B L L Das Deutsche Eck - Symbol nationaler Einheit oder Zeichen übertriebenen Nationalstolzes?

Betreuender Lehrer: Herr Nadler Schuljahr: 2012/2013 Von: Katharina Ritt Inhaltsverzeichnis:

1. Die Geschichte des Deutschen Ecks Seite 3

2. Die Bedeutung des Deutschen Ecks Seite 5

a) Symbol nationaler Einheit? Seite 5

b) Zeichen übertriebenen Nationalstolzes? Seite 12

c) Kritik & Reaktionen Seite 18

3. Zusammenfassung & Bewertung Seite 24

4. Quellenverzeichnis Seite 27

5. Anlagen Seite 28

1. Umfragebogen Seite 28

2. Auswertung der Umfrage Seite 29

3. Erklärung Seite 36

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1. Die Geschichte des Deutschen Ecks

Das Deutsche Eck wird von mehreren historischen Ereignissen beeinflusst.

Zuerst wurde die „Stätte nach der Niederlassung des Deutschen Ordens und dem Bau des Deutschherrenhauses mit dem Ordens-Kreuz“1 als ‚Deutscher Ordt‘ bezeichnet. Die Ritter des Deutschen Ordens kamen im Jahr 1216 auf Anweisung von Erzbischof Theoderich von Wied nach . Dieser „schenkte ihnen einen Teil des Geländes der Kastorkirche mitsamt dem dort befindlichen St. Nikolaus-Krankenhaus.“2 Kurz danach wurde auch die Deutschordensballei Koblenz gegründet. (Ballei bezeichnet allgemein einen „[Ritter]Ordensbezirk [bzw. generell einen] Amtsbezirk“3, in diesem Fall vom Deutschen Orden.)

Im 19. Jahrhundert wurde dann ein Hafen an der Moselmündung gebaut. Dieser musste jedoch Ende desselben Jahrhunderts aufgrund des Beschlusses, Kaiser Wilhelm I. ein Denkmal zu bauen, wieder zugeschüttet werden.

„Die Entscheidung für den Standort des Denkmals überließ man (…) Kaiser Wilhelm II., der sich 1891“2 für das Deutsche Eck entschied. Der Bau dieses Denkmals begann 1893 unter der Leitung von und Emil Hundrieser. „Am 31.08.1897 (…) (wurde das) Denkmal Kaiser Wilhelm I. (…) in Anwesenheit Kaiser Wilhelm II. feierlich eingeweiht“4 um seine Verdienste um die Deutsche Einheit zu würdigen. Unter der von ‚Deutscher Ordt‘ auf ‚Deutsches Eck‘ inzwischen geänderten Bezeichnung verstand man von da an nicht mehr die Deutschordensballei sondern das zu Ehren Kaiser Wilhelm I. errichtete Denkmal.

Dann jedoch, „am 16. März 1945, kurz vor Ende des 2. Weltkrieges, wurde das Denkmal durch eine amerikanische Artilleriegranate zerstört.“4 Die französische Regierung, die nach dem Krieg in den Besitz des Deutschen Ecks gelangt war, wollte dieses abreißen und stattdessen ein neues ‚Denkmal für Frieden und Völkerverständigung‘ bauen, was aber aufgrund des Problems der Finanzierung scheiterte.

1 Clemens, Harry: Das Deutsche Eck - Weltkulturerbe - im Wandel der Geschichte, http://www.myheimat.de/breidenbach/das-deutsche-eck-weltkulturerbe-im-wandel-der-geschichte.html (Stand: 14.07.2012) 2 Deutsches Eck, http://www.regionalgeschichte.net/index.php?id=5066 (Stand: 14.07.2012) 3 DUDEN – Das Fremdwörterbuch, S. 119 4 Deutsches Eck, http://www.koblenz-touristik.de/sehenswertes/bauwerke-plaetze/deutsches-eck.html (Stand: 14.07.2012) 3

Später war das Deutsche Eck dann wieder deutsches Eigentum. „Am 18. Mai 1953 erklärte Bundespräsident den verbliebenen Sockel zum Mahnmal der deutschen Einheit. (…) [Außerdem sind am Sockel die Wappen der deutschen Bundesländer abgebildet.] Nach dem Fall der Berliner Mauer wurden neben dem Denkmal drei originale Betonelemente der Mauer aufgestellt.“5 Nach der Wiedervereinigung fügte man dann auch die Wappen der neuen Bundesländer hinzu. Bis 1993 befand sich oben auf dem Sockel noch die deutsche Fahne.

Die Flagge wurde dann im September 1993 durch die rekonstruierte Reiterstatue von Kaiser Wilhelm I., welche durch eine private Stiftung und eine Bürgerinitiative finanziert wurde, ersetzt. Noch heute steht diese 14m hohe Statue auf dem Sockel des Deutschen Ecks.

Es lässt sich also schon allein bei der Betrachtung der Geschichte erkennen, dass man aufgrund der Komplexität und der Beeinflussung vieler sehr unterschiedlicher Ereignisse nicht sofort festlegen kann, was das Deutsche Eck symbolisiert. Diese Frage wird im weiteren Verlauf thematisiert.

5 Deutsches Eck, http://www.regionalgeschichte.net/index.php?id=5066 (Stand: 14.07.2012) 4

2. Die Bedeutung des Deutschen Ecks

Ursprünglich war das Deutsche Eck also ein Denkmal zu Ehren von Kaiser Wilhelm I. und später dann ein Mahnmal der deutschen Einheit. Doch was verkörpert das Deutsche Eck denn jetzt? Ist es ein Symbol nationaler Einheit oder Zeichen übertriebenen Nationalstolzes? Sich mit dieser Frage bzw. dem Deutschen Eck allgemein zu befassen, ist durchaus wichtig, denn man setzt sich in diesem Zusammenhang mit einem sehr bedeutenden Teil deutscher Geschichte auseinander. Dies hilft uns z.B. heutige (politische) Vorgänge besser zu verstehen, denn oftmals werden (politische) Beziehungen zwischen verschiedenen Ländern von historischen Ereignissen beeinflusst. Außerdem ist die deutsche Geschichte auch gewissermaßen ein Stück Identität unseres Landes bzw. unserer Nation.

a) Symbol nationaler Einheit?

Im ersten Moment scheint die Frage einfach zu beantworten. Für viele ist das Deutsche Eck heutzutage ein Symbol nationaler Einheit, was auch durch die Umfrage belegt werden kann (vgl.: Anlage 2).

So sprechen ja auch einige Aspekte dafür, dass das Deutsche Eck nationale Einheit symbolisiert.

Zum einen befinden sich auf der Landzunge seit der Wiedervereinigung die Flaggen aller 16 Bundesländer sowie die Bundesfahne. Diese steht ganz an der Spitze und alle anderen Flaggen laufen auf die Bundesfahne zu. Diese Anordnung zeigt, dass alle Bundesländer vereint sind und zusammen die Bundesrepublik Deutschland bilden.

Ebenfalls sind die Wappen aller 16 Bundesländer am Sockel des Denkmals abgebildet und verdeutlichen so ihre Zusammengehörigkeit. Diese so simple Geste zeugt vom „Selbst- verständnis Deutschlands als Bundesrepublik“6 – also von nationaler Einheit.

Ein weiterer Beleg für nationale Einheit ist die Inschrift, welche am Denkmal abgebildet ist. Sie stammt aus einem Gedicht von Max von Schenkendorf und „lautet: „Nimmer wird das Reich zerstöret, wenn ihr einig seid und treu!“7 Dies ist ein Appell an Zusammenhalt und Einigkeit innerhalb des Landes und des Volkes, um ein Bestehen des Deutschen Reichs zu gewähren. Auch schon zur Zeit der Errichtung des Deutschen Ecks wurden also diese Eigenschaften als notwendig für einen erfolgreich geführten Staat angesehen. Diese Werte drücken sich daher im Deutschen Eck aus, um deren Wichtigkeit zu unterstreichen.

6 Bátori, Ingrid: Editorial, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S.5 7 Müller, Jürgen: Das Deutsche Eck bis zur Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals 1897, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S. 50 5

„Angesichts innerer und äußerer Bedrohungen (…) [breitete sich] seit etwa 1890 eine wachsende Unsicherheit [aus und so] (…) kam den großen Denkmälern die Aufgabe zu, die Macht und Einheit der Nation zu symbolisieren“7, um dadurch das Volk zu beruhigen, Aufstände zu verhindern und die Kaiserherrschaft zu erhalten. So hatte das Deutsche Eck schon seit der Errichtung nicht nur die Aufgabe Kaiser Wilhelm I. zu ehren, sondern auch (das Gefühl von) Zusammenhalt und Einheit zu vermitteln und dieses auf das gesamte Volk zu übertragen.

Auch die Wahl des Ortes für die Errichtung des Denkmals unterstreicht erneut die Bedeutung des Deutschen Ecks als Zeichen nationaler Einheit. So kann man den Zusammenfluss von Rhein und Mosel am Deutschen Eck ebenfalls als ein Symbol von Einheit verstehen. Die beiden Flüsse sind von diesem Punkt an vereint, weil genau dort die Mosel in den Rhein mündet. Im übertragenen Sinne spiegelt dies somit die Einigung des Deutschen Reiches wider. Zum einen sind bei der Gründung des Deutschen Reichs die vielen kleinen Einzelstaaten zu einem großen Reich vereint worden. Zum anderen kann diese Symbolik vom Zusammenfluss von Rhein und Mosel auch die Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland darstellen. Dies sind alles Aspekte, die man allein vom optischen Erscheinungsbild des Deutschen Ecks bemerkt. Beschäftigt man sich dann noch genauer mit der Geschichte des Deutschen Ecks, findet man noch weitere Anhaltspunkte, die für das Deutsche Eck als Symbol nationaler Einheit sprechen.

So wurde 860 n.Chr. in der Kastorkirche die „Trennung von Ost- und Westfrankreich besiegelt. Im 19. Jahrhundert war es gängige Geschichtsauffassung, in diesem Akt den Beginn der späteren Nationalstaaten Frankreich und Deutschland zu sehen.“8 Das Deutsche Eck wurde also im 19. Jahrhundert als der Ort angesehen, an dem eine Gründung des Nationalstaats Deutschland überhaupt ermöglicht wurde. Anhand der Standortverlagerung weg vom Gelände des Deutschen Ordens lässt sich ebenfalls erkennen, dass das Deutsche Eck einen Bezug zur nationalen Einheit entwickelt hat.9 Die Bedeutung des Deutschen Ecks wurde nach dem Deutsch-Französischen Krieg im Jahre 1870/71 erweitert. Dieser hatte die Gründung eines neuen Deutschen Reiches bzw. Einigung vieler kleiner Staaten zur Folge. Von diesem Zeitpunkt an war dieser Ort auch Symbol der „Vereinigung der deutschen Stämme“8 und somit ein Symbol nationaler Einheit.

Ein weiterer Grund für das Deutsche Eck als Standort des Denkmals ist das Leben von Wilhelm I. So hat dieser „jahrelang in Koblenz residiert und in dieser Zeit den Plan zur preußischen Heeresreform ausgearbeitet“10, welcher eine Aufstockung des Heeres und eine längere Dienstzeit vorsah.

8 Jechel, Hans-Jörg: Kaiser Wilhelm I. Reiterdenkmäler – Band I, S.47 9 Siehe dazu Seite 3 sowie Seite 10 10 Müller, Jürgen: Das Deutsche Eck bis zur Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals 1897, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S.36 6

Eben diese Reform war die Grundlage für die Deutsche Einheit, denn erst so wurde ein starkes Heer ermöglicht mit dem Wilhelm die Gegenrevolution durchführen konnte und revolutionäre Aufstände verhindert hat. Dies wiederum ermöglichte überhaupt bzw. begünstigte die Gründung sowie die spätere Sicherung des Deutschen Reichs und der somit entstandenen Einheit Deutschlands.

