche Rahmenbedin- Finanzierungskosten. Die Folge: Die kurze staatlich geschützten Werften Nachteile mit gungen in den Feldern der Verlagerung in- Verschnaufpause bei der Beschäftigungsla- sich.Auf die Wettbewerbsprobleme wird zur nereuropäischer Verkehre auf die Wasser- ge im Schiffbau aus dem Jahre 2002 ist lan- Zeit aber eher mit einer forcierten und ag- straßen, zur Entwicklung neuer Umschlag- ge vorbei. Waren es,,damalsn auf 40 nord- gressiven Lohndumpingstrategie reagiert. konzepte, schnellerer ökologischer effizien- deutschen Werften mit knapp 22.000 noch Der vorerst gravierendste Fall: Um Aufträge ter Verkehre und zum Erschließen neuer 1.300 mehr Beschäftigte als noch 1999,wird für Containerschiffe zu erhalten, verzichte- Wachstumsfelder u.a. im Bereich von Offs- eine Zählung in diesem Jahr mit einem Aus- te die Belegschaft bei HDW in Kiel aufWeih- hore - Energieanlagen. Dazu gehört die blick auf das Jahr 2004 dramatisch schlech- nachts- und Urlaubsgeld und leistet zwei Wiederherstellung ,,fairer" Marktverhältnis- ter ausfallen. lnsolvenzen in Lübeck und Jahre unbezahlte Mehrarbeit. Heino Bade: Se. Eine WTO-Klage und Sanktionen gegen Emden. Massenentlassungen in Kiel, Papen- „Die zentralen Stärken des deutschen und die südkoreanische Industrie können dabei burg, Wismar und Warnemünde. europäischen Modells, nämlich Innovation, nur einen ersten Schritt darstellen, ein Obwohl unter anderem auf Druck der IG Qualifikation, Motivation, Identifikation der OECD-Abkommen ebenfalls. Ob die Zeit Metall die Einsetzung eines,,maritimen Ko- Belegschaften werden dadurch untergra- reicht?Oder gilt das Motto des Arbeitgeber- ordinators" erreicht wurde, fehlt ein Ge- ben." Europäische und nationale Politik verbandes VSM „Ses the Future" bald nur samtkonzept - in Deutschland und der EU. müsste die Rahmenbedingungen für eine noch außerhalb Europas? Forum ~~21

war eine regelrechte,,Schlammschlacht",die die verhältnis mit dem Justizsenator Roger Kusch Republikden Atem anhalten ließ.Angefangen unterstellte.Diesen Erpressungsversuchbegeg- hatte alles mit einer Affäre um den Staatsrat der netevon Beust offensiv,er entließ nicht nur den Innenbehörde, Walter Wellinghausen, der Ein- Staatsratder lnnenbehörde,sondern den Sena- Von Björn Wiele künfte aus illegalen Nebentätigkeiten bezog. tor gleich mit. Soweit das Geschehene. Obwohl klarwar,dass man Wellinghausen nicht Doch alle die dachten,damit sei die Rechtsko- Am 19.August war Hamburgfür einenTag Bun- würde halten können, wollte Schill seinen alition aus der Partei Rechtsstaatlicher Offen- desweit in den Schlagzeilen. Am Morgen ent- Staatsrat nicht entlassen. Was folgte, war ein sive,CDU und FDP gescheitert sah sich im Irr- ließ der Hamburger Bürgermeister Ole von handfester Streit in einem Gespräch unter vier tum. Die Koalition hält - bist jetzt. Beust (CDU) den lnnensenator Roland Schill Augen, bei dem Schill drohte hatte von Beust Dies verwundert jedoch nur bei einer ober- (Partei Rechtsstaatlicher Offensive).Was folgte als homosexuell zu outen und ihm ein Liebes- flächlichen Betrachtung.Nachdemin Hamburg 44 Jahre die SPD regiert hatte, konnte bei der letzten Bürgerschaftswahl die Rechtskoalition Björn Wiele lebt in Hamburg eine parlamentarische Mehrheit erringen. Die Gunst der Stunde nutzend,schmiedeteOlevon len, doch solidarisch mit einem Erpresser zu viele sozialdemokratische Protagonistenernst- Beust, Spitzenkandidat der CDU,die Rechtsko- sein, ist da schon schwieriger. In dieser Situati- haft an ein scheitern der Rechtskoalitionglaub- alition unter Einbeziehung von Schill.Von Beust on aus der Rechtskoalitionauszutreten, würde ten. Deshalb ist die Forderung auch mit einer war ein Bürgermeister von Schills gnaden und die Schill-Partei an den Rand des Zusammen- Kampagne für Neuwahlen begeleitet worden. er selbst hat Schill zum lnnensenator gemacht. bruchesführen.Gleichzeitig stehtolevon Beust Bereits vor der,,Schlammschlacht" war im Som- Er hat nichts gesagt, als Schill im Bundestag als der starke Mann da,der in Krisenzeiten Füh- merloch Bereits die Debatte um den nächsten gegen Ausländer hetzte,er hat nichts gesagt,als rungsstärke und Handlungsfähigkeit gezeigt sozialdemokratischen Spitzenkandidaten für Schill das Moskauer Giftgas in Hamburg einset- hat.Dafür mögen ihn die Hamburgerinnen und Hamburg entbranntSie ist zwar mittlerweile in zen wollte oder die Kirche verunglimpfte. Es Hamburger und noch viel mehr die übermäch- ein geregeltes Verfahren überführt worden, darf spekuliert werden, ob Ole von Beust nur tige Springerpresse der Stadt. aber noch nicht entschieden ist. Dabei ist die aufgrund von machtpolitischen Erwägungen Der Zustand der Hamburger Sozialdemokraten Auswahl zwischen den Beiden übrig gebliebe- bei all diesen Themen auf einen Konflikt mit hingegen ist desolat. Noch immer ist sie in ih- nen Kandidaten ist wie die zwischen Äpfel und Schill verzichtet hat, oder weil er es inhaltlich rer Rolle als Opposition nicht angekommen. Birnen. Der ein, Mathias Petersen ist gesund- nicht problematisch fand. Ihre Politik geht unausgesprochen davon aus, heitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und Schills Erpressungsversuch konnte er sich je- das die Rechtskoalition nicht lange halten und ein relativ unbeschriebenes Blatt. Dadurch doch nicht gefallen lassen.Die Gefahr,dass des- die Macht dann der Sozialdemokratie von sel- könnte er zwar für einen neuen Aufbruch ste- halb die Koalition platzt, ist jedoch in Wirklich- berwieder in den Schoßfällt.Dieszeigtauchdie hen, gleichzeitig ist aber überhaupt nicht klar keit gering. Es ist für die ,,Schill-Partei" zwar sofort gestellte Forderung nach Neuwahlen. welche Inhalte er vertritt. Der andere,Thomas leicht, sich bei jeder noch so rechtsextremisti- Dabei ist nicht die Forderung an sich das Pro- Mirow, ist als ehemaliger Wirtschaftssenator schen Äußerung hinter ihren Gründer zu stel- blem, sondern die Tatsache, das offensichtlich marsehr bekanntrauchüber Hamburgs Gren- zen hinaus, dafür steht er aber für alle die,,mo- dernen" Sozialdemokratischen Politikinhalte (Studiengebühren, Standortpolitik) mit denen Folgende zehn Punkte würde die SPD-Bürgerschaftsfraktion als Sofortprogramm nach die SPD gerade landauf landab von den Wäh- einem Regierungswechsel vordringlich angehen: lern abgestraft wird. Dabei ist überhaupt nicht Kinderbetreuung: In Hamburg fehlen zurzeit 18.000 Kinderbetreuungsplätze. Ein klar, warum ausgerechnet diese beiden ihren Notprogramm soll in einem ersten Schritt sofort viertausend zusätzliche Kita-Plätze Hut in den ring werfen.Thomas Mirow ist zwar schaffen, damit alle berufstätigen Eltern in Hamburg einen Betreuungsplatz für ihre von dem wichtiaen> SPD Unterbezirkwandsbek Kinder bekommen. Danach werden wir den schrittweisen Ausbau weiter vorantreiben. vorgeschlagen worden, doch bisher hat sich Schule: Das neue Lehrerarbeitszeitmodell des Senats soll grundlegend überarbeitet kein weiterer Unterbezirk sich offiziell hinter werden, damit die Hamburger Schulen wieder praxisgerecht arbeiten können. Neue Mirow gestellt. Regeln für die Arbeitszeit sollen gemeinsam mit den Schulen entwickelt werden. Die Auf dem Landesparteitag am 24 Oktober soll seit 2001 abgebauten 400 Lehrerstellen werden wieder aufgestockt. dann die Kandidatenfrage entschieden wer- Ausbildung und Arbeit: Politik,Wirtschaft und Gewerkschaften in Hamburg sollen das den. Dies wäre das erste mal in der Geschichte Bündnis fur Ausbildung und Arbeit wieder aufnehmen. Wir wollen,dass jedem ausbil- der SPD, das man bereits zwei Jahre vor der dungswilligen und -fähigen Jugendlichen ein Ausbildungsangebot gemacht wird. Mit nächsten Wahl einen Spitzenkandidaten nomi- einer aktiven Beschäftigungspolitik soll die Arbeitslosigkeit gesenkt werden.Bis zu vier- niert.Außerdem ist es wohl das erste mal in der tausend Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger sollen über ein kommunales Beschäfti- Geschichte der SPD,das man einen Kandidaten gungs- und Qualifizierungsprogramm unter anderem für Reinigung und Pflege des öf- nominiert, ohne ein Wahlprogramm zu be- fentlichen Raums zur Verfügung stehen. schließen.Dies wird erst zu einen späteren Zeit- Sicherheit und Ordnung: Ein kommunaler Ordnungsdienst soll in den Hamburger punkt erarbeitet. Mittlerweile hat die SPD Bür- Stadtteilen für Sauberkeit sorgen. Dazu sollen mehrere hundert Langzeitarbeitslose gerschaftsfraktion ein 10 Punkte Sofortpro- eingesetzt werden. Eine Polizeireform soll die Polizeiarbeit in den Stadtteilen stärken gramm vorgelegt (siehe Kasten). Doch ob dies und Polizeibeamte von Bürokratie entlasten. Prävention und Repression sollen wieder für eine Mehrheitsfähigkeit reicht,darf bezwei- in ein vernünftiges Verhaltnis gebracht werden, um Straftaten zu verhindern. felt werden. Stadtentwicklung: Mehr bezahlbare Wohnungen, mehr Kinderbetreuung, mehr Ar- Lediglich mit einer Volksinitiative für ein bes- beitsplatze - ein Maßnahmenbündel soll dieVoraussetzungen für eine wachsende und seres Kindertagesheim-Gesetzt, die erfolg- zusammenwachsende Stadt schaffen und die Lebensqualität in den Stadtteilen erhö- reich angelaufen ist, kann sich dieSPD Profilie- hen. Hamburg muss in den kommenden Jahren jeweils mindestens 2.400 neue Miet- ren. Doch dürfte dieses eineThema nicht aus- wohnungen bauen. reichen, um Mehrheiten zu bekommen. Kultur: Das gemeinsame Projekt der Bewerbung Hamburgs als europäische Kultur- Weiterhin undiskutiert ist die Frage, wie die hauptstadt für 2010 soll das Verhältnis zwischen Politik und Kulturschaffenden wieder SPD ihr Strukturproblem in den Griff bekom- reparieren. men will. Es existieren keine Konzepte,wie die Finanzen: Eine Allianz der Stadtstaaten soll Hamburgs Finanzen bei den Entscheidun- verlorengegangenen Wählergruppen in den gen uber die Steuerpolitik sichern und die Blockadepolitik der unionsregierten Bun- sozialen Brennpunkten wieder gebunden desländer überwinden. werden sollen.Auch dass der Hamburger Lan- Gesundheit: Die Hamburger sollen per Volksentscheid über den Verkauf der städti- desvorsitzende Olaf Scholz gleichzeitig der schen Krankenhauser abstimmen können. Nach Vorstellung der SPD soll die Stadt die Generalsekretär der Bundespartei ist, schadet Mehrheit am Landesbetrieb Krankenhäuser behalten. mehr, als es nützt, da bei der Regierungspoli- Bezirksreform: Durch eine Stärkung der Bezirke sollen die Bürger vor Ort mehr Ein- tikin Berlin nicht mit Rückenwind für die Ham- fluss auf die Politik bekommen.Dazu soll die Bezirksverwaltung grundlegend reformiert burger Sozialdemokratie zu rechnen ist. werden, um mehr Kompetenzen in die Stadtteile zu verlagern. Diese Situation wäre eigentlich eine gute Gele- Reform öffentlicher Dienst: Hamburgs Verwaltung soll effektiver und bürgernäher genheitfürdie Linken,in dieoffensivezu gehen werden - durch einen Umbau des offentlichen Dienstes nach den Prinzipien Verwal- und Inhalte und Personen zu Platzieren. Da es tungsmodernisierung, Entbürokratisierung, schlankere Hierarchien und Bezahlung mit in Hamburg jedoch keine organisierte und ge- Leistungsanreizen. meinsam handelnde Parteilinke gibt, ist von dieser Seite nichts zu erwarten. Forum DW~ I 11 Foto:Christian Kiel (Berlinl Gerechtigkeit Einleitung zum Schwerpunkt

Von Horst Peter und Reinhold Rünker

1. Die Argumente der,,Erneuerern der SPD, der Ein Schwerpunkt zum Thema Ge- Begriff Gerechtigkeit sei nicht mehr zeitge- rechtigkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt mäß, da er Gleichheit im Ergebnis anstrebe, ist risikoreich und notwendig. Es birgt das da er leistungsfeindlich sei und damit gesell- Risiko des Abgleitens in tagespolitische Kri- schaftliche Dynamik bremse prallen am Text tik an der Agenda 2010 als neoliberalem und am Sinn des gültigen Programms ab Sündenfall der nachträglich durch ein und erweisen sich als Scheinargumente. neues Verständnis von Gerechtigkeit pro- Gerechtigkeit bezieht sich im spw-Diskussi- grammatisch legitimiert werden soll, onskontext nicht nur auf die Herstellung genauso wie das Risiko des Abhebens in die gleicher Ausgangsbedingungen, sondern Sphäre unverbindlicher philosophischer setzt das individuelle Handeln dauerhaft Seminare der Linken, bei denen sich herr- mit den gesellschaftlichen Möglichkeiten lich politisch folgenlos streiten lässt, und Notwendigkeiten in Beziehung. Als Aber der sozialstaatliche Grundkonsens der gewissermaßen als Spielwiese. ,,gerechtn erscheint solches Handeln, das bundesdeutschen Verfassung, der die sozia- Notwendig ist der Schwerpunkt trotz der erstens dem Einzelnen die größtmögliche le Entwicklung zumindest der Bundesrepub- ihm anhaftenden Risiken, weil eine Neudefi- Entfaltung unter Berücksichtigung der ma- lik geprägt hat, hat nicht nur in der SPD-Mit- nition des Prinzips der Gerechtigkeit an den teriellen Bedingungen und der Entfaltung gliedschaft sondern in der Bevölkerung gro- Grundlagen und dem historisch gewachse- anderer Menschen und der Auswirkungen ße Zustimmung.So konnten Altliberale wie nen Selbstverständnis der SPD und der auf die natürlichen Lebensgrundlagen er- Dahrendorf vom sozialdemokratischenZeit- Funktion der SPD in der Gesellschaft der möglicht; zweitens wenn diese Entfaltung alter sprechen. Bundesrepublik rührt. Das Berliner Pro- nicht als individuelles Privileg verstanden, gramm sieht in den Grundwerten des De- sondern als Recht aus seiner Gesellschaft- II. mokratischen Sozialismus Freiheit, Gerech- lichkeit heraus begründet wird. Gerechtig- Nun hat nach den gescheiterten Anläufen tigkeit,Solidarität die Zentrale Grundlage so- keit ist deshalb drittens nicht absolut zu des Schröder-Blair-Papiers und der ersten zialdemokratischer Politik. verstehen, sondern relational in Bezug auf Gerechtigkeitsdebatte zu Beginn der SPD- „Sie sind Kriterium für die Beurteilung der poli- die jeweiligen sozialen, kulturellen und his- Programmdebatte der Generalsekretär Olaf tischen Wirklichkeit. Maßstab für eine neue torischen Kontexte. Gerechtigkeit und Un- Scholz einen dritten Versuch gestartet, das und bessere Ordnung der Gesellschaft und gerechtigkeit sind damit nicht voneinander Verhältnis von Gerechtigkeit und Gleichheit zugleich Orientierung für das Handeln... zu trennen, sie stehen in einem dialekti- neu zu bestimmen. Die Kernaussage lautet, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität bedin- schen Verhältnis zueinander und fordern dass soziale Gerechtigkeit nicht Egalisierung gen einander und stützen sich gegenseitig. zum Handeln,zur Aufhebung auf einem hö- nach Umverteilung bedeutet (Wer hat das je Gleich im Rang, einander erläuternd, ergän- heren Niveau auf. Ähnliche Spannungsver- behauptet?) sondern die Suche nach intelli- zend und begrenzend erfüllen sie ihren Sinn", hältnisse entstehen zu den Leitprinzipien genten Lösungen zur Durchsetzung von erklärt der Text des Berliner Programms die des neoliberalen Entwicklungsmodells: Ge- Teilhabechancen durch Bildung und Arbeit Funktionsweise der Grundwerte. Sie wirken rechtigkeit und Konkurrenz, Gerechtigkeit (Wer könnte dagegen sein?) sowie Leis- als Prinzipien. Insofern prallen die Begrün- und Leistung,Gerechtigkeit und Durchset- tungsgerechtigkeit (Was ist das eigentlich?) dungen für eine Neudefinition an ihnen ab, zung des größtmöglichen Vorteils des Indi- Neu ist bei Scholz' Anlauf, dass der Ideenge- da ein Prinzip Wegweiser ist und keinen kon- viduums. Daraus ergibt sich die zentrale ber für,,new labour" und damit des Schrö- kreten erreichten Zustand gesellschaftlicher Frage nach den Akteuren, die diese Span- der-Blair Papiers Anthony Giddens (wohl we- Wirklichkeit benennt. nungsverhältnisse auflösen: ist das über gen differenzierter Revision seiner Thesen) Es liefert,,Kriterium für die Beurteilung der den Markt als Steuerungsinstanz möglich durch den kürzlich verstorbenen Gerechtig- politischen Wirklichkeit" und ist,,MaRstab für oder bedarf es der gestaltenden politischen keitsphilosophen (auf ihn kann man sich eine neue und bessere Ordnung der Gesell- Richtungsentscheidungen? deshalb besser verlassen!) John Rawls abge- schaft," Prinzipien und stellt damit Analyse- Auf dem Sonderparteitag ist deutlich gewor- löst scheint. kriterium und Reformmaßstab dar. ,,Diese den, dass der Ausdruck des Zusammenwir- Die Grundfrage von Rawls ist die nach der Grundwerte zu verwirklichen und die Demo- ken~der Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit Möglichkeit von allgemein verbindlichen kratie zu vollenden, ist die dauernde Aufgabe und Solidarität im Sozialstaatsprinzip tief in Gerechtigkeitsprinzipien, die von allen Mit- des Demokratischen Sozialismus", endet der der SPD verankert ist. Ohne Einsatz von Ver- gliedern und jedem einzelnen Mitglied einer Grundwerteabschnitt des Berliner Pro- trauensfrage,der Sachzwangfrage des Einsat- gegebenen Gesellschaft akzeptiert werden gramms, das sich hier im Einklang mit dem zes der Alt-Promis Eppler und Vogel wäre eine könnten. Seine Grundidee besteht darin, Godesberger Programm befindet. Mehrheit nicht vorstellbar gewesen. dass solche Prinzipien nur objektiv verbind- lich sein können,wenn sie von nun an ihrem eigenen Interesse ausgerichteten, frei und rational entscheidenden Menschen ausge- Reinhold Rünker, Mitglied der spw-Redaktion, arbeitet und lebt als Organisationsberater wählt würden, wenn diese, in einen ur- in Leichlingen sprünglichen Zustand der Gleichheit ver- Horst Peter, spw-Herausgeber, Vorsitzender des Vereins zur Förderung von Demokratie setzt, die Aufgabe hätten, die Grundstruktur und Völkerverständigung, lebt in Kassel der künftigen Gesellschaft und alle ihre fun- damentalen Normen zu bestimmen. In die- im Zustand einer wachstumshinderlichen Wenn Ausgrenzung der Verlierer aus der Ge- sem Urzustand schließen die Menschen ei- ,,egalitären Gesellschaft" leben. Birgit Mahn- sellschaft zu Lebenslagen führt, die den nen Gesellschaftsvertragohne ihre künftige kopf hat bereits 2000 im Zusammenhang mit Wiedereinstieg erschweren, wenn nicht aus- Stellung in der Gesellschaft zu kennen. Vor der ersten Debatte um das Programmprinzip sichtslos machen,dann verlangt das Prinzip diesem Hintergrund formuliert Rawls zwei Gerechtigkeit (Birgit MahnkopkGerechtigkeit des Förderns nach staatlich finanzierter In- wesentliche Prinzipien der Gerechtigkeit: durch Ungleichheit,Prokla 121, Dez,2000) fest- frastruktur in den Gemeinden. das Freiheitsprinzip und das Unterschieds- gestellt, dass diese Gesellschaft eine Chimäre Ein an praktischen Förderungen orientierter prinzip.,,Soziale und wirtschaftliche Ungleich- ist: Soziale Ungleichheit bei Einkommen und Diskurs um eine Anreicherung und nicht heiten sindso zu regeln, dass sie sowohl Vermögen wächst ständig -das hat die Bun- eine Entleerung des Gerechtigkeitsbegriffs (U) den am wenigsten Begünstigten die best- desregierung 2001 in ihrem Armuts-/Reich- lohnt gerade in einem von neoliberalen möglichen Aussichten bringen als auch tumsbericht selbst belegt. Die Ungleichheit Mainstream dominierten Umfeld. (b) mit Ämtern und Positionen verbunden der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt ver- Olaf Struck macht in seinem Beitrag hierzu sind, die allen gemäß der fairen Chancen- schärft sich zu Lasten der Teilnahmechancen einige konkrete Themenvorschläge,von de- gleichheit offen stehen." (John Rawls. Eine von Frauen, ungleiche Chancen in der Bil- nen Olaf Scholz v.a.den Aspekt der Bildung Theorie der Gerechtigkeit 1975, S. 104)" dung werden mit jeder internationalen Ver- heraus greift, das einmal eines der zentralen In der Tat lässt sich über Rawls treffend strei- gleichsstudie neu belegt, die Globalisierung Reformfelder sozialdemokratischer Politik ten. Ob er als Stichwortgeber für ein sozial- verschärft die fehlende Verteilungsgerechtig- darstellte. An diese Zeiten erinnert Sönke demokratisches Programm geeignet ist, keit noch. Die Leistungsgerechtigkeit,die un- Klages, jedoch mit der Vermutung, dass Sozi- wird bezweifelt. Obwohl Rawls selbst kein ter dem Stichwort Qualifikation und Entgelt aldemokraten eher hohe Einkommensun- Neoliberaler, haben sich die Neoliberalen im deutschen Sozialmodell nicht strittig und terschiede akzeptieren, soweit sie selbst den des Differenzprinzips zur Formulierung ei- gesellschaftlich akzeptiert ist,erodiert im in- individuellen Aufstieg geschafft haben, weil nes zeitgemäßen Gerechtigkeitsbegriffs be- ternationalen Wettbewerb. Schon kleine Leis- sie von dieser sozialdemokratischen Reform- mächtigt: Ungleichheit wird zur zentralen tungsdifferenzen schlagen sich in riesigen Er- politik profitierten. Triebkraft der ökonomischen Wachstumsdy- tragsdifferenzen nieder. Geldkapitalbesitzer Um konkrete Reformfelder, in denen sich,,Ge- namik erklärt,die Ergebnisse des Wachstums und Spitzenmanager werden privilegiert,die rechtigkeit" materiell manifestiert, geht es sollen allen zugute kommen. Dieser trickle- durchschnittliche Leistung macht zum Verlie- auch in den vier folgenden Beiträgen:Niels An- down-Effekt ist jedoch der Kern des zeitge- rer. Leistungsbereitschaft von Arbeitslosen nen und Björn Böhning verweisen einerseits mäßen neoliberalen Gerechtigkeitsbegriffs. nützt nichts, wenn die Arbeitsangebote feh- auf die hegemoniale Bedeutung der Gerech- Das zweite Element ist dieTeilhabemöglich- len. Mit der Nachrangigkeit von Umvertei- tigkeitssymbolik nach innen wie außen, keit am Arbeitsmarkt, die mit der Leistungs- lungspolitik wird auch die Kategorie der Be- anderseits machen sie klar,dass dievorausset- bereitschaft und Leistungsfähigkeit gekop- darfsgerechtigkeit verabschiedet: für die zung für eine Wiedergewinnung hegemonia- pelt ist und dadurch zum gerechten Ertrag überflüssige Restbevölkerung aus genug ler Überzeugungskraftdie Verbindung mit ei- aus der Arbeit führt. Für die Verlierer bleibt qualifizierten älteren und gesundheitlich be- ner ökonomischen Prosperitätskonstellation eine gesellschaftliche Verantwortung auf einträchtigten Menschen bleibt eine Grundsi- ist.Michael Opielka nimmt einmal mehr in die- geringstem Niveau, allerdings nicht als cherung unterhalb des Existenzminimums, ser Zeitschrift kritisch Stellung zu den Ver- Rechtsanspruch, sondern als Wohlfahrtsleis- der jetzigen Sozialhilfe. Eine Politik des For- marktlichungstendenzen (vgl.dazu auch den tung, die strengster Kontrolle unterliegt. Die derns und Förderns wird zur disziplinieren- Text von Marcel Sachs in diesem Heft außer- Aufgabe der Politik ist es, die Rechnungen den Armenpolitik, weil die Gewinner der Ver- halb des Schwerpunkts) in der Gesundheitspo- für diese Grundkonstellation herzustellen. teilung des Reichtums über den Markt nicht litik im Gefolge des,,Gesundheitskonsens". De- Die Übernahme desTerrains der,,produktivi- mehr teilen wollen.,,Geiz ist geil" ist der sozial- fizite der Gerechtigkeits- und Sozialstaatsde- tätsorientierten Ungleichheiten" löst einen politische Imperativ der Reichen. batte diskutiert Michaela Willert am Beispiel Gerechtigkeitsbegriff ab,der sich im Kampf veränderter Lebensläufe unter dem Aspekt der um die Verringerung sozialer Ungleichheit 111. Geschlechtergerechtigkeit. Abschließend wi- als politisch wirksam und auch mehrheitsfä- Diese nur unzureichende Beschreibung des derlegt Gerhard Bäcker beliebte Vorurteile in hig erwiesen hat. Die Grundwerte des De- Zustandes der Gesellschaft würde für einen der Rentendiskussion mokratischen Sozialismus haben in ihrem erweiterten Gerechtigkeitsbegriff der För- Zusammenwirken ihre Realitätstüchtigkeit dern aller menschlichen Potenziale von Ar- IV. sowohl als Analysekriterium realer gesell- mutskonstellationen unter Einbezug der Ge- Die spw-Schwerpunkte seit Antritt der rot- schaftlicher Zustände als auch als Maßstab rechtigkeit zwischen den Völkern und gegen- grünen Regierungskoalition zeigen,dass der für Reformen bewiesen. Dabei haben sie sich über künftigen Generationen Ernst nimmt, Diskurs der Linken nicht darauf zielt, traditio- auch nicht als hinderlich erwiesen, wenn die viel politischen lnterventionsraum schaffend. nalistisch den Sozialstaat in seinem erreich- Reichweite einer Reform aufgrund gesell- Allerdings müsste Politik diese Spielräume ten Zustand zu,,rettenU,sondern ihn vor dem schaftlicher Kräfteverhältnisse oder von schaffen und die dafür erforderlichen Konflik- Hintergrund der sich ändernden ökonomi- Kompromisserfordernissen in Regierungs- te auch eingehen. Die Forderung nach der schen gesellschaftlichen und politischen Be- koalitionen oder gegenüber anderen Mehr- Umverteilung öffentlicher Mittel in den Bil- dingungen zeitgemäß weiterzuentwickeln. heiten im Bundesrat begrenzt würde. Nicht dungssektor bleibt wirkungslos, wenn nicht In diesem Kontext ist Gerechtigkeit stets als zugelassen haben die Grundwerte die Belie- die ungleiche Chancen verstärkende selekti- ein Reformprinzip begriffen worden, das bigkeit von Reformprojekten. ve Schulstruktur abgelöst wird. Wenn in der Motor für die Weiterentwicklung linker Poli- Der intendierte neue Gerechtigkeitsbegriffals Sekundärverteilung des Steuersystems das tik ist, neben den anderen Reformprinzipien Gerechtigkeit im Zugang und Leistungsge- Prinzip der Leistungsfähigkeit nicht rigoros Freiheit, Solidarität und dem Reformprinzip rechtigkeit hat den Test seiner Realitätstüchtig- umgesetzt wird, für die Abgaben zur Sozial- Nachhaltigkeit als dem Maßstab für die Zu- keit noch vor sich.Vor allen Dingen müsste er versicherung gilt das genauso,dann wird der kunftsfähigkeit der Politik. im Programmverständnis der SPD auch als Begriff der Leistungsgerechtigkeitad absurd- So gesehen ist es allerdings für linke Politik Analysekriterium der Wirklichkeit geeignet um geführt.Wenn bei Sozialtransfers für Un- nicht akzeptabel aus diesem Kontext das Prin- sein. Nimmt man die Begründung für die Su- gleichheit der Gleichheitsgrundsatz einge- zip Gerechtigkeit durch Umdeutung herauszu- che nach einem neuen Gerechtigkeitsver- klagt wird,dann wird das Prinzip des Förderns brechen und als Rechtfertigungfür eine ande- ständnis Ernst,dann müssten wir jetzt bereits ins Gegenteil verkehrt. re Politikzu instrumentalisieren. 412003 Soziale Gerechtigkeit zwischen Effizienz und Sicherheit Anmerkungen zur aktuellen Diskussion in der SPD

von Olaf Struck

1. Gerechtigkeit als ein Zentralwert der nicht mehr auf Verteilungsgerechtigkeit be- a) Die einen argumentieren aus Sicht von Ef- SPD schränken, sondern müsse die Herstellung fizienz, deren Zustandekommen jedoch Si- Vor allem »Gerechtigkeit« gilt inner- von mehr Chancengleichheit in den Mittel- cherungsstrukturen benötigt. Hiernach soll halb und außerhalb der Sozialdemokratieals punkt stellen (Schröder 2000). Nun wurde durch die Aktivierung möglichst vieler Men- ihr zentraler Grundwert. So überrascht es gerade in der Verteilungsgerechtigkeit und schen eine effiziente und hohe Wohlfahrts- nicht, dass Debatten um das zukünftige Ver- der ex post Umverteilung von Marktergeb- produktion ermöglicht werden. Soziale Si- ständnis der Partei am Begriff Gerechtigkeit nissen eine traditional sozialdemokratische cherung erfolgt nachrangig.Aus dieser Sicht geführt werden (Merkel 2001; Meyer 2001; Erweiterung des liberalen Gerechtigkeitsbe- ist es dann vor allem effizient, Leistungsan- SPD 2000;Thierse 2001). Bisher bestand die griffs gesehen,der allein auf Startbedingun- reize bereitzustellen, damit lnvestitionen in gerechtigkeitstheoretische Position der SPD gen fokussiert ist (Meyer 2001; Mahnkopf Güter, Bildung oder Arbeitskräfte zustande darin, über die Gewährung von Chancen- 2000). Es geht also um die wichtige und alte kommen. Überdurchschnittliche Leistungen gleichheit hinaus,die erwirtschafteten Güter Frage: Darf und soll sollen sich in besserer des Landes ein Stück weit von oben nach der Staat die Ergeb- Vergütung ausdrü- unten umzuverteilen. Diese Auffassung fin- nisse von Marktge- Es geht also um die cken (Leistungsge- det sich dann auch im 1989 beschlossen Ber- schehnissen nach- wichfiae und alte Fraae: rechtigkeit). Kurzum: J J liner Grundsatzprogramm. Hier heißt es:,,Ge- träglich verändern? Gemäß dieser Auffas- rechtigkeit erfordert mehr Gleichheit in der Welchen Einfluss hat Darf und soll der Staat die sung soll zum Verteilung von Einkommen, Eigentum und eine nachträgliche Ergebnisse Von der wirtschaftlichen Macht, aber auch im Zugang zu Bildung, Aus- Umverteilung auf Dynamik und Effizi- bildung und Kultur." Nun soll diese vertei- Leistuna,- Innovation, Marktgeschehnissen enz ein leistunqsan-- lungsgerechte Position zugunsten einer in- Risikobereitschaft nachträglichverändern? reizendes Maß an so- novations- und leistungsanreizenden Un- und Flexibilität? In zialer Ungleichheit gleichheit verändert werden. welchem Verhältnis bestehen. Daneben Schon in dem ,,Dritte Wege - Neue Mitteu- stehen Effizienz (hier ökonomische Effizienz soll die politische Gestaltung einer immer Strategiepapier der Grundsatzkommission im weitesten Sinne, einschließlich der von auch notwendigen Sicherheit von Effizienz wird ein entsprechender Wechsel der Gerech- Verfahrenskosten etc.) und Sicherheit (hier durch den Aufbau oder Erhalt von leistungs- tigkeitsauffassung gefordert. Soziale Gerech- soziale Sicherheit im weitesten Sinne, d.h. und effizienzsicherndenAnreizsystemen ge- tigkeit bedeute weder eine schlichte Herstel- unter Einschluss von Bildung, Investitionssi- kennzeichnet sein. lung von Vermögens- und Einkommens- cherheiten etc.) zueinander, bzw. wie sieht b) Die anderen argumentieren aus der Sicht gleichheit noch sei es gerecht,den bestehen- eine gerechte Balance zwischen Effizienzför- von Sicherheit und begründen dies mit Effi- den Sozialstaat einfach fortzuschreiben.Statt- derung und Sicherheit aus? zienz bzw. dem »Nutzen der Sozialpolitik«. dessen wird ein,,modernes Verständnis" von Nur unter der Bedingung sozialer Sicherheit sozialer Gerechtigkeit gefordert: Einkom- Diskussion um neue Grundsätze kommen lnvestitionen und »freiwillige Leis- mensungleichheiten oder Abbau von Arbeit- Gemeinhin wird viel Zeit und geistiger Auf- tungsbereitschaft« zustande, die über einen nehmerschutzrechten können sozial gerecht wand in die Darstellung und Unterfütterung »Dienst nach Vorschrift« oder eine passiven sein,wenn dadurch wirtschaftliche Dynamik des Trennenden gelegt. So gewinnt man Lebensweise hinausgehen, bzw.werden Effi- entfesselt wird, die auch die wenigsten Be- Kontur, die für Aufmerksamkeitserlangung zienzmaßnahmen (etwa Rationalisierung) günstigten einer Gesellschaft profitieren Iässt und Identität wichtig sind.Abgrenzung kann nicht boykottiert.Wichtig für eine gemeinsa- und bspw.Arbeitslose in das Erwerbssystem zudem der Formierung eigener oder nahe- me Positionsfindung ist dabei,dass auch hier zurückführen hilft.Mit dieser Auffassung ent- stehender Akteure im »Kampf« um Inhalte zunächst aus dem Blickwinkel der Leistungs- sprechen die Autoren dem Differenzprinzip und Macht dienlich sein. Dies ist in gewisser gerechtigkeit argumentiert wird.Anreize für des kürzlich verstorbenen John Rawls', auf Weise unausweichlich und das Salz in die eine »freiwillige Leistungsbereitschaft« er- den sie sich auch explizit berufen. Suppe von politischen Auseinandersetzun- fordern eine faire Beteiligung derjenigen,die In Veröffentlichungen im Rahmen des Pro- gen.Dennoch:Eine inhaltliche Überzeugung ebensolche Leistungen erbringen. grammforum zum Thema Gerechtigkeit der Anderen weicht opportunistischen Gesetzt den FaI1,dieVertreter der ersten Posi- machten sich vor allem Gerhard Schröder Machtkalkülen und endet kurz hinter der tion können die Auffassung teilen, dass die und Wolfgang Clement zu Wortführern der 50%-Mehrheitsgrenze. Minderheiten und soziale und ökonomische Integration zuneh- Überzeugungen, nach der eine begrenzte Gruppen ohne Lobby und Bündniskraft - mender Teile der Bevölkerung sowohl die Ungleichheit im Ergebnis ein Katalysator so- etwa Kinder und Arbeitslose - bleiben un- gesamtgesellschaftliche Produktionskraft wohl für individuelle wie auch für gesell- gehört. Bestehende Gemeinsamkeiten blei- wie auch das Wohlfahrtsniveau zugunsten schaftliche Entfaltungsmöglichkeiten sein ben hinter den jeweiligen Demarkationslini- aller steigern kann, dann läge der Unter- könne (in: SPD 2000). Man könne sich heute en verborgen. schied zwischen den beiden Positionen al- lein in der differenten Auffassung über die Balance zwischen Förderung bzw. Sicherheit auf der einen und effizienzsteigernder For- Dr. OlafStruck, arbeitet am Institut für Soziologie Friedrich-Schiller-Universitaet Jena derung auf der anderen Seite. Da das Risiko Foto:Christian Kiel (Berlin) gleichheit, da selektive und ungleiche keit besitzt (etwa Effizienz im Erwerbssystem), Grundverteilungen Ergebnisse vorwegneh- nicht in andere (etwa medizinische Pflege oder men. Bildung) hineinregieren.So müssen dann Be- lohnung und Strafe nach Verdienst verteilt Die markt-libertäre Position werden,die Geschäfte nach Fähigkeiten,politi- Ausgangsbasis der libertären Position (John sche Funktionen nach demokratischen Be- Locke, Friedrich A. Hayek, Robert Nozick) ist schlüssen der Gemeinschaftsmitglieder,medi- das Recht jeden Individuums, über die eigene zinische Pflege nach Bedürfnissen, Einkom- Person und über alles, was sie durch Talente men nach Effizienz usw.Störung der Sphären- und eigene Produktivität hervorgebracht hat, abhängigkeiten durch Übertragung von Krite- frei und unbegrenzt verfügen zu können. rien bedeutet hier Ungerechtigkeit.Ungleiche Jede Einzelperson kann dann alle Güter, die Verteilungsleistungen innerhalb der Sphären sie durch ihre Arbeit oder durch Anwendung sind hingegen möglich und wahrscheinlich. der von ihr in Besitz genommenen Ressour- Die Auftrittswahrscheinlichkeitfür Personen in cen erworben hat, durch gleichwertige Güter den jeweiligen Sphären seien jedoch unter- anderer Personen austauschen. Unter der Vo- schiedlich. Dementsprechend würden Perso- raussetzung, dass das Procedere des Austau- nen in einzelnen Sphären hohe, in anderen sches auf Freiwilligkeit basiert, ist auch das Er- niedrige Verteilungsleistungen erhalten. gebnis unabhängig des Verteilungsergebnis- Darüber hinaus verbindet sich mit dieser Posi- Ses gerecht. lm Ergebnis steht eine deutliche tion die Auffassung,dass Entscheidungen über Ablehnung sozialstaatlicher Korrekturen an Verteilungsleitungen - mit Ausnahme von marktinduzierten Einkommens-, Eigentums- Mindeststandards - lokalen Gemeinschaften und Wohlfahrtssituationen.Allein eine staatli- zu überlassen seien. Sie würden effizienter mangelnder Teilhabe vor allem in ökono- che wirtschaftliche Mindestsicherung soll je- agieren als staatliche Bürokratien und seien misch schlechter gestellten Gruppen kumu- nen helfen, die sich in Worten Hayeks,,selbst zudem besser in der Lage, Einzelfällen gerech- liert, sind dann aber Umverteilungen von nicht erhalten können" (ebd.:382). Sie sei mo- ter zu beurteilen. jeweils einkommstärkeren Gruppen zu ein- ralisch Pflicht,diene aber auch der politischen Diese Auffassung ist durch zwei Schwierig- kommensschwächeren Gruppen unver- Stabilität sowie als gesellschaftlichfunktions- keiten gekennzeichnet. Zum einen ideali- meidlich. Denn Teilhabe- bzw. Chancenge- unterstützende Mobilitätshilfe, indem sie je- siert sie die Unabhängigkeit gesellschaftli- rechtigkeit ist notwendigerweise mit Um- nen,denen durch »Wechselfälle des Lebens« cher Sphären zueinander. Eine Gesellschaft verteilungsnotwendigkeiten verbunden. Ein die eigenen Sicherungsgrundlagenentzogen komplexer Verschiedenheit gilt als Gesell- Tatbestand, der auch den Wortführern der wurde,die Wiedererlangung austauschbarer schaft komplexer Gleichheit. Diese These ersten Position einleuchten sollte. Leistungskraft ermöglicht. Diese Leistungen übersieht allerdings, dass in modernen Ein Resümee beider genannten Positionen dürften ein marginales Niveau nicht über- Marktgesellschaften unauflösbare Verflech- verdeutlicht, dass sie aus zunächst unter- schreiten, da ansonsten leistungs- und frei- tungen zwischen den Sphären und damit schiedlicher Perspektive zu sehr vergleich- heitsabträgliche Wirkung entstehen, die aus universal gültige Austauschregeln, Bindun- baren Ergebnissen kommen können. Inter- dieser Perspektive keine Legitimationsbasis gen und rechtliche Normen gelten. Gerech- essant ist, dass die zweite Position von den haben. tigkeitskriterien verlieren sich nicht in Sphä- Protagonisten der ersten Position weitge- In dieser Position wird also eine marktver- ren.Sie bleiben auf Effizienz (und damit Leis- hend mitgetragen werden kann.Vorausge- mittelte Leistungsgerechtigkeit als effizienz- tungsgerechtigkeitswerten) auf der einen setzt allerdings, die Systeme zur Schaffung steigerndes Kriterium hervorgehoben. Un- und Sicherheit (und damitTeilhabechancen von Teilhabe und sozialer Sicherung genü- berücksichtig bleiben allerdings zum einen und Verteilungskorrekturen) bezogen, auch gen ihrer Forderungen nach Leistungsanrei- soziale Mechanismen der Schließung und wenn die jeweilig konkrete Ausgestaltung Zen. Da auch in der zweiten Position der Ge- Ausgrenzung (einschließlich von Konzentra- spezifische Maßnahmen zur wechselseiti- danke der Leistungsgerechtigkeit als Basis tions- und Monopolbildungen) sowie zum gen Stärkung der Effizienz-Sicherheits-Ba- einer Erzeugung »freiwilliger Leistungsbe- zweiten sozial, kulturell und ökonomisch lance beinhaltet (siehe Abschnitt 4). reitSchaft« besteht,geht es in beiden Positio- »ererbte« Herkunftslagen und ihre Wirkun- Die zweite Schwierigkeit besteht in der nen um eine wechselseitig fördernde Balan- gen auf die individuellen Gestaltungschan- kommunitaristischen Idealisierung lokaler ce zwischen Sicherheit und Effizienz. cen. Beides unterminiert jedoch, die von Li- gemeinschaftlicher Gerechtigkeitsfindung. bertären hervorgehoben Effizienz- und Leis- Zum einen bleibt unberücksichtigt,dass uni- 2. Philosophische Leitideen sozialer Ge- tungsprinzipien. Ein Grund dafür, dass linke verselle und gesamtgesellschaftlich geltende rechtigkeitskriterien Libertäre eine starke Einschränkung des Erb- und staatlich durchgesetzte Gerechtigkeits- Je nach Geltung unterschiedlicher Gerech- rechtes und strickte öffentliche Kontrolle normen in erheblichem Umfang Handlungs- tigkeitskriterien können gleiche oder auch und Verhinderung von wirtschaftlichen Kar- sicherheiten bieten und (auch bei kritisch zu ungleicheVerteilungen von Gütern oder Po- tell- und Monopolbildungen fordern. reflektierenden Effizienzproblemen staatli- sitionszugängen als gerecht oder ungerecht cher Bürokratien) durchaus gesellschaftsweit gekennzeichnet werden. So verstößt Die pluralistische (kommunitaristische) Transaktionskosten (die mit immerwähren- beispielsweise das Gerechtigkeitskriterium Position den Aushandlungen verbunden wären) min- des Egalitarismus, der eine Verteilungs- Anders als Markt-Libertäre sind pluralistische dern.Zum anderen sind lokale beteiligungs- gleichheit anstrebt sowohl gegen eine Positionen (David Miller; Michael Walzer) von orientierte Gerechtigkeitssysteme anfällig ge- Chancengleichheit,etwa für jene,die größe- der Auffassung geleitet, dass die in einer Ge- genüber Klientelismus und - im Zuge von re Bedürfnisse haben (z.B.lnvaliden)als auch sellschaft zur Verfügung stehenden Güter sehr Sphärenüberschreitungen - kaum zu kalku- gegen eine Leistungsgerechtigkeit, etwa für unterschiedlich seien.FestgestelIt wird,esgebe lierenden Ungleichverteilungen und Macht- jene, die zum Nutzen anderer höhere An- unterschiedlichste Gerechtigkeitssphären, in monopolisierungen. Doch selbst wenn es ge- strengungen vollbracht haben. Auf der an- denen unterschiedliche Verteilungskriterien Iänge,eine zivilgesellschaftlicheSelbstorgani- deren Seite verstößt eine leistungsgerechte gelten. Um ein gerechtes Ergebnis zu erzielen sation zu fördern und (mit Hilfe übergemein- Verteilung nicht selten gegen eine Chancen- darf ein Kriterium,das in einer Sphäre Gültig- schaftlicher Kontrollinstanzen) zu erhalten, bestünde ein -schon von Alexis deTocque- fragen, welche Teilnutzen sie für weniger fahrtsstaatlichen Entwicklung freiere Formen ville (1997) angesprochenes - Problem fort, Begünstigte bereitstellen. Hier enthebt sich fanden und zugleich durch neue partner- der Umgang von Mehrheiten mit Minderhei- der liberale Rawls von der klassisch liberalen schaftliche Risikoarrangements zur Bewälti- ten. Ohne gesamtgesellschaftlich institutio- Position, die eine prinzipielle Effizienz und gung flexibler Bildungs- und Arbeitsanforde- nalisierte universelle Gerechtigkeitsnormen evolutionäre Moral des Marktes konstatiert, rungen gekennzeichnet sind. (d) Demogra- und sozialer Grundleistungen besteht seitens die jeder durch Verstand (Kognitionspro- phischeVerwerfungen,vor allem in moderni- von Mehrheiten die Gefahr einer dauerhaften blem) oder politischer Mehrheitsmeinung sierten Gesellschaften,und ihre Folgen für Ar- Marginalisierungenvon Minderheiten, wobei (Sonderinteressenproblem) geprägten Ent- beits-, Wirtschafts- und Sozialsysteme. (e) An dann wenigerTeiIhabechancen,aIs eher kari- scheidung überlegen sei. Pfadabhängigkeiten gebundene staatliche tative und sozial befriedende Sozialleistun- Anders als die zwei zuvor genannten Positio- Steuerungssysteme, deren Erfolge der Ver- gen diejenigen erreichen,die nicht aus eige- nen stellt Rawls nun tatsächlich (staatliche) gangenheit vielfach Ursache inflexibler Ge- ner Kraft dem Mainstream einer zivilbürgerli- lnstitutionen in denVordergrund seiner Über- staltungsmöglichkeiten in der Gegenwart chen Mehrheit folgen können. legung,indem er sie als wichtigste Adressaten sind,die jedoch angesichts neuer Herausfor- Wie schon bei der markt-libertären Position für Gerechtigkeitsforderungen ansieht. Märk- derungen ihr Wirken an einer neuen Balance bestehen auch hier eher Negativwirkungen te seien unübertroffenen in ihrer Allokations- zwischen Effizienz und Sicherheit ausrichten auf Effizienz-Sicherheits-Balancen als die er- effizienz, eine Entstehung gerechter gesell- müssen, da sonst die Grenze politischer wünschten positive Wechseleffekte. schaftlicher Zustände leisten sie jedoch nicht, Handlungsunfähigkeit überschritten wird. da ja schon die Zugängezu Märkten ungleich Doch nicht nur die Herausforderungen haben Die liberal-wohlfahrtstaatliche Position verteilt seien. In die politische, wirtschaftliche sich verändert,auch die Basis der Antworten Eine tragfähige Balance zwischen Effizienz und soziale Verfassung einer Gesellschaft ist von der historischen Zeit abhängig. und Sicherheit liefert demgegenüber die libe- müssen deshalb lnstitutionen eingeschrie- Die heutige Suche nach einer Balance zwi- ral-wohlfahrtsstaatliche Position, wie sie vor ben werden, die Grundgüter fair zu verteilen schen Sicherheit und Effizienz und eine Be- allem von John Rawls (1975) entfaltet wurde. in der Lage sind. arbeitung von neuen und fortbestehenden Er versucht die Prinzipien einer gerechten Ge- Damit eignet sich die liberal-wohlfahrts- Risiken einer flexibleren Lebensführung sellschaft durch hypothetischeverträge unter staatliche Position am besten für die Gerech- kann auf einem ungleich höheren Niveau einzelnen Gemeinschaftsmitgliedern zu be- tigkeitsüberlegungen eines modernen Sozi- ansetzen,als noch in den 70er Jahren stimmen.Wie Hayekdenkt er Gesellschaftvon alstaates, die eine wechselseitig stärkende lndividuen aus. Diese seien nutzenmaximie- Balance zwischen leistungsgerechter Effizi- Armutsbekämpfung rend und wollen über gesellschaftliche enz und chancengerechter und umvertei- Die Vermeidung und Bekämpfung von Ar- Grundgüter (wie Selbstachtung, Freiheit, lender Sicherheit anstrebt. Rawls wird des- mut gilt in allen Gerechtigkeitsansätzen als Chancen, Einkommen) lieber in höherem als halb für die folgenden Überlegungen zu vorrangiges Ziel. Nur ein Leben über der Ar- in geringerem Maße verfügen. Wenn nun ein handlungsraumspezifischen Maßnahmen mutsgrenze sichert Autonomie und Würde. sogenannter »Schleier des Nichtwissens« als Bezugsgröße dienen. Nur eine gesicherte Lebensbasis ermöglicht über die Chancen und Risiken des individuel- die lntegration in ein System der Schaffung len Lebensverlaufs und den relevanten Eigen- 3. Gerechtigkeit zwischen Sicherheit und kollektiver Güter und überindividueller schaften und Kriterien zur Erreichung von Effizienz in ausgewählten politischen Wohlfahrt auf der Grundlage individueller Grundgütern gezogen wird,dann werden die Handlungsfeldern Qualifikation und Arbeit. Dabei stellen Ar- lndividuen in der Ausgestaltung ihrer Aus- Im Folgenden soll beispielhaft verdeutlicht mutsvermeidung und soziale Transfers eine tauscharrangements versuchen, einerseits werden, in welcher Weise Leistungerechtig- notwendige, jedoch keinesfalls hinreichen- hohe Anteile an Grundgütern zu bekommen, keit, Chancen- oder Teilhabegerechtigkeit de Bedingung für eine soziale, kulturelle und anderseits Risiken, nichts zu erhalten, zu mini- und Verteilungsgerechtigkeit in eine wech- ökonomische lntegration dar. Nicht passive mieren trachten.Gefangen in dieser hypothe- selseitig stärkende Balance zwischen Sicher- Fürsorge im Sinne einfacher Umverteilun- tischen Unwissenheit wird ihnen ein morali- heit und Effizienz überführt werden können. gen, sondern eine aktive Förderung der scher Standpunkt aufgezwungen, den alle Dabei erwartet die Öffentlichkeit überzeu- Selbstorganisation sind dabei in den Vorder- auch dann als fair bezeichnen können,wenn gende Antworten auf die Frage: Wie ist eine grund zu stellen. Umverteilungen zur Wah- der Schleier gelüftet wird. gesicherte Lebensführung und Wohlfahrts- rung von Chancengerechtigkeit sind not- Zwei Verteilungsregeln erweisen sich dabei produktion möglich? Die wendig. Doch vor als allgemein zustimmungsfähig. Die erste Antworten hierauf müs- allem Anreize zu ei- und vorrangige Verteilungsregel verlangt sen angesichtszeitverän- ner der Lebenssitu- eine gleicheVerteilung von formalen Grund- derlicher Herausforde- Die Öffentlichkeit erwartet ation angepassten freiheiten und politischen Rechten.Verfah- rungen und auf der Basis überzeuaendeAntworten Leitungsförderung - -- P-- ~ ~ ~- rensgerechtigkeit ist heute in allen Theorien des Erreichten immer J- ~ - sind geeignet, unumstritten und in rechtsstaatlich verfass- wieder neu gefunden auf die Frage:Wie ist eine zugleich Sicherheit ten Demokratien umgesetzt. Die zweite Ver- werden. gesicherte Lebensführung und Effizienz zu teilungsregel entwirft einen Grundsatz einer Die zentralen Herausfor- stärken. Eine der sozio-ökonomischen Gerechtigkeit. Soziale derungen heute sind: (a) und Wohlfa hrtsproduktion Lebenssituation und wirtschaftliche Ungleichheiten sind so Globalisierung, die welt- möglich? angepassten Leis- zu regeln,dass sie sowohl (a) den am wenigs- weit sowohl Wirtschafts- tungsförderung ten Begünstigten die bestmöglichen Aus- räume und soziale Kultu- bedeutet dann, sichten bringen als auch (b) mit Ämtern und ren als auch ökologische, eine zielgerichtete Positionen verbunden sind,die allen gemäß wirtschaftliche und soziale Probleme zusam- Abstimmung mit familiären und gesund- der fairen Chancengleichheit offen stehen" menführt. (b) Neue Arbeitswelten, die flexib- heitlichen Lagen und/ oder qualifizierenden (ebd.: 81). Gerade der zweite Grundsatz gilt lere Anpassungen sowohl von den Akteuren und arbeitsmarktintegrativen Maßnahmen als umstritten. Lohnspreizung, Vermögens- am Arbeitsmarkt wie auch von institutionel- zu erreichen. Sie kann dann statusnah über bildung, Steueraufwendungen für Bildung len und betrieblichen Strukturen verlangen. das Maß der Mindestversorgung hinauswei- und Forschung usw. sind gemäß der zweiten (C)Neue Lebensentwürfe und Muster des Zu- sen,wenn zugleich Pflichten zu einer aktiven Verteilungsregel kritisch danach zu hinter- sammenlebens etc., die im Zuge der wohl- Mitwirkung institutionalisiert sind. DEMO - Die i;orr.::iunaIe Kompetenz

