Plenarprotokoll 15/18

Deutscher

Stenografischer Bericht

18. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Antw PStSekr’in BMFSFJ 1379 B Befragung der Bundesregierung: Die Ein- ZusFr Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . 1379 D führung des Pflichtpfandes auf Geträn- keverpackungen ...... 1373 A Nutzerzahl des Deutschland-Portals – Jürgen Trittin, Bundesminister BMU ...... 1373 B www.deutschland.de – seit September 2002 Werner Wittlich CDU/CSU ...... 1374 B MdlAnfr 2 Jürgen Trittin, Bundesminister BMU ...... 1374 C Dorothee Mantel CDU/CSU Ulrike Mehl SPD ...... 1375 B Antw StSekr Béla Anda BK ...... 1380 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU ...... 1375 C ZusFr Dorothee Mantel CDU/CSU ...... 1380 C Werner Wittlich CDU/CSU ...... 1375 D Jürgen Trittin, Bundesminister BMU ...... 1376 A Weiterer Ausbau des Deutschland-Portals – www.deutschland.de Dr. Antje Vogel-Sperl BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ...... 1376 C MdlAnfr 3 Dorothee Mantel CDU/CSU Jürgen Trittin, Bundesminister BMU ...... 1376 C Birgit Homburger FDP ...... 1377 A Antw StSekr Béla Anda BK ...... 1381 A Jürgen Trittin, Bundesminister BMU ...... 1377 B ZusFr Dorothee Mantel CDU/CSU ...... 1381 B Horst Kubatschka SPD ...... 1377 C Verhinderung des durch neue Konzepte der Jürgen Trittin, Bundesminister BMU ...... 1377 D Deutschen Bahn bedingten möglichen Um- Gudrun Kopp FDP ...... 1378 B stiegs von der Schiene auf das Auto Jürgen Trittin, Bundesminister BMU ...... 1378 B MdlAnfr 4 Birgit Homburger FDP ...... 1378 C Eduard Lintner CDU/CSU Jürgen Trittin, Bundesminister BMU ...... 1378 D Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . . . 1382 A ZusFr Eduard Lintner CDU/CSU ...... 1382 A Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde Verweigerung der Aufnahme von Fahrplan- (Drucksache 15/286) ...... 1379 B daten der Connex in das Kursbuch der Deut- schen Bahn MdlAnfr 5 Negative Bewertung der Aktionsprogramme der Eduard Lintner CDU/CSU Bundesregierung gegen Rechtsextremismus Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . . . 1382 C MdlAnfr 1 Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos ZusFr Eduard Lintner CDU/CSU ...... 1382 D II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. , Mittwoch, den 15. Januar 2003

Nichtberücksichtigung des familienpolitischen Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 1389 A Aspektes beim neuen Preissystem der Deut- ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU ...... 1389 A schen Bahn AG ZusFr Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU 1389 D MdlAnfr 6 Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU ZusFr CDU/CSU ...... 1390 A Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . . . 1383 A ZusFr FDP ...... 1390 B ZusFr Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU 1383 B ZusFr Eduard Lintner CDU/CSU ...... 1383 D Zahl der antisemitischen Straftaten und deren Opfer im vierten Quartal 2002

Mangelnde Berücksichtigung von Kindern beim MdlAnfr 12 neuen Preissystem der Deutschen Bahn AG fraktionslos MdlAnfr 7 Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 1390 C Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU ZusFr Petra Pau fraktionslos ...... 1390 D Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . . . 1384 B ZusFr Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU 1384 B Zusammenarbeit deutscher Unternehmen mit dem Irak im Rüstungs- und Forschungsbereich ZusFr Eduard Lintner CDU/CSU ...... 1385 A MdlAnfr 16 Erich G. Fritz CDU/CSU Auswirkungen der Übernahme der Berliner Reiterstaffel durch den BGS auf deren Einsatz- Antw PStSekr Rezzo Schlauch BMWA . . . . . 1391 A möglichkeiten ZusFr Erich G. Fritz CDU/CSU ...... 1391 C MdlAnfr 8 Roland Gewalt CDU/CSU Zusammenarbeit deutscher Unternehmen mit Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 1385 B dem Irak mit eventuellen Folgen für die Pro- duktion von Massenvernichtungswaffen ZusFr Roland Gewalt CDU/CSU ...... 1385 C MdlAnfr 17 ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU ...... 1385 D Erich G. Fritz CDU/CSU ZusFr Clemens Binninger CDU/CSU ...... 1386 A Antw PStSekr Rezzo Schlauch BMWA . . . . . 1391 D ZusFr Erich G. Fritz CDU/CSU ...... 1392 A Geplante Abschaffung der Reiterstaffel in Nordrhein-Westfalen Auswirkungen des Anstiegs der Kraftstoff- MdlAnfr 9 preise auf die Umsätze der Tankstellen in den Roland Gewalt CDU/CSU deutschen Grenzregionen zur Tschechischen Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 1386 B Republik und zu Polen ZusFr Roland Gewalt CDU/CSU ...... 1386 C MdlAnfr 18 Klaus Hofbauer CDU/CSU ZusFr CDU/CSU ...... 1387 A Antw PStSekr Rezzo Schlauch BMWA . . . . . 1392 C Umsetzung des Beschlusses der Innenminis- ZusFr Klaus Hofbauer CDU/CSU ...... 1392 D terkonferenz betreffend das Gefährdungs- ZusFr Dr. Klaus Rose CDU/CSU ...... 1393 C potenzial von Kleinflugzeugen vom 7. Dezem- ber 2001 Eventuelle Steuerausfälle als Folgen des so ge- MdlAnfr 10 Hartmut Koschyk CDU/CSU nannten Tankpendelns in die Tschechische Re- publik und nach Polen als Folge der Mine- Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 1387 B ralölsteuererhöhung in der Bundesrepublik ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU ...... 1388 A MdlAnfr 19 Klaus Hofbauer CDU/CSU Schließung der durch die Frankfurter Flugzeug- Antw PStSekr Rezzo Schlauch BMWA . . . . . 1393 D entführung sichtbar gewordenen Sicherheits- ZusFr Klaus Hofbauer CDU/CSU ...... 1393 D lücken ZusFr Dr. Klaus Rose CDU/CSU ...... 1394 A MdlAnfr 11 Hartmut Koschyk CDU/CSU ZusFr Erich G. Fritz CDU/CSU ...... 1394 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 III

Entwicklung des Rüstungsexports in den letz- Antw PStSekr BMVg ...... 1399 D ten acht Jahren ZusFr (Zingst) CDU/CSU . . . 1400 B MdlAnfr 20 Petra Pau fraktionslos Antw PStSekr Rezzo Schlauch BMWA . . . . . 1394 C Zusatztagesordnungspunkt 1: ZusFr Petra Pau fraktionslos ...... 1394 D Aktuelle Stunde auf Verlangen der Frak- tion der FDP: Haltung der Bundesregie- rung zu ihren verschlechterten Progno- Aufbau einer nationalen Mehrgefahrenversi- sen für das Wirtschaftswachstum in cherung für die Landwirtschaft Deutschland im Jahr 2003 und der da- MdlAnfr 21 raus geforderten Erhöhung der Neuver- Julia Klöckner CDU/CSU schuldung für den Bundeshaushalt . . . 1400 C Antw PStSekr BMVEL 1395 A Rainer Brüderle FDP ...... 1400 D ZusFr Julia Klöckner CDU/CSU ...... 1395 C Wolfgang Clement, Bundesminister BMWA 1402 B ZusFr Hans-Michael Goldmann FDP ...... 1396 C CDU/CSU ...... 1404 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/ Finanzielle Unterstützung des Aufbaus einer DIE GRÜNEN ...... 1405 B nationalen Mehrgefahrenversicherung für die Carl-Ludwig Thiele FDP ...... 1406 B Landwirtschaft , Bundesminister BMF ...... 1407 C MdlAnfr 22 Julia Klöckner CDU/CSU CDU/CSU ...... 1409 C Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 1396 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ...... 1410 D ZusFr Julia Klöckner CDU/CSU ...... 1397 A Dagmar Wöhrl CDU/CSU ...... 1412 A Verhinderung des Imports von mit Pilzen ver- Volker Kröning SPD ...... 1413 B unreinigten Weizenlieferungen aus der Ukraine Dr. Michael Fuchs CDU/CSU ...... 1414 C MdlAnfr 23 Annette Faße SPD ...... 1415 C Hans-Michael Goldmann FDP Klaus-Peter Willsch CDU/CSU ...... 1417 A Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 1397 B SPD ...... 1418 A ZusFr Hans-Michael Goldmann FDP ...... 1397 C Nächste Sitzung ...... 1419 C Eventueller Import von mit Pilzen verunrei- nigtem Weizen aus der Ukraine Anlage 1 MdlAnfr 24 Hans-Michael Goldmann FDP Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 1421 A Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 1398 A ZusFr Hans-Michael Goldmann FDP ...... 1398 C Anlage 2 Steuerausfälle durch die Anwendung eines Weitere militärische Nutzung des Truppen- pauschalen Steuersatzes bei der Zinsabschlag- übungsplatzes Wittstock und Auswirkungen steuer auf die Planungen zum Standort Kyritz-Ruppi- MdlAnfr 13 ner Heide CDU/CSU MdlAnfr 25 Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 1421 B Werner Kuhn (Zingst) CDU/CSU Antw PStSekr Walter Kolbow BMVg ...... 1398 D Anlage 3 ZusFr Werner Kuhn (Zingst) CDU/CSU . . . 1399 A Auswirkungen der Umsatzsteuererhöhung für den Verkauf von Blumen auf den Export aus Wirtschaftliche Nach- und Vorteile durch die Entwicklungsländern militärische Nutzung des Truppenübungsplat- zes Wittstock für die betreffenden Regionen MdlAnfr 14, 15 Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU MdlAnfr 26 Werner Kuhn (Zingst) CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 1421 B IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Anlage 4 Anlage 5 Stand und Umsetzung der Ergebnisse der inter- Eventuelle Einbeziehung von Berliner oder ministeriellen Arbeitsgruppe „Sicherheit im Brandenburger Flughäfen in die Vorbereitun- Luftraum“ gen eines Irakkrieges MdlAnfr 27, 28 MdlAnfr 29 Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos Antw PStSekr Walter Kolbow BMVg ...... 1422 A Antw PStSekr Walter Kolbow BMVg ...... 1422 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1373

(A) (C)

18. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: verordnung mit einer kaum vergleichbaren Klagewelle überzogen worden. Im Ergebnis hat sich eine Rechtsvor- Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit- schrift allerdings selten als so gerichtsfest erwiesen wie zung ist eröffnet. die Verpackungsverordnung. Ich habe Respekt vor den Vätern dieser Verordnung. Es gab über 100 Prozesse. In Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: allen hat die Verpackungsverordnung Bestand gehabt. Befragung der Bundesregierung Das hat dazu geführt, dass wir am 20. Dezember, also Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka- auf den letzten Drücker, mit weiten Teilen der Industrie, binettssitzung mitgeteilt: die Einführung des Pflicht- auch mit den Teilen, die bisher anderer Auffassung gewe- pfandes auf Getränkeverpackungen. sen sind, übereingekommen sind und diese Verpackungs- Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht verordnung in Kraft treten konnte. Wir haben uns damit hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Re- einverstanden erklärt, dass wir, wenn die Industrie es aktorsicherheit, Jürgen Trittin. schafft, in nunmehr neun Monaten ein bundesweites (B) Rücknahmesystem aufzubauen und umzusetzen, die Er- (D) hebung des Pfandes auf das Verhältnis Verkäufer/Käufer Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- beschränken, nicht aber auf die Abfüller ausweiten. Die schutz und Reaktorsicherheit: Länder – diese sind dafür zuständig – tolerieren eine Be- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe schränkung der Rückgabemöglichkeit auf den Ort, an heute das Kabinett über die Erfahrungen bei der Ein-dem die Verpackung erworben wurde. führung des Pflichtpfandes auf Einwegverpackungen un- Aufgrund dieser Vorgaben können wir heute sagen, terrichtet. Wie Sie wissen, ist die rechtliche Grundlage dass das von vielen beschworene Chaos ausgeblieben ist. hierfür die Verpackungsverordnung. Die Verpackungs- Testkäufe der Umweltverbände – dies geht aber auch aus verordnung sieht bereits seit Anfang der 90er-Jahre ein den Berichten der zuständigen Landesbehörden hervor – Pfand vor. Die Erhebung eines solchen Pfandes war nur ergaben im Großen und Ganzen, dass die Einführung des so lange ausgesetzt, wie der Anteil der Getränke in Mehr- Pfandes gelungen ist. Die Reaktionen waren unterschied- wegverpackungen 72 Prozent nicht unterschreitet. Diese lich. Manche bezweifelten ja die Lenkungswirkung des Quote wurde im Jahr 1997 das erste Mal unterschritten. Pfandes. Wir haben feststellen können, dass sie in man- Nach den letzten Zahlen, den Zahlen des dritten Quartals chen Bereichen sehr stark zugeschlagen hat. So haben 2002, liegt die Mehrwegquote mittlerweile bei 53 Pro- manche Discounter Einwegverpackungen fast vollständig zent, also fast 20 Prozentpunkte unter dem gesetzlich Vor- ausgelistet. gesehenen. Das ist der Hintergrund. Inzwischen können wir sagen, dass es eine positive Re- Als die Unterschreitung absehbar war, hat die Bundes- sonanz gibt. Viele Menschen in diesem Lande – Umfragen regierung mit Zustimmung dieses Hauses vorgesehen, die ergaben, dass es fast drei Viertel der Bevölkerung sind – Verpackungsverordnung etwas zu vereinfachen. Das ist stimmen der Erhebung des Pfandes zu. Auch Unterneh- bekanntermaßen am Widerstand des Bundesrates – übri- men, die bis zuletzt der Auffassung gewesen sind, dass gens über alle politischen Familien hinweg; das war nicht dies nicht der richtige Weg sei, und die den Bundesum- auf eine Seite beschränkt – gescheitert. Die Bundesregie- weltminister noch im Dezember verklagt haben, betreiben rung hat dann am 20. März 2002 erklärt, die Pfandpflicht heute Werbung mit knallhart kalkulierten Mehrwegarti- auszulösen, und zwar zum 1. Januar dieses Jahres. Die In- keln. Diese wurden von einem Unternehmen namens Me- dustrie hatte für den Aufbau eines entsprechenden Rück- tro hergestellt, welches mich, wie gesagt, vor kurzem nahmesystems also neun Monate Zeit. noch verklagen wollte. Diese Zeit ist leider nicht genutzt worden. Stattdessen Wir haben es also erreicht, dass das Mehrwegsystem ist der Bundesumweltminister wegen der Verpackungs- auch in diesen Bereichen gestützt wird. Insofern können 1374 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Bundesminister Jürgen Trittin (A) wir hier eine positive Bilanz ziehen. Als Konsequenz die- Bundesregierung soll die bisher vorgeschriebene Mehr-(C) ser positiven Bilanz habe ich vorgeschlagen, dass dieses wegquote entfallen. Für die Wirtschaft fehlt damit eigent- Haus – es bedarf auch der Zustimmung des Bundestages lich der Anreiz, durch eine Steigerung des Absatzes von – gemeinsam mit den Bundesländern eine Novelle der Mehrwegverpackungen langfristig wieder eine Freistel- Verpackungsverordnung angehen sollte, die 1998 ent- lung von dieser Pfandpflicht zu erreichen. Wie wollen Sie standene Unlogiken in dieser Verpackungsverordnung be- verhindern, dass diese von der Verpackungsverordnung an- seitigt. Ich denke etwa daran, dass alkoholhaltige Cola- gestrebte Lenkungswirkung endgültig zunichte gemacht Getränke in Dosen nicht bepfandet werden, währendwird? Cola-Getränke in Dosen bepfandet werden, und dass Kaf- fee in Dosen nicht bepfandet wird, während Mineralwas- ser mit Kohlensäure in Dosen bepfandet wird. Es ist wich- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: tig, solche Unlogiken zu beseitigen und der Industrie für Bitte schön, Herr Minister. den Aufbau des Rücknahmesystems gleichzeitig einen festen Rahmen zu geben. Dies muss auch dadurch ge- schehen, dass wir den Getränkekarton aus der Pfand- Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- pflicht generell herausnehmen, da er ökologisch vorteil- schutz und Reaktorsicherheit: haft ist. Dies müssen wir angehen. Wir haben mit den Eckpunkten, die ich mit Herrn Ich habe die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Nie- Schnappauf, Herrn Müller, Herrn Jüttner und Frau Höhn dersachsen und Nordrhein-Westfalen – sozusagen stell- besprochen habe, erst einmal ein grundsätzlich anderes vertretend für die jeweiligen politischen Familien imHerangehen gewählt. Wir haben bisher die Situation, dass Bundesrat – gebeten, uns gegenüber bis Mitte Februar zu in der Verpackungsverordnung definiert ist, welche Ver- erklären, ob sie bereit sind, auf der Basis solcher Eck- packungen pfandpflichtig sind. Damit ergibt sich immer punkte einer Novelle der Verpackungsverordnung zuzu- dann, wenn sich jemand eine neue Verpackung ausdenkt, stimmen. Diese könnten wir dann im Frühjahr hier verab- eine neue Unlogik. schieden, sodass dies synchron mit der Einführung des Wir haben uns für einen anderen Weg entschieden. Wir bundesweiten Rücknahmesystems geschehen würde. haben gesagt: Im Prinzip ist jede Einwegverpackung, weil Ich würde mich freuen, wenn auch der Deutsche Bun- ausweislich der diversen Ökobilanzen ökologisch nach- destag diesen Versuch einer konsensualen und pragmati- teilig, pfandpflichtig. Nur wenn für diese Verpackung der schen Vereinfachung der Verpackungsverordnung mitge- Nachweis erbracht wird, dass sie mit der Mehrwegver- hen könnte. packung gleichwertig ist, wird sie von der Pfandpflicht ausgenommen. Das ist eine Umkehrung des Ansatzes und Vielen Dank. auch ein Unterschied zu der Novelle von 2001, mit der (B) weiterhin zu arbeiten ich – das muss ich ehrlich sagen – (D) niemanden zumuten möchte. Wir müssen einen Konsens Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: erreichen. Vielen Dank, Herr Minister. – Ich bitte, zunächst Fra- gen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben Nach unseren Vorstellungen kommen wir zu der Über- berichtet wurde. Das Wort hat der Kollege Wernerlegung, den Schlauchbeutel – das war schon Ergebnis der Wittlich. Ökobilanz unter Frau Merkel – und den Getränkekarton – das ist das Ergebnis der Ökobilanz, die wir durchgeführt haben – von der Pfandpflicht auszunehmen. Sie sind heute, Werner Wittlich (CDU/CSU): wenn sie denn über das Duale System Deutschland zurück- genommen werden, hinsichtlich der ökologischen Vorteil- Sehr geehrter Herr Minister, die Pläne der Bundesre- haftigkeit mit der Mehrwegverpackung vergleichbar. gierung für eine kurzfristige Novellierung der Ver packungs- verordnung enthalten eine Reihe von Unstimmigkeiten. Ich bin mir nicht sicher, Herr Kollege, ob der Verbrau- Beispielsweise sollen Flaschen mit alkoholfreiem Trau- cher nicht zwischen Wein und Traubensaft unterscheiden bensaft pfandpflichtig werden, während dies bei Flaschen kann. Meine Erfahrung ist, dass er das relativ gut kann. mit Wein, der ja bekanntlich vergorener Traubensaft ist, Auch in der evangelischen Kirche wird beim Abendmahl nicht der Fall ist. Wie will die Bundesregierung vor die- darauf genau geachtet. sem Hintergrund eine weitere Verwirrung in der Bevölke- rung verhindern? (Werner Wittlich [CDU/CSU]: Bei der katholi- schen Kirche auch!) Frau Präsidentin, darf ich all meine Fragen jetzt stel- len? Ich habe fünf Fragen zu der Thematik formuliert. – Da kenne ich mich nicht so aus. Wir haben den Wein aus verschiedenen Gründen aus- genommen: Erstens. Wir haben hier nur in kleinsten Seg- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: menten – sie sind statistisch kaum messbar – Alternativen Ich glaube, das ist ein wenig viel. Ich denke, der Herr im Mehrwegbereich. Die wenigsten Menschen greifen Minister wird nach zwei Fragen antworten. zum Beispiel zu Weißwein aus Italien in Pfandflaschen, wie ich es gelegentlich tue, weil mein Händler an ein sol- ches System angeschlossen ist. Zweitens. Es gibt ganz (CDU/CSU): Werner Wittlich andere Lagerzeiten. Drittens. Wir sind bei Wein und Spi- Ich hoffe, dass ich die anderen Fragen nachher noch rituosen an einem Punkt, wo wir kaum eine Substitu- nachschieben darf. – Herr Minister, nach den Plänen der ierung durch Mehrwegverpackungen vornehmen können. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1375

Bundesminister Jürgen Trittin (A) Was wir mit dieser Regelung auch beabsichtigen, ist, und Arbeitsplatzfragen. Deswegen bitte ich Sie, Herr(C) dass Getränke, die überwiegend Alkohol enthalten, nicht Minister, noch einmal etwas zu den Gründen zu sagen, pfandpflichtig sind. Mixgetränke aber sollen von derweshalb sich damals der Bayerische Landtag mit seiner Pfandpflicht ausdrücklich erfasst werden. Den Unsinn, Mehrheit – die schließlich nicht Rot-Grün ist – ausdrück- dass heute eine Dose Cola bepfandet wird, wohingegen lich für eine Pfandpflicht ausgesprochen hat. die Dose Cola mit Whisky von der Pfandpflicht ausge- nommen ist, würden wir an dieser Stelle beenden. Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- Eine weitere Ausnahme sind die diätetischen Lebens- schutz und Reaktorsicherheit: mittel im Sinne des § 1 der Verordnung über diätetische Frau Abgeordnete, Ihre Frage kann ich nicht aus eige- Lebensmittel. Sie waren bisher schon nicht pfandpflichtig. ner Anschauung beantworten. Das könnte der Kollege Ich glaube, dass diese Regelungen sehr überschaubar Göppel, der zu dieser Zeit Mitglied des Bayerischen und für den Verbraucher zu handhaben sind. Landtags war, sicherlich besser. Wenn ich es richtig in Er- innerung habe, hat er dazu beigetragen, dass der Landtag Ihre zweite Frage bezog sich auf den Verzicht der damals zu dieser Entscheidung gekommen ist, die mich Quote. Wir haben auf ausdrücklichen Wunsch des Kolle- sehr gefreut hat. Ich hätte nie geglaubt, dass ich als Grü- gen Schnappauf, unterstützt vom Kollegen Müller, in un- ner, der von der Küste kommt – manche nennen das ja seren Eckpunkten festgehalten, dass wir ein Ziel definie- „Fischkopf“ –, ren wollen. Das Ziel soll sein, zu einem bestimmten Zeitpunkt 80 Prozent der Getränke, die in Deutschland (Ute Kumpf [SPD]: Genau! Das sagt man in verkauft werden, in ökologisch vorteilhaften Verpackun- Schwaben!) gen anzubieten. Damit das kontrolliert wird, soll der Ge- einmal im Bayerischen Landtag eine Mehrheit gegen die setzgeber verpflichtet sein, diesen Anteil der ökologisch eigene Landesregierung erhalten würde. Aber das war vorteilhaften Verpackungen jährlich festzustellen und im tatsächlich der Fall. „Bundesanzeiger“ zu veröffentlichen. Dabei soll auch der Anteil der Mehrwegverpackungen unter den ökologisch Hintergrund dafür ist neben den ökologischen Gründen vorteilhaften Verpackungen festgestellt werden. Dies war die spezifische Struktur insbesondere der bayerischen in dem Gespräch breiter Konsens. Brauereiunternehmen. Wir haben es dort mit einer Viel- zahl kleiner und mittelständischer Unternehmen zu tun, die Das, was wir nicht machen – das unterscheidet uns –, ihre Konsumenten in der Regel ortsnah, ohne lange Trans- ist, dass wir an diese Feststellung eine unmittelbare portwege, erreichen und die aufgrund des Vordringens Rechtsfolge knüpfen. Denn was hieße das? Stellen Sie großer Brauereien, die dies im Wesentlichen über das Ein- sich vor, wir würden unser gemeinsames Ziel erreichen: wegsystem – weil nur dessen Logistik dies erlaubte – orga- (B) Die Pfandpflicht würde zu den festgelegten 80 Prozent (D) nisiert haben, akut unter ökonomischen Druck geraten sind. führen und dann wegfallen. Dann würden die Unterneh- Seinerzeit wurden seitens der mittelständischen Braue- men, die zurzeit relativ viel Geld in Rücknahmeautomaten reien und des Getränkefachhandels Befürchtungen laut, investieren, diese abschaffen mit dem möglichen Ergeb- dass in diesen Betrieben durch das Vordringen des Ein- nis, dass die Quote erneut absinkt und wir die Pfandpflicht wegsystems insbesondere im Biervertrieb und dabei vor nach kurzer Zeit wieder einführen müssten. Dies ist aus- allem über Dosen mittelfristig 250 000 Arbeitsplätze in drücklich nicht im Sinne der Wirtschaft, die ein entspre- Gefahr gerieten. Das war meines Wissens der ökonomi- chendes Rücknahmesystem aufbaut. sche Hintergrund der Haltung des Bayerischen Landtags. Der Konsens ist, auf eine Quote mit Rechtsfolgen zu verzichten und stattdessen in der Verpackungsverordnung ein Ziel festzuschreiben und sicherzustellen, dass die Er- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: gebnisse jährlich begutachtet und veröffentlicht werden, Herr Kollege Wittlich, jetzt haben Sie das Wort zu ei- sodass wir daraus alle gemeinsam gegebenenfalls die po- ner oder vielleicht zwei Fragen. litischen Konsequenzen ziehen können. Werner Wittlich (CDU/CSU): Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Herr Minister, Sie haben es eben schon kurz angespro- Herr Kollege Wittlich, ich möchte Ihnen lieber später chen: Der Novellierungsentwurf der Bundesregierung noch einmal das Wort erteilen. Sie dürfen Ihre Fragenenthält ausschließlich eine Pfandbefreiung von Getränke- zwar noch stellen, aber im Sinne der Ausgewogenheitkartons und Schlauchbeuteln. Ich möchte das Gesagte sollten auch Vertreter der anderen Fraktionen zu Wortnicht wiederholen. Mir geht es um Folgendes: Erfolgt in kommen. dem Fall, dass eine Verpackung, die derzeit noch nicht ökologisch vorteilhaft ist, durch Gutachten oder Öko- Die nächste Frage kommt von der Kollegin Ulrike bilanzen belegt zur ökologisch vorteilhaften Verpackung Mehl. wird, die Befreiung automatisch oder muss die Ver- packungsverordnung jedes Mal wieder verändert werden, Ulrike Mehl (SPD): was ich nicht gutheißen würde? Der Pfandpflicht liegen in erster Linie ökologische Ich stelle noch eine weitere Frage, Frau Präsidentin. – Fragen zugrunde. Das ist auch gut so. Aber damit einher Mit der Ausweitung der Pfandpflicht auf kohlensäurefreie gehen auch noch andere, nämlich ökonomische Fragen Getränke drohen erhebliche Einnahmeausfälle bei der 1376 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Werner Wittlich (A) Wertstofferfassung des Dualen Systems. Glauben Sie Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (C) nicht, dass damit die Fortsetzung der haushaltsnahen Wert- Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Antje Vogel- stoffsammlung insbesondere bei der bei den Verbrauchern Sperl. etablierten Altglassammlung akut gefährdet wird, und wie wollen Sie diese Gefährdung verhindern? Dr. Antje Vogel-Sperl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit: Herr Minister, der hessische Umweltminister Dietzel Herr Wittlich, erlauben Sie, dass ich die zweite Frage wirft Ihnen vor, erst jetzt zu einer Novellierung der Pfand- zuerst beantworte. Wir gehen davon aus, dass die Ent- pflicht bereit zu sein. Ich zitiere wörtlich aus seiner Presse- wicklung so verläuft, dass, wenn wir nicht zu einer No- mitteilung vom vergangenen Freitag: vellierung kommen, aufgrund der Marktentwicklung Die Hinweise, dass der Bund einer Novellierung der auch die nicht kohlensäurehaltigen Getränke in die Pfand- Pfandpflicht nicht mehr entgegenstehen will, sind pflicht hineinrutschen. Das würde unter anderem dazu ein eindeutiges Eingeständnis von Herrn Trittin, dass führen, dass nicht nur Einwegglas, sondern auch der Kar- die Pfandpflicht voreilig zum 1. Januar 2003 einge- ton bepfandet würde. Mit der Privilegierung des Kartons führt worden ist. – meines Wissens werden fast 80 Prozent der Fruchtsäfte im Karton und nur ein sehr kleiner Anteil im Glas ver- (Lachen bei der SPD – Horst Kubatschka packt – sorgen wir dafür, dass dem Dualen System unterm [SPD]: Das steht in einem Witzblatt, nehme Strich ein stabiles Aufkommen gesichert wird. Gerade ich an! – Ulrike Mehl [SPD]: Das ist Kaba- weil der nicht bepfandete Getränkekarton im Dualen Sys- rett!) tem landet, gehe ich davon aus, dass es eine Verschiebung Wie beurteilen Sie diese Äußerung von Herrn Dietzel? von Einwegglas zum Getränkekarton geben wird, sodass unsere Novelle, wenn man alles zusammennimmt, dem Können Sie die Länder aufführen, die im Jahre 2001 im Dualen System eher nutzen wird. Näheres werde ich den Bundesrat gegen Ihren Novellierungsvorschlag gestimmt Verbandsvertretern und dem Geschäftsführer, der Ihnen haben, und war das Land Hessen dabei? auch nicht ganz unbekannt ist, in dieser Woche erläutern (Werner Wittlich [CDU/CSU]: NRW auch!) können.