Auch kann man erkennen, dass sich ein Großteil des Volkes zur Zeit der Errichtung des Denkmals mit der Bedeutung als Symbol nationaler Einheit identifizieren konnte. Andernfalls hätte es ja sicherlich Proteste oder zumindest keine so zahlreiche Besuchermenge bei der Feier zur Enthüllung des Denkmals Kaiser Wilhelm I. gegeben.

So kam es, dass 1897 das Denkmal Kaiser Wilhelm I. eingeweiht wurde als „Dank für die Einigung des Deutschen Reichs.“11 Denn während seiner Regierungszeit führte Kaiser Wilhelm I. die drei deutschen Einigungskriege, die, wie der Name ja schon sagt, zur Einigung des Deutschen Reichs geführt haben. Auch hier ist also ein Bezug zur nationalen Einheit zu erkennen.

Bedingt durch die beiden Weltkriege war es mit der deutschen Einheit für einige Zeit jedoch vorbei. So war 1918, also Ende des Ersten Weltkriegs, das deutsche Kaiserreich Geschichte. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 besteht auch das Deutsche Reich nicht mehr. Darauf folgte dann die Teilung Deutschlands bis zur Wiedervereinigung am 03.10.1990. Dies alles hatte auch große Auswirkungen auf die Symbolik des Deutschen Ecks.

Ende des Zweiten Weltkriegs ist das Reiterstandbild zerstört worden. Allein diese Zerstörung hat schon einen gewissen Symbolcharakter, denn es drückt den „endgültigen Untergang des Bismarckschen [bzw. Wilhelminischen] Reichs“12(= Deutsches Reich) und die daraus resultierende Teilung Deutschlands aus.

Nachdem der Plan der Franzosen einer Errichtung eines ‚Denkmals für Frieden und Völker- verständigung‘ scheiterte, entstand eine heftige Diskussion darüber, wie das Denkmal neu- oder umgestaltet werden solle.

Erst der Vorschlag des damaligen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Peter Altmaier, das Deutsche Eck „solle zu einem ‚Mahnmal [= ein „Denkmal, das etwas im Gedächtnis halten soll, von dem zu hoffen ist, dass es sich nicht wieder ereignet“13] der deutschen Einheit‘ werden (…) [beendete die Debatte, da diese Idee] auch in den anderen Bundesländern Zustimmung fand (…).

11 Deutsches Eck - Kaiser Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck, http://www.deutsche-schutzgebiete.de/deutsches_eck.htm (Stand: 23.07.2012) 12 Müller, Jürgen: Das Deutsche Eck bis zur Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals 1897, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S. 31 13 Mahnmal, http://www.duden.de/rechtschreibung/Mahnmal (Stand: 07.06.2013) 7

[Seine Entscheidung begründete er so:] ‚Wir glauben, dem Empfinden des gesamten deutschen Volkes, in dessen Bewußtsein das Deutsche Eck schon immer als ein Symbol der deutschen Einheit lebendig war, am besten zu entsprechen, wenn hier diesem lebendigen Willen zur Einheit und Freiheit in schlichter Form erneut ein sichtbarer Ausdruck verliehen wird.‘“14 Diese Rede ist ebenfalls ein Zeichen dafür, dass sowohl Volk als auch Politik das Deutsche Eck als Symbol nationaler Einheit ansahen.

Daher verkörpert es während der Teilung Deutschlands auch die Forderung nach der Wiedervereinigung. Aus diesem Grund wird das Deutsche Eck am 18. Mai 1953 zum ‚Mahnmal der deutschen Einheit‘ ausgerufen. Dadurch wird dieser Ort zu einem Ausdruck des Wunsches nach nationaler Einheit sowie nach der Wiedervereinigung Deutschlands.

Die Bedeutung verändert sich also etwas, denn die deutsche Einheit ist unvollendet und Deutschland ist aus politscher Sicht nicht mehr ein großer Nationalstaat so wie vor dem Krieg, sondern in geteilt. Die Symbolik der nationalen Einheit wird somit zu einer Forderung danach. Der vorherige Sinn des Denkmals15 „an die Einigung der deutschen Staaten zum ‚Zweiten Reich‘ [= Deutsches Kaiserreich] zu erinnern“16 wird durch die Ernennung zum Mahnmal erweitert und geht keineswegs verloren. Trotz der Teilung Deutschland bleibt also der schon vorhandene Bezug des Deutschen Ecks zur nationalen Einheit erhalten.

Auch Theodor Heuss betonte in seiner Rede anlässlich der Einweihung des Mahnmals die Symbolik des Deutschen Ecks. So sagte er: „Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal sei gebaut worden als ein Symbol der gewonnenen Einheit. (…) Das Denkmal, einst errichtet als stolzer Dank für gewonnene Einheit, sei uns heute ein Bekenntnis zu einer wieder zu gewinnenden Einheit.“17 Auch diese Rede zeigt deutlich, dass das Deutsche Eck schon vorher ein Symbol nationaler Einheit war und auch immer noch ist.

Zum einen wird der damalige Grund für die Errichtung und die Bedeutung des Denkmals betont, denn das Denkmal war vor allem ein Dank für den Verdienst Kaiser Wilhelms I. zur Einigung des Deutschen Reichs. Zum anderen verdeutlicht Theodor Heuss aber auch, dass das Deutsche Eck seinen Bezug zur Einheit Deutschlands im Laufe der Zeit und aufgrund der Teilung Deutschlands keineswegs verloren hat.

Auch wenn zum Zeitpunkt dieser Rede Deutschland nicht vereint ist, macht Theodor Heuss jedoch deutlich, dass das Deutsche Eck nun ein Symbol der wiederzugewinnenden Einheit sei. Daher rief er die Bevölkerung dazu auf, „den Charakter des stellvertretenden Symbols zu retten und zu erneuern.“17

14 Vor 50 Jahren - Der 18. Mai 1953. Das Mahnmal der deutschen Einheit, http://www.landeshauptarchiv.de/index.php?id=404 (Stand: 23.07.2012) 15 Unterscheid zwischen Denkmale und Denkmäler: Siehe Seite 10 16 Bátori, Ingrid: Editorial, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S.5 17 Vor 50 Jahren - Der 18. Mai 1953. Das Mahnmal der deutschen Einheit, http://www.landeshauptarchiv.de/index.php?id=404 (Stand: 23.07.2012) 8

So wird erneut ausgedrückt, dass trotz der Trennung Deutschlands das Deutsche Eck nationale Einheit repräsentiert und diese Bedeutung bewahrt werden solle. Insgesamt wird in der Rede von Theodor Heuss deutlich, dass das Denkmal immer noch einen wichtigen Bezug zur nationalen Einheit besitzt. 1989 kam es dann auch zu einer friedlichen Revolution, die zur Wiedervereinigung Deutschlands geführt hat, was ja eben dem Sinn bzw. der Forderung des Mahnmals entspricht. Möglicherweise kann man daraus auch schließen, dass sich das Volk mit der Aussage des Mahnmals zur wiederzugewinnenden nationalen Einheit identifizieren konnte, denn die Forderung nach nationaler Einheit war ja auch die Meinung und das Ziel bzw. der Wunsch der Bürger.

Die nach der Wiedervereinigung Deutschlands folgende Rekonstruierung des Reiterstandbildes kann auch Ausdruck der Bedeutung nationaler Einheit sein. So wird für einige das wiedererrichtete Denkmal oder vielmehr das ganze Deutsche Eck ein Platz „der Dankbarkeit angesichts der erneut überwundene[n] Teilung“18 und Mahnung, dass die Einheit Deutschlands unbedingt bewahrt werden muss. Daher bleibt dem Deutschen Eck seine Bedeutung als Symbol nationaler Einheit auch nach der Wiedervereinigung weiterhin erhalten.

Insgesamt kann man aber festhalten, dass sich die Bedeutung des Denkmals im Laufe der Zeit verändert bzw. weiterentwickelt hat. Dies ist besonders anhand der Zeit der Teilung Deutschlands zu erkennen. So ist es nicht immer Symbol sondern zeitweise Forderung nationaler Einheit geworden. Es ist nun kein „traditionelles Personendenkmal [mehr, sondern hat sich zu einem] Architekturdenkmal“19 weiterentwickelt. Das Reiterstandbild drückt erst in Verbindung mit seiner Umgebung, in welcher es errichtet ist, die Aussage und den Anspruch vollständig aus. War früher allein die Reiterstatue wichtig, so sind heute die Wirkung des gesamten Platzes und vor allem auch der Rhein von Bedeutung.

Mit der Errichtung des Denkmals am Deutschen Eck wurde dieses Gelände auch umgeformt und der nationale Symbolcharakter, den dieser Ort durch das Denkmal erhalten hat, rückt in den Vordergrund. In Verbindung mit der Lage zum Rhein wird die Bedeutung des Deutschen Ecks als Symbol nationaler Einheit besonders deutlich. So sagte einst in einer Rede: „[Es] ist uns der Rhein zum Schicksalsstrom Deutschlands und zum nationalen Symbol geworden.“20 Der Bezug zur nationalen Einheit ist also so groß, dass die vorherige Funktion bzw. die vorherige Geschichte des Deutschen Ecks in den Hintergrund gerät. Außerdem steht das Denkmal Kaiser Wilhelm I. immer weniger allein im Mittelpunkt, denn der Rhein als Grenzfluss gewinnt im Laufe der Jahre an Bedeutung.

18 Bloch, Peter: Das Reiterdenkmal, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S. 30 19 Bloch, Peter: Das Reiterdenkmal, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S. 30 20 Rasch, Anne Sophie: Das Deutsche Eck als Nationaldenkmal, 31.Mai 1995, S. 38, Zitiert nach Kieler Neueste Nachrichten vom 23 Juli 1930 9

Am Deutschen Eck wurde sogar ein „neues Stück Land künstlich gewonnen und zum Träger eines politisch motivierten Denkmalprojekts gemacht. (…) [Außerdem führt] seine räumliche[...] Verlagerung vom namengebenden Deutschordensgelände hinweg (…) [dazu, dass] das Wort ‚Deutsch‘ einen nationalstaatlichen Bezug erhielt, den es zuvor nicht gehabt hatte.“21 (Der Deutsche Orden war nämlich eine geistliche Ordensgemeinschaft und hatte keinen Bezug zum Nationalstaat.)

Das Deutsche Eck hatte vor der Errichtung des Denkmals eine andere Gestalt und seine Bedeutung war ohne politischen Bezug. Dies belegt zum einen die Veränderung des Deutschen Ecks. Zum anderen drückt es erneut dessen Verbindung zum Nationalstaat bzw. zur nationalen Einheit aus. Die Symbolik der Einheit hatte für die Menschen vor allem in schweren Zeiten eine hohe Wichtigkeit. Während den Kriegen verkörperte es Hoffnung auf Einheit der Nation und das somit hoffentlich schnelle Kriegsende sowie Besserung der Lebenssituation. Doch auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb das Deutsche Eck aufgrund der Symbolik als Mahnmal der Deutschen Einheit für viele Menschen ein Zeichen der Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben und auf eine Wiedervereinigung Deutschlands. Dies wurde 1989 mit dem Mauerfall und 1990 dann endgültig mit dem Ende der DDR erreicht.

Außerdem ist es auch sehr aufschlussreich, sich der Bedeutung eines Denkmals bewusst zu werden. So sollen Denkmäler „in Gegenwart und Zukunft das Gedenken an bestimmte Personen und Ereignisse wach halten.“22 Allgemein beinhalten Denkmäler also eine Erinnerung an etwas Vergangenes, aber gleichzeitig übermitteln sie auch eine Botschaft für die Zukunft. Dennoch kann man zwischen ungewollten Denkmälern (Pl. Denkmale) und gewollten Denkmälern (Pl. Denkmäler) unterscheiden.23 Inwiefern diese Unterscheidung jedoch sinnvoll ist, ist fraglich. Ein Denkmal wird ja eigentlich erst zum Denkmal, indem wir ihm eine Bedeutung verleihen. Das heißt also, wir nehmen den Gegenstand wahr und teilen ihm eine bestimmte Bedeutung zu, welche wir dann immer wieder mit dem Gegenstand verknüpfen. So wird der Gegenstand in unseren Köpfen zu unserem persönlichen Denkmal. Dieser Prozess ist somit auch von Erinnerungen und Gefühlen geprägt, was deutlich macht, dass ein Denkmal keine einheitliche Sinngebung haben kann. Die Bedeutung, die ihm jeder zuordnet, kann jedoch verschieden sein. So ist für den einen das Denkmal ein Wahrzeichen für z.B. eine Stadt, ein anderer sieht in dem Denkmal eine Erinnerung an ein vergangenes Ereignis und für einen weiterer wiederum hat das Denkmal nur einen künstlerischen bzw. ästhetischen Zweck. Diese Feststellung macht deutlich, dass ein Denkmal eigentlich nicht ungewollt sein kann. Erst durch unsere eigene Bewertung wird ein Gegenstand also für uns persönlich zu einem Denkmal, was nun mal nicht ungewollt geschehen kann.