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Leistungen, die nicht auf Erwerbsarbeit dern sind zugleich Grundlagefür die Schaf- nach wie vor hohen Abhängigkeit derTrans- basieren sollen, gleichwohl als gesellschaft- fung kollektiver Güter einer gemeinschaftli- ferleistungen der sozialen Sicherungssyste- lich förderlich bestimmt werden (wie etwa chen Wohlfahrtsproduktion. Solange höhere me (insb. Rente, Arbeitslosengeld, Kranken- Kindererziehungszeiten, Bildungszeitenetc.), Bildungsleistungen mit besseren Beschäfti- geld) auch über die Zeit der unmittelbaren sind steuerlich zu finanzieren, da sie in ihren gungs- und Einkommenschancen einherge- Einbindung in die Erwerbsarbeit hinaus. Positivwirkungen nicht auf Beitragszahler be- hen, bestehen individuelle Anreize zur Bil- Zudem ist Erwerbsarbeit ein zentrales Mittel schränkt sind. Dabei sind steuerliche Anteile dung und (im Falle von Steuerprogression) der sozialen Anerkennung, der mentalen vor allem dahingehend zu stärken,dass eine Refinanzierungswirkungen. Lernmittelfrei- Stabilität, Motivation sowie der kulturellen gesellschaftlich förderliche Mobilitätsbereit- heit und freier Zugang zu Bildung sind Bindung und qualifikatorischen Förderung. schaftzwischen Arbeit,Bildung und familiärer Grundlage einer chancengerechtenTeilhabe Insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit ver- und sozialer Betreuung befördert wird. an einer sicheren Lebensführung.Jüngst ha- letzt die individuelle Autonomie und das Solange die Grundsätze der Leistungsge- ben die PISA-Ergebnisse die Vielzahl natio- Selbstwertgefühls und führt nicht selten zu rechtigkeit und Sicherheit gewahrt bleiben, naler Studien in der Auffassung bestätigt, nachhaltigen Risiken in Wahrung und Rück- können Leistungen im Zuge einer demogra- dass das deutsche Bildungssystem nicht in gewinnung von Lebenschancen. Die gestie- phischen Vorbereitung gesenkt werden.Als der Lage ist, ungleiche Herkunftschancen gene Zahl jener, die vom Zugang zu Arbeit gerecht empfunden werden solche Kürzun- auszugleichen. Trotz Niveauhebung beste- ausgeschlossen sind, wie auch jene, die aus gen vor allem dann, wenn sie schon heute hen Chancenungerechtigkeiten fort, die individuellen, betrieblichen oder arbeits- dem Erhalt der sozialen Sicherungsbasis heute allerdings mit deutlich sichtbaren Effi- marktstrukturellen Gründen von Ausschluss durch Förderung junger Generationen (etwa zienzproblemen verbunden sind. Steigende bedroht sind und nicht zuletzt jene, die zu- in der Familien- und Bildungspolitik) zugute Anforderungen an Kompetenz und Qualifi- nehmend flexibel und selbstverantwortlich kommt und politisch direkt hieran gekop- kation im Erwerbsleben, gepaart mit einem ihre Lebensführung gestalten, erwarten pelt wird. sow 4 12003 zunehmenden demographisch bedingten nachhaltig wirksame Antworten auf Heraus- Mangel an jüngeren qualifizierten Kräften, forderungen und die Frage: Wie ist eine si- Literatur rechtfertigen und erfordern deutliche höhe- chere Lebensführung möglich? Hayek, Friedrich August von (1 971): Die Verfassung der re Anstrengungen als bisher.Das im interna- Die Antwort: Erwerbstätigenquote steigern! Freiheit.Tübingen Hayek,Friedrich August von (1996): Die AnmaDung von tionalen Wohlfahrtsstaatvergleich zum Teil Bei dieser,auch im »Scholz-Papier«aufgestell- Wissen.Tübingen geringe Niveau der deutschen Bildungsaus- ten Leitlinie handelt es sich um eine realisti- Kersting,Wolfgang (1999):Gleiche gleich und Ungleiche gaben bietet vor diesem Hintergrund Anlass sche Abkehr von dem alten Primat Vollbe- ungleich: Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit. In zur Sorge. Eine Steigerung schulischer Qua- schäftigung. Letzte bleibt erstrebenswert ist Dornheim,Andrea u.a. (Hg.):Gerechtigkeit.Opladen Kersting, Wolfgang (Hg.) (2000): Politische Philosophie lität erfordert: mehr schulische Zeit für Ler- jedoch utopisch, angesichts der über 4 Mill. des Sozialstaats.Weilerwist nen und Kooperation (innerhalb und über registrierten Arbeitslosen und der weiteren Locke,John (1 999): Über die Regierung.Stuttgart die Schulgrenzen hinaus). Hinzukommen etwa 3 MilLMenschen, die bei Verbesserung Mahnkopf, Birgit (2001): Formel 1 der neuen Sozialdemo- müssen Integrationsbemühungen, etwa der Arbeitsmarktsituation ihre Integration in kratie:Gerechtigkeit durch Ungleichheit.Zur Neuin- durch eine integrative Zusammenführung den Arbeitsmarkt versuchen werden. Gleich- terpretation der sozialen Frage im globalen Kapitalis- mus. In: Prokla 121:489-525 von Haupt- mit Realschulen, um stigmatisie- wohl lässt sich die Bundesregierung am Ab- Merkel, Wolfgang (2001): Die Dritten Wege der Sozialde- rende Effekte auf Seiten der Schüler aber bau der Arbeitslosigkeitszahlen messen,ein - mokratie ins 21.Jahrhundert. In: Berliner Journal für auch der Lehrer zu vermeiden. nicht zuletzt aufgrund des Verhaltens »stiller Soziologie 10.5.99-1 24. Zumindest für den tertiären und sekundären Reserven« und einer Überschätzung politi- Meyer,Thomas (2001):Grundwerte im Wandel. 1n:Münte- fering, Franz; Machnik, Matthias (Hg.): Sicherheit im Bildungsbereichbesteht insgesamt in der Ge- scher Möglichkeiten - gleichermaßen riskan- Wandel. Neu Solidarität im 21. Jahrhundert. Berlin rechtigkeitsforschung eine relativ große Ei- tes wie dummes Unterfangen. 13-30 nigkeit über das Primat einer öffentlichen Ver- Richtig bleibt der Versuch, mehr Menschen Miller, David (2002): Principles of Social Justice. Cam- sorgung. Anders stellt sich die Situation im in das System der Erwerbsarbeit zu integrie- bridge,Mass. u.a. Hochschulbereich dar. Hier wird eine Fort- ren. Deutlich stärker als bisher sind dabei Nozick, Robert (1976):Anarchie. Staat, Utopia. München Rawls, John (1975):Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt schreibung einer Privilegienstruktur konsta- allerdings Mobilitätsmöglichkeiten am Ar- Rawls,John (1993): Political Liberalism. New York tiert, da Abgänger mit individuell besseren beitsmarkt zu schaffen.Mobilität ist dann ef- Scholz,Olaf (2003): Gerechtigkeit und Solidarische Mitte Verdienst- und Lebenschancen belohnt wer- fizient, sicher und gerecht, wenn längere ab- im 21,Jahrhundert. Programmdialog Gerechtigkeit. den. Finanzierungsbeiträge von Studenten gesicherte und gesellschaftlich klar definier- (Manuskript) Berlin SPD (2000):Grundwerte heute:Gerechtigkeit. Dokumen- (von bspw. 500,- im Semester) können dabei te Zeiten der Nichtarbeit,etwa um Kinder zu tation der Podiumsdiskussion vom 200 in Berlin durchaus als sozial gerecht gelten,zumaI eine erziehen, sich beruflich weiterzubilden, eine SPD (2001): Wegmarken für ein neues Grundsatzpro- Reihe anderer weiterführender Ausbildungs- Selbständigkeit vorzubereiten, ein soziales gramm. Zwischenbericht der Grundsatzkommision Wege (etwa die Meisterausbildung und Wege Engagement auszuüben etc., Freiräume für an den Parteitag der SPD in Nurnberg 2001 im Gesundheitsbereich usw.) durch deutliche die Beschäftigung derzeit Arbeitsloser Schröder, Gerhard (2000): Die zivile Bürgergesellschaft. Zur Neubestimmung der Aufgaben von Staat und Kostenbeteiligungen gekennzeichnet sind. schafft. Im Grundsatz gilt die Erwartung, Gesellschaft. In: Neue Gesellschaft 47: 200-207 Positive Effekte sind dabei vor allem innerhalb hohe Wiedereintrittschancen würden pha- Tocqueville, Alexis de (1997): Über die Demokratie in der Universität zu erwarten. Zahlende Studie- senweise freiwillige Austritte und damit eine Amerika. Stuttgart rende haben höhere Erwartungen an die Or- arbeitsmarktförderliche Mobilitäten erhö- Thierse,Wolfgang (2001):Justice Remains to be the Basic ganisation und die Qualität der Lehre. Letzte- hen. Der Weg zu einem solchen Umvertei- CoreValue of Social-Democratic Politics. In: Cuperus, Rene u.a.(Hg.): MultipleThird Ways.Amsterdam 135- re ließe sich durch die Finanzierungswirkung lungssystem von Arbeit ist weit, zwischen 149 durchaus verbessern. Die höheren Erwartun- Verbänden und Parteien abzustimmen,aber Walzer, Michael(1992):Sphären der Gerechtigkeit. Frank- gen sollten jedoch auch in Form von wir- auch in einzelnen Schritten begehbar. furt a.M. @PT& T?:% 1 9fi .g~~Laai.w,.r:xit: ci:: ureimal EULENSPIEGEL zum Preis von zwei! Wenn Sie 5 Euro ,\. (bar, Scheck oder Briefmarken) an die Redaktion -, ..Eulenspiegel«, Gubener Str. 47,10243 Berlin, Kennwort >>spw«,

schicken, erhalten Sie die >)Eule((3 Monate frei Haus. ~?'i:Y~~i~ r 'd Ohne Risiko: Das Probe-Abo endet nach drei Monaten automatisch. werden. Das erlebt die SPD gerade in diesen Umverteilen - aber was? Monaten. Aber worin bestünde die Alternative zu einem zeitgemäßen Gerechtigkeitsver- Warum Sozialdemokraten über Gerechtiakeit ständnisfürdas21.Jahrhundert,wodoch die 4 Bedingungen des 2O.Jahrhunderts vergangen nachdenken müssen sind und auch nicht mehr zurückkehren wer- den? Von Olaf Scholz 111. 1. Gerecht ist gewiss nicht der Wandel als Selbst- Was kann heuteeigentlich als gerecht ist deshalb gerade auch,was dievoraussetzun- zweck. Allerdings findet der Umbruch der ge- gelten? Darüber ist in der SPD in den vergan- gen dafür schafft,dass mündige Menschen in sellschaftlichen und ökonomischen Bedingun- genen Wochen eine kontroverse und gerade diesem Sinne ihre eigenen Pläne verfolgen gen in rascherweise ohnehin statt.Jeder stati- deshalb produktive programmatischeDebatte können.Derjüngstverstorbeneamerikanische sche Gerechtigkeitsbegriff droht unter diesen entbrannt, die auch in der Öffentlichkeit Sozialphilosoph John Rawls nannte diesevor- Bedingungen von den fortwährenden Verän- insgesamt auf beträchtliches lnteresse stößt. Es aussetzungen die,,Grundgütern der Gerechtig- derungsprozessen ad absurdum geführt zu ist offensichtlich: Dieses Thema der Sozialde- keit. Es geht dabei um Grundrechte,Grundfrei- werden. Klar ist daher auch, dass kein Wandel mokratie bewegt die Menschen. Aber warum heiten und Chancen, um allgemein dienliche und keineVeränderung,kein Aufbruch und kei- ist das so? Und warum gerade jetzt? Mir Mittel wie Einkommen und Besitz,um Respekt ne Erneuerung in der gegenwärtigen Verfas- scheint die Antwort ziemlich naheliegend: Die und Selbstrespekt:,,Diese Güter", schrieb Rawls, sung unseres Gemeinwesens aufjeden Fall un- bestehenden sozialstaatlichen Arrangements ,,sind Dinge,diefreie Bürger als freie und glei- gerechtsind:Diefortgesetzt hohe und überdie und Institutionen geben auf die legitimen Ge- che Personen benötigen, und Ansprüche auf Jahre strukturell wie konjunkturell weiter ge- rechtigkeitserwartungen von immer mehr sie gelten als angemessene Ansprüche." Den stiegene Arbeitslosigkeit beschneidet heute Menschen immer unbefriedigendere Antwor- Menschen solche Grundgüter in möglichst dieTeilhabechancen viel zu vieler Menschen,ja ten. Die großen Herausforderungender globa- umfassenderWeisezurVerfügungzu stellen ist noch ihrer Kinder und Kindeskinder, in unse- lisierten Wirtschaft und der gesellschaftlichen deshalb eine Bedingung dafür, dass politische rem Land. Es droht damit das Auseinanderfal- Alterung, die angespannte Situation der Öf- und soziale Gerechtigkeit überhaupt möglich len unserer Gesellschaft in strukturelle,,lnsider" fentlichen Haushalte und die langfristig verfes- wird. und,,Outsider" des Sozial- und Wirtschaftssys- tigte Massenarbeitslosigkeit verbinden sich zu Unter den Bedingungen des intensiven und tems,die einander auch im Alltag immer weni- einem komplizierten Problemgemenge, dem fortgesetzten Wandels der gesellschaftlichen, ger begegnen.Die einen sind drin,die anderen offensichtlich keine am Status quo orientierte ökonomischen und politischen Rahmenbe- draußen;die einen ziehen in die guten Viertel, Politik mehr gerecht werden kann.Wir müssen dingungen muss nun aber immer wieder aufs dieanderen bleiben zurückin den zunehmend neue Wege einschlagen - aber welche? Bei Neue bestimmt werden, wie dem Ziel der Ge- abgehängten Stadtquartieren und benachtei- den Bürgerinnen und Bürger in Deutschland rechtigkeit am besten gedient ist. So hat die ligten Regionen;die einen sind in der Wissens- sowie in vielen Gruppen der Gesellschaft,etwa Tatsache, dass Menschen nach dem Ende des gesellschaft angekommen,die anderen verlie- in den Kirchen und in den Gewerkschaften Industrialismus als ge- ren den Anschluss.So wächst in dieser Lage die Einsicht,dass wir neu sellschaftsprägender nimmt die soziale, kul- darüber nachdenken müssen, was gerecht ist Lebensform - empi- SO hat die Tatsache, dass turelle und räumliche und was nicht.Mit ihnen zusammen und nicht risch völlig unbestreit- Menschen einen Entmischung zu. nur unter sich müssen Sozialdemokratinnen bar - einen veränder- Nicht erst seit den be- und Sozialdemokraten die Debatte darüber ten,verstärkt individu- veränderten Anspruch auf drückenden Ergeb- führen, mit welchen veränderten Mitteln das alisierten Anspruch nissen der PISA-Stu- bleibendeZiel der Gerechtigkeit in Zukunft am auf ein selbstbe- ein selbstbestimmtes die sowie der aktuel- besten verfolgt werden kann. stimmtes und selbst- Leben erheben, len OECD-studie Bil- verantwortetes Leben dung auf einen Blick II. erheben, erhebliche Auswirkungen darauf, was wir, dass die Meine regulative Idee der Gerechtigkeit lautet: Auswirkungen darauf, sie für gerecht halten. allgemeine soziale Gerecht ist,was Menschen in die Lageversetzt, was sie für gerecht Aufwärtsdynamik in ihr Leben so zu gestalten und zu organisieren, halten und was für un- Deutschland zum wie siees selbst gerne gestalten und organisie- gerecht. Und so erfordert etwa der beschleu- Stillstand gekommen ist - übrigens:anders als ren möchten; gerecht ist, was die Menschen nigte Umbruch zu einer wissensintensiven bei einer Anzahl unserer europäischen Nach- stärkt. Deshalb bedingen sich Gerechtigkeit Wirtschaft die Einsicht,dass sich dievorausset- bargesellschaften.Doch die Verteilung indivi- und Freiheit wechselseitig: Eine Politik, die Zungen künftiger Gerechtigkeit von den Vor- dueller Lebenschancen darf nicht von Menschen dauerhaft in Abhängigkeit bringt, aussetzungen bisheriger Gerechtigkeit unter- vornherein vorausbestimmt sein durch die so- sie entmündigt oder ihnen Selbstrespekt und scheiden können. Kein Zweifel, das emanzipa- ziale, regionale oder ethnische Herkunft eines Selbstachtung nimmt, kann weder gerecht torische Ziel, auch in Zukunft eine möglichst Menschen.Dieses normative Leitbild muss die noch freiheitlich sein.lhrem Selbstverständnis große Zahl von Menschen in den Genuss der SPD behaupten und sich, wenn nötig, aufs nach ist die Sozialdemokratie zuallererst eine Rawls'schen ,,Grundgüter der Gerechtigkeit" Neue wieder erarbeiten. Die beiden Politikfel- Emanzipationsbewegunggewesen. Dem sozi- kommen zu lassen, kann politische Entschei- der,auf denen angesichts dieser Umständezu- aldemokratischen Menschenbild entspricht dungen erfordern,dievon den noch durch die künftig darüber entschieden wird, ob unsere daher ein Verständnis von Gerechtigkeit, das Erfahrungen und Gerechtigkeitsintuitionen Gesellschaft imstande ist,möglichst allen Men- den Bezug zu einer Lebenschancen ermögli- des Industrialismus geprägten Menschen Par- schen Teilhabechancen zu geben, heißen Bil- chenden Freiheit stets im Blick behältGerecht tiell durchaus als ungerecht wahrgenommen dung und Arbeit.Auf diesen Gebieten vor al- lem erweist sich der Gerechtigkeitsgrad unse- res Gemeinwesens,auf diesen Gebieten müs- sen Sozialdemokratendeshalb ihrem emanzi- Olaf Scholz, MdB, SPD-Generalsekretär, lebt in Hamburg patorischen Erbe gerecht werden. Das war viele Jahrzehnte lang die besondere neuen Politikder Gerechtigkeiteingeschlagen, gangenen Jahrhunderts die öffentliche Mei- Stärke unserer Partei:der moralische Anspruch, die diesen Namen wirklich verdient. nungsführerschaft an sich. Bildungspolitik bessere Chancen und ein besseres Leben in ei- Wo wir als Sozialdemokraten überzeugend wurdezum Markenzeichen schlechthin der so- ner gerechteren Welt für immer mehr Men- darzulegen imstande sind,dass wir entschlos- zialreformerischen SPD jenes Jahrzehnts - mit schen zu erkämpfen.Ohne solch eine überge- sen und mit absoluter Vordringlichkeit für - enormem Erfolg für die Partei selbst,aber auch ordnete Mission und Vision aber kann eine so- selbstverständlich: qualitativ gute und zeitge- für die Bundesrepublik insgesamt. Damals zialdemokratische Partei auf die Dauer gar mäße - Bildung für möglichst viele Menschen machte sich eine in der Ära Adenauer betulich nicht existieren -jedenfalls dann nicht, wenn kämpfen,da erobern wir uns ein zentrales und gewordene Gesellschaft entschlossen auf den sie den für sie konstitutivenGlauben an die be- zeitgemäßes Gerechtigkeitsprojekt von unmit- Weg in eine bessere und gerechtere Zukunft, sondere historische Legitimität ihrer Aufgabe telbarer Plausibilität.Stellenwirangesichts des die Fortschritt für alle bringen sollte. Sozialer nicht verlieren will. Die Chance, eine Sinndi- unumkehrbaren Weges in die wissensintensi- ,,Aufstieg durch Bildung" wurde zur handfes- mension sozialdemokratischer Politik im ve Wirtschaft nachweislich Bildung in den Mit- ten Erfahrung einer ganzen Gesellschaft. Kampf für bessere und gerechtereVerhältnisse telpunkt sozialdemokratischerGerechtigkeits- Plötzlich waren Lebenswege nicht mehr durch gleichsam neu zu entdecken, kann sich als be- politik, beweisen wir, dass wir verstanden ha- soziale Herkunft festgelegt. Zu Millionen ge- friedigendes Aha-Erlebnis für die Partei erwei- ben, worin dieVoraussetzungen einer gerech- lang den Kindern,,kleiner Leute" in der Ära von Sen -sofern sie diese Chance erkennt und ent- ten und wirtschaftlich erfolgreichen Gesell- und Helmut Schmidt der Aus- schlossen ergreift. Schaft unter den ökonomischen Bedingungen bruch aus bildungsarmen Verhältnissen. Die des 21 .Jahrhunderts bestehen. soziale Durchlässigkeitder Gesellschaft wuchs IV. deutlich; wer von unten kam, musste nicht Wenn gerecht ist, was Menschen zu zeitgemä- V. mehr zwangsläufig unten bleiben. Fortschritt ßen,,GrundgüternUund damit zu Lebenspers- Die SPD wird sich auf diese Weise nicht nur ein war möglich! Der Sohn des Bergarbeiters aus pektiven verhilft, dann ist heute und in über- gesellschaftspolitischesOffensivprojektzurück- Dortmund-Eving konnte es nun zum Diplom- schaubarer Zukunft nichts so gerecht wie die erobern.Sie kann damit auch symbolisch, kultu- ingenieur bringen,die katholische Landwirts- entschlossene Ausweitung von Bildungschan- rell und emotional den Anschluss an für sie tochteraus Niederbayernzur Psychologin.Und cen und Bildungszugängen auf allen Ebenen selbst formative, in den jüngsten Jahrzehnten die Bildungsleitern, auf denen sie nach oben derGesellschaft.So betont der renommierteSo- aber eher in den Hintergrund getretenen Pha- stiegen, hatten Sozialdemokraten aufgestellt. zialstaatsforscher Gasta Esping-Andersen in sei- sen ihrer eigenen Geschichte zurückgewinnen. Es war die engeVerzahnung zwischen dem er- nem jüngsten Buch Why We NeedaNewWelfare Historisch gesehen war die Sozialdemokratie folgreichen Leben vieler Menschen und sozial- Stute (Oxford 2002) die dringende Notwendig- viele Jahrzehnte lang das genaue Gegenteil ei- demokratischer Politik, der den bis heute be- keit einer integrierten,,child-centered social in- ner statisch auf Bewahrung ausgerichteten Par- stehenden Lebensbund einer ganzen Genera- vestment strategy", also einer Strategie sozialer tei. Sie war zuallererst eine Emanzipations- und tion mit der SPD begründete. Investitionen,dievonvornhereinaufdiepräven- Selbsthilfebewegung in Zeiten fundamentaler In den trägen Jahren der Ära Kohl wurde die tive und nachhaltigeVermeidungder Ursachen sozialer Umbrüche und Verwerfungen im Zuge Uhr des gerechten Fortschritts zum Stillstand von Arbeitslosigkeit und gesellschaftlichem von Industrialisierung und Urbanisierung, wo- gebracht, ja zurückgedreht. Seit 1998 haben Ausschluss abzielt,statt erst dann mitTransfers bei Bildung von Anfang an als zentrales Mittel wir sie unter sehr schwierigen wirtschaftlichen oder Maßnahmen einzugreifen,wenn der sozia- zur (Selbst-)Befreiungaus ungerechten Verhält- Rahmenbedingungenwieder zum Ticken ge- le ,,Schadensfall" von Arbeitslosigkeit, gesell- nissen betrachtet wurde. Genau diesem An- bracht. Der sichernde und schützende Sozial- schaftlicher Marginali- spruch muss die Sozial- staat in Deutschland existiert - im historischen sierung oder Exklusion demokratie im 21.Jahr- und internationalen Vergleich in nahezu bei- bereits eingetreten ist. Die Wahrheit ist: AIS hundert unter neuen spielloser Weise, und natürlich werden wir dar- Hier vor allem, in der Bedingungen wieder um kämpfen, dass es dabei bleibt. Damit die bestmöglichen Vertei- Emanzipationsbewegung gerecht werden.Die so- Uhr des gerechten Fortschritts auch in Zukunft lung von Lebenschan- und Ermöqlicher- sozialer ziale und kulturelle Er- laufen kann,müssen wir sie heute neu aufzie- cen wird sich deshalb mächtigung von Men- hen und justieren - davon handelt die aktuelle im 21 .Jahrhundert der Aufwärtsmobilität waren „„,die anderenfalls Debatte innerhalb der SPD. Dass diese Diskus- Gerechtigkeitsgehalt wir schon einmal besser. mangels Fertigkeiten sion um ein zeitgemäß erweitertesVerständnis sozialdemokratischer und Kenntnissen un- von Gerechtigkeit nicht im Entferntesten die Politik erweisen. „Das weigerlich an die Rän- Abkehr von den Gedanken der sozialen Ge- wirklich Überraschende an den neuen Formen der der Gesellschaft geraten würden,ist ein An- rechtigkeit und der gerechten Verteilung be- des Kapitalismus ist die Art, wie er ... Ungleich- liegen,daseinesich ihrer Herkunft bewusste So- deutet, versteht sich schon begrifflich von heit erzeugt",schreibt der amerikanische Sozi- zialdemokratie schon aus normativ-morali- selbst. Die SPD wird auch im 21. Jahrhundert ologe Richard Sennett zu Recht. Wachsende schen Gründen mit neuer Dringlichkeit auf ihre am Leitbild der sozialen Gerechtigkeit festhal- Ungleichheit und schwindende Versorgung Fahnen schreiben muss. ten. Gerade deshalb müssen wir uns darüber mit den,,Grundgütern" der Gerechtigkeitwer- Mit neuer Dringlichkeit?Ich glaube schon. Na- verständigen,wie sich dieser Anspruch ange- den heute und in Zukunftaber vor allem durch türlich können wir uns weismachen,die SPD sei sichts fundamental veränderter Konstellatio- Mangel an Bildung hergestellt.Deshalbgiltun- in den vergangenen Jahren mit immer gleich- nen bewahren und erneuern Iässt. ter den Bedingungen immer stärker wissens- bleibender Intensität und Vordringlichkeit die gestützter Ökonomie mehr als jemals zuvor: Partei der gerechten Bildungschancen und der VI. Gerechtigkeit ist Bildung - und Bildung ist Ge- sozialen Aufwärtsmobilität gewesen.Nur stößt Heute müssen wir uns sehr ernsthaft fragen, in rechtigkeit.Eben das macht den Zugang zu Bil- sich diese Behauptung an der harten Wirklich- welchem Zustand sich die Bildungsleitern befin- dung zu einem entscheidenden Thema. Bil- keit,wiesich nichtzuletztim internationalenver- den,auf denen viele jener Kinder,,kleiner Leute" dung ist heute der zentrale Schlüssel,der den gleich zeigt.Die Wahrheit ist:Als Emanzipations- vor Jahrzehnten den sozialen Aufstieg geschafft Weg zu den Grundgütern der Gerechtigkeit er- bewegung und Ermöglicher sozialer Aufwärts- haben:Sind sie nichtziemlich morsch geworden? öffnet. Wo Sozialdemokraten Bildung in ihrer mobilität waren wir schon einmal besser. Sind nicht allzu oft die untersten Sprossen her- ganz umfassenden gesellschaftspolitischen ,,Aufstieg durch Bildung" - unter diesem sehr ausgebrochen? Scheitern nicht viele heute Dimension zum zentralen Leitmotiv ihrer Poli- ernst gemeinten Motto rissen die Sozialdemo- bereits deshalb am Einstieg in den Aufstieg?Und tik machen,da wird in derTat der Pfad zu einer kraten in den frühen sechziger Jahren des ver- haben nicht auch die erfolgreich nach oben Ge- kletterten zugelassen, dass einige dieser Leitern hinter ihnen wieder eingezogen wurden? Auch hier ist der empirische Befund eindeutig. Nach aktuellen internationalen Vergleichsstu- dien des Heidelberger Sozialstaatsforschers Wolfgang Merkel liegt Deutschland im Ver- gleich von 19 westlichen lndustrienationenan- hand der Kriterien von Armut, Bildung, Arbeits- markt,Sozialstaat und Einkommensverteilung nur auf dem elften Platz.Schon das ist bedenk- lich genug. Extrem besorgniserregend ist aber, dass Deutschlanddabei gerade auf den Gebie- ten der Bildung und des Arbeitsmarktes besonders schlecht abschneidet - exakt dort also,wo über gerechte Lebenschancen und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes am meisten dingt einander heute in derTat gegenseitig.An dafür zu sorgen,dass es in Deutschland Ganz- entschieden wird. der Wirklichkeit scheitern wird deshalb, wer tagsbetreuungfür alle Kinder gibt,deren Eltern Nicht allein die unbestreitbaren Mängel des versucht, diese Kategorien gegeneinander in das wollen. Deshalb wäre es auch richtig,zeit- deutschen Bildungssystems im internationa- Stellungzu bringenNicht das Beharren auf his- gemäße Veränderungen an der Schulpflicht len Vergleich sind heute unser Problem. torischen Begriffen wird den Erfolg sozialde- vorzunehmen. Es ist nicht einzusehen,weshalb Schlimmer noch ist,dass die soziale Aufwärts- mokratischer Gerechtigkeitspolitikim 21 .Jahr- kein lebenslanges Recht auf einen ersten allge- dynamik der sechziger und siebziger Jahre hundert sicherstellen. Nicht um abstrakte De- meinbildenden Schulabschluss etabliert und inzwischen fast völlig zum Stillstand gekom- batten über,,mehr Staat" oder,,weniger Staat" durch konkrete institutionelle Bildungsange- men ist. Kaum irgendwo sonst in der westli- geht es, auch nicht vor allem um das Niveau bote auch handfest zu unterfüttert werden chen Welt hängen Bildung, Berufs- und Le- von Sozialtransfers.Was Menschen heute drin- sollte. Ebenso sinnvoll wäre es,die Schulpflicht bensperspektivender Menschen heute so sehr gend erwarten und brauchen, sind tatsächli- in Deutschland nicht mehr biszum 14.Lebens- von der sozialen Herkunft ab wie in Deutsch- che Lebenschancen und echtechancengleich- jahr gelten zu lassen,sondern erfolgsabhängig land. Wenn es von 100 Kindern aus der Ober- heit in einer solidarischen Gesellschaft. bis zum ersten Schulabschluss. Solche Maß- schicht 72 bis an die Universität schaffen,aber Eine,,Neue Politik der Gerechtigkeit"zum vor nahmen würden dazu beitragen, genau dieje- nur acht aus der Unterschicht,dann hat unsere allem mit den Mitteln bemächtigender Bil- nigen Gruppen mit neuen Fertigkeiten und Gesellschaft ein hoch dramatisches Gerechtig- dung bedeutet deshalb zugleich eine Chance Chancen auszustatten,die anderenfalls in Zu- keitsproblem. Kein Zweifel, dieses Problem ist für die SPD, ihre ursprünglichen Leitmotive kunft (und bereits heute) auf dem Arbeits- auch ein Umverteilungsproblem, denn natür- wieder zu entdecken.Zugleich wird sie vielfäl- markt und in der Gesellschaft von vornherein lich kostet gute Bildung für alle viel Geld. Aber tige gesellschaftliche Bündnisse sowie Ver- dem Risiko der fortgesetzten Exklusion ausge- das ist eine Selbstverständlichkeit, über die zu bindungen zu verwandten Debatten ermög- setzt wären. streiten sich nicht lohnt. In Wahrheit müssen 1ichen:So benötigt die Wirtschaft hoch quali- Die genannten Beispiele stehen für sehr kon- wir die Frage beantworten,welchen Prioritäten fizierte Arbeitskräfte,wobei angesichts des im krete und dennoch weit über denTag hinaus- Umverteilungspolitik heute folgen muss, um Ernst erst noch bevorstehenden, in seinem weisende Gerechtigkeitsziele, die geeignet im Ergebnis gerecht zu sein. Ausmaß noch kaum begriffenen demografi- sind,die Zukunft in Deutschlandfür ganz nor- Dass es gleichzeitig gerechter und ökono- schen Umbruchs bereits jetzt klar ist,dass je- male Menschen lebbar zu machen. Genau misch erfolgreicher geht, beweisen im Übrigen der einzelne heute unzureichendausgebilde- diesen Bezug zur realen Verfassung unserer auf nüchtern-visionäreWeise unsere skandina- te Jugendliche nicht nur unwiederbringlich Gesellschaft heute und über den Tag hinaus vischen Nachbarländer: Hervorragendes Bil- um Lebenschancen und,,Grundgüter der Ge- brauchen wir nach meiner Überzeugung un- dungswesen,flächendeckende und hochwer- rechtigkeit" gebracht wird, sondern auch bedingt - gerade auch in unseren program- tige Betreuungseinrichtungen für Kinder so- schon in wenigen Jahren eine Belastung für matischen Debatten über die Grundsätze und wie - dadurch ermöglicht - die hohe Beteili- Wertschöpfung und Sozialstaat bedeutet. So Ziele sozialdemokratischer Gerechtigkeitspo- gung von Frauen am Erwerbslebentragen hier wirken die Gebote der Gerechtigkeit und des litik im 21 .Jahrhundert. ,,Moderne,gebildete, dazu bei,dass die Arbeitslosigkeit gering bleibt ökonomischen Nutzens in dieselbe Richtung. säkulare Gesellschaften sind von der Existenz und das Risiko von Bildungsarmut und sozia- Ausdrücklich bezieht auch G~staEsping-An- einigermaßen konkreter, optimistischer und lem Ausschluss gering. Nebenbei verzeichnen dersen Gerechtigkeits- und Effizienzgesichts- plausibler politischer Szenarien abhängig die skandinavischen Gesellschaften hohe Ge- punkte aufeinander, wenn er völlig zu Recht statt von Szenarien zur Erlösungjenseits des burtenraten und wirtschaftliche Dynamik - so schreibt: ,,Es sollte allen offensichtlich sein, Grabes", hat der Philosoph Richard Rorty zu entsteht lebbare Zukunft. Das bedrückende dass wir es uns in den fortgeschrittenen Öko- Recht festgestellt. Und weiter: ,,Um an sozialer Phänomen der Vererbung sozialer Nachteile nomien des 21 .Jahrhunderts keinesfalls leis- Hoffnung festzuhalten,müssen die Mitglieder von einer Generationzur nächsten ist in Skan- ten können, nicht egalitär zu sein." Dem steht einer solchen Gesellschaft sich selbst eine Ge- dinavien weitgehend ausgestorben. Wie sich derzeit noch die Wirklichkeit im Wege.Ausbil- schichte erzählen können,die davon handelt, moderne Sozialstaatlichkeit und ökonomische dung und besonders die weiterführenden Bil- wie alles besser werden kann. Und sie dürfen Effizienz gegenseitig zu stärken vermögen, dungsinstitutionen wirken in Deutschland in keine unüberwindlichen Hindernisse für das statt einander in die Quere zu kommen, haben hohem Maß sozial ausschließend. Zugleich Wahrwerden dieser Geschichte sehen." Des- Manuel Castells und Pekka Himanen in ihrem werden diejenigen, die an höherer Bildung halb taugen alle unsere Grundsatzdebatten Buch The Information Society and the Welfare gar nicht oder nur wenig teilhaben,überpro- zur Frage der Gerechtigkeit letztlich nur so State: The Finnish Model (Oxford 2002) ein- portional zu deren Finanzierung herangezo- viel, wie sie einen ganz handfesten Beitrag drucksvoll nachgewiesen. gen. Das ist weder gerecht noch volkswirt- dafür leisten, dass unter den veränderten Be- schaftlich weitsichtig. dingungen des 21. Jahrhunderts mehr Men- VII. Deshalb ist es gerade auch aus gerechtigkeits- schen bessere Chancen auf ein besseres Le- Bildung, Arbeit, Familie, Lebenschancen, Ge- politischen Gründen richtig,im Rahmen eines ben haben. In diesem Sinne haben wir uns auf rechtigkeit, Freiheit und Solidarität - all das be- umfassenden nationalen Bildungsprojekts den Weg gemacht. SPW 4 12003 * -. -*=. *~* - f- - *Y "T- * "

22 spw 4 12003 Was will die SPD heute unter Sozialer Gerechtigkeit verstehen?

Von Sönke Kluges

,,Reicher Mann und armer Mann standen da Ersetzung von solidarischer Absicherung derspruch zwischen Freiheit und Gleichheit. und sahn sich an und der Arme sagte bleich: durch private Eigenvorsorge und die For- Doch richtig verstanden widersprechen sie Wär ich nicht arm, wärst Du nicht reich." cierung von quasi Zwangsarbeit im Nied- sich nicht, sondern bedingen sich gegen- (Brecht) riglohnbereich. seitig. Deshalb heißt es im Grundsatzpro- Doch bevor wir uns dem näher zuwenden, gramm: ,,Der Mensch ist als Einzelwesen zur Eigentlich gelte es, ,,Ideologie- erinnern wir uns an die bisher gültige sozi- Freiheit berufen und befähigt. Die Chance zur Schrott" über Bord zu werfen, so der SPD- aldemokratische Auffassung von Gerech- Entfaltung seiner Freiheit ist aber stets eine Generalsekretär. Weil aber große Teile der tigkeit:,,Gerechtigkeitgründetin dergleichen Leistung der Gesellschaft. (..J Freiheit ver- Partei und der Gesellschaft immer noch Würde aller Menschen. Sie verlangt gleiche langt Freisein von entwürdigenden Abhän- nicht recht überzeugt sind von Gesund- Freiheit, Gleichheit vor dem Gesetz, gleiche gigkeiten, von Not und Furcht, aber auch die heits- und Arbeitsmarkt-,,Reformenu, die Chancen der politischen und sozialen Teilha- Chance, individuelle Fähigkeiten zu entfalten SPD aber doch gefälligst,,gut finden" soll, be und der sozialen Sicherung. Sie verlangt und in Gesellschaft und Politik verantwort- was die Regierung tut (Scholz), muss ein die gesellschaftliche Gleichheit von Mann lich mitzuwirken. Nur wer sich sozial ausrei- neuer ideologischer Überbau nachgescho- und Frau. Gerechtigkeit erfordert mehr chend gesichert weiß, kann seine Chance zur ben werden, der den Richtungswechsel zu Gleichheit in der Verteilung von Einkommen, Freiheit nutzen. Auch um der Freiheit willen rechtfertigen hilft. Dabei wird zur Konzepti- Eigentum und Macht, aber auch im Zugang wollen wir gleiche Lebenschancen und um- on verklärt, was real hilf- und mutlose An- zu Bildung, Ausbildung und Kultur." (Berliner fassende soziale Sicherung. (...) Gleiche Le- passung an die Dauerstimmungsmache Grundsatzprogramm der SPD) Hier wird benschancen bedeuten nicht Gleichförmig- von Wirtschaftslobby, Medienkonzernen noch ein enger Zusammenhang von Ge- keit, sondern Entfaltungsraum für individuel- und wichtigtuerischen ,,VordenkernU war: rechtigkeit und Gleichheit formuliert: Weil le Neigungen und Fähigkeiten aller. Gerech- an den Mainstream neoliberaler Krisener- alle Menschen gleiche Würde besitzen, ha- tigkeit, das Recht auf gleiche Lebenschancen, klärung und Gegenreform. Um sich die of- ben auch alle das Recht auf gleichberech- muss mit den Mitteln staatlicher Macht an- fenkundige Illusion tigte soziale, kulturel- gestrebt werden." „wir bestimmen die le-und politische Teil- Diese differenzierte,aber klare Argumentati- Richtuna- der Refor- Weil Menschengleiche habe. Weil alles dies on i~norierend~werden- auch im Diskurs der men" (derselbe) vor- Würde besitzen, haben in einer Warentausch- selbsternannten ,,ModernisiererU Freiheit zugaukeln und die auch alledas Recht auf und Geldwirtschaft und Gleichheit gegeneinander ausgespielt. konformistische Ba- aber auf individuel- So setzt auch Scholzsoziale Sicherunad subtil nalität durch eine,,Vi- aleichberechtiate soziale, ien ökonomischen mit Entmündigung, mit Abhängigkeit in Ver- sion" zu kaschieren, 4 4 Ressourcen basiert, bindung. Sozialer Ausgleich wird gegen,,Ei- wird der Traditions- und politische müssen diese,also v.a. genverantwortung" gesetzt,obwohl er doch begriff der Gerech- Teilhabe. das Einkommen, erst die Voraussetzung ihrer Möglichkeit tigkeit noch einmal zumindest annä- schafft. Die Ironie dabei ist, dass der deut- vor der Verschrot- hernd gleich verteilt sche (Sozial-)Staatin seiner konkreten Aus- tung bewahrt und neu aufpoliert - freilich sein. Auch deshalb wird klargestellt: ,,Die gestaltung tatsächlich auch autoritäre Züge mit grobem Tuch und Creme aus fremder Würde des Menschen ist unabhängig von sei- einer ,,formierten Gesellschaft" trug und Produktion. ner Leistung und Nützlichkeit." trägt: in seiner enormen bürokratischen Ver- Von konservativer und liberaler Seite wird engung und Kontrolle, seiner Ausrichtung Gerechtigkeit im Berliner Grundsatzpro- diese Zielperspektive sozialer Gleichheit sei am konservativen männlichen Lebensmo- gramm jeher als,,Gleichmacherei" diskreditiert, die dell des,,Haushaltsvorstands",seiner starken, Die Neufassung des SPD-Grundsatzpro- entweder der Freiheit des Individuums (Li- oft aggressiven Ablehnung neuer, alternati- gramms soll zwar erst im nächsten Jahr er- beralismus) oder der natürlichen Ungleich- ver Lebensformen. Bei alledem haben sich folgen,doch die Frage,,Was bedeutet heute heit der Menschen (Konservatismus)entge- insbesondere traditionelle (rechte) Sozialde- soziale Gerechtigkeit?" wird auf den Bun- gengesetzt sei.Obwohl mit dem Boom der mokraten hervorgetan. Doch während linke desparteitag im November vorgezogen. Genforschung auch die konservative Welt- und feministische Reformbestrebungen ge- Hierzu hat Olaf Scholz jetzt ein Papier vor- sicht wieder an Boden gewinnt (man sei nau hier auf ,,Umbauu im Sinne größerer gelegt, das die Umdeutung des Gerechtig- halt dumm oder klug geboren, da könne Selbstbestimmung zielten, sollen bei den keitsbegriffs fortschreibt, wie sie bereits man nichts machen), ist doch vor allem die heutigen,,ReformenMim Namen der,,Eigen- von Bodo Hombach,Wolfgang Clement, Ru- liberale Unterstellung einer Zwangsanglei- verantwortung" die repressiven Elemente dolf Scharping u.a. eingeleitet wurde. Es chung der Lebensweise äußerst wirksam. noch verstärkt werden, während Frauen bei geht im Kern um den Verzicht auf Vertei- Verschreckt durch entsprechendeversuche Renten-, Arbeitsmarkt- und Gesundheitsre- lungsgerechtigkeit, die ersatzweise Förde- im sog. Realsozialismusglauben auch viele form absehbar die Hauptverliererinnen sein rung von BiIdungschancen,die schrittweise Sozialdemokraten an den angeblichen Wi- werden.

Gerechtigkeit und sozialer Aufstieg Der Sozialstaat, so der nahegelegte Schluss, Sönke Kluges, Jahrgang 1968, aktiv in der SPD Hamburg-Nord müsse gleichsam um der Freiheit willen zu- rückgestutzt werden, die SPD solle sich in zu müssen. Tatsächlich beruhen die unter- Wenn die SPD die realen Einkommens- und diesem Sinne gar als,,Emanzipationsbewe- schiedlichen Leistungsbewertungen auf der Vermögensunterschiede als Resultate ver- gung" wiederentdecken - was sie angeb- gesellschaftlichen Definitions- und betriebli- meintlicher ,,Leistungsgerechtigkeit" bzw. lich ,,in den jüngsten Jahrzehnten" nicht chen Durchsetzungsmacht der von ihnen unveränderlicher struktureller Kräftever- war. Doch wo das Pathos anschwillt, be- profitierenden,also der Eigner, Manager, In- hältnisse auch weitgehend akzeptierte, so schleicht einen die Sorge um die Substanz. tellektuellen, leitenden Beamten und Politi- hat sie sich doch eine Ahnung davon be- Denn schon die Unterstellung, die SPD kerlnnen. Die enormen Einkommensun- wahrt, dass diese nicht wirklich gerecht habe soziale Gerechtigkeit nur als Vertei- gleichheiten sind nicht allein faktischen Leis- sind. Deshalb - bisher - die prinzipielle Soli- lungsgerechtigkeit und damit nicht,,umfas- tungsunterschieden geschuldet, sondern darität mit gewerkschaftlichen Tarifkämp- send" genug verstanden, ist falsch. Zum ei- tradierten kulturellen Zuschreibungen,sozi- fen, deshalb - bisher - der Versuch, die un- nen hat sich die SPD in ihrer Praxis schon alen Machtgefällen und Kräfteverhältnissen. gerechte ,,Primärverteilung" (Verhältnis lange auch den liberalen Grundsatz des Heute kommt hinzu,dass selbst so akzeptier- zwischen Arbeits- und Gewinneinkommen) ,,proportionalen Vergeltens" zu eigen ge- te Leistungsgerechtigkeit faktisch immer durch Steuer- und sozialpolitischen Aus- macht, allgemein bekannt unter dem Titel mehr versagt,was die Menschen auch wahr- gleich (,,Sekundärverteilung") wenigstens ,,Leistungsgerechtig- nehmen: zum einen zu korrigieren,also die soziale Ungleichheit keit". Und zum ande- spielt für das Ein- ,,etwas gleicher" zu machen. Weil dies im ren war die reale SPD- Je mehr Sozialdemokraten kommen immer Rahmen der kapitalistischen Verhältnisse Politik zwischen 1966 den individuellen Aufstieg öfter das vorhande- aber nur begrenzt möglich ist, hat man ver- und 1982, in den Län- ne, oft geerbte Ver- sucht, wenigstens,,unverschuldete" Unter- dern auch noch Iän- geschafft- hatten desto eher mögen eine größere schiede in der Leistungsfähigkeit auszugiei- ger, durch einen tat- akzeptierte die partei hohe Rolle als tatsachliche chen, und zwar v.a. durch die Bildungspoli- sächlich umfassen- Leistung, während tik: durch Ausbau, pädagogische und sozia- den Dreiklang aus so- Einkommensunterschiede. andererseits auch le Förderung sollte zumindest ansatzweise zialer Sicherung, Bil- (hoch-)qualifizierte Chancen-Gleichheit erreicht werden. Inso- dungsexpansion und Tätigkeiten zuneh- fern wurde der Grundsatz realisiert, den dem Ausbau für alle bezahlbarer öffentli- mend entwertet werden; zum zweiten ver- auch aufgeklärte Liberale wie der z.Zt. wohl cher Dienstleistungen gekennzeichnet. ursacht das voranschreitende Wettbe- bedeutendste Gerechtigkeitsphilosoph, In der Praxis der letzten Jahrzehnte hat die werbsprinzip immer mehr .The winner der US-Amerikaner John Rawls, vertreten: SPD nie ernsthaft versucht, tatsächliche takes it alln-Situationen, d.h. auch sehr ge- um einen gerechten Ausgleich im Ergebnis ,,Gleichheitn durchzusetzen.Je mehr Sozial- ringe Leistungsunterschiede (oder Darstell zu gewährleisten, muss man vorab Unglei- demokratlnnen aus privilegierten Schichten lungskunst, Beziehungen, Korruption oder ches auch ungleich behandeln. (s. John stammten oderden individuellen ~ufstie~in schlicht Glück) können zu enormen Ein- Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, qualifizierte Angestellten- und Beamtenjobs kommensunterschieden führen; und zum FrankfurtIM. 1971) geschafft hatten und die damit verbunde- dritten machen viele Menschen die Erfah- nen Wohlstandsgewinne genossen (sowohl rung, dass auch große Leistungen und gro- Das neue Gerechtigkeitsleitbild materiell als auch den sozialen Status betref- Res ,,eigenverantwortliches" Engagement Die bisherige Gerechtigkeitspolitik der SPD fend),desto eher akzeptierte die Partei (und nicht honoriert werden, etwa wenn trotz war also insofern umfassend, als das sie zunehmend auch die Gewerkschaften) die vieler (zunehmend selbstbezahlter) Fort- eine Einheit bildete aus ausgleichender So- Realität hoher Einkommensunterschiede. und Weiterbildungen Arbeitslosigkeit doch zialpolitik, fördernder Bildungspolitik und Doch um diese zu rechtfertigen, ohne sie nicht vermieden oder überwunden werden weiteren öffentlichen Dienstleistungen im einfach aus ständischerTradition begründen kann. (s. Birgit Mahnkopf: PROKLA 121, sozialen und kulturellen Bereich. Diese ver- zu können, muss man den verschiedenen 2000) gleichsweise wirksame Einheit wollen Sc- Qualifikationen und Tätigkeiten ein unter- schiedliches Maß an,,Leistung" beimessen. Doch welcher Maßstab kann dem zugrunde liegen? Ins Feld geführt werden drei: Arbeits- zeit, ,,Verantwortung" und unterschiedlich hohe Qualifikationen. Bei näherer Betrach- tung sind sie alle objektiv kaum haltbar.Die faktischen Arbeitszeiten vieler Arbeiterlnnen und,,kleinen" Angestellten liegen weit über den nominellen,gemütlich anmutenden 35 oder 38 Stunden (Überstunden als Regelsi- tuation). Warum ist die,,Verantwortung" ei- nes Managers (als positive Burde verstan- den),der um der Aktionärsrendite willen Ar- beitspiatze wegrationalisiert, Per Se hciher 4 i als die der Krankenschwester? Und warum ' seine Qualifikation? Die ungleiche Bewer- tung von Ausbildungsgängen und Qualifika- { tionen basiert auf der stets unterstellten Hö- I~~~~~,~~:B~C~~~,I.IO~~,N.IROI~,G.(H~S~.),SOZ~~I~S~C~~-herwertigkeit von geistigen gegenüber ma- nuellen und sozialen Fähigkeiten - doch die- se ist keineswegs objektiv zwingend, son- dern gründet in dem historischen Privileg der höheren Stände und herrschenden Klas- sen.sich nicht die Finaer schmutzia.., machen - Foto:Christian Kiel (Berlin) holz und andere modisch-windschnittige ten Konditionen anzunehmen. Denn, so die und steigende ,,Eigenvorsorge"-Aufwen- Genossen (im Zentrum nur Männer) nun These: Jeder Job ist besser als kein Job. dungen verstärkt wird. Bei gleichzeitigem auflösen: bei den öffentlichen Dienstleis- Dieses Gerechtigkeitsverständnis kann Verzicht auf beschäftigungswirksame Öf- tungen wird laviert zwischen partiellem man am ehesten als ,,Startchancengleich- fentliche Investitionen ist ein nennenswer- Ausbau (Kinderbetreuung), Sparpolitik und heit" bezeichnen: Das neoliberale Leitbild - ter Anstieg qualifizierter (Vollzeit-)Arbeits- Privatisierungseifer. Bildungsförderung soll und gleichzeitig weitgehend die Realität plätze kaum zu erwarten. Wenn man den- Sozialpolitik nicht mehr ergänzen, sondern des modernen, deregulierten und globali- noch einen Zustand erreichen möchte, der (weitgehend) ersetzen.Sieht es auf den ers- sierten Kapitalismus - einer Gesellschaft, in sich irgendwie,,Vollbeschäftigung" nennen ten Blick so aus, als hätte Scholz mit dem der die Individuen in scharfer Konkurrenz Iässt, bleibt nur der Ausweg über den Nied- Thema Bildung nur ,,neun entdeckt, was jeder für sich und gegen (fast) alle anderen riglohnsektor. Dem - durch repressive Sozi- doch als,,Chancengleichheit" schon längst um ihren Anteil am Wohlstand,um Chancen alpolitik erzwungenen - wachsenden An- zum sozialdemokratischen Kernbestand für ein gutes Leben kämpfen,wird im Grun- gebot an billiger Arbeitskraft wird gehört, so tritt bei seinem Zugriff jedoch de akzeptiert. Nur sollen am Start, also am sicherlich nicht die Nachfrage fehlen,denn ein völlig anderes Gerechtigkeitsverständ- Beginn des Lebens, alle möglichst gleiche durch die zunehmende Polarisierung der nis zutage. Chancen haben. Dass es unter ,,entfessel- Verteilung und der nominell viel stärkeren Sein Ausgangspunkt ist die Erkenntnis,dass ten" kapitalistischen Bedingungen den- Entlastung hoher Einkommen durch Steu- unsere Gesellschaft sich polarisiert und noch notwendig zu großer sozialer Un- er- und Sozialreformen wird es mehr Men- immer mehr Menschen von sozialer Exklu- gleichheit kommt, dass es also notwendig schen geben, die sich das eine oder andere sion betroffen oder bedroht sind. Dies als Verlierer qibt,- wird Dienstmädchen leis- Manager einer Regierungspartei anzuer- als notwendiges ten können (und sub- kennen, ist ein Verdienst. Doch an seinen übel, als Preis für Selbst in sich ist der Ansatz, iektiv verständlich Lösungsrezepten dieses,,zentralen Gerech- eine ,,dynamischeu Soziai~oiitikdurch auch müssen, denn tigkeitsproblems" wird deutlich, dass er die und ,,freieu Gesell- sie selbst haben vor individualisierende Ursachenzuschreibung Schaft hingenom- Bildungsförderung ZU Arbeit keine der Neoliberalen verinnerlicht hat: verant- men. Doch werden ersetzen, nie 1t schlüssig. Zeit für so was). Der wortlich für ihre (drohende) Exklusion sind die Verlierer - das ist Zynismus an dem Ge- die einzelnen Menschen selbst, denn sie die zweite modern- rede über die Not- sind entweder nicht gut genug qualifiziert, sozialdemokratische Abdämpfung des pu- wendigkeit von Niedriglohnarbeit liegt im oder sie sind nicht bereitwillig genug, Billig- ren Neoliberalismus - nicht gänzlich fallen- übrigen darin, dass es auch hierzulande jobs anzutreten. Da gerechte Politik als eine gelassen, sondern knapp über dem Boden längst einen riesigen Niedriglohnsektor solche postuliert wird, die den Menschen aufgefangen; mit dem,,Netz" eines Niedri- gibt: Das WSI-Institut hat in einer Studie he- hilft und sie drängt, sich selbst zu helfen glohnjobs,das sich für die Betroffenen aber rausgearbeitet, dass ein Drittel aller Be- (unter weitgehender Ausblendung der ge- schnell als Käfig herausstellen kann: denn schäftigten in Deutschland weniger als sellschaftlichen Bedingungen und mangel- einmal hier angekommen, hat man kaum 75% des Durchschnittsverdienstes erhält, haften Möglichkeiten), wird sie im Kern re- noch Chancen,sich daraus wieder zu befrei- 12% sogar weniger als die Hälfte,Tendenz duziert auf zwei Dinge:zum ersten,,Fördern en.Gerade in Deutschland sind soziale Stig- steigend.Viele Berufsgruppen, auch solche, und Fordern" in und durch Bildung, und matisierungen nach wie vor hoch wirksam. die man nicht ernsthaft als geringqualifi- wenn dieses für einen qualifizierten Job Wer einmal im Keller war, dem haftet der ziert bezeichnen kann (Kranken- und Alten- nicht reicht, wenn - in dieser Logik - der Geruch oft bleibend an,trotzvieler Bäder in pflegerlnnen, Erzieherinnen, Fachverkäufe- oder die Einzelne also nicht leistungswillig Fleiß und Weiterbildung. Der Lebenslauf rlnnen, Friseurinnen usw.) bekommen genug war: der Ausbau des ,,Niedriglohn- bleibt,,beschmutzt". schon heute nur sehr niedrige Löhne.Wenn sektors", verbunden mit einem hohen dann davon gesprochen wird, dass ein Druck, solche Jobs auch unter schlechtes- Die Agenda 2010 als Prototyp Niedriglohnsektor erst noch geschaffen Dieses ,,moderneu Bild von Gerechtigkeit werden muss, dann können damit nur US- hat mit dem bisherigen sozialdemokrati- amerikanischeverhältnisse gemeint sein, in schen Leitbild von Chancengleichheit und denen vielen Menschen trotz knochenhar- sozialer Gerechtigkeit nicht mehr viel zu ter, langer Arbeit und äußerster Flexibilität tun. Ging es bisher um annähernd gleiche gerade mal das absolute Existenzminimum Chancen auf individuelle Entfaltung und bleibt. Schöne neue Gerechtigkeit. gesellschaftlich-kulturelle Teilhabe wäh- Nicht nurzynisch,sondern auch gänzlich ab- rend des ganzen Lebens (S.O.gültiges Pro- surd ist es, wenn Scholz von,,Emanzipation" Feminismus, Gender, gramm), so wird diese Gleichheit jetzt auf schreibt, um seine Konzepte anzupreisen. Geschlecht