Zur ersten Frage: Wir haben bewusst auf einen Auto- Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- matismus verzichtet; ich sehe für ihn auch keinen Anlass. schutz und Reaktorsicherheit: (B) Als in Frau Merkels Verantwortung festgestellt wurde, (D) dass der Schlauchbeutel der Milchmehrwegflasche Ich bin mir nicht sicher, ob ich eine vollständige Auf- gleichwertig sei, ist die Verpackungsverordnung umge- listung hinbekomme. Es haben auch nicht alle dagegen hend geändert worden. Als wir festgestellt haben, dass gestimmt. Da es sich um eine zustimmungspflichtige Ver- der Getränkekarton aufgrund der hohen Rücknahme-ordnung handelte, brauchten wir die aktive Zustimmung quote und der hohen Qualität der Verwertung durch das der Mehrheit des Bundesrates. Uns fehlte unter anderem Duale System Deutschlands der Mehrwegflasche ökolo- die aktive Zustimmung der Länder Hessen, Bayern und gisch vergleichbar sei, haben wir sofort eine Novellie- Baden-Württemberg. rung eingeleitet. Dass sie damals keine Mehrheit gefun- (Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Und Nord- den hat, hatte sicherlich andere Gründe. Ich will ja nicht rhein-Westfalen!) nachtarocken; aber ich muss denjenigen, die damals da- gegen waren, unterstellen, dass sie dafür andere Gründe – Und von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und hatten. dem Saarland. Sie sehen, ich genüge dem Anspruch der Ausgewogenheit. Ich bin übrigens auch aus Respekt vor diesem Hause gegen einen Automatismus. Bei einem Automatismus Sicher ist jedenfalls, dass Hessen zu denen gehörte, die überließen Sie es der Exekutive oder gar einem Wissen- zu diesem Zeitpunkt die Novellierung als nicht notwendig schaftlergremium, etwas zu entscheiden, was nach meiner ansahen. Daher nehme ich die Äußerung des Kollegen Auffassung eine originär politische Entscheidung ist, die Dietzel als das, was sie ist: als das Eingeständnis, dass wir alle, die wir gewählt worden sind, zu treffen haben. auch er einen gewissen Novellierungsbedarf sieht. Wenn Natürlich können Sie in einer Ökobilanz – das ist ein for- wir jetzt gemeinsam zu dem Ergebnis kommen sollten, malisiertes Verfahren nach internationalen Standards – dass wir die Verpackungsverordnung novellieren, würde feststellen, wie es mit der Gewässerbelastung und deres mich freuen. Rückmeldungen der A-Seite wie der B- Luftbelastung und anderen Einzelfaktoren aussieht. Wis- Seite des Bundesrates sind für Mitte Februar zugesagt. Ich senschaftlich neutral können Sie aber nicht beantworten, hoffe, dass dann auch das Land Hessen zu denen gehören wie Sie die einzelnen Faktoren gewichten und welchewird, die einer Novellierung zustimmen. Ich kann mir al- Konsequenzen Sie daraus zu ziehen haben. Daher wären lerdings vorstellen, dass zu diesem Zeitpunkt ein anderer das Parlament und der Bundesrat nach meiner Auffassung als Herr Dietzel in Hessen dafür Verantwortung tragen gut beraten, wenn sie diese Entscheidung nicht einfach wird. der Verwaltung überließen. (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wovon träu- (Werner Wittlich [CDU/CSU]: Vielen Dank!) men Sie nachts?) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1377

(A) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: mit allen Beteiligten gegeben hat, eines feststellen, wie(C) immer man das auch bewerten will: Bei der Beantwortung Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Birgit der Frage, was durchsetzungsfähig ist, ist am Ende das Homburger. alte Instrument, nämlich das Pfand, der Verpackungsver- ordnung, die während der Zeit der CDU/CSU-FDP-Re- Birgit Homburger (FDP): gierung unter Klaus Töpfer 1998 novelliert worden ist, übrig geblieben. Mit dem Pfand wird den ökologischen Herr Minister, Sie haben uns die Eckpunkte des Kabi- Mehrkosten der Einwegverpackungen durch eine Belas- netts vorgestellt. Seit Sommer 2000 gibt es eine Öko- tung der Verursacher entgegengesteuert, also derjenigen, bilanz, wonach die Tetrapaks in ökologischer Hinsicht die solche Verpackungen in den Verkehr bringen. Das ist den Mehrwegverpackungen gleichwertig sind. Im Som- das, was ich aus zweieinhalb Jahren Diskussion über das mer 2000 hat die FDP-Bundestagsfraktion dies sofort richtige Instrument als Konsequenz ziehe, wissend, dass zum Anlass genommen, einen Antrag in den Deutschen einige andere Alternativen befürworten. Aber ich bin zu Bundestag einzubringen, in dem wir das formuliert haben, dem Ergebnis gekommen, dass sich die Vertreter der Al- was Sie dieser Tage vorgestellt haben, nämlich nicht mehr ternativen so sehr gegenseitig blockiert haben, dass sich zwischen Einweg- und Mehrwegverpackungen, sondern der Vormarsch der Einwegverpackungen ungehindert zwischen ökologisch sinnvollen und ökologisch nicht vollziehen konnte; denn deren Anteil an den Getränke- sinnvollen Verpackungen zu unterscheiden. Wie erklären verpackungen macht inzwischen fast 47 Prozent aus. Sie sich, dass die rot-grüne Koalition diesen Antrag der FDP-Fraktion im Jahr 2001 sowohl im Umweltausschuss als auch im Deutschen Bundestag abgelehnt hat? Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Eine weitere Frage, die ich an Sie richten möchte, ist: Die nächste Frage stellt der Kollege Horst Kubatschka. Wir haben festgestellt, dass Sie in der Weihnachtspause einen sehr mutigen Schritt gemacht haben, indem Sie (SPD): Ihren Schnauzbart geopfert haben. Im Übrigen finde ich, Horst Kubatschka dass Ihnen das sehr gut steht. Ich möchte Sie fragen, ob Die Einwegverpackungen haben zur Verschandelung Sie den mutigen Beginn des neuen Jahres nicht fortsetzen unserer Städte und Landschaften beigetragen, weil bei- und sich auch von dem ökologisch und ökonomisch kon- spielsweise überall Bierdosen herumgelegen haben. Die traproduktiven Mittel des Zwangspfands verabschieden jetzige Lösung ist für den Verbraucher sicherlich nicht op- und stattdessen ein Lizenzmodell einführen wollen, das timal; denn die Industrie hat bis zum Schluss geglaubt, wesentlich weniger aufwendig wäre. Das ist unser Vor- ohne ein Gesetz auszukommen. Wie lange wird es nach schlag als Alternative zum Pfand. Ihrer Einschätzung dauern, bis es zu einem Fondssystem (B) (D) kommt, sodass der Zugreisende auf dem Bahnhof in Mün- chen eine Bierdose kaufen und sie in Nürnberg abgeben Bundesminister für Umwelt, Natur- Jürgen Trittin, kann? Ein solches Fondssystem wäre eine Lösung, die für schutz und Reaktorsicherheit: alle das Optimale wäre. Frau Kollegin, ich danke für Ihr freundliches Kompli- Die zweite Frage. Für die kleinen Brauereien geht es ment. Ich weiß nicht, ob die Frage, wie sich welche Frak- um die Existenz: Sie haben sich auf die Gesetzgebung der tion in welchem Ausschuss verhalten hat, an die Regie- CDU/CSU-FDP-Regierung, von Herrn Töpfer, verlassen, rung zu richten ist. Lassen Sie mich deswegen an dieser die darauf hinausläuft, dass auch Mehrwegflaschen im Stelle auf Folgendes hinweisen: Die Novelle der Ver- Einsatz bleiben. Weil diese sich aus Kostengründen keine packungsverordnung, die 2000 im Bundesrat und 2001 im zweite Abfüllanlage erlauben konnten, hatten sie sich Bundestag eingebracht wurde, wurde von den Ländern seinerzeit für Mehrweg und für die Umwelt entschieden. Baden-Württemberg und, wenn ich mich richtig erinnere, War es von daher nicht doch ein Zeichen von politischer Hessen explizit abgelehnt. In beiden Bundesländern ist Verlässlichkeit, dass wir das jetzt durchgezogen haben? die FDP an der Regierung beteiligt. Auch Rheinland-Pfalz – es gibt ja einen bekannten FDP-Abgeordneten mit ent- Nur noch eine Anmerkung: Bevor ich ein Bier aus der sprechenden Connections nach Rheinland-Pfalz – hatDose saufe, durste ich lieber. nicht zugestimmt. Ich glaube, dass wir alle gut beraten (Werner Wittlich [CDU/CSU]: Weil Sie keine sind, wenn wir zur Kenntnis nehmen, dass es damals eine Ahnung haben! Gutes Bier aus der Dose Auseinandersetzung darüber gegeben hat, ob die Ein- schmeckt genauso!) führung eines Pfands überhaupt verhindert werden kann. Das war der Grund, warum Länder wie Baden-Württem- berg, Hessen und Rheinland-Pfalz mit tatkräftiger Unter- Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- stützung der FDP gegen die Einführung eines Pfands ge- schutz und Reaktorsicherheit: stimmt haben. Diese Frage ist heute erledigt. Ich hoffe Angesichts derjenigen, die das für sich persönlich an- angesichts des Pragmatismus dieser Länder und der Rea- ders entscheiden, sollte aber sichergestellt sein – darauf lität des Pfands, zu einer einfachen und unbürokratischen haben Sie zu Recht hingewiesen –, dass die Weißblech- Lösung zu kommen. respektive Aludose dann auch tatsächlich wieder in der Zu den Alternativen, die es zum Pfand gibt – von Ab- Verwertung und nicht in der Landschaft landet. Das Pfand gaben bis hin zu Lizenzsystemen und Ähnlichem –, muss dient ja dazu, das sicherzustellen. Das ist der Vorteil des ich nach zweieinhalb Jahren Diskussion, die es vor 2001 Pfandes. 1378 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Bundesminister Jürgen Trittin (A) Die Industrie hat sich bereit erklärt, ein solches Rück- wissen Kartellcharakter haben müssen – wenn man alles (C) nahmesystem spätestens zum 1. Oktober zur Verfügung bei jedem zurückgeben kann, muss es Absprachen geben –, zu stellen. Im Hinblick darauf appelliere ich an alle Be- aus kartellrechtlichen Gründen nicht möglich wären. teiligten, daran mitzuwirken, dass es jetzt relativ schnell Wenn diese Sorge zu Recht bestehen sollte, dann – da sind zu einer Novelle der Verpackungsverordnung kommt;sich, glaube ich, Bundeswirtschaftsministerium und Um- denn wir müssen die Novellierung mit dem Aufbau des weltministerium einig – müssen wir die gesetzlichen Vo- Rücknahmesystems natürlich halbwegs synchron halten. raussetzungen so ändern, dass sie doch möglich werden. Deswegen wünsche ich mir, dass eine Novelle der Ver- Niemand kann ein Interesse daran haben – gleichgül- packungsverordnung im Frühjahr durch beide Häuser, tig, ob es sich um Altautos, um Getränkeverpackungen, durch Bundestag und Bundesrat, gebracht wird. – Das zu um Elektronikschrott, um Batterien oder Ähnliches han- Ihrer ersten Frage. delt –, dass wir das, was wir erreicht haben, nämlich Ent- Wie war gleich Ihre zweite Frage? sorgungssysteme in der Verantwortung der Wirtschaft, in die Sphäre des Staates zurückführen. Das wäre sicherlich (Horst Kubatschka [SPD]: Verlässlichkeit der völlig falsch. Eine Reverstaatlichung von Umweltpolitik Politik!) an dieser Stelle kann niemand wollen, aus wettbewerb- – Ach so, die Frage der Verlässlichkeit. Natürlich hat die lichen, aber auch aus ökologischen Gründen. Debatte um das Pfand nicht nur eine ökologische Kom- ponente – Ressourceneinsparung, Verkürzung von We- gen, Klimaschutz, Recycling und all das –, sondern selbst- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: verständlich auch eine wettbewerbsrechtliche Seite. Eine Herr Kollege Wittlich, haben Sie noch eine Frage? Frage, die da immer bestanden hat, lautet: Können sich (Werner Wittlich [CDU/CSU]: Hat sich kleine und mittelständische Unternehmen auf das gesetzte erledigt!) Recht verlassen oder wird dieses im Interesse großer und starker Wettbewerber im Zweifelsfall deren Bedürfnissen – Dann hat die Kollegin Homburger das Wort. Frau angepasst? Homburger, bitte. Diese Frage ist damit mit entschieden worden. Das ist aber nicht Sinn und Ziel der Verpackungsverordnung, Birgit Homburger (FDP): sondern, wenn Sie so wollen, ein Nebeneffekt. Nichts- Herr Minister, ich bin ganz froh, dass Sie eben bei der destotrotz ist dies, glaube ich, für viele bayerische Fami- Beantwortung der Frage der Kollegin Kopp klargestellt lienbetriebe von zentraler Bedeutung gewesen. haben, dass die Entwicklung, die sich in den letzten zwei Wochen vollzogen hat, sicherlich nicht anhalten wird. (B) (D) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Diese Entwicklung ist der Tatsache geschuldet, dass im Augenblick keine Rücknahmesysteme etabliert sind. Die nächste Frage hat die Kollegin Gudrun Kopp. Sie sprechen allerdings noch immer in den alten Kate- gorien. Wir stimmen darin überein – das haben wir gerade (FDP): Gudrun Kopp erfreulicherweise festgestellt –, dass wir die Trennlinie Herr Minister, wie beurteilen Sie die derzeitige Markt- nicht mehr zwischen Einweg und Mehrweg ziehen kön- situation der Entsorgungswirtschaft mit Blick auf Wett- nen; vielmehr müssen wir sie zwischen ökologisch sinn- bewerbsfragen? vollen und ökologisch nicht sinnvollen Verpackungen ziehen, und zwar analog dem, was in Ökobilanzen festge- stellt wurde. Angesichts dessen finde ich es nicht in Ord- Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- nung, dass Sie hier sagen: Ja, aber die Entwicklung hat schutz und Reaktorsicherheit: dazu geführt, dass wir jetzt 47 Prozent Einweg haben. – Im Grunde sind das zwei Fragen. Was die Getränke- Das ist nicht relevant. verpackungen angeht, so wissen wir heute noch nicht, wie Wollen Sie nicht endlich einmal zur Kenntnis nehmen, sich das entwickelt. Ich rate allen dazu, das im Jahr 2003 dass die von der alten Koalition erlassene Verpackungs- genau zu beobachten. Eine solch starke Lenkungswir- verordnung bewirkt hat, dass aufgrund technischer Ent- kung, wie sie die Einführung des Pfandes jetzt erreicht wicklungen und einer gewissen Dynamik heute circa hat, wird es bei Verwirklichung eines Rücknahmesystems 80 Prozent der Getränke in ökologisch sinnvolle Ver- sicherlich nicht geben. Ich erwarte eher eine Entwicklung packungen abgefüllt werden? Auch Sie selbst haben im wie in Schweden, nämlich ein schrittweises Wiederan- Hinblick auf die Eckpunkte von diesen 80 Prozent ge- steigen der Mehrwegquote, und nicht solche Sprünge, wie sprochen. Wenn man wissenschaftliche Erkenntnisse um- wir sie zurzeit erleben und die einige, auch auf der Ver- setzen will, dann muss auch die politische Argumentation werterseite, in Probleme bringen. stringent sein. Wollen Sie nicht auch das endlich einmal Nun zu der anderen Frage. Wir sehen mit großer Sorge zur Kenntnis nehmen? – ich sage bewusst: wir; das gilt für das Wirtschaftsminis- terium wie für das Umweltministerium –, dass es beim Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- Bundeskartellamt eine Auslegung von Kartellrecht geben schutz und Reaktorsicherheit: könnte – das ist noch nicht entschieden; da ist man noch im Gespräch –, nach der Rücknahmesysteme in der Selbst- Frau Abgeordnete, wenn ich Sie da – mit allem Respekt – verantwortung der Wirtschaft, die naturgemäß einen ge- korrigieren darf: Nach der Verpackungsverordnung, die Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1379

Bundesminister Jürgen Trittin (A) Klaus Töpfer zu verantworten hat, und auch nach der Ver- Rechts“ enthaltenen Aussagen sind deutlich überspitzt(C) änderung, die 1998 stattgefunden hatte – sie hat zu einer medial verbreitet worden. Die mediale Darstellung hat drastischen Komplizierung der Verordnung geführt, weil den Eindruck erweckt, dass es tatsächlich eine breit ange- man plötzlich nach unterschiedlichen Getränkearten und legte und fast vernichtende Kritik an diesen Programmen nicht mehr nach Verpackungen differenziert hat –, war es geben würde. Wenn Sie sich allerdings das Gutachten so, dass wir eine Mehrwegquote von 72 Prozent vorgese- selbst anschauen, stellen Sie fest, dass das Gutachten hen haben. Wenn, wie von mir vorgeschlagen, die Ge- keine Grundlage für diese Kritik bietet. tränkekartonquote hinzugerechnet würde – der Anteil der Zunächst einmal zu der Anlage des Gutachtens. Es ist Getränkekartons am Getränkemarkt liegt bei ungefähr ein sekundär-analytisches Gutachten, das heißt, die Da- 8 Prozent –, dann läge die Quote von ökologisch vorteil- tenbasis besteht aus stichpunktartigen Befragungen und haften Verpackungen bei 80 Prozent. der Auswertung von Informationsmedien wie dem Inter- Die Mehrwegquote ist mittlerweile auf 53 Prozent ab- net. Insofern hat sich sicherlich auch eine gewisse sub- gesunken. Rechnet man acht Prozentpunkte hinzu, dann jektive Tendenz eingeschlichen. Die Zielsetzung dieses kommt man auf 61 Prozent. Damit sind wir ungefährGutachtens ist es, zu überprüfen, wie weit sich solche Pro- 20 Prozentpunkte von dem entfernt, was wir mit der No- gramme überhaupt in die Stärkung bürgerschaftlichen velle der Verpackungsverordnung angestrebt haben. Den und zivilbürgerlichen Engagements einfügen. Da gibt es Korridor zwischen den nur 61 Prozent – wenn manin der Tat Verbesserungsvorschläge bezüglich der Umset- Schlauchbeutel, Kartons und Mehrweg zusammennimmt, zung dieser Programme. Die Programme selbst werden dann kommt man auf ungefähr diesen Wert – und den an- deutlich lobend hervorgehoben. Insbesondere das Pro- gestrebten 80 Prozent ökologisch vorteilhafter Ver-gramm „Civitas“ wird als ein neuer Weg bezeichnet, mit packungen, die Klaus Töpfer einmal gewollt hat, zudem Rechtsextremismus sinnvoll begegnet werden kann; schließen ist unser Ziel. In diesem Sinne betätige ich mich vor allen Dingen deshalb, weil Rechtsextremismus nicht gerne als derjenige, der dafür sorgt, dass das Wirklichkeit nur als Jugendproblem, sondern als ein Problem begrif- wird, wofür sich Klaus Töpfer einmal eingesetzt hat. Das fen wird, das in allen Generationen der Gesellschaft vi- ist mein Anliegen. Ich hoffe auf eine breite Unterstützung rulent ist, besonders in der mittleren und der älteren Ge- in diesem Hause und im Bundesrat. neration, die ja doch sehr stark meinungsbildend ist. Insofern wären wir gut beraten, wenn wir, auch vonsei- ten der Politik, sehr differenziert die Ergebnisse dieses Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Gutachtens beurteilen. Da mir zum Thema der heutigen Kabinettssitzung keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, beende ich die (B) Behandlung dieses Themenbereichs. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (D) Gibt es darüber hinaus Fragen an die Bundesregie- Bitte schön, Frau Abgeordnete. rung? - Das ist nicht der Fall. Die Regierungsbefragung ist beendet. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank auch für Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: die Antwort. – Ich habe ehrlich gesagt die Aussagen in den Fragestunde mir vorliegenden Medien nicht rein negativ aufgefasst, sondern dahin gehend, dass sie auf bestimmte Probleme – Drucksache 15/286 – hinweisen wollen. Ein Problem – da würde ich gerne Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes- nachfragen, ob Sie diese Auffassung teilen – ist, dass der ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Konzeption dieser Programme zwar häufig ein sehr guter Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamentari- Ansatz und auch gute Ideen zugrunde liegen, aber es doch sche Staatssekretärin Marieluise Beck zur Verfügung. eigentlich besser wäre, statt relativ kurzfristiger Pro- gramme eine kontinuierliche Jugendarbeit in der ganzen Ich rufe die Frage 1 der Abgeordneten Dr. GesineRepublik zu finanzieren. Lötzsch, fraktionslos, auf: Wie bewertet die Bundesregierung die negative Evaluierung ihrer Aktionsprogramme gegen Rechtsextremismus durch eine Marieluise Beck, Parl. Staatssekretärin bei der Bun- von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegebene Studiedesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; – vergleiche „Berliner Zeitung“ vom 4. Januar 2003 – und welche Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flücht- Schlussfolgerungen zieht sie für die Fortführung dieser Pro-linge und Integration: gramme? Dieser Gegensatz, den Sie in Ihrer Frage unterstellen, ist politisch nicht nachzuvollziehen. Die Förderung der Parl. Staatssekretärin bei der Bun- Marieluise Beck, Jugendarbeit liegt im Aufgabenbereich der Länder und desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; der Kommunen. Dass es zusätzlich vonseiten des Bundes Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flücht- eine gewisse Anregungskompetenz und auch die Notwen- linge und Integration: digkeit gibt, modellhaft in den Ländern zu agieren, steht Frau Kollegin Dr. Lötzsch, ich beantworte Ihre Frage dazu nicht im Widerspruch, sondern stellt im Gegenteil ei- wie folgt: Die im von der Friedrich-Ebert-Stiftung innen ergänzenden Ansatz dar. Es liegt allerdings in der Na- Auftrag gegebenen Gutachten „Bürgernetzwerke gegen tur der Sache, dass dem Bund in diesen Bereichen nur eine 1380 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Parl. Staatssekretärin Marieluise Beck (A) Anregungskompetenz zukommt und dass die Modelle, Ich rufe Frage 2 der Abgeordneten Dorothee Mantel auf: (C) die er in Kraft setzt, immer nur über einen befristeten Zeit- Wie hat sich seit dem Start des Deutschland-Portals raum finanziert werden. Da stellt sich dann die Frage, wie – www.deutschland.de – im September 2002 dessen Nutzerzahl weit hier Verknüpfungen mit den Angeboten stattfinden, entwickelt und welcher Anteil der Nutzer greift vom Ausland auf die in den Kommunen und Ländern selbst entwickelt wor- das Portal zu? den sind. Dass hier eine Verschränkung stattfinden muss, um wirklich zivilgesellschaftliches Engagement in aller Béla Anda, Staatssekretär und Chef des Presse- und Breite und auch auf Dauer wirksam werden zu lassen, ist Informationsamtes der Bundesregierung: sicherlich keine Frage. Frau Abgeordnete, das Deutschland-Portal wurde am 17. September 2002 durch Bundespräsident Johannes Rau Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: gestartet. Von diesem Zeitpunkt an bis Ende des Jah- res 2002 wurden insgesamt 1165 000 Besucher, so ge- Sie haben noch eine Frage, Frau Kollegin. nannte Visits, des Deutschland-Portals registriert. Das sind im Monatsdurchschnitt circa 330 000 Besucherinnen Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): und Besucher. Die aktuelle Monatsstatistik weist nach Abklingen des Starteffektes eine steigende Tendenz aus. Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Beck, Sie hatten Im November 2002 waren es circa 195 000 Besuche, im in Ihrer ersten Antwort schon angesprochen – das ist ja Dezember 2002 circa 215 000. Der Anteil der Nutzerin- auch Gegenstand dieser Auswertung –, dass vor allen Din- nen und Nutzer, die vom Ausland auf das Deutschland- gen die ältere und die mittlere Generation meinungsbildend Portal zugreifen, liegt insgesamt bei circa 32 Prozent. ist. Die Programme sprechen aber vor allem Jugendliche an. Haben Sie auf der Grundlage Ihrer Erfahrungen und Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: auch der Studie Überlegungen angestellt, welche spezifi- sche Ansprache möglich ist, um auch die meinungsbil- Ihre Zusatzfrage bitte, Frau Kollegin. dende mittlere und ältere Generation besser zu erreichen, als es bisher der Fall war? Dorothee Mantel (CDU/CSU): Das Deutschland-Portal soll als Marketinginstrument Marieluise Beck, Parl. Staatssekretärin bei der Bun- für Deutschland genutzt werden. Deswegen ist meine desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; Frage, welche Maßnahmen geplant sind – ich denke, es Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flücht- sind welche geplant –, um die Zahl der ausländischen Nut- linge und Integration: zer zu vergrößern. Eigentlich soll ja mit diesem Portal (B) (D) Ich teile Ihre Einschätzung, dass wir nach wie vor auf Deutschland repräsentiert werden; auf der Startseite kann der Suche nach Ansätzen sein müssen, mit denen gerade man zwischen fünf oder sechs Sprachen wählen. die Teile der Bevölkerung erreicht werden, die sich einer politischen Auseinandersetzung zunächst einmal entzie- Béla Anda, Staatssekretär und Chef des Presse- und hen. Das gilt teilweise für die mittlere und ältere Genera- Informationsamtes der Bundesregierung: tion und auch, wie in diesem Gutachten angemerkt wird, Frau Abgeordnete, erlauben Sie mir den Hinweis, dass für Hauptschüler und Realschüler, die deutlich schwieri- das Portal mit seinen gegenwärtig 1104 Verweisen auf ger zu erreichen sind als Gymnasiasten. Dass sich diese deutsche Informationsportale im Internet schon heute Programme sehr stark an der Jugend orientieren, hat etwas eine für Deutschland sehr repräsentative Sammlung be- damit zu tun, dass die Strukturen, über die Jugendliche er- deutet. Sie wird weiter ausgebaut werden. Natürlich wird reicht werden können, deutlich besser ausgebildet sind, in dem dafür vorgesehenen Prozess auch der Anteil ande- zum Beispiel durch die Schulstrukturen oder Jugendhaus- rer Websites und Usergruppen darin einfließen. strukturen. Es ist deutlich schwieriger, Netzwerke ausfin- dig zu machen, über die man die älteren Menschen errei- chen kann. Aber ich weiß gerade aus der Zusammenarbeit Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: mit den Ausländerbeauftragten vor Ort, dass zunehmend Frau Kollegin, Sie haben die Möglichkeit einer zwei- über Ansätze nachgedacht wird, die Menschen über her- ten Zusatzfrage. kömmliche Vereinsstrukturen anzusprechen. Zum Bei- spiel die örtliche Feuerwehr, deren Struktur in der Regel Dorothee Mantel (CDU/CSU): das gesamte Spektrum der Bevölkerung widerspiegelt, wird als Ansatzpunkt für die zivilgesellschaftliche Ver- Ihre Antwort auf eine Kleine Anfrage im Juli 2002 lau- breiterung der Demokratie genutzt. tete, dass bis Juli 2002 1,7 Millionen DM für das Inter- netportal ausgegeben wurden. Mich interessiert, wie viel Geld darüber hinaus dafür ausgegeben worden ist und ob Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: das in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen steht. Ich schließe diesen Geschäftsbereich und bedanke mich bei der Frau Staatssekretärin Marieluise Beck. Béla Anda, Staatssekretär und Chef des Presse- und Ich rufe den Bereich des Bundeskanzlers und des Bun- Informationsamtes der Bundesregierung: deskanzleramtes auf. Zur Beantwortung steht Herr Staats- Frau Abgeordnete, das Gesamtvolumen des Vertrags, sekretär Béla Anda bereit. der mit dem Betreiber, der ARGE deutschland.de, ge- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1381