21 Müller, Jürgen: Das Deutsche Eck bis zur Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals 1897, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S. 34 22 Dr. Benner, Sonja: Fachseminar „Denkmäler im Geschichtsunterricht“ – zit. nach: Sauer, Geschichte, S. 174f. 23 Vgl.: Dr. Benner, Sonja: Fachseminar „Denkmäler im Geschichtsunterricht“ 10

Diese Annahme wird sogar noch durch die Umfrage (vgl.: Anlage 2) gestützt. So sehen die einen das Deutsche Eck als Symbol nationaler Einheit, anderer wiederum als Zeichen von Nationalstolz oder auch nur als bloße Touristenattraktion. Das Ergebnis zeigt also deutlich, dass es durchaus unterschiedliche Sinngebungen des Deutschen Ecks gibt, was eben durch die jeweils individuelle Verknüpfung einer Bedeutung mit dem Denkmal zu erklären ist.

Das Denkmal ist daher mehr als bloß irgendeine Reiterstatue. Dieses Standbild steht stellvertretend für die Gründung des Deutschen Reichs bzw. eines Nationalstaates sowie für die Reichseinigung. Außerdem verkörperte es die Hoffnung auf Wiedervereinigung. Somit ist es ein Symbol nationaler Einheit. Das Denkmal hat aber nicht nur die Funktion, die Erinnerung an die vergangenen Ereignisse zur Einigung Deutschlands aufrecht zu erhalten. Es möchte auch daran erinnern, das Errungene zu schützen und zu bewahren. Somit gibt das Deutsche Eck ebenfalls (indirekt) Anweisung oder einen Auftrag vor allem an das politische Handeln in der Zukunft. Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass eine Teilung Deutschlands nie wieder vorkommt.

Insgesamt möchte dieser Ort also nicht nur eine Erinnerung an Kaiser Wilhelm I., an dessen Verdienste und an die (Wieder)Vereinigung Deutschlands sein. Zusätzlich werden wir auch dazu aufgerufen, die nationale Einheit und unseren Nationalstaat sowohl jetzt als auch in der Zukunft zu erhalten und zu schützen.

Dies alles spricht dafür, dass das Deutsche Eck ein Symbol nationaler Einheit ist. Doch kann man das Denkmal auch aus einem anderen, möglicherweise übertriebenen, Blickwinkel betrachten. In diesem Fall könnte das Reiterstandbild als Erinnerung oder sogar Verehrung von Preußen aufgefasst werden. Diese Ansichtsweise macht deutlich wie schwierig die Frage nach der Symbolik zu beantworten ist, denn sie zeigt, dass das Deutsche Eck durchaus auch übertriebenen Nationalstolz verkörpern kann.

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b) Zeichen übertriebenen Nationalstolzes?

Das durch das Denkmal erzielte Gefühl von nationaler Einheit wurde vor allem von Kaiser Wilhelm II. missbraucht, denn dadurch sollten die Sozialdemokraten bekämpft werden, die eine ernste Gefahr für das damalige politische System waren. So hatte der Einheitsgedanke das Ziel, das Volk mit dem Staat zu verbinden, wodurch sie dann nicht der sozial- demokratischen Denkweise folgten.24 Durch die Denkmäler sollte dem Volk also die Ehre ein Deutscher zu sein besonders vor Augen geführt werden. Daher hat das Deutsche Eck als Symbol nationaler Einheit zusätzlich die Funktion des Erhalts der politischen Ordnung zu der Zeit Kaiser Wilhelm II. bekommen.

Denn „der wilhelminische Kaiser- und Reichskult, der in den großen Nationaldenkmälern [also auch im Reiterdenkmal am Deutschen Eck] einen sichtbaren Ausdruck gewann, war ein Instrument zur nationalen Integration, welche auch diejenigen erfassen sollte, die der preußisch-deutschen Reichsgründung zunächst nicht vorbehaltlos zugestimmt hatten.“25 Zum einen bestätigt dies zwar die Symbolik nationaler Einheit, andererseits jedoch wird deutlich, dass das Deutsche Eck mehr als nur dies ausdrückt. Einen zusätzlichen Beleg stellt die Umfrage dar, denn es gibt auch einige Befragte, die das Deutsche Eck als Zeichen von (übertriebenen) Nationalstolz und Demonstration von Macht und Stärke ansehen (vgl.: Anlage 2,2b). So gibt es auch einige Aspekte die zeigen, dass das Deutsche Eck ein Zeichen von übertriebenem Nationalstolz ist.

Zum einen zeugt die Darstellung Kaiser Wilhelm I. von großem Selbstbewusstsein, denn er trägt er einen Hermelinmantel, einen Marschallstab und einen Federbuschhelm. Der Genius neben ihm (= persönlicher Schutzgeist bzw. Ahnengeister, die über ihre Nachkommen wachen) trägt ein Kissen mit einer Reichskrone. Außerdem sitzt der Kaiser hoch auf einem Pferd, was seine Rolle als Herrscher darstellt. Dies alles soll die legitime Herrschaft26 von Kaiser Wilhelm I. bzw. auch seinen Nachfolgern verdeutlichen.

Zusätzlich war auf dem Sockel „des Koblenzer Denkmals (…) die Inschrift ‚Wilhelm dem Großen‘ [zu lesen]. Damit wurde der erste Hohenzollernkaiser auf eine Stufe mit Karl dem Großen gestellt. Die Anknüpfung an die alte Kaiser- und Reichstradition diente dazu, das Kaisertum der Hohenzollern historisch zu legitimieren (…) [So galt Wilhelm I. dann] als rechtmäßiger Erbe der alten Kaiserwürde durch die (Wieder-) Begründung des Deutschen Reichs (…).“27 Dieser Aspekt zeugt von übertriebenem Stolz.

24 Vgl.: Müller, Jürgen: Das Deutsche Eck bis zur Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals 1897, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S. 57 25 Müller, Jürgen: Das Deutsche Eck bis zur Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals 1897, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S. 57 26 Legitime Herrschaft = hier: rechtmäßiger Erbe der alten Kaiserwürde 27 Müller, Jürgen: Das Deutsche Eck bis zur Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals 1897, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S. 52 12

Andererseits soll durch das Zuschreiben von legitimer Macht und Größe Kaiser Wilhelm I. die Bevölkerung an das monarchistische Regierungssystem gebunden werden. Denn dadurch wird dieses nicht in Frage gestellt und der Herrscher hat keine Revolution oder Widerstand zu befürchten. Daher „benutzte Kaiser Wilhelm II. den Kaiserkult28, um seinen eigenen Anspruch auf eine herausgehobene politische Führungsrolle (…) zu rechtfertigen.“29 So wundert es auch nicht, dass kurz nach dem Tod von Kaiser Wilhelm I. „eine Flut von Kaiser-Wilhelm-Denkmälern ein[setzte und] jeder kleine Ort im neuen Kaiserreich (…) seine eigene Kaiser-Statue [errichtete].“30 Auch diese enorme Anzahl an Denkmälern zu Ehren Kaiser Wilhelm I. zeugen von übertriebenem Nationalstolz, die vor allem zur Erhaltung der politischen Ordnung erbaut wurden.

Das Denkmal wirkt für manche sogar schockierend. Die Erfahrung hat auch Kurt Tucholsky gemacht und „schildert (…) [diese] so: ‚(…) ein freier Platz, ich sah hoch … und fiel beinahe um. Da stand – Tschingbum! – ein riesiges Denkmal Kaiser Wilhelm des Ersten: Ein Faustschlag aus Stein! Zunächst blieb mir der Atem weg. Das Ding (…) repräsentierte jenes Deutschland, das am Krieg schuld gewesen ist. (…) [Außerdem bezeichnet er die Umgebung als] viel zu hübsch für dieses steinerne Gelump“31 Diese Schilderung macht ein weiteres ‚Problem‘ deutlich, das eindeutig dagegen spricht, das Deutsche Eck nur als Symbol nationaler Einheit anzusehen. Zwar hat Kaiser Wilhelm I. das Deutsche Reich vereint, doch dieser steht gleichzeitig auch für Krieg und Elend. Denn die Einheit Deutschlands wurde erst durch die drei deutschen Einigungskriege erlangt, an denen auch Kaiser Wilhelm I. mitgewirkt hatte. Außerdem „bereitete Wilhelm [I.] die Gegenrevolution vor (…). Im Juni und Juli 1849 führte er den Oberbefehl über die preußischen Truppen, die (…) den letzten revolutionären Aufstand brutal unterdrückten.“32 Die Ehrung Kaiser Wilhelm I. durch das Errichten des Denkmals ist in Augen mancher aufgrund der Geschichte provokant und übertrieben. Ebenfalls wird die Wahl des Standorts wegen der schon beschriebenen Geschichte als überheblich bezeichnet, denn es rückt den deutsch-französischen Konflikt wieder in den Mittelpunkt. Die Reiterstatue direkt am Rhein könnte auf Seiten Frankreichs aufgrund der Bedeutung des Rheins als Grenzfluss zwischen Deutschland und Frankreich fast schon provozierend wirken. Die Statue befindet sich auf der linken Rheinseite, die sich während der Herrschaft Napoleons im Besitz Frankreichs befand.

28 Der Kaiserkult stammt aus mittelalterlicher Tradition, die Kaiser Wilhelm II. nicht nachweisen kann. Auch hat eigentlich König Ludwig von Bayern ebenfalls einen Anspruch auf den Titel Deutscher Kaiser und auf eine politische Führungsrolle. Otto von Bismarck konnte es jedoch verhindern, dass er diese Ansprüche geltend gemacht hat. 29 Müller, Jürgen: Das Deutsche Eck bis zur Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals 1897, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S. 54 30 Bloch, Peter: Das Reiterdenkmal, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S. 13 31 Rasch, Anne Sophie: Das Deutsche Eck als Nationaldenkmal, 31.Mai 1995, S. 38 (Zitat von Bernhard Gondorf: So leben sie im alten Koblenz. Stimmen aus fünf Jahrhunderten. 1985, S. 82) 32 Müller, Jürgen: Das Deutsche Eck bis zur Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals 1897, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S. 36 13

Nachdem diese Herrschaft aufgrund der Eroberung von Paris durch die verbündeten europäischen Großmächten 1814 sowie der militärischen Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei 1813 zusammenbrach,33 erfolgte eine Neuaufteilung der Länder.34

Dies geschah auf dem Wiener Kongress und hatte zur Folge, dass dieses linksrheinische Gebiet in den Besitz Preußens und somit später in den Besitz des Deutschen Reichs überging. Die Statue steht also auf ehemaligem französischem Gebiet und könnte den Anschein erwecken, als wolle sie die Grenzen bewachen und die deutsche Stärke durch die Erinnerung an die Geschichte demonstrieren.

Aber nicht nur die Wahl des Standorts, auch das Standbild selbst kann man als Provokation ansehen, denn dieses ist mit dem Rücken nach Frankreich gerichtet. Dies könnte seitens der Franzosen als abwertend und verachtend aufgefasst werden und drückt gleichzeitig die Überheblichkeit der Deutschen aus, was somit ebenfalls einen übertriebenen Nationalstolz erkennen lässt.