Ger~iileClilernoiiiiI~, Fi,,ri.ipoiili ,,"* Gendei Budget Fri1iiClireCiifC iinO Versiafe Nalloneii Wettrennens und Wegboxens reduziert. gung war es bisher, sich von abhängigen, Frmrilri schs G~u~eikschoHrpoittkLaiinungleir!ih~,1 Sa:iaiueiTi~lierung, Frauenhindsi und FreierMarkt Danach regiert die ,,freieu Konkurrenz, die ausbeuterischen, unwürdigen und rechtlich

51 iieylior S Srfiuniar KiMc.imnn, M Wadori umso besser funktioniert, je rücksichtsloser wie sozial ungleichen gesellschaftlichen Ver- R Not>. K P~hiC, Mlchri F Vatilfolo. N ImWidon. Th "J,ilh.ii. S K,ipprler sie ausgefochten wird.Wer abgehängt wird, hältnissen zu emanzipieren, zu befreien. hat Pech gehabt, bzw. war nicht leistungs- Wenn schon die Mehrheit nicht mehr vom O$S~USSIO~ willig genug. Nur wer verwundet liegen Kapitalismus an sich, dann wollten wir uns F Hai:Q GcicnieChtme*slfniise~e A ,dilai,der Frnrm- dar GawlilP;"te~ocr."unp > bleibt, wird vom ,,Lazarettwagen" (Rudolf aber wenigstens innerhalb des kapitalisti- P Piinscnen ziir Deriefteum JUdit" 83utier T soitaan iruaray irit ~arxiescn Scharping) eingesammelt. schen Käfigs von solchen Zuständen soweit C unii werlnuf schein Mscni des ~atnarchafs Dass der ideologische Überbau der Agenda in Richtung Freiheit und Gleichheit emanzi- hlamina, . 'P<;ens#oi?en ' Zr#lwliriRil\i.hau 2010 so aussieht, ist kein Zufall: Auch die pieren, wie es nur geht. Deshalb bestand das vorgezogene Steuerreform wird die Schwä- Ziel sozialdemokratischer Bildungspolitik chung der Massenkaufkraft und damit der auch nicht nur darin, hohe fachliche Qualifi- Binnennachfrage nicht ausgleichen kön- kationen zu ermöglichen, sondern immer nen, die durch Sozialleistungskürzungen auch in umfassender Weltaneignung und Persönlichkeitsentfaltung, in Selbstbestim- Argument an Gewicht gewonnen: die An- mung und Demokratie.Doch bei Scholz wird nahme, dass (begrenzte) soziale Ungleich- Emanzipation zur ,,Befreiungf' aus sozial- heit für ein dynamisches Wachstum der 1 staatlicher Absicherung,zur bestmöglichen Wirtschaft förderlich und notwendig sei. Armut individuellen Anpassung an die Anforderun- Dieses Standardelement aus dem neolibe- gen von Konkurrenz und Arbeitsmarkt. Je- ralen Baukasten hat sich Wolfgang Cle- und Kindheit deR ist,,frein und emanzipiert", seinen öko- ment vehement zu eigen gemacht. Da - so nomischen Nutzwert für den Markt,sein,,Hu- die gängige Vorstellung - wirtschaftliches mankapital" zu optimieren. Aber er tut dies Wachstum letztlich allen zugute komme, alles,,frein (von solidarischer Sicherung) und auch den Schwachen, sei also gerecht, was ,,eigenverantwortlich" - eben,,emanzipiertU. Wachstum bzw. Arbeit schaffe. Letztlich ist diesviel ehereine,,Gleichmache- In sehr viel differenzierterer Weise als bei rein von Lebensformen als das sozialdemo- Clement,Scholz und Co.wird dieser Ansatz kratische Ziel der Gleichheit der individuel- auch in einem Papier der SPD-Grundwer- len Möglichkeiten. tekommission vertreten (,,Freiheit,Gerech- Doch selbst in sich ist der Ansatz,Sozialpolitik tigkeit und Solidarität: Die Maßstäbe und durch Bildungsförderung zu ersetzen, nicht Prinzipien sozialdemokratischer Politik im Christoph Butterwegge schlüssig. Ein zentrales Ergebnis der PISA-Stu- 21. Jahrhundert"; Zwischenbericht der Karin HolmIMargherita Zander u.a. die lautet ja bekanntermaßen, dass der Bil- SPD-Grundwertekommission 2001). Hier Armut und Kindheit dungserfolg in Deutschland immer noch er- wird allerdings das grundsätzliche Ver- Ein regionaler, nationaler heblich vom sozialen Status der Kinder und ständnis von Gerechtigkeit als annähern- und internationaler Vergleich 2003 321 Seiten Kart 16,90 EUR Jugendlichen abhängt, dass also ein ausge- der sozialer Gleichheit bestätigt, doch es ISBN 3-81 00-3707-9 bautes und (relativ) durchlässiges Bildungs- wird gefragt, unter welchen Umständen System allein noch lange keine Chancen- soziale Ungleichheit dennoch zu rechtfer- In diesem Band werden Ursachen und Erscheinungsformen von Kinderarmut gleichheit gewährt. Da reicht auch keine tigen sei.Anknüpfend an John Rawls (S.O.) in Ost- und Westdeutschland, auf dem (immerhin wieder etwas ausgeweitete) Aus- sei Ungleichheit nur dann insgesamt legi- Land und in der Stadt sowie in der sog. bildungsförderung, denn wir wissen tim, wenn sie auch vor denen gerechtfer- Ersten und Dritten Welt miteinander inzwischen,wie sehr Lernmotivation und Bil- tigt werden kann, die von ihr (relativ) be- verglichen dungszugang bereitsin den ersten Kinderjah- nachteiligt werden. Dies sei dann der Fall, ren geprägt werden, und auch später noch wenn durch die Ungleichheit eine solche wesentlich vom Klima zu Hause.Obein famili- (materielle) Verbesserung erreicht wird, äres Umfeld aber eher bildungsfreundlich dass es selbst den Menschen am unteren oder-feindlich ist, hängt wiederum starkvon Ende der Skala absolut besser gehe als in deren sozialen Möglichkeiten und Lebens- einem Zustand der Gleichheit. Formuliert umständen ab. Das bedeutet, hohe Bildung in den 70er Jahren hieß das praktisch: so- zial- und arbeitsmarktpolitischen Regulie- aus einer,,Underclass"-Lebenslage heraus zu lange es auch dem ärmsten US-Amerika- rungen der Vergangenheit den wirtschaftli- erreichen,istzwar nicht unmöglich,aber doch ner besser gehe als dem durchschnittli- chen Erfolg Deutschlands begünstigt ha- viel schwieriger. Der Ausbau öffentlicher Kin- chen Sowjet-Bürger, ist der Kapitalismus ben - und das die derzeitige Innovations- derbetreuung mit Bildungsauftrag ist daher trotz seiner enormen sozialen Ungleich- und Wachstumsschwächeauch in der Erosi- ein wichtiger Schritt,doch auch das kann die heit moralisch gerechtfertigt. Den Kom- on der sozialen und Arbeitsbeziehungen grundlegende Verbesserung prekärer Le- promisscharakter des Papiers der Grund- begründet ist. (s. Mahnkopf 2000 sowie bensverhältnisse durch sozialen Ausgleich wertekommission erkennt man freilich da- Arne Heise: Dreiste Elite. Zur politischen nicht ersetzen.Eben deshalb bilden Bildungs- ran, dass trotz dieser vorsichtig formulier- Okonomie der Modernisierung, Hamburg und Sozialpolitik eine ten theoretischen 2003). Einheit, die nur ge- Weichenstellung Nach aller Kritik an den pseudo-modernen meinsam wirkliche Die sozialpolitischen dennoch in Bezug Revisionen bleibt die Frage, welche Alter- Chancengleichheit auf die bundesdeut- nativen es gibt für eine zeitgemäße sozial- herstellen kann. Sie Regulierungen der sche Realität mehr demokratische Politik sozialer Gerechtig- gegeneinander auszu- Verqanqen heit haben den Gleichheit gefordert keit. Was die grundsätzliche begriffliche W W spielen, ist falsch. Da wird - anders als bei Fassung angeht, gilt die Aussage der verwundert es kaum wirtschaftlichen Erfolg clement und Grundwertekommission, ,,dass der Ab- noch, dass auch die Deutschlands begünstigt. mit diesem Argu- schnitt ,Grundwerte des Demokratischen zweite wichtige PISA- ment auch noch die Sozialismus'des Berliner Programms in sei- Erkenntnis ignoriert zukünftig (u.a. als nen Grundaussagen nicht revisionsbedürf- wird: dass Chancengleichheit und gute Bil- Folge der eigenen Politik) weiter wachsen- tig ist. Hier liegt ein in seinen Formulierun- dung für alle nur in einem integrierten Schul- de soziale Ungleichheit gerechtfertigt gen auch sprachlich kaum überbietbarer system zu haben sind. Bildung als ,,neuenl' wird, bei der man den Verliererlnnen nicht Text vor." (SPD-Grundwertekommission Schlüssel zu sozialer Gerechtigkeit zu preisen, ernsthaft einen individuellen Vorteil vor- 2001) Doch wie können diese Grundüber- aber vor einem dafür zwingend notwendigen gaukeln kann. Zeugungen praktisch umgesetzt werden, Umbau Richtung Integration ängstlich zu- Doch ob in radikaler oder gemäßigter Form: wie kann die programmatische Konzepti- rückzuschrecken, ist nicht konsequent - und die Grundannahme dieser These ist falsch. on eines erneuerten, modernen Sozial- schon gar nicht modern. Für die Behauptung, (hohe) soziale Un- staates im Kontext einer veränderten Ar- gleichheit sei gegenüber sozial- und lohn- beitsgesellschaft aussehen? Dies zu klären Erfordert Wirtschaftsdynarnik Ungleich- politischem Ausgleich wirtschaftlich effizi- ist das Ziel der Programmdiskussion in den heit enter, gibt es keinerlei praktischen Beweis. kommenden Monaten. Die Aufgabe, dies In der sozialdemokratischen Gerechtig- Sie ist ein ideologischer Mythos. Im Gegen- einzulösen, liegt bei der sozialdemokrati- keitsdebatte hat schließlich ein weiteres teil spricht vieles dafür, dass gerade die so- schen Linken. SPW 4 12003 Gerechtigkeit im Generationswechsel

Von Niels Annen und Björn Böhning

Die Situation der SPD ist ernüch- Geldbeutel der Eltern nicht zum Maßstab für Staat, andere Ansprüche an soziale Gerech- ternd.Seit Wochen im U30%-Turm gefangen, gesellschaftliche Chancen werden zu lassen? tigkeit: Frauen wollen sich nicht mehr mit treibt eine desorientierte Partei im politi- Soziale Gerechtigkeit Iässt sich nicht dadurch dem männlich dominierten Normalarbeits- schen Schlamm der negativen Stimmungen definieren, dass Begriffe gegeneinander ge- verhältnis abfinden und den Erwerbs- und leidet an einer notorischen Mobilisie- stellt oder ausgetauscht werden.Wird der Be- wunsch plus Familie ausgeschlossen sehen. rungsschwäche,die nicht zuletzt auch in den griff der sozialen Gerechtigkeit für die SPD Männer verstehen nicht, warum zwischen Massenaustritten der vergangenen Monate beliebig,wird auch die SPD beliebig. dem 35. und 50. Lebensjahr sich Arbeit ihren Ursprung hat. In diese Phase kommu- Als junge sozialdemokratische Generation immer mehr verdichtet und Überstunden nizierter Desillusion und fehlender politi- wollen und werden wir die Frage einer sozia- angehäuft werden, wenn eigentlich Familie, scher Perspektive versuchte Olaf Scholz die len Erneuerung in Wirtschaft und Gesell- Kindererziehung oder auch Weiterbildung programmatische Debatte der Partei durch schaft daher nicht nur den,,EnkelsSöhnenn individuell wie gesellschaftlich sinnvoll wä- die Definition eines,,neuen Gerechtigkeits- überlassen, sondern die soziale Frage im 21. ren.Und junge Menschen sehen nicht mehr begriffs" wieder anzustoßen. Die Debatte Jahrhundert progressiv gestalten. Es gilt, die ein, warum sich Arbeit immer mehr ent- darum, wie Deutschland und Europa 2030 veränderten Bedingungen in Wirtschaft und grenzt und Freizeit zu einem kostbaren Gut auszusehen hat, ist zweifelsohne zu führen. Gesellschaft aufzugreifen, und in einen neu- wird,während in Zeiten zunehmender Unsi- In der aktuellen Auseinandersetzungen um en Transfermechanismus zwischen relativen cherheit immer mehr Mobilität und Flexibili- die Agenda 2010 und deren Folgen, läuft die Verliererlnnen und Gewinnerlnnen der Mo- tät abverlangt wird. Gerechtigkeitsdebatte jedoch Gefahr, zur dernisierung einmünden zu lassen. Dabei ist es nicht der Punkt, dass die Men- puren philosophischen Legitimation des ta- schen nicht flexibel wären. Für Junge trifft gespolitischen Klein-Klein zu verkommen. Den Wandel gestalten - neue Politik wa- dies überhaupt nicht mehr zu. Das Problem Dabei müssen sich gerade sozialdemokrati- gen ist, dass der deutsche Sozialstaat kaum eine sche Linke darüber im Klaren sein,dass jetzt Ein Politik, die auf dervereinbarkeit von Mo- Gegen- bzw. Unterstützungsleistung für nicht der Fehler gemacht werden darf, sich dernität und Solidarität gründet, ist weit wachsende Flexibilität, Mobilität und Unsi- von den zentralen wirtschaftspolitischen mehr,als es die Agenda 2010 ausdrückt.,,Mo- cherheit bereithält. Und statt diese Schiefla- Auseinandersetzungsfeldern zu verabschie- dernisierung der Politik bedeutet nicht, auf geanzugehen,wird nur immerwieder an der den. Meinungsumfragen zu reagieren, sondern einen oder anderen (Finanz-) Stellschraube Nichtsdestotrotz darf nicht unwiderspro- es bedeutet, sich an objektiv veränderte Be- der bisherigen Struktur gedreht,ohne auch chen sein, was Olaf Scholz unter neuer Ge- dingungen anzupassen." (Schröder-Blair-Pa- nur darüber zu diskutieren, wie neue indivi- rechtigkeit versteht, insbesondere wenn es pier 1999) Dies sollte sich die Regierung duelle Erwerbs- und Lebensläufe zukünftig darum geht, sich von Begriffen der,,Vertei- Schröder häufiger vor Augen führen. Das abgesichert sein können. Eine soziale Ge- lungsgerechtigkeit" oder des ,,demokrati- ,,System Schröder", die Politik als,,Tageskom- rechtigkeit in neuen Zeiten muss die Grund- schen Sozialismus" zu verabschieden. Die petenz" auf die Überschriften der Bild-Zei- lagen legen,für Individualität, Selbstbestim- Auseinandersetzung um Begriffe ist dabei tung aufzubauen, ist Teil des Problems der mung und Solidarität in Arbeit und Leben. auch ein Kampf um die Werte der Sozialde- SPD und wird nicht durch fehlende Langzeit- mokratie. Doch einen zentralen Fehler be- kommunikation besser. Demografischer Wandel und neue Ge- geht die Parteiführung dabei: Sie geht mit Denn wie die Diskussionen seit dem Sonder- rechtigkeit? dem individuell tief verankerten Verständnis parteitag bereits zeigen, bleibt diese Agenda Die Bevölkerung in Deutschland altert. Die- von sozialer Gerechtigkeit um,als ob dieses nur ein Stückwerkdas keine Idee einer Erneu- ser Prozess ist nicht neu, sondern seit Jahr- wie ein Antragstext einfach umgeschrieben erung des Sozialstaats enthält. Stattdessen zehnten bekannt.Auf der einen Seite hat der oder gelöscht werden könnte. Mit anderen beschränkt sich ein Großteil der Regierung sogenannte ,,Pillenknicku zu einer raschen Worten: Hegemoniale Interpretationen, die darauf,Sozialreformen auf Abbaudebatten zu Absenkung der Geburtenrate geführt. Auf in sozialen Milieus wurzeln, lassen sich nicht beschränken,ohne auch nur eine Perspektive der anderen Seite ist die durchschnittliche durch eine Begriffsumdeutung von oben ab- für die Zielrichtung und die Qualität sozial- Lebenserwartung im letzten Jahrhundert schaffen oder verändern, ohne bei der ge- staatlicher Leistungen zu benennen. Das gilt kontinuierlich gestiegen und wird weiter sellschaftlichen Basis Unverständnis hervor- im übrigen für alle Seiten: Für Arbeitgeber,für steigen. zurufen. große Teile der Gewerkschaften, für Regie- Der demografische Wandel wird umfangrei- Die Konfrontation von Gerechtigkeitsbegrif- rung wie für die Opposition. che Auswirkungen auf das Gemeinwesen fen, wie der Chancengleichheit im Bildungs- Gesellschaftliche und ökonomische Rah- haben. Eine alternde Gesellschaft wird Wesen, mit der Frage gesellschaftlicher Um- menbedingungen haben sich fundamental anders aussehen als eine Gesellschaft, in der verteilung entblößt sich dabei als Quadratur verändert. Das bedeutet vor allem, dass die Alte die Minderheit waren. Die Ansprüche des Kreises: Oder hat nicht gerade die PISA- Erwerbs- und Lebensläufe junger Menschen der Menschen wird sich verändern. Wirt- Studie dargelegt, wie ungleich die Chancen andere sind, als diejenigen,für die der deut- schaft und Gesellschaft werden sich auf die im Bildungswesen gerade für diejenigen mit sche Sozialstaat,,soziale Gerechtigkeit" defi- Ansprüche und Konsumhaltung einer älte- unprivilegierter Herkunft verteilt sind? Und niert hat. Aber vor allem haben die Men- ren Gesellschaft einstellen müssen. Staatli- ist es nicht Gebot der Sozialdemokratie den schen auch andere Ansprüche an den Sozial- che Dienstleistungen und Produkte werden sich der demografischen Entwicklung an- passen müssen.Staatliche Investitionen sind dafür ohne Zweifel notwendig. Niels Annen, Juso-Bundesvorsitzender, Hambulrg und Björn Böhning, stellv. Juso-Bundesvorsit- Mit derVeränderung der Bevölkerungsstruk- zender, Mitglied der spw-Redaktion, Berlin tur wird sich auch die Arbeitswelt verändern müssen. Die Ökonomie steht vor der Aufga- zu treiben. Und es ist auch nicht unsere Auf- Staaten nach Deutschland zu kopieren. Not- be,die Beschäftigung älterer Erwerbstätiger gabe, die Spaltungen innerhalb der jungen wendig ist es vielmehr, ein neues Bündnis durch Weiterbildung und lebensbegleiten- Generation zu verschweigen und mit der,,Ge- zwischen sozialem Fortschritt und ökonomi- des Lernen zu fördern. Bis 2020 wird der An- nerationengerechtigkeit als Kampfbegriff" scher Prosperität zu schließen. teil der 50-65jährigen gemessen an allen (Albrecht von Lucke) gegen die soziale Siche- Deshalb gilt es für die nächste sozialdemo- Personen zwischen 20 und 65 auf knapp rung zu Feld zu ziehen. Sondern wir stehen kratische Generation, mit einem ökonomi- 40% steigen. Heute sind es gerade gut 30%. vor der Herausforderung,generationenüber- schen Gestaltungsanspruch in die Offensive Das bedeutet vor allem, dass die Volkswirt- greifend und solidarisch ein Sozialsystem neu zu gehen. Das heißt natürlich auf der einen schaft das Potenzial älterer Arbeitnehmer- zu organisieren,^^ dass auch kommende Ge- Seite die Frage nach der Finanzierung der innen und Arbeitnehmer besser als heute nerationen von einem sicheren und flexiblen Sozialsysteme zu stellen. Auf kurze und mit- nutzen muss. Sozialstaat profitieren.Gleichfallsohne die Le- telfristige Sicht, ist die Frage nach dem richti- , Gesundes - ,,gutesu - Arbeiten muss zum bensrisiken zu privatisieren. gen Mix aus beitragsfinanzierten und steu- Leitbild der kommenden Erwerbsgesell- Es wäre deshalb einmal Wert darüber nach- erlichen Bestandteilen zu stellen. Eine Vor- schaft werden.Dem Arbeiten ohne Ende, wie zudenken, wie der Begriff der Generationen- aussetzung dafür ist, dass endlich das bei- es vor allem die junge Generation bestens gerechtigkeit an bestimmte Kriterien ge- tragsfinanzierte System so einnahmesicher kennt, muss durch einen Mix aus tariflichen bunden werden kann, die heute umgesetzt gemacht wird, dass es überlebensfähig und gesetzlichen Maßnahmen Einhalt gebo- auch nach vorne weisen können. Wir Jusos bleibt. Deshalb ist die Debatte um eine soli- ten werden.Nur wer lebenslang in gesunden haben dazu den Vor- darische Bürgerver-

Verhältnissen arbeitet, und nur wem Ruhe- schlag- gemacht,- Ge- Sicherung so wichtig. phasen eingeräumt werden, der wird auch nerationengerech- Hier muss sich auf im Alter noch produktiv arbeiten können. tiqkeit- konkret zu Hegemoniale Interpretati- der anderen Seite Das ,,Auspowernn der Menschen im Alter verknüpfen mit den onen, die in sozialen ein neuer makroöko- zwischen 25 und 45, wie es bisher betriebli- Ausgaben für Bil- nomischer Diskurs cher Alltag ist, muss beendet werden. Gera- dung (mindestens Milieus wurzeln, lassen sich anschließen. Dieser de in der Lebensphase, in der Kindererzie- 8%) sowie Forschung nicht durch eine ist der SPD völlig ver- hung und Weiterbildung individuell wie ge- und Entwicklung loren gegangen. Das sellschaftlich sinnvoll wären, werden Massen (mindestens 3%) ge- Begriffsumdeutung Von gilt für den vulgär- an Überstunden von den Beschäftigten an- messen am BIP. Das oben abschaffen. keynesianischen An- gehäuft. Hier wären Initiativen strategischer würde bedeuten, satz ebenso wie für Arbeitszeitverkürzung sinnvoll. nicht heute über die die gescheiterte mo- Der demografische Wandel erhöht sozial- ,,schlimme demogra- netaristische Politik staatliche Aufgaben und schränkt sie nicht fische Situation" im Jahre 2050 zu klagen, Hans Eichels. Unter den Bedingungen ein.Deshalb haben wir auch keinen,,Genera- sondern jetzt Zukunftschancen für die junge schwacher Konjunktur mit neuen Konsoli- tionenkonflikt" um schwindende Ressour- Generation zu sichern. dierungsprogrammen in die Rezession hin- cen. Sondern wir haben eine Auseinander- einzusparen, ist nicht generationengerecht, setzung um Umbau oder Abbau des Sozial- Auch mal über den Tellerrand schauen... sondern zerstört heute die Zukunftschancen staates. Das Ziel muss es sein,für alle Genera- Die sozialstaatliche Reformdiskussionhaben von morgen. Es gilt aus der Krise herauszu- tionen ein aktives und sicherndes Sozialsys- uns zweifelsohne viele andere Länder vor- wachsen und nicht hineinzusparen. Eine eu- tem zu organisieren. Das gilt für heute wie aus.Die Skandinavier waren dafür aus sozial- ropäisch koordinierte Konjunktur- und Be- für morgen. Sozialstaatliche Leistungen demokratischer Sicht wohl die erfolgreichs- schäftigungspolitik ist dafür mehr als über- müssen immer aus der aktuellen Wertschöp- ten. Sie haben übersetzt, dass soziale Ge- fällig. fung einer Generation heraus abgeleitet rechtigkeit heute auch immer ein,,DealUzwi- werden. Deshalb ist auch die Finanzierung schen Ansprüchen der Ökonomie und den Die Rolle des Staates im 21. Jahrhundert des Sozialstaates sicherer als vielfach be- Ansprüchen der Menschen ist. Flexibilität Der Staat spielt bei der Sicherung von sozia- hauptet.Gehen wir pessimistisch von einem und Sicherheit, Mobilität und Befähigung ler Gerechtigkeit nach wie vor eine wichtige, jährlichen Anstieg der Arbeitsproduktivität sowie Solidarität und ökonomischer Fort- wenn nicht die zentrale Rolle. Soziale Ge- um 1,4% aus, würde sich bei konstanter Er- schritt gehören eben zusammen und nicht rechtigkeit und Teilhabe in neuen Zeiten werbstätigenzahl und konstanter Bevölke- auseinander. Dem liegt die Erkenntnis wird einen starken Staat brauchen.,,Nur Rei- rung das reale BIP im Verlauf von 50 Jahren zugrunde, dass eine moderne, hochproduk- che können sich einen armen Staat leisten". mehr als verdoppeln. Gerade deshalb brau- tive Ökonomie ohne einen funktionstüchti- Dies gilt auch und gerade für die Sozialpoli- chen wir eine hohe Produktivität der er- gen Sozialstaat nicht stabil gehalten werden tik. In der Debatte um ,,good governance" werbstätigen Bevölkerung und eine innova- kann.Gerade das ist eines der Hauptproble- setzt sich immer mehr durch,dass dieeman- tiveVolkswirtschaft. Diese schafft den Vertei- me der Agenda 2010: Sie versucht den deut- zipative Entfaltung der Menschen,aber auch lungsspielraum, mit dem sozialstaatliche schen konservativen Wohlfahrtsstaat durch die nachhaltige Entwicklung der Wirt- Leistungen finanziert werden. Die Sozialde- ein unkoordiniertes Kürzen .auf niedrigem schaftsstruktur,einen Staat braucht,der Rah- mokratie der nächsten Generation muss Niveau" zu stabilisieren. Diese kurzfristige menbedingungen durchsetzen kann und dafür sorgen, dass dieser Verteilungsspiel- Politik wird allerdings nur den Startschuss dort regulativ eingreift,wo sich gesellschaft- raum auch ausgeschöpft wird. Gerade des- setzen für die Agenden 11,12 oder 13.Sie ist liche und ökonomische Fehlentwicklungen halb wird heute und morgen Generationen- auf die Überbrückung der derzeitigen Kon- breit machen.Das sieht im übrigen auch die gerechtigkeit nicht ohneverteilungsgerech- junkturflaute ausgerichtet, nicht auf ein dy- neoliberale Lehre so. Sie will allerdings tigkeit und umgekehrt zu denken sein. Dazu namisches (qualitatives) Wirtschaftswachs- immer nur dort einen starken (notfalls unde- gehört auch und gerade eine Initiative zur tum und einen nachhaltigen sozialen Fort- mokratischen) Staat, wo er für gute Stand- Erhöhung der Erbschaftssteuer. schritt. Mit anderen Worten: Für eine moder- ortbedingungen, ausreichend Absatzmärkte Es ist daher nicht die Aufgabe der kommen- ne Umsetzung von sozialer Gerechtigkeit oder innere Sicherheit sorgt. Die SPD sollte den sozialdemokratischen Generation vor reicht es nicht aus,Sozialkürzungen aus libe- dafür sorgen, dass soziale Gerechtigkeit nur dem Hintergrund des demografischen Wan- ralen Wohlfahrtsstaaten und Druckmecha- in Zusammenhang mit einem Staat gedacht ~~~d~~~~~d~hei~-~~~tf~len;~üsseld~~fdels ein Spaltpilz zwischen die Generationen nismen sozialdemokratischer Wohlfahrts- werden kann,der Freiheit und Individualität, Solidarität und Prosperität, Emanzipation sollte Vorreiterin einer nachhaltigen, regio- einer nachfrageorientierten, investiven Sta- und Geschlechtergleichstellung sichert, nalisierten Strukturpolitik, die sich auf die bilitätspolitik wäre aus Sicht der jungen Ge- wahrt und gegen ausgrenzende Kräfte ver- Entwicklung von Wachstumskernen be- neration eine generationengerechte Politik teidigt. UnsereVision eines modernen Staa- schränkt. Eine europäisch abgestimmte - nicht die des kurzfristigen Stopfens von tes bietet Sicherheit und Chancengleichheit, Strukturpolitik muss ökonomische Innovati- Haushaltslöchern. organisiert Teilhabe und Partizipation und onsfelder identifizieren und gemeinsam för- Dies verweist auf einen zentralen Schwach- hilft Karriere, Beruf und Freizeit in Einklang dern.Gleichfalls sollte eine neue strukturelle punkt der Gerechtigkeitsthesen von Olaf zu bringen. Dies gilt im übrigen für alle Be- Verknüpfung von exportorientiertem Sektor Scholz. Sie abstrahieren von der Ebene der völkerungsschichten. und lokaler Ökonomie durch die Förderung Erwerbsarbeit. Soziale Gerechtigkeit früher Der Wandel der Ökonomie wird nicht nur na- regionaler Wirtschaftscluster erfolgen. und heute war immer auch an die Umvertei- tional, sondern vor allem europäisch, ja glo- Das bedeutet, nicht immer nur von Deutsch- lung von Arbeit gebunden und vor allem da- bal zu gestalten sein. Zum Thema globale land aus mit dem Finger auf Europa zu zei- ran, das ungleiche Klassenverhältnis zwi- Gerechtigkeit findet sich bei Olaf Scholz kein gen, sondern als stärkste Wirtschaftsmacht schen Kapital und Arbeit zu regulieren. einziges Wort. Angesichts der weltweiten der EU voranzugehen, wie es zum Beispiel Davon darf und kann sich eine moderne So- Krisenentwicklung und dem Auseinander- zusammen mit Frankreich bei der Dynami- zialdemokratie,die sich als gesellschaftlicher driften zwischen Nord und Süd ist aber gera- sierung der Stabilitätskriterien gelungen ist Fortschrittsmotor im Interesse der Men- de dies eine der Herkulesaufgaben für,,mo- und gelingen muss. schen versteht, nicht verabschieden. Sozial dernes Regieren im 21. Jahrhundert". Eine gerecht ist dabei allerdings nicht alles, was neue Sozialdemokratie muss die Kraft dazu Die Linke und soziale Sicherung Arbeit schafft. Damit ließe sich zweifelsohne aufbringen, die gesellschaftliche Regulie- Eines der größten Probleme für die alte Linke auch die Sklaverei begründen.Sozial ist hin- rung des globalen Kapitalismus voranzutrei- ist es, dass ihr das Verständnis dafür gegen, was den Menschen (weltweit) die Si- ben und nach den Kriterien der Nachhaltig- abhanden gekommen ist,dass soziale Siche- cherheit gibt,mit den globalen Herausforde- keit,der Demokratie und des Sozialen zu re- rung nicht nur dafür da ist,die Menschen vor rungen zu leben und arbeiten. gulieren. Dies ist die zentrale Aufgabe einer Krisen zu bewahren. Dafür wurde sie auch Gerade aber wenn staatliche Regulierung globalen linken Bewegung, die die SPD mit- nicht erfunden.Sondern sie ist dafür da,einen auch künftig eine wichtige Rolle spielt und gestalten will und muss. langfristigen ökonomischen Wachstumspfad spielen soll, muss die Linke neu darüber nach- Dies wird nur in einem solidarischen Europa zu sichern, der - bei entsprechender Vertei- denken, wie ein positives Staatsverständnis funktionieren: Soziale Gerechtigkeit wird zu- lung - auch einen Teil an Solidarität organi- neu etabliertwerden kann.Das wird nurfunk- künftig europäisch sein - oder sie wird nicht siert. Nachfragestabilität,Sicherung von Aus- tionieren, wenn der Sozialstaat in Zukunft sein.Auch dafür ist die Agenda 2010 derfal- bildung und Qualifizierung, Förderung von nicht mehr nur auf dem Kontoauszug wahr- sche Weg: Sie wird lediglich den Druck auf Flexibilität und Mobilitätsowie Sicherung von genommen wird, sondern bei der Hilfe nach die anderen europäischen Staaten erhöhen, Bildung und Innovation sind die wichtigsten individuellem Fortkommen und der Unter- gleichfalls ihre Sozialsysteme,,anzupassen". Pfeiler unseres Sozialstaats. Diese müssen stützung eines selbstbestimmten Lebens und Stattdessen sollten endlich koordinierte wieder mehr zur Geltung kommen. Nicht Arbeitens. In unserer eigenen Generation ist Schritte zu einem gemeinsamen europäi- durch die Kürzung bisheriger Leistungen, dies wichtiger denn je: DasVertrauen in Staat- schen Sozialstaat hin unternommen werden. sondern durch das Umsteuern auf eine aktive, liche Institutionen ist bei ihr fast gänzlich ver- Dieser Sozialstaat kann einenTeil der gesam- präventive und flexibleVersicherung: loren gegangen.Während dies von Konserva- ten europäischen Wertschöpfung dafür ver- Zum Beispiel sollte die Arbeitslosenversiche- tiven und Liberalen zum Raubzug gegen den wenden, einen neuen EU-weiten ökonomi- rung nicht erst dann wirksam werden, wenn Staat ausgenutzt wird,muss es der jungen So- schen Wachstumspfad zu beschreiten, und der Risikofall Arbeitslosigkeit eingetreten ist, zialdemokratie gelingen,sozialstaatliche Un- gleichzeitig alle Menschen an einer gemein- sondern als ,,Arbeitsversicherung" für die terstützungsleistungen wieder,,erlebbar" zu samen europäischen Solidarität teilhaben zu Vereinbarkeit von Familie und Beruf,für Wei- machen. Das kann zum Beispiel auch bedeu- lassen.Und es wäre endlich eine abgestimm- terbildung oder für Arbeitsplatzwechsel wir- ten, individuelle Karriere nicht mehr zu diffa- te Wachstums- und Beschäftigungspolitik ken. Eine so organisierte Flexibilität,verbun- mieren, sondern mit-Beratungs-, Qualifizie- auf europäischer Ebene notwendig.Die SPD den mit einer nachhaltigen Struktur- sowie rungs- und Weiterbildungsleistungen zu un- terstützen. Das Vertrauen in den Staat ist von der herr- schenden Politikergeneration zerstört wur- den. Ein zentrales Projekt der nächsten Ge- neration ist es, dieses Vertrauen zurückholen und ausgehend von einem neuen Konsum- verhalten, soziale Leistungen auf vorwärts- gerichtete, innovative und qualifizierende Maßnahmen umzusteuern. Vor dem Hintergrund der fundamentalen Veränderungen in Wirtschaft und Gesell- schaft, mit völlig neuen Anforderungen an die Gestaltungsfähigkeit der Menschen ist ein neuer sozialdemokratischer Wohlfahrts- staat - als Inbegriff sozialer Gerechtigkeit - unerlässlich. Es wäre das erste Mal,dass es der SPD gelingt, diesen zu bauen. Will die SPD nicht noch mehr Wahlen verlieren, muss sie jetzt die Frage beantworten, wie wir zukünf- tig Leben, Arbeiten und Wirtschaften wollen. Die Antwort darauf ist die Grundlage für eine

neue soziale Gerechtigkeit. SPW 4 12003 Foto: Christian Kiel (Berlin) Der Gesundheits-,,konsens" Einstieg in die Zukunft oderverlängerung der Vergangenheit?

Von Michael Opielka

Zahlreiche sozialpolitische Refor- nebenkosten decken, weil das,,zu einer stei- des sozialen Ausschlusses einzukalkulieren,

I men seit den 1990er Jahren zogen ihre genden Arbeitslosigkeit" führe, heißt es im wenn die Verlagerung zahlreicher Leistun- Dringlichkeitsbehauptung daraus,die Lohn- Kompromisspapier von rot-grüner Bundes- gen (Zahnersatz, Krankengeld, private Unfäl- nebenkosten senken zu müssen. Nun zeigt regierung und Opposition. Doch Lohnne- le) aus der gesetzlichen in private Kranken- ein Blick über die Grenzen,dass Deutschland benkosten an sich lassen die Arbeitslosigkeit versicherungen gefordert wird. Das teils pa- hinsichtlich der Gesamtheit der Abgabenbe- weder steigen noch sinken. Die vergleichen- radoxe Nebeneinander von Egalitäts- und lastung keine Spitzenstellung einnimmt. Le- de Sozialpolitikforschung hat jedenfalls kei- Marktrhetorik durchzieht nicht nur die CDU- dige deutsche Geringverdiener werden zwar nen Zusammenhang zwischen Sozialabga- Programmatik sondern den gesundheitspo- vergleichsweise stark belastet (13,8% Steu- ben und Arbeitslosigkeit feststellen können. litischen Diskurs insgesamt.Aus diskursana- ern, 34,2% Sozialabgaben), im OECD-Maß- Der Grund ist klar: Aus Arbeitgebersicht sind lytischer Sicht liegt der Grund für dieverwir- Stab Platz 2; der Normalverdiener (20,2% Lohnnebenkosten Lohnbestandteil. Wenn rung in einer latenten Neubestimmung der Steuern, 40,6% Sozialabgaben) liegt auf eine Firma gut wirtschaftet, kann sie mit ,,öffentlichen Güter" in der Folge von Globa- Rang 5, auch der Geringverdiener mit 2 Kin- dem Sozialstaat leben. lisierung und gleichzeitiger gesellschaftli- dern wird kräftig herangenommen; anders cher Ausdifferenzierung in immer subtilere jedoch Ehepaare,ob als Allein- oder Doppel- Neoliberalisierung oder Solidarität? Teilsysteme. verdienerehe; für beide liegt die Abgaben- Die Frage istfreilich,welche Bürger mit weni- Ist,,Gesundheit" noch immer das öffentliche belastung insgesamt im OECD-Mittelfeld ger Sozialstaat noch gut leben können. Gut,das,,Wohl",zu dem sie seit der Kranken- (Quelle:OECD Taxing Wages 2002). Das liegt Denn die ,,Besserverdienendenu brauchen versicherungseinführung durch Bismarck im vor allem an der im Wohlfahrtsstaatsver- keine gesetzliche Krankenversicherung. Sie Jahr 1883 vergesellschaftet wurde? Oder ist gleich niedrigen Steuerlast, nur hinsichtlich kommen mit privaten Versicherungen zu- ,,Gesundheitn schlicht ein,,privatesUGut,jen- der Abgaben auf abhängige Arbeit nimmt recht. Das sieht man gut in den USA, deren seits der Politik, wie dies der neoliberale Dis- Deutschland einen Spitzenplatz ein. Gesundheitswesen gleichwohl das teuerste kurs empfiehlt? Diskurse, die mit Polaritäten weltweit ist (gemessen am Anteil der Ge- arbeiten, hier also,,öffentlich vs. privat" oder Lohnnebenkosten: Verteilungsproblem sundheitskosten am Bruttoinlandsprodukt). ,,Staat vs. Markt", sind einerseits besonders oder Arbeitsplatzgefährdung? Während die neoliberal ideologisierten Eli- eingängig,andererseits notorisch unterkom- Das verteilungspolitische Problem ist die ten in Deutschland den Sozialstaat gerne plex.Damit eignen sich dualistische Diskurse einseitige Belastung der Lohneinkommen, ,,verschlanken" und,,auf das Notwendige zu- gut zur Verschleierung (beispielsweise wer- ' während Vermögens- und Selbstständigen- rückführen" wollen, sieht die Bevölkerung den lneffizienzen im Staatssektor mit dem einkommen entlastet werden. Dieses Pro- die Dinge realistisch.Wie wir aus Umfragen Verweis auf Marktgräuel legitimiert) - was blem ist in der Tat gravierend und jede sozi- wissen, präferieren die Bürger ziemlich un- wiederum, wenn sich ,,Realistenr' und „Un- alpolitische Reform sollte es berücksichti- gebrochen eher die Option ,,mehr Geld ins dogmatiker" zur Entschleierung aufmachen, gen. Die,,Gesundheitsreform 2003" geht die- System" als Leistungseinschränkungen. gerne zur schlichten Vorzeichenverkehrung ses Verteilungsproblem jedoch nur marginal Auch das Solidaritätsprinzip und eine Ein- führt, man lobt beispielsweise den Markt- an, indem sogenannte,,versicherungsfrem- kommensumverteilung innerhalb der Ren- ,,Wettbewerbu über den Klee. Die moderne de" Leistungen (Mutterschaftsgeld usf.) tenversicherung finden überwältigende Zu- Soziologie (nach Talcott Parsons) bietet ei- künftig aus dem allgemeinen Steuerauf- stimmung. Die Politik muss das natürlich in nen Ausweg, indem sie über die beiden kommen finanziert werden sollen. Dazu wird ihr Kalkül einbeziehen. Das führt zu eigen- wichtigsten steuerungstheoretischen Tatsa- dieTabaksteuer erhöht - zugleich sollen mit tümlichen Paradoxien. Im Beschluss der so- chen neben Markt und Staat aufklärte, näm- der auf 2004 vorgezogenen Steuerreform genannten ,,Herzog-Kommission" der CDU lich Gemeinschaft und (Wert-)Legitimation. die ,,Besserverdienenden" und reumütige zur,,Reform der gesetzlichen Krankenversi- So sind,,gemeinschaftliche" Steuerungsfor- Vermögenseinkommensbezieher markant cherung" vom 18.6.2003 heißt es in sozialisti- men gerade im deutschen (subsidiären) So- entlastet werden. In der derzeit von (neo-)li- scher Egalitätsrhetorik gleich zu Beginn:,,Die zialstaat verbreitet: 35,8% der Krankenhaus- beralen Nationalökonomen dominierten So- Kommission lehnt jede Form von Zwei-Klas- betten in Deutschland finden sich in freige- zialpolitikdebatte wird von der verteilungs- sen-Medizin nachdrücklich ab" - um dann im meinnützigen Krankenhäusern (50,7% in öf- politischen Schieflage abgelenkt.Man fokus- folgenden (neben einigen beachtlichen ver- fentlich-kommunalen, 7% in privaten) siert auf die hohen Sozialabgaben nicht als teilungspolitischen Vorschlägen) eine Viel- (Stand 2000, It. Stat. Bundesamt), Pflege fin- verteilungspolitischen Skandal, sondern in- zahl von Privilegien zu verteidigen, von der det noch immer überwiegend in Familien terpretiert sie als Beschäftigungshindernis. Beihilfe für Beamte über die Befreiungsmög- statt und auch die,,Professionen",also die in Die,,Finanzierungslücke" in Sachen Gesund- lichkeit ,,Besserverdienendern in die Privat- Disziplinen ausdifferenzierten (Gesundheits- heit könne man nicht über steigende Lohn- versicherungen, und zumindest das Risiko )Berufe,sind in sich selbst,,gemeinschaftlich" verfasst und anerkannt, mit Berufsverbän- den und Professionsethik, aber auch mit der steuerlichen Bevorzugung der Freiberufler (Mehrwertsteuerbefreiung usf.). Letzteres Prof Dr. Michael Opielka. Professor für Sozialpolitik an der Fachhochschule Jena; Geschäftsführer deutet darauf, dass das gesamte Hilfesystem des Instituts für Sozialökologie (1SÖ) in Königswinter.Anschrift:ISÖ, 53639 Königswinter, Pützbun- und geradezu prototypisch darin das Ge- gert 2 I, Tel: 02244-871659, Fax: 02244-871664 e-mail: [email protected]. sundheitssystem- wenn es sich ernst nimmt - eher gemeinschaftlichen als marktlichen ist zum einen schlicht die Verlagerung von und -AGs fließt in Privattaschen.Einen Nach- (oder gar staatlichen) Charakter trägt. Kosten vom Arbeitgeber- auf den Arbeitneh- weis für patientenzentriertere Leistungser- Auch hier helfen Fakten: im Jahr 2001 arbei- meranteil geplant ist: Arbeitgeberanteil: bringung (oder bessere Arbeitsbedingun- ten 4.1 22.000 Menschen im Gesundheitswe- 6,08%, Arbeitnehmeranteil: 6,93% - hinzu gen) bleibt die,,Privatisierungsorgie" (Horst sen, davon 71,4% (!) Frauen (Stat. Bundes- kommen noch erhebliche weitere Belastun- Seehofer) schuldig. Hier spielen (nicht nur) amt). Das Gesundheitswesen ist (wie das ge- gen der Beitragszah1er:im Jahr 2007 möchte die Grünen mit dem kapitalistischen Feuer, samte Sozial- und Bildungswesen) in den man durch Leistungsausgrenzungenund er- dessen Wirkungen kaum durchschaut wer- letzten drei Jahrzehnten das am kontinuier- weiterte Zuzahlungen allein 5,8 Mrd. Euro den. Es ist im internationalen Vergleich kein lichsten und stärksten wachsende Arbeits- einsparen (zusätzlichzur Herausverlagerung Land bekannt, in dem eine Vermarktlichung marktsegment und dabei zugleich ein Teil von 3,5 Mrd.Euro für den Zahnersatz und 5,O des Gesundheitswesens zu einer Kombinati- der produktiven, Werte schöpfenden Wirt- Mrd Euro für das Krankengeld). Für den on von Leistungsverbesserung(vor allem im schaft. 298.000 Ärztinnen und Ärzte,493.000 durchschnittlichen Bürger, vor allem aber für Bereich der Prävention) und Kostensenkung Arzt- und Zahnarzthelferlnnen, 697.000 die einkommensschwächeren Haushalte er- geführt hätte. Wettbewerb ist nötig, Kom- Krankenschwestern und Hebammen und geben sich aus diesen Rechenkünsten nur merzalisierung eher schädlich. 223.000 Krankenpflegehelfer,263.000 Alten- Nachteile: man zahlt nicht weniger für die (3.) Schließlich müssen (gerade) die Grünen pfleger oder 136.000,,Gesundheitshandwer- Krankenversicherungen, hat aber weniger selbstkritisch erkennen, dass sich mit dieser ker" (Optiker,Zahntechniker usf.) dokumen- Leistung. Für die gehobeneren Einkom- ,,Gesundheitsreform" kein Durchbruch zu ei- tieren, dass es im Gesundheitswesen vor al- mensgruppen freilich ergeben sich Vorteile, ner ,,Bürgerversicherung" ereignet. Die lem um Organisation von Hilfe geht und vor allem für die Gesunden in diesen Grup- ,,Wachstumsschwäche in der Finanzierungs- nicht um irgendwelche beliebigen und häu- pen. Das heißt keineswegs, dass Selbstbetei- basis" der gesetzlichen Sozialversicherun- fig verzichtbaren Dienstleistungen, wie Piz- ligung im Gesundheitswesen politisch- gen kritisierte der Sachverständigenrat für zadienste, UMTS oder Prostitution. Abstrak- ethisch abzulehnen ist. Nicht nur, weil in den die konzertierte Aktion im Gesundheitswe- ter sind die ,,legitimativenU Steuerungsfor- meisten anderen Ländern die Selbstbeteili- sen (SVR) in seinem Gutachten 2003. Für die men, aber im Gesundheitswesen besonders gungen weitaus höher sind - in Japan wurde Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) wirksam:zum einen die Steuerung durch die beispielsweise die Zuzahlungsquote für un- blieben zwischen 1980 und 2000 die bei- medizinische Wissenschaft - bis hin zum ter 70jährige (und über 3jährige!) im April tragspflichtigen Einnahmen je Mitglied um Ausgeliefertsein an das Expertentum - wie 2003 von 20 auf 30% angehoben.Gerade die 31% hinter dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) neuerdings durch ökonomische Diskurse. komplexe Verschränkung von Gesundheit je Erwerbstätigen zurück. Strukturell heißt Zum anderen die Steuerung durch ethisch- als zugleich privatem, weil körperlich-indivi- dies, dass die Sozialversicherungsabgaben religiöse Werte, die sich in einer pluralisti- duellem, und öffentlichem Gut erfordert ei- auf einen immer kleineren Teil des verfügba- schen Gesellschaft dem Diskurs unterziehen nen Steuerungsmix. Individuelle Vorsorge- ren Einkommens der privaten Haushalte er- müssen: die Medizinethik wird auch auf- bereitschaft und Risikoaversion erhöhen hoben werden. Praktisch heißt das für die grund des medizinischen Fortschritts zuneh- sich,wenn der eigene Geldbeutel im Spiel ist. GKV, dass sie bei einer vergleichbaren Bei- mend zur Handlungslehre,der teils erschre- Der Vorschlag der CDU-,,Herzog-Kommissi- tragsbasis wie im Jahr 1980 im Jahr 2000 ckend fahrlässige Umgang mit,,EuthanasieU on", prozentuale Selbstbeteiligungen auf Mehreinnahmen von gut 22 Mrd.Euro erzielt (wie in den Niederlanden) deutet darauf hin, alle Gesundheitsleistungen einzuführen, ist hätte, und dies ohne wesentliche Mehraus- dass in hochkomplexen Systemen die Wert- dem undifferenzierten rot-grün-schwarzen gaben. Damit läge der heutige durchschnitt- ebene eine ganz neue und erhebliche Be- Kompromiss einer Zuzahlung von 10% mit liche Beitragssatz zur GKV bei knapp 11,6% - deutung erhäIt.SowohI das Gemeinschafts- Mindest- und Höchstbetrag (5 bzw. 10 Euro und nicht bei etwa 14,4%.,,Besserverdienen- wie das Legitimationssystem der modernen pro Leistung und Arzneimittel) vorzuziehen de" wandern in die Privatversicherungen,die Gesellschaft haben sich modernisiert: wo - sowohl die CDU-Kommission wie der Par- am Risikostrukturausgleich nicht beteiligt früher Familie (Sippe) und Kirche dominier- teienkompromiss sehen dabei (zurecht) eine sind. Und die relativ steigenden Vermögens- ten, sind heute u.a. mit dem gemeinschaftli- Begrenzung der Eigenbeteiligung auf 2% und Mieteinnahmen werden an den Sozial- chen Hilfe- und Bildungssystem und dem des Bruttojahreseinkommens vor. versicherungen vorbei geerntet. Keiner der (legitimativen) Wissenschafts- und pluralen (2.) Unbegreiflich ist,warum die,,grüneU(und Vorschläge der Rürup-Kommission- ob eine Religionssystem komplexe Regulierungsfor- die schwarze) Fraktion in der Vermarktli- Erweiterung der GKV für alle Berufsgruppen men der Wohlfahrtsproduktion entstanden, chung des Gesundheitswesens einen Kö- oder eine ,,Kopfpauschale" nach Schweizer die auf Wirtschaft (Markt) und Politik (Staat) nigsweg sehen. Vermarktlichung mag bei Vorbild für alle Bürger -wurde aufgegriffen. eben nicht reduziert werden dürfen. Kartellen zu Dynamisierung führen. Allein ein Blick auf die Entwicklung des Kliniksek- Wo bleibt das Positive? Einstieg in die Zukunft oder Verlänge- tors in den vergangenen 10 Jahren macht Im rot-grün-schwarzen Kompromiss finden rung der Vergangenheit? sichtbar, dass hier bereits eine dramatische sich nicht nur Zumutungen, sondern Welche Antworten auf diese komplexe Lage Entwicklung im Gang ist. Nach Angaben der durchaus längst Überfälliges:. Die institutio- gibt nun der rot-grün-schwarze Gesund- Deutschen Krankenhaus-Gesellschaft ver- nelle Beteiligung von Patienten- und Behin- heitskompromiss? Angesichts der fragwür- ringerte sich die Zahl der öffentlich-staatii- dertenverbänden und die Installierung eines digen Ausgangsfrage der ganz großen Koali- chen Häuser zwischen 1995 und 2000 von Patientenbeauftragten . Die Zulassung von tion - wie senken wir die Lohnnebenkosten? 863 auf 744, die Zahl der privaten Kranken- ,,medizinischen Versorgungszentren" in die - stand zu befürchten, dass die vorgeschla- häuser stieg von 373 auf 446. Die Unterneh- Regelversorgung . Die Einbeziehung von genen Lösungen falsch greifen. Die Befürch- mensberatung Arthur Andersen schätzt, Versorgungsbezügen und Selbstständigen- tung war berechtigt: dass sich die Zahl der öffentlichen Kranken- einkommen von Rentnern in die volle Bei- (1 .) So werden Kosten aus der solidarischen häuser bis 201 5 nochmals um fast die Hälfte tragspflicht (- aber warum gilt das nicht für Absicherung - d.h.: der Finanzierung ent- verringern wird. Zwar wurden durch dabei Vermögenseinkommen? Und:warum zahlen sprechend dem Einkommen - auf die Bei- entstehende Synergien in Klinikkonzernver- Rentner künftig nicht den vollen Kassenbei- tragszahler (,,Arbeitnehmern) verlagert und bünden Kostensenkungen beobachtet - die trag,sondern weiterhin nur die Hälfte?)Aber zwar sowohl beim Krankengeld wie beim bei öffentlichen und gemeinnützigen Träger das ist zu wenig.So nützt diese Gesundheits- Zahnersatz. Für das Jahr 2007, also das volle gleichwohl auch erreicht werden. Doch der reform nur den Gesunden und den,,Besser-

Wirksamwerden der ,,Gesundheitsreform", teils erhebliche Profit der Klinikkonzerne verdienenden". SPW 4 12003 Forum') iS 2 'r l. - '+V- L- U" ?,E Von Detlev von Larcher .'