Staatssekretär Béla Anda (A) schlossen wurde, beträgt bei vierjähriger Laufzeitkann. Das Thema Tourismus ist bei den jeweiligen Län- (C) 1 747 110 Euro. Ich sollte hinzufügen, dass sich aufgrund dern in guten Händen. So ist dieses Portal zu verstehen. notwendiger Veränderungen, die auch durch neue gesetz- liche Forderungen, beispielsweise Regelungen zur Bar- Es ist wahr, dass der Betreiber des Deutschland-Por- rierefreiheit, notwendig wurden, dieses oben genannte tals, die ARGE deutschland.de, die aus der Ponton-Lab Vertragsvolumen um circa weitere 155500 Euro erhöht. GmbH und der T-Systems GmbH besteht, für die Auf- nahme von Links Qualitätskriterien aufgestellt hat, wie Die bisherigen Kosten des Deutschland-Portals fürzum Beispiel das Kriterium, dass die Seiten von extremis- 2001 und 2002 liegen bei circa 1,7 Millionen DM. Das tischen, rassistischen, gewaltverherrlichenden oder auch sind umgerechnet 869 196 Euro. Dieses Geld ist in der Tat pornographischen Inhalten frei sein müssen. Sie müssen sehr gut angelegt. Das dokumentieren die zahlreichen Zu- außerdem aktuell und seriös sein sowie einen auf griffe aus dem In- und Ausland. Deutschland bezogenen hohen Informationsgehalt auf- weisen. Das ist Grundlage für die Auswahl bzw. für die Zulassung der Links, die bisher von der Betreibergesell- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: schaft vorgenommen wird. Wir kommen zur Frage 3 der Abgeordneten Dorothee Mantel: Zudem gibt es die Möglichkeit der Rückfrage beim Auftraggeber, dem Presse- und Informationsamt der Bun- Bietet das Deutschland-Portal nach Auffassung der Bundes- desregierung. Außerdem besteht die Möglichkeit, sich regierung bereits heute eine repräsentative Sammlung wesentli- cher Verweise auf deutsche Informationsangebote im Internet, selbst aktiv um die Aufnahme zu bewerben. Bis Ende Ja- und wenn nein, bis wann soll das Deutschland-Portal entspre- nuar wird ein Beirat eingesetzt werden, der in Streitfällen chend ausgebaut sein? oder in besonderen Fällen über die Aufnahme oder die Auswahl zu entscheiden haben wird. Béla Anda, Staatssekretär und Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Frau Abgeordnete, das Deutschland-Portal soll den Sie haben noch eine Zusatzfrage. Nutzerinnen und Nutzern aus dem In- und Ausland erste Informationsmöglichkeiten über Deutschland, übersicht- Dorothee Mantel (CDU/CSU): lich aufbereitet, zur Verfügung stellen. Schon heute bietet das Portal mit insgesamt 1 104 Verweisen auf deutsche Danke schön. – Um auf die erste Zusatzfrage zurück- Informationsportale im Internet eine für Deutschland sehr zukommen: Ist nach Ansicht der Bundesregierung die repräsentative Sammlung. Vorgehensweise, wie hier Informationen verlinkt werden, (B) ausreichend, um – ich zitiere jetzt einmal die Startseite – (D) Im Endausbau, spätestens bis zum Ende der Vertrags- „eine Sammlung wesentlicher Verweise auf deutsche In- laufzeit im Jahre 2005, werden es circa 2 000 Links sein. formationsangebote im Internet“ zu bieten? Das soll durch Linkbewerbungen über das Portal selbst erreicht werden. Seit dem Onlinestart sind 907 Bewer- bungen eingegangen. Béla Anda, Staatssekretär und Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ja, das ist so. Aber nichts ist so gut, dass es nicht ver- bessert werden könnte. Ich hatte schon erwähnt, wie viele Ihre Zusatzfrage, bitte. Weblinks dort existieren, und gesagt, dass das Angebot bis auf 2 000 Links ausgebaut werden soll. Wenn es weitere Dorothee Mantel (CDU/CSU): Bewerber gibt – ich bin sicher, es wird sie geben –, dann steht ihnen eine Aufnahme in dieses System nach den Re- Trifft es zu, dass die Verweise, die aufgenommen wer- geln, die ich skizziert habe, offen. den, nicht vom Betreiber selbst aktiv gesucht werden, sondern dass man sich dafür bewerben muss? Ich habe gestern Abend festgestellt, dass es genau neun Links für Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: den Bereich Tourismus gibt, wobei ein Link auf die be- Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereiches des sonderen Möglichkeiten der FKK-Kultur in Deutschland Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Vielen Dank, verweist. Meines Erachtens sind neun Links im Touris- Herr Staatssekretär Anda, für die Beantwortung der Fragen. musbereich für Deutschland zu wenig. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Zur Beant- Béla Anda, Staatssekretär und Chef des Presse- und wortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Iris Informationsamtes der Bundesregierung: Gleicke bereit. Ich will nicht bewerten, wer nach welchen Links sucht. Ich komme damit zur Frage 4 des Abgeordneten Ich möchte nur allgemein sagen: Wenn Sie sich mit den Eduard Lintner: dort aufgeführten Links intensiv auseinander setzen – das Beabsichtigt die Bundesregierung gegenzusteuern, falls, be- haben Sie getan –, dann können Sie feststellen, dass man dingt durch das neue Angebotskonzept und die neue Tarifgestaltung von dort beispielsweise zur Homepage des Freistaats der Deutschen Bahn AG, DB AG, viele Pendler und Spontanrei- Bayern und zu Untergruppen mit weiteren Links kommen sende entgegen dem verkehrspolitischen Ziel der Bundesregierung 1382 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner (A) „Mehr Verkehr auf die Schiene“ auf das Auto umsteigen sollten, um ein Unternehmen, das einen Börsengang vorbereitet. (C) und wenn ja, wie? Aus wirtschaftspolitischen Debatten wissen Sie, dass sich der Bund auch bei anderen privatisierten und wirtschaft- Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- lich arbeitenden Unternehmen nicht in die Preisgestaltung minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: einmischt. Herr Abgeordneter Lintner, das Angebotskonzept und die Tarifgestaltung im Schienenpersonenfernverkehr lie- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: gen in der unternehmerischen Verantwortung der Deut- schen Bahn AG. Die Bundesregierung geht davon aus, Wir kommen zur Frage 5 des Abgeordneten Eduard dass die Deutsche Bahn AG die Erfahrungen mit dem Lintner: neuen Angebotskonzept und dem neuen Preissystem bei Wie beurteilt die Bundesregierung vor allem in wettbewerbs- ihren künftigen Entscheidungen in diesem Bereich rechtlicher und verkehrspolitischer Hinsicht das Verhalten der DB berücksichtigen wird. AG gegenüber ihrem Konkurrenten Connex, dessen Fahrplanda- ten nicht in das Kursbuch der DB AG aufzunehmen, insbesondere Über die Akzeptanz des neuen Angebotskonzepts ent- auch im Hinblick auf die Koalitionsvereinbarung von SPD und scheiden die Kunden. Das Unternehmen wird insofern Bündnis 90/Die Grünen vom 16. Oktober 2002, in der „der einfa- che Zugang zu Fahrplandaten für alle Wettbewerber“ gefordert seine Preisgestaltung regelmäßig entlang der Kundenori- wird? entierung zu überprüfen haben.

Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: nister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Ihre Zusatzfrage bitte, Herr Kollege. Herr Abgeordneter Lintner, auch die Bundesregierung betrachtet den diskriminierungsfreien Zugang zur Eisen- Eduard Lintner (CDU/CSU): bahninfrastruktur und den einfachen Kundenzugang zu Frau Kollegin, was macht denn das Bundesverkehrsmi- Fahrplandaten als wesentliche Voraussetzung für einen nisterium, falls dieses Tarifsystem wichtigen verkehrspoli- fairen Wettbewerb auf der Schiene. Zunächst bleibt aber tischen Zielsetzungen widerspricht oder schadet? Es wäre der Abschluss des in dieser Angelegenheit laufenden ja denkbar, dass sich die Pendlerströme wieder auf das Auto Rechtsverfahrens abzuwarten. verlagern. Oder denken Sie an das Kuriosum, dass eine Fa- milie mit mehr als drei Kindern für das vierte Kind wieder Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: zahlen muss. Die Großfamilie also, die besonders umsorgt (B) werden sollte, ist Leidtragende dieses neuen Systems. Ihre Zusatzfrage, bitte. (D)

Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- Eduard Lintner (CDU/CSU): nister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Frau Staatssekretärin, auch hier muss ich einwenden: Herr Kollege Lintner, ich sage es noch einmal: Das Un- Empfindet die Bundesregierung nicht die Verpflichtung, ternehmen Deutsche Bahn AG ist ein privatisiertes Unter- das Prinzip eines fairen Wettbewerbs auch im Schienen- nehmen. Wir haben keinen Einfluss auf das Tarifsystem. bereich durchzusetzen? Der Bund bzw. die Bundesregierung kann nur in die Schiene investieren. Das tut er auch. 1998 haben wir im Hinblick auf die Schieneninfrastruktur ein Investitions- Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- niveau von damals wenig mehr als 5 Milliarden DM vor- nister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: gefunden. Wir haben in diesem Bereich einen Aufwuchs Es ist richtig: Die Bundesregierung will den diskrimi- auf jetzt 4,5 Milliarden Euro vorgenommen. Investitionen nierungsfreien Wettbewerb auf der Schiene weiter ver- in Schienenwege sind eine ganz wichtige Voraussetzung, bessern und hat deshalb im vergangenen Jahr die Wettbe- um vernünftige Angebote zu schaffen. Natürlich müssen werbsaufsicht durch das Eisenbahn-Bundesamt gestärkt, wir auch Aufsicht über einen diskriminierungsfreien Zu- das nun bei Verstößen auch von Amts wegen eingreifen gang anderer Wettbewerber führen. kann.

Eduard Lintner (CDU/CSU): Eduard Lintner (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin, glauben Sie nicht, dass es sich die Bundesregierung ein bisschen zu leicht macht? Denn Frau Kollegin, ich weiß nicht, ob Sie die gestrige sie ist ja immerhin alleiniger Eigentümer des ganzen„Welt“ gelesen haben. Bahnunternehmens und als solcher hätte sie natürlich (Ute Kumpf [SPD]: So eine Zeitung muss man auch Einfluss beispielsweise auf die Tarifgestaltung. immer lesen!) Dort wurde die deutliche Kritik einer Bundesministerin Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- am Verhalten der Bahn zitiert. Dies verträgt sich nicht so nister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: recht mit den Antworten, die Sie jetzt gegeben haben. Herr Abgeordneter Lintner, in der Tat ist der Bund al- Wären Sie bereit, Frau Künast in dieser Sache Nachhilfe- leiniger Eigentümer. Bei der DB AG handelt es sich aber unterricht zu geben? Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1383

(A) Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- worden ist – wir haben es gemeinsam privatisiert – und(C) nister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: dass die Bahn für ihre Preisgestaltung die Verantwortung übernehmen muss. Wir gehen davon aus, dass die Bahn Es geht hier nicht um Nachhilfeunterricht, sondern da- selbstverständlich auch Angebote für Familien macht. rum, dass wir gemäß unseres Koalitionsvertrages selbst- Das hat sie getan. Das ist in der Antwort der Frau Kolle- verständlich erstens einen diskriminierungsfreien Zugang für Wettbewerber auf der Schiene ermöglichen und zwei- gin Mertens, die Sie genannt haben, auch angesprochen tens den Kunden die Fahrplandaten aller Wettbewerber, worden. Dort ist Ihnen gesagt worden, welche Möglich- die auf diesem Markt operieren, zur Verfügung stellen keiten es für Familien gibt, Rabatte zu nutzen. wollen. Deshalb hat die Bundesregierung das Projekt „Delfi“ finanziell gefördert, mit dem deutschlandweit Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: flächendeckende Verbindungsinformationen zur Verfü- gung gestellt werden sollen. Das wird, wie Sie, Herr Kol- Eine weitere Zusatzfrage. lege Lintner, sicherlich wissen, demnächst eingeführt. (Eduard Lintner [CDU/CSU]: Heute wird es in Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Betrieb gesetzt!) Frau Staatssekretärin, das, was Sie ausgeführt haben, hindert natürlich keinen Besteller, auch nicht die Bundes- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: regierung, bei dem Unternehmen entsprechende Leistun- gen einzukaufen und zu bezahlen. Stimmen Sie mir zu, Wir kommen damit zur Frage 6 des Abgeordneten Dirk dass die Bundesregierung diese Möglichkeit hat? Und: Fischer (Hamburg): Sind Sie nicht in Sorge darüber, dass die Bundesregierung Wieso wird in der Antwort der Parlamentarischen Staatssekre- heute in dieser Frage eine völlig diffuse Linie offenbart, tärin beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungs-da Sie von dem Prinzip der Nichteinmischung ausgehen, wesen, , vom 17. Dezember 2002 auf meine aber die Kollegin Künast als Verbraucherministerin – wie schriftliche Frage in Bundestagsdrucksache 15/288 seitens der eben schon erwähnt – sagt, das neue Preissystem der Bahn Bundesregierung der familienpolitische Aspekt außer Acht gelas- sen, der in der Vergangenheit etwa in Gestalt des Wuermeling- stürze im Augenblick viele Kunden in die Verwirrung? Passes für kinderreiche Familien zum Ausdruck kam? Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- nister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: nister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Herr Abgeordneter Fischer, wenn von der Bahn AG ein Sehr geehrter Herr Abgeordneter Fischer, die Antwort Tarif verlangt wird, aus dessen Anwendung ihr wirt- (B) lässt den familienpolitischen Aspekt nicht außer Acht, schaftliche Nachteile erwachsen, hat sie nach EU-Ge-(D) sondern verweist auf die Angebote für die Familien im Ta- meinschaftsrecht Anspruch auf einen finanziellen Aus- rifsystem der Deutschen Bahn AG. gleich dieser Nachteile. Ich verweise Sie noch einmal auf den folgenden Teil der Antwort, die Ihnen zugegangen ist: Die Bundesregierung wird nicht durch steuerfinanzierte Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Subventionen einer ergänzenden Maßnahme für Familien Ihre Zusatzfrage, bitte. in die Tarifgestaltung der Bahn AG eingreifen.

Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Frau Staatssekretärin, ich nehme auf die Beantwortung Die nächste Zusatzfrage kommt von dem Kollegen oder die Nichtbeantwortung meiner Anfrage vom De-Lintner. zember Bezug, die in meiner vorliegenden Frage erwähnt wird. Dort hat die Bundesregierung erklärt, dass sie nicht (CDU/CSU): durch eine steuerfinanzierte Subventionierung einer er- Eduard Lintner gänzenden Maßnahme für Familien in die Tarifgestaltung Frau Staatssekretärin, ich will fragen: Halten Sie es der DB eingreifen wolle. – Das will ja niemand. Aber ich denn für vertretbar – um noch einmal das konkrete Bei- frage Sie, warum diese Bundesregierung – im Gegensatz spiel zu erwähnen –, dass Familien mit bis zu drei Kindern zu früheren – nicht insoweit familienpolitische Leistun- eine durchaus lobenswerte Vergünstigung in Anspruch gen nach dem Bestellerprinzip bei dem Unternehmen ein- nehmen können, dass aber ab dem vierten Kind wieder kauft. Das ist früher für den Wuermeling-Pass in einer Di- voll bezahlt werden muss? mension von 50 Millionen DM pro Jahr geschehen. Warum haben Sie diese andere familienpolitische Wei- Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- chenstellung vorgenommen? Iris Gleicke, nister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Herr Abgeordneter Lintner, es gibt auch noch andere Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- Iris Gleicke, Tarife. Ich bin deshalb darauf noch nicht eingegangen, nister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: weil das eigentlich Inhalt der Frage 7 des Kollegen Das hat mit einer familienpolitischen Weichenstellung Fischer ist. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Fa- nichts zu tun, Herr Kollege Fischer. Ich verweise Sie noch milien im Preissystem der Bahn entlastet werden. Zum einmal darauf, dass das Unternehmen Bahn privatisiert Beispiel fahren Kinder bis einschließlich fünf Jahren 1384 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke (A) kostenlos und Kinder zwischen sechs und vierzehn Jahren der DB AG mit Zustimmung ihres Alleineigentümers, der (C) fahren dann kostenlos, wenn sie in Begleitung ihrer Eltern Bundesregierung, und ihres Aufsichtsrates akzeptiert sind. wird, dass die kinderreiche Familie bei drei Kindern auf- zuhören hat. Die Konsequenz daraus ist: Je näher der Sie haben angesprochen, dass der angebotene Fahr- Bundespräsident als Patenonkel rückt, desto teurer wird schein, auf dem die Kinder eingetragen werden müssen, der Tarif für die Kinder bei der DB AG. nur für höchstens fünf Personen ausgestellt werden kann. Es gibt aber andere Möglichkeiten, beispielsweise die Ich möchte Ihnen ein Berechnungsbeispiel der Fahrt Bahn-Card. Wenn ein Elternteil eine Bahn-Card kauft, Köln–Blaubeuren und zurück nennen. Die Fahrt kostet bis können für den Partner wie auch für alle weiteren Kinder zum dritten Kind pro Kind 23 Euro und für das vierte, bis 17 Jahre weitere Bahn-Cards erworben werden, die fünfte, sechste und jedes weitere Kind kostet die Fahrt den Jugendlichen sogar die Möglichkeit bieten, allein un- 38 Euro. Halten Sie das für familienpolitisch vertretbar? terwegs zu sein. Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: nister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Frau Staatssekretärin, gehe ich jetzt recht in der An- Herr Abgeordneter Fischer, ich mache Sie noch einmal nahme, dass das schon die Beantwortung der Frage 7 war, darauf aufmerksam, dass die Zahlung für das vierte Kind oder wollen Sie sie eigens beantworten? erst dann infrage kommt, wenn beide Elternteile mit ihren Kindern unterwegs sind. Wenn nur einer mit ihnen unter- wegs ist, ist auch das vierte Kind noch frei. Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- nister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Dennoch weise ich Sie darauf hin, dass nicht der Bund das Tarifsystem der Bahn zu gestalten hat, sondern dass Ich werde sie noch beantworten. das die Bahn als Unternehmen selbstverständlich selbst macht. Die Rolle des Bundes beschränkt sich dabei auf die Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Genehmigung und die damit verbundenen Beförderungs- bedingungen im Schienenpersonenfernverkehr. Es geht Ich rufe jetzt die Frage 7 des Abgeordneten Fischer auf: also um die Prüfung, ob der beantragte Tarif mit Recht Welchen familienpolitischen Handlungsbedarf sieht die Bun- und Gesetz in Einklang steht. Eine andere Möglichkeit ha- desregierung vor diesem Hintergrund, insbesondere angesichts ben wir nicht. der Tatsache, dass beim neuen Preissystem der DB AG nur drei Kinder berücksichtigt werden und ab dem vierten Kind wieder der (B) volle Kinderfahrpreis zu zahlen ist? Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (D) Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage. Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- nister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Ich beantworte die Frage deshalb eigens, damit der Kollege Fischer auch die Möglichkeit zu Nachfragen er- Frau Staatssekretärin, würden Sie mir zustimmen, dass hält. in Ihrer Antwort auf die Frage vom Dezember die Behaup- tung, Kinder in den jeweiligen Altersgruppen führen un- Herr Abgeordneter Fischer, es ist nicht richtig, dass entgeltlich, schlicht und ergreifend nicht zutreffend ist, weil grundsätzlich ab dem vierten Kind wieder der volle Fahr- sie nur eingeschränkt für drei Kinder gilt? Wollen Sie aus preis zu zahlen ist. Nach dem neuen Preissystem fahren Ihren soeben gemachten Ausführungen für die Eltern in Kinder unabhängig von ihrer Anzahl bis einschließlich Deutschland die Empfehlung herleiten, sich bei Wochen- fünf Jahren unentgeltlich. Kinder im Alter von sechs bis end- oder Urlaubsreisen zu entscheiden, ob Mutter oder Va- einschließlich 14 Jahren fahren in Begleitung zumindest ter – möglichst aber nicht beide – diese mit antreten soll? eines eigenen Eltern- oder Großelternteils oder deren Le- benspartner unentgeltlich, wenn von diesen eine Fahr- Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- karte zum Normal- oder Plan & Spar-Preis erworben und Iris Gleicke, nister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: die Zahl der Kinder vor Fahrtantritt in die Fahrkarte ein- getragen wurde. Eine Fahrkarte kann dabei für maximal Herr Abgeordneter Fischer, ich habe Sie auf weitere fünf Personen ausgestellt werden. Möglichkeiten der Vergünstigung von Fahrpeisen hinge- wiesen. Ich hatte die Bahn-Card, die eine Fahrpreisredu- zierung möglich macht, bereits angesprochen. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ich würde jedem, der in Deutschland mit der Bahn rei- Ihre Zusatzfrage, bitte. sen möchte, selbstverständlich empfehlen, den Service der Bahn zu nutzen und sich angemessen darüber beraten Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): zu lassen, welcher Tarif für die jeweilige Reise der güns- tigste ist. Frau Staatssekretärin, wenn Ihre Aussage zutreffend ist, muss es dann nicht von einer Familie als Tragik emp- Die Bahn hat uns mitgeteilt, dass die Familien, die Sie funden werden, wenn ein Kind sieben Jahre alt wirdangesprochen haben, die Bahn bisher nur in geringem und/oder sie mehr als drei Kinder hat? Das heißt, dass von Maße nutzen. Trotzdem arbeitet die Bahn an einer Lö- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1385

Dirk Fischer (Hamburg) (A) sung, die es auch diesen Familien erlaubt, alle Kinder mit- gen Amt, also im Aufgabenbereich Schutz von Bundesor- (C) zunehmen. Dies ist der Informationsstand von heute. ganen, eingesetzt. Sie ist damit also schwerpunktmäßig im originären Aufgabenbereich des Bundesgrenzschutzes (Dirk Niebel [FDP]: Darüber stimmen wir eingesetzt. jetzt ab!) Darüber hinaus unterstützt die Reiterstaffel gemäß Art. 35 Abs. 2 des Grundgesetzes und § 11 des Bundes- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: grenzschutzgesetzes nach Anforderung die Berliner Poli- Ich habe eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lintner. zei. Überdies ist ein Einsatz der Reiterstaffel im Rahmen der Sicherheitskooperation zwischen dem Bundesminis- terium des Innern und der Senatsverwaltung für Inneres Eduard Lintner (CDU/CSU): des Landes Berlin vom 30. Juni 1999 möglich. Frau Staatssekretärin, muss ich jetzt Ihrer Antwort ent- nehmen, dass die Bundesregierung nicht bereit ist, dahin Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: gehend auf die Bahn einzuwirken, dass dieser Unsinn endlich korrigiert wird? Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege.

Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- Roland Gewalt (CDU/CSU): nister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Herr Staatssekretär, können Sie nachvollziehen, dass Ich habe Ihnen schon gesagt, dass wir uns nicht in das die Bürgerinnen und Bürger in der Hauptstadt dies ein we- operative Geschäft der Bahn AG einmischen werden.nig anders sehen, die die Reiterstaffel eben nicht mehr im Gleichwohl sind wir selbstverständlich über Fragen, die täglichen Streifendienst in den Straßen und Forsten, son- dern nur noch zu besonderen Anlässen und nicht einmal in der Öffentlichkeit Kritik hervorrufen, immer wieder im mehr bei Sportveranstaltungen sehen? Gespräch. Ich will auch darauf hinweisen, dass die Bahn durchaus ein eigenes Interesse daran hat, diese Nutzerin- nen und Nutzer zunehmend für sich zu gewinnen, um ent- Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- sprechend Gewinn zu erwirtschaften. desminister des Innern: Herr Abgeordneter Gewalt, ich habe Ihnen die Ein- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: satzfelder der Reiterstaffel hier in Berlin nach Übernahme durch den Bundesgrenzschutz aufgelistet. Ich denke, dass Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des die Verwendung in diesen Bereichen – ich habe sie Ihnen (B) Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungs- skizziert – sinnvoll und insofern auch die Übernahme die- (D) wesen. Frau Staatssekretärin, vielen Dank für die Beant- ser Reiterstaffel durch den Bundesgrenzschutz gerecht- wortung der Fragen. fertigt ist. Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministe- riums des Innern auf. Zur Beantwortung steht der Parla- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: mentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper bereit. Bitte schön, Sie haben noch eine Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Roland Gewalt auf: Roland Gewalt (CDU/CSU): In welcher Weise reduzieren sich die Einsatzmöglichkeiten der Berliner Reiterstaffel nach der Übernahme durch den Bundes- Herr Staatssekretär, wäre es denn nicht effektiver und grenzschutz, BGS? damit zugleich auch möglich gewesen, den täglichen Poli- zeidienst der Reiterstaffel weiterhin zu gewährleisten, der nach dem BGS-Gesetz nicht vorgesehen ist – dies müssen Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Sie mir zugestehen –, dem Land Berlin einen Zuschuss für die Berliner Polizeireiterstaffel zu geben, statt selbst eine Herr Abgeordneter Gewalt, ich beantworte Ihre Frage Reiterstaffel mit den gleichen Kosten aufzustellen? wie folgt: Das Einsatzspektrum der Reiterstaffel und deren Einsatzmöglichkeiten haben sich nach deren Über- Parl. Staatssekretär beim Bun- nahme durch den BGS nicht reduziert, sondern – das Ge- Fritz Rudolf Körper, desminister des Innern: genteil ist der Fall – erweitert. Entsprechend den gesetzli- chen Bestimmungen wird die Reiterstaffel beispielsweise Nein. an den Flughäfen in Tegel und Schönefeld zur Überwa- chung und Aufklärung innerhalb des Flughafengeländes, im Aufgabenbereich der Luftsicherheit, zur anlassbe- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: zogenen Bestreifung schwer zugänglicher Gelände- Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Koschyk. abschnitte an der Ostgrenze, also im Bereich grenzpo- lizeilicher Aufgaben, zur Streckenüberwachung und (CDU/CSU): Aufklärung im bahnpolizeilichen Zuständigkeitsbereich Hartmut Koschyk sowie zur Unterstützung der Objektschutzmaßnahmen Herr Staatssekretär, die Aufgaben, die Sie jetzt für die unter anderem am Bundeskanzleramt und am Auswärti- in den Bundesgrenzschutz integrierte ehemalige Berliner 1386 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Hartmut Koschyk (A) Reiterstaffel beschrieben haben, sind doch Aufgaben, die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die Reiterstaffel der (C) eigentlich nicht BGS-genuin sind. Dies sind Aufgaben, Polizei in Nordrhein-Westfalen in den Bundesgrenz- die der BGS auch zur Unterstützung der Hauptstadtsi- schutz zu übernehmen. cherheit leistet. Aber, Herr Staatssekretär, wäre denn der Bundesminister des Innern von sich aus, wenn sich diese Frage der Übernahme der Reiterstaffel nicht gestellt hätte, Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: auf die Idee gekommen, zur Unterstützung der Leistung Ihre Zusatzfrage, bitte. der Hauptstadtsicherheit eine BGS-Reiterstaffel zu grün- den? Roland Gewalt (CDU/CSU):

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Herr Staatssekretär, generaliter gefragt: Wie wollen desminister des Innern: Sie, da Sie die Berliner Reiterstaffel übernommen haben, berittene Polizei beim BGS bundesweit einsetzen, ohne Herr Kollege Koschyk, auf welche Ideen der Bun-die Kosten in die Höhe zu treiben? Ich denke zum Beispiel desinnenminister kommt, kann ich Ihnen nicht im Einzel- an Transportkosten oder an Unterbringungskosten. Bisher nen sagen. Auf Ihre Frage, was die Übernahme der Rei- sind, soweit ich das verstanden habe, nur die Kosten in terstaffel anbelangt, kann ich Ihnen antworten, dass diese Ansatz gebracht worden, die bis jetzt für die Berliner Rei- im Rahmen des Bundesgrenzschutzgesetzes erfolgt ist. terstaffel entstanden sind. Ich habe hier ganz bewusst die orginären Aufgabenfelder im Bundesgrenzschutzgesetz deutlich gemacht und habe sie in Verbindung mit den Einsatzfeldern dieser Rei- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: terstaffel gebracht. Dies habe ich an vier Punkten deutlich Herr Kollege Gewalt, würden Sie bitte stehen bleiben? gemacht. Ich denke, das beschreibt die Aufgaben richtig.

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: desminister des Innern: Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen ClemensWir haben nach der Übernahme der Berliner Rei- Binninger. terstaffel in den Bundesgrenzschutz, wo wir ein vernünf- tiges Aufgabengebiet für sie gefunden haben und wo sie Clemens Binninger (CDU/CSU): effektiv und effizient eingesetzt werden kann, nicht die Absicht, irgendetwas zu tun, was darüber hinausgeht. Das Herr Staatssekretär, Sie haben die Einsatzmöglichkei- gilt – damit komme ich auf Ihre Frage – insbesondere für (B) ten der Reiterstaffel beschrieben und dabei den Flughafen die Überlegungen in Nordrhein-Westfalen. Es besteht(D) und den Bahnhof genannt. Auch nach 20 Jahren aktivem nicht die Absicht, dass wir deren Reiterstaffel überneh- Polizeidienst fällt mir kein praktisches Beispiel hierzu men. ein. Was wollen Sie denn mit den Pferden auf der Lande- bahn oder auf den Gleisen machen? Könnten Sie das prä- zisieren? Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Sie haben eine weitere Zusatzfrage. Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Roland Gewalt (CDU/CSU): Ich würde das dahin gehend präzisieren: Wir laden Sie Herr Staatssekretär, Sie haben nicht beantwortet, wie als ehemaligen Polizeibeamten ein, die Reiterstaffel in Sie sich die Einsätze berittener Polizei des BGS außerhalb ihren verschiedensten Einsatzgebieten zu begleiten. Wenn des Landes Berlin vorstellen; denn das planen Sie offen- Sie reiten können, können Sie sich sogar vom Sattel aus sichtlich. Unterbringung und Transport kosten Geld. Ich ein Bild machen. Wenn das nicht überzeugend gewesen habe dafür weder im Haushalt noch an einer anderen sein sollte, können Sie nachfragen. Stelle Kostenansätze gesehen.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Wir kommen zu Frage 9 des Abgeordneten Roland Herr Kollege Gewalt, Sie müssen wieder stehen blei- Gewalt: ben. Es ist eine Gepflogenheit in diesem Hause, dass man Sind dem Bundesministerium des Innern Pläne des nordrhein- bei der Beantwortung der Fragen stehen bleibt. westfälischen Innenministers, Dr. Fritz Behrens, bekannt, die Rei- terstaffel seines Bundeslandes abzuschaffen, und ist auch hier die Bundesregierung bereit, die berittene Polizei in den BGS zu über- Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- nehmen? desminister des Innern: Lieber Herr Gewalt, vielleicht habe ich mich nicht ver- Parl. Staatssekretär beim Bun- Fritz Rudolf Körper, ständlich genug ausgedrückt. Ich habe gerade beschrie- desminister des Innern: ben, für welche Aufgaben und auf welcher gesetzlichen Herr Kollege Gewalt, das Bundesministerium des In- Grundlage die Reiterstaffel in Berlin im Bereich des Bun- nern kennt die Pläne nur aus Pressepublikationen. Die desgrenzschutzes eingesetzt wird. Darüber hinaus beab- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1387

Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper (A) sichtigen wir in keiner Weise, weitere Reiterstaffeln in des, zur Sicherung der Anlagen, zur besseren Sicherung (C) irgendeiner Form anzuheuern und zu übernehmen. Des- der Flugzeuge und zur Herausgabe von Schlüsseln und wegen ist Ihre Frage dahin gehend zu beantworten: Das, Flugzeugen nur an bekannte und vertrauenswürdige Per- was die Übernahme der Reiterstaffel in Berlin ausmacht, sonen angehalten. ist im Haushalt sowohl von den Personalkosten als auch von den Sachkosten her erfasst und abgedeckt. Zur Prüfung der Frage der Durchführbarkeit der Si- cherheitsmaßnahmen gemäß § 29 c des Luftfahrtgesetzes – es betrifft die Durchsuchung von Personen und die Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Gepäckkontrollen – auch in den Bereichen der allgemei- nen Luftfahrt auf den deutschen Verkehrsfl ughäfen, auf de- Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Philipp. nen eine physische Trennung zwischen der so genannten all- gemeinen Luftfahrt und dem Verkehrsflughafen besteht, Beatrix Philipp (CDU/CSU): wurde durch das Bundesministerium des Innern im Dezem- ber 2001 eine Abfrage bei den BGS-Präsidien und den Lan- Herr Staatssekretär, Sie haben, wenn ich das richtig desluftfahrtbehörden vorgenommen. Diese Abfrage ergab, verstanden habe, eben ausgeführt, dass Sie für die Rei- dass die Durchführung von Gepäck- und Passagierkontrol- terstaffel aus Berlin ein vernünftiges und effektives Auf- len auch im Bereich der allgemeinen Luftfahrt teilweise zu gabengebiet gefunden hätten. Schließen Sie aus, dass Sie erheblichen personellen und infrastrukturellen Aufwendun- auch für die Reiterstaffel NRW ein vernünftiges und ef- gen führen würde und mit dieser Maßnahme letztlich nur fektives Aufgabengebiet finden täten, wenn Sie sich über ein verhältnismäßig geringer Sicherheitsgewinn erzielt die Presseinformationen hinaus kundig machten und sich werden könnte, da auf den über 500 Flugplätzen der allge- damit die von Herrn Kollegen Gewalt angedeutete Trans- meinen Luftfahrt außerhalb der aktuell 36 Verkehrsflughä- portfrage erledigen würde? fen dieser Sicherheitsstandard nicht besteht. Konkret be- deutet dies, dass weiterhin nicht kontrollierte Personen auf Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- einem dieser Kleinflugplätze oder im benachbarten Aus- desminister des Innern: land starten, ungehindert auch im so genannten GAT-Be- reich eines Verkehrsflughafens landen und dort auf bereits Liebe Frau Kollegin Philipp, ich kann mir nicht vor- kontrollierte Fluggäste treffen können. stellen, dass wir darüber hinaus Aufgaben für Reiterstaf- feln beim Bundesgrenzschutz „finden täten würden“. Daher ist es erforderlich, für den gesamten Bereich der Dies würden wir aus dem einfachen Grunde nicht, weil allgemeinen Luftfahrt ein einheitliches Konzept anzustre- aus der Aufgabenbeschreibung deutlich hervorgeht, dass ben. Es ist ganz wichtig, festzuhalten, dass dies insbeson- es eine sehr spezifische und auf die Region Berlin bezo- dere unter der Einbeziehung der am 19. Januar 2003 in (B) gene Aufgabe ist. Deswegen beantwortet sich die Frage Kraft tretenden EU-Luftsicherheitsverordnung geschehen (D) von allein. muss. Diese EU-Verordnung enthält neben detaillierten Vorschriften für die Durchführung einheitlicher Sicher- (Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Hier heitsmaßnahmen an den großen Flughäfen in Art. 4 Abs. 3 treten die vierhufigen Pferde auf!) auch Vorschriften über die Absicherung kleiner Lande- plätze. Diese sind ortsabhängig auf die jeweilige Risiko- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: situation des entsprechenden Kleinflugplatzes bzw. der jeweiligen Flugzeuge zu beziehen, was nur durch die ört- Wir kommen zur Frage 10 des Abgeordneten Hartmut lichen Behörden erfolgen kann. Koschyk: Im Vorgriff auf diese EU-Verordnung wurde deshalb Wie ist der Beschluss der Innenministerkonferenz vom 7. De- den Landesluftfahrtbehörden durch das hierfür zuständige zember 2001 betreffend das Gefährdungspotenzial von Kleinflug- zeugen von der Bundesregierung umgesetzt worden? Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungs- wesen in Abstimmung mit dem BMI mit Schreiben vom 26. November 2002 ein Maßnahmenkatalog vorgegeben, Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- aus dem diese angemessene Sicherheitsmaßnahmen auf desminister des Innern: der Basis einer ortsbezogenen Risikobewertung durch die Herr Kollege Koschyk, ich muss Ihnen ein wenig län- zuständigen Landespolizeibehörden für die einzelnen ger antworten. Kleinflugplätze auswählen und anordnen sollen. Die Bereiche der allgemeinen Luftfahrt, also der Pri- Die künftigen Maßnahmen beinhalten unter anderem die Möglichkeit zur Einrichtung technischer Wegfahr- vatflieger, sowie der gewerblichen Luftfahrt mit kleineren sperren, die Bestreifung des Flugplatzgeländes, die Ein- Maschinen wurden nach dem 11. September 2001 umfas- zäunung der Flugplätze, die Verpflichtung zur Vorlage send überprüft, um auch hier eine Erhöhung der Sicher- von Personalausweisen für alle mitfliegenden Personen, heitsmaßnahmen zu erreichen. So wurden unmittelbar die namentliche Dokumenation der mitfliegenden Perso- nach dem 11. September 2001 durch das insoweit zustän- nen in einem Bordbuch sowie die physische Kontrolle dige Ministerium BMVBW konkrete Maßnahmen zur Er- von Fluggästen und des von diesen mitgeführten Gepäcks höhung der Sicherheit auf Kleinflughäfen gegenüber den sowohl für den Rundflugbetrieb als auch für Charterflüge. Ländern und dem Verband der Allgemeinen Luftfahrt ge- troffen und insbesondere die Betreiber von Kleinflug- Nach § 29 d des Luftverkehrsgesetzes werden alle Per- häfen und die ansässigen Verkehrssportklubs zu erhöhter sonen der bundeseinheitlichen Zuverlässigkeitsprüfung Aufmerksamkeit, zu verstärkten Kontrollen des Gelän- unterzogen, die in beruflichem Zusammenhang in den 1388 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper (A) Sicherheitsbereichen der Verkehrsflughäfen tätig sind. – Sie weiß, dass der Staatssekretär aus dem Bundesinnen- (C) Das schließt das sonstige Personal der Flughäfen, derministerium die Fragen erschöpfend beantwortet. Luftfahrtunternehmen und der Flugsicherung ein, soweit ( [CDU/CSU]: Zuhörer er- dieses Personal aufgrund seiner Tätigkeit die Möglichkeit schöpfend, aber nicht das Thema!) hat, die Sicherheit des Luftverkehrs zu beeinträchtigen. Privatpiloten, Flugschüler und Ähnliche sind davon Herr Koschyk, ich glaube, wir haben uns verstanden. nur dann umfasst, wenn keine räumliche Trennung zwi- Ich habe ganz bewusst die Fragestellungen mit den Ar- schen Verkehrsflughafen und allgemeiner Luftfahrt vor- beiten zu der EU-Richtlinie in Zusammenhang gebracht, liegt. Eine Erweiterung des Personenkreises und die dafür weil es wichtig ist, dass wir über unsere nationalen Ver- notwendige Gesetzesänderung werden derzeit geprüft. einbarungen hinaus in Europa zu gemeinsamen Verein- Alle Piloten werden jedoch bereits jetzt bei der Erteilung barungen und Standards kommen, die beispielsweise der Fluglizenz einer Zuverlässigkeitsprüfung nach § 4 des auch die von Ihnen angesprochene Frage umfassen, näm- Luftfahrtgesetzes unterzogen, die eine Bundeszentral- lich vom Ausland lizenzierte Kleinflugzeuge, die hier in registerabfrage und weitere behördliche Abfragen auslöst. Deutschland betrieben werden.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ihre Zusatzfrage auf diese erschöpfende Antwort. Eine zweite Zusatzfrage, bitte.

Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Frau Präsidentin, die Antwort des Herrn Staatsse- Herr Staatssekretär, ich mache noch einen Versuch: kretärs war zwar lang, aber nicht erschöpfend. HerrWas hat die Bundesregierung getan? Meine Frage habe Staatssekretär, Sie haben sehr ausführlich dargelegt, was ich sehr bewusst formuliert: „Wie ist der Beschluss der die Umsetzung der EU-Richtlinie bedeutet. Wenn ich Sie Innenministerkonferenz vom 7. Dezember 2001 ... von der richtig verstanden habe, steht Deutschland – das ent-Bundesregierung umgesetzt worden?“ Dass das nicht der nehme ich dem letzten Teil Ihrer Antwort – dabei erst am Bundesinnenminister allein tun kann, ist mir schon klar. Anfang. Ich aber habe gefragt, was der Bundesminister Ich weiß, dass dies gesamtverantwortliches Handeln einer des Innern unternommen hat, um den Beschluss der IMK Bundesregierung erfordert. Ich möchte wissen, wie die vom Dezember 2001 umzusetzen. konkrete Forderung der IMK, nämlich die Erfassung von Von den Innenministern der Länder sind, wie ich finde, nicht in Deutschland registrierten und zugelassenen Luft- (B) eine ganze Zahl von aus Gründen der Sicherheit nach- fahrzeugen, die aber in Deutschland betrieben werden und (D) vollziehbaren Anregungen gemacht worden. Ich will nur die die Innenminister der Länder damals – das sieht si- einen Punkt herausgreifen, der von der EU-Richtlinie, die cherlich jeder, der sich nach dem Frankfurter Luftzwi- Sie gerade genannt haben, überhaupt nicht berührt wird. schenfall mit entsprechenden Szenarien befasst, genauso – Es geht um die Erfassung von nicht in Deutschland regis- als erhebliches Gefährdungspotenzial eingeschätzt haben, trierten und zugelassenen Luftfahrzeugen, die aber inumgesetzt werden soll. Ich habe den Eindruck, Herr Deutschland betrieben werden. Das ist aus meiner Sicht Staatssekretär, dass dieser Sachverhalt von der EU-Richt- eine ganz empfindliche Sicherheitslücke. linie, die Sie sehr ausführlich zitiert haben, nicht erfasst Deshalb, Herr Staatssekretär, darf ich noch einmal zum wird. Kern meiner Frage zurückkommen. Mich interessiert nicht so sehr, wie die Bundesregierung eine EU-Richtlinie Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- umsetzt, sondern wie die Bundesregierung einen Beschluss desminister des Innern: der IMK vom Dezember 2001 bis zum Januar 2003 um- gesetzt hat. Herr Koschyk, ich meine, dass dieser Sachverhalt bei den Maßnahmen, die nach dem 11. September veranlasst worden sind, erfasst worden ist, beispielsweise was die Parl. Staatssekretär beim Bun- Fritz Rudolf Körper, bessere Sicherung von Kleinflugzeugen bzw. von Flug- desminister des Innern: zeugen insgesamt oder auch die Frage, an wen Schlüssel Lieber Herr Koschyk, im ersten Teil meiner Antwort herausgegeben und wem Flugzeuge zur Verfügung ge- habe ich versucht, auf Ihre Frage nach Konsequenzen auf stellt werden dürfen, anbelangt. Die Frage der Vertrau- den 11. September einzugehen. Zudem hat sich die IMK enswürdigkeit dieser Personen war ein spezieller Punkt, mit diesen Fragestellungen beschäftigt. Sie wissen, dass der von der IMK angesprochen worden ist und den die zu- diese Fragen letztendlich nicht vom Bund, sondern immer ständigen Landesbehörden umzusetzen versucht haben. nur von den Ländern beantwortet werden können. Dies ist Denn bei der von Ihnen angesprochenen Frage geht es im zum Teil auch durch das zuständige Ministerium sehrWesentlichen darum, wer diese Flugzeuge eigentlich konkret geschehen. Sie wissen, dass für das Luftfahrt- fliegt, ob es sich dabei um vertrauenswürdige Personen gesetz in erster Linie nicht das Bundesinnenministerium, handelt. Insofern bin ich der Auffassung, dass dieses sondern das BMVBW zuständig ist. Thema mitberücksichtigt worden ist. Inwieweit das von (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Dann frage ich Erfolg gekrönt ist, kann ich derzeit nicht feststellen, aber mich, warum die Frau Staatssekretärin gerade ich bin sicher, dass dieses Thema auch über diesen Tag weg ist!) hinaus im Blickfeld bleibt. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1389

(A) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Hartmut Koschyk (CDU/CSU): (C) Wir kommen zur Frage 11 des Abgeordneten Hartmut Danke, Frau Vizepräsidentin. – Herr Staatssekretär, Koschyk: ich glaube, dass die konkrete Gefährdungssituation, die Welche Sicherheitslücken – rechtlicher und tatsächlicher Art – bei dem Frankfurter Luftzwischenfall deutlich geworden sind durch die Frankfurter Flugzeugentführung vom 5. Januar 2003 ist, eine schnelle Entscheidung der Bundesregierung er- offen gelegt worden und welche Maßnahmen wird die Bundes- fordert. Bei diesem Vorgang war die Zusammenarbeit regierung ergreifen, um diese Sicherheitslücken zu schließen? gut. Der Herr Bundesinnenminister hat heute im Innen- ausschuss bestätigt, dass die Zusammenarbeit zwischen Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- dem hessischen Innenministerium, der hessischen desminister des Innern: Landesregierung, dem Bundesministerium des Innern wie auch dem Bundesverteidigungsministerium sehr gut Herr Kollege Koschyk, das Szenario dieses Falles war. Gleichwohl bleibt, wenn man diesen Fall durch- gibt Anlass, das Maßnahmenkonzept und die zugrunde spielt, die Frage, ob alle möglicherweise notwendig ge- liegenden Rechtsbestimmungen gemeinsam mit dem wordenen Handlungsoptionen vom Grundgesetz abge- BMVBW und den Ländern zu überprüfen und gegebe- deckt gewesen sind. Ich meine schon, dass es in einer nenfalls zu ergänzen. Eine entsprechende Sitzung aller solchen Situation wichtig ist, sehr schnell zur Beseiti- Beteiligten wird – das ist ganz aktuell – am 23. Ja-gung rechtlicher Grauzonen zu kommen. Teilen Sie diese nuar 2003 stattfinden. Auffassung?

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Ihre Zusatzfragen, bitte. desminister des Innern: Herr Kollege Koschyk, ich kenne bei diesem Vorfall Hartmut Koschyk (CDU/CSU): den Ablauf vom Start bis zur Landung. In der Tat ist hin- sichtlich der Zusammenarbeit überhaupt keine Beschwerde Herr Staatssekretär, es ist zwar begrüßenswert, dass zu führen. Was in diesem Falle miteinander vereinbart nach diesem Zwischenfall Sitzungen stattfinden, aber es worden ist und wie gemeinsam gehandelt worden ist, ist gibt schließlich einen öffentlichen Diskurs zwischen zwei durch das Grundgesetz voll und ganz abgedeckt. Das ist maßgeblichen Mitgliedern dieser Bundesregierung. Des- nicht das Problem. Sie gehen in Ihrer Frage nun einen halb erwarte ich, dass Sie in der Fragestunde des Parla- Schritt weiter. Ich habe bereits etwas zum aktuellen Dis- ments dazu Stellung nehmen, statt lediglich die Abgeord- kussionsstand gesagt. Ich gehe davon aus, dass die Bun- (B) neten des Bundestags auf die Möglichkeit hinzuweisen, desregierung eine deutliche Position beziehen wird, wenn (D) die Zeitungen zu lesen bzw. die Berichterstattung in den die Arbeitsgruppen sich mit diesem Thema beschäftigt ha- Medien zu verfolgen. ben werden. Diese Vorgehensweise ist sicherlich als an- In der Bundesregierung scheint es einen Dissens da- gemessen zu bezeichnen. rüber zu geben, ob ein mögliches Eingreifen der Bun- desluftwaffe in einem solchen Fall durch das Grundge- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: setz in seiner gegenwärtigen Fassung gedeckt ist. Dazu würde mich die Meinung der Bundesregierung interes- Mir liegen jetzt noch drei weitere Wortmeldungen für sieren. Zusatzfragen vor. Die erste wird vom Kollegen Christian Schmidt gestellt.