Auch die Geschichte von Koblenz spricht für ein sehr großes Maß an Nationalstolz. So stand Koblenz zwischen 1794 und 1813 unter französischer Schutzherrschaft und wurde auch zur Hauptstadt des Département Rhin-et- ernannt.35 „[Die] Franzosen [mussten] aber die rechtsrheinischen Gebiete räumen (…) [und so] sprengten sie vorher die Festung Ehrenbreitstein und das Schloss Philippsburg. Auch in Koblenz wurden die Befestigungsanlagen weitgehend beseitigt.“36 Natürlich waren die Franzosen sicherlich nicht erfreut, die rechtsrheinischen Gebiete abgeben zu müssen, doch die Festungen sowie die Befestigungsanlagen wurden abgebaut, was als ein Zeichen für Frieden oder zumindest Waffenruhe gedeutet werden könnte.37

Doch nach dem Ende der Regierungszeit Napoleons in Frankreich (bzw. der daraus resultierenden Neuaufteilung der Länder) begann in Koblenz die preußische Herrschaft, die von 1815 bis 1945 andauerte. Das Rheinland war nun also Teil Preußens und Koblenz wurde Hauptstadt sowie Garnisonsstadt [=Militärstandort] der Rheinprovinz, war somit also strategisch von hoher Wichtigkeit. „Am 11. März 1815 ging die ‚Order zur Neubefestigung der Stadt Coblenz und der Festung Ehrenbreitstein‘ durch König Friedrich Wilhelm III. [(1770- 1840)] aus. In den folgenden Jahren entstand die Festung Koblenz (…). [Diese war] das größte militärische Bollwerk am Rhein.“38

33 Vgl.: Die Folgen der Revolution in Europa, in: Kursbuch Geschichte, Neue Ausgabe Rheinland-Pfalz, Cornelsen 2009, S. 229 34 Vgl.: Die Revolution von 1848/49 - Zwischen Restauration und Aufbruch, in: Kursbuch Geschichte, Neue Ausgabe Rheinland-Pfalz, Cornelsen 2009, S. 232 35 Vgl.: Zur Geschichte Koblenz, http://www.regionalgeschichte.net/mittelrhein/koblenz/geschichte.html (Stand: 22.12.2012) 36 Zur Geschichte Koblenz, http://www.regionalgeschichte.net/mittelrhein/koblenz/geschichte.html (Stand: 22.12.2012) 37 Vgl.: Zur Geschichte Koblenz, http://www.regionalgeschichte.net/mittelrhein/koblenz/geschichte.html (Stand: 22.12.2012) 38 Zur Geschichte Koblenz, http://www.regionalgeschichte.net/mittelrhein/koblenz/geschichte.html (Stand: 22.12.2012) 14

Denn die Preußen „errichteten ein großes Festungssystem mit mehreren Anlagen. Die Festung Ehrenbreitstein als Teil dieser Anlage wurde in den Jahren 1817- 1828 erbaut. Sie ist heute nach Gibraltar die größte Festung Europas.“39 Allein dieser Umbau zur militärischen Festigung und Sicherung von Koblenz wird sicherlich Unmut seitens der Franzosen hervor- gerufen haben.

Ein weiterer Aspekt, der zu sehr viel Hass geführt hat und auch deutlich den preußischen bzw. deutschen Nationalstolz ausdrückt, ist die sogenannte Rheinkrise. Sie „war eine diplomatische Krise zwischen dem Königreich Frankreich und dem Deutschen Bund, die auf die Forderung Frankreichs nach dem Rhein als seine Ostgrenze folgte, was etwa 32.000 km² deutsches, damals vor allem preußisches Territorium erneut unter französische Herrschaft gebracht hätte. Nach einer diplomatischen Niederlage (…) in der Orientkrise 1839–1841 (…) erhob [Frankreich] nun wieder Anspruch auf die linksrheinischen Gebiete und wollte den Rhein als ‚natürliche Grenze‘ zwischen Frankreich und Deutschland etablieren.“40 Dies führte zu Wut und Hass auf die Franzosen seitens der Deutschen.

Aus diesem lang andauernden und heftigen Konflikt zwischen Deutschland und Frankreich entstanden dann Lieder wie z.B. ‚Wacht am Rhein‘ von Max Schenkenberg, in denen der Nationalstaat Deutschland gepriesen wurde und für die Deutschen vielleicht eine Möglichkeit waren, sich gegen die Forderungen Frankreichs zu wehren. So drückt dieses Lied von Schenkenberg deutlich die unbedingte Absicht der Deutschen aus, die Grenze zu Frankreich mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen.41 Beispielsweise ist in diesem Lied zu lesen: „(…) du Rhein bleibst deutsch wie meine Brust! (…) [Sowie:] Solang ein Tropfen Blut noch glüht, noch eine Faust den Degen zieht und noch ein Arm die Büchse spannt, betritt kein Feind hier deinen Strand! [Oder auch:] Hoch Wilhelm! Nieder mit der Brut! Und tilg' die Schmach mit Feindesblut!“42 Auch wenn dieser Liedtext keinesfalls die Absicht hatte zum Krieg bzw. Angriff auf Frankreich sondern ‚nur‘ zur Verteidigung aufzurufen, kann es trotzdem so verstanden und durchaus provozierend und herausfordernd aufgegriffen werden. Dieses Lied war nach dem Deutsch-Französischen Krieg sehr bekannt, wurde zur Volkshymne und stellte sogar die damalige Nationalhymne in den Hintergrund.43

Allein dies würde schon für Provokation und Nationalstolz sprechen. Hinzu kommt dann noch die Errichtung des Denkmals Kaiser Wilhelm I. in der in diesem Konflikt so bedeutenden Stadt Koblenz, was nach Ansicht der Franzosen eben diese ‚Wacht am Rhein‘ sicherlich darstellen sollte. Insgesamt sprechen diese Aspekte daher eindeutig für das Deutsche Eck als Zeichen übertriebenen Nationalstolzes.

39 Historie - Historische Bebauung der Koblenzer Innenstadt, http://www.koblenz.de/bauen_wohnen/forum_mittelrhein_historie.html (Stand: 22.12.2012) 40 Rheinkrise, http://lexikonn.de/Rheinkrise (Stand: 22.12.2012) 41 Vgl.: Die Wacht am Rhein, http://www.niederwalddenkmal.de/die_wacht_am_rhein.php (Stand: 22.12.2012) 42 Die Wacht am Rhein, http://www.niederwalddenkmal.de/die_wacht_am_rhein.php (Stand: 22.12.2012) 43 Vgl.: Die Wacht am Rhein, http://www.niederwalddenkmal.de/die_wacht_am_rhein.php (Stand: 22.12.2012) 15

Auch die Größe des Denkmals zeugt von sehr viel Stolz. So sollte sich allgemein in den Kaiser- Wilhelm-Denkmälern „die Macht des Reiches widerspiegeln. Die demonstrative Zurschau- stellung der Macht diente einerseits dazu, den Nationalstolz der Bevölkerung zu erhöhen, während sie andererseits eine Warnung für die Reichsfeinde von innen und außen bildete.“44 Untermalt wird diese Warnung noch durch das Pferd, auf welchem Kaiser Wilhelm I. sitzt. Das Pferd stellt ein Streitross dar und steht für Krieg, Macht und Überlegenheit. Als Konsequenz daraus wird der Kaiser als Feldmarschall bzw. Kriegsherr abgebildet, was ebenfalls als ein Zeichen von übertriebenem Stolz aufgefasst werden kann. Diese Funktion des Deutschen Ecks bzw. vor allem des Denkmals macht daher deutlich, dass eben nicht nur die nationale Einheit sondern auch übertriebener Stolz ein wichtiger Grund für die Errichtung war. Aber auch die Absicht Kaiser Wilhelm II., nämlich die Sicherung seiner eigenen Macht, wird dadurch noch einmal hervorgehoben. Mithilfe dieser Macht- demonstration möchte er seine außenpolitischen sowie innenpolitischen Widersacher einschüchtern und Rebellionen verhindern.

Betrachtet man die machtpolitische Situation im 19. Jahrhundert, als das Denkmal erbaut wurde, so sieht man erneut den übertriebenen nationalen Stolz. Die oben schon beschriebene Darstellung der Macht trägt auch „das Streben nach einer deutschen Welt- machtstellung offen zutage.“45 Das neu geformte Deutsche Reich drückt also direkt seine Macht aus und stellt sich auf eine Stufe mit den Weltmächten wie z.B. England und Frankreich.

Deshalb ist das Denkmal Zeichen von einer enorm provokanten und prahlerischen Selbstdarstellung und von Macht, was somit auch ein Zeichen übertriebenen Nationalstolzes ist. Auch dies lässt sich auf die schon als Größenwahn und Überheblichkeit zu bezeichnenden Ansprüche Kaiser Wilhelm II. zurückführen.

Die Verbindung mit dem Niederwalddenkmal in Rüdesheim lässt das Deutsche Eck ebenfalls als übertriebene Selbstdarstellung Kaiser Wilhelm I. und Zeichen von Machtdemonstration dar stehen. „Das Niederwald Denkmal erinnert an den Sieg über Frankreich im Jahr 1870/1871 und die daraus resultierende (Neu-) Gründung des Deutschen Kaiserreichs. (…) [Es wurde] am 16. September 1877 eingeweiht[] (…). (…) [und] ist ein Sinnbild des Zusammenschlusses aller deutschen Volksstämme. (…) Die (…) Figur der Germania hält in der rechten Hand stolz die wiedererworbene Kaiserkrone hoch. Mit der linken Hand stützt sie sich selbstbewusst auf das Reichsschwert.“46 Das Niederwalddenkmal wurde früher als das Deutsche Eck erbaut und hatte die Funktion, an die Reichsgründung und den Triumph im Deutsch-Französischen Krieg zu erinnern. Das erkennt man daran, dass der Blick auf Frankreich gerichtet ist und die Kaiserkrone somit demonstrativ Richtung Westen zeigt.

44 Müller, Jürgen: Das Deutsche Eck bis zur Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals 1897, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S. 50 45 Müller, Jürgen: Das Deutsche Eck bis zur Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals 1897, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S. 51 46 Geschichte des Niederwald Denkmals, http://www.niederwalddenkmal.de/geschichte.php (Stand: 31.12.12) 16

Es gab also schon vor dem Erbau des Deutschen Ecks gar nicht weit entfernt ein sehr großes Denkmal, das sogar überwiegend die ursprünglichen Funktionen des Deutschen Ecks (Erinnerung an die Reichsgründung, an die Vereinigung der deutschen Völker, an den Sieg über Frankreich; Machdemonstration…) erfüllte. Doch scheinbar war nur ein solch bedeu- tendes Denkmal zu wenig und so wurde zusätzlich das Deutsche Eck erbaut. Somit wurden die Erinnerungen bzw. Funktionen, die diese beiden Denkmäler beinhalten, verstärkt. Dadurch fühlte sich Frankreich noch mehr gedemütigt und provoziert (nicht nur durch das weitere Denkmal an sich, sondern zusätzlich noch durch die Wahl von Koblenz als Standort für das Denkmal). Die Macht der Deutschen und des Kaisers sowie der Stolz, ein Deutscher zu sein, wurden dadurch noch stärker ausgedrückt.

Allein die Tatsache, dass das Deutsche Eck, also ein weiteres, großes Denkmal mit (fast) der gleichen Sinngebung, kurz nach dem Erbau des Niederwalddenkmals errichtet wurde, zeugt von enormen Selbstbewusstsein, Stolz und sicherlich auch Überheblichkeit.

Außerdem bleibt zu bedenken, dass im Gegensatz zum Niederwalddenkmal Kaiser Wilhelm I. sogar auf der Spitze des Denkmals steht und nicht die Germania, welche Sinnbild Germaniens ist. Der Kaiser stellt sich also nicht nur auf eine Ebene mit Karl dem Großen, sondern möglicherweise auch mit der Germania. So könnte er sich als eine Personifikation Deutsch- lands und der Einigung darstellen wollen. Möglicherweise möchte er so seine Herrschaft über ganz Deutschland ausdrücken und Zweifel und Proteste seiner Gegner gar nicht erst aufkeimen lassen, indem er sie durch die Darstellung seiner Macht einschüchtert. Aus dem Grund der Machtdemonstration und Selbstdarstellung lässt er sich auch den Titel ‚deutscher Kaiser‘ verleihen. Dies spricht eindeutig dafür, dass das Deutsche Eck ein Zeichen übertriebenen Nationalstolzes ist.