.. - - - -. !.,T L -_ -C.. -.- - ...- - .'.F I : In' -"L '- .:-I- r- - - .--. ..- , -. .-I .l .---W -'.-. . , .I - - . . - . - =,I', -' . . I b-' . .C . -.: 2- -I ' .- .- -:. .di Cu -*Y L7 7 -??>I, -. .-I- I,.-.- I .. - - 8, .. >-+--.- aii= Während es im Augenblick, in dem hielt Willy Brandt eine große Rede unter der tenversicherung als Erwerbstätigenversiche- ich dies schreibe,der Linken in der SPD darum Überschrift:,,Erfolg von 109 Jahren Demokra- rung,für eine Gemeindefinanzreformund un- geht,der Agenda 201 0 die giftigsten Zähnezu tischem Sozialismus" Die Offensive gegen die sere Finanzierungsvorschläge wollen auf die ziehen, wenigstens ein Minimum von sozialer Konservativen mobilisierte nicht nur die Par- konkrete Regierungspolitik Einfluss nehmen, Gerechtigkeit beim Umbau der sozialen Siche- tei und deren Anhänger,sie führte auch zu ei- natürlich. Aber sie zeichnen darüber hinaus rungssysteme zu sichern,wird es beim Partei- nem grandiosen Wahlsieg. eine zum vorherrschenden neoliberalen Main- tag im November um die langfristige Perspek- Warum nur stellt Olaf Scholz beute den Begriff stream sozialdemokratische alternative Pers- tive des Sozialstaates und um die der SPD als ,,Demokratischer Sozialismus" ohne Not zur pektive auf,für die es sich in der gesellschaft- Partei der sozialen Gerechtigkeit gehen. Es Disposition? Warum nur will er den Begriff: lichen Auseinandersetzungmit den Konserva- geht um nichts weniger als die Frage, ob die Soziale Gerechtigkeit umdeuten? tiven, mit der Lobby der Wirtschaft und mit SPD als linke Volkspartei lebensfähig bleibt Albrecht Müller wertet das so:,,Dieser Vor- den dem neoliberalen Common Sense ver- oder ob sie den von Christian Bommarius in gang ist ein eindeutiges Zeichen für die Stra- pflichteten Medien zu kämpfen lohnt. der Berliner Zeitung am 30. Sept. beschriebe- tegieder Anpassung an konservativeVorstel- Es geht darum,worum es der SPD in ihrer lan- nen Erfrierungstoderleidet.lhnzuverhindern, lungen, die sich der bestimmende Teil der gen, ruhmreichen Geschichte immer ging, ist die vordringlichste Aufgabe der Linken in SPD Spitzezu Eigen gemacht hat. Er ist für Pri- gestaltend auf die Bedingungen gesellschaft- der SPD. Denn der Parteivorsitzende selbst, vatisierung und Deregulierung,für die Redu- licher Entwicklung maßgeblichen Einfluss zu dessen Aufgabeesja wäre,seine Partei alsstar- zierung der solidarischen Sicherung zu Guns- nehmen. Es geht darum, auf der Grundlage ke gesellschaftliche Kraft zu erhalten und in ten der privaten Vorsorge - und nun auch unserer Grundwerte die Antworten zu finden, die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen noch für die Abschaffung eines eingeführten für die Gestaltung der globalisierten Welt und zuführen,istja Ursachefürden drohenden Er- Begriffes und die Umdeutung eineszentralen nicht die sozialdemokratischen Grundwerte frierungstod. sozialdemokratischenGrundwertes.Die kon- der vorgeblichen Realität anzupassen. DieSätzevon Bommariuserschrecken:,,Schrö- servativen Kräfte haben damit nicht nur die Darum sind die Zeilen am Anfang unseres ders entscheidendes Verdienst liegt in der Hegemonie über die öffentliche Debatte un- Antrages so wichtig:,,Die SPD ist die Partei der kompromisslosenEntschlossenheit,mit der er ter den Eliten erreicht,sie prägen sogar die in- Freiheit in Solidarität.. . .Freiheit meint jedoch der SPD jeden Einfluss auf die Regierungspo- nere Willensbildung der großen linkenVolks- auch die Freiheit von Armut, Willkür und Ge- litik,jede Andeutung von Relevanz,selbst jede partei." walt.Die SPD ist die Partei der sozialen Gerech- stumme Wortmeldung im Namen eines ver- Es besteht die reale Gefahr, dass diese Politik tigkeit. meintlichen Grundsatzprogramms verwei- der Anpassung,die nicht die sozialdemokrati- Es ist legitim und notwendig, sozial gerechte gert. ...Schröder hat das Vorhandensein der sche Vorstellung einer Gesellschaft durchset- Politik immer wieder zeitgemäßzu interpretie- SPDderartausseinemBewusstseinverdrängt, zen will, sondern das als richtig ansieht, was ren. Es macht jedoch keinen Sinn, Bildungs- dass er jede Erinnerung daran inzwischen mit sich durchsetzen lässt, nicht nur die Regie- chancen gegen Verteilungsgerechtigkeit, Be- Rücktrittsdrohungen zu beantworten rungsfähigkeit verspielt, sondern die Partei schäftigungs- oder Generationengerechtig- pflegt ..." auch oppositionsunfähig macht. keit auszuspielen.. ." Das ist spitz formuliert.Aber ist es nicht auch Das zu verhindern ist die Aufgabe der Partei- Wenn die Mitglieder der SPD wieder stolz auf gut beobachtet? Und es droht,dass folgender linken auf dem Parteitag und danach. Nur sie ihre Partei sein , wieder Selbstbewusstsein Satz von Bommarius Realität wird: ,,Nicht der kann die dafür notwendigen Diskussionen auf entwickeln wollen, müssen sie die wider- dramatische Verfall der Wählersympathien ist dem Parteitag anstoßen.Denn die Seeheimer sprüchlichen Interessen in unserer Gesell- r r das Kardinalproblem der SPD,sondern der Zu- sind wie schon lange nur noch Jasager. Sie schaft beim Namen nennen und sich und ih- ar 5 sammenbruch des Respekts, den die Partei denken nur noch in Posten und Pöstchen,wie rer Regierung klar machen,wessen Interessen noch vor kurzer Zeit und mit vollem Recht vor ihre gegenwärtigen Äußerungen in der kon- sie gegen Widerstände vertreten und - auch sich selbst und vor ihrer Geschichte empfand. troversen Debatte um die ,,Hartz - Gesetze" in notwendigen Kompromissen - durchset- - Der Preis aber ist auf Dauer für jede Partei un- zeigen. zen wollen. bezahlbar." Dem dient unser Leitantrag für den Parteitag: Wenn es dabei bleibt, dass die Menschen bis Das die Linke ohne Selbstbewusstsein verlo- ,,Neue Zeiten denken - Gestaltungsaufgaben tief in die Mitgliedschaft der SPD hinein der ren ist, war Willy Brandt immer klar. Darauf annehmen!" Unsere Forderungen zum Abbau Meinung sind, es sei gleichgültig, wer im weist Albrecht Müller in einem Beitrag für die der Arbeitslosigkeit, zur Modernisierung der Bund und in den Ländern regiert,weil es kei- ,,Blätter für deutsche und internationale Poli- Sozialsysteme,zur richtigen Reaktion auf den nen entscheidenden Unterschied zwischen tik" mit Recht hin. Und er erinnert uns: Als die demographischenWandel,für eine Beschäfti- den großen Volksparteien gebe, ist das Ende Konservativen öffentlich Sozialdemokraten gungs- und Wachstumsoffensivefür eine Bür- sozialdemokratischer Regierungstätigkeit und Kommunisten in einen Topf warfen und gerversicherung,fureineArbeitsversicherung absehbar. Aber schlimmer noch: die Frage ihre Parole ,,Freiheit statt Sozialismus" lautete, statt der Arbeitslosenversicherungfurdie Ren- steht auf dem Parteitag,ob die SPD ihrer his- I -1 - - torischen Verantwortung für die Geschicke 2, "-, . - --. ---.-LL . I~+~-.I L-- ~;.+-:A-I. L.J,-:--*~ -.-. I -.. .- - . Ir- a -. .. .,. '17 der Welt und der Menschen in ihr gerecht -- ?'J - 'I wird oder ob sie vor den Kräften des neolibe- :?+\T. *- * .'-L -,-?, 7-1: - iL- d .hA :-*W1. :-U- Detlev von ~archerist zusammen mit Andrea ~ählesVorsitzender des Forum Demokratische ralen Zeitgeistes versagt und damit bedeu- Linke 2 1 e. V. und lebt in Weyhe be~Bremen. tungslos wird. -... 2 %derreiten Oktober 2003

-J --- -' ...halt: Bürgerversicherung? - Detlev von Larcher Um was es auf dem Bochumer Chance oder eher Risiko? SPD-Parteitag geht Daniel Kreuz Bürgerversicherung? Von Daniel Kreutz -Chance oder eher Risiko?

Marlies Volkmer D DieTinte unter dem parteienübergrei- Rürup-Kommission vorgeschlagen wurde Die solidarische Alternative fenden Konsenspapier zur Gesundheitsreform (Vorschlag Lauterbach). Die andere ist Rürups heißt Bürgewersicherung war noch nicht trocken, da sammelte sich die ,,Kopfpauschalen"-System - eine neoliberale Politik schon auf dem nächsten Schauplatz: die Utopie reinsten Wassers, die zudem nur äu- Andrw Ypsilanti, Dr. Thomas Spies, Thorsten Schöfer-Gümbel ,,Bürge~ersicherung"bewegt die Gemüter. An- ßerst schwer umsetzbar erscheint. Beide wur- Zukunftsfählg und gerecht: gesichts der politischen Protagonistlnnen- vom zeln im Konsens über kurzfristige Risikopriva- Solidarische Büraerversicheruna- neusozialdemokratischen Mainstream über die tisierungen und den marktförmigen Umbau - das essen-SÜG-~odell Neuen Grünen bis zu - muss es er- des Gesundheitswesens. Bereits dem amtli- chen Text der Kommission konnte man über Auszüge aus dem Antrag der staunen, dass die,,Bürgewersicherungn Forde Parteilinken zum SPD-Parteitag rungen aufgreikdie über langeZeit nurvom so- die,,Bürgerversicherung" Folgendes entneh- Neue Zeiten denken zial- und linksoppositionellen Lager vertreten men: - Gestaltungsaufgaben annehmen! wurden und denen bisher eine ernsthafte Dis- 1. Es soll weiterhin eine (angehobene) Bei- kussion in aller Regel verwehrt blieb. tragsbemessungsgrenze und eine Versiche- rungspflichtgrenze geben. Die,,Einbeziehung on aus dem GKV-Leistungskatalog getilgt.Mit Sozialer Richtungswechsel? aller Einkommen" meint keineswegs alle. Die den Leistungsausgrenzungen, die die politi- Bei der Bürgerversicherung geht es um die Ent- Besserverdienendenund Reichen bleiben der schen,,Bürgerversicherer" selbst veranlassen, wicklung derGesetzlichenKrankenversicherung PKV erhalten. Und während Arbeitnehmer zu- wächst der Markt für die PKV. Sie soll (GKV) von einer Arbeitnehmerversicherung zu sätzlich Beiträgeauf die Mieteinnahmen einer keineswegs dem Solidarprinzip weichen, son- einer En/verbstätigenversicherung,dieauch Selb vermieteten Garage entrichten, sinkt die Bei- dern ihren Wachstumshunger allenfalls zü- ständige, Manager, Abgeordnete und Minister - tragsbelastung bei den GKV-Versicherten geln.Wervoreilig glaubte,die,,Eierköpfen in der womöglich gar Beamte - in die Pflichtversiche- nach wie vor um so mehr,je höher ihr Einkom- Rürup-Kommission belächeln zu können,weil rung einbeziehen soll. Eine solche Ausweitung men ist. Eine,,SolidaritätU,die nur,,untenn gilt, sie sich bei den Langfrist-Vorschlägen nicht würde die Finanzbasisder GKVverbreitern,die in ist keine. Die,,starken Schultern,die die Lasten einigen konnten,war ihnen tatsächlich schon Folge der Massenerwerbslosigkeit an chroni- der Schwachen mittragen" sollten, kümmern halb auf dem Leim. Denn es war nicht Unver- scher Auszehrung leidet. Entschlossener Wider- sich weiter um den feinen Zwirn zu ihrer Bede- mögen, sondern strategisches Kalkül: Rürup stand der privaten Krankenversicherer (PKV) ckung. gibt mit dem,,Kopfpauschalen"-System den scheint gewiss.Und esgeht darum,nicht nur Ar- 2. Dies gilt erst recht, wenn man sich ansieht, Radikalen. 200 Euro pro Menschenkopf, egal beitseinkommen,sondern auch andere Einkom- was aus der hälftigen Finanzierung der Krank- wie niedrig das Einkommen ist! Totalabschaf- mensarten (aus Unternehmertätigkeit, Kapital- heitsabsicherung durch die Kapitalseite wird. fung der Arbeitgeberbeiträge und massive vermögen,Vermietung,Verpachtung) in die Bei- Was bei den alten und neuen Versicherten Entlastungen für alle Besser- und Spitzenver- tragspflicht einzubeziehen.Damitwürdedie,,Be (Personen) zusätzlich eingenommen wird, hat diener! Massive soziale Ungerechtigkeit und lastungsgerechtigkeit" unter den Versicherten keinerlei,,paritätische" Gegenfinanzierung sei- bruchartigeVerwerfungen,wenn es nicht ge- erhöht.Wer allein aufs Arbeitsentgelt angewie tens der Arbeitgeber (Unternehmen). Im Ge- lingt, mit Steuertransfers beträchtlichen Um- Sen ist, wird bisher deutlich höher belastet als genteil: die Mehreinnahmen bei den Versi- fangs das Schlimmste abzufedern! Welcher derjenige, der auf andere und zusätzliche Ein- cherten sollen die weitere Absenkung der Ar- Versicherte,der sich da nicht mit Grausen wen- künfte zurückgreifen kann. Auch die Einbezie- beitgeberbeiträgefinanzieren.So soll die,,Bür- den und flüchten würde- in die Armeder Lau- hung anderer Einkommensartenin die Beitrags- gerversicherung" dem Ende der paritätischen terbachschen Bürgerversicherer,die Retter des pflicht verspricht Mehreinnahmen für die GKV. Finanzierung dienen. Nicht zu Unrecht spre- Solidargedankens: , , Haben wir es also mit einem politischen Kurs- chen ihre grün-rot-schwarzen Protagonisten Horst Seehofer! Dass er dann doch die Zeche wechsel fur Sozialstaat und soziale Gerechtigkeit deshalb von einem,,Systemwechsel". zu zahlen hat - das merke er erst,wenn sie ihn zu tun? Gibt es eine neue Bereitschaft, der ldee 3. Auch Lauterbach will neben einer Versor- fest im Schwitzkasten haben. Ein billiges Re- der Solidargemeinschaft und dem Grundsatz gung der gesetzlich Versicherten mit dem make der Schmierenkomödie vom ,,bösenn der,,solidarischen Finanzierung" in der GKV nach ,,medizinisch Notwendigen" eine Privatversi- und vom ,,gutenn Polizisten. Dennoch ist Rü- Jahrzehnten gegenläufiger Reformen wieder cherung für die,,so genannte Luxusmedizin". rups neoliberale Utopie kein Fake,das lediglich durchgreifend zu stärken? Meine Antwort auf Über den Trend geben die aktuellen Leis- zur Komplettierung der Strategie aufgebaut alle diese Fragen ist ein klares Nein. tungsausgrenzungen Auskunft: Außer Kran- wurde. Die Komplettprivatisierung des Krank- kengeld und Zahnersatz werden auch und heitsrisikos mit Kopfprämiensystem ist Aus- Bürgerversicherung im ,,Y-Modell" der Brillen, Sterbe- und Entbindungsgeld, nicht druck der Ziele der Marktfundamentalisten Rürup-Kommission verschreibungspflichtige Medikamente, Leis- aus Arbeitgeberverbänden und Politik. Auch Die,,Bürgerversicherung" ist eine der beiden tungen bei Schwangerschaft und Geburt so- hierfür formiert sich eine parteienübergreifen- Langfrist-Alternativen,die im Frühjahrvonder wie medizinisch nicht notwendige Sterilisati- de Koalition von wirtschaftsnahen Post-Sozi- aldemokraten, FDP und dem Mainstream der vormaligen,,Konservativen". Auch wenn un- wahrscheinlich ist, dass sich das Rürup-Mo- DanielKreutzistMitgliedderAG Soziale Sicherung von attac-Deutschland, hat währendder 90er dell demnächst durchsetz, geben die damit Jahre als NRW-MdL für die Gesundheits- und Sozialpolitik Verantwortung getragen und arbei- verbundenen Zielsetzungen die Richtung tet heute beruflich als Referent für Sozialpolitik beim SoVD-NRW. Dieser Beitrag ist einepersön- vor, in die die Reise mittel- und langfristig liche Meinungsäußerung. gehen soll. Verteilungsfragen in den Mittelpunkt rü- daran,ob sie zu einer ausgewogenen Lasten- Behebung der binnenwirtschaftlichen cken verteilung zwischen Kapital und Arbeit hin- Nachfrageschwächeals Konjunkturproblem Wer dem Systemwechsel zum Wettbewerbs- oder wegführen. Gemessen daran ziehen Nummer Eins - ist die Umverteilung vorhan- staat eine zukunftsfähige Alternative sozial- ,,Kopfpauschaler" und,,Bürgerversicherer" am dener Erwerbsarbeit durch rasche Arbeits- staatlicher Weiterentwicklung (,,SolidarstaatU) gleichen Ende des Strangs. zeitverkürzungen. Dass dies Instrument entgegenstellen will, wäre gut beraten,die re- funktionsfähig ist, wird mittlerweile von un- alen Verteilungsfragen hinter den vordergrün- Entkoppelung vom,,Faktor Arbeit"? erwarteter Seite bestätigt: Die rot-grüne digen,,Signalenn der,,Bürgerversicherung" in Auch im sozialoppositionellen Spektrum ist NRW-Landesregierung erwartet, dass die den Mittelpunkt der Auseinandersetzung zu die Auffassung weit verbreitet, angesichts beabsichtigte Arbeitszeitverlängerung im rücken und das konsequente Solidarprinzip der hohen Erwerbslosigkeit könne die ent- Öffentlichen Dienst des Landes einen Weg- einzufordern. Neben der Aufhebung der rati- geltbezogene,an sozialversicherungspflich- fall von rechnerisch 11.300 Arbeitsplätzen onal nicht begründbaren Beitragsbemes- tiger Erwerbsarbeit ansetzende Beitragsfi- ermöglicht. Wenn Arbeitsumverteilung sungs- und Versicherungsfluchtgrenze muss nanzierung nicht,,zukunftsfähig" sein.Viel- durch Arbeitszeitpolitik in dieser Richtung 'h es vor allem darum gehen, dem langjährigen fach wird daher etwa ein Systemwechsel zu funktioniert, dann funktioniert sie ebenso 2 Trend zum Rückzug der Wirtschaft entgegen- einer Steuerfinanzierung nach skandinavi- sehr anders herum. - zutreten.Die Ursacheder Finanzprobleme der schem Beispiel gefordert. Dem ist nicht nur Wenn wir glauben, dass zu den wichtigen Sozialversicherung liegt weder in angeblichen zu entgegnen,dass dies eine weitreichende Aufgaben zukunftsfähiger Sozialstaatlichkeit ,,Kostenexplosionen", noch in der,,demografi Reform des Steuersystems zur Vorbedin- auch gehört,das Erwerbsleben so zu organi- schen Entwicklung", noch im,,medizinischen gung hätte, um eine der Parität entspre- sieren, dass das gebrochene Vollbeschäfti- Fortschritt", noch in ,,mangelnder Effizienz", chende Lastenverteilung und damit soziale gungsversprechen des,,rheinischen" Sozial- sondern in der Schrumpfung des Anteils der Gerechtigkeit zu sichern. Es muss auch dar- staats wieder einlösbar wird,dann wird in der beitragspflichtigen Arbeitsentgelte am Volks- auf hingewiesen werden, dass es gute, sys- Perspektive auch die Beitragsfinanzierung einkommen durch die Massenerwerbslosig- tematische Gründe hat, warum der,,rheini- der Sozialversicherung wieder tragfähiger. keit und ihre indirekten Folgen (unzureichen- scheu Sozialstaat als ,,Vollbeschäftigungs- Man mag dennoch über steuerliche Finanzie- de Entgeltentwicklung,Ausbreitungvon Nied- staat" konzipiert wurde.Dievorrangige Leh- rungsalternativen debattieren; eine,,Entkop- riglohnbeschäftigung).Die Sozialversicherung re aus der Weimarer Katastrophe war näm- pelung vom Faktor Arbeit" ist aus der Pers- mussvor allem auf der Einnahmeseitegestärkt lich, dass sich Gesellschaftsspaltung durch pektive einer Neuen Vollbeschäftigung werden,um ihre Leistungsfähigkeitzurückge- Massenerwerbslosigkeit und soziale Pers- jedenfalls keine ,,systemische Notwendig- winnen zu können. Wenn dazu das Mittelauf- pektivlosigkeit, wie sie zwischen 1928 und keit".Eine,,Notwendigkeit" ist diese allerdings kommen bei denversicherten gesteigert wer- 1933 den Boden für die faschistische Macht- aus der verteilungspolitischen Perspektive den soll,dann muss es erst recht darum gehen, ergreifung bereitete, nie wiederholen dürfe. der neoliberalen Systemveränderer. Um ei- die Finanzierungsparitätdurch Einführung ei- Ein Staat, der dauerhafte Massenerwerbslo- nen großen Schub der Umverteilung zuguns- nes ergänzenden Wertschöpfungsbeitrags sigkeit und die Entstehung eines neuen ten des Kapitals auslösen zu können, müssen der Unternehmen zu wahren. Die Sozialversi- ,,Subproletariats" prekärer Dienstbotenbe- sie einerseits die Finanzierungsparität besei- cherung muss von der Erwerbslosigkeit-nicht schäftigung hinnimmt, ist kein Sozialstaat. tigen. Andererseits aber brauchen auch sie von der Erwerbstätigkeit!-,,abgekoppelt" wer- Auch wenn wir,,Vollbeschäftigung" zukünf- noch Sozialsysteme, die durch,,AbfederungU den. Gerade in Zeiten schwerer Arbeitsmarkt- tig anders, insbesondere geschlechterge- sozialer Risiken in hinreichendem Umfang für krise muss sie ihre Sicherungsfunktionbewäh- recht zu definieren haben, kann eine Bewe- eine soziale Stabilisierung ihres Regimes ren können. Der Abbau von Arbeitsplätzen gung für soziale Gerechtigkeit am Grundü- sorgt. Ihre Forderung nach ,,Entkoppelung darf nicht gleichbedeutend mit dem Rückzug bel des Ausschlusses von Millionen von der vom Faktor Arbeit" sind Ausdruck einer Per- des Kapitals aus seiner Mitverantwortung für Erwerbsteilhabe keinesfalls vorbeigehen. spektive,die die Spaltung der Gesellschaft in die wirksame Absicherung der großen Le- Schlüsselelement einer alternativen Strate- (Über-)Arbeitende und Erwerbslose samt ih- bensrisiken sein. Die sozialpolitische Qualität gie für die Ausweitung des regulären Ar- ren Folgerisiken für die Demokratie auf Dau- von Reformen entscheidet sich nicht zuletzt beitsplatzangebots - und damit auch: zur er hinzunehmen bereit ist.

Die solidarische Alternative heißt .L1 1 Bürgerversicherung

Von Marlies Volkmur

I..,,L:p. -.'.-L,.'. 'k 7:.md Seit Jahren hängt die Finanzie- Parteiübergreifend ist es spätestens seit die- insbesondere durch die reine Lohnbezo- rungskrise der Gesetzlichen Krankenversi- sem Sommer unstrittig, dass die Finanzie- genheit der Finanzierung, durch den fort- cherung (GKV) wie ein Damoklesschwert rungsbasis der Gesetzlichen Krankenversi- schreitenden demografischen Wandel und über der Politik. Angesichts sich verschär- cherung (GKV) so schnell wie möglich refor- durch die Möglichkeiten für Gutverdiener, fender Probleme ist die Diskussion über Ur- miert werden muss: Zu groß sind die Ein- sich dem System zu entziehen. Daher muss sachen und Reformoptionen endlich ans nahmeausfälle durch die anhaltend ange- die Partei bereits auf dem anstehenden Par- Licht der breiten Öffentlichkeit getreten. spannte konjunkturelle Entwicklung, teitag in Bochum klar und eindeutig die I Weichen dafür stellen, wohin die Reise der GKVgehen soll. Die Rurup-Kommission hat in ihrem Ab- Dr. Marlies Volkmer, MdB, Arztin, Vorsitzenden der SPu rm Unterbezirk uresden- Elbe-Rbde schlussbericht zwei mogliche Modelle zur (...... 4 %derselten Oktober 2003

Reform der Finanzierung vorgestellt: das so modells steigen bei sinkenden Einnah- Die Umverteilungsdefizite des Kopfpau- genannte KopfpauschalenmodelIund das men des Staates die steuerfinanzierten schalenmodells offenbaren sich in Berech- Modell der Bürgerversicherung. Transfers für Geringverdiener und Sozial- nungen bezüglich der Be- und Entlastung Im Kopfpauschalenmodell entrichten alle fälle.Ob die Höhe der Transfers angesichts unterschiedlicher Einkommensschichten. Erwachsenen, unabhängig von ihrem Ein- der bekannten kurzfristigen Begehrlich- Mit dem Kopfpauschalenmodell werden kommen, einen gleich hohen Versiche- keiten der Finanzpolitiker gesichert ist, kleine und mittlere Haushaltseinkommen rungsbeitrag.Versicherte mit geringem Ein- darf getrost bezweifelt werden. zwischen 10.000 und 40.000 Euro p.a. zu- kommen erhalten einen steuerfinanzierten Auch die Ausgabenentwicklung spricht sätzlich belastet, Gutverdiener jenseits von Zuschuss. Zur Gegenfinanzierung wird der nicht für das Kopfpauschalenmodell. Das 50.000 Euro p.a. jedoch bis zu 1,s Prozent Arbeitgeberbeitrag dem Bruttoentgelt der Gesundheitssystem der Schweiz, das entlastet! Mit der Bürgerversicherung hin- Beschäftigten zugeschlagen, was zu ent- bekanntlich über Kopfprämien finanziert gegen ist die Beitragsentlastung besonders sprechend höheren Lohn- und Einkom- wird, hat nach den USA die zweithöchs- bis zu einem jährlichen Bruttoeinkommen menssteuerzahlungenführt. ten Ausgaben weltweit. Das Wachstum von 40.000 Euro spürbar. Die breiten Schul- Das Modell der Bürgerversicherung ent- der kaufbereinigten Pro-Kopf-Ausgaben tern der Gesellschaft werden hier stärker zur spricht einer Weiterentwicklung des beste- verlief im schweizerischen Gesundheits- Finanzierung herangezogen: Haushalte mit henden Systems durch die Ausweitung des wesen sogar deutlich steiler als in einem Einkommen von über 50.000 Euro Versichertenkreises sowie die Einbeziehung Deutschland. Zudem steigt auch in der werden bis zu maximal 2 Prozent des ver- weiterer nicht lohnbezogener Einkommens- Schweiz die Belastung der Versicherten fügbaren Einkommens zusätzlich belastet. arten. Jn einem ersten Schritt sollten Bei- durch stetig steigende Prämien: Der jah- Das umverteilende Solidarsystem genießt in tragsbemessungs- und Versicherungs- resdurchschnittliche Prämienzuwachs in der Bevölkerung eine große Akzeptanz, wie pflichtgrenze angehoben werden. Durch der Schweiz betrug 2002 etwa 6,9 Pro- selbst der Sachverständigenrat für die Kon- diese Maßnahmen können die Beitragssät- zent. zertierte Aktion im Gesundheitswesenin sei- ze zur Krankenversicherung erheblich ge- Der wichtigste Unterschied zwischen dem nem jüngsten Jahresgutachtenfeststellt.Die- senkt werden. Prinzip der Kopfpauschale und der Bürger- se Akzeptanz kann durch die Bürgerversiche- Beide Modelle verfügen über Vor- und versicherung bleibenTransparenz und Um- rung noch gestärkt werden,führt sie doch zu Nachteile. Daher muss sorgfältig geprüft fang von Umverteilung.lm Kopfpauschalen- wesentlich mehr Gerechtigkeit als das beste- werden,mit welchem System die bestehen- modell findet Umverteilung nur noch über hende System und das Kopfpauschalenmo- den Probleme der GKV tatsächlich gelöst das Steuersystem statt. Die These, in einem dell. Denn alle Schultern der Gesellschaft fi- werden können. Diese sind, wie eingangs Steuer-Transfer-System werde gerechter nanzieren entsprechend ihrer finanziellen erwähnt, die Demografie- und Konjunktur- umverteilt, ist freilich noch nie bewiesen Leistungsfähigkeit das Krankheitsrisiko. abhängigkeit sowie die systemwidrigen worden,Denn steuerliche Gestaltungs- und Der Parteitag steht bei der Entscheidung Ausstiegsmöglichkeiten der Gutverdiener. Absetzmöglichkeiten führen zu individuell über die Zukunft der Krankenversicherung Der Demografie ist wohl mit keinem Fi- sehr unterschiedlichen Steuergrenzbelas- vor einer Richtungsentscheidung.Natürlich nanzierungsmodell beizukommen. Unver- tungen.Zudem sind die Umverteilungswir- geht es hier nicht um bis ins letzte Detail zichtbar sind hier eine familienfreundli- kungen wenig transparent: Aufgrund des formulierte Handlungsanweisungenfür die chere Politik und Maßnahmen für eine hohen Anteils indirekter Steuern ist z.B. in Regierung. Die Partei muss aber grundsätz- verstärkte Zuwanderung. Die Konjunktur- der Schweiz eine Umverteilung kaum noch lich klarlegen,welcher Weg für sie gangbar ist anfälligkeit kann bestenfalls gebremst, nachvollziehbar, so dass das Schweizer Sys- und welcher nicht. Daher sollte der Parteitag keinesfalls jedoch beseitigt werden: In tem beim WHO-Ranking zum Ziel einer,,Fai- in seiner Entscheidung weitergehen, als es Zeiten der Rezession brechen bei bei- ren Finanzierung" des Gesundheitssystems der Leitantrag des Parteivorstandesformu- tragsfinanzierten Systemen die Einnah- nur auf Platz 38-40 kam - Deutschland hin- liert: Durch ein eindeutiges Bekenntnis zur men weg, im Falle des Kopfpauschalen- gegen auf Platz 6-7. solidarischen Bürgerversicherung.

Zukunftsfähig und gerecht: Solidarische Büraerversicheruna

von Andrea Ypsilanti, Dr. Thomas Spies und Thorsten Schäfer-Gümbel

die Probleme nicht. Die eigentlich notwen- -Mit dem Konzept der Solidarischen zeigt. Es definiert die Merkmale eines Kon- digen Strukturreformen werden nicht auf Bürgerversicherung,das im Bezirksauschuss zepts, dessen Begriff zunehmend instru- den Weg gebracht, dafür aber vor allem die der nordhessischenSPD einstimmig und auf mentalisiert wird und unter dessen Etikett abhängig Beschäftigten belastet und die dem Bezirksparteitag der südhessischen allerlei Unsinn vertrieben wird.Mit dem hes- paritätische Finanzierung des Gesundheits- SPD mit breiter Mehrheit beschlossen wur- sischen Modell wird ein Beitrag zum moder- Systems aufgegeben. Dennoch gibt der de, hat die hessische SPD als erster Landes- nen Sozialstaat geleistet. Kompromiss finanziell nur Luft für wenige verband eine realistische Alternative in der Alle wissen es: Der jetzt ausgehandelte Jahre. Deshalb ist es kein Wunder, dass die Diskussion um die Gesundheitsreform auf- Kompromiss zur Gesundheitsreform löst Hauptbeteiligten an den Konsensgesprä- chen grundlegendere Reformen in einigen Jahren für notwendig erachten. Erfreulicher Andrea Ypsilanti, MdL ist Landesvorsitzende der hessischen SPD, Dr. Thomas Spies, MdL ist ge- Weise setzt derzeit eine breite Diskussion sundheitspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion und Vorsitzenden der nordhessischen AGS über die notwendigen Veränderungsschrit- und Thorsten Schäfer-Gümbel, MdL ist stellv. Vorsitzender der SPD Hessen-Süd. te ein. Bemokratische C I &=- 1 ~inkeco~ooo0 0 0 0 a 0 0 0 0 0 0 0 0 0 I 21 0-0 p 0 0 0 Ol0 - - - LI -1 - -.l->L -11 -1- -- 5 -L' I -11 - . I1 - . -- . 8.

von Empfängern von Transferleistungen sich rechnerisch für eine Solidarische Bür- - I, Das Problem ,I~ Die gesundheitspolitische Debatte wird seit (Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger) eben- gerversicherung für das Jahr 2002 ein Bei- -1 - I- ~ahrinvor allem als Diskussion über die falls zu einer Verringerung des beitrags- tragssatz von 9 %. -.I--. Höhe des Beitragssatzes geführt und um- pflichtigen Einkommens. Lrn , . kreist damit immer und immer wieder das Die fortwährende Entlastung der öffentli- Das Problem? Finanzierungsproblem, ohne es zu lösen. chen Haushalte zu Lasten der GKV, wie z. B. Unter den Befürwortern von Bürgerversi- .: 7 ' _ Tatsächlich ist eine grundsätzliche, gerech- die politische Festlegung nicht ausgaben- cherungsmodellen besteht Streit in der Fra- i te und dauerhafte Reform der Einnahmesei- deckender Krankenversicherungsbeiträge ge,ob eine Beitragsbemessungsgrenze und 7-$Jil -I te der Gesetzlichen Krankenversicherung für Empfänger von Sozialleistungen und damit ein höchster absoluter Beitrag beizu- ;' ;. '- I (GKV) dringend erforderlich, um wirkungs- ähnliche Maßnahmen, belasten das System behalten ist. Befürworter einer Obergrenze F+ umsetzen zu kön- zusätzlich, ebenso wie die gesamtgesell- begründen dies damit, dass Versicherte mit ,:, nen, die selbst wiederum kostendämpfend schaftlich zu tragenden, sogenannten versi- hohem Einkommen einen hohen Beitrag ' ;i 1 1 cherungsfremden Leistungen. zahlen,aber keine äquivalent höherwertige c f' Seit Jahrzehnten ist der Anteil der Gesund- Leistung erhalten. Das Argument trägt je- -. - I heitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt Der Vorschlag doch nicht. -.I. 1 --P (BiP) weitgehend stabil. Die sogenannte In der von den hessischen Sozialdemokra- Erstens ist Merkmal des solidarischen Prin- =-;1 ,,Kostenexplosion im Gesundheitswesen" ist ten vorgeschlagenen Solidarische Bürger- zips,dass Finanzierung nach Leistungsfähig- ' .- I eine Legende. Die Gesundheitsausgaben versicherung sollen alle Bürgerinnen und keit erfolgt und Leistung nach Bedarf. 1-7 I1 haben stets im Rahmen der allgemeinen Bürger versichert werden. Die Finanzierung Zweitens gibt es - im Gegensatz zu den an- y.M:'ai Wohlstandsentwicklung gelegen. Dagegen erfolgt, in dem jede und jeder auf alle Ein- deren Systemen der sozialen Sicherung - L; sind die Beiträge zur GKV kontinuierlich ge- künfte unabhängig von Höhe oder Ein- im Gesundheitswesen nie Äquivalenz. Ein 1- .-I stiegen: seit 1960 von damals Ca. 7% auf kunftsart den gleichen prozentualen Bei- Mensch kann sein Leben lang höchste Bei- ;I heute Ca. 14%. trag leistet, unter Wegfall der Beitragsbe- träge zahlen und trotzdem das Glück ha- Die Ursachen für diese Entwicklung sind messungsgrenze und der Versicherungs- ben,gesund zu bleiben. Umgekehrt gibt es vie1schichtig:Der sinkende Anteil der Löhne pflichtgrenze. Alle geben von allem den (seltene) Fälle, in denen unabhängig vom am Volkseinkommen und die Zunahme von gleichen Anteil. Nur so wird eine drastische Beitrag innerhalb weniger Monate Kosten Selbstständigkeit sowie von Kapital- und Beitragssatzsenkung auf unter 10 % und von mehreren Millionen Euro entstehen. Vermögenserträgen führten zu einer über- eine gerechte Lastenverteilung erreicht. Äquivalenz ist keine sachangemessene mäßigen Belastung der abhängigen Be- Entlastet werden Einkommen, die weniger Kategorie. schäftigung bei Arbeitnehmern und Arbeit- als 80.000,- £jährlich haben. gebern durch steigende Beitragssätze. Damit kommen bei der Solidarischen Bür- Das Fazit Aufgrund der seit über 20 Jahren auseinan- gerversicherung folgende Einnahmen hin- Mit der .Solidarischen Bürgerversicherung der gehenden Schere zwischen Arm und zuder Anteil von Löhnen über £ 3450,- wird die Finanzierung des Gesundheitssys- Reich und der gleichzeitigen Beibehaltung monatlich, Miet-, Zins- und Kapitalerträge, tems modernen Maßstäben einer solidari- der Beitragsbemessungsgrenze als Ober- Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit. schen Ausgestaltung gerecht. Das System grenze der heranzuziehenden Einkommen Laut statistischem Bundesamt betrug die wird einfacher,gerechter und transparenter. wird ein immer größer werdender Teil des Gesamtsumme der Einkünfte in Deutsch- Die notwendigen Strukturreformen im Ge- Wohlstandes von der Beteiligung an den land in 2002 rund 1,6 Billionen Euro (91 1 sundheitswesen müssen zeitgleich voran- Kosten des Gesundheitswesens ausgenom- Mrd. Löhne und Gehälter, 295 Mrd. Renten, getrieben werden, sie werden aber niemals men. Dadurch steigt die relative Belastung 450 Mrd.Selbstständigeund Kapitalerträge) abgeschlossen sein. Weitere Informationen kleinerer Einkommen über den Beitragssatz. Dem stünden 143 Mrd. Ausgaben GKV ge- zum Thema sind im lnternet unter Unterhalb der Bemessungsgrenze führen genüber (129 Mrd. plus 11% für die bisher www.solidarische-buergerversicherung.de wachsende Armut und eine steigende Zahl nicht versicherten Personen). Daraus ergäbe abrufbar.

Neue Zeiten denken - Gestaltungsaufgaben annehmen! Antrag der Partei-Lin ken Stand: 26.09.2003

1. Gestaltungsaufgaben werden können. Politik machen heißt in die- gleich in unserer Gesellschaft ein selbstbe- Wir Sozialdemokraten habenGestaltungsnot- Sem Sinne, sich einer permanenten Gestal- stimmtes Leben nicht möglich wäre. Soziale wendigkeiten in unserer 140 jährigen Ge- tungsaufgabe zu stellen.(... ) Gerechtigkeit ist die Essenz einer sozialen De- schichte immerwieder frühzeitig erkannt und DieSPD ist die Partei der Freiheit in Solidarität. mokratie. Sie anzustreben heißt, die Würde wir haben hart an praxistauglichen Lösungen Jeder Mensch muss frei sein,sein Leben eigen- auch der Schwächeren zu achten.Es ist legitim gearbeitet.Darangiltesanknüpfen.Wirerwar- verantwortlich in die Hand zu nehmen. Frei- und notwendig sozial gerechte Politik immer ten von der Politik nicht,das sie den Menschen heit meintjedochauch die Freiheitvon Armut, wieder zeitgemäß zu interpretieren.Es macht vorschreibt,wie siezu leben haben.Gute Poli- Willkür und Gewalt. Die SPD ist die Partei der jedoch keinen Sinn, Bildungschancen gegen tiksoll stattdessen Räumeöffnen und Rahmen sozialen Gerechtigkeit.Soziale Gerechtigkeit Verteilungsgerechtigkeit, Beschäftigungs- setzen,damit unterschiedliche Lebensmodelle ist der Schlüssel für die Freiheit der vielen Men- oder Generationengerechtigkeit auszuspielen selbstbestimmt und solidarisch verwirklicht schen. denen ohne Zusammenhalt und Aus- - Realität ist, dass sie alle Seiten derselben f" Q~~~~~~,::QGB-~~~oQL:, 7, I g 3 $8 U a L

IPW Soriderseten Oktober 2003 146 Medaille sind. Soziale Gerechtigkeit schließt werden kann. Entgegen weitläufiger Meinun- 2. a) Beschäftigungs- und Wachstumsof- Leistungsbereitschaftnicht aus,sie schafft viel- gen widerspricht der pauschale Abbau von fensive mehr die Grundlage dafür, dass verschiedene Leistungen wegen angeblicher Nicht-Finan- Um den oben genannten Herausforderun- Begabungen und Leistungsniveausunabhän- zierbarkeit allerdings einer solchen Sozial- gen gerecht werden zu können, brauchen gig von der sozialen Herkunft gefördert wer- staatskonzeption. wir eine qualitativ ausgelegte Beschäfti- den können. Soziale Gerechtigkeit ist - so ge- Wirfordern daher als Schwerpunktprojekte die gungs- und Wachstumsoffensive. Dabei ist sehen - die Schöpfkelle einer modernen und Weiterentwicklung der Krankenversicherung dieTarifautonomie keine Hindernis sondern solidarischen Leistungsgesellschaft. zur Bürgerversicherung und die Überführung ein wesentliche Bedingung für eine erfolg- der Arbeitslosenversicherung in eine Arbeits- reiche wirtschaftliche Entwicklung in 2. Soziale Gerechtigkeit heute herstellen versicherung. Deutschland. Wir bekennen uns zum FIä- erfordert, sich den drängenden Gestal- Demographischen Wandel als Chance chentarif, der in der Realität bereits heute tungsaufgaben zu stellen: begreifen zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten für I Arbeitslosigkeit abbauen Die bundesdeutsche Bevölkerung wird älter. Unternehmen, Betriebsräte und Beschäftig- Arbeit bleibt der bestimmende Faktor unseres Der Anteil der Erwerbstätigenan der Bevölke- te eröffnet, als einem der wesentlichen In- Lebens.Sie besitzteinezentrale Bedeutungfür rung wird in den nächsten Jahrzehnten erheb- strumente zur Regulierung der Arbeitsbe- die Lebenssituation und -perspektiven der lich sinken,die Zahl der nicht Erwerbstätigen Ziehungen. (...) - großen Mehrheit der Bevölkerung.Sie ist nach (insbesondere von älteren Menschen) wird Die zu ergreifenden Maßnahmen müssen wie vor die maßgebliche Einkommensquelle erheblich zunehmen.Dies erfordert umfassen- einerseits kurzfristig wirken,um die lahmen- und ein zentraler Bezugspunkt im menschli- de Veränderungen in unserer Gesellschaft, de Konjunktur anzukurbeln. Andererseits chen Leben. Arbeitslosigkeit ist demzufolge etwa auch im Bereich der sozialen Infrastruk- müssen sie einen Strukturwandel unter den nicht nur derVerlust von Einkommen sondern tur. Prämissen der Nachhaltigkeit befördern.Wir eben auch der Verlust von individueller und (...I schlagen daher ein umfassendes Maßnah- gesellschaftlicher Identität. Erwerbsarbeit Wachstum nachhaltig gestalten menbündel vor: kann daher nicht gegen Familienarbeit oder Um diese Herausforderungen angehen zu Zur Stärkung der Binnennachfrage ist das Freizeit ausgespielt werden.Ziel ist Erwerbsar- können, brauchen wir wirtschaftliches Wachs- Vorziehen der Steuerreform zu begrüßen. beit für alle zu ermöglichen sowie Familien- tum. Aber, es kann nicht um blinde Wachs- Auf die vorzeitige Senkung der Spitzensteu- und Erwerbsarbeit wie auch Freizeit besser zu tumsgläubigkeit gehen. ersätze sollte dabei verzichtet werden, da vereinbaren. Wir fordern deshalb eine neue Wirtschaftliches Wachstum ist eine notwendi- hiervon kaum konjunkturelle oder struktu- Beschäftigungs- und Wachstumsoffensive. ge, aber keine hinreichende Bedingung zur relle Effekte zu erwarten sind. (...I Lösung drängender sozialer Probleme - wie Wir brauchen eine Initiative zur Stärkung Ziel ist und bleibt es deshalb, allen jungen etwa international die Sicherstellung der der kleinen und mittleren Unternehmen. Menschen eine berufliche Ausbildung zu er- grundlegenden materiellen Lebensgrundla- Hier stehen zwei Maßnahmen im Mittel- möglichen. Nicht Maßnahmekarrieren sind gen für alle Menschen oder national der Ab- punkt: Erstens bedarf es eines nachhaltigen gefragt.Gutgemeinte Warteschleifen sind kei- bau der Arbeitslosigkeit.Ökologische Grenzen Abbaus übermäßiger Bürokratie. (...) ne Ersatz für eine Ausbildung im Dualen Sys- verbieten aber ein einfaches Fortschreiben der Zweitens müssen die Finanzierungsbedin- tem. Der Bundeskanzler steht im Wort:,,Aber bisherigenWachstumspfade.Wachstum muss gungen für KMU weiter verbessert werden. ohne eine nachhaltigeVerbesserungder Aus- verbunden werden mit einem tiefgreifender Hierzu bedarf es einer entsprechenden Ka- bildungsbereitschaft und ohne die Übernah- Strukturwande1,der insbesondereeine rasche pitalausstattung (50-Milliarden- Kapital- me der zugesagten Verantwortung für diesen und drastische Steigerung der Ressourcenef- stock) für die Mittelstandsbank. Damit sollen Bereich ist die Bundesregierungzum Handeln fizienzgewährleistenmuss.Wachstum kommt dem Mittelstand einschließlich der Land- verpflichtet und sie wird dasauch tun." (Regie- ohneauf Nachhaltigkeit ausgerichtete Innova- wirtschaft auf unbürokratischem Wege zins- rungserklärungvom 14.3.). Die Zeit zum Han- tion nicht aus. (..J Deshalb fordern wir eine günstige Kredite deutlich unterhalb des deln ist da. Stärkung entsprechender öffentlicher Investi- Marktzinses und mit langen Laufzeiten an- Modernisierung unserer Sozialsysteme. tionen, die Setzung neuer Anreize für private geboten werden. Es ist in den vergangenen Jahrzehnten auf- Investoren sowie ein Abbau ökologisch be- Öffentliche lnvestitionsoffensive für grund des Wirkens der Sozialdemokratie im denklicher Subventionen. nachhaltiges Wachstum und zur Stär- Verbund mit den Gewerkschaften gelungen, Eine derartige Reformoffensive muss sich der kung kommunaler Investitionen imvolu- die Absicherung grundlegender Lebensrisi- Realität einer globalisierten Wirtschaft stellen. men von 10 Mrd. jährlich. ken zu gewährleisten.Gleichwohl gibt es ei- (...I (...I I' , nen unabweisbaren Reformbedarf, der aber Dies erfordert eine Erweiterung des zur Zeit Wir brauchen eine Innovations- und Bil- .L1 nicht aus angeblichen Grenzen der Finanzier- vorherrschenden Zielkataloges der Wirt- dungsoffensive Exportorientierte und roh- barkeit resultiert. schaftspolitik, der vor allem auf die Wahrung stoffarmeVolkswirtschaften müssen auf In- Der bundesdeutsche Sozialstaat wird den von Geldwertstabilität,die haushaltspolitische novation setzen, um im Wettbewerb beste- 7 heutigen Anforderungen an soziale Gerech- Konsolidierung,die Zurücknahme des Staates hen zu können. Innovation ist aber kein rein tigkeit nicht mehr gerecht. (...) (wir) brauchen sowie weltmarktorientierte Verbesserung der technischer Vorgang. Die Quelle von Innova- eine Erweiterung und Ergänzung unseres Be- Angebotsbedingungen gerichtet ist.An des- tion sind immer die Menschen. Das Funda- griffs sozialer Gerechtigkeit. Es geht nicht nur sen Stelle muss ein policy-mix treten, der ment unserer Innovationsfähigkeit wird in um die Absicherung bestimmter Lebensrisi- einerseits die Stabilitätsziele nicht negiert, unseren Schulen, unseren Ausbildungsein- ken. Soziale Gerechtigkeit muss heute zuneh- andererseits aber Wachstum und Struktur- richtungen und unseren Hochschulen ge- mend auch als Aufgabe begriffen werden, so- wandel als Ziele staatlicher Politik stärker ge- legt. ziale Teilhabe zu ermög1ichen:Teilhabe von wichtet.Ein wichtiges Element in diesem Kon- Unser Bildungssystem zu modernisieren, ist Frauen und Männern am Erwerbsleben,Teil- text ist eine veränderte Interpretation des eu- eine der zentralen Zukunftsausgaben. habe am gesellschaftlichen Leben undTeilha- ropäischen Stabilitätspaktes im Rahmen der Deswegen haben wir ein ambitioniertes be an Bildungschancen. europäischen Währungsunion sowie eine In- Ganztagsschulprogramm aufgelegt. Deswe- Insofern ist auch eine neue Konzeption von tensivierung der wirtschaftspolitischen Dialo- gen setzen wir auf eine bessere Qualität und Sozialstaat notwendig, die unter dem Motto ges in der EU mit der Perspektive der Bildung Qualitätssicherung in der Schule. ,,Fördern und Fordern" treffend beschrieben einer europäischen Wirtschaftsregierung. (...I Demmkratischc 3 Linke09093D 210OOC0033 .. . .