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU): Herr Kollege Koschyk, ich meine nicht, dass es einen Herr Staatssekretär, da wir uns in einem Hause befin- Dissens in der Bundesregierung gibt, vielmehr gibt es den, das von einer Kuppel gekrönt ist, auf die sich viele unserer Mitbürger nach dem 11. September 2001 aus der eine Diskussion bzw. einen Diskurs. Dazu gab es ver- Angst heraus nicht mehr hinaufgewagt haben, dass ver- schiedene Äußerungen. Da das Bundesinnenministerium gleichbare schreckliche Vorfälle auch in unserem Land sozusagen auch das Verfassungsministerium ist, sind wir geschehen könnten, ist die Frage nach einer rechtlichen zurzeit dabei, gemeinsam mit den anderen Beteiligten Bewertung des so genannten Air-Policing nicht neu. Des- diesen Sachverhalt zu prüfen. Anschließend werden wir wegen meine Frage: Halten Sie die Behandlung dieses dementsprechend eine Position der Bundesregierung for- Themas durch die Bundesregierung angesichts der Tat- mulieren. sache für angemessen, dass zwischen September 2001 Ich halte es im Übrigen nicht für tragisch, wenn es in und dem 23. Januar 2003 erst ein kleines Flugzeug den dieser Frage einen Diskurs gibt. Wo kämen wir denn hin, Frankfurter Luftraum durchfliegen muss, damit sich die wenn dies nicht erlaubt wäre? Bundesregierung mit dieser Frage befasst? Halten Sie es für verantwortbar, die Soldaten der Luftwaffe, die eine schwierige Aufgabe haben und unter Umständen über Tod Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: und Leben entscheiden müssen, in dieser Frage in einem Ich weise darauf hin, dass Sie noch eine Frage haben, Raum relativer Rechtsunsicherheit zu belassen? Was ge- Herr Kollege Koschyk. Bitte. denkt die Bundesregierung dagegen zu tun? 1390 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

(A) Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- (C) desminister des Innern: desminister des Innern: Ob es eine rechtliche Unsicherheit gibt, bezweifle ich. Ich könnte Ihre Ausführungen bestätigen. Das ist aber nicht entscheidend. Vielmehr kommt es da- (Dirk Niebel [FDP]: Danke!) rauf an, dass die Bundesregierung insbesondere nach dem 11. September in ihrer Reaktion auf die terroristischen Ich glaube, man muss auch in dieser Diskussion wohl- Anschläge wichtige Maßnahmen ergriffen hat. Die Bun- weislich zwischen einem konkreten Fall wie beispiels- desregierung hat sich auch in den europäischen und inter- weise dem in Frankfurt und der Frage des Verhältnisses nationalen Prozess eingeklinkt, sodass in dieser Angele- von innerer und äußerer Sicherheit, wer also bei welchen genheit der Bundesregierung keine Vorwürfe zu machen Szenarien im Bereich der inneren Sicherheit eingesetzt sind. Über die Frage einer rechtlichen Erörterung werden werden soll, unterscheiden. Aber Ihre Ausführungen be- wir zu gegebener Zeit entscheiden. schreiben den Zustand richtig. Ich muss sie nicht kom- mentieren. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Die nächste Frage stellt der Kollege Clemens Binninger. Wir kommen zur Frage 12 der Kollegin Petra Pau: Wie viele antisemitische Straftaten wurden im vierten Quartal 2002 in der Bundesrepublik Deutschland begangen und wie viele Clemens Binninger (CDU/CSU): Opfer dieser Straftaten gab es? Herr Staatssekretär, im vorliegenden Fall lag der glück- liche Umstand vor, dass der Attentäter sehr lange geflogen Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- ist und sein Vorhaben nicht in die Tat umgesetzt hat. Für die desminister des Innern: Sicherheitsbehörden entstand so eine recht lange Vorlauf- zeit. Werden Sie bei den Maßnahmen, die Sie Anfang Fe- Frau Kollegin Pau, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: bruar besprechen wollen, auch die Situation berücksichti- Im vierten Quartal 2002 – nach diesem fragen Sie – wur- gen, dass nach dem Start eines Flugzeuges das Attentatden insgesamt 201 antisemitische Straftaten gemeldet, die zielgerichtet ausgeführt wird, sodass nur eine Viertelstunde dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminali- bleibt, und welche Maßnahmen werden Sie treffen, wenn tät – rechts“ zugeordnet wurden. Darunter waren 44 Pro- Sie das Szenario auf Atomkraftwerke ausdehnen? pagandadelikte und acht Gewaltdelikte. Bei Letzteren handelt es sich um fünf Körperverletzungen, zwei Brand- (B) stiftungen und ein Widerstandsdelikt. Im vierten Quartal (D) Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- 2002 wurden fünf Personen verletzt. Todesfälle waren desminister des Innern: nicht zu verzeichnen. Lieber Herr Kollege Binninger, man kann sich verschie- dene Szenarien vorstellen. Dazu muss man eines deutlich Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: sagen: Nicht jedes Risiko ist beherrschbar. Ihre Zusatzfrage. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Jedes Szenario!) Petra Pau (fraktionslos): – Auch nicht jedes Szenario. Anderenfalls wäre es am 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten von Amerika Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. – Lässt sich nicht zu terroristischen Anschlägen gekommen. bei der Auswertung der von Ihnen vorgetragenen Zah- len ein Schwerpunkt in einem bestimmten Bundesland oder in einer bestimmten Region der Bundesrepublik Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: erkennen? Nächster Fragesteller ist der Kollege Dirk Niebel. Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Dirk Niebel (FDP): Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, dass in Frau Kollegin Pau, ich muss noch Folgendes hinzufü- gen: Die von mir gerade genannten Fallzahlen sind vor- der Vergangenheit allein schon in Ermangelung von läufig. Die statistische Erhebungsweise sieht vor, dass bis Kampfflugzeugen bei den Polizeien des Bundes und der zum 31. Januar des folgenden Jahres noch nachgemeldet Länder die Luftraumsicherung in Deutschland von der werden kann, wenn das erwünscht ist. Die Zahlen basie- Luftwaffe durchgeführt worden ist und dass es entspre- ren ja auf den Meldungen der Länder. Sie werden also chende Anweisungen gibt, wie dabei zu verfahren ist? nicht eigens von unserem Haus oder vom Bund erhoben. Können Sie mir weiterhin zustimmen, dass die Ausbil- dung der Soldaten der Bundeswehr gänzlich anders ist als Zur Frage, wo es Schwerpunkte gibt: Die mir vorlie- die der Polizeien des Bundes und der Länder, sodass Sol- gende Auflistung der Fallzahlen, aus der hervorgeht, in daten aufgrund ihrer Ausbildung in aller Regel als Hilfs- welchen Bundesländern welche Delikte zu verzeichnen polizisten nicht hinreichend geeignet sind, um die Sicher- sind, lässt nach meiner Interpretation nur schwerlich ir- heit zu erhöhen? gendwelche Schwerpunkte erkennen. Es gibt natürlich Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1391

Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper (A) unterschiedliche Größenordnungen. Ich schlage vor, Ih- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (C) nen diese Liste zu geben. Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte. (Petra Pau [fraktionslos]: Dafür bedanke ich mich sehr!) Erich G. Fritz (CDU/CSU): Sie haben davon gesprochen, dass nach den vorliegen- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: den Listen die Prüfung durch die Bundesregierung wei- Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Damit schließe tergeht. Mich interessiert, wer konkret überprüft. Ist das ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des In- das Ministerium oder sind das die nachgeordneten Behör- nern. Vielen Dank, Herr Staatsekretär Körper für die Be- den, die üblicherweise mit solchen Dingen beschäftigt antwortung der Fragen. sind? Wann wird diese Prüfung nach Ihrer Einschätzung abgeschlossen sein? Die Frage 13 der Kollegin Hannelore Roedel und die Fragen 14 und 15 des Kollegen Peter Weiß aus dem Ge- schäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen wer- Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundes- den schriftlich beantwortet. minister für Wirtschaft und Arbeit: Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- Klar ist, dass die Angaben VS-vertraulich sind und zunächst einmal auch vertraulich behandelt werden. Ich ministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Zur Beantwor- bin nicht sicher, ob die nachgeordneten Behörden allein tung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Rezzo prüfen oder ob das Haus mit beteiligt ist. Die Antwort Schlauch zur Verfügung. werde ich Ihnen gern nachreichen. Klar ist, dass das sehr Wir kommen zur Frage 16 des Abgeordneten Erich umfangreiches Material ist. Sobald neue Schlüsse gezo- Fritz: gen und Antworten gegeben werden können, können die selbstverständlich abgefragt werden. Treffen Pressemeldungen – ich verweise auf den „Tagesspiegel“ vom 17. Dezember 2002 – zu, dass deutsche Unternehmen bis 2001 Kooperationen mit dem Irak im Rüstungs- und Forschungs- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: bereich unterhalten haben und die Bundesregierung seit 1999 über die Zusammenarbeit mit einem deutschen Mikroelektronikunter- Eine weitere Zusatzfrage? – Das ist nicht der Fall. nehmen informiert war? Dann rufe ich die Frage 17 des Abgeordneten Erich G. Fritz auf: Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Arbeit: Welche Erkenntnisse über die Zusammenarbeit deutscher Un- (B) ternehmen mit dem Irak liegen der Bundesregierung tatsächlich (D) vor und gab es darunter Erkenntnisse über Zusammenarbeit mit Herr Kollege Fritz, die Bundesregierung beantwortet Folgen für die Produktion von Massenvernichtungswaffen? Ihre Frage wie folgt: Seit dem Irakembargo von 1990 fan- den genehmigte Exporte in den Irak nur mehr in Form von humanitären Lieferungen in begrenztem Umfang und Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Gütern statt, die im Rahmen des seit 1996 bestehenden minister für Wirtschaft und Arbeit: Oil-for-Food-Programms geliefert wurden. Der Export Herr Kollege Fritz, die Beteiligung deutscher Unter- dieser Güter erfolgte und erfolgt immer mit Genehmigung nehmen an Zulieferungen zu irakischen Rüstungspro- des VN-Sanktionssausschusses. In dem in den Pressemel- grammen war bereits mehrfach Gegenstand der Bericht- dungen konkret genannten Fall eines deutschen Mikro- erstattung durch die Bundesregierungen. Im Jahr 1991 ist elektronikunternehmens lagen entsprechende Genehmi- dem Deutschen Bundestag ein umfassender, vertraulich gungen sowohl des VN-Sanktionsausschusses als auch eingestufter Bericht über legale und illegale Waffen- des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle exporte in den Irak und die Aufrüstung des Irak durch Fir- vor. Dabei unterstelle ich, dass trotz der sehr allgemeinen men in der Bundesrepublik Deutschland übermittelt wor- Angaben der Fall von den zuständigen Behörden korrekt den. Eine verkürzte Fassung wurde unter Verzicht auf die identifiziert worden ist. Angabe von Firmennamen als Bundestagsdrucksache veröffentlicht. Diese Berichte sind durch schriftliche Un- Die zuständigen deutschen Behörden werden die der terrichtungen an den Ausschuss für Wirtschaft des Deut- Bundesregierung vorliegenden Teile der irakischen Er- schen Bundestages 1997 und zuletzt 1998 nach der je- klärung weiterhin darauf prüfen, ob sich daraus neue Hin- weiligen Erkenntnislage fortgeschrieben worden. Darin weise auf möglicherweise illegale Ausfuhren deutscher wurde auch auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und Unternehmen ergeben. Nach dem bisherigen Stand ist gerichtliche Verurteilungen eingegangen. dies nicht der Fall. Soweit sich neue Erkenntnisse über illegale Exporte er- Bloße Angaben von Firmennamen im Zusammenhang geben, wird die Bundesregierung in Zusammenwirken mit Waren lassen Fragen zum genauen Einkaufsweg und mit den zuständigen Behörden die entsprechenden zum Lieferzeitpunkt offen. Sie sind daher für sich noch Schritte zur Einleitung von Maßnahmen zur Strafverfol- kein ausreichender Anhaltspunkt dafür, dass der genannte gung unternehmen. Hersteller auch der Ausführer in den Irak gewesen ist. Deutlich wird das an dem aktuellen Beispiel des Prozes- ses, der vor dem Landgericht in Mannheim läuft und der Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: aus der Presse bekannt ist. Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte. 1392 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

(A) Erich G. Fritz (CDU/CSU): Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (C) Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, Wir kommen zur Frage 18 des Abgeordneten Klaus durch die Dienste hat es sehr früh Hinweise darauf gege- Hofbauer: ben – das ist dann auch in den Medien verbreitet worden –, Welche Auswirkungen auf die Umsätze der Tankstellen in den dass bei bestimmten Zulieferungen, wenn auch nicht spe- deutschen Grenzregionen zur Tschechischen Republik und zu Po- ziell für die Wiederherstellung der Produktionsmöglich- len sieht die Bundesregierung durch den Anstieg der Kraftstoff- preise aufgrund der weiteren Erhöhung der Mineralölsteuer zu keiten des Irak für Massenvernichtungswaffen, aber Jahresbeginn 2003 – Ökosteuer – vor dem Hintergrund der damit zumindest im Dual-Use-Bereich, der Verdacht der Betei- größer werdenden Preisdifferenz zu diesen östlichen Nachbarlän- ligung deutscher Unternehmen besteht. Das hat die Bun- dern? desregierung sicherlich dazu veranlasst, dem nachzuge- hen. Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Haben Sie aus dem, was damals sowohl in Großbritan- minister für Wirtschaft und Arbeit: nien als auch in der Bundesrepublik in der Presse veröf- Herr Kollege Hofbauer, die Bundesregierung beant- fentlicht worden ist, neue Erkenntnisse über beteiligte wortet Ihre Frage wie folgt: Bereits seit längerem existiert Unternehmen und Exportwege gewonnen, die Sie bereits ein deutliches Preisgefälle bei Kraftstoffen zwischen mitteilen können? Deutschland auf der einen, Polen und der Tschechischen Republik auf der anderen Seite. Die Erhebung der letzten Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Stufe der Ökosteuer zu Anfang dieses Jahres ändert struk- minister für Wirtschaft und Arbeit: turell nichts an dieser Tatsache. Die bislang bestehenden Preisdifferenzen zur Tschechischen Republik haben sich Ich kann Ihnen jetzt keine neuen Erkenntnisse mittei- bisher nicht verändert. Zu Polen gab es Veränderungen in len. Ich habe Ihnen gesagt, dass das derzeit in der Prüfung der Währungsparität zugunsten des Euro. ist, insbesondere unter Berücksichtigung des Materials Wie sich die Preisentwicklung zukünftig gestalten der irakischen Erklärung. Auf jeden Fall kann versichert wird, lässt sich nach den wenigen Tagen seit Einführung werden, dass die Ausfuhrgenehmigungen – es geht also der fünften Stufe der Ökosteuer noch nicht mit Sicherheit um legale Ausfuhren –, auch bezüglich möglicher Dual- einschätzen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass Use-Güter, sehr sorgfältig erteilt worden sind. In dem von sich die Wettbewerbsbedingungen deutscher Tankstellen Ihnen angesprochenen Beispiel ist die Ausfuhr unter der in diesen Grenzgebieten nicht wesentlich verändern wer- Überschrift „humanitäre Lieferungen, medizintechnische den. Lieferungen“ von beiden Gremien genehmigt worden und dann auch so erfolgt. Weitere Erkenntnisse über legale (Lachen des Abg. Hans-Michael Goldmann (B) (D) Exporte, aber auch über illegale Exporte von Dual-Use- [FDP]) Gütern haben wir nicht. Mehr kann ich Ihnen dazu jetzt nicht sagen. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Wenn die Prüfung abgeschlossen ist – das wird mit Si- Ihre Zusatzfragen, bitte. cherheit noch einige Zeit dauern; denn unserem Hause bzw. den nachgeordneten Behörden liegt derzeit, soweit ich weiß, nur eine Zusammenfassung vor –, bin ich gern Klaus Hofbauer (CDU/CSU): bereit, die entsprechenden Informationen weiterzugeben. Herr Staatssekretär, in den Grenzregionen ist ein regel- rechter Tanktourismus entstanden. Man kann den Men- schen angesichts eines Gefälles von 25 Cent und mehr Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: nicht verübeln, dass sie 20 oder 30 Kilometer entfernt in Sie können noch eine Zusatzfrage stellen. einem Nachbarland tanken. Das schadet unseren Steuer- einnahmen ganz erheblich. 80 Prozent des Benzinpreises zahlt man für Steuern. Es geht daher nicht nur um durch Erich G. Fritz (CDU/CSU): die Ökosteuer verursachte Verluste. Herr Staatssekretär, unabhängig davon, ob sich heraus- Immer mehr Menschen in diesen Grenzregionen tan- stellt, dass auch illegale Wege beschritten worden sind, ken im Nachbarland, seitdem die Ökosteuer eingeführt sind neben deutschen Unternehmen Firmen aus einerworden ist. Immer mehr Tankstellen in den Grenzregio- Reihe anderer Länder in dieser Liste aufgeführt. Haben nen gehen aufgrund dieser Situation Pleite. Was empfeh- Sie Erkenntnisse darüber, ob Exporte aus diesen Ländern len Sie den Tankstellenbetreibern? Wie gelingt es uns Beiträge für Anlagen zur Herstellung von Massenver-trotzdem, diese mittelständischen Tankstellen zu erhal- nichtungswaffen enthalten haben? ten? In einigen Kommunen und kleinen Städten auf deut- scher Seite gibt es bereits überhaupt keine Tankstelle mehr. Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Arbeit: Parl. Staatssekretär beim Bundes- Solche Erkenntnisse liegen mir persönlich nicht vor. Rezzo Schlauch, minister für Wirtschaft und Arbeit: Ich bin aber gerne bereit, nachzufragen, ob diese Er- kenntnisse vorhanden sind, und sie Ihnen, wenn sie vor- Herr Kollege Hofbauer, diese Unterschiede sind mir handen sind, nachzureichen. bekannt. Es gab sie in verschiedenen Grenzregionen be- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1393

Parl. Staatssekretär Rezzo Schlauch (A) reits vor Einführung der Ökosteuer. Es steht außer Zwei- auf das Tankverhalten der Bevölkerung in Grenzregionen (C) fel, dass die Differenzen mit Erhebung der Ökosteuerunseres Landes zurückzuführen sei. größer geworden sind. Das ist selbstverständlich zuzuge- (Dirk Niebel [FDP]: Demnach sind Sie schon stehen. Auf der anderen Seite war es, wie Sie wissen, der damals nicht Fahrrad gefahren, sonst hätten Sie politische Wille dieser Bundesregierung, die Ökosteuer in nicht in der Schweiz tanken müssen!) dieser Form einzuführen. Es ist natürlich auch klar, dass für Grenzregionen keinerlei Ausnahmen gelten können. Deshalb ist die einzige Möglichkeit – auch da engagiert Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: sich die Bundesregierung auf der europäischen Ebene –, Ich habe eine Zusatzfrage des Kollegen Rose. zu einer Harmonisierung auch der Besteuerung von Kraft- stoffen zu kommen. Seit 1997 wird darüber diskutiert, ob eine entsprechende Richtlinie verabschiedet werden soll. Dr. Klaus Rose (CDU/CSU): Diesbezüglich wird sich die Bundesregierung auch weiter Herr Staatssekretär, ich möchte das fortführen, was der engagieren. Kollege Hofbauer gesagt hat; dabei geht es jetzt nicht mehr nur um Tschechien und Polen, sondern, da ich selbst Klaus Hofbauer (CDU/CSU): in dieser Grenzregion lebe, auch um die gesamte 800 Ki- lometer lange Grenze zu Österreich. Wir haben dort das Wenn ich meine zweite Frage stellen dürfte? gleiche Problem. Würden Sie mir zustimmen, dass man das nicht so herunterspielen kann, als handele es sich da- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: bei nur um ein ganz kleines? Würden Sie mir auch zu- stimmen – das haben Sie ja schon gesagt –, dass es in der Bitte schön. Konsequenz der politische Wille ist, die Tankstellenbe- treiber in Grenzregionen wirtschaftlich kaputtzumachen? Klaus Hofbauer (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, Sie nehmen das alles einfach in Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Kauf. Sie reden sich unter Bezugnahme auf die Harmoni- minister für Wirtschaft und Arbeit: sierung der Steuern heraus. Es ist meiner Auffassung nach Nein, da stimme ich Ihnen nicht zu. unverantwortlich, dass wir im Grunde genommen da- durch, dass wir die so genannte Ökosteuer nach oben trei- ben, mittelständische Unternehmen kaputtmachen. Das Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ziel der Ökosteuer war, ist und soll sein, dass weniger (B) Wir kommen zur Frage 19 des Abgeordneten Klaus(D) Energie verbraucht wird. Auch Sie sagen, die Ökosteuer Hofbauer: habe bereits eine Verringerung des Energieverbrauchs mit Rechnet die Bundesregierung nach der weiteren Erhöhung der sich gebracht. Mineralölsteuer mit einer Zunahme des Tankpendelns in die Tschechische Republik und nach Polen und, wenn ja, welche Steu- Ich stelle die These auf – und möchte Sie fragen, ob Sie erausfälle werden daraus resultieren? mir da zustimmen –, dass die Verringerung des Energie- verbrauchs ausschließlich darauf zurückzuführen ist, dass Autofahrer aus den Grenzregionen aufgrund dieser Steuer Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundes- in das Nachbarland fahren, und dass dadurch, dass bei uns minister für Wirtschaft und Arbeit: in Deutschland weniger Benzin verkauft wird – und im Herr Hofbauer, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Endeffekt auch weniger Steuern eingenommen werden –, Die Veränderung beim Tankpendeln hängt unter anderem der Energieverbrauch überhaupt nicht zurückgegangen von der weiteren, dauerhaften Entwicklung der Preisdif- ist. Können Sie diese Auffassung teilen? ferenz ab. Jeder Liter mehr oder weniger verkaufter Kraft- stoff schlägt mit 65,45 Cent, und zwar beim Benzin, bzw. Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundes- beim Diesel mit 47,04 Cent Mehr- bzw. Mindereinnah- minister für Wirtschaft und Arbeit: men bei der Mineralölsteuer zu Buche. Wie sich der Tank- tourismus und damit der Saldo aus Steuermehreinnahmen Diese Auffassung teile ich nicht, weil sie auf einer Spe- und möglichen Steuermindereinnahmen entwickeln wird, kulation beruht, die durch nichts belegt ist, und zwar des- kann nach den wenigen vorliegenden Erfahrungen nach halb, weil der Kraftstoffverbrauch in einem UmfangErhöhung der Mineralölsteuer zum 1. Januar 2003 noch zurückgegangen ist, der weit über die möglichen Auswir- nicht eingeschätzt werden. kungen eines Tanktourismus, den wir ja seit Jahrzehnten kennen, hinausgeht. Ich kann mich noch erinnern, dass man zu meiner Studentenzeit Mitte der 60er-Jahre in der Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Schweiz getankt hat. Dieser Tanktourismus ist keine Er- Ihre Zusatzfragen, bitte. scheinung, die im Zusammenhang mit der Ökosteuer neu entstanden wäre. Ich glaube, den hat es immer gegeben, (CDU/CSU): und es kann sein, dass durch die jetzige größere Differenz Klaus Hofbauer dieser ein Stück weit angestiegen ist. Ich halte es aber für Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, in Ihrem Hause vollkommen überzogen, zu meinen, dass der gesamte ge- zu veranlassen, dass diese Thematik genauer untersucht wünschte Rückgang des Kraftstoffverbrauchs sozusagen wird, um die Auswirkungen zu erkunden? 1394 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Klaus Hofbauer (A) Meine zweite Frage: Was macht die Bundesregierung, Erich G. Fritz (CDU/CSU): (C) auch im Hinblick auf die EU-Osterweiterung, um eine Herr Staatssekretär, nach dieser gewundenen Antwort Harmonisierung der Steuern zu erreichen? Dass der jet- auf die eigentlich einfache Frage möchte ich es Ihnen leicht zige Zustand unbefriedigend ist, ist, wie ich glaube, jedem machen und Sie fragen: Stimmen Sie zu, dass die Bundes- klar. regierung die Pleite einer Vielzahl von Tankstellenpächtern an den Außengrenzen billigend in Kauf nimmt? Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Arbeit: Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Herr Kollege Hofbauer, soweit keine überzogenenminister für Wirtschaft und Arbeit: bürokratischen Aufwendungen im Rahmen statistischer Nein, dem stimme ich nicht zu; das habe ich vorhin Erhebungen hierzu notwendig sind, wird unser Haus diese schon beantwortet. Entwicklung selbstverständlich im Auge behalten und auch evaluieren. Vizepräsident Dr. : (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms) Damit kommen wir zur Frage 20 der Kollegin Pau: Ansonsten geht es – das habe ich vorhin darzulegen ver- Wie hat sich die Ausfuhr von Rüstungsgütern aus der Bundes- republik Deutschland – einschließlich der Kooperationspro- sucht – natürlich darum, und zwar, wie Sie wissen, nicht gramme der EU und der NATO – in den letzten acht Jahren ent- nur in diesem Bereich, sondern auch in anderen Berei- wickelt? chen, zu einer Harmonisierung der Steuersysteme und der Steuerrahmen auf EU-Ebene zu kommen. Aber das – da- mit verrate ich Ihnen wahrscheinlich kein Geheimnis – ist Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundes- ein sehr schwieriges Geschäft und ein langer und oft stei- minister für Wirtschaft und Arbeit: niger Weg. Frau Kollegin Pau, die Gesamtwerte der jährlichen Ausfuhren von Kriegswaffen haben in den Jahren 1995 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: bis 2001 sehr geschwankt. Sie sind aber, insbesondere seit 1999, stark zurückgegangen. So wurden 1995 noch Herr Kollege Rose, bitte schön. Kriegswaffen im Wert von 1,982 Milliarden DM ausge- führt; 2001 waren es – um in derselben Währung zu blei- Dr. Klaus Rose (CDU/CSU): ben – Kriegswaffen im Wert von 0,718 Milliarden DM. Ausführliche Angaben zur Rüstungsexportstatistik wer- (B) Vorhin gab es zwei verschiedene Aussagen. Auf der ei- den von der Bundesregierung im jährlichen Rüstungs-(D) nen Seite haben Sie gesagt, dass es politischer Wille sei, exportbericht veröffentlicht. dass die durch die Einführung der Ökosteuer entstehen- den Konsequenzen in Kauf genommen würden. Auf der Der Dritte Rüstungsexportbericht mit den Zahlen für anderen Seite haben Sie ausgeführt, dass es nicht politi- 2001 wurde im Dezember letzten Jahres vom Bundes- scher Wille sei, dass deshalb jemand in den grenznahen kabinett verabschiedet und dem Bundestag zugeleitet. Regionen seine Existenz verliere. Aufgrund dessenStatistische Werte für das Jahr 2002 liegen noch nicht vor. möchte ich Sie noch einmal genau fragen – wenn Sie da- In diesen Berichten finden sich die Werte für die Aus- rauf jetzt nicht antworten können, können Sie es mir auch fuhren von Kriegswaffen. Für sonstige Rüstungsgüter lie- schriftlich nachreichen –: Wie haben Sie über die Euro- gen nur die Werte der erteilten Ausfuhrgenehmigungen päische Union konkret dafür gesorgt, dass den Tankstel- vor; hier werden die Ausfuhren selbst statistisch nicht er- lenbetreibern im Grenzland geholfen wird? fasst.

Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: minister für Wirtschaft und Arbeit: Zusatzfrage, Kollegin Pau? – Bitte schön. Das habe ich nicht behauptet, Herr Kollege, sondern ich habe gesagt, dass sich die Bundesregierung im Rahmen der Diskussion der EU zu der seit 1997 auf dem Tisch lie- Petra Pau (fraktionslos): genden Richtlinie bezüglich der Harmonisierung der Sys- Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. – Besagter Be- tematik bei der Besteuerung von Kraftstoffen dafür einge- richt ist mir heute tatsächlich als Drucksache zugegangen. setzt hat, dass man zu einer solchen HarmonisierungEine erste Durchsicht veranlasst mich zu der Frage, wie gelangt, was wiederum die Konsequenz hätte, dass die Sie die dort zitierten Sonderfaktoren, welche die Er- Grenzregionen von Preisunterschieden nicht so betroffen höhung der Zahl der Ausfuhrgenehmigungen für sonstige wären wie heute. Aber ich habe nicht gesagt – das ist auch Rüstungsgüter ermöglichen, qualifizieren würden. nicht geplant –, dass betroffenen Tankstellen in dieser Re- gion über die EU unmittelbar oder mittelbar geholfen wird. Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Arbeit: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: In manchen Jahren wurden Genehmigungen auf der Eine Zusatzfrage des Kollegen Fritz. Grundlage von Sonderfaktoren erteilt. Sie betrafen Liefe- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1395

Parl. Staatssekretär Rezzo Schlauch (A) rungen, die besonders hohe Volumina aufwiesen, wie bei- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) spielsweise die Lieferung von zwei U-Booten an Israel. Zusatzfrage? – Bitte schön, Frau Kollegin Klöckner. Das muss politisch bewertet werden. Aus unserer Sicht ist an diesen Genehmigungen nichts zu kritisieren. Julia Klöckner (CDU/CSU): Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Es gibt erste Vorstöße des Landes Sachsen. Im Rahmen der Grünen Woche wird morgen Staatsminister Flath zu Gibt es weitere Fragen? – Das ist nicht der Fall. Vielen einem entsprechenden Gespräch einladen. Dank, Herr Staatssekretär. Die Frage an Sie. Sachsen sieht eine Mischfinanzie- Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes- rung vor. Kann man Ihrer Meinung nach einen Weg fin- ministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- den, um durch die Einführung einer Versicherung abseh- wirtschaft. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische bare Schäden a priori besser abfangen zu können, anstatt Staatssekretär Matthias Berninger zur Verfügung. a posteriori Gelder für die Geschädigten mühsam zusam- Ich rufe die Frage 21 der Kollegin Julia Klöckner auf: menzutragen? Wie steht die Bundesregierung zum Aufbau einer nationalen Mehrgefahrenversicherung für die Landwirtschaft und welche Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bun- staatliche Unterstützung hält sie für den Aufbau für erforderlich? desministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- wirtschaft: Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Zunächst einmal muss man sehen, dass ein Teil der desministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- Risiken bereits dadurch abgesichert ist, dass der Getreide- wirtschaft: bauer Prämien in Höhe von etwa einem Viertel seiner Frau Klöckner, für die Bundesregierung beantworte Einnahmen – unabhängig von der Erntehöhe – erhält. ich Ihre Frage wie folgt: Wir haben uns vonseiten des Ver- Zum anderen ist es so, dass in der Vergangenheit bei be- braucherschutzministeriums intensiv mit der Thematik sonders schweren Schadensereignissen, etwa bei Trocken- der Mehrgefahrenversicherung beschäftigt. Wir haben heit oder Hochwasser, der Steuerzahler eingegriffen hat auch die vorliegenden Vorschläge zur Einführung einer und eine Solidarität mit den betroffenen landwirtschaft- Mehrgefahrenversicherung für die Landwirtschaft, die in lichen Betrieben in den Fällen, die für die Betriebe exis- Zusammenarbeit mit Versicherungsunternehmen ent- tenzbedrohend waren, politisch durchsetzbar war. wickelt worden sind, geprüft. Wir sind dabei auf folgende Probleme gestoßen. Die Vorschläge aus Sachsen beinhalten in der Tat, dass (B) (D) es zu einer Mischfinanzierung kommt. Unter anderem Zum einen können wir nicht sämtliche landwirtschaftli- wird vorgeschlagen, dass dazu Mittel aus Brüssel, so ge- chen Betriebe verpflichten, bei einer solchen Mehrgefah- nannte Modulationsmittel, mobilisiert werden können. renversicherung mitzumachen, sodass sich in der Regel nur Wir haben das natürlich geprüft und prüfen das auch wei- diejenigen einem solchen System anschließen, die von Ri- terhin, sehen aber auch hier Schwierigkeiten. siken eher bedroht sind als andere. Dies bewirkt – zum an- deren –, dass diese Versicherung erst dann attraktiv wird, Eine Schwierigkeit besteht darin, dass wir, wenn wir wenn sich der Staat finanziell stark daran beteiligt. Hierzu so etwas auf europäischer Ebene regeln, auch in solchen gibt es für die EU und in Deutschland bis heute keineRegionen, in denen es bisher keine Mehrgefahrenversi- Rechtsgrundlage. Man muss also davon ausgehen, dass die cherung gibt oder in denen es zwar eine Mehrgefahren- Einführung einer solchen Versicherung mit erheblichen fi- versicherung gibt, aber in der Regel weit mehr Schadens- nanziellen Lasten für den Bund verbunden wäre. ereignisse, zum Beispiel durch Trockenheit, eintreten, ein solches Vorgehen in Form der Mischfinanzierung ermög- Wenn man jetzt noch die Mehrgefahrenversicherung lichen müssen. Sie wissen, Deutschland ist ein erheb- auf Schadensereignisse wie das Hochwasser vom vergan- licher Nettozahler. Unter dem Strich würden wir auf diese genen Sommer bzw. Herbst ausdehnt, muss man mit noch Weise die landwirtschaftlichen Einkommen in unseren höheren finanziellen Belastungen für den Staat rechnen. Nachbarländern absichern und neben den deutschen Kos- Darüber hinaus werden die Betriebe, die in den betrof- ten auch noch erhebliche auf europäischer Ebene haben. fenen Regionen nicht an einer solchen Versicherung Das muss man bei solchen Erwägungen mit berücksich- partizipieren, auf den Staat zukommen und ihn um Hilfe tigen. bitten. Auch diese Hilfe muss man kostenmäßig hinzu- rechnen. Unter dem Strich bedeutet also die Einführung Die Kommission wird Vorschläge zur so genannten einer Mehrgefahrenversicherung eine erhebliche Belas- Modulation machen. Zurzeit ist absehbar, dass diese Vor- tung für den Bund. schläge vom Umfang und vom Zeitpunkt her nicht so ausreichend und günstig sind, dass wir im Sinne der säch- Dabei bin ich noch nicht auf die Frage eingegangen, sischen Vorstellungen sofort in ein solches System ein- die uns natürlich auch beschäftigt hat, nämlich mit wel- steigen können. cher Begründung der Steuerzahler eine Mehrgefahrenver- sicherung für die Landwirtschaft subventionieren soll, Summa summarum ist klar: Der Staat muss sich er- während beispielsweise im Tourismus- und im Baube- heblich beteiligen. Ohne Berücksichtigung von Sonder- reich an die Subventionierung einer solchen Versicherung schäden, zum Beispiel der Flutkatastrophe, können Sie niemand denkt. mit einer Größenordnung von 250 Millionen Euro rechnen, 1396 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Parl. Staatssekretär Matthias Berninger (A) die der Steuerzahler in ein System stecken würde, bei dem Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) rund 25 Prozent der Beiträge der Bauern für Verwal- Eine ergänzende Frage des Kollegen Hans-Michael tungskosten ausgegeben werden müssten. Das ist eine so Goldmann. erhebliche Summe, dass man sehr genau darüber nach- denken sollte, ob ein solcher Vorschlag machbar und halt- bar ist und ob er gut begründbar allein auf den landwirt- Hans-Michael Goldmann (FDP): schaftlichen Sektor beschränkt werden kann. Herr Staatssekretär, Sie sprachen eben die grundsätzli- che Position Ihres Hauses an. Wenn die Rahmenbedingun- gen, also eine Mischfinanzierung, Modulationsmittel und Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: eine entsprechende Beteiligung, gegeben wären, sagen Sie Zweite Zusatzfrage, bitte schön. dann: „Wir wollen uns auf den Weg machen, um eine Mehrgefahrenversicherung für den Bereich der Agrarwirt- schaft auf die Beine zu stellen“, oder halten Sie eher an der (CDU/CSU): Julia Klöckner meiner Meinung nach richtigeren Position fest und sagen: Meine zweite Zusatzfrage: Es geht mir neben dem Vor- „Das muss in der Verantwortung des Einzelnen bleiben“? schlag von Sachsen um weitere Beispiele. Ich habe ein- Denn Sie hatten ja ausgeführt, dass ein solches Vorgehen mal nachgesehen, wie man in Österreich vorgeht. Dort auch Ausweitungen zum Beispiel auf die Bauwirtschaft, scheint eine Mischfinanzierung ganz gut zu funktionie- den Tourismus und ähnliche Bereiche haben würde. ren. Der Bund und das Land übernehmen jeweils 25 Pro- zent und die Bauern 50 Prozent der Finanzierung. Man Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bun- müsste natürlich genauer betrachten, wie das in absoluten desministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- Zahlen aussieht. wirtschaft: Haben Sie Einblicke in andere Länder? Können Sie sa- Ich habe darauf hingewiesen, dass für uns eine Misch- gen, ob zum Beispiel Österreich in dieser Angelegenheit finanzierung mit europäischen Mitteln nicht in Betracht ein Vorbild für uns sein kann? kommt. Denn die Konsequenz daraus ist, dass wir uns auch in anderen Ländern erheblich beteiligen müssten. Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Das scheint mir unter dem Gesichtspunkt, dass die Bun- desministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- desregierung ihre Nettozahlungen verringern und nicht wirtschaft: erhöhen möchte, nicht sinnvoll zu sein. Natürlich habe ich bei der gründlichen Analyse der Po- Im Großen und Ganzen glaube ich, dass man, falls die sition unseres Hauses Einblicke in die in anderen Ländern Länder gemeinsam mit den Landwirten Vorschläge ent- (B) bestehende Mehrgefahrenversicherung gewinnen kön- wickeln, die dann auch tragbar sind, darüber sprechen(D) nen. Die Spanier beispielsweise haben ein ähnliches Sys- kann, ob etwa im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe tem. Sie haben es soeben selber gesagt: Das sind Systeme, oder anderer Möglichkeiten geholfen werden kann. Wir die auf nationalstaatlicher Ebene finanziert werden, das verschließen hier unsere Augen nicht völlig. Wir sind aber heißt nicht von Brüssel kofinanziert sind. nicht bereit, ein System einzuführen, bei dem auf den Bund das Gros der Kosten zukommt, das dann aber nicht Der sächsische Vorschlag enthält aber eine Variante, die komplette Landwirtschaft abdeckt, sondern nur einen bei der man sehr stark auf eine Brüsseler Kofinanzierung Teil der Betriebe, womit für die Allgemeinheit im Scha- setzt, wodurch ein beträchtlicher Teil der Kosten außer- densfall wieder neue Probleme auftauchen. halb unseres Haushaltes beglichen wird. Das sieht auf den Zusammenfassend möchte ich sagen: Die Vorschläge, ersten Blick gut aus. Da wir dieses System aber auf andere die uns bisher vorliegen, lassen unser Ministerium zu der Länder übertragen müssten, käme das den deutschen Position kommen, dass man solche Systeme ablehnen Steuerzahler sehr teuer zu stehen. sollte. Selbst wenn wir die entsprechenden rechtlichen Man kann einzelne Aspekte verschiedener Agrarversi- Möglichkeiten hätten, wäre es ein ziemlicher ordnungs- cherungssysteme schlecht miteinander vergleichen. Es politischer Sündenfall, wenn wir alle Betriebe rechtlich gibt, wie gesagt, in manchen Ländern Mehrgefahrenver- verpflichten würden, an solchen kollektiven Sicherungs- sicherungen und in anderen Ländern eine solche Absiche- systemen teilzunehmen. rung wie bei uns, nämlich dass man bei Krisen den Steuer- zahler heranzieht, womit man mehr Flexibilität hat. Denn Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: wir können – ich will es noch einmal sagen – die Land- wirte nicht verpflichten, eine solche Versicherung abzu- Wir kommen nun zur Frage 22 der Kollegin Klöckner: schließen. Wir werden, wenn in einer Region ein Krise Ist die Bundesregierung bereit, den Aufbau einer Mehrgefah- eintritt und nur ein Drittel der Landwirte eine solche Ver- renversicherung für die Landwirtschaft finanziell zu unterstützen sicherung hat, immer vor der Frage stehen, wie wir mit und, wenn ja, in welcher Höhe? den übrigen zwei Dritteln umgehen. Man könnte sagen: Das ist deren Pech. Aufgrund meiner Erfahrungen weiß Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bun- ich aber, dass, wenn es konkret wird, die betroffenen Re- desministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- gionen auf allen Ebenen Bitten formulieren werden, auch wirtschaft: den nicht versicherten Betrieben zu helfen. Ich beantworte Ihre Frage auch mit einem Ausdruck Summa summarum muss man sagen: Die Sache wird des Bedauerns, weil ich einen Teil der Antwort jetzt schon für alle Beteiligten sehr teuer. Herrn Goldmann gesagt habe. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1397

Parl. Staatssekretär Matthias Berninger (A) Die Bundesregierung ist nach dem, was bisher an Vor- Einfuhrvorschriften zum Schutz der Pflanzengesundheit (C) schlägen vorliegt, nicht bereit, die großen finanziellen Be- und zugleich um einen Betrugsfall. Bei dem von Kanada lastungen zu übernehmen. Sie weist insbesondere darauf festgestellten Pilzbefall handelt es sich um die Pflanzen- hin, dass die Kostenkalkulationen für solche Versiche- krankheiten Weizenstängelbrand und Zwergsteinbrand rungsmodelle den normalen Schadensfall, das heißt nor- des Weizens. Ich erspare es mir, die entsprechenden latei- male Ernteausfälle infolge unterschiedlicher Vegetations- nischen Namen zu nennen, und danke für Ihr Verständnis. bedingungen, über die Jahre ausgleichen würden. Eine Die beiden Pilzkrankheiten kommen in der EU und in Absicherung der großen Krisen, die ja die Hauptsorgen Deutschland im Weizen vor, in Kanada jedoch nicht oder der Landwirte darstellen, wäre noch einmal erheblich teu- nur in bestimmten Gebieten. Kanada hat daher – das geht rer. Vor diesem Hintergrund stehen wir den bisher ge-mit den entsprechenden WTO-Regeln konform – beson- machten Vorschlägen auf der Basis der heutigen Informa- dere phytosanitäre Einfuhrvorschriften zum Schutz seiner tionen skeptisch gegenüber. landwirtschaftlichen Erzeugung, auf die man sich in die- sem Fall auch beruft. Eine Gefährdung der menschlichen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Gesundheit durch diese Pilze besteht nicht unmittelbar und ist auch nicht der Grund für den kanadischen Einfuhrstopp. Zusatzfrage? – Kollegin Klöckner.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Julia Klöckner (CDU/CSU): Zusatzfrage, Herr Kollege Goldmann? – Bitte. Sie erwähnten, dass Versicherer auf Sie zugekommen sind bzw. dass – wenn ich es richtig verstanden habe – Versicherer in diese Diskussion aktiv eingestiegen sind. Hans-Michael Goldmann (FDP): Können Sie näher erläutern, wie deren Vorschläge ausge- Herr Staatssekretär, kann man also davon ausgehen, sehen haben? Handelt es sich dabei um die Vorschläge, dass das Getreide nicht nur nach Kanada exportiert wurde, die Sie schon skizziert haben oder gibt es noch weitere, sondern auch nach Deutschland gekommen ist? mit denen man vielleicht doch arbeiten könnte? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- desministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- wirtschaft: wirtschaft: Herr Abgeordneter, ich verfüge nicht über Erkennt- Grundlage der Diskussion war ein Vorschlag aus dem nisse darüber, aus welcher Region dieses Getreide gelie- (B) (D) Jahr 2001, in dessen Berechnung auch Versicherer invol- fert worden ist. Es verhält sich aber so, dass die Pilze, die viert waren. Wir als Ministerium haben intensiv geprüft, in dem Getreide gefunden wurden, das nach Kanada ex- ob solche Vorschläge realisierbar sind. Sie rechnen sich portiert worden ist, durchaus auch bei Getreide, etwa für die Beteiligten, sowohl für die Versicherungswirt-Roggen oder Weizen, das in Mitteleuropa produziert schaft als auch für die landwirtschaftlichen Betriebe, un- wurde, gefunden werden können. Insofern handelt es sich ter zwei Bedingungen: Bedingung Nummer eins ist, dass hierbei nicht um ein phytosanitäres Problem, bei dem ein der Bund dafür sorgt, dass die Sache finanziell so attrak- besonderes Eingreifen unserer Behörden angezeigt wäre, tiv wird, dass möglichst viele Landwirte in den Regionen im Gegenteil: Würden wir unsererseits einen solchen Fall motiviert werden mitzumachen. Bedingung Nummerzum Anlass nehmen, um unseren Markt vor entsprechen- zwei ist, dass sich der Bund über die Absenkung der Prä- den Lieferungen abzuschotten, verstießen wir gegen die mien hinaus erheblich finanziell an der Absicherung des einschlägigen Regeln der WTO. Das kann ja nicht im Risikos beteiligt. Das würde dann zu den relativ hohen Sinne der auch von Ihnen erhobenen Forderung nach ei- Summen führen, die insbesondere auf den Bundeshaus- nem freien Welthandel sein. halt zukämen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Eine weitere Zusatzfrage? – Bitte. Nun kommen wir zur Frage 23 des Kollegen Goldmann: Liegen der Bundesregierung Hinweise oder Warnungen vor, Hans-Michael Goldmann (FDP): dass nicht nur mit Pilzen verunreinigter Weizen aus der Ukraine nach Kanada exportiert worden ist, sondern ebenfalls nach Herr Staatssekretär, haben Sie das Getreide, das aus der Deutschland gelangen konnte, vergleiche „Ernährungsdienst“ Ukraine gekommen ist und das in Deutschland auf dem vom 8. Januar 2003? Markt ist, auf Pilzbefall untersucht und, wenn ja, welche Konsequenzen haben Sie daraus abgeleitet? Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bun- wirtschaft: desministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- wirtschaft: Herr Kollege Goldmann, bei dem in der Zeitschrift „Ernährungsdienst“ vom 8. Januar 2003 erwähnten Fall Zunächst einmal muss man über den Pilzbefall sagen, handelt es sich um einen Verstoß gegen die kanadischen dass er sich erheblich auswirkt und vor allem in der 1398 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Parl. Staatssekretär Matthias Berninger (A) Vergangenheit dann zu Krankheiten geführt hat, wenn Hans-Michael Goldmann (FDP): (C) man unbehandeltes Getreide im Folgejahr wieder ausge- Herr Staatssekretär, Sie haben zu Recht ausgeführt, sät hat. Deswegen sind die meisten Landwirte dazu über- gegangen, ihr Getreide vor der Aussaat zu behandeln. Ein dass das in erster Linie Ländersache ist. Haben Sie mit Schaden entsteht also vor allem bei der Aussaat dieses Ge- den Ländern Kontakt aufgenommen, um den deutschen treides. Markt vor solchen Produkten zu schützen, oder kann man sagen, dass in Kanada ein größerer Schutz der Verbrau- Darüber, inwieweit Lieferungen erheblich belastet wa- cher oder der Aussaatbetriebe besteht als in Deutschland? ren, als mangelhaft dargestellt und von den Abnehmern nur zu günstigeren Preisen erstanden wurden, liegen mir keine Erkenntnisse vor. Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- Im Übrigen: Nicht ich habe mich auf den Weg ge-wirtschaft: macht, sondern es ist Aufgabe der Länderbehörden, ent- sprechende Einfuhren genauer zu kontrollieren. Näheres Nein, das kann man absolut nicht sagen. Die phytosa- nitären Regelungen sehen vor, dass Länder, zum Teil auch möchte ich in der Antwort auf Ihre zweite Frage aus- Kontinente ermächtigt sind, die Einfuhr bestimmter führen. belasteter pflanzlicher und tierischer Produkte zu verbie- ten, um zu vermeiden, dass sich in einem Land oder auf Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: einem Kontinent eine bestimmte Tier- oder Pflanzen- krankheit breit macht. Das gilt selbst dann, wenn die ent- Wir kommen zur Frage 24 des Kollegen Goldmann: sprechende Krankheit oder der entsprechende Pilzbefall Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen bzw. für die menschliche Gesundheit keine Beeinträchtigung wird sie noch ergreifen, um sicherzustellen, dass mit Pilzen ver- darstellen. unreinigter Weizen aus der Ukraine nicht nach Deutschland ge- langen kann? Vor diesem Hintergrund hat Kanada die Möglichkeit einzugreifen, weil es eine solche Krankheit im eigenen Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bun- Lande nicht gibt. Wir haben diese Möglichkeit nicht, weil desministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- die gleiche Krankheit bei uns vorkommt und früher, als wirtschaft: man das Saatgut nicht ausreichend vorbehandelt hatte, so- gar in großem Ausmaß vorgekommen ist. Die Bundesregierung hat sich unverzüglich mit der Canadian Food Inspection Agency in Verbindung gesetzt Es gibt andere sanitäre Vorschriften der Europäischen und hat Informationen über die Beanstandungen bekom- Union, nach denen wir bestimmte Importe verweigern (B) men. Es ist so, wie ich Ihnen gerade dargestellt habe: Wir können. Dritte Länder können sich, weil sie das Problem (D) haben im WTO-Rahmen keine Möglichkeit, Einfuhr-im eigenen Land – ähnlich wie in diesem Fall die EU – beschränkungen vorzunehmen. Deutschland sieht hierin haben, nicht auf solche Vorschriften berufen. Das sind auch keine Bedrohung seiner landwirtschaftlichen Pro- höchst spezifische Regelungen, um die im WTO-Maßstab duktionen über das Gesagte hinaus. beim SPS-Abkommen, das sanitäre und phytosanitäre Fragen des Welthandels klärt, hart gerungen wird. Die Länder sind für solche Einfuhrkontrollen zustän- dig. Es wird zurzeit auf europäischer Ebene über eine Veränderung der Vorschriften hinsichtlich der Kontrolle Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: bei pflanzlichen Einfuhren nachgedacht. Wir in Deutsch- Vielen Dank, Herr Staatssekretär. land sind einen Schritt weiter: In den nächsten Tagen wird vom BVL eine allgemeine Verwaltungsvorschrift Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis- teriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen vorgelegt, die die Tätigkeit der Kontrollbehörden der steht der Parlamentarische Staatssekretär Walter Kolbow Länder harmonisieren soll, um sicherzustellen, dass wir zur Verfügung. auch bei pflanzlichen Produkten, die in die EU eingeführt werden, vernünftige Proben von Stichproben erhalten. Wir kommen zur Frage 25 des Kollegen Werner Kuhn: Dazu werden in den nächsten Tagen Vorschläge vorlie- Sind der Bundesregierung die planungsrechtlichen Bedenken gen. betroffener Gemeinden gegen das bis Januar 2002 durchgeführte Anhörungsverfahren über die künftige Nutzung des Truppen- Solche phytosanitären Probleme sind darin enthalten. übungsplatzes Wittstock bekannt und, wenn ja, welche Aus- Es kann neben diesem Pilzbefall auch noch zu anderen wirkungen hat diese Kenntnis auf die im Koalitionsvertrag der Erkrankungen des Getreides kommen, die für die mensch- Regierungsparteien vereinbarte kurzfristige Überprüfung der mi- liche Gesundheit problematischer sind. Wir haben von litärischen Planung am Standort Kyritz-Ruppiner Heide durch die Bundesregierung? deutscher Seite aus die EU-Kommission schon mehrfach darauf hingewiesen, dass wir diese Mykotoxine, die ein erhebliches Gesundheitsgefährdungspotenzial haben, von- Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- seiten der EU mit stärkerem Gewicht beachtet sehen wol- nister der Verteidigung: len. Langsam, aber sicher bewegt sich der Koloss. Danke, Herr Präsident. Lieber Herr Kollege Kuhn, die von Ihnen in Ihrer Frage Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: erwähnten Bedenken der betroffenen Gemeinden gegen Zusatzfrage, Kollege Goldmann. das aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungs- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1399