Insgesamt steht das Reiterstandbild daher für Großmachtdenken und die Dominanz vom Militär, was als ein Zeichen übertriebenen Nationalstolzes aufgefasst werden kann. So spiegeln diese Aspekte allgemein die „beängstigend erscheinende Großmannssucht Wilhelms II.“47 wider, denn sie sind größtenteils auf ihn zurückzuführen. Außerdem erinnert das Deutsche Eck auch an die Konflikte mit und den Sieg Deutschlands über Frankreich.

47 Bátori, Ingrid: Editorial, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S.5 17

c) Kritik & Reaktionen

Die Rekonstruktion der Kaiserstatue lässt im ersten Moment darauf schließen, dass die Symbolik sowohl als nationale Einheit als auch als Zeichen übertriebenen Nationalstolzes aufrechterhalten bleiben soll.

Doch inzwischen hatte das Denkmal ein Eigenleben entwickelt und ist lange nicht mehr das, wofür es einmal gedacht war. Denn das Deutsche Eck ist im Laufe der Zeit zu einem bedeutenden Wahrzeichen von Koblenz geworden und verleiht der Stadt eine besondere Identität. Dadurch hat es sich auch zu einer echten Touristenattraktion entwickelt. Deshalb war „die Wiederherstellung des alten Denkmals (…) keine „nationale Frage“, sondern werde sich insbesondere positiv auf den Fremdenverkehr auswirken, da das Kaiser Wilhelm Denkmal als Hauptattraktion unvergessen sei (Rhein-Zeitung.21.03.74).“48

So wurde das Reiterstandbild vor allem rekonstruiert, damit Koblenz für den Tourismus attraktiv wird bzw. weiterhin bleibt. Die historische Bedeutung wird also im Laufe der Jahre immer mehr zur Nebensache. Der Wichtigkeit für den Tourismus sind sich auch viele Teilnehmer der Umfrage bewusst. Auch verbinden einige mit dem Deutschen Eck heutzutage die Stadt Koblenz oder den Zusammenfluss von Rhein und Mosel anstatt einen Bezug zu historischen Ereignissen herzustellen. Die Bedeutung des Denkmals ändert sich also von Generation zu Generation etwas (vgl.: Anlage 2).

Dieses zeigt, dass Geschichte lebt. Die geschichtskulturellen Kompetenzen, d.h. die Art des Vorkommens von Geschichte und der Umgang damit sowie deren Deutung innerhalb der Gesellschaft, sind von Generation zu Generation unterschiedlich. Diese Beobachtungen, belegt durch die Umfrage (vgl.: Anlage 2), lassen sich durch den Begriff ‚Geschichtskultur‘ beschreiben.

Der zunehmende Wert für den Tourismus wird auch daran deutlich, dass schon 1987 „der Koblenzer Verleger Dr. Werner Theisen anlässlich seines 60. Geburtstags bekannt [gab], dass seine Frau und er die Finanzierung für die Wiederherstellung des Reiterstandbildes – ca. 3 Mio. DM – übernehmen würden (…).“49 Zu diesem Zeitpunkt war Deutschland noch getrennt und das Deutsche Eck zum Mahnmal der Deutschen Einheit ausgerufen worden. Doch diese Bedeutung des Denkmals als Forderung nach Einheit scheint nicht so wichtig gewesen zu sein wie die Erhaltung der Attraktivität für den Tourismus. Das könnte davon zeugen, dass das Deutsche Eck an (politischer) Symbolkraft verloren hat und diese immer mehr in den Hintergrund gerät. Das würde dann auch den Wandel hin zu einer womöglich schwindenden historischen Bedeutsamkeit belegen, den das Deutsche Eck im Laufe der Jahre mitgemacht hat. Auch die Auswertung der Umfrage weist darauf hin (vgl.: Anlage 2).

48 Meuer, Christiane: Denkmäler als Spiegelbild von Geschichtsauffassung – die Kontroverse um das Deutsche Eck, 1998, S. 9 49 Meuer, Christiane: Denkmäler als Spiegelbild von Geschichtsauffassung – die Kontroverse um das Deutsche Eck, 1998, S. 11 18

An der Debatte um die Rekonstruierung bzw. des Schenkungsangebots lässt sich auch erkennen, dass das Deutsche Eck insgesamt an politischer Wichtigkeit verloren hat. Das Deutsche Eck ist den Bürgern zwar wichtig, wie man an der Spendenbereitschaft der Bevölkerung erkennen kann. So kamen weit mehr als 300.000 DM zur Finanzierung der Rekonstruierung des Reiterstandbildes nach den Spendenaufrufen in der Presse zusammen. Doch lag dabei sicherlich weder das Symbol nationaler Einheit noch irgendein Gedanke an Nationalstolz im Vordergrund. Vielmehr war es der wirtschaftliche bzw. touristische Vorteil für die Stadt, der zur Rekonstruierung bzw. Neugestaltung des Deutschen Ecks geführt hat, denn dieser hat für die wirtschaftliche Lage Koblenz, und daraus resultierend ja auch für die Koblenzer Bürger, durchaus positive Auswirkungen. Ebenfalls belegt die Umfrage, dass viele die Wichtigkeit für den Tourismus und immer weniger Befragte eine historische Bedeutung im Deutschen Eck sehen (vgl.: Anlage 2).

Auch hat die Wiedervereinigung möglicherweise die Symbolik des Deutschen Ecks als nationale Einheit vor allem bei der jungen Generation etwas vergessen lassen. Die Auswertung der Umfrage zeigt, dass die junge Generation die Wiedervereinigung nicht mit dem Deutschen Eck verbindet (vgl.: Anlage 2). Dies liegt möglicherweise daran, dass die Wiedervereinigung jetzt schon über 20 Jahre her ist und vor allem die junge Generation kann sich kaum oder gar nicht an diese Zeit erinnern, da sie häufig die Wiedervereinigung nicht selbst erlebt hat. Es fällt ihnen besonders schwer, den Grund und vor allem die Wichtigkeit der historischen Bedeutung des Deutschen Ecks zu begreifen und sich mit dieser zu identifizieren, denn für sie ist die nationale Einheit schon fast eine Selbstverständlichkeit geworden (weil sie es ja nicht anders kennen). Daher wird es immer schwieriger, die Symbolik als nationale Einheit zu bewahren, was dazu führt, dass diese in Vergessenheit gerät.

Auch die Umfrage zeigt, dass zwar viele das Deutsche Eck als Zeichen von Einheit sehen, doch etwa genauso viele sehen in dem Denkmal auch ‚nur‘ eine Touristenattraktion (vgl.: Anlage 2). Dies spricht damit zum einen dagegen, dass das Deutsche Eck heute ausschließlich ein Symbol nationaler Einheit ist. Zum anderen wird ein Wandel der Bedeutung des Deutschen Ecks (weg von geschichtlicher, hin zu ausschließlich touristischer Wichtigkeit) deutlich.

Doch gleichzeitig kann man auch feststellen, dass die Bedeutung des Deutschen Ecks für die Bevölkerung erheblich schwindet. Ein Grund ist die schon erwähnte Problematik der jungen Generation. Ein weiterer könnte auch die aktuell stabile politische Lage in Europa sein. Wir haben weder Krieg noch eine erneute Teilung Deutschlands zu befürchten und brauchen also kein Zeichen der Hoffnung, was das Deutsche Eck zur Zeit der beiden Weltkriege und auch der Teilung Deutschlands sicherlich für viele Menschen war.

Auch muss man beachten, dass „an die Beteiligung Wilhelms [I.] an der gewaltsamen Niederschlagung der Revolution (…) die Koblenzer Bürger nicht [dachten], als sie 40 Jahre später die Initiative zu einem Kaiser-Wilhelm-Denkmal ergriffen.

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Sie erinnerten vielmehr an die Zeit von 1850 bis 1857, die Prinz Wilhelm als Militärgouverneur für das Rheinland und Westfalen in Koblenz verbrachte [sowie dessen Verdienst für die Einheit Deutschlands].“50 Natürlich macht das die Tatsache nicht unvergessen, doch es wird belegt, dass von Seiten der Bürger das Denkmal zur Zeit seiner Errichtung nicht als Zeichen von enormem Nationalstolz angedacht war. Die Auswertung der Umfrage deutet ebenfalls darauf hin (vgl.: Anlage 2).

Außerdem „lassen sich für die Jahre 1945 bis 1958 etliche Vorschläge zur Neugestaltung [des Deutschen Ecks] dokumentieren, die ein Denkmal mit neuer Sinngebung (…)“51 vorsehen. Dies lässt den Schluss zu, dass die bis dahin bestehende Symbolik der nationalen Einheit während bzw. wohl eher aufgrund der Teilung Deutschlands eben nicht mehr in einer solch intensiven Weise bestehen blieb. Möglicherweise konnten manche sich auch nicht mehr mit der Person Kaiser Wilhelm I. und dem damit verbundenen Ausdruck von übertriebenem Nationalstolz und Machtdemonstration identifizieren.

Daher wollte man damals die Zerstörung des Reiterbildes nutzen um ein neues Denkmal mit einem neuen Sinn zu errichten. Dies ist ein weiterer Beleg für den Wandel der Bedeutung des Deutschen Ecks für die Bevölkerung, was gegen das Deutsche Eck als Symbol übertriebenen Nationalstolzes spricht.

Der große Platz vor dem Reiterdenkmal war bei der Planung als Ort für politische Veranstaltungen angedacht. Doch seitdem das Denkmal eingeweiht wurde, fanden am Deutschen Eck kaum nationale Feiern statt. Dies könnte darauf hindeuten, dass das Denkmal schnell an politischer Bedeutung verloren hat.52 Daher könnte man vermuten, dass das Deutsche Eck vor allem doch nicht so sehr als Machtrepräsentation der Herrscher und der Politik angesehen wurde wie möglicherweise angenommen und somit doch nicht vordergründig Zeichen übertriebenen Nationalstolzes ist.53 Denn ein Hauptziel des Denkmals sollte ja eigentlich die Demonstration von Stärke sein.

Auch die Kritik seitens der Bevölkerung aufgrund der Rekonstruktion des Reiterstandbildes ist ein Zeichen dafür, dass die eigentliche Symbolik des Deutschen Ecks nicht mehr der Vorstellung vieler Menschen entspricht bzw. an Wichtigkeit bedeutend verloren hat.

Vor allem wird angeprangert, dass so viel Geld für eine Statue gespendet und von der Stadt ausgegeben wird, während viele Menschen sowohl in anderen Ländern aber auch in Koblenz selbst nur mit unglaublicher Mühe Geld für das Nötigste zusammen bekommen und dringend dieses Spendengeld gebrauchen könnten.

50 Müller, Jürgen: Das Deutsche Eck bis zur Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals 1897, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S. 36 51 Koelges, Michael: Friede, Freiheit, Arbeit – Pläne zur Umgestaltung des Deutschen Ecks 1945-1958, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993), S. 93 52 Vgl.: Rasch, Anne Sophie: Das Deutsche Eck als Nationaldenkmal, 31.Mai 1995, S. 37 53 Beachte jedoch: Da unsere Gesellschaft aufgrund des Dritten Reichs bzw. dem Nationalsozialismus Schwierigkeiten mit dem Umgang von Nationalstolz hat, könnte auch dies (zumindest heute) ein möglicher Grund für den schnellen Verlust (politischer) Bedeutung sein. 20

Manche in der Bevölkerung haben für die Reiterstatue nur Verachtung übrig und daher hat sie, wenn überhaupt, nach deren Meinung nur eine sehr geringe Symbolik. Denn in ihren Augen sollen wichtigere Probleme, wie eben die Unterstützung von Bedürftigen, nicht vernachlässigt werden.