Wir fordern die Einrichtung eines regional en sozialstaatlich abzusichern. Damit wer- tenregelung für ältere Arbeitnehmer opti- gegliederten Ausbildungsumlage-Fonds den zugleich wichtige wirtschafts- und so- miert werden. Die ldee ist, das je nach Ge- (AUF!) durch den Bund. Der Fonds soll mit zialpolitische Anforderungen erfüllt, die sundheitszustand und persönlichen Ein- den Tarifparteien zusammen organisiert nicht zuletzt eine Stärkung der Wettbe- kommensverhältnisseneineTeilrente in va- werden. Alle Unternehmen und Verwaltun- werbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft riabler Höhe bezogen werden könnte und gen mit mehr als 10 Beschäftigten,die nicht bewirken: Die bessere Vereinbarkeit von gleichzeitig dazu eineTeilzeitbeschäftigung ausbilden, werden verpflichtet, Zahlungen Beruf und Familie wird zu einer Erhöhung ausgeübt würde. Es würde weiterhin Ein- in Höhe der branchenüblichen Ausbil- der Frauenerwerbsquotebeitragen, die ge- kommen erzielt und trotzdem eine zusätz- dungskosten an den Fonds zu leisten. Als rade auch unter dem Aspekt der Finanzie- liche Rentenanwartschafterworben. So lie- Richtwert wird eine Ausbildungsquote von rung des Sozialstaates wünschenswert ist. Ren sich die Erfahrungen älterer Arbeitneh- 5% der Beschäftigtenzahl angenommen. Die Absicherung von Weiterbildung schafft mer in einer Phase des gleitenden Über- Der Fonds finanziert die Einrichtung von wichtige Voraussetzungen, damit sich gangs in den Ruhestand nutzen. zusätzlichen Ausbildungsplätzen, unter- Deutschland im wirtschaftlichen Wettbe- Um die unterschiedlichen körperlichen Bean- stützt Ausbildungsverbünde und die Ein- werb,der immer stärker von dem Qualifika- spruchungen bei einer Erhöhung des Renten- richtung überbetrieblicher Ausbildung. tionsniveau der Beschäftigten geprägt wird, zugangsalters zu berücksichtigen- so ist ein behaupten kann. Maurer am Bau oft anders betroffen als Büro- 2. b) Bürgerversicherung Die veränderte sozialstaatliche Absicherung fachkräfte - sollte es für kurze Übergangszeit (...I korrespondiert mit den veränderten An- für diesen speziellen Personenkreis der ren- Ohne eine grundlegende Reform der Bei- sprüchen der Beschäftigten an ihre Er- tennahen Jahrgänge möglich sein, wenn 45 tragsgestaltung können die Finanzierungs- werbstätigkeit und hebt dadurch den Le- Pflichtbeitragsjahreerreicht wurden,vor dem probleme der GKV nicht gelöst werden. Die benswohlstand. 65 Lebensjahr in Rente gehen zu können. seit Jahren zur Verbesserung der Finanzie- Arbeitslosigkeit ist heute nur noch eine un- (. ..I rung eingesetzten Instrumente wie die Leis- ter mehreren möglichen Brüchen in den in- Eine weitere Veränderung der Rentenformel, tungskürzungen und die Erweiterung der dividuellen Erwerbsbiographien,die einer die zu einer Absenkung des Rentenniveaus Selbstbeteiligung von Patienten etc. kön- sozialstaatlichen Flankierung bedürfen: Die auf 40 Prozent (Brutto) führt, lehnen wir ab. nen nur temporäre Entlastungen bewirken. Unterbrechung der Erwerbstätigkeit zum Stattdessen muss die Finanzierungsgrundlage Wirfordern daher die Einführung einer Bür- Zwecke der Weiterbildung gewinnt in der der 12 Rentenversicherungdurch die Einbe- gerversicherung. Sie stellt eine Reform der sogenannten Wissensgesellschaft einen ziehung von Selbstandigen und Beamten und Finanzierung des Gesundheitswesens dar größeren Stellenwert. Die Arbeitsversiche- die Erhöhung des steuerfinanzierten Anteils und sie schafft einen soliden und gerechten rung sollte die individuellen Möglichkeiten verbreitert werden. Ausgleich der Belastungen. Alle Bürger- zur Weiterbildung durch Weiterbildungs- innen und Bürger werden versichert. Das gutscheine und zentral geführte Lernzeit- 3. Finanzierung schließt ausdrücklich auch Beamte und konten erweitern. Die Beschäftigungs- und Wachstumsperspek- Selbständige ein. Die Finanzierung erfolgt, Kindererziehung wird zwar immer noch ge- tive wie auch die Modernisierung der Sozial- in dem jede und jeder auf alle Einkünfte - schlechtsspezifisch zugeordnet, allerdings Systeme sind nur realisierbar, wenn gleichzei- auch Mieten,Zinsen und Kapitaleinnahmen haben Frauen und auch viele Männer be- tig ein finanzpolitischer Kurswechsel vorge- - einen Beitrag leistet. rechtigte Wünsche und Ansprüche, ihre Er- nommen wird.Die derzeitige Finanzpolitik er- Diese Einbeziehung anderer Einkunftsarten werbstätigkeit mit dem Familienleben bes- klärt die möglichst rasche Haushaltskonsoli- entlastet nachhaltig den Faktor Arbeit. ser vereinbaren zu können, als dies heute dierung symbolisiert durch einen ausgegli- Die Beitragsbemessungsgrenzefür die Ein- möglich ist. Die materielle Absicherung von chenen Haushalt zum zentralen Ziel. Um die- kommen aus Erwerbstätigkeit muss ange- Erziehungszeiten sowie die Ermöglichung ses Ziel zu erreichen, werden negative Kon- paßt werden. Die Parität soll erhalten blei- von Weiterbildung und Qualifizierung wäh- junkturwirkungen billigend in Kauf genom- ben. Die Privaten Krankenkassen werden in rend Elternzeiten soll Bestandteil der Ar- men. diesem Modell ihre bisherigen Vollversiche- beitsversicherung werden. Der ins Feld geführte Konsolidierungsdruck rungsangebote verändern müssen. Sie kön- Die Arbeitslosenversicherung zielt aus- wird sehr fragwürdig begründet. Das Argu- nen jedoch weiter am Markt über Zusatzver- schließlich darauf, abhangig Beschäftigte ment, Schuldenaufnahme widerspricht dem sicherungen bestehen. Die ersten Schritte abzusichern. Inzwischen ist jedoch eine re- Prinzip der Generationengerechtigkeit, greift zur Realisierung dieser Reform werden wir levante Gruppe von neuen Selbständigen nicht, weil mit den staatlichen Schulden Wer- noch in der laufenden Legislaturperiode entstanden, die sich in vielen qualitativen te - etwa im Bereich der Infrastruktur - ge- einleiten. Merkmalen nur wenig von abhängig Be- schaffen werden, die auch in vielen Jahren Eine moderne Bürgerversicherung ist die schäftigten unterscheidet. Deshalb sind alle nochzu nutzen sind.Zudem gibtes keineöko- konkrete Umsetzung sozialdemokratischer Selbständigen in die Arbeitsverscherung nomisch begründbare objektive Verschul- Grundsatzwerte auf der Höhe der Zeit.Sie ist einzubeziehen. dungsgrenze. Politisch besteht lediglich die leistungsstark, nachhaltig, transparent, soli- Gefahr, dass die gestiegene Zins-Steuer-Quo- darisch und volkswirtschaftlich sinnvoll.Die 2.d) Rentenversicherung als Erwerbstäti- te inzwischen die finanziellen Handlungsspiel- Bürgerversicherung kann Realität werden. genversicherung räume des Staates übermäßig einengt. Des- L..) Wir fordern die Ausweitung der Rentenver- halb brauchen wir eine Konsolidierungspolitik, sicherung zu einer Erwerbstätigenversiche- die aber nicht gleichzusetzen ist mit einer Re- 2. C) Absicherung moderner Erwerbsbio- rung. duzierung der Neuverschuldung auf Null. graphien - Arbeitsversicherung statt Ar- (...I (...I beitslosenversicherung Da das durchschnittliche Rentenalter Wir fordern eine Abkehr von der Politik der L..) derzeit jedoch nur bei 62 Jahren liegt, ist übereilten und dadurch konjunkturschädli- Mit der Weiterentwicklung der Arbeitslo- eine Verschiebung der Altersgrenze nicht chen Haushaltskonsolidierung und fordern senversicherung zu einer Arbeitsversiche- erforderlich. Das Erreichen der derzeitigen stattdessen einen wachstumsorientierten rung soll ein neues sozialpolitisches Arran- Altersgrenze wäre schon ein riesiger Fort- Konsolidierungskurs. Kern eines solchen Kon- gement etabliert werden, um die alten und schritt. Diese Entwicklung muss politisch solidierungskurses ist die Abkoppelung der neuen Friktionen in den Erwerbsbiographi- gefördert werden.So könnte z.B.dieTeilren- Haushaltssanierung von der aktuellen Kon- 1-~8 spw Sonderse~ten Oktober 2003 8- 8- junkturentwicklung und die Hinwendung zu * lmmobilien und Grundbesitz sollen etwa Schließlich sind die steuerfinanzierten An- einer mittelfristigen Strategie,die sich an den wie Geldvermögen bei der Besteuerung teile der Sozialversicherung zu erhöhen. Wachstumsraten orientiert. D.h. für die kon- bewertet werden sumtiven und investivenAusgaben sollten ein Durch angepasste Freibeträge soll privat Gemeindefinanzen stärken mittelfristiger Wachstumspfad vorgegeben genutztes Wohneigentum auch in Zukunft Eine veränderte Finanzpolitik muss werden, der nicht überschritten werden darf. für Ehepartner und Kinder im Erbschafts- schließlich eine Reform der föderalen Finanz- Dieser mittelfristige Wachstumspfad muss fall weitgehend steuerfrei bleiben ausgleiches beinhalten. Die Kommunen sind unterhalb einer 13 durchschnittlich erwarte- Großvermögen sollen stärker belastetwer- in den letzten Jahren an den Rand des finan- ten Wachstumsrate liegen. Eine solche Aus- den ziellen Ruins gedrängt worden und sind 5 7 richtung hat zur Folge,dass Staatsausgaben in . Bei der Neubewertung von Betriebsver- immer weniger in der Lage, ihre Aufgaben Y: ilfi schwachen Konjunkturphasen eben nicht mögen ist bei der Neuregelung durch Frei- wahrnehmen zu können. Durch die be- ;, ;, r. absinken und damit die wirtschaftliche Dyna- beträge oder vergleichbare Instrumente schränkten Finanzierungsmöglichkeiten ver- 7 -J mikweiter belasten,sondern als automatische sicherzustellen,dass ein Betriebsübergang nachlässigen immer mehr Städte und Ge- - !. Stabilisatoren wirken. im Erbschaftsfallinsbesondereder Bereich meinden notwendige öffentliche Infrastruk- -. Wird das Kriterium eingehalten, dass die mit- für kleine und mittelständische Unterneh- turausgaben. Hier baut sich ein Investitions- F telfristige durchschnittliche Wachstumsrate men nicht übermäßig erschwert wird. stau im Bereich der Daseinsfürsorgewie auch (3.:~ nicht überschritten wird,steigt der Schulden- (b) Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei Investitionen für Kinder und Bildung auf, 1 -,2 stand im Verhältnis zum BIP nicht, sondern bei lmmobilien und Wertpapieren. der kurzfristig die konjunkturelle Entwick- . 3 wird im Zeitverlauf sinken. In Krisenzeiten ist (C)Verbesserte Ausschöpfung vorhandenen lung schwächt und mittelfristig erhebliche aber natürlich eine Konsequenz,dassdie aktu- Steuerquellen negative ökonomische Folgen haben wird. elle Neuverschuldung ansteigt. Dazu ist es einerseits nötig, die bestehenden Die finanzielle Ausstattung der Gemeinden ! Flankiert werden muss dies durch eine konso- Gesetze konsequenter zu vollziehen und wo muss verstetigt und ausgeweitet werden.Die lidierungsorientierte Einnahmenpolitik des nötig gesetzliche ~e~elun~enzu schaffen,um derzeitigen Überlegungen und Beschluss- Staates. Mit einer solchen Politik können Steuerhinterziehung besserzuerkennen.Eine vorschläge zur Gemeindefinanzreform sind erstens ein übermäßiger Schuldenanstieg in besondere Aufgabe wird in diesem Kontext unzureichend und lösen nicht diese zentra- 1 Zeiten schwacher Konjunkturvermieden wer- darin bestehen, den internationalen Steuer- len finanzpolitischen Problem der Kommu- , .-- IT ' den und zweitens die Konsolidierungserfolge wettbewerb zu regulieren und internationale nen. Wir fordern deutliche Korrekturen bei I I - in konjunkturell guten Zeiten beschleunigt Steueroasen auszutrocknen. Der Steuerflucht der Gemeindewirtschaftssteuer:. Die richti- I-'-- werden. Dabei ist konjunkturell von großer von Unternehmen und Privatpersonen muss ge Einbeziehung von Freiberuflern darf nicht , 8.8 C L Bedeutung,dass nur Steuern und Abgaben in ein wirkungsvoller Riegel vorgeschoben wer- mit einer Entlastung von Kapitalgesellschaf- - 11- --C den Blick genommen werden,die nachfrage- den. Dazu ist auch eine partielle Aufhebung ten verbunden werden. Gewinne - etwa 1 schonend sind.D.h.es sollten vor allem die Ein- des Bankgeheimnisses notwendig. auch aus Vermietung etc. - müssen zu Ein- , - ,- . kommensbestandteile höher gefordert wer- Andererseits geht es um den Abbau legaler nahmen bei den Gemeinden führen. IL .'I I 1. den, die wenig nachfragewirksam sind. Damit Steuerumgehungsmöglichkeiten, also der Der Anteil der Kommunen an den Einspa- I ; wird zugleich ein Stück Steuergerechtigkeit Streichung sachlich fragwürdiger Steuerver- rungen,die aufgrund der Zusammenlegung , -- r hergestellt,denn grundsätzlich muss der Staat günstigungen wie etwa bei der Finanzierung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe I - - -: dafür Sorgetragen,dass die unterschiedlichen von Schiffbeteiligungen. entstehen, sind deutlich auszuweiten. -- Einkommensarten die gleiche steuerliche Be- (d) die Besteuerung bisher steuerfreier Rück- Zur Ausdehnung der Finanzierungsmög- . L'' -!-.- handlung erfahren.Schließlich solltefinanzpo- stellungen für die atomare Entsorgung bei lichkeiten von Kommunen halten wir auch -.' litische Umwidmungen vorgenommen wer- Atomkraftwerksbetreibern, die derzeit etwa Public- Private-Partnership (PPP) für sinn- flh den. einen Umfang von 35 Mrd. Euro betragen. voll. Grundsätzlich bieten PPP Chancen, die . J.- ., (...) Kommunen zu entlasten und gleichzeitig I I -2 Konkret fordern wir: (e) die Aufhebung der Mineralölsteuerbe- Unternehmen in die Pflicht für das Gemein- -r. (a) Änderung der Erbschaftssteuer freiung für mineralölverarbeitende Betriebe, wesen zu nehmen. , 5 Hohe privatevermögen begründen unabhän- die etwa 1 Mrd. Euro jährlich kostet. Insbesondere der Bereich des out-sourcing, -! L - gig vom jeweiligen Einkommen eine eigen- (f)eine Auflösung einesTeils der Devisenre- also die Beauftragung von Privatunterneh- I ständige Quelle wirtschaftlicher Leistungsfä- serven der Bundesbank, die nicht für die Si- men als Zuarbeiter für die öffentliche Hand -,' . ..-,' - higkeit.Siesind in angemessenerweiseander cherung der Europäischen Zentralbankvor- ist ausbaufähig. In der Frage des direkten 'k$I_ Finanzierung gesellschaftlicher Aufgaben zu gehalten werden müssen. Sponsorings vonVeranstaltungen und Insti- - F; rl- - beteiligen.~ineÄnderungderErbschaftssteu- Diese Maßnahmen zur Einnahmestärkung tutionen der öffentlichen Hand durch priva- ar hC 7 er als auch die Besteuerung privaterveräuße- sind auch deshalb notwendig, um die Fi- te Anbieter sollten allerdings klare Grenzen r.r 7 rungsgewinne bei lmmobilien und Wertpa- nanzierung der Beschäftigungs- und gesetzt werden. Die englische Schule, die pieren sind dringend geboten. lmmobilien Wachstumsoffensive wie auch der Moder- nach einem 16 Kooperationsvertrag mit - und Grundbesitz werden im Steuerrecht zur nisierung der Sozialsysteme konsolidie- Coca-Cola keine Schulmilch mehr anbietet, 1' ,,,> Zeit durchschnittlich nur cirka halb so hoch rungs- und konjunkturverträglich gewähr- ist ein mahnendes Beispiel. Im Hinblick auf bewertet als Geldvermögen,das ist rechtlich, leisten zu können. Darüber 15 hinaus gilt die sozialdemokratischen Kernforderungen :* ökonomisch und verteilungspolitisch nicht für die Sozialsysteme als generelle Leitlinie, demokratische Kontrolle und Transparenz, gerechtfertigt.DasBundesverfassungsgericht dass deren finanzielle Basis dadurch ge- Verbraucherschutz und Teilhabe sind so I'_' hat bereits 1995dasderBewertungzugrunde- stärkt werden muss, indem alle Erwerbstä- genannte cross-borderleasing- Geschäfte In& liegende Bewertungsgesetz kritisiert. tigengruppen (also insbesondere auch eindeutig abzulehnen. Die Beteiligung an - Das geltende Bewertungsgesetz tritt Ende Selbständige und Beamte) in die Systeme dubiosen Steuereinsparmodellen im Aus- 5'- 2005 außer Kraft. Unter Berücksichtigung ei- integriert werden,soweit dies verfassungs- land, die Gefahr eigener Steuerausfälle bei ner BVG Entscheidung ist das Bewertungsge- rechtlich zulässig ist.Zudem ist es notwen- Regressansprüchen und das leichtfertige setz so rechtzeitig zu novellieren, das dig, alle Einkommensarten zu belasten, so Spielen mit den Einflussmöglichkeiten und spätestens zum 1.1.2006ein neues Erbschafts- dass beispielsweise auch auf Zins- und Handlungsspielräumen kommunaler Politik recht rechtskräftig werden kann.Füreine Neu- Mieteinnahmen Sozialabgaben erhoben ist keine Lösung für unzureichende kommu- regelung sollen folgende Grundsätze gelten: werden. nale Finanzen. Von Leitbildern zu Leidbildern? Neue Lebensläufe und Geschlechtergerechtigkeit

Von Michaela Willert

Schillernde Begriffe wie jener der Damit verbunden warenVeränderungen,die hören u.a. die Chemie- und die Metallbran- i Gerechtigkeit erfordern es, sie zu Beginn zu es für Väter attraktiver machen sollten, che (vgl. Bundesregierung 2002, 5.87 ff). definieren. In diesem Artikel wird Gerechtig- ebenfalls an der Erziehung zu partizipieren Dem stehen Frauendomänen gegenüber, in keit als die Chance betrachtet,Zugang zu al- und den Erziehenden mit Teilzeitarbeit und denen vergleichsweise niedrigere Löhne ge- len gesellschaftlichen Ressourcen zu haben. der Aufteilung mehrerer Perioden der EI- zahlt werden,wiez.B.in den Hotels und Gast- Dem entsprechend bedeutet Geschlechter- ternzeit auf einen längeren Zeitraum die Bin- stätten, dem Bekleidungsge-werbe und im gerechtigkeit, dass dieser Zugang allen un- dung an die Firma zu erleichtern. Nahrungsmittelbereich. Die tarifliche Grund- abhängig vom Geschlecht offen steht. Dazu Mehr Zeit im Haushalt und für Kinderbetreu- vergütung vieler typischer Frauenberufe, gehören vor allem: Zeit und Geld. Ohne ge- ung,weniger Zeit für Erwerbstätigkeit:allein wie Friseurin, Floristin etc. ist sehr niedrig. nügend freie Zeit, und damit ist nicht aus- daraus ergibt sich ein geringerer Zugang zu Insgesamt zeigt sich,dass aufgrund der zeit- schließlich die von Erwerbstätigkeit freie individuell erwirtschafteten finanziellen Res- lichen Verteilung von gesellschaftlich als,,be- Zeit gemeint, und die zum Leben nötigen sourcen. Selbst wenn man die Einkommen zahlenswert" angesehener Erwerbstätigkeit Mittel können alle weiteren Ressourcen, wie von Frauen und Män- z.B.der Zugang zu gesellschaftlichen Positio- nern mit einer Voll- nen, Kultur etc.auch nicht genutzt werden. zeittätigkeit ver- 1 Und zu Gerechtigkeit gehört zweitens, und gleicht, verdienen Grafik I:Durchschnittliche Zeitverwendung von Ehepaaren mit Kind(ern) das ist eine politische Aufgabe,dass real be- Frauen weniger. Bei stehende Unterschiede in den Zugangs- den jungen Frauen 0.3 Mann ti* ---.I 3 34 1 2 44 1 möglichkeiten nicht durch institutionelle Re- unter 30 in West- Jahre Frau 1.09 1 8 38 1215 1 gelungen zementiert oder sogar verstärkt deutschland ist die werden. Es geht also um die Herstellung von Distanz zu den Ein- Chancengleichheit. Wie sieht es gegenwär- kommen der gleich- tig mit dem Zugang zu Zeit und Geld aus? altrigen Männer noch relativ gering. - Mann s;*P 1 2-58 1 319 1 6-12 - - Danach sinken die ~ahre Frau __ 2,s J 6 16 1 247 1 Ressourcen Frauen-Einkommen a Zunächst zur Zeit:Vergleicht man die Zeit- jedoch bis auf drei verwendung von Ehepartnern mit Kindern Viertel der Gehälter miteinander, so zeigen sich verschiedene von Männern, bei I D Ewrbstätigkeiti Qualifikation 0 Unbezahlte kbeit insg. 0 Freizeitaktivitaten

Muster der täglichen Zeitverwendung bei Frauen kurz vor dem ouelle statifirches ~~~d~~~~t2003 ~~~~~d~t~~Zeilbudgelerhebung 1991192 Männern und Frauen (vgl.Grafik l).Ehefrau- Rentenalter sogar auf en wenden viel Zeit für Hauhaltstätigkeiten zwei Drittel. In den und Kinderbetreuung auf:je jünger die Kin- neuen Ländern sind die Unterschiede zwi- und Nicht-Erwerbs-tätigkeit zwischen den der im Haushalt sind, desto mehr. Bei Män- schen den Geschlechtern nicht so gravie- Geschlechtern sowie aufgrund der Struktur nern dominiert die Erwerbsarbeit den Tag. rend. der Erwerbsarbeit Frauen in geringerem Ihr Zeitaufwand für Hausarbeiten und Kin- Für die mit dem Alter zunehmenden Unter- Maße Zugang zu individuell erwirtschafte- derbetreuung bleibt, unabhängig vom Alter schiede in Westdeutschland gibt es mehrere ten ökonomischen Ressourcen haben. Ob des jüngsten Kindes im Haushalt, relativ Gründe.Zum einen haben Frauen aufgrund und in welchem Umfang Frauen in einem gleich. Aus einer Studie über die Lebenssitu- der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit für Haushalt am Einkommen des Partners und ation alleinstehender Frauen (Arbeitsge- die Kindererziehung weniger Berufserfah- am gemeinsamen Vermögen teilhaben, ob meinschaft Riedmüller/lnfratest, i.E.) ist rung. Ein weiterer Grund ist, dass ältere Frau- und in welchem Ausmaß sie eigenständig allerdings bekannt, dass die Zeitverwen- en meist geringer qualifiziert sind als ihre darüber entscheiden, konnte bis jetzt noch dung junger lediger Frauen eher jener der männlichen Kollegen. Doch auch mit glei- nicht wissenschaftlich befriedigend ermit- Männer ähnelt: viel Erwerbstätigkeit, wenig chem Qualifikationsniveau verdienen Frau- telt werden. Der Gesetzgeber geht im Steu- Hausarbeit. en weniger,da sie wesentlich öfter Tätigkei- errecht zumindest bei Ehepaaren davon aus, Zugang zu Zeit als gesellschaftlicher Res- ten ausüben, die nicht ihrem formalen Ab- dass sie mit ihren jeweiligen Einkommen ge- source bedeutet auch: Einfluss auf die Be- schluss entsprechen.Schließlich resultieren meinsam wirtschaften (Ehegattensplitting). wertung von Zeit.Was wird als gesellschaft- die Lohndifferenzen aus unterschiedlichen Wenn es darum geht, staatliche Leistungen lich wertvolle und dementsprechend zu ver- Berufen, die Männer und Frauen wählen. So zu beziehen, also etwa Sozial- oder Arbeits- gütende Zeit, was als,,Privatvergnügen" defi- gibt es einerseits ausgesprochene,,Männer- losenhilfe oder die neue Grundsicherung, niert? Ein Beispiel dafür ist die Umbenen- branchen", die den Beschäftigten tarifver- müssen auch nicht-verheiratete Partner nung des,,Erziehungsurlaubs" in,,Elternzeitl'. traglich hohe Einkommen bieten. Dazu ge- füreinander sorgen. Wie geht die gegenwärtige Sozialpolitik mit diesen zwischen den Geschlechtern unter- schiedlich verteilten Zugangschancen zu Michaela Willert ist Diplom-Sozialwissenschaft -1erin am Otto-Suhr-lnstitutder Freien Universität gesellschaftlichen Ressourcen um?Wie wird Berlin die politische Aufgabe erfüllt, durch Rege- lungen,Gesetze und Maßnahmen diese Un- der Scheidungen in den 90er Jahren um 40% Drittel der Frauen,von denen der Grund be- gleichheiten nicht noch zu verstärken oder gestiegen (Zahlen aus:BMFSFJ 2003).Die Le- kannt wurde,warum sie Sozialhilfe beziehen, sie gar abzubauen? Um es vorweg zu neh- bensweisen von Frauen und Männern än- sind durch eineTrennung oder Scheidung in men:nicht sehr gut. dern sich also zunehmend, auch wenn der diese Situation geraten. Von den Männern Zwei Prinzipien bzw. normative Leitbilder Wunsch, Familie zu haben, noch immer sehr war dies nur ein knappes Viertel. formen das deutsche Sozialsystem, d.h. die verbreitet ist. In der Familienpolitik wurde Unter dem Gesichtspunkt des gleichen Zu- Verbindung von privater Lebensführung diese Entwicklung schon länger wahrge- gangs zum Arbeitsmarkt und den dort er- bzw. Erwerbstätigkeit und sozialer Absiche- nommen, wie etwa die Neuregelungen im werbbaren ökonomischen Ressourcen ha- rung. Diese Leitbilder bestimmen den Zu- Kindschaftsrecht belegen. Hier wurde - ben Frauen durch die deutsche Ausgestal- gang zu sozialer Absicherung sowie das Si- zumindest auf dem Papier - das Sorgerecht tung des gender contract gegenwärtig cherungsniveau. für Väter ermöglicht,die nicht mit der Mutter schlechtere Chancen als Männer,obwohl sie

ihres Kindes verheiratet sind und das ge- aufgrund ihres Bildungsniveaus eigentlich I 1. Leitbild: Der gender contract meinsame Sorgerecht im Fall einer Schei- gleich gut dastehen müssten. Dies gilt für Lange Zeit dominierte in der alten Bundesre- dung zum ~egelfallgemacht. Auch dass Frauen unabhängig von ihrem Familien- publik Deutschland das Modell des,,männli- inzwischen gleichgeschlechtliche Lebens- stand. Dieser ist jedoch entscheidend für den t chen Ernährers", dessen Ehefrau ausschließ- partnerschaften möglich sind, spricht für Zugang zu abgeleiteten Ansprüchen inner- lich für den Haushalt und die Kinder zustän- eine größere Offenheit dieses Politikbe- halb des Sozialsystems, die zum Ausgleich dig ist. Mittlerweile hat sich dieses Bild etwas reichs für gesellschaftliche Entwicklungen. der unterschiedlichen Arbeitsmarktintegra- gewande1t:die Rolle der Nur-Hausfrau wur- In der Sozial- und ganz besonders in der tion von Ehefrauen geschaffen wurden. Un- de weitestgehend in jene der Teilzeit be- Rentenpolitik scheint die Zeit hingegen ste- gleichheit in den Zugangschancen besteht schäftigten Haushaltsverantwortlichen um- hen geblieben zu sein. Selbst in der Riester- also zwischen Männern und Frauen, wie definiert. Konstant blieb aber die ge- reform genießen Verheiratete bei der Zula- auch zwischen verheirateten und nicht-ver- schlechtsspezifische Aufgabenteilung: der genförderung einen Sonderstatus. Die Ab- heirateten Frauen. männliche,,Ernährern und die für den Haus- schaffung der Witwenrentezugunsten einer halt allein verantwortliche Frau. Dieses Rol- eigenständigen Sicherung der Frauen war 2. Leitbild: Das Normalarbeitsverhältnis lenmodell wird vom Steuerrecht mit dem nicht durchsetzbar.Statt dessen ist mit dem als Basis der sozialen Sicherung Ehegattensplitting gestützt.Das Fehlen sozi- Erhalt der Witwenrente und der Einführung Der deutsche Sozialstaat funktioniert nach aler Dienstleister,an die die häuslichen Auf- des Rentensplittings zwischen Ehepartnern dem Sozialversicherungsprinzip,das die Si- gaben wie Kinderbetreuung oder Pflege ÄI- ein unentschiedenes Gemisch entstanden, cherung eines bestimmten Lebensstan- terer kostengünstig delegiert werden kann, bei dem das Splitting allerdings schlechter dards zum Ziel hat (im Gegensatz zum sog. tut sein Übriges, um abschneidet. Für Beveridge-System,das eine das Existenzmi- diese Aufgabenteilung Witwen (und nur für nimum abdeckende Grundsicherung bietet). zu zementieren. Finan- Das der allenfalls diese) wurden Zu- Das gesellschaftliche Arrangement der Absi- zielle staatliche Anreize zuverdienendenEhefrau ist schläge für Zeiten cherung,die Meßlatte für den zu sichernden für das Alleinverdiener- der Kinderbetreu- Lebensstandard, realisiert sich in einer auf modell, Verantwor- nicht mehr das, was die ung eingeführt.Von bestimmte Weise ausgestalteten Erwerbs- tungszuschrei bung Wirtschaftwill, und es ist den beschlossenen form, dem Normalarbeitsverhältnis (NAV). der Haushaltstätigkei- Kürzungen der ge- Das heißt konkret: Die Absicherung des Le- ten allein ZU Frauen nicht mehr das was die setzlichen Rente bensstandards wird gewährleistet für unbe- und teure (speziell im Frauen wollen. sind Frauen stärker fristete Vollzeitarbeit mit Arbeitnehmersta- Verhältnis zum erreich- betroffen, da sie vor tus. Nur diese Form der Arbeit garantiert an- baren Verdienst der der Reform von de- gemessen hohe Einkommen, die - siehe Frauen) bzw.nichtverfügbare soziale Dienst- ren Umverteilungsmechanismen stärker Leitbild 1 - die Existenz einer Familie ge- leistungen erschweren Frauen den Zugang profitierten und außerdem die gesetzliche währleisten. Von diesem Einkommen und zum Arbeitsmarkt und damit die Möglich- Rente den größten Teil ihrer gesamten Al- der Beschäftigungsdauer leitet sich die keit zur eigenständigen finanziellen Absi- terseinkünfteausmacht.DieVerluste können Höhe sozialer Leistungen wie Arbeitslosen- cherung. sie nicht im gleichen Maße wie Männer mit geld und Rente ab.Zugleich existieren zahl- Statt dessen wurden vom Ehemann abgelei- privater Vorsorge ausgleichen, denn sie er- reiche Regulierungen, die den Bestand des tete soziale Absicherungen eingeführt. wirtschaften durch ihre höhere Lebenser- NAV absichern (Arbeitnehmerüberlassung, Besonders deutlich wird dies am Beispiel des wartung aus privaten Vorsorgeverträgen Regelungen zu Befristungen). a Rentensystems. So wurde die Witwenrente monatlich niedrigere Zahlungen. Dem mit Was ist mit Arbeitsverhältnissen, die davon geschaffen,damit die ~amilieauch über den der Verpflichtung der Wirtschaft zu Unisex- abweichen, den sog. ,,neuenU oder ,,atypi- Tod des Ernährers hinaus versorgt ist. Dass Verträgen entgegen zu wirken, wurde bei schen" Erwerbsformen, denen wesentliche diese Rente auch an Männer,also Witwer ge- der Rentenreform verpasst. Elemente des NAV fehlen? Im Jahr 1998 ar- zahlt wird, ist vergleichsweise neu (erst Frauen immer wieder auf ihre Aufgaben in- beiteten in den alten Bundesländern von 1986). nerhalb der Familie zu verweisen, statt Rah- den knapp 30 Mio. Beschäftigten etwa 62 % Doch das den Sozialstaat prägende Leitbild menbedingungen für ihre Integration in den in einem NAV, zehn Jahre vorher waren es findet immer weniger Entsprechung in der Arbeitsmarkt und damit eine eigenständige noch 67 %.Die absolute Anzahl der NAV ist Realität.In den 90er Jahren hat der Anteil le- finanzielle Absicherung zu schaffen, fällt allerdings weitgehend stabil geblieben,die diger und geschiedener Frauen in bundes- dem Sozialstaat allerdings auf die Füße oder Anteilsabnahme resultiert aus einer Zunah- deutschen Haushalten zu-, der Anteil verhei- vielmehr ins Sozialhilfebudget der Länder me anderer Arbeitsverhältnisse. Besonders rateter Frauen abgenommen. Junge Men- und Kommunen.Mehr als ein Fünftel der Be- starke Wachstumsdynamiken gab es beiTeil- sehen heiraten immer später, Frauen sind im darfsgemeinschaften in der Sozialhilfe wa- zeitbeschäftigungen und bei Selbstständi- Durchschnitt bei ihrer ersten Hochzeit 28 ren im Jahr 1998 allein Erziehende und ihre gen ohne Mitarbeiter. Zusammen mit den Jahre alt, Männer 30. Und sie bekommen Kinder. Hinzu kam ein genauso großer Anteil befristet Beschäftigten arbeiten in solchen immer später Kinder,zunehmend auch ohne allein lebender Frauen, unter ihnen ,,atypischenn Beschäftigungsverhältnissen verheiratet zu sein. Zugleich ist die Anzahl besonders viele Rentnerinnen. Fast zwei etwa 27 % der westdeutschen Erwerbstäti- Foto Christian Kiel (Berlin) .- gen (1988: 20%). In Ostdeutschland lag der neue Beschäfti- -- 7 Anteil 1998 bei ungefähr 22 % der 6,5 Mio. gungsverhältnisse in Beschäftigen. Betrachtet man nur jene Be- immer stärkeren schäftigungsverhältnisse, die als prekär an- Maße befristet abge- gesehen werden,,,weil sie im Vergleich zum schlossen werden. Konstrukt Normalarbeitsverhältnis deutliche Davon sind nur die Risiken für die Arbeitenden aufweisen, sei es, nachrückenden Ge- dass sie in der Regel nicht auf Dauer ange- nerationen betroffen, legt sind, kein existenzsicherndes Einkom- während die NAV men gewährleisten undloder arbeits- und von den Älteren be- sozialrechtlich wenig abgesichert sind" setzt sind. Dass in

% (Schreyer 2000,s. 2), also Leiharbeit, gering- den neuen Bundes- fügige Beschäftigung und freie Mitarbeit, ländern auch Ältere beträgt der Anteil 10% in den alten Bundes- in größerer Zahl auf

> Iändern und 16% in den neuen Ländern. befristeten Stellen zu Wenn das NAVdie Basisder Absicherung des finden sind, wider- Lebensstandardsgegenüber verschiedener, spricht der These von durch die Sozialversicherung abgedeckter der Aufnahme,,atypi- Risiken darstellt, haben ,,atypischu Beschäf- scher" Beschäftigun- tigte einen eingeschränkten Zugang zu den gen als Reaktion auf Leistungen des Sozialsystems. Die Frage ist einen schlechteren dann, ob es sich um eine systematische Be- Zugang zum NAV nachteiligung bestimmter Personengrup- nicht. In den neuen pen handelt,die auf diese Weise schlechtere Ländern sind Ältere Zugangschancen zur gesellschaftlichen Res- häufig in ABM. source ,,soziale Absicherung" haben? Und Zudem ist der Ar- tatsächlich sind es vor allem Frauen, junge beitsmarkt dort we- Menschen und gering Qualifizierte,die über- sentlich stärker in Be- durchschnittlich oft in,,atypischenUBeschäf- wegung, so dass Älte- tigungsverhältnissen arbeiten (vgl. WS1 re nach einer Phase 2001).0ffensichtlich sind dies alles Gruppen, der Arbeitslosigkeit die aus unterschiedlichen Gründen Zu- ebenfalls neue Be- gangsschwierigkeiten zu Normalarbeitsver- schäftigungsverhältnisse, und das heißt 2003, S. 14).EinfacheTätigkeiten finden sich hältnissen haben. eben in großem Umfang befristete, einge- darunter genauso wie wissensintensive; ge- hen. ring Qualifizierte sind dort ebenso tätig wie Frauen Akademiker. Geissler (2000) zeigt, dass auf- Besonders Mütter realisieren ihre Erwerbs- Gering Qualifizierte grund der verschiedenen Zugänge in das wünsche durch Teilzeitarbeit und sind Sie sind altersunabhängig weit überpropor- ,,Solounternehmertum" diese Form der aty- zudem oft geringfügig beschäftigt. Rund tional befristet angestellt,gering qualifizier- pischen Beschäftigung Chancen eröffnet: zwei Drittel der westdeutschen Frauen ga- te Frauen oft nur geringfügig entlohnt. Als kleineres Übel gegenüber der Arbeitslo- ben dafür,,persönliche oder familiäre Grün- Allerdings muss gesagt werden, dass auch sigkeit oder zur Verwirklichung der eigenen de" an (WS1 2001,s. 52 U. 62). Diese Wahl des Hochschulabsolventenoft befristet arbeiten. Vorstellungen der Kombination von privater Arbeitsverhältnisses entspringt nicht nur Der Wandel des Arbeitsmarktes,auf dem ein- Lebensführung und Erwerbsarbeit. freiwilligen Entscheidungen, sondern u.a. ei- fache Tätigkeiten immer weniger gefragt Dies gilt insgesamt für alle,,atypischen" Er- nem Mangel an Kinderbetreuungseinrich- sind (vgl. Dostal, W./Reinberg, A. 1999, S. 3), werbsformen.So ist mit einer befristeten Be- tungen. Das Statistische Bundesamt ermit- bietet aber vor allem gering Qualifizierten schäftigung häufig die Hoffnung verbun- telte,dass im Jahr 1994 in den alten Ländern immer weniger reguläre Arbeitsmöglichkei- den, im Anschluss eine Normalbeschäfti- nicht einmal jeder achte Kindergartenplatz ten. Selektionsprozesse auf dem Arbeits- gung aufzunehmen. Ein Teilzeitjob ermög- einevollzeitbetreuung mit Mittagessen an- markt,durch die gering Qualifizierte bei Ein- licht es, Kinderbetreuung und Erwerbstätig- bot (vgl.dazu auch Hank u.a.2001).Mit dem stellungen strukturell benachteiligt werden, keit zu verbinden. Durch das Sozialstaats- Betreuungsangebot ist als ErziehendeR in und der wirtschaftliche Strukturwandel ver- prinzip, Lebensstandard sichernde soziale den alten Bundesländern kaum Teilzeiter- ringern die Zugangschancen zum Arbeits- Leistungen an das NAVzu koppeln,wird aber werbstätigkeit möglich, geschweige denn markt von Menschen ohne Berufsausbil- den,,atypischU Beschäftigten der Zugang zu ein Vollzeitjob. dung. Dazu gehören besonders viele Mig- diesem System erschwert, wenn nicht gar Hier wirken sich beide Prinzipien des deut- rantlnnen.Damit verringern sich gleichzeitig versperrt. Eine starke rechtliche Regulierung schen Sozialstaates so auf Frauen aus, dass ihre Zugangschancen zum System sozialer des NAV bei gleichzeitiger Deregulierung sie durch die Gestaltung des gender con- Absicherung. atypischer Beschäftigung (z.B. Befristung, tract geringere Chancen haben, Vollzeit er- Minijobs) schützt System-Insider, während werbstätig zu sein, wodurch sich wiederum ,,Neueu Selbstständige neu den Arbeitsmarkt betretenden Gruppen ihr Zugang zum sozialen Sicherungssystem Sie arbeiten ohne Mitarbeiter und zumeist der Zugang systematisch erschwert wird.Die verschlechtert. auch ohne eine größere Ausstattung mit Ei- gegenwärtigen Änderungen des Sozialsys- genkapital. Die Zahl der,,Solounternehmer" tem finden System statt und betreffen Junge Menschen ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Sie deswegen auch nurjene,die dort sind:ältere, Junge Frauen wie junge Männer arbeiten sind häufig in den Bereichen,,wirtschaftliche, westdeutsche Männer sowie die von deren überdurchschnittlich oft in befristeten Ar- technische und rechtliche Beratung" sowie Einkommen abhängigen Angehörigen. Die beitsverhältnissen. Sie sind auch häufiger in ,,Erziehung, Unterricht, Gesundheit und Per- Diskussion um die angemessene Rentenhö- Zeitarbeit zu finden. Das liegt daran, dass sönliche Dienste" anzutreffen (Vanselow he, so sie denn überhaupt stattfindet, ist immer am sogenannten Standardrentner lich scheinenden Verbindung von Frauen, marktmobilität und -flexibilität verhindern, orientiert, der 45 Jahre Vollzeit gearbeitet Ehe und darauf basierender sozialer Siche- solange soziale Absicherung nur für System- und durchschnittlich viel verdient hat. rung. Insider gewährleistet ist.Wer wagt denn den Gleichzeitig tragen aber auch nur noch die DieVerantwortung für den Ausbau der Kin- Schritt aus dem NAV in die Selbstständigkeit, System-Insider zum Erhalt des Systems bei. derbetreuung liegt bei den Kommunen.Ob wer den Job im Ausland, wenn er oder sie das angekündigte Programm im Rahmen dadurch direkt hinterher oder spätestens in Fazit der Agenda 2010 greifen wird, ist fraglich. der Rente im Sozialhilfebezug landet? Die Leitbilder,auf denen das deutsche Sozi- Werden die Kommunen ihre eingesparten Es sollte aber nicht um eine Definition neuer alsystem gegenwärtig beruht, sind dysfunk- Mittel ausgerechnet für Kindertagesstätten idealer Frauenbilder und Arbeitswelten ge- tional geworden,da sie immer weniger Ent- ausgeben? Zwar heißt der Finanzansatz,,ln- hen. Die gesellschaftliche Entwicklung sprechung in der Re- vestitionen und Kin- zeichnet sich durch die Abnahme institutio- alität finden. Durch derbetreuung", aber nalisierter Lebensverläufe und die Zunahme , die Beharrunq- darauf Die gesellschaftliche wie die Kommunen der Wählbarkeit der eigenen Biographie aus. werden jene, die die- Entwickluna zeichnet sich diese beiden Schwer- Neue starre Leitbilder würden in einer Ge- 4 Sen Normen nicht punkte gewichten, ist sellschaft mit zunehmender Pluralisierung t entsprechen (kön- durch die Abnahme allein ihre Sache. lnso- der Lebensläufe erneut bestimmten Grup- nen), von sozialen institutionalisierter fern wird es die Aufga- pen Chancen zum Zugang zu gesellschaftli- Leistungen ausge- be der Kommunalpo- chen Ressourcen verbauen. Es geht deshalb schlossen. Lebensverläufe und die litikerlnnen sein, die darum,flexiblere Lebensgestaltung anzuer- Die Erwerbswünsche Zunahmeder Wählbarkeit Mittel für Kinderkrip- kennen,~~der in unterschiedlichen Phasen von Frauen sowie die pen zu erstreiten und des Lebens unterschiedliche Arbeitsformen gesellschaftliche ~ot- der eigenen Biographie jene der auf Landese- passen. Dementsprechend ist ein Sozialsys- wendigkeit ihrer Er- aus. bene Aktiven, auf die tem nötig, das Wahloptionen dahingehend werbsarbeit auf der Abrufung der Bundes- belässt, wie das eigene Leben gestaltet wird, einen Seite,veränder- mittel zum Ausbau ohne bestimmte Entscheidungen durch ei- te Formen des familialen Zusammenlebens, der Ganztagsschulen zu dringen. nen erschwerten Zugang zu sozialer Absi- bei denen nicht mehr von lebenslang stabi- Wenn der ~ns~ruchauf ~eschlechter~e- cherung zu sanktionieren.Den Grad der indi- len Beziehungen ausgegangen werden rechtigkeit im Sinne der Schaffung von glei- viduell erreichbaren Absicherung von dem kann auf der anderen Seite, konfligieren mit chen Zugangschancen zu sozialen Ressour- Bestand einer Ehe oder einer bestimmten den auf dem gender contract beruhenden cen in der Politik ernst genommen wird, Form der Erwerbsarbeit abhängig zu ma- institutionellen Regelungen. muss man bei politischen Entscheidungen chen,wirkt dem Ziel der Herstellung von Ge- Das Prinzip der allenfalls zuverdienenden an diejenigen denken, die sie letztendlich rechtigkeit zunehmend entgegen. So wer- Ehefrau ist nicht mehr das,was die Wirtschaft betreffen. Wer sind diejenigen, die in Mini- den aus Leitbildern des Gesetzgebers Leid- will, und es ist nicht mehr das was die Frauen jobs arbeiten werden? Wen schließe ich vom bilder wachsender Bevölkerungsgruppen. wollen. Unternehmen wollen ,,ihren qualifi- Leistungsbezug aus,wenn ich beim Arbeits- spw 4 / 2003 zierten Frauen an sich binden. Frauen inves- losengeld II die Einkommen von Lebenspart- Literatur tieren in gleichem Maße in ihre Bildung, ihr nern stärker als bisher auf die Leistungen an- Arbeitsgemeinschaft Riedmüllerllnfratest i.E.: Die Le- Humankapital,wie Männer,schließen sowohl rechne? Wer ist durch das Absenken von benssituation alleinstehender Frauen in Deutsch- das Abitur als auch das Studium mit besseren Leistungen aus Solidarsystemeneher betrof- 1and;Studie im Auftrag des BMFSFJ BMFSFJ 2001: Die Rolle des Vaters in der Familie Zusam- Noten ab. Unternehmen investieren ihrerseits fen und wer kann diese Absenkungen ange- menfassung des Forschungsberichts,download am in weibliches Humankapital.,,Managing Di- messen durch Produkte des Kapitalmarktes 18.09.2003 www.bmfsfj.delAnlage78761 versity", der Umgang mit unterschiedlichen kompensieren? FaItblatt-Die-Rolle-des-Vaters-in-der-FamiIie.pdf Lebensweisen, ob durch Herkunft oder Ge- Dem althergebrachten sozialpolitischen BMFSFJ 2003: Die Familie im Spiegel der amtlichen Sta- tistik. Lebensformen, Familienstrukturen, wirtschaft- schlecht begründet, ist eine Anforderung,der Leitbild entspricht auch die steigende Zahl liche Situation der Familien und familiendemogra- sich internationale Unternehmen seit Iänge- ,,atypischn Beschäftigter nicht mehr.Die Stär- phische Entwicklung in Deutschland. Erweiterte rem stellen und die wesentlicher Bestandteil kung der Bindung zwischen Lebensstan- Neuauflage 2003; Berlin, Köln, Bonn ihrer Personalentwicklung ist. Niemand will dardsicherung und NAV - nichts anderes ist Bundesregierung 2002: Bericht der Bundesregierung zur Berufs- und Einkommenssituation von Frauen und diese Humankapital-Investitionen ,,in den mit einer Verstärkung des Äquivalenzprin- Männern, BT-Drs. 1418952 Sand gesetztsehen".Davon abgesehen ist die zips bzw. des Leistungsprinzips gemeint - Dostal.W.1Reinberg.A. 1999: UngebrochenerTrend in die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung der Frauen trifft vor allem Menschen mit erschwertem Wissensgesellschaft, in: IAB-Kurzbericht 1011999 ein Ziel,das sich die Bundesregierung im Rah- Zugang zu den NAV negativ. Für sie lohnt Geissler, B. 2000: Unabhängige Gründer oder neues Pro- men der europäischen Beschäftigungspolitik sich Leistung im Sinne von entsprechenden letariat? Anmerkungen zu sozialen Ursachen und Folgen neuer selbstständiger Erwerbsformen, in: FR und zur nachhaltigen Finanzierung der sozia- Gegenleistungen im Absicherungsfall am- 20.04.2000------len Sicherungssysteme selbst gesetzt hat. immer weniger. Der Nutzen, den sie durch Hank, K./Tillmann, K.1 Wagner, G. 2001: Außerhäusliche Nicht zu vergessen ist das sich wandelnde hohe Einzahlungen ins System haben könn- Kinderbetreuung in Ostdeutschland vor und nach Rollenverständnis der Väter: Immer mehr ha- ten, sinkt zunehmend, wenn das System ih- der Wiedervereinigung. Ein Vergleich mit West- deutschland in den Jahren 1990 - 1999, Working Pa- ben den Anspruch, ihre Vaterrolle auszufüllen nen kein Auskommen mehr gewährleistet. per des Max-Planck-Institut für demografische For- und nicht nur Zahlmaschinen für ihre Kinder Und damit steigt die Tendenz, sich diesem schung, WP 2001-003; zu sein. (BMFSFJ 2001) System durch Schwarzarbeit zu entziehen. Schreyer, F.2000: Unsichere Beschäftigung trifft vor allem Es sind neue Antworten der Politik notwen- Gleichzeitig werden andere ,,atypischn Be- die Niedrigqualifizierten, in: IAB-Kurzbericht 1512000 dig, um der Zementierung von Chancenun- schäftigte, wie z.B. Selbstständige oder ge- Vanselow.A.2003:Neue Selbstständige und die Zukunft der Arbeit:Auf dem Weg in die Werkvertragsgesell- gleichheit zwischen den Geschlechtern und ringfügig Beschäftigte, davon ausgeschlos- schaft?, in: Die berufsbildende Schule (BbSch) 55 den Familienformen entgegen zu wirken. sen, ihren Beitrag zum Sozialsystem zu leis- (2003) 1, WS1 2OOi:Flexicurity:Soziale Sicherung und Flexibilisie- Dazu gehört die Bereitstellunq- von Familien- ten. Daran ändert auch die dreiiähriqe. Bei- arbeit unterstützenden Dienstleistungen tragspflicht der ,,Ich AG's" nur wenig. der Arbeits- und schungsprojekt im Auftrag des Ministeriums für Ar- ebenso wie die Auflösung der in der Sozial- Schließlich kann die enge Bindung des Sozi- beit und Soziales,Qualifikation undTechnologiedes politik offensichtlich immer noch unaufiös- alsystems an das NAV individuelle Arbeits- ~~~d~~~~~d~hei~-~~~tf~len;~üsseld~~f Sozialabbau im Namen der

/I Generationengerechtigkeit"? Von Gerhard Bäcker

Die Älteren: Ein Leben auf Kosten der Jun- nerationen die Rede ist, wird auf das Wech- rung nach ,,Gerechtigkeitn schillernd und gen? selverhältnis der Altersgruppen abgestellt, enthält abweichende, ja konkurrierende die durch Leistungs- und Finanzierungsströ- Normen wie ,,Leistungsgerechtigkeit", „Be- Die Äußerung des Vorsitzenden der me miteinander verbunden sind. Abgren- darfsgerechtigkeit",,,Teilhabegerechtigkeit" Jungen Union Phillip Missfelder, ,,Ich halte zungskriterium ist die Beteiligung am Ar- oder ,,Chancengerechtigkeitn, Der Maßstab nichts davon, wenn 85-Jährige noch künstli- beitsmarkt und die Einkommensquelle: für,,GerechtigkeitUIässt sich nicht durch die che Hüftgelenke auf Kosten der Solidargem- Während die im Arbeitsleben stehende und Wissenschaft finden, sondern durch Wertur- einschaft bekommen. Das klingtzwarjetzt ex- (hauptsächlich) von ihrem Erwerbseinkom- teile und vorherrschende gesellschaftlich- trem hart, aber es ist doch nun malso: Früher men lebende Generation mit Beiträgen für politische Normen. Im Folgenden begreifen sind die Leute auch aufKrücken gelaufen" hat die Sozialsysteme aufkommt, und Ansprü- wir,,Generationengerechtigkeit" als den Auf- im August für Empörung gesorgt. Es wäre che auf spätere Zahlungen erwirbt,zählt die trag, allen Altersgruppen in der Gesellschaft, falsch, dies als Entgleisung zu bewerten. ältere Generation zu den Leistungsempfän- einen Anspruch auf gleichberechtigte Teil- Denn Forderungen, älteren Menschen sozi- gern. Am anderen Ende steht die junge Ge- habe am Wohlstand einzuräumen. Das Le- alstaatliche Leistungen zu versagen, häufen neration: Kinder und Jugendliche empfan- bensalter soll also nicht negatives Selekti- sich. Kaum noch zu zählen sind die Forde- gen ebenfalls Leistungen,wobei ihr Lebens- onskriterium bei Einkommen oder der Ver- rungen, die Rentenansprüche der Älteren unterhalt vorrangig durch familiäre Übertra- sorgung mit gesundheitlichen und sozialen auf eine reine Grundsicherung herunter zu gungen und erst ergänzend durch öffentli- Leistungen sein. fahren - zumindest aber die Rentenanpas- che Transfers sichergestellt wird. In der zeitli- Zu klären ist aber auch, auf welche zeitliche sung auszusetzen und das Rentenniveau chen Abfolge übernimmt diese Generation, Dimension der Vergleich der Generationen (weiter) zu kürzen Ausgehend von einer Dia- wenn sie in den Arbeitsmarkt eintritt, die abstellt: Eine zeitpunktbezogene Betrach- gnose, nach der der Sozialstaat der eigentli- Aufgabe, die dann aus dem Erwerbsleben tung des sozialstaatlichen Generationenver- che Verursacher der Probleme auf dem Ar- ausgeschiedene,,neue" ältere Generation zu hältnisses stellt auf Altersgruppen ab. Ge- beitsmarkt sei, hat ein Wettbewerb um radi- alimentieren. Dieser Zusammenhang wird fragt wird, wie sich die Wohlstandsposition kale Forderungen zum Abbau sozialer Rech- als,,Generationenvertrag" bezeichnet. der Älteren im Vergleich zur mittleren Alters- te eingesetzt.. Die Mahnung des Bundesprä- Allerdings begrenzt sich Sozialpolitik nicht gruppe darstellt. Die Kinder und Jugendli- sidenten:,,Das Sozialstaatsgebot ist kein An- auf diese intergenera- chen bis zum Beginn hängsel des Grundgesetzes. Es gehört zum tionale und intertem- der Berufstätigkeit Kernbestand unserer gesellschaftlichen Ord- porale Umverteilunq. Generationengerechtig keit können in diesen Ver- nung. Die Menschen dürfen nicht schutzlos Die Bandbreite der in- ist der Auftraa. allen gleich nicht direkt J' den großen Lebensrisiken Alter und Armut, terpersonellen und einbezogen werden, Krankheit und Arbeitslosigkeit ausgeliefert damit intraqeneratio- Altersgruppen einen da sich ihre Einkom- werden" klingt mittlerweile,,altmodisch". naien Umverteiiung Anspruch auf sleichberech- menslage aus dem Grundlegend für diese Forderung, ist die wird deutlich, wenn Haushaltseinkom- Auffassung, die Alten lebten auf Kosten der man an die Arbeitslo- tigte Teilhabe am men errechnet. Jungen und die Gesellschaft müsse vor de- senversicherung und Wohlstand einzuräumen. Wechselt man von ren überzogenen Ansprüchen geschützt Arbeitsmarktpolitik, der statischen Quer- werden. Da sich angesichts des demografi- Sozialhilfe, besondere schnitt- in eine dyna- schen Umbruchs das Zahlenverhältnis zwi- Transfers (Kindergeld, Wohngeld, Erzie- mische Längsschnittanalyse und überprüft, schen Älteren und Jüngeren immer mehr zu hungsgeld) sowie an Realtransfers (soziale wie sich das intergenerationaleverhältnis im Ungunsten der Jüngeren verschiebe, sei ein Diensten und Einrichtungen) denkt. Auch Zeitverlauf entwickelt hat und - wichtiger Abbau der umlagefinanzierten Solidarsyste- die Älteren sind insbesondere durch indirek- noch - entwickeln wird, wechselt auch der me und der Übergang zur kapitalgedeckten te Steuern -an diesen Sozialausgaben betei- Generationenbegriff. Statt der Altersgrup- Alters- wie Gesundheitsvorsorge notwendig. ligt. Da die indirekten Steuern einen immer pen kommen Kohorten bzw. Geburtsjahr- Denn bei privaten Vorsorgeformen sei die höheren Anteil haben und die Älteren viel gänge ins Blickfeld.Bei einer solchen Analyse ,,GenerationengerechtigkeitMgewährleistet, konsumieren, nimmt ihre Beteiligung an der intergenerationalen Verteilung über die da hier jede Generation nur für sich selber Staatsausgaben zu. Sie tragen auch zur Ge- Zeit hinweg interessiert, ob aufeinander fol- sorge. setzlichen Krankenversicherung und Pflege- gende, historisch unterschiedlich situierte versicherung bei. Jahrgangsgruppen durch die Sozialpolitik Was verstehen wir unter,,Generationen"? gleich behandelt werden, also eine ver- Es bleibt unklar, was mit,,GenerationenUund Was ist,,Generationengerechtigkeit"? gleichbare sozialstaatliche Leistungsbilanz ,,Generationengerechtigkeitn eigentlich ge- Was aber ist nun ,,Generationengerechtig- aufzuweisen haben, oder ob - wie befürch- meint ist. Wenn in der Sozialpolitik von Ge- keit". Schaut man näher hin, ist die Forde- tet - die Jahrgangsgruppen, die heute am Beginn der Erwerbstätigkeit stehen,gegenü- ber denen,die sich in der Altersphase befin- den, benachteiligt werden. Unter diesem Blickwinkel wäre Generationengerechtig- Gerhard Bäcker, geb. 1947, ist Prof;für Soziologie an der Universität Duisburg-Essen keit nicht mehr als materiale Gerechtigkeits- norm, sondern als Gleichbehandlung und Sicherung definiert danach Generationen- beitsentgelt). Es liegt (alte Bundesländer/ Verfahrensgerechtigkeit zu verstehen. gerechtigkeit als Teilhabeäquivalenz. Das 2001) bei 69,l % eines vergleichbaren Ar- heißt ,dass die Renten der Einkommensent- beitnehmereinkommens. Durch die ab 2001 Einkornrnenslage der Generationen irn wicklung der aktiven Generation im Positi- in Kraft getretene neue Rentenformel wird Querschnittsvergleich ven wie im Negativen folgen. Da sich die das Nettorentenniveau in den nächsten Jah- Wenn untersucht werden soll, wie sich die jährliche Rentenanpassungan der Nettoent- ren absinken: Die Rentenanpassung folgt Einkommenslage der Älteren im Vergleich geltentwicklung der Beschäftigten im Vor- der Nettoentwicklung nur noch abge- zur mittleren Altersgruppe darstellt, bietet es jahr orientiert,fallen die Anpassungen sehr bremst. Zudem wird der private Vorsorge- sich an, die Leistungen der Gesetzlichen niedrig aus- auch unterhalb der Preissteige- beitrag mit jährlich 0,5 % von 2003 bis 2010 Rentenversicherung zu betrachten. Aller- rungsrate - wenn die Zuwachsraten der als Belastung der Arbeitnehmer eingerech- dings orientiert die Rentenversicherung Nettoentgelte niedrig sind. Steigende Bei- net - unabhängig davon, ob er tatsächlich nicht auf die Absicherung der älteren Gene- tragssätze belasten also nicht allein die Net- geleistet wird. Lässt man die privaten Vorsor- ration,vielmehr geht es primär um die Siche- toeinkommen der mittleren Generationen; gebeiträge unberücksichtigt, wird das rung der abhängig über die Rückkopp- Nettorentenniveau bis 2030 auf 64,5% ab- Erwerbstätigen und lung der Rentenfor- sinken. ihrer Angehörigen im Von einer einseitigen mel mindert sich auch Über die tatsächlichen Rentenzahlbeträge, Alter und bei Er- Belastungder mittleren die Rentenanpassung. ihre Schichtung und die Durchschnittswerte werbsminderung. Von einer einseitigen sagt das Rentenniveau noch nichts aus. Ein Ziel ist es auch nicht, Generation durch Belastung der mittle- Großteil der Renten liegt wegen einer niedri- ein für alle gleiches BeitragSSatzanhebungen ren Generation durch geren Entgeltposition und geringeren Versi- Einkommen im Alter die zurückliegenden cherungsjahren deutlich unter der Eckrente. ZU gewährleisten. kann nicht gesprochen Beitragssatzanhebun- Die Rentenschichtung spiegelt die Hierar- Entsprechend der werden. gen kann also nicht chie der Erwerbseinkommen, zu Lasten vor Lohnersatzfunktion gesprochen werden, allem der Frauen,, die wegen ihrer Lebens- der Rente wird darauf da diese auch bei der verläufe in der Regel unterbrochene Versi- abgestellt,das im Durchschnitt der Erwerbs- Rentenanpassung durchschlagen. cherungsbiografien und niedrige Entgelte biografie erzielte Arbeitsentgelt im Alter und Eine andere Frage ist,ob die Steigerung der aufweisen. bei Erwerbsminderung so auszugleichen, Beitragssätze als tragbar angesehen werden dass die,,Rangstelle" in der Hierarchie der Er- kann, mit Blick auf steigende Arbeitskosten Haushaltseinkomrnen der Generationen werbseinkommen auch beim Rentenbezug (Arbeitgeberbeiträge) und ihre möglichen im Vergleich beibehalten wird.Grundlegendes Prinzip für Rückwirkungen und auf die Einkommen und Die große Zahl niedriger Renten, könnte be- die Rentenberechnung ist die,,Teilhabeäqui- steigende Abgabenwiderstände bei sinken- deuten, dass Altersarmut verbreitet ist. Das valenz" bzw.,,Anteilsgerechtigkeit". Entschei- den Nettorealeinkommen. Der Hinweis, dass ist aber nicht so: dend für die Höhe der individuellen Rente ist auch die Rentenanpassungen sehr niedrig Misst man Armut an der Sozialhilfe- danach die relative Höhe des Bruttoeinkom- ausfallen können, wenn die Nettoentgeltzu- schwelle, zeigt sich, dass Sozialhilfebedürf- mens im Verhältnis zum durchschnittlichen wächse der Beschäftigten im Vorjahr ent- tigkeit älterer Menschen (ab 65 Jahre) eher Bruttoeinkommen aller Versicherten in den sprechend liegen, ist zwar zutreffend, löst niedrig liegt: Ende 2001 gut 200.000 Perso- jeweiligen Versicherungsjahren. aber nicht die Akzeptanzprobleme. nen - darunter nahe 67% Frauen. Dies ent- Wenn die Rente eine Lebensstandardsiche- Das Prinzip,,Teilhabeäquivalenz" wird durch spricht 7,4% aller Hilfeempfänger. Die Sozial- rungsfunktion erfüllen soll,reicht es nicht,sie das Rentenniveau konkretisiert Entschei- hilfequote älterer Menschen liegt mit 1,596 nur bei ihrer Erstberechnung am allgemei- dende Maßgröße ist hier das Nettoniveau deutlich unterhalb der Gesamtbevölkerung nen Einkommensniveau (aktueller Renten- der sog. Eck- oder Standardrente (Verhältnis (3,3%). wert) auszurichten; auch die Bestandsrenten einer Nettorente mit 45 Entgeltpunkte = Misst man Armut als relative Einkom- müssen der Entwicklung der durchschnittli- Durchschnittsverdienst und 45 Versiche- mensarmut - Armut liegt dann vor, wenn chen Arbeitsentgelte folgen. Die Rentenver- rungsjahre zum durchschnittlichen Nettoar- das bedarfsgewichtete Pro-Kopf-Einkom- men weniger als 50% des Durchschnitts be- trägt -, lag 2000, die Armutsquote für 61 bis 70jährige bei 5,7% und für über 7ljährige bei 4,8%. Im Vergleich zur allgemeinen Ar- mutsquote zeigt sich eine vergleichsweise günstige Einkommenslage: Die Armutsquo- te der Gesamtbevölkerung beträgt 9,1%. Insgesamt sind Sozialhilfe- und Armutsrisi- ken der älteren Bevölkerung starkzurückge- gangen. Damit vermeidet die soziale Siche- rung im Alter erfolgreich Altersarmut. Die Gleichsetzung von Alter und Armut, die bis Ende der 50er Jahre in Deutschland üblich war, und etwa in Großbritannien bis heute üblich ist, ist überwunden. Dieses positive Gesamtbild ist nicht ausschließlich ein Er- gebnis der Rentenversicherung: So können Renten aus der Rentenversicherung durch andere Alterssicherungssysteme, insbeson- dere die betriebliche Altersversorgung, aber auch durch private Leibrenten und/ oder Er-