Parl. Staatssekretär Walter Kolbow (A) gerichts vom 14. Dezember 2000 durchgeführte Anhö- Werner Kuhn (Zingst) (CDU/CSU): (C) rungsverfahren zur geplanten militärischen Nutzung des Jawohl. – Herr Staatssekretär, Ihnen ist bekannt, dass Truppenübungsplatzes Wittstock sind der Bundesregie- der Ausschuss für Angelegenheiten der Neuen Länder im rung bekannt. Die Gemeinden haben im Rahmen des Einvernehmen mit dem Verteidigungsausschuss eine öf- durchgeführten Anhörungsverfahrens Bedenken gegen fentliche Sitzung in Form einer Anhörung zu dem Thema dieses Verfahren als solches und wegen entgegenstehen- wirtschaftliche Auswirkungen nicht nur auf die Region der gemeindlicher Planungen erhoben. Kyritz-Ruppiner Heide, sondern auch auf die Region der Die Verfahrensbedenken werden nach Rechtsauffas- Mecklenburgischen Seenplatte durchgeführt hat. Inwie- sung der Bundesregierung nicht geteilt und üben somit weit hat Ihr Ministerium die Ergebnisse dieses An- keinen Einfluss auf die in der Koalitionsvereinbarunghörungsverfahrens mit in das laufende Verfahren einbe- vereinbarte Überprüfung der militärischen Planungen für zogen? den Truppenübungsplatz Wittstock aus. Die wegen widerstreitender kommunaler Planungen Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- erhobenen Einwände der betroffenen Gemeinden werden nister der Verteidigung: sowohl bei der im Koalitionsvertrag vereinbarten Über- Wir haben Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender prüfung als auch im Entscheidungsprozess des An- des Ausschusses für Angelegenheiten der Neuen Län- hörungsverfahrens umfassend geprüft, um durch eine aus- der zu dem besagten Anhörungsverfahren bereits im gewogene Würdigung aller Interessen eine abschließende Entscheidung der Bundesregierung sorgfältig vorzube- April 2002 einen ausführlichen Sachstandsbericht zu- reiten. gesandt und haben zu dem hieraus resultierenden Wirt- schaftsfaktor im Zusammenhang mit der militärischen Nutzung Auskünfte gegeben. Diese Ausführungen mit Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: den entsprechenden Inhalten zur wirtschaftlichen Ent- Zusatzfrage, Kollege Kuhn. wicklung der Kyritz-Ruppiner Heide und der Mecklen- burgischen Seenplatte sind natürlich entsprechend beur- teilt worden. Werner Kuhn (Zingst) (CDU/CSU): Wir haben feststellen können, dass die Region durch Herr Staatssekretär, auf welcher rechtlichen Grundlage die militärische Nutzung, die wir auch heute hier in der basiert das Anhörungsverfahren und wie erklärt sich die Fragestunde miteinander erörtern, nicht benachteiligt Bundesregierung, dass in diesem Verfahren ein erheb- worden ist und dass sie dadurch auch nicht gelitten hat. licher Unmut der Belegenheitsgemeinden wegen derAuch die Übernachtungszahlen sind nicht zurückgegan- (B) nicht entsprechend ausgefertigten Anhörungsunterlagen gen. Vielmehr können wir davon sprechen, dass die mi- (D) entstanden ist und dass hier vonseiten der nordbranden- litärische und auch wirtschaftliche sowie insbesondere burgischen Städte und Gemeinden sowie des Landkreises fremdenverkehrsmäßige und der Förderung der Gesund- erhebliche Kritik gekommen ist? heit vieler Menschen dienende Nutzung dieser Regionen, dieser attraktiven Landschaft miteinander vereinbar ist. Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- nister der Verteidigung: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die Rechtsgrundlage bilden die bisherigen rechtlichen Nun kommen wir zur Frage 26 des Kollegen Kuhn: Abläufe und die Verpflichtung durch das Gericht, das An- Wie schätzt die Bundesregierung den durch eine ihren ur- hörungsverfahren durchzuführen. Die auch anwaltschaft- sprünglichen Vorstellungen entsprechende militärische Nutzung lich vorgebrachten Bedenken, dass das diesbezügliche des Truppenübungsplatzes Wittstock entstehenden (tourismus-) Anhörungsverfahren unter schwerwiegenden Verfahrens- wirtschaftlichen Nachteil für die betroffenen Regionen Mecklen- mängeln leide, werden von uns nicht geteilt. Die Rechts- burg-Vorpommerns und Brandenburgs ein und wie hoch beziffert einschätzung des Bundesministers der Verteidigung ist sie demgegenüber die sich aus dieser Nutzung ihrer Ansicht nach ergebenden wirtschaftlichen Vorteile für die gesamte Region? eine andere. Deswegen wurde auch dem rechtsanwalt- schaftlich vorgebrachten Antrag nicht entsprochen. Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- Wir wissen um die Kontroverse, die es darum seit län- nister der Verteidigung: gerem gibt. Sie haben mir heute entsprechende Unter- schriften überreicht. Herr Kollege, im Einklang mit der Auffassung des brandenburgischen Ministeriums für Wirtschaft, das sich (Werner Kuhn [Zingst] [CDU/CSU]: Korrekt!) aufgrund der strukturschwachen Region um Wittstock mit Auf der Grundlage des Ergebnisses der Anhörung wer- Nachdruck für die vom Bundesministerium der Verteidi- den wir – wie bereits dargetan – eine Verwaltungsent-gung vorgestellten Pläne ausgesprochen hat und zudem scheidung zu Art und Umfang der beabsichtigten militä- dort in den kommenden Jahren keine vergleichbaren rischen Nutzung nicht nur vorbereiten, sondern auchstrukturverbessernden Projekte erwartet, sieht die Bun- treffen. desregierung auch im Zusammenhang mit dem, was ich gerade gesagt habe, durch die beabsichtigte militärische Nutzung keine Nachteile für den Tourismus oder andere Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wirtschaftszweige im regionalen Bereich des Truppen- Weitere Zusatzfrage? übungsplatzes. 1400 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Parl. Staatssekretär Walter Kolbow (A) Dem Bundesministerium der Verteidigung ist keine wie wir alle miteinander wissen, nicht einfachen Gemen- (C) Region bekannt, in der Tourismus oder andere Wirt-gelage. Wir haben hier nach bestem Wissen und Gewissen schaftszweige aufgrund von militärischen Tiefflügenauf der Basis von rechtlichen Festlegungen gehandelt. Ich nachweislich Schaden genommen haben. Persönlich kann kann Ihnen versichern, dass wir unverzüglich zu einer ich das angesichts meiner Erfahrungen unterstreichen, die Verwaltungsentscheidung kommen wollen. ich in vorangegangenen Legislaturperioden gewonnen habe, als ich Vorsitzender eines Unterausschusses des (Zingst) (CDU/CSU): Verteidigungsausschusses war, der sich insbesondere mit Werner Kuhn den Auswirkungen von Tieffluglärm in bestimmten Re- Darauf zielt meine Nachfrage, Herr Staatssekretär: gionen unseres Landes beschäftigt hat. Welche Vorstellungen haben Sie über den zeitlichen Ab- lauf des Planfeststellungsverfahrens für den Luft-Boden- Eine vergleichende Betrachtung von Flugbetriebszah- Schießplatz? len der Luftwaffe und Tourismuszahlen des Statistischen Bundesamtes lässt keine direkte Abhängigkeit der Ent- wicklung von Übernachtungszahlen vom Umfang der Tief- Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- flugbelastung erkennen. So ist zum Beispiel im Landkreis nister der Verteidigung: Ostprignitz-Ruppin in Brandenburg die Zahl der Gästeüber- nachtungen gestiegen, während auf dem Truppenübungs- Ich sagte unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes platz Wittstock militärischer Flugbetrieb durchgeführtVerzögern. Wir werden diese Entscheidung nach den wurde. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass durch letztlich noch vorzunehmenden Abwägungsentscheidun- die ausreichenden Entfernungen zu den touristischen Zen- gen so schnell wie möglich treffen. Ich denke, wir werden tren der Region militärische Nutzung und Tourismus in im ersten Halbjahr zu einem Ergebnis kommen können. Einklang gebracht werden können. Bei den durch die Realisierung der militärischen Nut- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: zung zu erwartenden wirtschaftlichen Vorteilen für die Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Region geht die Bundesregierung von den nachfolgenden Zahlen aus: Investitionen von circa 62 Millionen Euro für Wir sind damit am Ende der Fragestunde, da die Fra- notwendige Infrastrukturmaßnahmen, ein Sanierungsvo- gen 27, 28 und 29 schriftlich beantwortet werden sollen. lumen von circa 51 Millionen Euro bei der Altlastenbe- seitigung, ein Kostenvolumen von circa 128 Millionen Ich rufe Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf: Euro für die Munitionsräumung, Beschäftigung von Aktuelle Stunde durchschnittlich 400 Arbeitskräften für einen Zeitraum Haltung der Bundesregierung zu ihren ver- (B) (D) von zehn bis 15 Jahren im Rahmen von Munitionsräu- schlechterten Prognosen für das Wirtschafts- mung und Altlastenbeseitigung, des Weiteren eine dauer- wachstum in Deutschland im Jahr 2003 und der hafte Anstellung von circa 150 Zivilbeschäftigten bei der daraus geforderten Erhöhung der Neuver- Bundeswehr und schließlich ein Zuwachs an jährlicher schuldung für den Bundeshaushalt Wirtschaftskraft von circa 10 Millionen Euro durch den Betrieb von Truppenübungsplatz und Garnison. Diese Aktuelle Stunde hat die FDP beantragt. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat das Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wort für den Antragsteller der Kollege Rainer Brüderle von der FDP-Fraktion. Eine Zusatzfrage des Kollegen Kuhn.

Rainer Brüderle (FDP): Werner Kuhn (Zingst) (CDU/CSU): Meine Damen und Herren! Ende des letzten und An- Herr Staatssekretär, Sie haben die wirtschaftliche Ent- fang dieses Jahres haben wir eine Diskussion der grün-ro- wicklung der Region trotz der militärischen Belastungen ten Bundesregierung über Steuerfragen und Steuererhö- gerade in ein sehr positives Licht gestellt. Sind Sie mit mir hungen erlebt. Der Bundeskanzler hat dafür den Begriff dennoch der Auffassung, dass die Planungsunsicherheit der Kakophonie gewählt. Ich nenne das Kakophonie und das schwebende Verfahren zur Indienststellung des Teil 1. Luft-Boden-Schießplatzes in Wittstock – davon wären die Mecklenburgische Seenplatte und Kyritz-Ruppiner Heide Seit der letzten Woche erleben wir Kakophonie Teil 2. betroffen – dort eine Auswirkung auf zukünftige Investi- Der Stimmenwirrwarr, der bei den Wachstumsprognosen tionen im Bereich Tourismus haben werden und die Re- vernehmbar ist, schreit geradezu nach einem weiteren gion in eine Benachteiligung gerät, da sich in Zeiten einer Machtwort des Bundeskanzlers. Zuerst erklärt Herr Rezession potenzielle Kapitalanleger natürlich andere Eichel, die Wachstumsprognose werde reduziert. Das de- Standorte aussuchen werden? mentiert Herr Clement dann – aus welchen Gründen auch immer. Danach rudert Herr Eichel zurück. Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- (Jürgen Koppelin [FDP]: Darin hat er Übung!) nister der Verteidigung: Kurze Zeit später deutet Herr Clement schließlich an, dass Herr Kollege Kuhn, alle Beteiligten haben natürlich es in Deutschland doch nur ein Miniwachstum von etwa Anspruch auf eine sorgfältige Durchführung bei dieser, 1 Prozent geben wird. Ich weiß nicht, was beide Minister Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1401

Rainer Brüderle (A) geritten hat. Solche Machtspielchen zu betreiben hat mit wachstum wieder mehr Steuern einnehmen und mehr Be- (C) einer seriösen Wirtschafts- und Finanzpolitik überhaupt schäftigung erreichen können. Das ist die entscheidende nichts zu tun. Maßnahme, um voranzukommen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP) Offiziell hat sich immer noch kein Regierungsvertreter Herr Eichel hat sich vor kurzem auf Karl Schiller be- zu konkreten Wachstumszahlen geäußert. Die Zahlen der rufen. Ich darf daran erinnern, dass Karl Schiller ein So- Wirtschaftsforschungsinstitute liegen vor. Sie sollen aber zialdemokrat war. Manche wissen es vielleicht nicht lieber mundtot gemacht werden. Man droht mit dem Ent- mehr. Man hat die Störung des gesamtwirtschaftlichen zug der staatlichen Zuschüsse, weil Ihnen die Prognosen Gleichgewichts ausgerufen. Ich hoffe, das war nicht nur der Wirtschaftsforschungsinstitute nicht passen. Das ist ein billiger Trick, um einen verfassungswidrigen Haushalt eine Realitätsverweigerung. zu vermeiden. (Dirk Niebel [FDP]: So ist es!) Grün-Rot hat also festgestellt, dass wir uns in einer Die Fachleute sagen, dass wir das dritte Jahr hinterei- keynesianischen Situation mit Unterbeschäftigung und nander erleben werden, in dem das Wachstum unter der faktischem Nullwachstum befinden. Für eine solche Marke von 1 Prozent liegen wird. Die Wirtschaft stagniert, keynesianische Situation hat Karl Schiller damals den die Haushaltslöcher werden tiefer und die Arbeitslosigkeit Art. 115 des Grundgesetzes und das Stabilitäts- und wird größer. In dieser Situation reagiert Grün-Rot mit ei- Wachstumsgesetz gestaltet. Sie machen aber nicht einmal ner Hinhaltetaktik. Sie fangen das neue Parlamentsjahr so Keynes oder Karl Schiller. Schauen Sie doch einmal ins an, wie Sie das alte Jahr beendet haben. Stabilitäts- und Wachstumsgesetz hinein! Karl Schiller wusste noch, dass bei der Störung eines gesamtwirt- (Friedrich Merz [CDU/CSU]: So ist es!) schaftlichen Gleichgewichts Steuersenkungen angezeigt Sie verschweigen der Öffentlichkeit wichtige Informatio- sind. Aufgrund des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes nen. können Sie ohne eine Gesetzesänderung unverzüglich steuerliche Entlastungen vornehmen, um die Wirtschaft in (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Gang zu bringen, anstatt Steuern zu erhöhen und dies Peter Dreßen [SPD]: Wo leben Sie denn?) dreisterweise noch als Abbau von Steuerprivilegien zu Stattdessen veranstalten Sie Kakophonie Teil 3. Jetzt kostümieren. Faktisch sind das, was Sie machen, Steuer- geht es um die Neuverschuldung. Herr Eichel will keine erhöhungen. neuen Schulden, während es für Herrn Clement durchaus (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) etwas mehr sein kann. Herr Schröder will keine neuen (B) Schulden, Herr Müntefering ist dafür. Frau Scheel tritt für Wahrscheinlich ist das Nettogehalt eines Facharbeiters (D) keine neuen Schulden ein. Frau Sager ist in dieser Frage in Ihrer Denke schon ein Steuerprivileg. sehr offen. Trotzdem soll das Maastricht-Kriterium ein- (Heiterkeit bei der CDU/CSU) gehalten werden. Wahrscheinlich arbeiten Sie insgeheim längst an der Mehrwertsteuererhöhung. Ökonomisch gesehen entziehen Sie mit Ihren Maßnah- men unseren Bürgern und Unternehmen in einer Situa- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten tion, in der wir an einer Nachfrageschwäche im Konsum- der CDU/CSU – Lachen des Bundesministers und im Investitionssektor leiden, 17 Milliarden Euro im der Finanzen Hans Eichel – Dirk Niebel [FDP]: Jahr. Der gesamte wirtschaftswissenschaftliche Sachver- Das Lachen sollte man filmen!) stand bescheinigt Ihnen, dass das, was Sie machen, völlig Der Vorsitzende Ihrer größten Koalitionsfraktion, der falsch ist. Sie beschimpfen die Sachverständigen, weil sie DGB-Chef Sommer, hat die Katze aus dem Sack gelas- nicht Ihrer Meinung sind. Sie bedrohen sie mit Entzug der sen: Er fordert eine Mehrwertsteuererhöhung von 2 Pro- Zuschüsse, weil Ihnen deren Meinung nicht passt. zent. Die Pläne liegen wohl in der Schublade. Vor der Jetzt kommt die niedersächsische Wunderwaffe, Herr Landtagswahl wird sie natürlich verschlossen gehalten. Gabriel. Herr Gabriel hat noch vor kurzem die Wieder- Welche Begründung auch immer gewählt wird, die Wahr- einführung der Vermögensteuer gefordert, obwohl diese scheinlichkeit, dass Sie damit kommen werden, ist groß. durch Erhöhung der Grunderwerbsteuer von 2 auf Wenn im Irak das Schlimmste passiert, wird sie am3,5 Prozent voll kompensiert wurde. Zusätzlich fordert er Schluss noch als Kriegsteuer deklariert. die Erhöhung der Erbschaftsteuer. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Wir haben hier einen Teufelskreis: immer höhere Ar- Plötzlich sind die Umfrageergebnisse in Niedersachsen beitslosigkeit, steigende Steuern, steigende Sozialabga- schlecht. Daher fordert Herr Gabriel jetzt Steuersenkun- ben und gleichzeitig steigende Staatsschulden. Wir brau- gen, nämlich die nächste Stufe der Steuerreform vorzu- chen eine wachstumsfördernde Politik. Das Land leidet an ziehen, weil er spürt, dass die Wahl für ihn sonst sehr zu wenig Wachstum. schlecht ausgehen wird. Damit ist Kakophonie Teil 4 he- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten raufbeschworen. der CDU/CSU) Nun hat er etwas Neues entdeckt: Die Flutkosten sind Die Massenarbeitslosigkeit kostet jedes Jahr über 70 Mil- niedriger ausgefallen als veranschlagt. Es sind 2,5 bis liarden Euro. Wir werden nur mit mehr Wirtschafts-3,5 Milliarden Euro übrig, die man dafür nicht braucht, 1402 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Rainer Brüderle (A) obwohl diese Summe ursprünglich geschätzt wurde. Wes- Die Bundesregierung wird sich am 29. Januar in ihrem(C) halb geben Sie denn den Bürgern ihr Geld nicht zurück? Jahreswirtschaftsbericht dazu äußern. Wenn schon Be- Wenn Sie Herrn Gabriels Vorschlag aufgreifen, bedeutet griffe wie Seriosität hier genannt werden, dann muss es das eine Entlastung der Lohn- und Einkommensteuer von doch möglich sein, auf Prozesse und deren Ergebnisse 5 Prozent. Das können Sie mit dem Stabilitäts- undhinzuweisen, die dann seriös beurteilt werden müssen. Wachstumsgesetz sofort machen, damit das Vertrauen in Das ist derzeit jedenfalls nicht möglich. die Wirtschaft wächst und die Leute die Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes verlieren. Zweitens. Sie haben die Hoffnung gehabt, hier werde eine Verschuldungsdiskussion erster Güte entbrennen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Nachdem gestern der Kanzler – Sie haben auf das Kanz- der CDU/CSU) lerwort gewartet, ich übrigens auch – und auch der Fi- nanzminister ihr Wort gesprochen haben, ist die Grund- lage für die Debatte eigentlich entfallen. Sie hätten sagen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: müssen: Warten wir bis zum 29. Januar und diskutieren Herr Kollege Brüderle, kommen Sie bitte zum Schluss. dann seriös weiter. Das wollen Sie nicht. Aber Ihre Rede wird die Welt nicht verändern. Rainer Brüderle (FDP): (Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Sie wollen Mein letzter Satz, Herr Präsident. über die Wahlen kommen!) Diese Maßnahme bringt die Möglichkeit, zu konsu- Ich habe nicht die Absicht, mich an diesen Grau-in- mieren und zu investieren. Grau-Diskussionen zu beteiligen. Dies gilt auch für den Wettlauf um Prognosen, die immer mehr nach unten zei- Sie müssen endlich handeln. Wenn Sie uns nicht glau- gen müssen. Wir werden die Diskussion über Prognosen, ben, dann glauben Sie vielleicht Karl Schiller. Er war gar die Wahrscheinlichkeitsrechnungen sind und in weltwirt- kein so schlechter Wirtschaftsminister. schaftlich unsicheren Situationen wie jetzt besonders (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten schwierig aufzustellen sind, in aller Ruhe führen. der CDU/CSU) Wir werden uns damit aber nicht aufhalten. Entschei- dend ist, dass in der Bundesrepublik Deutschland mehr Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wachstum – ich meine mehr Wachstum als zurzeit und als wir auch im Jahr 2003 erreichen werden – stattfindet. Es Das Wort hat jetzt Herr Bundesminister Wolfgangmuss ein beschäftigungswirksames Wachstum sein, was Clement. gleichzeitig zu einer Verbesserung der Situation am Ar- (B) beitsmarkt führt. Das ist das Ziel der Bundesregierung. (D) Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft Das tun wir, indem wir mit unserer Politik das Wachs- und Arbeit: tum zu fördern versuchen. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: ren! Herr Kollege Brüderle, Ihrem letzten Satz stimme ich Steuererhöhungen!) zu und will ihn sogar noch unterstreichen: Karl Schiller war nicht nur kein schlechter, sondern ein hervorragender So und nicht anders bringt man auch den Haushalt in Ord- Wirtschaftsminister. Alles andere, was Sie gesagt haben, nung. Es gilt im Grunde genommen das, was der frühere ist allerdings in Zweifel zu ziehen. amerikanische Präsident Clinton bewiesen hat, nämlich dass Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit langfristig (Ludwig Stiegler [SPD]: Sehr milde!) nur über ein stärkeres Wirtschaftswachstum abgebaut wer- – Das ist milde formuliert, ja. den können. Ohne ein solches stärkeres Wirtschaftswachs- tum – dieses Wachstum muss Beschäftigungswirksamkeit Wenn Sie Begriffe wie Seriosität, Kakophonie – dieser früher entwickeln, als das bisher in Deutschland der Fall Begriff scheint Ihnen besonders auf der Zunge zu liegen – ist – werden alle Einsparbemühungen auf die Dauer nicht (Rainer Brüderle [FDP]: Den Begriff hat der ausreichen oder sogar kontraproduktiv wirken. Kanzler geprägt!) Deshalb ist es das wichtigste Ziel sowohl der Wirt- oder Kostümierung verwenden – ein Begriff, der Ihnen als schafts- als auch der Finanzpolitik, die Wirtschaft wieder Rheinland-Pfälzer natürlich nahe liegt –, dann frage ich mittelfristig auf einen stärkeren Wachstumspfad zu brin- Sie: Wie soll ich den Debattenbeitrag einer Fraktion be- gen. Dazu bedarf es auch des Abbaus des strukturellen zeichnen, der sich auf Fakten bezieht, die es noch gar nicht Staatsdefizits. In diesem Prozess befinden wir uns zurzeit. gibt? Was Sie hier aufführen, ist wirklich eine virtuelle In diesem Prozess setzen wir auf die Kraft der deutschen Veranstaltung. An dieser Veranstaltung mit der dazu pas- Volkswirtschaft. Sie zeigt diese Kraft in den Exporterfol- senden Kostümierung beteilige ich mich gerne. Aber es gen, die die deutsche Volkswirtschaft unverändert auf- muss klar sein, dass dies eine virtuelle Veranstaltung ist. weist, im Prozess der Europäischen Währungsunion, in den wir mehr einbringen als jede andere Volkswirtschaft, Sie haben mit zwei Dingen gerechnet. Erstens. Sie be- und im Aufbau Ost, bei dem wir in Deutschland eine ge- ziehen sich auf verschlechterte Prognosen der Bundesre- meinsame Leistung erbringen, die anderen Volkswirt- gierung. Diese gibt es nicht bzw. noch nicht. schaften nicht abverlangt wird. Das ist die Kraft, die die (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP) deutsche Volkswirtschaft hat. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1403