Daher verärgert sie auch der Spendenaufruf des Oberbürgermeisters. Dies wird im folgenden Zitat deutlich: „Gibt es denn nicht genug andere Probleme? Durch die Politik der heutigen Bundesregierung gibt es – auch in Koblenz – immer mehr Menschen, die nicht wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen. Es wäre wohl angebrachter, wenn der Koblenzer Oberbürgermeister für diese Personengruppe zu Spenden aufrufen würde.“54

Doch es gibt noch weitere Gründe, die gegen die Rekonstruktion der Reiterstatue sprechen. So wird in den Augen mancher der Wille der Politiker, die das Deutsche Eck zum Mahnmal der Deutschen Einheit am 18.05.1953 ausgerufen haben und die Farben Schwarz-Rot-Gold als Symbol von Glauben, Treue, Einigkeit, Recht und Freiheit verstanden, missachtet.55

Daher stellen sie sich vor allem folgende Fragen: „Warum wollen wir heute nicht mehr zu diesem Bekenntnis von 1953 stehen? Wollen wir nicht mehr an die deutsche Uneinigkeit, an deutsches Unrecht und deutsche Unfreiheit erinnert werden, von Glaube und Treue gar nicht zu reden? Haben wir nicht noch die Nase voll von Preußens Gloria hier in den Rhein- landen, erst recht in Koblenz? Soll ausgerechnet hier in Koblenz ein preußischer Kaiser mehr als 60 Jahre nachdem sich Preußens letzter Vertreter ins Ausland absetzte und dessen Schuldscheine unsere Väter begleichen mussten, verherrlicht werden? Kann man es heute verantworten, ihn den „Großen“ zu nennen und ihn obendrein noch einen Genius und Friedensengel zur Seite zu stellen?“56 Nenne man ihn den Großen, so würde man ihn als Herrscher, als oberste Instanz, als alleiniger Machtinhaber, allgemein also als Vorbild ansehen. Doch wie schon festgestellt, war Kaiser Wilhelm I. auch sehr brutal und grausam - also definitiv kein Vorbild!

Dieses Zitat aus einem Leserbrief rückt also die Symbolik von nationaler Einheit wiederum in den Vordergrund. Es appelliert daran, die Bedeutung, die dem Deutschen Eck 1953 gegeben wurde, zu wahren und an die zur Zeit, als der Leserbrief verfasst wurde, existierende Teilung Deutschlands zu erinnern.

Diese Denkweise drückt vor allem auch den Unmut über die Person Kaiser Wilhelm I. und über das daraus resultierende Zeichen übertriebenen Nationalstolzes aus. Denn Kaiser Wilhelm I. war in ihren Augen nicht nur der Held, der zur Einigung der Deutschen geführt hat. Vielmehr rücken sein von Gewalt und Unterdrückung geprägtes Handeln und dessen spätere Folgen für die Bevölkerung in den Mittelpunkt. Daher kann nach dieser Ansicht eine Rekonstruktion des Denkmals nicht verantwortet werden.

54 Preuß, Hans: Spenden für den Kaiser, in: Leserbriefe, Rheinzeitung, 16. August 1993 55 Vgl.: Flöck, Johannes: Fehlgeleitete Nostalgie, in: Leserbriefe, Koblenzer Schängel, 6.9.79, Nr. 36 56 Flöck, Johannes: Fehlgeleitete Nostalgie, in: Leserbriefe, Koblenzer Schängel, 6.9.79, Nr. 36 21

Diese Abneigung resultierte auch in vereinzelten Protesten. Beispielsweise wurde am 17.03.1991 ein Teil des Denkmalsockels verhüllt. Dadurch wollten Mitglieder der Koblenzer „Grünen“ ihren Unmut über die Rolle Kaiser Wilhelm I. bei der brutal niedergeschlagenen Revolution 1849 ausdrücken. Des Weiteren wurde von der Bonner Südbrücke ein Farbeimer auf das rekonstruierte Reiterstandbild geworfen, als dieses mit dem Schiff auf dem Rhein zu seinem vorgesehenen Standort nach Koblenz transportiert wurde. Dabei nahm die Statue jedoch keinen größeren Schaden. Im Februar 1991 bildete sich sogar die Bürgerinitiative „Der Demokratie ein Denkmal“, wessen Hauptaufgabe darin bestand, eine Rekonstruktion des Reiterstandbildes und vor allem auch dessen Wiedererrichtung am Deutschen Eck unbedingt zu verhindern.57

Dass die Bedeutung von übertriebenem Nationalstolz inzwischen scheinbar nicht mehr im Mittelpunkt steht, zeigt das Umfrageergebnis (vgl.: Anlage 2).

Auch geben viele zu bedenken, dass die Zeit Preußens schon lange her ist und die Menschen dessen ständige Erinnerung und Bewahrung langsam leid sind.

Insgesamt wird also deutlich, dass das Deutsche Eck schon zur Zeit des geteilten Deutschlands - wenn nur sehr selten - mit nationalem Stolz in Verbindung gebracht wird und ein Teil der Bevölkerung Kaiser Wilhelm I. durchaus kritisch betrachtet.

Daher ist auch gewissermaßen ein Wandel in der Denkweise des Volkes zu erkennen. Zur Errichtung des Denkmals Ende des 19. Jahrhunderts war in den Köpfen der Bevölkerung vor allem sein Verdienst zur Einigung Deutschlands. Doch 60 Jahre später ist eine schon fast ablehnende Haltung bei einem immer größer werdenden Teil der Bevölkerung festzustellen. Das lässt sich vor allem an deren Reaktion erkennen.

Zur Einweihungsfeier des Denkmals 1897 wird von Beifall und stürmischen Begeisterungs- wellen berichtet. Als das Deutsche Eck zum Mahnmal ausgerufen wurde, fehlte dies allerdings. Stattdessen winkten die Bürger nur, denn möglicherweise hatten sie den Konflikt zwischen Frankreich und Deutschland sowie die Herrschaft Kaiser Wilhelm I. noch im Hinterkopf.58

Dadurch wollten sie möglicherweise ausdrücken, dass sie dies keinesfalls gutheißen oder gar stolz darauf sind. Die anfängliche Begeisterung ist also verebbt und einer zunehmend kritischen Haltung gewichen.

57 Koelges, Michael: Heroisches Kaiserdenkmal oder „Faustschlag aus Stein“? Das Deutsche Eck in Koblenz, http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/themen/Epochen%C3%BCbergreifend/Seiten/DasDeutscheEck (Stand: 24.06.2013) 58 Vgl.: Teilnehmer der Geschichts-AG am staatl. Eichendorff-Gymnasium Koblenz, Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Koblenz, 1993, S. 69 22

Zur Wiedervereinigung fand am Deutschen Eck eine riesige Feier mit großem Feuerwerk statt, bei der die Fahnen der fünf neuen Bundesländer gehisst wurden. An dieser nahmen mehr als 40 000 Menschen teil, was die Zustimmung und Freude des Volks ausdrückt und beweist, dass ihnen das Deutsche Eck wichtig und in ihren Augen ein Symbol nationaler Einheit ist.59 Zwar ist die Einheit nicht allein durch die Wiedervereinigung abgeschlossen, doch man ist auf dem richtigen Weg dahin. Denn so gab es und gibt es auch heute noch Unterschiede zwischen West und Ost, die aber zunehmend geringer werden.

Dies spricht dafür, dass das Deutsche Eck nicht (mehr) ein Zeichen übertriebenen Nationalstolzes ist. Deutlich wird auch ein Wandel in der Bevölkerung, die das Deutsche Eck zunehmend als Symbol nationaler Einheit sieht. Auch die optische Veränderung des Deutschen Ecks im Laufe der Jahre könnte diesen Wandel ausdrücken.

Insgesamt kann man also feststellen, dass es auch einige Aspekte gibt, die entweder gegen das Deutsche Eck als Symbol nationaler Einheit oder gegen das Deutsche Eck als Zeichen übertriebenen Nationalstolzes sprechen. Allgemein lässt sich jedoch feststellen, dass beide Ansichten auch heute noch durchaus vertreten sind, wenn auch eine Tendenz zum Symbol nationaler Einheit in der Auswertung der Umfrage erkennbar ist (vgl.: Anlage 2).

59 Vgl.: Teilnehmer der Geschichts-AG am staatl. Eichendorff-Gymnasium Koblenz, Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Koblenz, 1993, S. 87 23

3. Zusammenfassung & Bewertung

Wie schon festgestellt, gibt es also einige Aspekte, die für und gegen die beiden diskutierten Bedeutungen des Deutschen Ecks sprechen. Doch welche davon ist denn jetzt die überzeugendere? Ist das Deutsche Eck nun ein Symbol nationaler Einheit oder doch eher Zeichen übertriebenen Nationalstolzes?

Auf Anhieb hätte ich mich sicherlich spontan für das Symbol nationaler Einheit entschieden. Seit ich mich näher mit dieser Problematik beschäftige, habe ich jedoch eine neue Feststellung erarbeitet. Ich habe erkannt, dass diese Frage sich nicht so einfach und schnell oder gar eindeutig beantworten lässt – allein schon deshalb nicht, da jeder eine eigene Meinung vertritt, die es auch zu respektieren gilt und für die jeweils auch durchaus tragbare Gründe vorliegen. Deshalb gibt es keine richtige oder falsche Meinung oder gar eine Lösung in dieser Diskussion. Es lassen sich zwar Mehrheiten erkennen, die eine der beiden Ansichtsweisen vertreten, doch im Laufe der Geschichte verschieben diese sich immer wieder. Der Grund dafür ist die verschiedene Art und Weise, wie eine Generation mit der deutschen Geschichte umgeht (→ Geschichtskultur). Diese Veränderung der Mehrheit wird auch in meiner durchgeführten Umfrage deutlich (vgl.: Anlage 2). Dennoch kann man versuchen, eine Beschreibung zu finden, die das Deutsche Eck am ehesten charakterisiert.

Das Deutsche Eck ist also offensichtlich nicht ausschließlich ein Symbol nationaler Einheit, aber auch nicht nur ein Zeichen übertriebenen Nationalstolzes. Daher spiegelt meiner Meinung nach eine Mischung aus beiden Ansichten die Symbolik des Deutschen Ecks am besten wider.

Dadurch wird die gesamte historische Bedeutung des Deutschen Ecks verdeutlicht. So werden die Verdienste von Kaiser Wilhelm I. für die deutsche Einheit durch die Reiterstatue gewürdigt. Sicherlich hat der Kaiser auch viele negative Wirkungen. Sicherlich hat er die Menschen unterdrückt und Aufstände verhindert. Sicherlich haben seine Herrschaft bzw. die preußischen Regierung einige Folgen, unter welchen die Menschen später noch zu leiden hatten wie z.B. die Zerstörung durch die Kriege sowie Armut. Sicherlich hat die Errichtung der Statue Kaiser Wilhelm I. aufgrund seines Handelns vor allem Frankreich provoziert. Sicherlich hat auch die Wahl des Standorts aufgrund der historischen Bedeutung, die durch das Denkmal dargestellte ‚Wacht am Rhein‘ und das gleichnamige Lied von Max Schenkendorf diese Provokation noch verstärkt.

Doch das Geschehene ist schon so viele Jahre her. So ist das Lied z.B. heutzutage fast in Vergessenheit geraten.60 Denn vor allem die jüngere Generation kann sich diese schon so lange vergangenen Geschehnisse zum einen kaum noch vorstellen. Zum anderen führt dies dazu, dass sie sich kaum oder gar nicht mehr mit diesen verbunden fühlen und auch keine Verantwortung dafür empfinden.

60 Vgl.: Die Wacht am Rhein, http://www.niederwalddenkmal.de/die_wacht_am_rhein.php (Stand: 22.12.2012) 24

Aus historischer Sicht ist sicherlich die Einigung Deutschlands, die Kaiser Wilhelm I. bewirkt hat, ein bedeutender Schritt in der deutschen Geschichte. Dieser Vereinigung haben wir eigentlich heute unseren Nationalstaat zu verdanken. Doch sieht man das Handeln des Kaisers heutzutage auch aus einer anderen Perspektive und daher durchaus kritisch. Man distanziert sich zunehmend von der bedingungslosen Verehrung des Kaisers, wie es in der Zeit seiner Herrschaft und auch noch einige Zeit danach der Fall war. Auch hat sich das Verhältnis zu Frankreich deutlich verbessert.