- - 4 werbseinkünfte (Zinsen, Mieten, Gewinne) Foto Christian Kiel (Berlin) ergänzt werden, was gerade bei hohen ge- des durchschnittlichen Haushaltseinkom- dass auch dieVermögensbestände und Ver- setzlichen Renten und bei einer überdurch- mens. mögenserträge im Alter künftig nach der schnittlichen Einkommensposition häufig Bei Alleinerziehenden-Haushalten (ge- Leistungsfähigkeit besteuert werden. der Fall ist.Zum anderen lassen sich Einkom- schiedenlgetrennt) beträgt der Anteil mit mensverhältnisse immer nur auf der Basis Einkommen bis zur Hälfte des durchschnitt- Generationengerechtigkeit zwischen Ko- der Haushaltseinkommen bewerten. lichen Haushaltseinkommens30,6%; 67% er- horten? Vergleicht man auf der Ebene der bedarfsge- reichen nur bis zu 75% des Durchschnitts. Die Frage bleibt,obdie Balancezwischen den wichteten Haushaltseinkommen die Wohl- lm Vergleich dazu sind nur 2,9% der Paar- Generationen auch noch Bestand hat, wenn standsposition der Altenhaushalte (mit Ar- Haushalte ohne Kinder einkommensarm sich das zahlenmäßige Verhältnis zwischen beitnehmerhaushalten zeigt sich für 2000 (Haushaltsvorstand im Alter bis 45), im mitt- den Älteren und der mittleren und jüngeren folgendes Bild: leren Alter (Haushaltsvorstand zwischen 46 Generation zu Lasten der letzteren verändert. Die Position der Arbeitnehmerhaushalte und 65) sind es 3,5%. Im Niedrigeinkom- Um diesen gravierenden Umbruch zu bewäl- entspricht etwa der relativen Wohlstandspo- mensbereich liegen 12% bzw. 18,7%. tigen, müssen entweder die Jüngeren stärker sition aller Privathaushalte. Diese Disproportionen weisen auf ein intra- belastet werden oder die Älteren Abstriche Rentnerhaushalte erreichen 84% des Durch- generationales Gerechtigkeitsproblem. Mit machen oder beides wird kombiniert - mit schnitts. fehlender Gerechtigkeit zwischen den Gene- der Folge, dass die stärker besetzten Vorgän- Im Ergebnis ist festzuhaken, dass die Ein- rationen können Unterschiede innerhalb gerkohorten mit niedrigeren Beitragssätzen kommensniveaus der sozialstaatlichen Ge- von Generationen nicht begründet werden. ein höheres Rentenniveau erreichen konnten, nerationen materiell weitgehend gleich ge- Derverteilungskonflikt macht sich nicht zwi- während die jetzt Jüngeren mehr zahlen stellt sind. Eine überzogen hohe Position der schen Jung und Alt, sondern an der sozial- müssen aber ein niedrigeres Rentenniveau Rentner(hausha1te) Iässt sich nicht feststell strukturellen Scheidelinie fest. So ist es irre- erhalten. Wird also die Generationengerech- len.Von einer Verletzung der,,Generationen- führend, die prekäre Lage einer allein erzie- tigkeit verletzt, da der,,Gewinnergenerationn gerechtigkeit",~~Lasten der mittleren Gene- henden Mutter mit der sehr guten Lage ei- eine,,Verlierergeneration" gegenüber steht? ration kann nicht gesprochen werden. nes älteren Beamtenehepaares zu verglei- Folgt man diesem Ansatz, hieße,,Gerechtig- Gerechtigkeit innerhalb der Generationen? chen. Diese Gegenüberstellung - von den keitU,dassMenschen nicht aufgrund der un- Diese Befunde basieren auf Durchschnitts- Medien in Szene gesetzt - nährt den Ein- günstigen Einflüsse, denen ihr Geburtsjahr- werten. So wenig es,,dieU Einkommenslage druck, dass die Älteren die Jungen,,ausplün- gang gegenüber anderen Jahrgängen ausge- von Altenhaushalten gibt, kann von ,,dern dern", ohne zu erwähnen, dass es auch bei setzt ist, benachteiligt werden sollen. Einkommenslage der Haushalte in der Er- schlecht gestellte Alte und gut gestellte jun- Hinterfragt man eine auf die Vermeidung werbsphase gesprochen werden: ge gibt. Die eigentliche Pointe dieserverglei- von Kohortendifferenzen zielende Gerech- Bei den Altenhaushalten sind vor allem fol- che von,,Äpfeln und Birnen" liegt darin,dass tigkeitsnorm, so liegt sie zu anderen Vorstel- gende Gruppen besonders schlecht ver- sich Unterversorgung lungen von sozialer sorgt: im Alters aus den Gerechtigkeit konträr. Ehemalige Arbeitnehmerhaushalte mit schlechten Einkom- Eine Senkung des SO steht ,,Generatio- einer niedrigen beruflichen Position des mensverhältnissen in nengerechtigkeit" im Mannes, um so mehr, wenn sie sich am Er- der Erwerbsphase ab- Rentenniveaus würde die sinne gleichberech- nährer- und Hausfrauenmodell orientiert leitet. Die Unterbre- Altersarmut vergrößern, tigter Teilhabe der Al- haben, chung oder Ein- tersgruppen am ge- Alleinstehende, ledige oder geschiedene schränkung der Er- aber nicht das Problem von samtgesellschaftli~ Frauen sowie Witwen aus der vorgenannten werbstätigkeit wegen Alleinerziehenden lösen. chen Wohlstand im Gruppe, Kindererziehung ist Hier und Jetzt - un- ehemalige,,kleineUSelbständige, die kei- neben dem unzurei- abhängig von der Be- ne ausreichende private Vorsorge aufgebaut chenden Familienleistungsausgleich der setzungsstärke der Gruppen - im Wider- haben, entscheidende Grund für das niedrige Pro- spruch zu der Position, die nachfolgenden Arbeitsemigranten, die erst im mittleren Kopf-Einkommen von Familien. Da die Frau- Kohorten trotz der ungünstiger werdenden und höheren Alter in die Bundesrepublikge- en ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen oder Bevölkerungsstruktur nicht stärker zu belas- kommen sind und keine ausreichenden Ren- reduzieren haben sie niedrige eigenständi- ten. Eine Festschreibung des Beitragssatzes tenanwartschaften erwerben konnten. ge Renten und .Das Generationenverhältnis über die Zeit,um kohortenübergreifend glei- Besser gestellt sind jene Älteren, bei denen ist immer auch Geschlechterverhältnis. che Bedingungen bei Finanzierung und Be- Einkommen aus mehreren Quellen zusam- Was ist zu tun, um Armuts- und Unterversor- lastung - also gleiche Renditen - herzustel- mentreffen und die Vermögen haben. Es gungsrisiken abzubauen? Die populäre For- len,würde wegen des dann abzusenkenden zeigt sich,dass das Lebensalter und die Höhe derung, bei den Leistungen für Ältere zu kür- Rentenniveaus die heutigen Rentner des Vermögens eng zusammenhängen. zen,um Mittel für die Familien frei zu bekom- schlechter stellen und die Teilhabeäquiva- Aber: Bei Mehrpersonenhaushalten über 65 men,führt in die falsche Richtung. lm Ergeb- lenz aufgeben. Jahre gehörten 1998 den unteren 50% die- nis würden bei der Alterssicherung, gerade ser Haushalte nur 13% des Geld- und Grund- zu Lasten der Bezieher niedriger Renten, Lö- Alterssicherung im gesamtwirtschaftli- vermögens, hingegen fielen 33,7% des Ver- cher aufgerissen,ohne dass sie beim Famili- chen Zusammenhang mögens auf die obersten 10%. enleistungsausgleich gefüllt würden. Eine Dass bei gleich bleibendem Rentenniveau Bei der,,aktivenU Generation sind vor allem Senkung des Rentenniveaus würde das Risi- die nachrückenden Jahrgänge durch die Haushalte mit (mehreren) Kindern schlech- ko der Altersarmut vergrößern, aber nicht Verschiebung der Relation von Beitragszah- ter gestellt, vor allem Alleinerziehende: das Einkommensproblem von Alleinerzie- lern und Leistungsempfängern (Rentner- Von den Paar-Haushalten mit 3 und mehr henden lösen. Die Alleinerziehenden wür- quotient) stärker als vorhergehende Jahr- Kindern erreichen in Deutschland 2000 den vielmehr beim späteren Rentenbezug gänge belastet werden, Iässt sich nicht weg- knapp 28% eine Pro-Kopf-Einkommensposi- von einem verminderten Rentenniveau diskutieren. Differenzierungen sind aber an- tion von weniger als 50% des Durchschnitts besonders betroffen Wichtiger ist es, die,,an- gebracht: (Armut),fast zwei Drittel liegen insgesamt im deren" Alterseinkommen ins Blickfeld zu Die Benachteiligung der nachrückenden Niedrigeinkommensbereich von unter 75% nehmen. So sollte darauf geachtet werden, Kohorten bezieht sich auf relative Größen. Auch wenn die Beitragssätze erhöht wer- Intergenerative Belastung und kapitalge- Die steigende Lebenserwartung zwingt den, muss dies nicht eine absoluten Ver- deckte Alterssicherung bei kapitalfundierten Systemen zu höheren schlechterung im Lebensstandardbewir- Generationengerechtigkeit im Sinne der Sparleistungen, um zu einem Ausgleich der ken. Es spricht alles dafür, dass Produktivität Gleichbehandlung von Kohorten lässt sich längeren Bezugszeiten zu kommen. und Wertschöpfung der Gesellschaft weiter erreichen - so die Argumentation der Kriti- Der Rückgang der nachwachsenden Ge- steigen und das aufzuteilende Sozialpro- ker der umlagefinanzierten Rentenversiche- burtsjahrgänge führt zu einer negativen dukt größer wird. Die höheren Belastungen rung -,wenn aus ihr ausgestiegen und zu ei- ,,Age-wave" auf den Aktien- und Kapital- können also aus den Zuwächsen der Brut- nem Kapitaldeckungsverfahren übergegan- märkten. Denn wenn die Älteren entsparen, toeinkommen getragen werden und die er- gen werde. Kapitalfundierte Alterssicherung d.h. ihre Wertpapiere veräußern und in Kon- werbstätige Generation kann die Altersge- erscheint aus dieser sum umwandeln wol- neration auch ohne Konsumverzicht finan- Sicht als unempfind- len, die nachfolgende zieren.Ob höhere Beitragssätze als tragbar lich gegenüber den Renten werden aus dem Zahl jüngerer Sparer angesehen werden, hängt aber nicht nur Verschiebungen in und Käufer von Wert- von ihren ökonomischen Rückwirkungen der Bevölkerungs- Volkseinkommen und nicht papieren aber demo- ab,sondern von ihrer politisch-psychologi- Struktur, da jede Per- aus demografischen grafisch bedingt sinkt, schen Bewertung. son und damit auch kommt es zu Anpas- Sieht man die geringere relative Beitrags- jede Kohorte durch Quoten finanziert. sungsreaktionen auf belastung der Vorgängerkohorten als,,Be- die Kapitalbildung den Märkten. Entwe- vorzugung",fällt aus dem Blick,dass früher nur für sich selbst der sparen die Jünge- nicht nur der Lebensstandard und die Ver- vorsorge. Folgt man der Argumentation, ren zusätzlich, was zu einer Einschränkung teilungsspielräume enger waren, sondern hängt das Sicherungsniveau im Alter allein ihres Konsums führt (analog Beitragserhö- für die Rentenanwartschaft weitaus länger von der Höhe des Kapitalstocks, der Kapital- hungen).Oder der Realwert der zum Verkauf gearbeitet werden musste als heute und in marktentwicklung und den individuellen Ri- angebotenen Wertpapiere sinkt infolge des Zukunft. siken ab, während politische Entscheidun- Angebotsüberhangs (entsprechend einer Die Schüsselstellung des Sozialproduktesfür gen hinsichtlich Rentenniveau und -Struktur Senkung des Rentenniveaus). die Umlagefinanzierung unterstreicht, dass keine Rolle mehr spielten. Auch die Beset- Renten,aus dem Volkseinkommen und nicht zungsstärke und die Zahlungsfähigkeit wie - Ausblick aus demografischen Quoten finanziert wer- willigkeit der nachrückenden Jahrgängever- Es kann festgehalten werden, dass - unab- den. Das wirtschaftliche Leistungsvermögen Iören ihre Bedeutung. hängig vom Finanzierungsverfahren - eine der Volkswirtschaft ist dabei nicht allein Er- Der Generationenverbund im volkswirt- wachsende Zahl älterer Menschen bei gege- gebnis von lnvestitionsdynamik und Ar- schaftlichen Kreislauf macht aber deutlich, benem Leistungsniveau einen größeren Teil beitseinsatz. Die Produktivität der Arbeits- dass es an der Mackenroth-These keinen des Sozialprodukts für sich beansprucht. Es leistung hängt auch elementar vom Bestand Weg vorbei gibt: Was eine Gesellschaft für gibt keine institutionelle oder ökonomische an Realkapital,öffentlicher Infrastruktur und die Versorgung der Nicht-Erwerbstätigen Zauberformel, die dies überwinden könnte. Humankapital ab, der in der vergangenen aufwendet, muss stets aus dem Sozialpro- Bei jedem Finanzierungssystemwird darüber Periode von der jetzt älteren Generation ge- dukt der laufenden Periode abgezweigt entschieden, wie die Jüngeren durch Einbu- schaffen worden ist. Diese Vorleistungen werden. Aus dem gesamtwirtschaftlichen ßen im Konsum belastet werden und wie die sind ein wichtiger Faktor für das Einkom- Zusammenhang kann auch der nicht aus- Älteren durch Minderung der Zuwachsraten mensniveau der nachrückenden Kohorten. steigen, der durch Sparen vorsorgt, um im ihrer Rentenansprüche belastet werden. Ganz grundsätzlich gilt, dass es keine Ent- Alter dann von den Erträgen oder der Sub- Beim Umlageverfahren wird dies politisch wicklung geben kann, bei der alle Kohor- stanz des Vermögens zu leben. Eine Volks- entschieden, bei kapitalfundierten Systemen ten gleich behandelt werden. Die Alters- wirtschaft insgesamt kann spätere Ausga- über Marktprozesse. Die Belastung könnte struktur der Bevöl- ben nicht durch,,Spa- bei kapitalfundierten Systemen durch den Ex- kerung die ökono- ren" vorfinanzieren port und späteren Import von Kapital gemil- mischen Rahmenbe- Was eine Gesellschaftfür und damit die Belas dert werden - wenn es nicht in jenen Län- dingungen die die Nicht-Erwerbstätigen tung zeitlich ver- dern, bei denen ein Kapitaltransfer risikolos Rechtsprechung schieben. Denn wie ist,den selbenverlauf der Alterung gäbe.Eine und die politischen aufwendet, muss stets aus sich nur jemand ver- Problemmilderung könnteauch dann auftre- Verhältnisse, Mehr- dem Sozialprodukt der schulden kann, wenn ten,wenn die Kapitalfundierung zu einer hö- heiten und Meinun- er einen Gläubiger heren Sparquote, zu höheren Investitionen gen in einer Demo- laufenden Periode findet, kann auch nur und in Folge zu einem steigenden Sozialpro- kratie ändern sich. abgezweigt werden. der Geld anlegen und dukt führte.Aber diese Annahmen sind und Auch politische und ein Vermögen bilden, bleiben auf jeder Stufe der Kausalkette strit- verfassungsrechtlich der einen Schuldner tig; empirische Hinweise, dass Kapitalde- kann es keinen Anspruch auf Gleichbe- bzw. Investor findet. Die Erträgnisse aus den ckung einen Wachstumspfad auf höherem handlung über die Zeit hinweg geben. akkumulierten Vermögen müssen von den Niveau begründet,finden sich nicht. „ „„„ Eine solche Vorgabe würde jede Verände- ökonomisch Aktiven erwirtschaftet werden rung ausschließen. Die Angleichung der und sind Teile des laufenden Volkseinkom- .Literatur: Renten in den neuen Bundesländern an mens. Bäcker, G., ~0ch.A..Die Jungen als Verlierer? Alterssiche- das westdeutsche Niveau. die Anerken- Dabei ist nicht entscheidend. ob die älteren rung und Generationengerechtigkeit, in:WSI-Mittei- nung von Kindererziehungszeiten in der lungen 212003 Menschen ihre Ausgaben durch Renten fi- Schmähl, W. (2001,: Generationenkonflikte und,,Alters- Rentenversicherung oder die Einführung nanzieren, die im Umlageverfahren aufge- I~~~~~,~~:B~C~~~,I.IO~~,N.IROI~,G.(H~S~.),SOZ~~I~S~C~~- der Pflegeversicherung mit sofortigem bracht werden, oder durch Kapitalerträge rung in einer dynamischen Gesellschaft, Frankfurt, Ans~ruchsrechtder ersten Em~fänaerae-. oder die Auflösuna von Ka~ital.Beialeichem 176-203 nerationhätte es nicht geben dürfen, weil ~icherungsniveau~kommt'es kapi. Leisering~L.r(2000):~rRegeneration"desSozia1staats?Die Legitimationskrise der Gesetzlichen Rentenversiche- bestimmte Kohorten bessere oder talfundierten Systemen zu einer erhöhten runq aIsWechsel,,sozialstaatlicherGenerationen~~,in~ schlechtere Renditen realisieren. Anpassungslast späterer Kohorten: Deutsche Rentenversicherung 912000 Die WO-Verhandlungen in der Doha-Runde Von Sebastian Vollmer, Oliver Lindner, Torben Klant, Nils Hindersmann, Sven-Björn Wieduwilt, Jan Wagner

Politikerlnnen aus der EU kann nicht Diese Zielsetzung geht einher mit der Aufga- dem Standortkriterium der Erbringung und vorgeworfen werden,sie hätten keine Erfah- be der WTO, den weltweiten Handel mit Nutzung dieser Dienstleistungen. Dabei wird rung mit Deregulierungen, Liberalisierungen möglichst wenigen Hindernissen zu ermögli- zwischen vier wirtschaftlich relevanten Er- und Privatisierungen. lm Gegentei1:Seit vielen chen. Diese Aufgabe entspricht der neoklassi- bringungseinheiten (,,modes of supply") von Jahren ist dieser Dreiklang oftmals das domi- schen Aussenhandelstheorie, wonach der Dienstleistungen unterschieden: nierende,,RezeptU in vielfältigen Politikberei- weltweite Abbau von Handelshemmnissen Mode I- Erbringung einer Dienstleistung chen gewesen.Die Arbeitsmärkte wurden de- zu mehr Wachstum und damit zu mehr Wohl- durch eine Person oder eine Unternehmung reguliert, die Energiemärkte wurden liberali- stand führen würde. im Land Afür einen Kunden im Land B siert und große Staatsunternehmen wie in Mode 2- Erbringung einer Dienstleistung im Deutschland die Deutsche Bundesbahn oder Bedeutung des Dienstleistungssektors Land A bei gleichzeitiger Nutzung durch ei- die Deutsche Bundespost wurden privatisiert Dienstleistungennehmen offiziellen Messungen nen Dienstleistungsnachfrageraus dem Land und zu Aktiengesellschaften gewandelt. Für zufolge rund ein Fünftel des Welthandelsvolu- B (z.B.Tourismus) einevielzahl weiterer Sektoren und Unterneh- mensein.DiesistgemessenanderBedeutungdes Mode 3- Erbringung einer Dienstleistung men -national wie international- lässt sich die- Dienstleistungssektors in den einzelnenvolkswirt- durch einen Anbieter des Landes A im Land B se Aufzählung fortsetzen. schaftenvergleichsweisegering.DieserSektorhat über eine kommerzielle Präsenz (z.B. Dienst- Allen voran bei den Privatisierungen gab es in den letzten Jahrzehnten an ökonomischer Be leistungen von Bank-Filialen) katastrophale Misserfolge: Der Börsencrash deutung nicht nur in den Industrieländern,woer Mode 4- Erbringung einer Dienstleistung der Deutschen Telekomaktie und das Desas- knapp 2/3 des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus- durch einen Anbieter des Landes A im Land B ter mit der Umstrukturierung bei der Deut- macht,sondern auch in den Entwicklungsländern über die Präsenz natürlicher Personen im schen Bahn sind in ~eutschlandkeinem ver- gewonnen (ca. 38% in den ärmsten Ländern, in Land B (z.B. Buchprüfungs- und Beratungsar- borgen geblieben. den Ländern mit mittlerem Einkommen ca.56%). beiten) In Großbritannien brach durch eine Grippe- Wegen der aktuell hohen Handelsbeschränkun- Im Rahmen des GATS wird unterschieden welle im vorletzten Winter die Gesundheits- gen von Dienstleistungen versprechen sich die zwischen allgemeinen Pflichten und Diszipli- Versorgung zusammen. Und das unter Mag- Apologeten des Freihan- nen, die sich grund- gie Thatcher privatisierte Eisenbahnwesen dels durch Liberalisie sätzlich mit dem In- wurde wieder verstaatlicht. rungsschritte hohe Ziel des GATS ist die halt der Prinzipien Sozialdemokratische Politik hat es immer aus- Wohlfahrtsgewinne, die ,fortschreitende der WTO decken und gezeichnet,aus der Vergangenheit für die Zu- laut OECD überproporti- ,,automatisch" für alle kunftzu Lernen.Deshalb müssen auch diege- onal den Entwicklungs- Liberalisierung" sämtlicher Mitgliedstaaten und rade beschriebenen Erfahrungen in der EU- Iändern zu Gute kom- Dienstleistungssektoren '" GATS- Handelspolitik berücksichtigt werden. men werden. Realisti- Sektoren gelten - es scheristjedoch,dasseine der WTO-Mitgliedsstaaten". handelt sich dabei Das GATS in der WTO bloße Liberalisierungdie u.a. um das Meistbe- Im Rahmen der laufenden Verhandlungen im Arbeitsteilung zwischen günstigungsprinzip Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) hochwertiger Dienstleistungsproduktionim Nor- (Handelsvergünstigungen für ein Land müs- gilt dies besonders für das Abkommen zum den und geringerwertiger Produktion im Süden sen allen anderen WTO-Mitgliedern Dienstleistungshandel (GATS - General langfristigzementiert. ebenfalls zugestanden werden.) - ,und den Agreement on Trade in Services). Es wurde spezifischen Verpflichtungen,,Marktzugang" 1995 ins Leben gerufen und bildet neben Struktur des GATS (Keine quantitativen Handelsbeschränkun- dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkom- DasGATSerfasst- nach Artikel 1 Abs.1 GATS- gen (d.h. keine Beschränkungender Zahl der men (GATT) und dem Abkommen über Urhe- alle den Handel mit Dienstleistungen betref- Anbieter, des Umsatzes, der Stückzahlen berschutzrechte (TRIPS) eine der drei wesent- fenden Maßnahmen der Mitglieder. Diese etc.)) und ,,lnländerbehandlungn (In- und lichen Säulen des WTO-Vertragswerks. Mitglieder sind gemäß Artikel 1 Abs.3 GATS ausländische Anbieter müssen gleich be- Ziel des GATS ist die,,fortschreitende Liberali- zum einen diezentralen, regionalen und loka- handelt werden; es darf keine Vorzugsbe- sierung" sämtlicher Dienstleistungssektoren len Regierungen und Behörden und zum an- handlung von inländischen Anbietern ge- der WTO-Mitgliedsstaaten (zurzeit 146, 26 deren nichtstaatliche Stellen, die mit der Aus- ben.). Diese beiden spezifischen Verpflich- weitere Staaten -darunter Russland- haben Übung öffentlicher Aufgaben betreut sind. tungen sind nicht allgemein verbindlich, sich um einen Beitritt beworben). Das GATS gliedert die Dienstleistungen nach sondern sind Folge von Iänder- und fallwei- Sen Zugeständnissen. Diese Zugeständnisse sind in den sog. Listen der spezifischen Ver- pflichtungen (,,schedules of specific commit- Sebastian Vollmer, studiert Mathematiksowie Internationale Wirtschaft, ments") zusammengefasst.Wirdeine Dienst- Mitgliedim SPD-Bezirksvorstand Hannover leistung nicht in diese Liste aufgenommen, Oliver Lindner, studiert Volkswirtschaftslehre in Hamburg dann bleiben dievertragspartner frei, beste- Torben Klant, studiert Jura in Hannover,Juso-UB-Vorsitzender Hannover-Land hende Handelshemmnisse beizubehalten Nils Hindersmann,studiert Wirtschaftswissenschaften, Mitglied im Juso-Bezirksvorstand Hannover oder neu einzuführen. Aber auch hierbei Sven-Björn Wieduwilt, studiert Politik, Geschichte und Rechtswissenschaften, müssen allgemeine Prinzipien und Regeln Mitgliedim SGK-Landesvorstand Niedersachsen der WTO und des GATS eingehalten werden. Jan Wagner, arbeit am Lehrstuhl für allgemeine Wirtschaftspolitik an der Universität Kassel Im Hinblick auf das Meistbegünstigungs- prinzip enthält das GATS allerdings in Artikel ne autonom und immer wieder neu für ihre der Europäischen Union. Die Verhandlungen V wichtige Ausnahmen für regionale Inte- Bürgerlnnen entscheiden kann, wie sie die werden von der Europäischen Kommission grationsabkommen. lnsbesondere für die Erbringung regeln will. Öffentliche Güter geführt. Sie hat in folgenden Sektoren ande- Europäische Union hat diese Ausnahmere- müssen also grundsätzlich von internationa- ren Mitgliedsstaaten Angebote (offers) und gelung des GATS eine wichtige Bedeutung, len Liberalisierungsabkommen wie dem Forderungen (requests) unterbreitet: da sie verhindert,dass Vorteile des hohen Li- GATS ausgenommen werden. Forderungen der EU an Drittländer beralisierungsniveausinnerhalb des Europä- In allen anderen Bereichen muss eine soge- Die EU stellt an diverse Länder Liberalisie- ischen Binnenmarktes bedingungslos auch nannte Safeguard-Klausel eingeführt wer- rungsforderungen im Telekommunikations-, Drittstaaten außerhalb des EU gewährt wer- den, die eine kurzfristigen, zeitlich befriste- Finanz-,Transport- und Umweltsektor.Auch den müssten. ten Rücknahme von Zusagen unter be- im öffentliche Sektor,für den die EU selbst an stimmten Umständen ohne Kompensation einer Schutzklausel festhält, stellt die EU For- Änderung oder Rücknahme von Ver- ermöglicht. derungen zur Liberalisierung in den Berei- pflichtungen chen Kranken- und Pensionsversicherungen, Das GATS schreibt darüber hinaus eine Ver- Demokratisierung der Handelspolitik Bildung, Trinkwasserversorgung, Abwasser, pflichtungen zu weiteren Verhandlungen Im Vergleich zu anderen multilateralen Orga- MüII,Verkehr, Post, Energie und Telekommu- vor und besitzt damit einen eingebauten nisationen ist die WTO außerordentlich nikation. Flexibilisierungsmechanismus. Es ist ein in- durchsetzungsfähig.Zurückzuführen ist dies stitutioneller Rahmen, in dem sich die Ver- nicht zuletzt auf den effektiven Streitschlich- Forderungen von Drittländern an die EU tragsparteien zu weiteren Verhandlungen tungsmechanismus (DSU - Dispute Settle- Hier wird praktisch alles in Frage gestellt.An- verpflichten. ment Understanding).Sosehr dies auch Man- gefangen bei der generellen lnfragestellung Festgelegt ist diese Verpflichtung in Artikel chen begrüßenswert erscheint und wir die der bisher noch existierenden Schutzklausel XIX Abs.1 GATS. Dort heißt es:,,Entsprechend Vorteile von multilateralen gegenüber bilate- für öffentliche Dienstleistungen über Sub- den Zielen dieses Übereinkommens treten ralen Abkommen grundsätzlich begrüßen,so ventionen bis hin zu sehr expliziten Forde- die Mitglieder in aufeinander folgende Ver- sehr muss auch auf die Probleme des Multila- rungen in den heiklen Bereichen Bildung, handlungsrunden ein, die spätestens fünf teralismus im Rahmen der WTO hingewiesen Gesundheit,Trinkwasser, Schienen- und Stra- Jahre nach Inkrafttre- werden. Kleine -vor al- ßenverkehr, Energieversorgung, Post und ten des WTO-Überein- lem arme- Staaten be- audiovisuelle Dienstleistungen (Öffentlich- kommen~ beginnen ES ist ZU befürchten, dass sitzen keine ausrei- rechtliches Fernsehen und Radio).Besonders und danach regelmä- chenden Kapazitäten, interessant für den Fortgang der Verhand- Rig stattfinden, um die EU Zugeständnisse im um Verhandlungen lungen sind die Forderungen der Entwick- schrittweise einen hö- Bereich der öffentlichen auf gleicher Augenhö- lungsländer im Mode 4. heren Stand der Libe- he führen zu können. ralisierunq- ZU errei- Daseinsvorsorge macht um Die KomDlexität des Angebote der EU an Drittländer chen." einiae der eiaenen Verhandlunqsprozes- Die als sehr heikel anzusehenden Bereiche iI J Nach Artikel XXI GATS Ses verringert die Bildung, Gesundheit und Trinkwasserversor- kann eine Änderuna- Forderungen durchsetzen Tran„renz die gung sind vorerst aus den Angeboten der EU oder Rücknahme von ZU können. Expertise und Beteili- verschwunden. Der einzige - auch nicht un- Verpflichtungen gung von nationalen problematische - Bereich, in dem wesentli- frühestens nach Ab- Parlamenten (sowie che Zugeständnisse gemacht werden,ist der lauf von drei Jahren nach lnkrafttreten der dem EU-Parlament) ist stark ausbaufähig. Mode 4. Hier wird allen WTO Staaten eine entsprechenden Verpflichtung erfolgen. Er- HoheTransparenz und eine stärkere Demo- quasi uneingeschränkte Arbeitsmigration forderlich sind allerdings Kompensations- kratisierung ist vor allem deswegen so sinn- für hochqualifizierte Arbeitnehmerlnnen verhandlungen mit dem betroffenen Part- voll, weil insbesondere durch das GATS in (Universitätsabschluss oder vergleichbares) ner. Kommt zwischen den Vertragsparteien Handlungsrahmen und -spielräume auf nati- in die EU Staaten angeboten. keine Änderung zustande, wird ein Streit- onaler und regionaler Ebene konstitutiv ein- Es ist zu befürchten, dass die EU im Zuge der schlichtungsverfahren eingeleitet, dessen gegriffen wird. Verhandlungen bereit sein könnte, Zuge- Schlussfolgerungen verbindlich sind. Beach- Die WTO-Verhandlungen müssen von Be- ständnisse im Bereich der öffentlichen Da- tet ein Land die Empfehlungen des Berichtes ginn an auf ein breiteres Fundament gestellt seinsvorsorge (Bildung, Gesundheit, Trink- nicht, hat der betroffene Handelspartner das werden. Deshalb müssen nationale Parla- wasser) zu machen, um einige der eigenen Recht, Gegenmaßnahmen zu ergreifen und mente sowie föderale Strukturen entschei- Forderungen durchsetzen zu können. ,,im wesentlichen gleichwertige Vergünsti- dend sowie Nichtregierungsorganisationen Das Angebot an Entwicklungsländerzur Migration gungen" zurückzunehmen. (NGOs) und gewinnorientierte NGOs (BIN- hochqualifizierter Arbeitnehmerlnnen in die EU ist Der Artikel XXI GATS führt dazu, dass der GOS) beratend beteiligt werden. Für grundsätzlich in Ordnung,jedoch mussdaraufge GATS-Verhandlungsprozess und der erreichte Deutschland würde dies zum Beispiel auch achtet werden, dass es hierdurch nicht zu einem Verhandlungsstand de facto unumkehrbar die Einführung eines geeigneten Systems ,,Brain-Drain" in Entwicklungsländern kommt. sind, weil Rücknahmen der Liberalisierung der Ländermitwirkung bedeuten. Durch diezeitlicheBefristung der Migration,welche und Privatisierung gleichwertig kompensiert In diesem Zusammenhang ist der Parlaments- ein wesentliches Merkmal von Mode 4 ist, dürfte werden müssen. lnsbesondere - aber nicht vorbehalt,den der Deutsche Bundestag bzgl. dies aber ohnegrößere Probleme möglich sein. nur - für Entwicklungsländer könnten da- derWTO-Verhandlungenbeschlossen hat,aus- Aus entwicklungspolitischen Gesichtspunkten durch Problemeentstehen,wenn siefeststel- drücklich zu begrüßen. Damit ist nun aber sollte sogar darüber nachgedacht werden,auch len,dass bestimmte Maßnahmen für die Be- auch die Erwartung verbunden, dass er auch einezeitlich begrenzte Arbeitsmigration von ge völkerung Nachteile bedeuten. wirkungsvoll wahrgenommen wird. ring qualifizierten Arbeitskräften zuzulassen, da Die Entscheidungen über die Erbringung öf- diese zu einem,,Brain-Gain" in den Ländern des fentlicher Güter haben sowohl weltweit als Vertretung der Mitgliedsstaaten durch Südens beitragen könnte. Um Lohndumping zu auch überall in Deutschland nach den Prinzi- die EU verhindern, muss sichergestellt werden,dassfür pien der Demokratie und Subsidiarität zu er- Die Zuständigkeit für die Verhandlungen diese Arbeitsmigrantinnen die Anforderungen folgen,so dass jedes Land und jede Kommu- liegt nach Artikel 133 des EG-Vertrages bei an Entlohnung,soziale Absicherung und Sicher- heit am Arbeitsplatz den europäischen Regelun- Subventionsabbau bei Agrarprodukten in ten Probleme haben bei Entwicklungslän- gen entspricht,im InteressedieserArbeitnehmer, Industrieländern einhergehen. Umgekehrt dern oberste Priorität, zudem wurde ihnen aber auch im Lohndumping zu verhoindern. sollte auf weitere Marktöffnungen in Ent- diese bereits in der Doha-Ministererklärung wicklungsländern für Agrarprodukte des zugesichert. Auch das Prinzip des ,,Special Die WTO nach Cancun - Eine echte Ent- Nordens verzichtet werden. Die Weigerung and differential Treatment", das Entwick- wicklungsrunde? der Industrieländer,in der Frage des Subven- lungsländern aufgrund der ökonomischen Vom 1 1 .- 14.09.2003 fand in Cancun (Mexi- tionsabbaus den Entwicklungsländern ent- Ungleichgewichte zwischen Nord und Süd ko) die 5. WTO-Ministerkonferenz statt. Auf- gegenzukommen, war ein weiterer Grund eine Sonderbehandlung zusichert, genießt gabe dieser zwei Jahre nach Doha stattfin- für das Scheitern. bei den Entwicklungsländern hohe Priorität denden Koferenz war, zur Halbzeit der Ver- und wurde in der Praxis der WTO zuneh- handlungsrunde - der sogenannten Ent- G22 mend verwässert. wicklungsrunde - eine Zwischenbilanz zu Das Ungewöhnliche an dieser Ministerkon- Damit die Doha-Runde wirklich noch zur Ent- ziehen. Die Konferenz wurde ohne Ergebnis ferenz war das Agieren der Entwicklungs- wicklungsrunde werden kann, muss auch ein beendet und ist als gescheitert zu betrach- und Schwellenländer.Diese Länder,die sich Schwerpunkt auf solcheThemen gelegt werden, ten. Folgende Gründe sind zu nennen: in der Gruppe der G22 zusammengeschlos- die ein wirkliches Anliegen für Entwicklungslän- Singapur-Themen Sen hatten,agierten bis zum Ende der Konfe- der sind.Daher müssen dieThemen Implemen- Unter Singapur-Themen versteht man die renz gemeinsam - trotz ihrer Heterogenität tierung und Special and differential Treatment Themen: Investitionsschutz, Wettbewerb, öf- zum Beispiel in der Agrarpolitik. von den Industrieländern ernsthaft berücksich- fentliches Beschaffungswesen und Handels- Insbesondere deren Heterogenität war es, tigt werden.Und Entwicklungsländermuss es zu- erleichterungen. In Doha wurde beschlos- die dazu führte,daß die Industriestaaten die- künftig einfacher möglich sein,ihreThemen auf sen, dass diese Themen der politischen se Gruppe unterschätzten. die Verhandlungsagenda zu setzen. Keinesfalls Agenda hinzugefügt werden, wenn hierfür Die Verhandlungsrunde ist damit nicht be- dürfen dieseThemen dazu benutzt werden, um in Cancun ein expliziter Konsens gefunden endet - es handelte sich schIießlich,,nur" um von ihnen Zugeständnisse in anderen Bereichen werden kann. die Halbzeitbewertung. Die Verhandlungen zu erpressen. Die Frage der Handelserleichterungen durch sollen erst einmal auf Arbeitsebene fortge- Im Streitfall sind Entwicklungsländer wegen Bürokratieabbau ist wenig strittig, aber setzt werden. Grundlage hierfür dürfte der hoher Verfahrenskosten sowie teilweise bereits die Frage nach einer Mindesttranspa- zuletzt in Cancun erreichte Verhandlungs- mangelnder Sachkompetenz oft nicht in der renz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge stand werden, hinter den die Mitgliedstaa- Lage, ihr Recht durchzusetzen, da ihnen stellt Entwicklungsländer vor ernsthafte Pro- ten der WTO -zumindest theoretisch - nicht hierfür die notwendigen personellen und fi- bleme. Höchst kritisch sind die Fragen Inves- mehr zurückfallen können. nanziellen Kapazitäten fehlen. Diesen Man- titionsschutz und Wettbewerb. Investitions- Bereits diese Themen zeigen das Ungleich- gel gilt es zu beseitigen. Im Hinblick hierauf schutz und Wettbewerb dienen nur dem In- gewicht der sogenannten ,,Doha-Entwick- könnte das Auftreten der,,Gruppe 22" eine - teresse weniger transnationaler Konzerne, lungsrunde". Diese teilweise - Abhilfe denen dadurch der Zugang sowie die Entwicklung zeigt schaffen. Die Bildung Durchsetzung auf den Märkten von Entwick- sich aber auch am sei- Im Streitfall sind der Gruppe erfolgte lungsländern gesichert werden. Dies würde spiel der GATS-Ver- nicht nur zur Durch- den Lebensstandard in Europäischen Union handlungen: Entwicklungsländer wegen setzung von Positio- und anderen Industrieländern keineswegs Entgegen dem allge- nen und Forderun- erhöhen, für die ökonomische Entwicklung meinen Titel, den die hoher Verfahrenskosten aen aeaenüber der des Südens wären solche Umstände jedoch ~oha-verhandlunas- sowie teilweise manaeln- EU und den USA; sie - -I fatal. Direktinvestitionen bedeuten zwar ei- runde trägt, wurden erfolgte auch zur ge- nen kurzfristigen Zufluss von Kapital, damit an Entwicklunaslän-., der Sachkompetenz oft meinsamen inhaltli. geht aber mittelfristig auch ein Rückfluss dern sowohl quaiita- nicht in der Lase, ihr Recht chen Vorbereitung von Gewinnen einher. Es ist unstrittig, dass tiv als auch quantita- der Konferenz,da die- ökonomische Entwicklung bis zu einem ge- tiv ungleich mehr re- durchzusetzen. se Vorbereitung wissen Niveau lnvestitionsschutz sowie quest gestellt als ih- durch einzelne Staa- Schutz inländischer Unternehmen vor zu nen umgekehrt offers ten kaum möglich starkem Wettbewerb erfordert. unterbreitet wurden. Von den 29 ärmsten gewesen wäre.Allerdings bedarf es nicht nur Die Politik der Europäische Union im Vorfeld Ländern wurden alle 29 aufgefordert, den der Hoffnung auf die Selbstorganisation der und während der Konferenz zielte - obwohl Telekommunikations-, 20 den Finanz-, 17 Entwicklungs- und Schwellenländer. Die EU der Widerstand der Entwicklungsländer be- den Transport- und 7 den Umweltsektor zu ist aufgefordert, sich für eine Stärkung der kannt war - darauf ab, bei allen vier Singa- öffnen. Dies Iässt den Schluss zu, dass eine personellen und finanziellen Kapazitäten pur-Themen dieVerhandlungen zu eröffnen. sehr unilateralen Herangehensweise an die der Entwicklungsländer einzusetzen und sie Erst am Ende der Konferenz war die Europäi- GATS-Verhandlungen stattfindet und der Ti- beim Aufbau entsprechender Kapazitäten sche Union bereit,ihr angestrebtesverhand- tel Entwicklungsrunde zu reiner Rhetorik politisch, personell, finanziell und administ- lungspaket aufzuschnüren und die Forde- verkommt. rativ zu unterstützen. rung nach Aufnahme der Verhandlungen Auch in anderen Sektoren haben die Ent- über lnvestitionssicherheit und Wettbe- wicklungsländer bereits im Vorfeld der Mi- MenschenrechtWasser werbspolitik aus dem Paket zu nehmen. nisterkonferenz von Seattle auf Probleme Wasser wird ist der wichtigste Rohstoff der bei der Umsetzung von WTO-Verpflichtun- Zukunft. Laut den Aussagen der Weltbank Agrarsubventionen gen sowie strukturelle Unausgewogenhei- wird es aufgrund der begrenzten Vorräte zum Die Öffnung der Agrarmärkte in Industrie- ten hingewiesen. Sie haben etwa hundert ,,Erdöl des 21. Jahrhunderts" werden und Iändern für die Produkte aus Entwicklungs- Bereiche genannt, in denen sie ihren Ver- könnte ähnliche Konflikte auslösen. Dabei ländern ist für deren wirtschaftliche Ent- pflichtungen nicht nachkommen konnten stellt die Gewährleistungdes Zugangs zu sau- wicklung wünschenswert. Damit eine solche oder Industrieländer Zusagen nicht einge- berem Trinkwasser in den Entwicklungslän- Öffnung auch faktisch und nicht nur formell halten hatten. Eine Lösung dieser unter dem dern die Herausforderungder nächsten Jahre stattfinden kann, muss damit ein verstärkter Oberbegriff ,,Implementierung" subsumier- dar.,,Täglich sterben 6000 Kinder an Krankhei- ten, die auf verschmutztes Trinkwasser zu- dienstleistungen" auf. Bislang waren darunter lisierung der Trinkwasserversorgung in Ent- rückzuführen sind. 2,2 Millionen Kinder ster- Abwasserbeseitigung und sanitäre Anlagen wicklungsländern, sondern auch an einer ben jährlich, weil die Versorgung unzurei- zu verstehen, der Trinkwasserbereich war Öffnung des europäischen Binnenmarktes. chend ist. 1,2 Milliarden Menschen haben kei- nicht enthalten. Der Umweltsektor soll nun Ähnliche Äußerungen gibt es auch von dem nen Zugang zu sauberem Trinkwasser." aber weiter differenziert werden durch den für Binnenmarkt zuständigen EU-Kommissar (Wieczorek-Zeul) Um dieses Problem zu Iö- Teilsektor,,Wasser für den menschlichen Ge- Bolkestein. Und auch in offiziellen Doku- Sen, sind große finanzielle Investitionen erfor- brauch und Abwassermanagement". Dies ist menten der Europäischen Kommission ist derlich.,,Die Weltbank hat errechnet,dassjähr- einVorstoß,um eine Liberalisierung desTrink- diese Forderungen - zumindest zwischen lich 180 Milliarden Dollar investiert werden wasserbereiches weitreichend voranzutrei- den Zeilen - enthalten. müssen, um das Millenniumsziel im Wasser- ben, deren Nutznießer auf deutscher Seite Anzumerken ist,dass es einen Privatisierungs- Sektor zu erreichen.Tatsächlich werden jähr- Wasserkonzerne wie RWE-Thames Water, Prozess in der Wasserversorgung schon heu- lich etwa 80 Milliarden Dollar dafür aufge- AquaMundo, die E.ON-Tochter Gelsenwasser te gibt. Private Energieversorgungsunterneh- wendet. Das heißt, es existiert eine Investiti- oder Berlinwasser International wären. men und dieTochterunternehmen großer in- onslücke von 100 Milliarden." (Wieczorek- Sollte es im Zuge der Verhandlungen zu ei- ternationaler Konzerne bauen ihre wirtschaft- Zeul) Angesichts dieser Situation kommt dem ner Liberalisierung der Wasserversorgung in liche Betätigung auf dem,,deutschen Wasser- Dienstleistungsbereich ,,Wasseru schon jetzt den Entwicklungsländern kommen, ist si- markt" durch Aufkäufe oder Beteiligungenan eine große Bedeutung zu. cherzustellen, dass in den betroffenen Län- kommunalen Unternehmen kontinuierlich In einem Dokument vom 01 .Juli 2002, in dem dern Regulierungen im Hinblickauf Ressour- aus. Die finanzielle Situation der Kommunen die EU ihre Marktöffnungsforderungen an censchutz, Preisobergrenzen,Qualitätsstan- trägt dazu bei,dass diese sich von,,ihrerUWas- 109 Handelspartner übermittelt, fordert sie dards, Mindestanforderungen für Instand- serversorgung trennen und diese - mit dem von 72 Staaten, dass sie ihre Wasserversor- haltungsinvestitionen und den Anschluss Ziel, einen Beitrag zur Haushaltssanierung zu gung liberalisieren, ausländischen Wasser- der ländlichen Regionen geschaffen werden. leisten -verkaufen. konzernen Zugang verschaffen und diese wie Hierfür muss den betreffenden Staaten sei- Diese Entwicklung kann nicht ignoriert wer- die lokalen Unternehmen behandeln. Diese tens der EU und ihren Mitgliedstaaten politi- den. Es ist aber daran festzuhaken, dass die Forderungen werden gestellt, obwohl die sche und administrative Unterstützung zur Kommunen auch zukünftig - im Rahmen Aufnahme der Trinkwasserversorgungin die Verfügung gestellt werden. der Leistungen der Daseinsvorsorge - die GATS-Klassifikationbisher keine Zustimmung Nach einer offiziellen Verlautbarung des Verantwortung für die Daseinsvorsorgetra- der WTO-Mitglieder gefunden hat. In der bis- Handelskommissars Pascal Lamy hat die EU gen sollen. Und es ist sicherzustellen, dass herigen Klassifikation des GATS tauchen Was- in der momentanen Verhandlungsrunde des der kommunale Einfluss aufrechterhalten serdienstleistungen im Sektor ,,Umwelt- GATS nicht nur ein lnteresse an einer Libera- bleibt. SDW 4 12003

analysen, fakten & argumente knstiiuifur sozial-Okologische wirtschaftsforschung e V

Caniad 5rhuhler Der "Umbau des Sozialstaats" entpuppt sich als eine gewaltige DIE DEMONTAGE Umverteilung von Unten nach des Sozialstaats Oben. Wer sich zu neoliberalen Agenda 2010, Hodz, Rürup und dieFolgen ~ ~~--.~ Bedingungen als nicht "beschäf- tigungsfähig" erweist, hat von

der Gesellschaft nichts mehr zu leid der stödie und Gern erwarten.

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tell-Telefon: (030) 2 55 94-13 ~?'i:Y~~i~ Il-Fax: (030) 2 55 94-1 : [email protected] Global Action for Peace - IUSY-Festival2003

Von Thilo Scholle

,,Global Action for PeaceU:Unterdie- Vielfalt an Themen diskutiert. Während man NGO ,,Focus on the Global South" auf das sem Motto fand das Festival der Internatio- sich im Students Tent beispielsweise mit der Problem der ungleichen globalen Verteilung nal Union of Socialist Youth (IUSY) vom 23. Kommerzialisierung von Bildung auseinan- von Reichtum und der Rolle der internatio- bis 29. Juli 2003 im griechischen Kamena dersetzte, wurde im ECOSY Tent unter ande- nalen Finanz-Institutionen hin, während Vourla statt. Knapp 8.000 Jungsozialistlnnen rem dieOst-Erweiterung der EU und derver- Branislav Canak, ein Gewerkschafter aus Ser- und junge Sozialdemokratlnnen aus aller fassungskonvent behandelt. Nicht nur im bien, auf demselben Podium die Schwierig- Welt bevölkerten für eine Woche eine große Women'sTent,das nur vormittags für männli- keiten der Umstellung von ehemals staatlich Zeltstadt etwa drei Busstunden nördlich von che Genossen offen stand, wurden Aspekte gelenkten Gewerkschaften auf eine unab- Athen, die unter hohem finanziellen Auf- von Gender Equality kontrovers diskutiert. hängige lnteressenvertretung ihrer Mitglie- wand von der griechischen Partnerorganisa- Die Jusos haben sich an der Vorbereitung der darstellte. und Durchfüh- Die Durchsetzung von Demokratie und rung von über Menschenrechten und der Kampf gegen zehn Workshops Unterdrückung standen im Mittelpunkt der und Seminaren Konferenz zur ,,Demokratieu. Prominente beteiligt, Gäste waren hier unter anderem die südafri- darunter Lö- kanische Außenministerin Nkosazana Dla- sungsvorschlä- mini Zuma und der ehemalige dänische Mi- ge für die Ent- nisterpräsident Poul Nyrup Rasmussen. schuldung von In der Konferenz zum Thema,,GlobaI Gover- Entwicklungs- nance for Peace" hingegen waren sich Susan ländern ge- George, Vize-Präsidentin von attac Frank- macht, über die reich, und Felipe Gonzales,der frühere spani- Zukunft der UN sche Ministerpräsident und Mitbegründer nachgedacht seiner Partei nach der Franco-Diktatur,darin und eine Strate- einig, dass das neoliberale Modell von Glo- gie für das Auf- balisierung ökonomisch falsch ist. George treten der IUSY schlug daher neben einer Reform oder Ab- auf der anste- schaffung der internationalen Finanzinstitu- henden WTO- tionen einen weltweiten Kampf für ein an Ministerkonfe- den europäischen Erfahrungen anknüpfen- renz in Cancun des Sozialstaatsmodellvor. entwickelt. Auch In der abschließenden Konferenz zur .Zu- tion der Jusos,der Neoleia PASOK, bereitge- darüber hinaus waren die weltweit zu erwar- kunft des Sozialismus" sprachen neben stellt worden war. Dabei waren die Auswir- tenden Auswirkungen des in Cancun zu ver- Gonzales u.a. der griechische Ministerprä- kungen der weltweiten wirtschaftlichen Kri- handelnden GATS-Abkommens Thema, wie sident Kostas Simitis und der Generalsekre- se auf die IUSY-Mitgliedsorganisationen sich am Beispiel der Liberalisierung im Be- tär der Sozialistischen Internationalen Luis durchaus zu spüren. So war beispielsweise reich der Daseinsfürsorge wie der Wasser- Ayala. die argentinische Delegation, sonst eine der versorgung zeigte. Die Jusos befinden sich teilnehmerlnnenstärksten, auf unter 20 Per- daher in guter Gemeinschaft, wenn sie Das Pulverfass Nahost sonen geschrumpft. Dafür kam nicht zuletzt ebenso wie die IUSY im Rahmen einer GATS- WichtigesThema auf dem Festival war die Si- aufgrund der geographischen Lage des Kampagne den Stopp weiterer Privatisierun- tuation im Nahen 0sten.So stritten die israe- diesjährigen Festivals erstmals ein Großteil gen öffentlicher Dienstleistungen fordern. lischen Delegationen von der Jugendorga- der Teilnehmerlnnen aus den Staaten des nisation der Arbeitspartei und von der Me- Balkan sowie aus Mittel- und Osteuropa. Neue Aspekte zu klassischen Themen retz-Partei mit der palästinensischen Fateh- Trotz der durch die Entfernung erschwerten In den etwas kühleren Abendstunden konn- Jugend nicht nurfür alle durch ihre National- Anreise blieben die Jusos ihrerTradition treu ten auf gutbesuchten Konferenzen sozialde- flaggen sichtbar in den Workshops, sondern und stellten mit etwa 350 Teilnehmerln- mokratische und sozialistische Politiker- auch lautstarkauf der KonferenzzumThema nenneben den Genossinnen und Genossen innen und Politikern aus allenTeilen der Welt ,,Friedenu. Als Teilnehmer diskutierten dort aus Italien und Rumänien eine der stärksten ihre Sicht zu klassischen sozialdemokrati- u.a. der israelische Labour-Vorsitzende Delegationen. schen Themen wie Gleichheit, Demokratie, Shimon Peres sowie Farouk Kadoumi, Leiter Global Governance und der Zukunft des So- der politischen Abteilung der PLO. Das IUSY- Hitzige Diskussionen unter mediterraner zialismus äußern. Welche unterschiedlichen Festival als Bühne für neue Vorschläge für ei- Sonne Aspekte von den jeweiligen Konzepten ab- nen Weg zum Frieden vermochte keiner der Vormittags und nachmittags,also außerhalb geleitet werden, zeigte sich beispielsweise beiden Diskutanten zu nutzen. Der Schwer- der ärgsten Hitze, wurde in zehn thematisch an der Diskussion zum Thema ,,Gleichheitn. punkt beider Wortbeiträge lag eher darauf gegliederten Workshop-Zelten eine große So wies Walden Bello von der thailändischen aufzuzeigen, dass die jeweils andere Seite Schuld an der momentanen Lage habe. Immerhin begann Shimon Peres sein State- ment mit einem klaren Bekenntnis zu einem Thilo Scholle lebt in Unna künftigen palästinensischen Staat, der in INTERNATIONALE POLITIK

Frieden mit Israel existieren solle. Auch in chen Rahmenbedingungen in den verschie- Anspruch jedes IUSY-Festivals sollte sein, diesem Bereich taten sich die Jusos jedoch denen Ländern, die die IUSY umfasst, kaum den Dialog zwischen Jungsozialistlnnen durch aktive und konstruktive Beiträge anders sein. Hauptbezugspunkt ihrer politi- weltweit zu fördern. Dieses sollte nicht nur hervor, da es dem von den Jusos, der Fateh- schen Identität scheint für manche Organi- im Sinne eines interessierten Gedanken- Jugend und der israelischen Arbeitsjugend sationen, insbesondere aus Osteuropa, aber austausches, sondern vor allem auch mit gemeinsam getragenen Willy-Brandt-Zen- manchmal eher ihr Nationalstaat und nicht dem Ziel geschehen, gemeinsame Ansätze trum in Jerusalem gelang,auf insgesamt drei so sehr sozialdemokratische oder sozialisti- zur Lösung aktueller Probleme (z. B. dem Workshops die aktuellen Probleme mit bei- sche Überzeugungen zu sein. Es bleibt des- Umgang mit der WTO, Reform der interna- den Seiten gemeinsam zu diskutieren. halb für die IUSY wichtig, einen intensiven tionalen Finanzinstitutionen und Frieden Dialog mit den Mitgliedsorganisationen im Nahen Osten) zu finden. Daneben sollte Deutsche Geschiche in Nahost über die Basics jungsozialistischer politi- die gesamte Bandbreite der Festival-Akti- Das IUSY-Festival fand in direkter Nähe zum scher Orientierung zu Führen. Die IUSY kann vitäten - internationale Diskussionen, De- Dorf Distomo statt, in dem die deutsche und soll nicht ideologischer,,Tugendwäch- monstrationen, Feten - den Teilnehmerln- Wehrmacht während des 2. Weltkriegs ein ter" der Mitgliedsverbände sein. Eine Ver- nen einen Motivationsschub zur weiteren schweres Massaker unter der Zivilbevölke- ständigung über das kleine Einmaleins der Arbeit dann wieder in den jeweiligen Mit- rung angerichtet hat. Vor kurzen erreichte gemeinsamen politischen Überzeugungen gliedsorganisationen bieten. Dafür ist es Distomo wieder Aufmerksamkeit, weil die ist aber nötig. jedoch hilfreich, wenn die Workshop-Zelte Opfer vor dem Bundesgerichtshof für eine Interessant könnte in dieser Hinsicht sein, integraler Bestandteil des Festivalgelän- Entschädigung stritten.Die Jusos nutzen das den Mitgliedsverbänden auf dem Festival des sind und nicht wie in Kamena Vourla Festival zu einer Gedenkfahrt. In Distomo traf mehr Raum zur Präsentationvon eigener Or- abgeschieden am Rande des Geländes lie- die 50köpfige Delegation u.a. mit dem PA- ganisation und aktuellen politischen gen. SOK-Bürgermeister zusammen, und legte Schwerpunkten zu bieten. Eine solche insti- Die trotz der extremen Hitze und des locken- Blumen an der Gedenkstätte nieder. tutionalisierte Möglichkeit zur Information den Strands engagierte Beteiligung vieler fehlt bislang, und käme auch einem verbrei- Jusos an den Workshops, das geschlossene Das Fazit teten Interesse der Mitglieder der deutschen Auftreten bei der Demo und der Abschluss- Gezeigt hat sich auf dem Festival wieder die Festival-Delegation entgegen. Geschehen zeremonie sowie viele Begegnungen an den große inhaltliche Heterogenität der Mit- könnte dies durch einen,,Tag derverbände" Bars und auf dem Festivalgelande bezeugen, gliedsorganisationen der IUSY. Dies kann bei mittels Präsentationen in den Workshops- dass das IUSY-Festival 2003 diesem An- der Unterschiedlichkeit der jeweiligen politi- Zelten oder durch Info-Stände auf dem Ge- spruch - wenn auch mit Abstrichen - ge- schen, wirtschaftlichen und gesellschaftli- lände. recht geworden ist. S~W4/2003

Franz Nuscheler, Doyen der deutschen Entwicklungs- und Friedens- politik, feiert in diesem Jahr seinen 65. Geburtstag. Mit der vorliegen- den Festschrij wird er von Wegbegleitern aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellscha$ mit persönlichen und wissenschaftlichen Bei- trägenfir sein Werk und sein Engagement geehrt.

Thomas Fues 1 Jochen Hippler (Hg.) ) M& tiid-tfn kritischen Beiträden I zu den aktuellen wltpolitischen Globale Politik &wicklu n#n uiid ihren &nsequlonien Pr die Reeiiisie- Entwicklung und Frieden iliif~~tl Gfobu'I balewrriilrt@,für in der Weltgesellschaft nahhakige EnUutickIung, Festschrift für Franz Nuscheler fuitd/icb~KanfxilstlQrun$-en und interkulturelle Dlaiöge. 400 Seiten geb. mit Schutzumschlag Euro 19,80 ISBN 3-8012-0339-5

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Verlag J.H.W. Dietz N 9Dreizehnmorgenweg 24 - 53175 Bonn D www.dietz-verlag.de - e-mail: info@dietz- Der palästinensische

ff Dritte Weg" Von lnken Wiese

Vielleicht nicht zum letzten Mal Abgeordneten lbrahim Daqqaq und dem wird Jassir Arafat im September eine Umbil- kürzlich verstorbenen US-palästinensi- dung des Kabinetts veranlasst haben. Und schen Professor Edward Said. In Saids Wor- wohl nicht zum letzten Mal wird dies ohne ten, die in der gesamten arabischen Welt die Möglichkeit des palästinensischen Vol- großen Einfluss besitzen,stellt Al-Mubada- kes, über einen solchen Schritt mitentschei- ra ,,eine Vision von Frieden mit Gerechtig- den zu können, geschehen sein. Denn der keit, Koexistinenz und - extrem wichtig - Zeitpunkt der längst überfälligen Wahlen, säkularer Sozialdemokratie für unser Volk, ursprünglich angekündigt für Januar 2003, die einzigartig in der palästinensischen Ge- steht angesichts der derzeitigen Eskalation schichte ist" dar (Al-Ahram Weekly, des Konflikts mehr denn je in den Sternen. 11.7.2002). Resignation ob der Zustände im Nahen Os- Entstanden und genährt aus den wach- Dr.Mustafa Barghouthi ten macht sich deshalb aber nicht nur bei senden Forderungen der Bevölkerung, am den westlichen Geberländer breit, sondern Prozess des ,,nation-building" und damit houthi, nicht nur die Verhandlungsstrategie vor allem unter den Betroffenen selbst - Pa- an der Bildung eines unabhängigen und der israelischen Regierung unterminieren, lästinensern wie Israelis.Vor diesem Hinter- lebensfähigen palästinensischen Staates sondern auch das Ausmaß der Verschlep- grund weckt die vor einem Jahr gegründe- beteiligt zu sein, ist der konkrete Wir- pung der internen Reformen durch die Pa- te Bewegung,,Palestinian National Initiati- kungsgrad der PNI aber nur schwer zu be- Iästinensische Autonomiebehörde zu Tage ve" (kurz: PNI oder auch Al-Mubadara/Die stimmen. Aktiv unterstützt wird sie derzeit, fördern. Initiative) einen kleinen demokratischen außer von den ausländischen Stiftungen Hoffnungsschimmer. Unter Israelis so gut in Palästina, vor allem von Angehörigen Eine einheitliche nationale Führung wie gar nicht bekannt und unter Palästi- der palästinensischen Mittelschicht und Um nicht nur einer weiteren Schwächung nensern nur in bestimmten Schichten pro- der säkularen Intelligenz. Besonders durch dieser palästinensischen demokratischen minent, wird die Bewegung jedoch im Aus- die Aktivitäten des von Mustafa Barg- Öffentlichkeit entgegenzutreten, sondern land mit großem Interesse verfolgt und von houthi geleiteten UPMRC, der die medizi- vor allem auch um eine weitere Spaltung hiesigen zivilgesellschaftlichen wie politi- nische Versorgung von über einer Million der Gesellschaft zu verhindern, setzt sich schen Akteuren umworben. Je nach Aus- Palästinenserinnen und Palästinenser si- Al-Mubadara vornehmlich für die Bildung richtung, wird sie mal als sozialdemokra- cherstellt, macht sie indirekt einen weitaus einer nationalen Einheitsführung, also für tisch, mal als liberal, mal als undoktrinär be- größeren Personenkreis für die Bewegung eine Einbindung der islamistischen Akteure zeichnet. Um also nicht überzogenen Er- empfänglich. in den politischen Prozess, ein. Nur so kann wartungen zum Opfer zu fallen, wie im Fall Mustafa Barghouthi ist auch der Hauptpro- nach Einschätzung Barghouthis und der des nach nur wenigen Monaten im Amt zu- tagonist der Bewegung. Der smarte 49jähri- PNI ein lebensfähiger souveräner Staat Pa- rückgetretenen palästinensischen Premier- ge Alt-Kommunist, der ursprünglich in der lästina geschaffen werden, der wiederum ministers Mahmud Abbas geschehen, soll Sowjetunion zum Arzt ausgebildet worden die Grundlage dafür darstellt, dass die von im Folgenden kurz beleuchtet werden, wie war und später in Stanford ein MBA dazu er- ihr propagierte säkulare und demokrati- realistisch die Hoffnungen sind, die unter warb, fungiert als Generalsekretär der PNI. sche Option eines Tages mehrheitsfähig anderem die deutsche Sozialdemokratie in Nach seinen Worten, die sich im Detail auf wird. Barghouthi erwartet sich von der Ein- die PNI setzt. der Website der Organisation (www.almuba bindung aller Gruppen in den politischen dara.org) nachlesen lassen, will sie eine,,Drit- Prozess die Mäßigung der radikalen Kräfte Eine,,Dritte Alternative":Zwischen Arafat te Alternative, ein Dritter Weg" sein. AI-Mud- wie Hamas und islamischer Dschihad, da und islamistischen Extremisten abara möchte damit denjenigen Teil der Be- auch sie gezwungen wären,sich dem mehr- Gegründet wurde,,Al-Mubadarar',wie sie in völkerung repräsentieren,der in der auslän- heitlichen Willen des Volkes zu unterwer- Palästina und in arabischsprachigen Zei- dischen öffentliche Meinung, also vor allem fen. Zwar kann auch für Barghouthi eine tungen gemeinhin genannt wird,am 6.Juni in der israelischen und der US-amerikani- solche geeinte Führung nur eine Interims- 2002 von namhaften Vertretern der palästi- schen, unrechtmäßigerweise nicht wahrge- lösung zur Vorbereitung wirklich demokra- nensischen Gesellschaft und Politik. Unter- nommen wird,weil sie nicht der stereotypen tischer Wahlen sein, doch sind seine Erwar- zeichnet wurde der Aufruf von Mustafa Kategorisierung in die korrupte Nationalau- tungen an sie hoch. Er erhofft sich ,,...eine Barghouthi aus Ramallah, Direktor der tonomie Arafats einerseits und gewaltberei- Führung, die uns mit einem Minimum an größten palästinensischen Erste-Hilfe-Or- te lslamisten andererseits entspricht. Die An- Koordinierung und Aussöhnung versieht ganisation UPMRC, von Haidar Abdel-Shafi erkennung der - empirisch nachweisbar und unserem VolkVision, Führung und Ori- aus Ghaza, der sich weiten Respekt durch durchaus nicht unwesentlichen - Gruppe entierung, die uns so lange fehlte, anbietet'' seine Rolle bei den Verhandlungen in Bar- von Befürwortern einer demokratischen (,,Ein Ort für unseren Traum", Palästina Jour- celona verschafft hatte, dem Jerusalemer und säkularen Alternative würde, so Barg- nal 53/54,S.7).

Sozialdemokratische Visionen Dabei mangelt es Al-Mubadara nicht an ei- lnken Wiese (28), Internationale Sekretärin der Jusos und lslamwissenschaftlerin, lebt in Berlin ner praktischen, wenn auch ambitionierten politischen Agenda. Neben ihren Forderun- Al-Mubadara als Hoffnungsträger und jungen palästinensische Gesellschaft gen an die israelische Seite nach einem mögliche Führungskräfte eines friedlichen daraus eine aktive und starke Jugendorga- souveränen und unabhängigen Staat in und demokratischen Neuanfangs nicht nisation entwachsen möge, bleibt den Grenzen von 1967 mit Jerusalem als nur weiterhin im Auge behalten werden, hoffentlich nicht nur ein frommer Wunsch. seiner Hauptstadt und der prinzipiellen An- sondern auch weiterhin die größtmögli- Die geplanten flächendeckenden ver- erkennung des Rückkehrrechts palästinen- che Unterstützung aus dem In- und Aus- bandsinternen Wahlen auf allen Gliede- sischer Flüchtlinge gibt es konkrete Forde- land erhalten. rungsebenen in den kommenden Monaten rungen an die palästinensische Führung. geben berechtigten Anlas zur Hoffnung:Sie Nicht nur die Etablierung einer unabhängi- Auch Jusos leisten einen Beitrag wären nicht nur ein Stück gelebte Demo- gen Justiz und damit eine Durchsetzung Die Jusos haben mit ihrem Beitrag schon kratie in Palästina,sondern sollen die Bewe- der Gewaltenteilung sowie die Verstärkung begonnen: So informierten sie Vertreter- gung rechtzeitig vor den nationalen Wah- des Kampfes gegen die Korruption stehen innen und Vertreter des Jugendsektors von len mit einer legitimierten Führung verse- auf der Agenda, sondern auch sozialdemo- Al-Mubadara in einem einwöchigen Semi- hen und damit ihren Forderungen nach in- kratische Kernanliegen wie die Errichtung nar in Berlin über die deutschen jugendver- nerpalästinensischen Demokratie Nach- eines wohlfahrtsstaatlichen Gesundheits- bandlichen Strukturen und über innerpar- druck verleihen. Ein erster Schritt auf einem Systems und eines allgemeinen und refor- teiliche Demokratie. Dass angesichts der noch langen und steinigen Weg. „ 4,„03 mierten Bildungs- und Erziehungssystems. Diese Aufgaben,die man zwar in Kooperati- on mit ausländischen Organisationen und Institutionen, auf keinen Fall aber unter ih- €/NE FEH f T NOCH: 0 Ynrmin. Sie wurde abgerrhoben. rer Führung, angehen müsse, stellen nach ...... mm "*."-.M ,-mz Ansicht Mustafa Barghouthis nicht nur ei- nen wichtigen Schritt auf dem Weg zur längst überfälligen politischen Selbstbe- stimmung dar. Er erwartet sich auch geradezu ,,emanzipatorische soziale und entwicklungspolitische Auswirkungen" für die gesamte Bevölkerung von ihnen.

Begrenzte Chancen der PNI als Partei - noch! An Rhetorik wie dieser lässt sich manchmal noch die kommunistische Schule ablesen, die Barghouthi durchlaufen hat. Dass er auch weiterhin Vorstandsmitglied der kom- munistischen Partei Palästinas ist, wider- spricht damit zwar nicht dem Programm von Al-Mubadara,die sich ja für eine partei- übergreifende Führung einsetzt, über- rascht aber vor dem Hintergrund der Pläne, bei den nächsten Wahlen als eigene Partei, mindestens jedoch als Wahlbündnis anzu- treten. Barghouthis Zögern, die kommunis- tische Partei zu verlassen, mag damit be- Du kannst diese Motive als Plakat (DIN AI, für nur 40 Cent zzgl. Versandkosten), als Flyer gründet sein, diese Pläne zum jetzigen Zeit- oder als Postkarte (für nur jeweils 10 Cent ug. Versandkosten) bestellen. punkt noch nicht allzu publik machen zu U Ich möchte Plakate A, Plakate B, Plakate C, Plakate D, Plakate E bestellen. wollen,da die Chancen seiner Wahl bzw.die ...... U Ich möchte Flyer A, Flyer 6, Flyer C, Flyer D, Flyer E bestellen. seiner Bewegung derzeit denkbar gering ...... Ich möchte Postkarten Ar Postkarten B, Postkarten C, wären. Zwar gehören er und Haidar Abdel- ...... Postkarten D/ Postkarten E bestellen. Shafi zu den geschätztesten Persönlichkei- ...... U Ich hätte gerne weitere Informationen über das Jugendwerk der AWO. ten in Palästina, da sie sich durch ihren ge- waltlosen Beitrag zum palästinensischen Mein Name: Befreiungskampf und zur Intifada ausge- zeichnet haben, aber auch durch ihre Dis- Meine Anschrift: tanz zur Autonomiebehörde Arafats ihre In- tegrität wahren konnten.Gerade die Aufga- Mein Wohnort und PU: be dieser Distanz, die viele im Eintritt der Telefon: E-mail: PNI in den politischen Wettkampf sehen würden, stellt derzeit eine der größten Ge- Geschüffsstelleder Bundesjugendwerkesder A WO fahren dar. Oppelner SfraRe 130,531 19 Bonn Hinzu kommt,dass es angesichts der in Pa- Telefon: 022816685-1 17 lästina noch weit verbreiteten Klientel- e-mail: [email protected] Strukturen in der Regel nicht ein überzeu- gendes Parteiprogramm und hehre Maß- stäbe sind, die bei einem Urnengang ent- scheiden. Trotzdem sollten Personen wie Mustafa Barghouthi und Bewegungen wie Die Vermarktlichung der deutschen Gesundheitsversorgung

Von Marcel Sachs

Einleitung 1999 gab es 46 Gesetze in der Gesund- Strategie ist bekannte Tendenz in durch Die Sozialpolitik ist seit den 5Oiger heitspolitik mit über 6800 Einzelbestim- Ökonomie und Konkurrenz gesteuerten Jahren wiederkehrend wirtschaftslibera- mungen und Verordnungen, ohne dass Versorgungsystemen und resultiert aus len Ansinnen ausgesetzt, doch waren de- das Dilemma der Finanzsituation mehr als dem Nutzenmaximierung durch die Ver- ren Vertreter ihrem Ziel noch nie so nahe kurzfristig behoben wurde (Henke in: Laa- bindung von hohen Prämien mit geringen wie heute (Kühn in JKM 33,20OO).Verstär- serl Schwalbe 2000). Hervorzuheben sind Ausgaben (Rosenbrock 1998). Im Umkehr- kend wirken die internationalen wirt- Zuzahlungen zu Arzneimitteln, zu Heil- schluss bedeutet das für ärmere, ältere, schaftspolitischen Ereignisse und Bestre- und Hilfsmitteln, zum Zahnersatz und zu chronisch kranke bzw. multimorbide Pati- bungen. Seit Anfang 2000 wird ein Ab- Krankenhausaufenthalten, die obendrein enten und Frauen eine unsolidarische kommen der WTO-Mitgliedsstaaten neu gegen den Grundsatz der paritätischen Fi- Mehrbelastung, denn mit dem Krankheits- verhandelt (GATS), das die Liberalisierung nanzierung verstoßen (Arbeitgeber/Ar- risiko steigt die Prämie. Nach einer ange- und damit faktisch die Privatisierung aller beitnehmeranteil). Besonders hart davon strebten Aufspaltung des gesetzlichen Dienstleistungen zum Ziel hat. Internatio- betroffen sind chronisch kranke und multi- Leistungskatalogs in Grund- und Wahlleis- nal operierende Großkonzerne drängen morbide Patienten sowie ältere, ärmere tungen würden diese sogenannten auf den Zugang zu sämtlichen grenzüber- und weibliche Versicherte (Rosenbrock ,,schlechtenu Risiken im öffentlichen Ge- schreitenden Dienstleistungen, wobei die 1998). sundheitssystem mit einer wie auch meisten davon nach bisherigem Konsens immer gearteten Grundsicherung verblei- öffentlicher Obhut bedürfen. Davon be- Ökonomisierung des Gesundheitswe- ben, während Besserverdienende (und troffen sind u.a.Telekommunikation, Post, sens zumeist Gesündere) in eine Privatversiche- Strom, Gas, Wasser, Transport, Tourismus, Angesichts des Umsatzvolumens des Ge- rung wechseln, mit der Folge einer weite- Medien, Bildung und Gesundheit. Obwohl sundheitssystems von mehr als 250 Mrd. ren Verschlechterung der Finanzlage der sensible Bereiche der sozialen Sicherheit Euro (Schirmer, isw-Report 48,2001), wird GKV. und der Grundversorgung enthalten sind, schnell deutlich, dass es sich hierbei um ei- Unter den privaten Krankenhausbetreib- werden die Verhandlungen nicht öffent- nen äußerst interessanten Markt handelt. ern haben besonders US-amerikanische lich, sondern unter Ausschluss der Parla- Konsolidierungszwänge begünstigen De- Konzerne Wettbewerbsvorteile gegenü- mente zwischen Lobbyistengruppen der regulierung und ber den europäi- internationalen Industrie geführt. Das be- staatlichem Rück- schen, z. B. im Ma-

unruhigt da eingegangene Liberalisie- ZU^. Das Zauber- Versicherungen- drängen- nagement von Kran- rungsverpflichtungen der Nationalstaaten wort für Wirtschaft- kenhäusern, und nicht mehr rückgängig gemacht werden lichkeit und Qualitat auf Dezimierung der brennen darau, hier können. im Gesundheitswe- qesetzlichen Krankenversi- FUR zu fassen.An die- Die öffentliche Daseinsvorsorge in Sen heißt Wettbe- ser Stelle ist auf das Deutschland, darunter auch das Gesund- werb. Durch das Ein- cherung, Um den eingangs erwähnte heitswesen, ist vor diesem Hintergrund bringen marktwirt- Wettbewerb um ~bkomiender Welt- den Begehrlichkeiten großer Konzerne schaftlicher Mecha- handelsrunde (GATS: ausgesetzt und dem Wachstums- und Sta- nismen in alle Ebe- wohlhabendeJunge und General Aqreement bilitätspakt der EU unterworfen. Die Devi- nen des Versor- Gesunde auszudehnen. On Trades in Services) se lautet demzufolge Wettbewerb und De- gungssystems wer- zu verweisen, in dem regulierung. Ein enormer Markt um das den die neolibera- unter anderem auch ,,Gutn Gesundheit verspricht dem medizi- len Maximen Marktöffnung und Schulden- über die marktrnäßige Umformung der öf- nisch-industriellen Komplex das lukrative dienst im Sinne des Washington-Konsen- fentlichen Gesundheitsversorgung der Geschäft schlechthin. ses bedient. WTO-Mitgliedsstaaten entschieden wer- Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte Unterdessen entsteht bei sämtlichen pri- den soll und das eine Zuspitzung der Pri- zeigt eine sukzessive Aushöhlung der Prin- vaten Akteuren ein Begehren nach Absatz- vatisierungswelle befürchten lässt. zipien der öffentlichen Gesundheitsver- chancen: Obwohl die Bettenzahl deutschlandweit sorgung (Bedarfsprinzip, Solidarprinzip Versicherungskonzerne drängen auf die durch politische Steuerung zurückgegan- und Sachleistungsprinzip) zu Gunsten des Dezimierung der gesetzlichen Kranken- gen ist, konnten private Krankenhäuser Marktes. Unzählige Gesundheitsreformen versicherung, um mit ihren Billigtarifen zwischen 1991 und 1998 ihr Volumen an oder besser ,,Kostendämpfungsmaßnah- den Wettbewerb um wohlhabende Junge Krankenhausbetten um 50% steigern und men" haben deutliche Einschnitte vorge- und Gesunde auszudehnen (ISW-Report hat die Krankenhauszahl in privater Trä- nommen. Zwischen den Jahren 1977 und 48,20Ol).Dieses,Rosinenpicken'alsMarkt- gerschaft um fast 25% zugenommen (Schirmer 2001). Mit großen lnvestitionen konkurrieren Konzerne wie Sana, Askle- pios, Helios, Paracelsus, Rhön-Klinikum AG und ProServe (Fresenius) um Anteile in MarcelSachs, Diplom-Pflegewirt, A ttac-RegionalgruppeJena- Weimar Akut- und Rehabilitations-versorgung. Inzwischen wurde das erste große Kran- zuletzt auch die Ärzteschaft, insbesondere ren minimal-invasive OP-Techniken zu kenhaus der Maximalversorgung (1000 die niedergelassenen Ärzte und ihre Stan- schnelleren Heilungsprozessen) (Kühn in Betten) in den alten Bundesländern an ei- desvertretungen (KBV) (GerlingerILen- JKM 32,2000). nen privaten Investor verkauft (Helios zu hard1Stegmüller in Deppe1 Burkhardt Behauptung 3:Die Gesundheitsausgaben 95%). 2002). Sie fordern die Aufspaltung des ein- belasten die Lohnnebenkosten und das Betrachtet man die Reform der Kranken- heitlichen Leistungskataloges in Grund- führt zu einem Wettbewerbsnachteil für hausfinanzierung (DRG-Preissystem mit und Wahlleistungen. Denn mit der Bin- den Standort Deutschland Fallpauschalen), die bis 2007 abgeschlos- dung der GKV-Ausgaben an die Stabilität Sen sein soll, werden weitere marktkonfor- der Beitragssätze (Budgetierung) fühlen Folgende Überlegungen sind in der me Interventionen deutlich, die unter an- sich die Ärztevertreter in ihren Einkom- Lohnnebenkosten-Debatte von Bedeu- derem auf Vergleichbarkeit von Leistun- menschancen eingeengt. tung: gen als Voraussetzung für Wettbewerb ab- Vermeintliche Sachzwänge zur Gestaltung Die Konkurrenzfähigkeit eines Unterneh- zielen. Der Logik von Fallpauschalen im- des Gesundheitswesens mens ist abhängig von der Qualität des manent ist eine Unterordnung der medizi- Um massenwirksam gegen ein solidari- Produktes,der Angebotssituation der Kon- nischen Versorgung unter das ökonomi- sches Gesellschafts- und Gesundheitsmo- kurrenz,den Wechselkursen u.v .m.Die Be- sche Prinzip. Patientengruppen, die unren- dell mobil zu machen, werden fragwürdi- deutung der Lohnnebenkosten wird ge- tabel erscheinen (chronisch kranke und äl- ge Begründungen vorgeschoben. Es folgt waltig übertrieben. Zudem sind die Lohn- tere Personen), laufen Gefahr ausgegrenzt eine Auswahl häufig benutzter Standard- stückkosten in Deutschland eher günstig zu werden. argumente: und in den vergangenen Jahren weniger Eine Vorreiterrolle nimmt die internationa- Behauptung 1:Der demographische Wan- gestiegen als in vergleichbaren Ländern. le Pharmaindustrie ein. Schon seit fast 20 del führt zu einem nicht beherrschbaren Die Lohnkosten für die GKV machen an Jahren vermehrt sie ihre Gewinne durch Anstieg der Versor- den Gesamtkosten Zusammenschlüsse und Absatzsteigerun- gungsleistungen eines Unterneh- gen. Dabei besitzen Großunternehmen Veränderungen in Der Logik von Fallpauscha- mens gerade mal 1% aus der Schweiz, Großbritannien und den der Altersstruktur lenimmanent ist eine aus. Eine Beitrags- USA die Oberhand mit durchschnittlichen führen in Deutsch- satzsteigerung um Renditen von 20% bis 30%, darunter auch land durch die ZU- Unterordnung- der 5% würde zu einer Spitzenrenditen von 40% bis 60%, deren nahme der durch- Belastung der Pro- medizinischen Versorgung duktionskosten von Kapitalstock überwiegend durch die Sozi- schnittlichen Le- alversicherungsbeiträge der sogenannten benserwartung um unter das ökonomische einem halben Pro- Hochpreisländer (USA, Kanada, Europa, Ja- vier Jahre bi; 2050 mille führen. Die Un- Pan, Australien) gebildet wird (Eckert und die niedrige Ge- Prinzip. ternehmen sind seit 1998). burtenrate zu einem 1979 weitgehend Ihre strategischen Aktivitäten zur Befriedi- Anstieg des Anteils von Steuern entlas- gung von Absatzbedürfnissen gehen über betagter Menschen an der Gesamtbevöl- tet worden, denn der Anteil aller Steuern das ,,normaleu Maß an Lobbyismus und kerung (Spaar, isw-Report 48,2001). Prog- auf Unternehmertätigkeit ist seitdem von Einflussnahme auf politische als auch pa- nostiziert wird dabei eine Verschiebung 7% auf 3,5% gesunken. Die Ausgabenlast tientennahe Entscheidungsträger (verord- des Anteils der über 6Ojährigen von der Arbeitgeber für gesetzliche Renten-, nende Ärzte, Apotheker, Klinikleitungen) derzeit Ca. 20% auf 80%. Der Annahme, Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversi- hinaus. Im November 2001 einigten sich dass damit die Gesundheitskosten per se cherung ist von 14% auf 11,5% gefallen. bei einem Spitzengespräch unter Vorsitz dramatische Ausmaße annehmen, muss Der suggerierte Stellenwert der Lohnne- des Bundeskanzlers die im Verband der widersprochen werden. Mit der Alterung benkosten für die Wettbewerbsfähigkeit forschenden Arzneimittelhersteller (VFA) der Gesellschaft nimmt auch der Anteil der ist mit Blick auf den Außenhandelsüber- zusammengeschlossenen Pharma-Firmen gesunden Lebensjahre an der Lebenser- schuss und die außerordentlichen Unter- und die Regierung auf eine Einmalzahlung Wartung zu (Kühn 2000a). Außerdem nehmensgewinne der letzten Jahre un- von 200 Mio. Euro, um eine Preissenkung könnten chronische Krankheiten durch glaubwürdig. um 4 Prozent bei patentgeschützten Arz- gezielte gesundheitspolitische Interventi- Behauptung 4: Weil die Ausgaben neimitteln im Rahmen des Arzneimittel- onen (aktive Präventions- und Gesund- für Gesundheit in den letzten Jahren ex- Sparpakets zu verhindern (TI-Deutschland heitsförderungspolitik) in immer höhere plodiert sind, muss das Solidarprinzip neu 2001a). ,,Transparency International - Lebensjahre verschoben und der Versor- diskutiert werden Chapter Deutschland", eine Organisation gungsaufwand begrenzt werden (eben- Unter Einbeziehung der Faktoren Inflation, zur Untersuchung der Korruption, berich- da). volkswirtschaftliches Wachstum, Wieder- tet von Vertriebsmechanismen in der Arz- vereinigung und Modernisierungsmaß- neimittelversorgung,,,die Therapieerforder- Behauptung 2: Der medizinisch- nahmen ergibt sich seit 1970 ein Anstieg nisse und Qualitätsfragen (..J dem Absatz- technische Fortschritt wird unbezahl- der Gesundheitsausgaben von Ca. 10%. interesse der Warenanbieter unterordnen" bar Seit 1975 liegen die Ausgaben der gesetz- Als besonders problematisch gelten der Kostensteigerungen durch medizinische lichen Krankenversicherung relativ kon- Bereich der Kliniken und deren Führungs- lnnovationen sind vor allem auf eine Aus- stant bei etwa 6% des Bruttoinlandspro- stäbe, der durch aktive Einflussnahmestra- weitung von Leistungsmengen zurückzu- dukts. Von einer ,,Kostenexplosion" kann tegien auf kaufentscheidende Klinikmit- führen, die nicht unbedingt dem Bedarf demnach nicht die Rede sein. Vielmehr glieder gekennzeichnet ist. Hierbei sind der Bevölkerung entspricht (Spaar 2001). sind die Einnahmequellen durch die rück- Zuwendungen aller Art an der Tagesord- Verschwiegen wird, dass die Ursache dafür läufige Lohnquote und die Massenarbeits- nung, wie Finanzierung von Kongressrei- im Versagen der politischen Steuerung losigkeit erodiert. Sen und Studien, Zahlungen auf Drittmit- liegt und somit zukünftige Entwicklungen telkonten und Übernahme von Investiti- beeinflussbar sind. Darüber hinaus bieten Aktuelle Reformdebatte onskosten für medizinische Geräte. medizinische lnnovationen durchaus Po- Nüchtern betrachtet waren die Gesund- Eine Motivation zu Privatisierung hat nicht tentiale zu Kosteneinsparungen (z. B. füh- heitsreformen der vergangen Jahre eher Kostendämpfung, die nur kurzfristig wirk- tragsbemessungsgrenze in Verbindung Nach diesem Schema werden Patienten in ei- te. Von einer am Bedarf der Bevölkerung mit der Aufhebung der Versicherungs- nen Kundenstatus überführt,dervölligfehl am orientierten und sozialen Gesundheitspo- pflichtgrenze (Stichwort: Erwerbstätigen- Platz ist (Deppe in isw-Report 48 2001, Rosen- litik kann auch unter der rot-grünen Bun- versicherung), keine Rede. Gestrichen wur- brock 1998):Gesundheitist ein lebensnotwen- desregierung keine Rede sein. Die Reform- de das hoffnungsvolle Instrument Positiv- diges öffentliches Gut, auf das nicht einfach vorhaben sind erfolgreichen Wirtschafts- liste für Medikamente mit nachgewiese- verzichtet werden kann. Kein Leistungsemp- lobbyismus geschuldet und keinesfalls nem Nutzen. Unzureichend für eine Sys- fänger hat die Möglichkeit,vor Erhalt der Leis- den vorgeschobenen Gestaltungszwän- temverbesserung sind die Vorhaben zur tung nach rationalen Gesichtspunktenzu ent- gen. Trotz gegenteiliger Wahlversprechen Prävention, integrierten Versorgung, Pati- scheiden, welche Behandlung er benötigt - der Regierungskoalition ist die neoliberale entensouveränität dabei ist er auf das Trendumkehr unverkennbar und erstaun- und Qualitätssiche- schwer zugängliche Ex- lich radikal. rung (das Zentrum Von einerl,Kostenexplosi- pertenwissen der An- Das Gesamtpaket (GMG), mit dem vorran- für Qualität in der kann nicht die ~~d~ bieter angewiesen (An- gigen Ziel Senkung der Lohnnebenkosten, Medizin ist nicht un- bieterdominanz). beinhaltet in erster Linie Leistungskürzun- abhängig, hat keine sein.Vielmehr sind die Schließlich istdie ~ach- gen und Mehrbelastungen für Versicherte Kontrollfunktion fragesituation dadurch gekennzeichnet, dass und Patienten: Umfinanzierung von Zahn- und soll keine Kos- Einnahmequellen erodiert. ersatz und Krankengeld, erhöhte Zuzah- ten-Nutzen-Bewer- diejenigen Bevölke- lungen zu Medikamenten und Kranken- tung von Arzneimitteln durchführen). rungsanteile den größten Bedarf an gesund- hausaufenthalten, Praxisgebühren bei Darüber hinaus dient die Umgestaltung heitsbezogenen Dienstleistungen haben,die Arztbesuchen, Streichung bzw. Einschrän- vor allem dem Wettbewerb und der Markt- über diegeringsten Ressourcen verfügen. kung von Entbindungsgeld und Maßnah- Öffnung: Zusatzversicherungen für Zahn- men zur künstlichen Befruchtung etc. Da- ersatz, Wahlmöglichkeiten bei Versiche- Fazit gegen ist von einer gerechten Lastenver- rungskonditionenfürfreiwilligVersicherte, Die erklärten Ziele der Bundesregierung teilung, z. B. durch die Anhebung der Bei- Wahl der Kostenerstattung,Versandhandel sind mehr Wirtschaftlichkeit und Qualität von Medikamenten und Einzelverträge für durch Konkurrenz unter Leistungsanbie- die ambulante fachärztliche Versorgung. tern und Kassen. Eine Betrachtung der Re- Wettbewerb und Konkurrenz dienen den formvorhaben offenbart die wahren Profi- Profitraten der privaten Interessenten, ha- teure: Arbeitgeber, private Anbieter,Versi- Zeitschrift ben im gemeinwohlorientierten Gesund- cherungskonzerne und Pharmaindustrie. Marxistische heitsbereich jedoch nichts zu suchen, Deshalb muss das Gesundheitswesen mit '~rneuerun~ denn hier gilt die Theorie des Marktvers- Entschiedenheit vom Primat des ökonomi- agens (Deppe, isw-Report 48, 2001), d. h. schen Prinzips freigehalten werden.Ange- die Regulierung von gesamtwirtschaftli- zeigt sind solche Reformansätze, die sich 1m chen Kosten und von Gesundheitsbedar- auf die Behebung der eigentlichen Sys- __ fen kann durch die Marktkräfte allein nicht temfehler (Über-, Unter- und Fehlversor- 55, September 2003,224 S. - sichergestellt werden. Es ist dagegen zu gung) beziehen und der Bevölkerung die- ozialstaatsdemontage erwarten, dass aus mikroökonomischen nen. Hierzu zählen: die Steigerung der Bontrup - Unterminierung des Sozialstaates Interessen heraus volkswirtschaftliche Qualität durch eine evidenzbasierte Ver- durch neoliberale Wirtschaftspolitik / Urban Ressourcen verschwendet werden. Die An- sorgung (Behandlungsleitlinien) und um- - Die neue Sozialpolitik / Klages - Neolibe- rale Symbolik und Politik des Sozialabbaus / reize zur Leistungserbringung unterliegen fassende Qualitätsentwicklung, die Gestal- Klundt - Armut und Reichtum in Deutsch- gänzlich wirtschaftlichen Überlegungen, tung des Risikostrukturausgleichs in der land / Burckhardt - Die großen Umverteiler so dass unwirksame oder sogar gefährli- Art, dass auch für die Versorgung älterer Perspektiven auf Marx che medizinische Leistungen genauso viel und chronisch kranker Patienten Anreize Baum - Freiheit bei Marx / Tomberg - Gewinn bringen können, wie wirkungsvol- bestehen, eine aktive Präventions- und Ge- Habermas - Rekonstruktion des histori- le und effiziente (ebenda). Insbesondere sundheitsförderungspolitik, die auch die schen Materialismus? schaffen finanzielle Anreizsysteme eine Arbeitswelt mit einbezieht sowie die Stär- Neuer Imperialismus - Zentrum und starke Tendenz zur Reduzierung von Leis- kung der Finanzierungsgrundlage der Ge- tungsqualität und Aufwandsminimierung setzlichen Krankenversicherung durch die Arrighi - Niedergang der USA / Baraki - Von sowie zur Patientenselektion unter Ge- Aufhebung der Versicherungspflichtgren- Kabul nach Bagdad und noch weiter? / winngesichtspunkten. Denn ein günstiges ze und die Anhebung der Beitragsbemes- Rilling - Geopolitik von links / Roth - Erin- nerungen an das chilenische Experiment Kosten-Nutzen-Verhältnis erreicht nur der- sungsgrenze. SPW 4 12003 1970 - 1973 / Schmalz - Der kolumbiani- jenige Leistungsanbieter (Krankenhaus, sche Sonderweg / Tjaden-Steinhauer und Praxis etc.),der es vermag,den anfallenden Literatur Tjaden - Was ist Chiapas? / Braun - Ver- Aufwand unter dem voraeclebenen Bud- Eckert, P. (1998):Das Pharrnakartell. Harnburg:VSA dunkelung ökonomischer Verhältnisse - get oder der Fallpauschalezu halten. Deppe. H.-U./Burkhardt (Hg.) (2002):Solidarische Ge- sundheitspolirik. Alternativen zu Privatisierung und schen, die überdurchschnittliche Behand- Wehr - Das europäische Parlament / Stiehier Zwei-Klassen-Medizin, Hambura:VSA - Geschichte deuten und verstehen lungskosten verursachen, also ältere, chro- Laaser, U.; Schwalbe, A. (Hg.) (200;: ~asGesundheits- nisch kranke und multimorbide Personen- wesen in Deutschland. Von der Kosten- zur Nutzen- Berichte, Buchbesprechungen gruppen, laufen Gefahr, eine Leistungs. orientierung. Gesundheitswissenschaftliche Analy- Sen. Lage: Jacobs Z Einzelpreis: 9,50 Euro (zzgl. Vers.); im &inderung zu erfahren. Die ~eschädi~ten Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung Abo: 32,- Euro ; Auslandsabo 38,- Euro sind dann Patientengruppen, die sich auf- München e.V. (ISW) (Hg.) (2001): Gesundheit - ein (4 Hefte/Jahr incl. Vers). Bezug: über e-mail, grund ihrer Schicht- und Demographie- Buchhandel (ISSN 0940-0648) oder direkt: Mordsgeschäft. lsw-report 48,09/01 Jahrbuch für Kritische Medizin (JKM) 32 und 33 2-Vertrieb: Postfach 500 936. 60397 merkmale am wenigsten wehren können Rosenbrock, R. (1998): Gesundheitspolitik. Einführung Frankfurt/M..Tel./Fax 069 / 53 05 44 06 (Personen mit niedrigem sozio-ökonomi- und Überblick. Veröffentlichungsreihe der Arbeits- www.zeitschriit-marxistische-erneuerung.de schen Status und geringer Bildung sowie gruppe Public Health, Wissenschaftszentrum Berlin e-mail: [email protected] hohem Alter). für Sozialforschung Die Linke muss die Welt auch interpretieren Zwischenruf zum Demokratischen Sozialismus und,,zum Standort der sozialistischen Linken in der SPD" (SPW 132,4/03)

Von Horst Heimann

,,I40 Jahre nach ihrer Gründung ,,Demokratischer Sozialismus" - ein ver- Wer sich damit begnügt,dass die Wörter de- steht die Sozialdemokratie an einem Schei- nachlässigter Begriff mokratischer Sozialismus nicht ausdrücklich deweg", ob sie ihre soziale Tradition erneu- Wenn, wie zu erwarten,zur Beruhigung eini- aus dem neuen Grundsatzprogramm der ern und bewahren oder aufgeben wird. Das ger Gemüter,im neuen Grundsatzprogramm SPD verbannt werden, pflegt damit noch konstatieren zutreffend Reinhold Rünker, die Wörter demokratischer Sozialismus keineswegs dieTradition im Sinne von Jean Andrea Nahles und Horst Peter in SPW 41 wieder erwähnt werden, ist das noch keine Jaures: Traditionen pflegen heißt nicht, in 2003. Diese Aussage impliziert, dass auch die Garantie dafür, dass die soziale Tradition er- kalte Asche zu blasen, sondern eine Flamme gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands neuert und bewahrt wird, und die SPD am am Brennen zu halten.Nur die Wörter demo- - und ganz Westeuropas -an einem Schei- Scheideweg die,,linkeU Richtung einschlägt. kratischer Sozialismus weiter zu verwenden, deweg steht: Wird der deutsche - und der Allein die Beibehaltung der vielen vertrau- würde tatsächlich nur bedeuten, in kalte europäische - Sozialstaat erneuert und be- ten Wörter bewirkt gar nichts. Harald Schar- Asche zu blasen, und würde keinen ent wahrt oder durch systemüberwindene Re- tau ist durchaus zuzustimmen:,,Es macht kei- täuschten Anhänger der SPD davon über- formen schrittweise durch das neoamerika- nen Sinn für die SPD, Begriffe hochzuhalten, zeugen,dass es noch Sozialdemokraten gibt, nische Modell des ,,Raubtierkapitalismus" die keinen Inhalt mehr besitzen."(F.R.5.9.03) in denen die Flamme des Demokratischen (Der SPIEGEL,8.7.02) ersetzt. Und schließlich Zugespitzt müßte man sogar sagen: ... einen Sozialismus noch brennt. entscheidet sich dabei auch, ob die SPD Begriff hochzuhalten,den die SPD gar nicht Diese,,Flamme" meint Sigmar Gabriel,wenn langfristig ihre Mehrheits- und gesellschafts- mehr ,,besitztu. Denn, wie er den Begriff,,demokratischer Sozialismus" politische Gestaltungsfähigkeit bewahrt feststellte (FR 19. 8. 03), hat ja die PDS den als das,,GefäßU bezeichnet, in dem,,die sozial- oder verliert. Begriff ,,dreist geklaut". Allerdings müßte demokratische Erzählung (als) Erfolgsge- Welche Richtung die SPD an diesem Schei- man den Vorwurf an die PDS etwas präzisie- schichte" aufbewahrt wird und durch die deweg einschlagen wird, hängt nicht nur ren: Die PDS hat ein unbewohntes, vom Ei- sich die SPD von allen anderen Parteien un- vom machtpolitischen Kräfteverhältnis zwi- gentümer SPD ungenutztes und auch nicht terscheidet:,,Gleichzeitig ist diese Erzählung schen den personalpoltischen Richtungen beanspruchtes aber auch eine ge- und Gruppierungen ab, sondern vor allem Grundstück mit wert- waltige Ressource von der,,Theoriearbeit, die die Linke leisten voller Bausubstanz Die PDS hat ein vom und Energiequellefür muss" (Horst Peter, SPW 412003, S. 2), aber schlicht,,besetzt". Eigentümer SPD sozialdemokratisches auch die gesamte SPD. Das erwähnte Stand- Dieses nicht genutzte Engagement." (F. R. ortpapier enthält wichtige Anregungen für Eigentum der SPD ist ungenutztes Grundstück 23. 8. 2003) Aktuali- eine Schadensbegrenzung und für eine Ver- zwar so wertvoll, dass Schlicht,beSetzt",aber siert müßte der Satz meidung des neoliberalen Weges. Es enthält es die UNESCO zum eher beginnen:,,Diese aber auch einige gravierende Lücken,indem ,,we~t-sozia~erbe"er- keine~weg~,,in~fandbe- Erzählung WAR und es theoretische Defizite der Linken über- klären könnte. Aber in setzt", wie das sonst MUSS wieder WER- sieht, die mit zur aktuellen besorgniserre- den letzten Jahrzehn- DEN ...". genden Entwicklung beigetragen haben. Es ten wurde dieser Hausbesetzer ZU tun ~uchMichael Müller erwähnt nicht, ob die Richtungsentschei- wertvolle,,Besitz" völ- pflegten. betont lmmer dung am Scheideweg vielleicht mit der lig vernachlässigt, wieder, dass die Lin- jüngst aufgeflammten Kontroverse zu tun nicht mehr gehegt, ke zur Orientierung hat, ob die SPD in ihrem neuen Grundsatz- gepflegt oder renoviert,sondern dem Schlei- und Motivierung eine ,,große Erzählung" Programm den traditionellen Leitbegriff De- chenden Verfall überlassen.Und alle Genera- brauche. Aber er schätzt das Kräfteverhält- mokratischer Sozialismus beibehalten oder tionen und Zweige der Eigentümer-Großfa- nis zwischen konkurrierenden ,,Großen Er- auf dem Müllhaufen der Geschichte entsor- milie hat es gleichgültig gelassen, wie das zählungen" falsch ein, wenn er Schröder gen soll. wertvolle Erbe zunehmend verrottete. We- auffordert,,,sich lieber kritisch mit den Rest- Der Verzicht auf den Begriff Demokratischer der ,,Rechten noch ,,Linkeu, ,,ModernisiererU beständen der neoliberalen Ideologie aus- Sozialismus wäre ein Bruch mit der im noch,,Traditionalisten" waren bereit oder in einanderzusetzen". Denn ,,Restbeständen ,,StandortpapierU angemahnten ,,sozialen der Lage, auch nur eine kleine geistige An- gibt es leider nicht von der neoliberalen und demokratischen Tradition" ,eine Kapitu- strengung zu investieren, um ihr Erbe vor Ideologie,sondern von der einstigen intel- lation vor dem neoliberalen ,,mainstreaml', Wertminderung und Verfall zu bewahren. lektuellen Großmacht Demokratischer So- dem sich zu widersetzen sowohl die SPW als Und die PDS hat die leerstehenden Gebäude zialismus. Und diese ,,Restbeständeu der auch viele Sozialdemokraten fordern, U. a. auch nur,,besetztJ',keineswegs,,instandbe- ,,großen sozialdemokratischen Erzählung" Wolfgang Thierse (Frankfurter Rundschau, setzt", wie das sonst Hausbesetzer zu tun sind nicht konkurrenzfähig mit dem,,groß- 12.9.03). pflegten. mäuligen neoliberalen Geschwätz", das nicht nur die Talk-Shows der jammernden Million'äre, die Feuilletons, die Sozialwissen- schaften (soweit sie sich nicht auf Empirie Dr. Horst Heimann, lebt in Dortmund, Mitglied im Vorstandder Hochschulinitiative Demokrati- beschränken) dominiert, sondern auch das scher Sozialismus e. V. Alltagsbewußtsein von Menschen defor- '*",--B" - -r- - * n * *

spw 4 12003 miert, die nie das Wort Neoliberalismus ge- klärung' in den intellektuellen Diskursen in nicht mehr gibt" und dass sich das,,angel- hört haben. Deutschland nicht nur die Hegemonie, son- sächsische Modell" durchgesetzt habe. dern die Alleinherrschaftt erobert." Wenn das tatsächlich schon,,Tatsache" wäre, Es kommt auch darauf an,die Welt erklä- Diese im Weltmaßstab siegreiche neolibera- dann stünde die SPD nicht mehr am,,Schei- ren zu können le Ideologie hat in den letzten Jahrzehnten dewege", denn dann wäre die Systemausei- Eine Ursache dafür,dass die neoliberale Ido- nicht nur die Welt interpretiert, sondern nandersetzung zwischen dem,,Rheinischen logie dominant wurde,dass sie,,zur materiel- auch radikal verändert.Wenn die Restlinke, Kapitalismus" und dem neoamerikanischen len Gewalt wurde, weil sie zwar nicht die die diese Veränderungen beklagt, künftig ,,Raubtierkapitalismus" schon unwiderruf- Massen, aber die Machteliten ergriff", liegt in die Welt wieder in ihrem Sinne verändern lich entschieden. ,,Tatsache" ist dagegen, folgendem Verhalten der linken Eliten: Nach will, muß sie sie zunächst wieder interpretie- dass sich das europäische Sozialstaatsmo- 1989 hat weder die akademische noch die ren, und zwar verschieden von der neolibe- dell gegenüber dem expandierenden neoa- politische Linke (SPD und Gewerkschaften) ralen Interpretation. merikanischen Modell auf dem Rückzug be- der neoliberalen These fundiert widerspro- Die Restlinke unterschätzt die praktisch-po- findet,aber noch nicht endgültig zerstört ist. chen, die Implosion des ,,Realsozialismus" litischen Wirkungen der intellektuellen Dis- Ursache für diesen Rückzug sind nicht nur habe das Scheitern des,,SoziaIismus jedwe- kurse, in denen Intellektuelle die Welt inter- die,,RealfaktorenU,die Michael Müller nennt, der Art" und den Endsieg des Kapitalismus pretieren und die Entwicklungsperspektiven sondern vor allem die erfolgreiche neolibe- unwiderruflich bewiesen.An jenen heftigen der Gesellschaft skizzieren. Dagegen über- rale,,Bewußtseins-Konterrevolution" und die Debatten über das ,,Scheitern des Sozialis- schätzt sie die,,objektivenn Faktoren, wie das Kapitulation der Linken in den intellektuel- mus jedweder Art" beteiligten sich aus dem Kapital, dieTechnik, die Globalisierung. Und len Diskursen. ehemals linken Spektrum fast nur jene, die so unterschätzt sie die Macht der,,subjekti- Das Zurückweichen des,,Rheinischen Kapi- der neoliberalen These zustimmten. Diejeni- ven" Faktoren, der Ideen, der Wert- und Ziel- talismus" vor dem neoamerikanischen Mo- gen,die ihr nicht zustimmten, schwiegen da- vorstellungen, der Gesellschaftsbilder und dell hatte schon 1992 Michel Albert in sei- gegen betreten, waren aber auch nicht inte- Visionen im Denken und Bewußtsein der nem Buch ,,Kapitalismus Contra Kapitalis- ressiert, der neoliberalen lnterpretation der Menschen. Sie übersehen, dass die Neolibe- mus" prognostiziert. DieseTendenz verwun- welthistorischen Zäsur von 1989 theoretisch ralen in den letzten Jahrzehnten die Welt nur derte ihn, da ja -wie er empirisch belegte - und empirisch fundiert entgegenzutreten. deshalb im Sinne ihres,,allumfassenden Ge- das,,rheinische Modell,, dem,,neoamerikani- Auch bei schärfster Kritik an der neoliberalen sellschaftsentwurfs" so radikal verändern schen" nicht nur auf sozialem, sondern auch politischen Praxis haben viele die neolibera- konnten, weil sie die entscheidende Rolle auf wirtschaftlichem Gebiet deutlich überle- le lnterpretation der heutigen Welt klamm- des ,,subjektiven" Faktors erkannt hatten. gen ist. Die Ursache für die Paradoxie, dass heimlich oder unreflektiert übernommen. Norman Birnbaum erläutert am Beispiel der ein sozial und ökonomisch effizienteres Sys- Zum stillschweigenden Konsens der Rest- USA, wie die Zerstörung der sozialen Errun- tem durch ein weniger leistungsfähiges Mo- Linken gehört daher das Bekenntnis, das genschaften des New Deal - also dieverän- dell zurückgedrängt wird, sieht er darin,dass 2001 auch die linken Mitbegründer des derungen der Basis - durch die Politik Rea- ,,die grundsätzlichen Gedanken und Werte, ,,Netzwerks 2010" (Projektgruppe der unter gans mit einer ideologischen Offensive ziel- die ihm (dem rheinischen Modell des Sozial- vierzigjährigen SPD-Mandats und Funkti- strebig vorbereitet und erst möglich ge- staat~)vorangehen, weitgehend ignoriert onsträger - dass die Zahl 2010 inzwischen macht wurde:,,Zur Entwicklung und Verbrei- oder bestritten werden". Mit anderen Wor- auch mit einem anderen Subjekt verbunden tung neokonservativer Ideen (in Europa ten, das geistige Fundament des Demokrati- ist,war damals nicht beabsichtigt und ist rein neoliberal genannt, H. H.) finanzierten die schen Sozialismus,auf dem der europäische zufällig!) unterschrieben haben: „Das 20. amerikanische Wirtschaft und Wohlhabende Sozialstaat errichtet wurde und auf dem er Jahrhundert mit sei- Forschungszentren, erneuert und bewahrt werden könnte, ist nen allumfassenden Stiftungen, Universi- morsch geworden und verschwunden. Gesellschaftsentwür- Die Restlinke unterschätzt tätsinstitute, Zeit- Natürlich ist es fatal für die Zukunftschancen fen und ganzheitli- die praktisch-politischen schriften und Verla- des Sozialstaates, dass sein geistiges Funda- chen Glaubenssyste- ge." (N. Birnbaum, ment verschuttet wurde. Aber wirklich be- men ist Vergangen- Wirkungen der intellektuel- Nach dem Fortschritt drohlich ist es,dass auch die Restlinke darin heit. Die alten, len Diskurse, in denen die - VOrletzte kein Problem sieht und nicht erkennt:Ohne einander ausschlie- kungen zum Sozialis- Wiederherstellung dieses Fundaments be- ßenden Gesamterklä- Welt interpretiert und mus. StuttgartIMün- stehen keine Chancen, praktisch-politische rungen überzeugen Forderungen für soziale Gerechtigkeit mehr- Entwicklungsperspektiven chen 20031 s. 422 nicht mehr.,, (Zur Kri- Die Schwäche der Ge- heitsfähig zu machen und durchzusetzen. tik dieser Aussage skizziert werden. werkschaften und der Wenn die aktuellen Bemühungen, auch den darf der Autor Demokraten hatte traditionsreichen Namen zu tilgen,den die- ausnahmsweise sich ' ,,das amerikanische ses geistige Fundament einst trug, nicht gro- selbst zitieren, in SPW 120,4101,S. 58): ,,Bei Kapital zu einer intellektuellen Offensive (er- ße intellektuelle Anstrengungen provozie- dieser gesellschaftstheoretischen Prämisse, muntert). Die Fähigkeit,das alltägliche Den- ren, den Begriff Demokratischer Sozialismus die als objektive Tatsachenaussage formu- ken zu prägen war langfristig gesehen we- wieder mit orientierenden und motivieren- liert ist, handelt es sich um eine der fatalsten sentlich wertvoller, als Staatssekretäre, Kon- den Inhalten zu füllen, dann sollten sich alle und folgenreichsten Selbsttäuschungen im greßabgeordnete und Gouverneure zu ge- Sozialdemokraten ehrlicherweise dem An- linken intellektuellen Spektrum: Denn diese winnen. Darin lag kein Widerspruch: Ersteres sinnen des Generalsekretärs beugen. Doch Aussage ist zwar einerseits tatsächlich zu- erleichterte letzteres." (S.426) kein theoretisches Positionspapier, keine treffend, aber nur für,allumfassende Gesell- Göttinger oder Herforder Thesen, sondern schaftsentwürfe und ganzheitliche Glau- Den Hegemoniekarnpf annehmen! nur ein langfristig angelegter Diskussions-, benssysteme'sowie,Gesamterklärungen'aus Obwohl Michael Müller (SPW 132,412003, S. Erkenntnis- und Lernprozeß kann den De- der linken Tradition. Auf der rechten Seite 29 ff.) unter Berufung auf Gramsci die Linke mokratischen Sozialismus wieder zu einem dagegen hat der Neoliberalismus als,allum- ermahnt,,,um die kulturelle Hegemonie zu intellektuellen und damit auch politischen fassender Gesellschaftsentwurf und ganz- kämpfen" (S.30), konstantiert er es als,,Tatsa- Machtfaktor gegen die neoliberale Hegemo- heitliches Glaubenssystem'sowie,Gesamter- che,dass es den,Rheinischen Kapitalismus'... nie machen. SPW 4 12003 Die Genossen, das Geld und die Gemeinden Der Kampf um die Kommunalfinanzen