Das könnte eben daran liegen, dass die nachfolgenden Generationen nicht mehr mit der ‚Schuld‘ der früheren Generationen weiterleben wollen und sollen. Sicherlich muss auch dieser Teil der Geschichte bewahrt werden und an ihn erinnert werden. Doch sollten nachfolgenden Generationen nach einer gewissen Zeit nicht mehr nur in Gedenken an die Vergangenheit leben, sondern ihr Augenmerk auch auf die Zukunft richten und aus der Geschichte, genauer aus den begangenen Fehlern bzw. Fehlverhalten, lernen und es dann selbst besser machen. Es kommt also zu einer zunehmenden Distanz zur Geschichte.61 Aufgrund der somit festgestellten zunehmend schwindenden Identifikation mit der Persönlichkeit ist der Kaiser nur ein Teil der Bedeutung des Deutschen Ecks, der die Überheblichkeit bzw. den übertriebenen Nationalstolz widerspiegelt.

Ein weiteres historisch ungemein bedeutendes Ereignis ist die Teilung und spätere Wieder- vereinigung Deutschlands. So wurde das Deutsche Eck also zum Mahnmal der nationalen Einheit ausgerufen und dadurch auch Ausdruck der Forderung nach einer Einheit Deutschlands. Doch auch nach der Wiedervereinigung hat dieser Ort noch einen für viele Menschen wichtigen Bezug zu diesem Teil deutscher Geschichte. Noch heute wehen die Fahnen der Bundesländer am Deutschen Eck, noch heute ist die Inschrift des Sockels des Denkmals ein Aufruf zur Einheit Deutschlands. Da die Wiedervereinigung nicht mehr als gute 20 Jahre vorbei ist, darf auch diese Bedeutung für die etwas ältere Generation, die diesen Teil deutscher Geschichte mitbekommen hat, nicht unterschätzt werden. Auch wenn die jüngste Generation diese Zeit nicht selbst miterlebt hat, so können sie schon eher diesen so bedeutenden Teil deutscher Geschichte nachvollziehen – allein durch die lebhaften Erzählungen und Berichte ihrer Eltern und auch Großeltern. Die Erinnerungen sind in den Köpfen also noch ‚frischer‘ und daher für viele Menschen auch bedeutender als die Taten Kaiser Wilhelm I.

Doch darf man auch den früheren Teil deutscher Geschichte nicht vergessen (allein schon aus Respekt vor all dem Leid, welches die Menschen damals erlitten haben) und sollte ihn in Erinnerung behalten, auch wenn er uns persönlich heute weniger anspricht und betrifft. Ich bin der Meinung, dass das Deutsche Eck sowohl ein Symbol nationaler Einheit als auch ein Zeichen übertriebenen Nationalstolzes ist.

61 Beachte: Trotz der immer größer werden Distanz wird der ‚rote Faden der Geschichte‘ immer weitergesponnen, denn Geschichte kann auch Veränderung bedeuten! 25

Zum einen wird nur durch beide Bedeutungen die gesamte Geschichte des Deutschen Ecks respektiert und ausgedrückt. Denn auch die frühere, wenn auch für uns heute nur noch wenig bedeutende Zeit, wird dadurch mit einbezogen. Zum anderen wird durch meine Ansicht, dass beide Symboliken im Deutschen Eck vertreten sind, die jemals möglicherweise vorherrschende Bedeutung bedacht. So stand zu Beginn vor allem der Kaiserverehrung und dessen Verdienst im Mittelpunkt, während die nationale Einheit nur Nebensache war. Doch im Laufe der Zeit änderte sich dies begünstigt durch mehrere Faktoren. Die Erinnerung, aber vor allem die Verehrung des Kaisers, ließ (langsam) nach, je länger die Zeit Kaiser Wilhelm I. bzw. die Herrschaft Preußens an sich vorbei war.

Außerdem rückte die politische Lage (also die Weltkriege und vor allem die daraus resultierende Teilung Deutschlands) zunehmend in den Vordergrund, so dass von dort an die Symbolik bzw. teilweise Forderung nach nationaler Einheit von größerer Wichtigkeit war. Dies entspricht der schon festgestellten Verschiebung der Bedeutung durch den unterschiedlichen Umgang der Generationen mit Geschichte (→ Geschichtskultur).

Heute ist nach Meinung vieler sicherlich das Deutsche Eck eher ein Symbol nationaler Einheit als ein Zeichen übertriebenen Nationalstolzes. Dies zeichnet sich auch in dem Ergebnis der Umfrage deutlich ab (vgl.: Anlage 2).

Dennoch darf man aber auch die, wenn auch vor allem zu früheren Zeiten häufig vertretene, Ansicht als Zeichen von Nationalstolz nicht außer Acht lassen, wenn man sich mit der Symbolik des Deutschen Ecks genauer befasst. Denn sie gab es und gibt es auch heute noch genauso und ist eben auch ein Teil des Deutschen Ecks (selbst wenn diese nicht mehr so ausgeprägt ist wie früher).

Zusätzlich ist eine Kombination aus beiden diskutierten Bedeutungen auch in der optischen Erscheinung des Deutschen Ecks wiederzufinden. Denn so sprechen z.B. die Wappen und Fahnen für die Einheit Deutschlands, also für das Symbol nationaler Einheit. Hingegen zeugt die große Kaiser-Wilhelm-Statue von enormen Selbstbewusstsein und Großmachtdenken, also von übertriebenem Nationalstolz.

Aus diesen Gründen bin ich der Meinung, dass das Deutsche Eck sowohl ein Zeichen übertriebenen Nationalstolzes also auch Symbol nationaler Einheit ist. Denn beides beschreibt die Geschichte und die Bedeutung für die Menschen am Umfassendsten und Genauesten.

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4. Quellenverzeichnis

Bátori, Ingrid: Editorial, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993) Bloch, Peter: Das Reiterdenkmal, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993) Clemens, Harry: Das Deutsche Eck - Weltkulturerbe - im Wandel der Geschichte, http://www.myheimat.de/breidenbach/das-deutsche-eck-weltkulturerbe-im-wandel-der-geschichte- d101449.html Deutsches Eck, http://www.koblenz-touristik.de/sehenswertes/bauwerke-plaetze/deutsches-eck.html Deutsches Eck, http://www.regionalgeschichte.net/index.php?id=5066 Deutsches Eck - Kaiser Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck, http://www.deutsche-schutzgebiete.de/deutsches_eck.htm Die Folgen der Revolution in Europa, in: Kursbuch Geschichte, Neue Ausgabe Rheinland-Pfalz, Cornelsen 2009 Die Revolution von 1848/49 - Zwischen Restauration und Aufbruch, in: Kursbuch Geschichte, Neue Ausgabe Rheinland-Pfalz, Cornelsen 2009 Die Wacht am Rhein, http://www.niederwalddenkmal.de/die_wacht_am_rhein.php Dr. Benner, Sonja: Fachseminar „Denkmäler im Geschichtsunterricht“ DUDEN – Das Fremdwörterbuch Flöck, Johannes: Fehlgeleitete Nostalgie, in: Leserbriefe, Koblenzer Schängel, 6.9.79, Nr. 36 Geschichte des Niederwald Denkmals, http://www.niederwalddenkmal.de/geschichte.php) Historie - Historische Bebauung der Koblenzer Innenstadt, http://www.koblenz.de/bauen_wohnen/forum_mittelrhein_historie.html Jechel, Hans-Jörg: Kaiser Wilhelm I. Reiterdenkmäler – Band I Jechel, Hans-Jörg: Kaiser Wilhelm I. Reiterdenkmäler – Band II Koelges, Michael: Heroisches Kaiserdenkmal oder „Faustschlag aus Stein“? Das Deutsche Eck in Koblenz Koelges , Michael: Friede, Freiheit, Arbeit – Pläne zur Umgestaltung des Deutschen Ecks 1945-1958, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993) Koelges , Michael: Chronik der Wiedererrichtung des Reiterstandbildes, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993) Mack, Hans-Joachim: Die Zerstörung des Reiterstandbildes im März 1945, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993) Mahnmal - http://www.duden.de/rechtschreibung/Mahnmal Meuer, Christiane: Denkmäler als Spiegelbild von Geschichtsauffassung – die Kontroverse um das Deutsche Eck, 1998 Müller, Jürgen: Das Deutsche Eck bis zur Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals 1897, in: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur, Schwerpunkt Deutsches Eck – Neue Folge 3 (1993) Preuß, Hans: Spenden für den Kaiser, in: Leserbriefe, Rheinzeitung, 16. August 1993 Rasch, Anne Sophie: Das Deutsche Eck als Nationaldenkmal, 31.Mai 1995, S. 38, Zitiert nach Kieler Neueste Nachrichten vom 23 Juli 1930 Rheinkrise, http://lexikonn.de/Rheinkrise Teilnehmer der Geschichts-AG am staatl. Eichendorff-Gymnasium Koblenz, Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Koblenz, 1993 Vor 50 Jahren - Der 18. Mai 1953. Das Mahnmal der deutschen Einheit, http://www.landeshauptarchiv.de/index.php?id=404 Zur Geschichte Koblenz, http://www.regionalgeschichte.net/mittelrhein/koblenz/geschichte.html

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5. Anlagen

1. Umfragebogen

Umfrage zum Thema Deutsches Eck

1. Alter: ______Geschlecht: ______

2. a) Was verbinden Sie mit dem Deutschen Eck? □ Wiedervereinigung Deutschlands □ Gründung des Deutschen Reichs □ Machtdemonstration/ Größe □ Zusammenhalt/ Einigkeit □ Konfliktpotenzial/ Provokation □ ich verbinde nichts mit diesem Ort □ ______b) Welche Aussage trifft Ihrer Meinung nach am besten zu? Das Deutsche Eck ist … □ ein Zeichen übertriebenen Nationalstolzes. □ ein Symbol nationaler Einheit. □ vor allem für den Tourismus wichtig. □ nicht von Interesse für mich. □ ______

3. a) Wer steht oben auf dem Deutschen Eck? ______b) Was wissen Sie über die unter 3a) gesuchte Persönlichkeit? Diese Persönlichkeit … □ war erster Deutscher Kaiser. □ war König Preußens. □ hat zur Gründung des Deutschen Reiches beigetragen. □ hat die Revolution 1848/49 niedergeschlagen. □ kenne ich nicht. □ ______

Vielen Dank für Ihre Teilnahme 

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2. Auswertung der Umfrage

1.

Es nahmen 120 Personen an der Umfrage teil. Davon waren 55 männlichen und 65 weiblichen Geschlechts. Für die Auswertung der Befragung wird eine Unterteilung aller Teilnehmer in verschiedene Altersgruppen (unter 20 Jahre, 20 Jahre – 40 Jahre, über 40 Jahre) vorgenommen, wobei von jeder genau 40 Personen befragt wurden. Außerdem liegt in den Gruppen eine ungefähr gleiche Anzahl männlicher und weiblicher Teilnehmer vor.

2. a) Was verbinden Sie mit dem Deutschen Eck? 20 18

16

14 12 10 8

6 unter 20 Jahre Anzahl der Anzahl Personen 4 20 Jahre -40 Jahre 2 über 40 Jahre 0

Eine Gemeinsamkeit ist festzustellen, denn viele assoziieren Größe und Macht mit dem Deutschen Eck. Doch es gibt auch einige Unterschiede. Die Verbindung zur Gründung des Deutschen Reichs sowie zur Wiedervereinigung entspricht fast ausschließlich der Vorstellung der beiden älteren Gruppen.

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Dies könnte damit zusammenhängen, dass sich die unter 20-jährigen nicht so leicht mit diesem Kapitel deutscher Geschichte identifizieren können, denn Erinnerungen an die Wiedervereinigung oder gar an die Zeit als Deutschland geteilt war, haben sie nicht.