Von Stefan Grönebaum

Das Verhältnis zwischen Enkel-SPD ,,reiche Verwandte". In den 90-ern befassten fort für die neue Mitte ging. Dabei gerieten und Kommunalpolitik war stets schwierig. sich die Enkel v.a.mit Ausscheidungskämpfen die sog. kleinen Leute aus dem Blick,die Quit- Zwar hatten Jusos wie Norbert Gansel An- um die Kanzlerkandidatur und scherten sich tung gab es bei Protestwahlen wie Berlin fang der 70-er die Kommunalpolitik als kaum um die Kommunen. 1999 (wo die CDU die Sozialpartei und die Standbein für gesellschaftsverändernde Re- Dies schien auch nicht nötig, weil in Kohls SPD den Sparverein gab), Köln 2000 oder formen entdeckt. Doch der abstrakte Jargon Spätphase der SPD die Städte wie von allein Hamburg 2001. In struktur- schwachen Städ- der akademischen Mittelschichten, die in zufielen.Zudem neutralisierten die Kommu- ten wie im Revier verlor die traditionalistische den 70-ern in SPD und öffentlichen Dienst nen durch Verwaltungsreformen noch einen bis filzige SPD zwischen alerten Grünen und drängten,trieb nicht nur die letzten Arbeiter Teil ihrer wachsenden Probleme: Also das An- renovierter Union an Boden. aus der SPD, sondern auch die pragmatisch steigen der Soziallasten durch das Überwäl- bis rechts gewirkten Kommunalpolitiker auf zen der Folgen der Massenarbeitslosigkeit Geld für die Wirtschaft, Prinzip Hoffnung die Palme. Diese gründeten Anfang der 70-er und die Kosten durch weitere Leistungsge- für die Kommunen die SGK NRW, 1978 entstand mit Hilfe von setze von Bund und Ländern zu Lasten der Dem Bund wiederum fehlt bis heute jede um- Parteichef Willy Brandt und Geschäftsführer Städte. Paradebeispiel hierfür das Kindergar- fassende Stadtpolitik, wie Stadtforscher Prof. die Bundes-SGK, durchaus als tenbetreuungsgesetz von 1996. Auf der Ein- Heinrich Mäding anmerkt.Die Zusage für eine Kraft gegen die linken Jusos, deren Vorsit- nahmeseite wurden die Kommunen für das tiefgreifende Gemeindefinanzreform aus der zenden Bahr kurz zuvor ausgeschlossen hat- Säbeln an der Gewerbesteuer, ihrer wichtigs- Koalitionsvereinbarung von 1998 ging in der te. Die Bundes-SGK war ein Bündnis gestan- ten eigenen Einnahmequelle,durch Umsatz- Hektik des Jahres 1999 unter, in der Hausse dener Rechter wie Hermann Schmitt-Vo- steuerpunkte entschädigt. Dabei geriet aus von 200012001 wurde sie geflissentlich ver- ckenhausen mit Linken wie Frankfurts OB dem Blick, das mit der Gewerbesteuer auch gessen. Die Steuerreform 2000 entlastete die Rudi Arndt, aber auch ,,Jusos" wie Herbert die kommunale Finanzautonomie beschä- Unternehmen z.T.stark durch neue Möglich- Schmalstieg und - ärger noch - ,,Grünenn digt wurde. Immer mehr Kommunen rutsch- keiten,Gewinne mit Verlusten zu verrechnen, wie , wie sich der Ehrenvorsitzen- ten in den späten 90-ern in die,,MiesenU, was in der Folge sank drastisch die Gewerbesteu- de der Bundes-SGK,Günter Samtlebe,auf der sie durch Privatisierungen nur kurzfristig er, die die Unternehmen an die Kommunen 30-Jahrfeier in Dortmund erinnerte. Die überdeckten. Kurz gesagt, produzierte der zahlen. Zugleich wurde die Gewerbesteuer- kommunale Lobby agierte unauffällig und neue flexible Kapitalismus soziale Ungleich- umlage,diedie Kommunen an Bund und Län- v.a.in den Kernländern NRW und Hessen ein- heit, deren Folgeprobleme vor allem in den der zahlen, von 20 auf bis zu 30 Prozent er- fluss- und erfolgreich.Doch gelang es ihr nie, Städten,den Hochburgen der SPD,zu spüren höht. Als 2001 die Konjunktur einbrach, bra- in Spitzenpositionen der Landes- und Bun- waren. Doch die SPD in ihrer bequemen Op- chen mit der Gewerbesteuer die kommuna- des-SPD vorzustoßen, wie es in der Nach- positionsrolle tat auf Bundes-, Länder- und lo- len Einnahmen weg,während die Sozialhilfe- kriegszeit üblich gewesen war. kaler Ebene wenig, dem konzeptionell oder kosten durch die Folgen der Arbeitslosigkeit politisch zu begegnen:So gibt es in der Bun- explodierten.So machten die Städte 2003 gut Die Enkel-SPD ignoriert die schleichende des-SPD - anders als in der Union - weder ein 10 Milliarden Euro Defizit. Derweil wurde die Krise der Kommunen Kommunalreferat noch eine Personalbörse, Großindustrie200213 praktisch gewerbesteu- Denn die 80-er und 90-er gehörten den En- bis 2001 galt das Programm von 1976! Die erfrei gestellt. Auch die Sparaktionen von keln,jenen Jusos,die im Marsch durch die Par- Landesverbände schoben bis 1998 alle Übel Bund und Ländern zwangen die Kommunen, teiinstitutionen ihren antikapitalistischen Ei- der Welt auf den Bund und die Kommunalen ihre lnvestitionen 2002 um 30 Prozent gegen- fer der 70-er mit dem ,,Arbeit-Frieden-Um- fuhren hohe Wahlsiege ein und überließen über 1992 zu senken. Da die Kommunen zwei weltn-Pathos der 80-er vertauschten, und die Partei weitgehend sich selbst. Drittel aller öffentlichen lnvestitionen tätigen, reihenweisedie Länderregierungenübernah- So war die äußerlich gute Lage der Kommu- bedeutete dies fast einen lnvestitionsstopp men. Sie hatten zwar teilweise, wie Hans Ei- nen wie der dort führenden SPD in Wahrheit mit Folgen für den lokalen Mittelstand, Hand- chel in Kassel oder in Saar- heikel,als Rot-Grün 1998 siegte.Schon die po- werk usw. Die finanzielle Strangulation der brücken, kommunal angefangen.Als Länder- litische Struktur stimmte nicht.Wie im Bund, Städte lähmte den Arbeitsmarkt, das Wachs- fürsten trug sie ihr Ehrgeiz aber bald über zerfiel die SPD lokal in zwei Flügel:ln florieren- tum,den Aufschwung in der Republik. kleinkarierte Probleme ihrer Kommunen hin- den Dienstleistungszentren wie Frankfurt, aus. Übrigens erklärte der Niedersachse mit Hamburg usw. setzten sich nach den Kämp- Die Kommission als Wahlkampf-Wunder- schöner Offenheit bei der SGK-Bundeskonfe- fen der 70-er die,,Modernisiererl durch,deren waffe renz in Rüsselsheim 2001, mit Kommunalem wachstumsorientierter ,,Metropolenpolitik Unter dem Druck der Kommunallobby u.v.a. nichts anfangen zu können und sah auf der es v.a. um verbesserte lnvestitionsbedingun- desTermin für die Bundestagswahl berief die Städtetagsversammlung in Leipzig vor allem gen für die Wirtschaft und mehr Lebenskom- Regierung Anfang 2002 eher widerwillig die Kommission zur Reform der Gemeindefinan- Zen. Finanzminister Hans Eichel erklärte 2001, die Kommission sei unnötig,dann 2002,ihr Er- gebnis müsse aufkommensneutral sein, im Stefan Grönebaum, Chefredakteur der Zeitschrift DEMO, lebt in Berlin Frühjahr 2003 versprach er sieben Milliarden sich der SPD-Bundesparteitagklar hinter die Kanzlervorschläge, auf der Bundeskonferenz der SPD-Kommunalen Ende Juni bekräftigte Hans Eichel die Kanzlerzusagen, am 4.Juli be- schlossen die Bundestagsfraktionenvon Rot- -i4-"i m PU spw lädt alle Leserlnnen zur Jubilaumsfeier ein. Grün Eckpunkte auf der Basis des sog. Kom- \ Am 25. Oktober 2003 diskutieren spw-Autorlnnen von munalmodells. Kommunale und MdB gingen &- gestern, heute und morgen über drei Leitfragen radikal- beruhigt in die Sommerpause. Alles schien reformerischer Politik im 21. Jahrhundert: auf gutem Wege Anders Arbeiten, anders Leben -ist die Gestaltung der Okonomie obsolet? Friedensmacht Europa - gibt es eine geopolitische Der Eichel-Entwurf und die Folgen Alternative zur US-Hegemonie ? Aber das war es nicht. Bundeswirtschaftsmi- Vorwärts, Rückwärts, Seiiwärts - der alte und neue Weg nister Wolfgang Clement hatte stets jede Re- der SPD? form abgelehnt,die die Wirtschaft belasten Tagungsort: Willy-Brandt-Haus, Berlin. Beginn ca. 13.00 Uhr würde. Und Hans Eichel hatte immer betont, das die Finanzlage keine,,Wohltatenn mehr erlaube. lm Konjunktur- und Stimmungstief Mitte 2003 kam auch der Kanzler zur Auffas- sung, die Wirtschaft müsse mehr als bisher entlastet werden.So legte Eichel mit freund- licher Hilfe des Wirtschaftsministers am 4. August einen Entwurf vor, der einem Vor- schlag des Deutschen Industrie- und Han- Euro. Derweil hatte sich die Finanzlage aller nale.So gelang es bis Mitte 2003 nicht nur die delstages erstaunlich ähnelte: Die Gewerbe- öffentlichen Hände rapide verschlechtert. CDU-dominierten Kommunalverbände, son- steuer wurde nun für alle kräftig gesenkt,die Zwar wuchs 2002 das Bewusstsein für die dern auch die meisten SPD- und CDU-Länder Freiberufler wurden zwar einbezogen, konn- volkswirtschaftliche Bedeutung kommunaler hinter die Kernbestandteile des sog- ,,Korn- ten aber ihre Abzüge meist mit der Einkom- Investitionen. Bis zur Bundestagswahlwar die munal-Modells" (das eigentlich ein NRW-Mo- mensteuer verrechnen, die Einbeziehung Zusage einer echten Gemeindefinanzreform dell war) zu bringen. von Miet-, Pacht- und Zinserträgen wurde neben der Betreuungsfrage und Hartz ( na- Demnach soll die Gewerbesteuer durch eine ebenso gestrichen wie ertragsunabhängige türlich 1:I umgesetzt ) einer der wenigen breitere Bemessungsbasis und neue Steuer- Bestandteile der Gewerbesteuer, die damit - Trümpfe von Rot-Grün. Die fast verlorene pflichtige revitalisiert und auf eine von der so Bernd Scheelen, der Leiter der Kommu- Wahl holte Gerhard Schröder, der ,,Genosse Konjunktur unabhängigere Basis gestellt wer- nal-AG der SPD-Fraktion, - schlicht in die der Bosse", mit der den. Dazu werden die Nähe der Verfassungswidrigkeit geriet. plötzlichen Hinwen- Miet-, Pacht- und Zins- Schlimmer war, was nicht im Entwurf stand: dung zu den ,,kleinen aDer Regier~ngsentwurf erträge der Kapitalge- Neben dem Senken der Steuermesszahl und Leuten", der Irakpoli- Zur Gemeindefinanzreform sellschaften sowie die dem Abzug der sog. Dauerschuldzinsan- tik und der Flutbewäl- Freiberufler einbezo- rechnung sollen die Städte 1,5 Milliarden tigung ausdem Feuer. wirkt1 als wolle der Kanzler gen. Dagegen stand Euro für Kinderbetreuung aufbringen, bei Direkt danach vollzog warten, bis das BDI- das Modell der Wirt- der Hartz-Umsetzung fast leer ausgehen - der Kanzler erneut ei- schaft (BDI), das kom- die Sparsumme geht an den Bund. Zusam- nen kühnen Schwenk. Präsidium der SPD munale Zuschläqe- auf men mit der vorgezogenen Steuerreform, Nach dem herben beigetreten ist." die Einkommenssteu- die die Betriebe durch Senkung der Steuers- Echo zum Start der er vorsah und bei ätze weiter ent-,die Kommunen aber mit gut zweiten rot-grünen (Herbert Schmalstieg, Hartz die Kommunen 3 Milliarden Euro belastet, kam bei vielen Regierung suchte er für arbeitslose Sozial- hastigen Modellrechnungen der Kämmerer wieder die Nähe von OB von H~~~~~~~und hilfeempfänger zu- eine Null, oft ein Minus heraus! Entschädigt Medien und Wirt- Städtetagsvizepräsident) ständig machen WOII- wurden die Städte durch ganze 1,4 Umsatz- schaft - Wenn schon te. Der BDI-Vorschlaq steuerpunkte - eine konjunkturabhängige die Arbeitslosigkeit hätte die ~ewerbe- Steuer, die der Staat zuweisen, aber auch nicht sank, wollte er nicht im SPIEGEL und steuer zur reinen Gewinnsteuer und konjunk- wieder einbehalten kann. Obendrein kön- anderswo als arger Traditionalist und Ruineur turabhängiger gemacht. Und er hätte die nen die Länder über die Finanzausgleiche der Volkswirtschaft vorgeführt werden. Steuerlast von (Groß-) Unternehmen auf Pri- den Kommunen Mittel vorenthalten oder vathaushalte und Mittelständler verlagert.Die nehmen. Die Kommunen mussten also bei Kampf um eine andere Republik: Kommu- Industrie hätte wenig Interesse an der Kom- einem Strukturdefizit von 10 Milliarden Euro nen kontra BDI mune, und diese an Ansiedlungen. Struktur- davon ausgehen, dass der,,Reformentwurf" Die Kommunalen fanden sich in der Kanzler- schwache Kommunen würden gezwungen, die Gewerbesteuer beschädigte und ihre rede vom 14. März zur,,Agenda 201 0" wieder: hohe Zuschläge zu nehmen, strukturstärkere Einnahmen nicht verbesserte. Schröder versprach eine tief greifende Ge- könnten niedrige Sätze wählen. So würden meindefinanzreform zum l.1.2004 auf Basis die Gegensätze von City und Umland, von Gemeindefinanzreform im Politkarussell einer modernisierten Gewerbesteuer sowie arm und reich verstärkt statt verringert. Es Während sich in Wirtschaftskreisen,,klamm- eine Zusammenlegung der Arbeitslosen- und ging also letztlich um die Frage, ob weitere heimliche Freude" ausbreitete, saßen Wut Sozialhilfe in Zuständigkeit des Bundes. Bei- Vorteile für die Wirtschaft von der Armut der und Frust tief bei den Kommunalen aller Par- des zusammen sollte den Kommunen mehre- Bürger und der öffentlichen Hände bezahlt teien (noch im Juni beim Städtetag in Mann- re Milliarden Euro pro Jahr bringen.Auch dies werden. heim war Erwin Teufel mit dem BDI-Modell hielt die SPD-Kommunalen auf Agenda-Kurs Dabei votierte die Kommissionsmehrheit für auch bei den Unions-Kommunalen abge- und überzeugte auch viele Unions-Kommu- das Kommunalmodell. Anfang Juni stellte blitzt!) Die Regierung hatte eine einmalige Chance verschenkt: Plötzlich stehen alle Gewerbesteuer zur wettbewerbsneutralen Kommunalverbände und fast alle Länder ge- kommunalen Wertschöpfungssteuer umge- gen sie. Die Union ist nun in der bequemen baut werden, die die Produktionsfaktoren Lage, mit Ländermehrheit die Freiberufler Arbeit und Kapital gleich behandelt.(Hickel) ,,zu retten", d.h. sie aus der Gewerbesteuer- Alles dies ist nach bisherigen ,,Reformver- pflicht auszunehmen, und mit dem Sofort- lauf" leider unwahrscheinlich. Programm - v.a. der Senkung der Gewerbe- steuerumlage - die Kommunen„zu retten". Was tun, bittere Lektionen für Partei und Die Verbände sind sich einig im Protest ge- Kommunen gen den Eichel-Entwurf,aber auch gegen die Politisch haben die Kommunen bitter ge- Unionspläne,die Kommunen für dievermitt- spürt, dass sie außer mit Wahlterminen lung arbeitsfähiger Sozialhilfeempfänger zu- kaum mit etwas drohen können. Bund und ständig zu machen. Nach Tagen der Depres- Ländern ist das eigene kurze Hemd näher als sion erhob sich ein Proteststurm, der seine jede kommunale Jacke. Die SPD hat kurz vor Wirkung auf die Bundestagsfraktionen von dem,,Super-Kommunalwahljahr 2004 viele Rot-Grün nicht verfehlte. So schwenkte die Kommunale gegen sich aufgebracht. Bei der SPD-Fraktion Anfang September auf die Frage nach Bündnispartnern in SPD und Ge- kommunalen Forderungen ein und beauf- sellschaft fällt auf, dass Linke und Gewerk- tragte eine AG aus Finanzern und Kommu- schafter bei der Finanzreform kommunale nalen, den Eichel-Ent- Positionen vertraten, wurf umzuarbeiten. aber beide Seiten bei Der bereits Mitte Sep- Politisch haben die der ~genda-~ebatte tember in die erste Le- in verschiedenen La- Redaktion Sozialismus: Anpassungskurs; sung eingebrachte Ei- Kommunenbitter gespürt' gern hockten. Dialog Klaus Willkomm-Wiemer: Schweden - chel-Entwurf steckt dass sie außer mit null. Bei den diversen ~Europaja - Euro nej«;Lars KlingbeilIKai nun im politischen Po- Treffs der SPD-Linken Wahlterminen kaum mit spielen kommunale Burmeister: Nach Cancun - wie weiter kerspiel zwischen den mit der WTO? Hans-Henning Adler: ~agern,in Bundestag, etwas drohen können. Themen SO gut wie Schlechter als das Grundgesetz. Zum EU- Bundesrat und Ver- keine Rolle. Das muss Verfassungsentwurf mittlungsausschuss die Linke ändern, will fest. Noch ist unklar, was am Ende heraus sie noch ernsthaft eine Rolle spielen.Und die Joachim BischoffIRichardDetje: Neujus- kommen wird, sicher ist nur: Der Eichel-Ent- SPD braucht Reformen,die mehr beinhalten tierung der Sozialen Sicherungssysteme. wurf hat keine Chance. als die Übernahme der Thesen der Wirt- Zum Bericht der Rürup-Kommission; schaftsverbände, um wieder von denen ge- Gine Elsner: Privatisierungvon arbeitsbe- Wie geht's weiter? wählt zu werden,die sie bezahlen sollen:die dingten Krankheitsfolgen; Harald Matt- Vermutlich Mitte Oktober beschließen die Arbeitnehmer (,,Neue Mitte" wie,,kleine Leu- feldt: Niedriglöhne und gesellschaftliche Koalitionsfraktionen einen Entwurf auf Basis te") und die Kommunen. Nachfrage des Kommunalmodells, den die Union im Die Kommunalen schließlich müssen sich Bundesrat ablehnt. Wenn die Reform zum fragen, ob zur Änderung ihrer Lage die Mi- Michael Wendl: Nach der Fusion - Wie 1.1.2004 kommen soll, wird man sich im schung aus Parteiloyalität -,,der Herr Minis- weiter mit ver.di? Hans-Jürgen Urban: Spätherbst im Vermittlungsausschuss eini- ter wird's schon richten" - und Kirchturms- Die Zukunft des Sozialstaats; Zukunftsfo- gen müssen, Inhaltlich wird wohl eines der politik ausreicht. Eine Lehre aus dem Verlauf rum Stuttgarter Gewerkschaften: 15 The- Elemente - Einbeziehung der Miet-, Pacht- ist:Ohne öffentliche Drohkulisse und interne sen gegen die Agenda 2010 und Zinserträge oder die der Freiberufler - Verankerung in der Parteispitze - die Partei- Sebastian Herkommer: Renaissance kriti- auf der Strecke bleiben, der Bund behält wahlen in Bochum lassen schön grüßen - ist scher Industriesoziologie;Thomas Weiß: wohl die Zuständigkeit für die Empfänger man auf freundliche Gaben der,,Großkopfe- Engels- und Teufelskreise (Zu Brenners des sog.Arbeitslosengeld II und die Kommu- ten" angewiesen. Fest zu halten bleibt aber »Boom €t Bubble«);Joachim Wilke: Für nen erhalten Ersatz dafür,das die zugesagte auch, der Entwurf zur Gemeindefinanzre- eine globalisierte Vernunft; Harald Stärkung der Gewerbesteuer ausfällt. Ob es form, war der erste seit 1998,den die Frakti- Jentsch: Eine Legende wird 80 in dieser Konstellation gelingt,die Wirtschaft on komplett ,,gekipptu hat, die Kommunen Der »deutsche Oktober« 1923 wieder an der Finanzierung kommunaler sind also nicht ganz zahnlos und es gibt Aufgaben zu beteiligen und mehr Arbeit zu durchaus Kräfte in der SPD, die die Bedeu- Joachim BischoffIHans-Georg Draheim: vermitteln, ist offen. Das ist wenig Ertrag für tung intakter Kommunen für die Volkswirt- Warenproduktioneiner sozialistischen ein Reformprojekt. schaft und die Regierungsfähigkeit der Par- Ökonomie (Replik auf Ingeborg Dummer); tei erkannt haben. SPW 4 12003 Marion Fisch: »Rosenstraße«(Filmkritik) Was müsste geschehen? Zur Stärkung der Kommunalfinanzen, müss- Literatur: Supplement: Hansgeorg Conert Stefan Grönebaum, SPD-Kommunalpolitik wohin? In: te die Regierung - so der Bremer Ökonom Neoliberalismus und Weltmarkt SPW109.Se~temberlOktober1999.S.2lf. Rudolf Hickel - kurzfristig ein milliarden- ders., Die mühsamen Paradigmenwechsel der SPD, in schweres kommunales Investitionspro- Neue Gesellschaft 811999,S,677Ff, gramm die Gewerbesteuerum- ders., Schaut auf diese Städte, in: Berliner Republik 61 lage senken und den Umsatzsteueranteil er- 2002.5.33f. Probeabo (3 Hefte): Abo: £ 10,- Abo: £ 62,- (erm. £ 44,-) mindest besteuern, ihr die Steuerschlupflö- Gesellschaft 7+8/2003,49ff. Redaktion Sozialismus RudolfHickel, Keine Entwarnung für die Kommunen, in: cher verstopfen, die Veräußerung von Betei- 16,Auqust 2003 St. ~eor~s'~irchhof6, 20099 Hamburg iigungen wieder besteuern und die Grund- H.Mäding,in ~~~0912002 Fax 0401280 505 68 steuern erhöhen.Vor allem aber müsste die Franz Walter, Die SPD.2001,Die Jahre unter Kohl,S.215ff. e-Mail: [email protected] Vorletzte Anmerkun- dass solche Ideen zu dem fatalen Trug- E schluss verführen,Menschen könnten durch Norman Birnbaum jI gen zum Sozialismus eine linke Avantgarde im Schnellverfahren E zur Solidarität gezwungen werden. Und er Norman Birnbaum - Nach dem Fortschritt - erinnert uns an die grundlegende Überein- Vorletzte Anmerkungen zum Sozialismus - stimmung zwischen dem judäisch-christli- DVA Stuttgart - München - 2003 ISBN 3 - 42 1 chen Glauben und dem Sozialismus: beide Vorletzte Anmerkungen - 055 15 - 7,496 Seiten - Preis: 34 Euro Denkbewegungen beharren auf die unauf- zum Sozialismus lösbaren Banden der Menschen untereinan- Norman Birnbaum definiert Sozialismus als der.Auch ein Wissenschaftlicher Sozialismus I Prozess. Sozialistisches Engagement suche bleibt nach Birnbaum auf diese vor-rationale den Markt zu bändigen und unnötiger Un- utopische Verwurzelung angewiesen, wenn gleichheit zwischen den Menschen ein Ende er nicht barbarisch enden will. zu setzen. Es setze darauf, primäre Solidari- Der Rationalismus im sozialistischen Denken tätsgefühle, unter gebotener Beachtung der habe auch zu dem Fehlschluß verleitet, dass Verhältnismäßigkeit,auf die gesamte Gesell- die romantische Denkweise in sozialistischen schaftsstruktur auszudehnen. Diskussionen weitgehend nur alsTeil einer Ge- Sozialistische Reformisten und Revolutionä- genaufklärung aufgefasst wurde. Birnbaum: re können sich in seiner Begriffsbestimmung „Die Berufung der Romantik auf eine erreich- wiederfinden. Der Hinweis auf die unnötige barer Welt der kraftvollenTätigkeit des Gefühls Ungleichheit deutet auf das marxistische und der Freiheit ermöglichen nicht nur, son- I DVA 1 Geschichts- und Gesellschaftsverständnis dern erzeugen revolutionäreVisionen." hin. Aber Birnbaums Vorstellung von Sozia- Allerdings hält Birnbaum deutlich fest, dass re Vorstoß Richtung ein anderes Amerika lismus hat nichts gemein mit den historisch das sozialistische Denken in hohem Maße in machen zu können,ins Leben zu erhalten. Es unheilvollen engherzigen Politikideen der den Traditionen der Aufklärung verwurzelt ist verdammt schwer." Linken. ist. Auch wenn es in der Geschichte überall Deshalb plädiert Birnbaum für eine stärkere Die Impulse, die in den letzten 200 Jahren auf der Welt Aufstände der Unterdrückten Vereinigung der europäischen Staaten. Auf zum Sozialismus drängten, speisten sich, gab, - das planmäßige Streben nach einer die USA wirke das europäische Sozialmodell meint Birnbaum, aus christlichen Vorstellun- anderen Gesellschaft habe aber wiederum seiner Meinung nach bedrohlich. gen von Gemeinschaft, nationalen Konzep- nur der Westen erfunden. Den sozialdemokratischen Parteien in Weste- ten des sozialen Ausgleichs, radikaldemokra- Im Kapitel,,Das Goldene Zeitalter und wie es Uropa wirft er vor,nun aber in die neoliberale tischen Ansichten und brüderlichen Gefüh- zu Ende gingn,spürt Birnbaum den Gründen Richtung abzuwandern.Allerdings bleibe das len der Solidarität. nach, warum in Europa der Nachkriegszeit europäische Sozialmodell in die Widersprü- Sozialistisches Denken lebe von der Idee,die der Wohlfahrtsstaat in die Krise geriet. Die che eines globalen Kapitalismusverwickelt. Vernunft auf bislang für unveränderbar ge- Konsumbedürfnisse der Bevölkerung waren Dazu Birnbaum wörtlich: „Ein Freund von haltene ökonomische und soziale Prozesse größtenteils so weit befriedigt, dass neue mir, Dennis Swan, ein sehr gescheiter ameri- ausdehnen zu können. Wenn er die histori- Wünsche gar nicht so schnell geweckt wer- kanisch-kanadischer Soziologe, hat einmal schen Debatten der marxistischen Linken den konnten, um ausreichend wirtschaftli- gesagt, soziale Demokratie ist die höchste skizziert, warnt er jedoch vor dem rationalis- che Wachstumsimpulse zu schaffen. Form von Kapitalismus... Diese Leistungen tischen Kurzschluss, Sozialismus als reine Abschließend lässt er keinen Zweifel daran, der Nordhemisphäre,genauso wie die Nach- Vernunftangelegenheit zu verstehen. dass die staatliche Kontrolle der Märkte kriegsprosperität von den Vereinigten Staa- Sozialistisches Denken ziele auf eine rational weiterhin der wichtigste Schlüssel dafür ist, ten, hat etwas zu tun mit dem Zugang zu bil- nicht erschöpfend bestimmbare Erlösung die gesellschaftliche Solidarität zu ermögli- ligen Rohstoffen, der Abwesenheit von von menschlich verursachtem Leid. Norman chen. Über eine romantische Kulturrevoluti- ernsthafter Konkurrenz - denken sie,was die Birnbaum schreibt:,,Keine Gesellschaft ist je on alleine ließen sich soziale Fortschritte Japaner bei uns angerichtet haben, als die auf diese Weise organisiert worden und kei- nicht erreichen, wie die Niederlage der ame- ihre Autoindustrie entwickelt haben." ne wird vermutlich so organisiert werden rikanischen,,Neuen Linken" der USA in den Birnbaums Ansicht nach führt kein Weg an können". 6Oer-Jahren bewies. ,,einem gewissen Beitrag der westlichen Auch Karl Marx hielt sich zugute,die religiö- ,,Es gab eine Art Schrumpfung des histori- Länder" vorbei.Sein Buch hat er daher Willy sen Eierschalen des utopischen Sozialismus schen Horizonts. Wir haben uns in Verteidi- Brandt, der die Nord-Süd-Problematik auf abzustreifen, als er das Konzept eines wis- gungsstellung gefunden.Wir müssen unsere die Agenda der sozialistischen Parteien setz- senschaftlichen Sozialismus propagierte. Traditionen wie etwa social security,wie me- te, gewidmet. Die Geschichte des sozialistischen Denkens dicare - diese Einrichtungen verteidigen,um führt uns noch einmal deutlich. vor Augen, nur die Möglichkeit in der Zukunft ein ande- (Ingo Zander, Kerpen)

Arm und Reich da lesen? Zum hundertfünfundfünfzigsten An diesem Punkt kann Abhilfe geschaffen Mal erfahren Sie, dass sich die Armut im werden. Denn der fleißige Kölner Korrupti- Werner Rügemer, Arm und Reich, Bibliothek deutschen,europäischen und Weltmaßstab onsforscher und Publizist Werner Rügemer dialektischer Grundbegriffe Band 3, Bielefeld verschärft, ja bisweilen sogar erhöht hat. hat sich die Mühe gemacht, extra für Sie in 2002,45 Seiten, 7,60 Euro Und vielleicht fragen Sie sich ja alsbald auch einem kleinen,feinen Bändchen die Fragen dann und wann, wie es denn um den heili- von Armut und Reichtum aufzuklären. Dabei Geht es Ihnen auch so? Sie schlagen mal gen nationalen und internationalen Reich- nimmt er sich zunächst den gebührenden wieder Ihr Leib- und Magenblatt auf,um sich tum so beschieden ist und ob das eigentlich Raum,um die vorhandenen Erkenntnissezur über die Geschehnisse auf diesem schönen etwas miteinander zu tun hat. Und wenn ja, Armuts- und Reichtumsforschung in Planeten zu informieren und was müssen Sie was? Deutschland und der Welt vorzustellen. Doch lässt er es - im Unterschied zu vielen Auf diese Leerstellen im Bundesbericht auf- sein.Viele Arme sind arm,weil sie es unmit- Armuts- und Sozialforscher(inne)n - nicht merksam machend, analysiert Rügemer die telbar mit feudalherrenartigen Grundbesit- dabei, sondern untersucht die historische Entstehung und Funktion von Reichtum so- zern zu tun haben. Desgleichen sind viele Entstehung und Entwicklung sowie die Kau- wie seinen legitimen und illegitimen Ge- Reiche nicht reich oder nicht nur reich, weil salzusammenhänge von Armut und Reich- brauch. Der Modus des Reichtumserwerbs sie zu den dominierenden Kapitalisten ge- tum. Hierdurch treten beeindruckende, für und die Rolle von Macht und Machtmiss- hören, sondern weil sie alte Reichtümer und sozialistische Leserlinnen dieser Zeitschrift brauch sind dabei zentral. Der Autor unter- Privilegien aus früheren Epochen besitzen vielleicht nicht sonderlich überraschende, sucht die Entstehung von Profitraten, und oder repräsentieren. Dass das Verhältnis aber dennoch er- bzw. auffrischende Er- wie sie durchgesetzt werden. Sein besonde- ,arm-reich' weiter besteht und sich gegen- kenntnisse zu Tage. res Augenmerk gilt dabei Reichtum und Ge- wärtig sogar ausweitet, ist zwar im Kern dem So z.B., dass die Bundesregierung im ersten winn, sofern sie nicht auf individueller Leis- Gegensatz von arm und reich in seiner mo- Armuts- und Reichtumsbericht behauptet tung, betriebswirtschaftlicher Rationalität dernsten kapitalistischen Form geschuldet, oder suggeriert,es gebe keinen ursächlichen und auf Marktmechanismen beruhen, son- aber nicht in jeder Einzelheit und für jede Zusammenhang zwischen Armut und Reich- dern auf Selbstbedienung der Vorstände Person direkt von ihm verursacht. Die Ergeb- tum. Während die statistischen Daten zu Ar- und Insider, auf Kartellbildung, Steuerflucht nisse und Folgen eines 4.000-jährigen arm- mut einerseits und Reichtum andererseits be- und Steuerhinterziehung, schließlich auch reich-Verhältnisses sind in der gegenwärti- ziehungslos nebeneinander stehen, schlägt auf Korruption. Der Kölner Publizist betrach- gen Menschheit angehäuft und lasten als das Bundeskabinett nur Maßnahmen hin- tet den Verwendungszweck von Reichtum ein scheinbar normal gewordener Alptraum sichtlich der Armut vor (Förderung des Immo- und insbesondere Betriebsvermögen und auf uns." (5.31) bilienerwerbs, Kindergelderhöhung, Schuld- verweist auf die Momente, wo erstere zur Schließlich ist darauf zu verweisen,dass, wie nerberatung u.ä.), nicht aber hinsichtlich des Schädigung der Gesellschaft dienen, bspw. es Karl Marx formuliert hat, Armut und Reichtums (wie etwa die Wiedereinführung indem Arbeitsplätze zerstört, Menschen- Reichtum als,,Pol und Gegenpol der kapita- der Vermögensteuer etc.).Da Reichtum,,wich- rechte verletzt, Politiker bzw. politische Par- listischen Produktion" eines iri sich wider- tige positive gesellschaftliche Funktionen im teien gekauft und die Umwelt vergiftet wird. sprüchlichen Ganzen bestehen (MEW 23, S. ökonomischen, sozialen und kulturellen Be- Besonders interessiert sich Rügemer für die 725).,,Die Akkumulation von Reichtum auf reich" habe, nimmt die Bundesregierungden Frage, inwiefern und unter welchen Bedin- dem einen Pol ist zugleich Akkumulation Reichtum von jeder möglichen Maßnahme gungen gesetzwidriger, machtgestützter von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissen- aus und fordert,den,,in Deutschland vorhan- und monopolistischer Erwerb von Reichtum heit, Brutalisierung und moralischer Degra- denen Wohlstand und Reichtum nicht zu dä- und Produktivvermögen zur Armut und Ar- dation auf dem Gegenpol,d.h.auf Seiten der monisieren und Neiddiskussionen keinen beitslosigkeit Dritter führt. Diesbezüglich er- Klasse, die ihr eigenes Produkt als Kapital Vorschub zu leisten." (Armuts- und Reichtums- scheint die Argumentation der Bundesregie- produziert." (ebd., S. 675) Deshalb müsste bericht 2001,S.3) rung einer (blauäugigen?) Verschleierung auch sozialistische Politik über bloße Umver- Während aber das Bundeskabinett in sei- der realen Verhältnisse gleichzukommen, teilungsforderungen hinauskommen zu so- nem Bericht die Superreichen ausdrücklich wenn sie undifferenziert und lapidar betont, zialer Emanzipation jenseits des Klassenver- gegen Dämonisierungen und,,Neiddiskus- dass sich die,,Ungleichheit der Einkommen hältnisses. Man muss nicht der übertriebe- sionen" in Schutz nimmt, hat es keinerlei (..J aus dem Marktprozess" ergibt. (Armuts- nen und historisch falschen Ansicht von Skrupel, wenn sich solche Kampagnen ge- und Reichtumsbericht 2001,S. XVI) Franz Schandl sein, dass Umverteilung gen Erwerbslose und Sozialhilfebezieher/ In seiner grundsätzlichen Kritik vorherr- schlichtweg unmöglich sei. Für ihn ist,,eine innen richten. Vielmehr scheint auch die schender Armuts- und Reichtumsbetrach- einfache Division der Güter oder der Arbeits- rot-grüne Regierungskoalition erfreut tungen,verweist der Autor auf die unterbe- plätze, wie sie die Umverteilung vorschlägt, darüber zu sein,dass hoch bezahlte Journa- lichtete empirische Analyse über Umfang, (...) auf der Basis kapitalistischer Verhältnisse listlnnen die Opfer ihrer verfehlten Arbeits- Entstehung und Wirkungen von Armut und gar nicht machbar, denn es ist schließlich markt- und Sozialpolitik zu Sündenböcken Reichtum sowie ihren Zusammenhang. Da- stets so,dass die,Verteilungsverhältnisse we- machen. Anders lassen sich die diversen - gegen unterstreicht er, dass Arm und Reich sentlich identisch mit diesen Produktions- ex- und impliziten - ,,Sozialschmarotzer"- ein dialektisches Verhältnis eingehen, das verhältnissen, eine Kehrseite derselben sind.' und ,,Faulenzeru-Kampagnen eigentlich vom Reichtum her übergriffen und daher (Marx).Jene können von diesen nicht abhe- nicht erklären. bestimmt wird und das wesentlich Ausdruck ben. Die Umverteilung ist eine Unverteilung. Gleichzeitig werden im Armuts- und Reich- des Verhältnisses von Lohnarbeit und Kapi- Sie ist nicht möglich." (junge Welt v.6.1.2003) tumsbericht vor allem die rot-grüne Renten- tal ist. Doch erklärt er auch warum nun den- Dennoch sollte Marxens Kritik des Gothaer und Steuerpolitik als herausragende Maß- noch weiter die Begriffspaare,arm-reich'und Programms der deutschen Sozialdemokra- nahmen gegen Armut gepriesen.Bei genau- ,Armut-Reichtum' verwandt werden, wo es tie, in der er ihr vorwarf .den Sozialismus erer Betrachtung entpuppen sich jedoch ge- doch im Kern um das dialektischeVerhältnis hauptsächlich als um die Distribution sich rade die Riester'sche Renten- und die von Arbeit und Kapital geht.,,Die Verwen- drehend darzustellen", gerade auch in der Eichel'schen Steuerreformen als kolossale dung ist nicht nur sinnvoll, sondern notwen- heutigen Zeit als unverändert aktuell ange- Umverteilungsprojekte von unten nach dig. Denn die meisten Armen, sogar heute, sehen werden. oben. Denn während die Strukturprinzipen angesichts des globalen Siegeszuges ,desf Einen Schritt in die richtige Richtung geht der umgestalteten Altersversicherung -Teil- Kapitalismus, sind nicht arm wegen eines daher, wer sich Rügemers außerordentlich privatisierung sozialen Risikos und Arbeitge- unmittelbaren Lohnarbeitsverhältnisses lehrreiches und kompaktes Studienbüchlein berentlastung - eine wieder zunehmende oder einer nachfolgenden Arbeitslosigkeit, beschafft, um in Zeiten (nicht nur sozialde- ,,Seniorisierung" der Armut forcieren, hat die sondern nur infolge einer Fernwirkung,desf mokratischer) neoliberaler Höllenfahrten zu rot-grüne Steuerreform den Staat, die Län- Kapitalismus. Das können Spätfolgen des überwintern und nicht zu verdummen.Es sei der und Kommunen systematisch verarmen ehemaligen Kolonialstatus sein,das können deshalb all denjenigen empfohlen, die die lassen und die Spitzeneinkommen sowie die Abhängigkeit von Weltmarktpreisen,die ,,Zeit der Kirschen" noch nicht vergessen ha- Gewinne und Vermögen radikal entlastet Ausplünderung eines Landes durch einige ben und an einem gegenhegemonialen Pro- (ähnliche Resultate lassen sich jetzt schon Konzerne,durch Teile der eigenen ausgehal- jekt weiter arbeiten - trotz alledem. für die Hartz-,Rürup- und Agenda 2010-Kon- tenen Elite, das kann die von der Weltbank zepte prognostizieren). regulierte Staatsverschuldung eines Landes (Michael Klundt, Köln) Kritik der reinen lesendes Paradies, ohne Gewalt, mit einem hen reichlich unerfrischender Demographie erst dann überwundenen kalten Krieg und und vorsichtig ausgedrückt geschichtsneu- Oberfläche einem Staat USA,der nicht mehr Primus inter tralen Versuchen über eine jeglicher Seman- Pares seien kann und in dem die wirtschaft- tik befreiten Modernisierungsdynamik, mit- EmmanuelTodd: Weltmacht USA. Ein Nachruf lich unterentwickelten Staaten es zu Abbil- tels Bildung, Geburtenkontrolle und dem München, Zürich: Piper 2003.265 Seiten. PREIS dern der sogenannten ersten Welt gebracht ,,natürlichen" Gang kapitalistischer Wirt- haben. schaft eine Reduktion der Rolle der USA vor- Die US-amerikanische Sängerin und Ikone al- Todds Essay ist dabei keineswegs ein kriege- herzusagen. Etwa hundert Seiten später be- ternativer KuItur,Ani DiFranco, leistet in einem risches Pamphlet, noch romantisiert der Au- kräftigt er überflüssigerweise,was einer auf- ihrer gesungenen Gedichte eine treffende Si- tor seine Entwicklungsperspektive.Vielmehr merksamen Leserschaft kaum entgehen tuationsbeschreibung der USA:,,Nimm einmal fällt er vorbehaltlos auf die Mythen der libe- konnte,der Kapitalismus ist fürTodd,,die ein- unsere Flughäfen und Playstations weg und ralen Demokratie und auf seine eigene zige vernünftige wirtschaftliche Organisati- du hast ein Dritte-Welt-Land", behauptet sie Übersteigerung eben dieser herein; nach sei- onsform" - indem jenem Wirtschafts- und sinngemäß. Der austroamerikanischeTermi- nem Verständnis stand die USA als,,die Lö- Sozialsystem so das Monopol an Vernunft nator Arnold Schwarzenegger, der in einem sung" aller Probleme:,,Ein halbes Jahrhun- und gar Natürlichkeit überlassen wird, kann vermutlich als Überkompensation zu diag- dert lang standen die USA für politische und eine über Oberflächenphänomene hinaus- nostizierenden Habitus als rechter Republika- wirtschaftliche Freiheit, aber heute erschei- gehende Kritik schwerlich erwartet werden. ner die konservativen Werte des zum Reich- nen sie immer mehr als ein Faktor der inter- Die gegenwärtige Situation analysiert Todd tum gelangten Kleinbürgertums vorlebt, wit- nationalen Unordnung, und wo sie können, dabei als gewaltbeladene Übergangsphase, zelte bei seinen Truppenbesuchen in aller fördern sie Instabilität und Konflikte." Für ei- in der,,die Menschen [...I den Halt verloren Welt über den Umstand,dass die Streitkräfte nen promovierten Historiker wie Todd ist [haben], die Folge ist Gewalt in Gesellschaft mit völlig unzureichender Strom- und Was- diese Perspektive - und sei es aus der essay- und Politik.Der Eintritt in die geistige Moder- serversorgung und mitten in der Wüste zu istischen Betrachtung - geradezu disqualifi- ne wird oft von einer Eruption ideologischer kämpfen haben,,,das ist ja wie in Kalifornien." zierend ahistorisch. Man muss nicht Christo- Gewalt begleitet." Tatsächlich vermag er Er tat dies, bevor die halbe Ostküste und sym- pher Hitchens,,Trial on Henry Kissinger" oder dabei die Politikder USA als Modus operandi bolträchtig die einstmalige City of Light, New Anthony Summers grandiose Nixon-Biogra- sogar zu erfassen, wenn er in der Kapitel- York, wegen einer Panne tagelang in Dunkel- phie,,The Arrogance of Power" gelesen ha- Überschrift verspricht,den,,Mythos des welt- heit versank. Der Weltöffentlichkeit bot sich ben, um mit diesen einführenden Worten die weiten Terrorismus" zu diskutieren. so ein unvermittelter Einblick auf den maro- Lektüre von Todds Bestseller zu beenden. Ein Allerdings scheint seine rein auf die poli- den Unterbau jenes glänzenden Vorbilds der wenigstens bruchstückhafte Rezeption der tisch-wissenschaftliche Elite reduzierte Dis- westlichen Welt,dessen Regierung aus lauter US-Außenpolitik etwa seit dem Ende des kursanalyse hier wenig ergiebig, sonst wür- Millionären besteht und von einem kaum zweiten Weltkrieges bezüglich Lateinameri- de es sicher für mehr,als nur ein paar Allge- halbgebildeten, christlich-fundamentalisti- ka und Cuba, dem nahen und fernen Osten meinplätze zum Kapitelende reichen. Tat- schen Texasrancher aus steinreicher Familie gleichermaßen,zeigen der grundsätzlichen sächlich wirken große Teile des Essays wie geleitet wird. Annahme, die USA stünde in irgendeiner eine Wiederholung und entsprechender Ak- Diese Melange aus Dekadenz, wirtschaftli- Weise für die liberalen Werte der Aufklärung tualisierung von statistischem Material, das cher Macht einiger Weniger, militärischer Ge- mehr als deutlich die Grenzen auf. Ebenso Emmanuel Todd schon einmal in seinem walt,sowie die unkaputtbaren Mythen einer zeigt die Innenpolitik der USA allenfalls blas- aussagenschwachen Buch über Neolibera- liberalen Demokratie und Thesen über eine se Spuren eines elaborierteren Demokratie- lismus (Die neoliberale Illusion, 1999) ge- imperiale Dimension der Außenpolitik the- verständnisses - dies betrifft sowohl die Ver- sammelt hatte. matisieren etliche Publikationen, insbe- fasstheit der Institutionen wie auch ihre fak- Todd stellt nur sehr unterkomplexe Bezüge sondere nachdem sich die USA im Zuge der tische Funktionsweise nicht erst seit der soziopolitischer Natur zur Rolle der USA ge- Anschläge vom 11. September 2001 als un- Reinstallation eines technisch versierten und genüber in Pakistan,im Iran oder ähnlichen gemein verletzlich präsentiert hat. Emmanu- religiös aufgeblasenen McCarthyismus der Gegenden her, eine historisch-kulturelle el Todds,,Weltmacht USA. Ein Nachruf" bietet Regierung von George W.Bush. Analyse des Islam (der somit höchst fahrläs- einen provokanten Titel und eine in diesem Derartige Kritiken überlässt Emmanuel Todd sig und doch einem allgemeinen Diskurs Stile begründendeThese,dass,,Amerika sich freilich den von ihm so genannten,,Amerika- entsprechend gleichgesetzt wird mit Vor- im Niedergang befindet. [...I Die wirtschaftli- gegnern1',an deren Spitze er Noam Chomsky moderne und terroristischer Bedrohung) che Abhängigkeitsverhältnisse zwischen verortet. Mit ein paar vermeintlich Iäppi- selbst findet nicht statt. den Vereinigten Staaten und anderen Län- schen Bemerkungen (,,haben sich nicht wei- Handfester werden Todds Ausführungen bei dern kehren sich um, und die Dynamik der terentwickelt", ,,verhalten sich zur Realität der Untersuchung der wirtschaftlichen Ab- demokratischen Entwicklung kehrt sich um, wie eine stehengebliebene Uhr - zweimal hängigkeit der USA von Importen und Wirt- in Eurasien erleben wir einen Zuwachs an am Tag zeigt sie die richtige Stunde") ver- schaftskooperation. Dies betrifft - populär Demokratie, in Amerika einen Rückgang." sucht Todd jegliche kritische Stimme zu de- diskutiert im Zusammenhang mit der „Be- Diese vielfach variierte These beruht 1egitimieren.Todd bezieht seine Quellen zur freiung" des Irak- fossile Energie und die ei- zunächst auf einer freilich recht simplen Mo- politischen Disposition amerikanischer Poli- nen größeren Raum einnehmenden Impor- dernisierungsteleologie, die der Autor an- tik,die er nebenbei als,,aufschlussreicher" ti- te von Industrieprodukten ganz unter- hand von allerlei demographischem Materi- tuliert, lieber aus den Auslassungen von Paul schiedlicher Fertigungsstufen. In einer losen al belegt:,,Die Abfolge Alphabetisierung - Kennedy, Samuel Huntington, Zbigniew Analogie zur sozioökonomischen Entwick- Revolution - Rückgang der Geburtenzahlen Brzezinski, Henry Kissinger und Robert Gil- lung des römischen Imperiums zeichnet ist zwar nicht universell zu beobachten,aber pin -also dem politischen und wissenschaft- Todd so mit dem Blick auf das seit den doch ein klassisches Muster." Mit der Alpha- lichen Establishment der USA. 1970er Jahren steigende Außenhandels- betisierung tritt der Mensch, so Todd in ein Nachdem der Autor seine Quellenlage und Überschuss einen Wandel der volkswirt- ,,entscheidendes Stadium seiner Entwick- seine politischen Bezüge derart aufgedeckt schaftlichen Dimension der USA nach:,,Es ist lung ein." Es folgt Geburtenkontrolle,Gewalt hat, eröffnet er in einem ersten Schritt ein zunehmend so, dass die Welt produziert,da- und schließlich nach der,,Übergangsphase" weite Perspektive aus französisch-liberalem mit Amerika konsumieren kann.ln den Verei- vermutlich ein geburtenkontrolliertes,allzeit Amerikaskeptizismus, bei genauem Hinse- nigten Staaten bildet sich kein Gleichge- wicht zwischen Importen und Exporten Neben dem wirtschaftlichen Missverhältnis ellen Statistiken weisen eher auf eine Aus- heraus. Die autonome, geradezu überpro- zwischen Produktion und Konsum und der weitung der finanziellen Macht der bereits duktive Volkswirtschaft der unmittelbaren daraus resultierenden Asymmetrie der Han- reichen Klassen in Europa hin,analog zu den Nachkriegszeit ist zum Zentrum eines Sys- delsbilanz bietet Todd im Anschluss an eine freilich radikaleren Entwicklungen in den tems geworden, in dem ihre Berufung der vorsichtige Kritik am US-amerikanischen Ca- USA - bei gleichzeitigen Verlusten jener ab- Konsum ist und nicht die Produktion." Das sino-Kapitalismus. Zwar konstatiert der Au- hängig Beschäftigen aus den Milieus der betrifft insbesondere jene verarbeiteten Gü- tor eine der daraus resultierenden Stärkung Mittelklassen und sowieso der wirtschaftlich ter,die im Jahr 2001 für 366 Mrd.U$ Handels- der Machtposition von der sehr reichen Klas- Ärmsten der Gesellschaften. defizit verantwortlich sind. sen und eine Zuspitzung der Reichtumspy- Tatsächlich benötigt Emmanuel Todd eine von Realiter hat sich allerdings nicht nur in den ramide weltweit. Diese Analyse Iässt sich dieser Sichtweise abweichende Analyse, USA,sondern auch im europäischen und asia- allerdings schon bei Marx als die Expropriati- schließlich läuft seine hypothetische Pointe tischen Kontext eine angebotsorientierte on der Expropriateure finden und wird vom des Abschieds der USA von ihrer Hegemonial- Wirtschaftspolitik im Sinne der Beschleuni- Autor nur noch einmal im Vokabular einer stellung auf die zwei gleichsam US-interne As- gung der Deregulierung zu Gunsten eineszu- globalisierten Wirtschaft schwächer dekli- pekte und das Moment des Erstarkens der Ge- nehmend international agierenden Kapitals niert. Todd entdeckt nebenbei die Gewiss- genspieler der USA hinaus: einerseits reichen durchgesetzt. Die Folge von Freihandels und heit der strukturellen Überakkumulation von nach Todd die militärischen und ökonomi- zunehmendem Wegfall von Besteuerung von Reichtum und der Produktion von vermehr- schen Zwangsmittel nicht einmal für den Sta- Großindustrie und Besitz sind - auch wenn ter Unsicherheit über die Radikalisierung ei- tus quo der Ausbeutung des Planeten, ge- Todd jene Analysen offensichtlich nicht wahr- nes weltweiten Börsenkapitalismus als han- schweige denn für ein alles beherrschendes, nimmt - die Krisenmerkmale des Fordismus: dele es sich um sein neugeborenes Kind. elliptisch zwischen Zentrum und Peripherie strukturelle Überakkumulation bei gleichzei- Daraus leitet er schließlich die,von soziomo- aufgeteiltes Empire;andererseits bezieht er sich tigem Einkommens- und Kaufkraftverlust von ralischen Bedenken ob der weltweit ver- auf eine Schwächung des weltanschaulichen Arbeitnehmerlnnen als Konsequenz einer mehrten Ausbeutung von abhängig Be- Universalismus als politische Ethik der USA. neoliberalen politischen Grammatik. Diese schäftigten weitgehend befreiten These, Was bleibt ist der Ausblick auf die zuneh- führt zur überall beobachtbaren Nachfrage- dass sich eine,,zunehmende Gefährdung der mend gewalttätige Kohäsion im Sinne der schwäche und Massenentlassungen aus der amerikanischen Hegemonie" aus der gleich- westlich und US-amerikanisch geprägte dennoch eine Kapitalvermehrung der besit- zeitigen Verminderung von Gewinnen und (Post)Moderne und den darin eingebetteten zenden Klassen resultiert. Dabei wird die so eine Bedrohung der Besitzstände der,,pri- Mythos der liberalen Demokratie - die Stär- wachsende Stagnation der Kaufkraft als poli- vilegierten Schichten der abhängigen Peri- ke oder Schwäche der USA selber ist dabei tische Handlungsoption für Umverteilungs- pherie" resultiert, ab. Allerdings verharrt nur ein Oberflächenphänomen, ihre syste- strategien unterdessen grade von den sozial- Todd hier in seiner sonst tabellengesättigten mische Logik wird zum Paradigma der Ge- demokratischen Regierungen Europas ver- Arbeit in der Pose des bloßen Postulierens. sellschaften. pönt,eine auch nur grob an Keynes erinnern- Der Bezug zum Niedergang der Hegemonie- de Politik grundsätzlich verworfen. stellung der USA wirkt etwas bemüht:aktu- (Lennart Laberenz, Berlin)

AHHDwFRW Spiele für Kinder, Jugendliche und Erwachsene F MRAWO

Diese Praxismappe gehört in jede Institution, die sich mit Kinder- und Jugendarbeit beschäftigt. Die sehr gute Strukturierung ermöglicht jedem einen schnellen überblick über die verschiedenen Spielarten, wie z.B. Kennenlernspiele, Bewegungs- U. Kooperationsspiele und Geländespiele, um nur drei der 15 im Buch beschriebenen Arten zu nennen. Somit kann Jede/r Spielleiter/in aus einem schier unendlichen Vorrat von Spielvorschlägen schöpfen. Den eigenen Phantasien sind keine Grenzen gesetzt, da die vorgegebenen Spiele immer wieder abgeändert oder verknüpft werden können, und so für die gegebene Situation immer ein passendes Spiel zur Hand ist. Für die noch unerfahrenen Spielleiter/innen unter Euch ist auch gesorgt. Auf den Seiten 9-25 werden detaillierte Hilfestellungen gegeben. Diese wesentliche Arbeitserleichterung ist schon bei vielen Betreuern/innen, Pädagogenhnen und Kindererzieher/innen, kurz allen Personen, denen das pädagogisch sinnvolle Spiel am Herzen liegt, äußerst beliebt. Diese 304 Seiten star- ke Publikation kostet 23,- DM plus Versandkosten.

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