Das erklärt auch, warum diese Altersgruppe das Deutsche Eck häufig als Zeichen von Zusammenhalt und Einigkeit ansieht.

Für sie drückt das Deutsche Eck das Gefühl ein Deutscher zu sein (und möglicherweise auch die Auffassung, dass Deutschland eine große Einheit ist) aus. Mit zunehmendem Alter nimmt die Anzahl bei Zusammenhalt und Einigkeit ab, denn die Ansichtsweise ist je nach Alter verschieden. Zu erklären ist dies mit den historischen Ereignissen, welche die älteren Teilnehmer selbst miterlebt haben und dadurch auch gewissermaßen geprägt wurden.

Dies verdeutlicht auch die Tatsache, dass vor allem Teilnehmer zwischen 20 Jahren und 40 Jahren ein gewisses Konfliktpotential und sogar Provokation im Deutschen Eck sehen. Diese Generation hat die Folgen der angespannten Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich erlebt und an einer besseren Zusammenarbeit der beiden Länder mitgewirkt. Die schwindende historische Bedeutung (vor allem bei der jüngsten Generation) ist deutlich erkennbar. Denn immerhin neun Befragte der unter 20-Jährigen (fast 25%) stellen keinen historischen Bezug zum Deutschen Eck her. Stattdessen verbinden viele damit die Stadt Koblenz und den Zusammenfluss von Rhein und Mosel. Bei steigendem Alter sinkt die Anzahl deutlich. Doch auch allgemein lässt sich erkennen, dass die Bedeutung des Deutschen Ecks abnimmt, denn jeder zehnte Teilnehmer der Umfrage verbindet nichts Bestimmtes mit dem Deutschen Eck. Festzuhalten ist jedoch, dass die Mehrheit mit dem Deutschen Eck Machtdemonstration sowie Zusammenhalt und Einheit verbindet.

b) Welche Aussage trifft Ihrer Meinung nach am besten zu? Das Deutsche Eck ist …

25

20

15 unter 20 Jahre 10 20 Jahre -40 Jahre über 40 Jahre Anzahl der Anzahl Personen 5

0 ein Zeichen ein Symbol vor allem für nicht von Wahrzeichen übertriebenen nationaler den Tourismus Interesse für Koblenz Nationalstolzes Einheit wichtig mich 30

Das Ergebnis dieser Frage weist nur geringe Unterschiede zwischen den verschiedenen Altersgruppen auf. Dieser besteht darin, dass die jüngste Generation im Vergleich zu den anderen beiden Altersgruppen einen deutlich höheren Wert derer aufweist, für die das Deutsche Eck nicht von Interesse oder „nur“ das Wahrzeichen Koblenz ist. Außerdem ist die Hälfte aller Umfrageteilnehmer der Meinung, dass dieses Denkmal vor allem für den Tourismus von Bedeutung ist. Dies belegt die schon festgestellte schwindende historische Bedeutung des Deutschen Ecks erneut

Allgemein lässt sich unabhängig vom Alter deutlich ablesen, dass auch viele Befragte (45%) das Deutsche Eck als Symbol nationaler Einheit, lediglich 11% als Zeichen übertriebenen Nationalstolzes ansehen. Dieses Ergebnis könnte darauf hindeuten, dass die Erinnerung an die Wiedervereinigung Deutschlands sowie das (wiedergewonnene) Gefühl ein Deutscher zu sein, das Gefühl von einem Deutschland bzw. einer Einheit bei den Menschen heutzutage überwiegt. Der Konflikt mit Frankreich und die ständige Präsentation von Stärke scheinen außerdem immer unbedeutender zu sein, denn sonst würde für mehr Befragte das Deutsche Eck ein Ausdruck von Nationalstolz darstellen.

Ein weiterer Aspekt, der belegt, dass sich das Verhältnis zu Frankreich deutlich verbessert hat, ist die immer häufigere gute Zusammenarbeit der beiden Länder. In der Politik nähert man sich zunehmend an. So war der Elysée-Vertrag (abgeschlossen am 22. Januar 1963, unterzeichnet von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle) der Beginn der deutsch-französischen Freundschaft. Doch nicht nur politisch, auch in der Gesellschaft ist eine Annäherung beider Nationen festzustellen. Besonders zu erkennen ist dies vor allem anhand der jungen Generation. Für sie ist Frankreich kein Feind sondern vielmehr ein Freund. Ein Beleg dafür sind die Austauschprogramme und die vielen Schüler, welche die französische Sprache in der Schule lernen. Außerdem gibt es Einrichtungen wie das deutsch-französische Jugendwerk, die den Austausch zwischen den verschiedenen Kulturen vor allem der jungen Generation fördern. Selbst anhand des Fernsehens ist die Zusammenarbeit der beiden Länder am Bespiel von ARTE, einem deutsch-französischen Sender, zu erkennen.

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3. a)

Wer steht oben auf dem Deutschen Eck? 30

25

20

15

10

Anzahl der Anzahl Personen 5 unter 20 Jahre 0 20 Jahre -40 Jahre über 40 Jahre

Anhand dieses Ergebnisses erkennt man, dass die meisten Befragten (62,5%) zumindest wissen, dass Kaiser Wilhelm auf dem Deutschen Eck steht. Doch kann die Mehrheit den vollständigen Namen nicht nennen. (Immerhin können sie aber die Persönlichkeit auf dem Deutschen Eck ungefähr zuordnen und haben so zumindest einen groben Überblick bewiesen.) Ungefähr 25% wissen sogar, dass es zwei Kaiser namens Wilhelm gab. Ganze 16% aller Befragten haben dann auch die Frage vollständig richtig mit Kaiser Wilhelm I. beantwortet.

Zwar wussten nicht alle den Namen der Person auf dem Denkmal, doch sechs Personen konnten zumindest angeben, dass diese ein Reiter ist bzw. eine wichtige Persönlichkeit war. Nur zehn Personen konnten diese Frage nicht beantworten.

Insgesamt kann man also festhalten, dass ein Großteil (mehr als 90%) etwas zu der gesuchten Person wusste, was durchaus positiv zu bewerten ist.

32 b)

Was wissen Sie über die unter 3a) gesuchte Persönlichkeit? Diese Persönlichkeit …

30

25

20

15

10 Anzahl der Anzahl Personen

unter 20 Jahre 5 20 Jahre -40 Jahre über 40 Jahre 0

Das Ergebnis dieser Frage macht den Unterschied zwischen den verschiedenen Altersgruppen besonders deutlich. Die jüngste Generation verbindet mit Kaiser Wilhelm I. sofort den Titel Deutscher Kaiser. Dies liegt sicherlich daran, dass im Geschichtsunterricht in der Schule dieser Titel am häufigsten in Verbindung mit Kaiser Wilhelm I. genannt wird.

Je sechs Befragte (15%) wissen sogar, dass er auch König Preußens war bzw. zur Gründung des Deutschen Reichs beigetragen hat. Immerhin zwei Personen können angeben, dass die gesuchte Person wichtig war und nur fünf aller unter 20-jährigen (12,5%) Teilnehmer kennen die Persönlichkeit nicht.

Bei den Befragten im Alter zwischen 20 Jahren und 40 Jahren kennen die meisten Kaiser Wilhelm I. als ersten Deutschen Kaiser. 10% dieser Altersgruppe kann sogar einen Bezug der Person zur Revolution 1848/49 herstellen.

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Auch steigt der Wert derer, die ihn mit dem Titel König Preußens oder der Gründung des Deutschen Reichs verbinden. Gleichzeitig kennen nur drei Teilnehmer dieser Altersgruppe die gesuchte Person nicht.

Am ‚besten‘ jedoch ist das Ergebnis der über 40-Jährigen. Jeder Befragte dieser Altersgruppe wusste etwas zu der Persönlichkeit zu sagen. Dabei ist die Anzahl derer, die Kaiser Wilhelm I. sofort mit dem Titel Deutscher Kaiser assoziieren, zwar etwas geringer als bei den beiden anderen Altersgruppen. Doch dafür konnten mehr Befragte die Persönlichkeit auch mit Preußen, der Gründung des Deutschen Reichs sowie der Revolution 1848/49 verbinden. Das Ergebnis spricht eindeutig dafür, dass das historische Wissen der Älteren umfassender ist.

Es bleibt festzuhalten, dass ein gewisser Unterschied im Alter durchaus besteht. Grund dafür ist sicherlich die zunehmende Distanzierung der jüngeren Generation aufgrund der immer schwerer werdenden Identifikation mit den historischen Ereignissen, die das Deutsche Eck verkörpert. Dies liegt womöglich daran, dass sie diese nicht selbst erlebt und dadurch dessen Bedeutung schwerer nachvollziehen und sich vorstellen können.

Zusammenfassend kann man aber dennoch eine Hauptaussage in dieser Umfrage erkennen: Die Mehrheit der Befragten verbindet mit dem Deutschen Eck Machtdemonstration und Einigkeit. Sie sieht das Deutsche Reich als Symbol nationaler Einheit und als wichtig für den Tourismus an. Außerdem kann ein Großteil zumindest ungefähre Angaben zur Persönlichkeit auf dem Denkmal machen und weiß, dass diese erster deutscher Kaiser war. Der Unterschied besteht vor allem darin, dass die Gruppen höheren Alters über noch mehr Wissen über die Person Kaiser Wilhelm I. verfügen.

Es ist also abschließend festzustellen, dass eine Verschiebung der Bedeutung in der Geschichte stattgefunden hat. Der Hauptgrund dafür ist die Geschichtskultur, d.h. die Veränderung der Wahrnehmung von Geschichte von Generation zu Generation. Ein Beispiel dafür ist der Begriff Einheit. Im Zeitalter des Imperialismus stand dieser Begriff vor allem auch für (Welt)Machtbestrebungen und Demonstration von Stärke. Heute allerdings verstehen wir darunter vielmehr einen (friedlichen) Zusammenschluss.

Gleichzeitig wird dadurch auch deutlich, dass keine klare Antwort auf die Frage der Symbolik des Deutschen Ecks zu finden ist. Es gibt lediglich eine Mehrheit, die eine der beiden Ansichtsweisen vertritt. Doch hat sich selbst diese innerhalb der Geschichte verschoben. Der Grund dafür ist der kulturelle Wandel der Gesellschaft.

Seit einigen Jahrzehnten werden immer häufiger (Schüler)Austausche mit Frankreich betrieben. Auch die „68er-Bewegung“ hat den kulturellen Wandel deutlich vorangetrieben. So fühlen wir uns heute doch immer mehr als Weltbürger. Dies ist daran zu erkennen, dass die Unterschiede zwischen verschiedenen Nationen deutlich geringer geworden sind, was vor allem der Verdienst der Europäischen Union ist.

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Denn aufgrund der Globalisierung sind wir nicht mehr nur auf unser eigenes Land bzw. unsere eigene Nation fixiert, sondern weltweit verflechtet. Das Internet hat sicherlich einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, da es die Kommunikation erheblich vereinfach. Dies wiederum wirkt sich positiv auf die Wirtschaft aus, denn so ist der Handel mit Ländern auf der ganzen Welt viel einfacher möglich. Dadurch orientieren sich auch viele Firmen neu und sind nun viel internationaler ausgerichtet, d.h. sie haben ihre Standorte auf der Welt verteilt. In der Politik hat die Globalisierung freie Handelszonen sowie Staatenverbunde (z.B. EU) oder auch internationale Organisationen (z.B. United Nations) bewirkt.

Insgesamt gibt es also keine richtige oder falsche Meinung in dieser Diskussion um die Bedeutung des Deutschen Ecks – es gibt höchstens eine überzeugendere Symbolik, die der momentanen Auffassung deutscher Geschichte bzw. der Geschichtskultur eher entspricht. Daher wird das Deutsche Eck heutzutage häufig als Symbol nationaler Einheit angesehen.

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3. Erklärung

Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne Hilfe angefertigt habe. Quellen und Texte/Zitate habe ich entsprechend gekennzeichnet.

Ich bin damit einverstanden, dass die Schule die vollständige Arbeit oder Teile der Arbeit veröffentlicht.

______Unterschrift

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