Bundesminister Wolfgang Clement (A) Dennoch heißt dies unter veränderten weltwirtschaftli- nauso wie für die Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik (C) chen Bedingungen – mit neuen und verstärkten Unsicher- von ausschlaggebender Bedeutung. heiten angesichts eines drohenden Irakkonflikts –, dass Lassen Sie mich eines hinzufügen: Die Prognosen wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Kräften die Re- – Sie können sie allerorten nachlesen – werden sicherlich formen bzw. die Veränderung der Strukturen angehen Aussagen enthalten, dass den Erwartungen der Wissen- müssen. Das ist die Politik, die wir vollziehen. Das tun wir schaft zufolge die Zahl der Arbeitslosen im nächsten Jahr unter dem Stichwort „Hartz-Konzept umsetzen“, was von über 4 Millionen liegen wird. Ich möchte mich mit diesen anderen – zu Recht – sehr viel stärker anerkannt wird als Erwartungen der Sachverständigen nicht abfinden. von Ihnen, Herr Kollege Brüderle. Deshalb starten wir – das ist heute geschehen – die Initiative „Pro Mittel- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten stand“. Ich freue mich sehr, dass wir ein Programm auf des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) den Weg bringen, mit dem wir Unternehmensgründungen Vielmehr möchte ich das mobilisieren, was möglich ist, in Deutschland fördern und die mittelständische Wirt- auch im Sinne dessen, was Herr Hartz zu Recht gesagt schaft insgesamt stärken können. hat: dass wir unter dem Begriff „Profis der Nation“ – oder (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten unter welchem Begriff auch immer – diejenigen, die in des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deutschland Mitverantwortung tragen oder sich mitver- antwortlich fühlen, zur Mitwirkung bewegen, um eine Dazu können wir auch dadurch beitragen, dass wir bei- ausreichende Zahl von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen spielsweise mit dem Aufbau einer öffentlich-rechtlichen zu mobilisieren. Darum geht es, wenn wir über Politik Mittelstandsbank die Hausbanken in die Lage versetzen sprechen. Wenn wir die Sachverständigen für uns arbeiten und sie dabei unterstützen, gegenüber den kleinen und ließen und deren Aussagen für Fakten nähmen, könnten mittleren Unternehmen bei der Kreditgewährung zur Bil- wir uns schließlich abmelden. Das kann ich nicht emp- dung von Eigenkapital offener zu sein, als dies zurzeit der fehlen. Vielmehr setzen wir die Fakten; jedenfalls können Fall ist. wir die Fakten beeinflussen. (Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Da werden (Marita Sehn [FDP]: Warum machen Sie das doch nur Türschilder ausgetauscht!) nicht? – Gegenruf des Abg. Ludwig Stiegler Bei aller Bereitschaft, über die Situation und das, was [SPD]: Die können nur motzen!) die Politik tun muss, zu diskutieren, müssen wir uns da- – Wir werden dies tun. Sie sind herzlich dazu eingeladen, rüber klar sein – das werde ich immer wiederholen –, dass Frau Kollegin. Sie können gerne mitgehen, wenn wir uns auch andere Bereiche in der Bundesrepublik Deutschland, vor Ort über die Jobcenter um Ausbildungsplätze nicht zuletzt der Bankensektor, reformbedürftig sind. bemühen. Sie sind jederzeit dazu eingeladen. (B) (D) (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Franziska Was mir vorschwebt – Sie mögen das für blauäugig Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- halten –, ist, dass wir zur Bekämpfung der Arbeitslosig- NEN]) keit in Deutschland eine ähnliche soziale Bewegung ha- ben werden, wie es sie im Umweltsektor bereits gibt. Wenn wir über ein erhebliches Handicap sprechen, mit dem die kleinen und mittleren Unternehmen in Deutsch- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten land zurzeit zu kämpfen haben, gehört das sicherlich dazu. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich habe auch schon an anderer Stelle öffentlich erklärt: Sie haben uns die Schulden vorgehalten. Herr Kollege Wenn ich frühmorgens – meistens ist es morgens – imEichel wird gleich zum Schuldenstand Stellung nehmen: Fernsehen Herrn Walter von der Deutschen Bank höre, der zu den 620 Milliarden Euro, die wir von Ihnen übernom- der Politik Ratschläge gibt, frage ich mich, warum er nicht men haben – daran waren Sie als FDP ja auch beteiligt; dem Vorstand seines Unternehmens und den Vorständen das nur zur Erinnerung –, und den 50 Milliarden, die wir der anderen Banken die richtigen Ratschläge erteilt hat. Da in den letzten vier Jahren zu verantworten hatten. Wir sind wäre es auch am Platze, gelegentlich Rat zu geben. auf einem Pfad, auf dem wir einen Vergleich mit Ihnen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten und Ihrer Arbeit nicht scheuen müssen. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Wir müssen erreichen, dass alle in Deutschland bei DIE GRÜNEN) dem mitwirken, was vor uns liegt. Es handelt es sich um Darin können sich unsere Diskussionen und Bemühun- einen umfassenden Modernisierungsprozess, an dem sich gen aber nicht erschöpfen. Wir brauchen eine soziale Be- alle beteiligen müssen. Auch in der Wirtschaft bzw. in den wegung, die das Thema Arbeitslosigkeit endlich so auf- Unternehmen gibt es einen erheblichen Erneuerungs- und greift, wie es aufgenommen werden muss. Wenn wir mit Modernisierungsbedarf. dem, was wir tagtäglich sagen, Recht haben, und dies Wir wollen und müssen unsere Spitzenposition halten. tatsächlich das wichtigste Thema ist – die Bürgerinnen Die deutsche Volkswirtschaft befindet sich – unbestreit- und Bürger sagen dies auch –, dann werden wir mit die- bar jedenfalls von allen, die sie von außen und nicht in- sem Thema offensichtlich anders umgehen müssen, als wir in den letzten 15 Jahren mit ihm umgegangen sind. nerhalb der parteipolitischen Auseinandersetzung be- Das ist die Kernantwort. trachten – in einer Spitzenposition. Es kommt darauf an, diese Spitzenposition zu stärken und zu stabilisieren. Das (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ist für das Wachstum wichtig und für die Finanzpolitik ge- DIE GRÜNEN) 1404 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Bundesminister Wolfgang Clement (A) Wir werden Bewegung ins Land bringen müssen. Dazu (Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Ich dachte, (C) haben wir die ersten Hartz-Gesetze auf den Weg gebracht. der Lafontaine hätte Hausverbot!) Diese Veränderungen sind aber erst der Beginn eines Pro- – Ich weiß auch nicht. – Etwas weiter vorne heißt es in zesses. Wir werden in Gang setzen, was zur Förderung des dem Papier: Mittelstandes benötigt wird. Wir brauchen in Deutschland eine neue Unternehmensstruktur. Es ist die Aufgabe, Vertrauen zu schaffen. Es muss der Bundesregierung gelingen, dass die Menschen (Zuruf der Abg. Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]) Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Politik – Frau Kollegin Wöhrl, das ist so; das wissen Sie auch. zurückgewinnen. Die Unternehmensstruktur in Deutschland ist, was Unter- Das enthält die Feststellung, dass die Bürger und Betriebe nehmensgründungen und Selbstständigenquote angeht, zurzeit kein Vertrauen haben. Angesichts dessen reicht es im Vergleich mit fast allen anderen europäischen Volks- auch nicht aus, wenn der Wirtschafts- und Arbeitsminister wirtschaften langweilig. Diese Situation müssen und wol- den Gute-Laune-Bär macht, zumal dies in einem gewis- len wir ändern; dazu haben wir Initiativen auf den Weg ge- sen Kontrast zu seinem Gesichtsausdruck steht, wenn er bracht. Weitere werden folgen. hier vorne redet. Dann freue ich mich auf die Diskussion über die Fak- (Heiterkeit bei der CDU/CSU) ten, Herr Kollege Brüderle. Wir brauchen uns nicht im Kostüm – diese Zeit kommt erst noch – und nicht virtuell Es ist die Frage, ob die konkreten Maßnahmen, die in zu zeigen. „Fakten, Fakten, Fakten“, schreibt ein Maga- Deutschland von der Regierung getroffen worden sind zin, von dem ich hoffe, dass es sich öfter daran haltenund getroffen werden, dazu beitragen, wieder wirtschaft- wird. liches Vertrauen zu schaffen und Investitionen zu gene- rieren. Es gibt – Sie haben es angesprochen – eine hohe – Schönen Dank. Sparquote. Es ist Geld vorhanden, auch für den Konsum. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Auch die Firmen sind durchaus in der Lage, zu investie- DIE GRÜNEN – Klaus-Peter Willsch [CDU/ ren. Aber sie tun es nicht, weil sie nicht wissen, welche CSU]: Ich dachte, jetzt käme noch etwas!) Keule am nächsten Tag von der Regierung geschwungen wird. Herr Clement, Sie sind auch ein Keulenschwinger;

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Das Wort hat jetzt der Kollege Dietrich Austermann von der CDU/CSU-Fraktion. denn bisher haben Sie sich in vielen Dingen versucht, aber (B) Sie haben nicht dazu beigetragen, weitere Steuererhöhun- (D) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) gen zu verhindern. In dem Papier aus dem Kanzleramt heißt es: Dietrich Austermann (CDU/CSU): Dabei lautet die gewaltige Herausforderung, gleich- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das neue zeitig Abgaben- und Steuersenkungen mit Haus- Jahr fängt an, wie das alte aufgehört hat: Chaos auf der haltskonsolidierung und mehr Investitionen in Zu- Regierungsbank, Durcheinanderreden, Geschwätz und kunftsbereiche zu verbinden. Maßnahmen, die die Wirtschaftskraft des Landes beein- trächtigen und ihr nicht nützen. Der Wirtschaftsminister Warum machen Sie dann das Gegenteil? Warum erhöhen redet wie jemand, der weiß, wie es geht. Aber er tut das Sie pausenlos die Steuern und Abgaben? Warum belasten Gegenteil dessen, was zu tun ist. Sie die Menschen immer mehr? Ich nehme ein ganz konkretes Beispiel. Es wird ein Der Bundesfinanzminister freut sich nun über ein an- Programm zur Förderung des Mittelstandes angekündigt, geblich gutes Ergebnis im letzten Jahr. Er hat seine Pro- das ein Volumen von etwa 50 Millionen Euro hat. Dem- gnose von vor vier Wochen korrigiert. Herr Eichel ist für gegenüber wird die Wirtschaft, werden Bürger und Be- die höchste Verschuldung der letzten vier Jahre verant- triebe in den nächsten vier Jahren mit zusätzlichen Belas- wortlich. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass in den tungen in Höhe von etwa 100 Milliarden Euro überzogen. letzten vier Jahren unter Ihrer Regierung 70 Milliarden Ein großer Teil der Belastungen besteht aus Steuererhö- Euro mehr an Steuern eingenommen worden sind, dann hungen, die Sie vorgesehen haben. ist, glaube ich, klar, wo das eigentliche Problem liegt. Ein Papier, das im Kanzleramt erarbeitet wurde, endet Die Arbeitslosenzahlen steigen. Was sagt Herr mit folgenden Worten: Clement? – Er behauptet, die Arbeitslosenzahlen sinken. Der Gute-Laune-Bär hat gesprochen. Herr Clement, Sie Die Bundesregierung wird mit ihrer makroökono- haben außerdem gesagt, dass Sie an der Prognose von misch konsistenten Wirtschaftspolitik die Wachs- 1,5 Prozent Wachstum in diesem Jahr festhalten wollten. tumskräfte wieder entfesseln und knüpft dabei an Der Gute-Laune-Bär hat gesprochen. Die Realität sieht ihre erfolgreiche Politik der Zeit nach Lafontaine an, ganz anders aus. Das Bundeskanzleramt hat den Entwurf des Jahreswirtschaftsberichts dem Ministerium zurückge- (Heiterkeit bei CDU/CSU und FDP) schickt, weil dort, glaube ich, ein Wirtschaftswachstum die durch exogene Schocks im Jahre 2001 und den von 0,6 Prozent in diesem Jahr unterstellt worden ist. Das harten Wahlkampf 2002 unterbrochen wurde. war also nicht die böse Opposition, sondern es waren die Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1405

Dietrich Austermann (A) Fachleute aus dem Ministerium. Die Grundsatzabteilung – Genau, hört, hört! – Er stellt des Weiteren fest: Es müs- (C) – man weiß im Moment nicht genau, wo sie sitzt; wahr- sen Sanktionen in den nationalen Stabilitätspakt einge- scheinlich auf der Straße – hat auf jeden Fall den besseren baut werden, wenn die Länder den Schuldenspielraum Blick für die Realität. überschreiten. Sachsen hat es mit seinem Budget ge- schafft, die Kriterien des nationalen Stabilitätspakts ein- Was bedeutet das für die Einnahmen des Staates und zuhalten und die 3-Prozent-Latte nicht zu reißen. Das die Entwicklung der Arbeitslosenzahl? Der Bundeskanz- müssen auch andere Länder schaffen. ler hat gestern gesagt – da hat wieder der Gute-Laune-Bär gesprochen –: Ein um 1 Prozentpunkt geringeres Wirt- (Beifall bei der CDU/CSU – Klaus-Peter schaftswachstum bedeutet Einnahmeeinbußen von 1 Mil- Willsch [CDU/CSU]: Zum Beispiel Nieder- liarde Euro. So etwas hat in den letzten zehn Jahren noch sachsen!) nicht einmal jemand von der Koalition vertreten; denn das Wenn das so ist, dann haben Sie im Bundesrat eine be- ist so falsch wie nur irgendetwas. Wenn die Entwicklung sondere Verantwortung. Wir werden uns gerne ansehen, so weitergeht – Sie tun bislang nichts, um in die Entwick- wie Sie diese wahrnehmen werden. Sie wollen zum Bei- lung korrigierend einzugreifen –, werden Ihnen Einnah- spiel den vorgenommenen Abbau bestimmter Steuerver- men in zweistelliger Milliardenhöhe fehlen. Die 18,9 Mil- günstigungen zurücknehmen, weil Sie der Meinung sind, liarden Euro glauben Sie doch selber nicht. Hier findet dass dies eine zu große Belastung zum Beispiel für die nach dem ersten Wahlbetrug vor der Bundestagswahl ge- Dienstwagenbesitzer sei. Das ist im Prinzip der alte Gra- rade der zweite Wahlbetrug vor den Landtagswahlen in ben, in dem Sie sich immer tummeln. Die üblichen Ver- Niedersachsen und Hessen statt. dächtigen haben sich wieder zu Wort gemeldet. Herr (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sommer von der Gewerkschaft schlägt beispielsweise eine Mehrwertsteuererhöhung vor. Reformunwillen und Möglicherweise wird die Veröffentlichung des Jahres- Reformvermeidungsstrategien gibt es aufseiten der Ge- wirtschaftsberichts auch verschoben, weil die Wahrheit werkschaften genauso wie aufseiten der Wirtschaftslob- vor dem entscheidenden Termin, an dem die Bürger zur byverbände. Wahlurne gerufen werden, nicht passt. Ich sage Ihnen noch einmal: Wir werden es nicht zulassen, dass Sie stän- Ein Lobbyverband wie der andere will die Reform ver- dig falsche Prognosen abgeben und Maßnahmen treffen, hindern. die die Bürger belasten, ihnen die Investitionsfreude neh- (Manfred Grund [CDU/CSU]: Von welcher men und dazu beitragen, dass die Lage schlechter wird, Reform reden Sie?) aber gleichzeitig den Eindruck vermitteln, es laufe alles gut und man wolle so weitermachen. Nein, Sie müssen so Sie gehen diesen auf den Leim und nehmen Ihre nationale Verantwortung nicht wahr. Sie tönen so herum, weil Sie (B) bald als möglich eine Kurskorrektur vornehmen. Sonst (D) müssen wir Sie über den Bundesrat zur Vernunft bringen. denken, dass Sie hier Ihr Lehrbuchwissen anwenden kön- nen. Sie zitieren aber nur den halben Keynes. Sie machen Herzlichen Dank. Vorschläge zum antizyklischen Verhalten und haben of- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) fenbar vergessen, dass Sie, als Sie regiert haben, den ers- ten Halbsatz von Keynes nie eingehalten haben. Keynes hat gesagt: Man soll in guten Zeiten etwas zur Seite legen, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: damit man in schlechten Zeiten, in der Krise, antizyklisch Das Wort hat jetzt die Kollegin Antje Hermenau vom agieren und etwas hineinbuttern kann. Bündnis 90/Die Grünen. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!) Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich würde mich gern so verhalten. Das geht aber nicht, Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! weil über Jahrzehnte hinweg nicht antizyklisch, nicht ent- Beginnen wir doch mit dem Schaffen von Vertrauen bei sprechend Keynes agiert und etwas weggelegt worden ist, den Kollegen von der CDU/CSU. Sie haben geradewas man in Krisenzeiten einspeisen kann. Herrn Austermann sprechen lassen, der im Allgemeinen (Zuruf von der CDU/CSU: Wer hat den Haus- dafür bekannt ist, schwierige Dinge vorauszusagen. Das halt auf Kante genäht?) tut er nun schon seit vier Jahren. Im letzten Jahr hat er Das strukturelle Defizit, das wir haben, ist als Kollektiv- zufällig einmal Recht gehabt. Das hält er schon für einen leistung über Jahrzehnte aufgebaut worden und jetzt will Erfolg. keiner den Dreck wegräumen. So sieht es aus! (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Lassen wir einmal Herrn Ministerpräsidenten Milbradt sowie bei Abgeordneten der SPD) zu Wort kommen. Er, der lange Zeit Finanzprofessor und Gucken Sie sich einmal an, was zum Beispiel im Bereich Finanzminister in Sachsen gewesen ist und der nun seit ei- der Ausrüstungsinvestitionen gelaufen ist! Die Wirtschafts- niger Zeit Ministerpräsident in Sachsen ist, hat sich zur forschungsinstitute wollen versuchen, ihren Ruf, der rui- heutigen Debatte schriftlich geäußert, da er nicht hier sein niert ist, weil sie im letzten Jahr in allen Bereichen so gran- kann. Er stellt Folgendes fest: Die Länder sollen den dios daneben gelegen haben, wiederherzustellen. Auch die Sparkurs der Bundesregierung unterstützen. Ausrüstungsinvestitionen haben die Institute um ein Viel- (Zurufe von der SPD: Hört! Hört!) faches höher geschätzt, als sie tatsächlich eingetreten sind. 1406 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Antje Hermenau (A) Woran liegt das? Das liegt auch daran, dass Leute von Ih- das ist die Devise, mit der die rot-grüne Bundesregierung (C) nen versucht haben, die Hoffnung zu wecken, Rot-Grün nach der Wahl den Kurs der Volksverdummung in unse- werde abgewählt. Sie haben gesagt: Haltet euch mit den rem Land vor der Wahl fortgesetzt hat. Es hat noch keine Ausrüstungsinvestitionen zurück! Dafür müsst ihr jetzt Bundesregierung gegeben, in der ein amtierender Finanz- kein Geld ausgeben. Wenn wir wieder regieren, braucht minister vor der Wahl die Situation unseres Landes schön- ihr nicht mehr zu sparen und könnt wieder aus dem Vollen geredet hat – Zitate: Wir werden das Defizitkriterium ein- schöpfen. – Was wir dem Herrn Sommer nicht durchge- halten; wir werden die Neuverschuldung senken; wir hen lassen, nämlich die Strukturreformen zu verschieben, werden 2,5 Prozent Wachstum haben –, nach der Wahl lassen wir auch Ihnen nicht durchgehen, wenn Sie dieeinräumen musste, dass alles, was er vor der Wahl erklärt Wirtschaftsverbände bedienen wollen. Wir dürfen nicht hat, falsch war, und als amtierender Finanzminister als wieder in die alten Gräben zurückgehen. erste Amtshandlung einen Kassensturz vornehmen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) musste. Herr Minister Eichel, wozu haben Sie denn Ihre Tausende von Mitarbeitern im Finanzministerium, wenn Bei einer volkswirtschaftlichen Güterabwägung ist es die nicht rechnen können und Ihnen vorher angeblich doch offensichtlich, dass es vernünftig ist, eine verläss- komplett falsche Zahlen vorgelegt haben? liche Finanzpolitik fortzuführen, die man seit Jahren ver- folgt hat. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Zuruf von der CDU/CSU: Was war denn daran verlässlich, außer den Lügen?) Dieses Verfahren, das vor der Bundestagswahl Mittel der Politik von Rot-Grün war, wird Anfang dieses Jahres Wenn es aufgrund besonderer Umstände – zum struktu- nahtlos fortgesetzt. Es glaubt doch kein Mensch, dass bei rellen Problem ist noch ein konjunkturelles Problem ge- niedrigerem Wachstum und steigender Arbeitslosigkeit kommen – einmal einen Ausreißer gegeben hat, dann muss auf Rekordhöhe der Zuschuss der Bundesanstalt für Arbeit man das zur Kenntnis nehmen, darf aber nicht so tun, als von fast 6 Milliarden Euro auf null gesenkt werden kann. ob das ein Kurswechsel gewesen wäre. Wir werden ver- suchen, das weiter in den Griff zu bekommen. Sie müssen Bundeswirtschaftsminister Clement sagte vorgestern, sich entscheiden, ob Sie sich an dem Prozess beteiligen bei dieser Situation könne man ein bisschen höhere Neu- wollen. Der Bundesrat ist die erste Hürde. Sie können an- verschuldung in Kauf nehmen. Zeitgleich schloss auch dere Vorschläge machen. Wir hören uns die gern an. Wenn der Sprecher von Bundesfinanzminister Hans Eichel eine sie vernünftig sind, werden sie auch bestimmt aufgenom- höhere Neuverschuldung in diesem Jahr nicht mehr aus. men. Die Endsumme muss aber stimmen. Da ist Ihre Ver- Nachdem diese Aussage öffentlich verrissen wurde, er- antwortung mit gefragt. Wir werden sehen, was Sie außer klärten einen Tag später, gestern, 19 Tage vor den Land- (B) all den Androhungen und Ankündigungen auf den Tisch tagswahlen in Niedersachsen und Hessen, der Bundes-(D) legen. Das Vertrauen und die Stimmung im Lande kanzler und der Bundesfinanzminister, dass eine höhere Neuverschuldung in diesem Jahr auf keinen Fall stattfin- (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Da liegt den werde. Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb am selben das Problem!) Tag zu Recht – Zitat –: haben auch etwas mit Ihrem Verhalten als Opposition zu Nach aller Erfahrung darf man jetzt keine Äußerungen tun. Das müssen Sie sich anrechnen lassen, ob Ihnen das mehr wörtlich nehmen von wichtigen Politikern ... gefällt oder nicht. Wir werden Sie an Ihren Taten und nicht an Ihrem Geschwätz messen. Es ist doch völlig klar, dass das Wort von Bundeskanzler Schröder und Bundesfinanzminister Eichel vom gestrigen (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch Tag in wenigen Wochen schon keinen Pfifferling mehr unglaublich!) wert sein wird. Ein neues Täuschungsmanöver von Rot- Grün bahnt sich an. Zum Glück durchschauen die Wähler Danke schön. dieses Täuschungsmanöver; denn noch einmal werden sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sich von vollmundigen Versprechungen nicht hinter die und bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU – Fichte führen lassen. Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wir wollen (Peter Dreßen [SPD]: Warten Sie es mal ab! – Metzger wieder hören!) Lachen bei der CDU/CSU – Zurufe von der CDU/CSU: Bravo!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: – Danke. Das warten wir ab. Das Wort hat jetzt der Kollege Carl-Ludwig Thiele von (Zuruf von der CDU/CSU: Das dumme Volk, der FDP-Fraktion. ja!) Zeitgleich mit dieser Aktuellen Stunde des Deutschen (FDP): Carl-Ludwig Thiele Bundestages findet oben, im Sitzungssaal der SPD-Frak- Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten tion, eine öffentliche Anhörung des Finanzausschusses Kolleginnen und Kollegen! „Kaum versprochen – schon über das so genannte Steuervergünstigungsabbaugesetz gebrochen“, statt. Durch dieses Gesetz sollen die Bürger zusätzlich mit 17 000 Millionen Euro im Jahr belastet werden. (Beifall bei der FDP – Widerspruch bei der SPD) (Hans Eichel, Bundesminister: Was?) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1407

Carl-Ludwig Thiele (A) – Ich verweise auf das Entstehungsjahr, Herr Finanzmi- Zum einen wird von ihm erklärt: Wir brauchen die Ver- (C) nister. Ich habe die entsprechenden Unterlagen dabei.mögensteuer. Dann wird gesagt: Nein, wir brauchen sie Wenn Sie sie nicht kennen, dann gebe ich sie Ihnen gerne. doch nicht; mit einer niedrigen Zinsabgeltungsteuer be- kommen wir genauso viel Geld. Dann sagt Herr Gabriel: Was Sie vorhaben, ist ein Anschlag auf die Wirtschaft Die Verschiebung der Steuerreform zur Finanzierung der unseres Landes. Der einhellige Tenor der Äußerungen der Folgen der Flutkatastrophe muss zurückgenommen wer- Sachverständigen dort oben war die Aufforderung, dieses den. Jetzt erklärt er: Ab dem 1. Juli sollen die Bürger über Gesetz am besten sofort zurückzuziehen, damit es nicht das Einkommensteuerrecht entlastet werden. – Das ist noch weiteren Schaden in unserem Lande anrichtet; denn technisch überhaupt nicht machbar. Das ist grober Unfug. dieses Gesetz ist die Ursache dafür, dass überhaupt keine Das zeigt auch, wie blank die Nerven bei der SPD liegen. Verlässlichkeit, überhaupt keine Planbarkeit da ist und Das wird bis zum Wahltag so bleiben und vermutlich wird dass es sich überhaupt nicht lohnt, zu investieren und für es auch danach so sein, weil es in Niedersachsen einen die Zukunft dieses Landes, also Deutschlands, zu arbei- Regierungswechsel geben wird. ten. Das sind die Rahmenbedingungen, die Sie momentan setzen. Diese Rahmenbedingungen sind total daneben; (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) denn nur mit immer mehr Steuern wird keine Konjunktur beflügelt und werden auch keine Arbeitslosen von der Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Straße geholt. Das Wort hat jetzt der Bundesminister Hans Eichel. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Gestern wurde bejubelt, dass die Neuverschuldung Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen: nicht ganz ausgeschöpft worden ist. Man muss daran er- innern, dass Sie, Herr Minister Eichel, die Neuverschul- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- dung erst im Dezember im Nachtragshaushalt ren! um Diese Debatte ist schon verwunderlich. Man macht 13,5 Milliarden Euro auf 34,6 Milliarden Euro erhöht ha- hier nicht nur Prognosen, sondern auch prognostizierte ben. Nun freut man sich darüber – das tun auch wir –, dass Prognosen. Das ist das, was Sie auf die Tagesordnung ge- setzt haben. diese Erhöhung nicht ganz in Anspruch genommen wurde. Man hat aber verschwiegen, dass die Neuver- (Ludwig Stiegler [SPD]: Der ganze Thiele ist schuldung um über 10 Milliarden höher war, als es den ein Pleonasmus!) Wählern vor der Bundestagswahl gesagt wurde. Daran erkennt man den ganzen Wahrheitsgehalt Ihrer (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Beiträge in dieser Debatte. (B) Das sind die Fakten, Herr Finanzminister. Ich freue mich, Wie schwierig Prognosen sind, das haben wir erlebt.(D) dass Sie gleich sprechen, weil Sie dann zu den Fakten Lieber Herr Austermann, hätten Sie sich doch wenigstens Stellung nehmen können. 14 Tage vor Ende des Jahres nicht noch an eine Prognose gewagt. Sie haben sich um 8 Milliarden Euro verschätzt. Tatsache ist: In den letzten vier Jahren, unter Rot-Grün, 8 Milliarden Euro ist ein absoluter Rekord bei der unter Finanzminister Lafontaine und unter Finanzminister Fehlaufstellung einer Prognose für den Zeitraum von un- Eichel hat die Neuverschuldung des Bundes um insge- gefähr 14 Tagen. samt 105 Milliarden Euro zugenommen. Im Jahr 1999 hat sie um 26,1 Milliarden Euro, im Jahr 2000 um 23,8 Mil- (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: 11 Milliar- liarden Euro, im Jahr 2001 um 22,8 Milliarden Euro und den beim Haushalt stehen dagegen!) im vergangenen Jahr um 32,3 Milliarden Euro zugenom- Ihre Schätzung hier am 19. Dezember lag bei 40 Mil- men. Das sind die Fakten, Herr Finanzminister! liarden Euro. Es sind knapp 32 Milliarden Euro, genau Zeitgleich erleben wir einen Ministerpräsidenten in 31,8 Milliarden Euro, geworden. Im Vergleich dazu wa- Niedersachsen, der total nervös ist. Er beschäftigt sich in ren die Steuerschätzer toll, die sich sieben Wochen vor- der Endphase seiner Regierungszeit mit dem Steuerrecht, her nämlich nur um 1,3 Milliarden Euro verschätzt ha- in der Hoffnung, dass auch ihm das Schicksal widerfährt, ben. Diese 1,3 Milliarden Euro verbuche ich auf der das in der Vergangenheit abgewählten SPD-Ministerprä- Habenseite. Ein Jahr davor haben sich die Steuerschätzer sidenten widerfahren ist, nämlich ins Bundeskabinett ein- um 3 Milliarden vertan, ebenfalls sieben Wochen vorher. zuziehen und möglicherweise sogar Finanzminister zu Da sieht man einmal, was von Ihren Prognosen zu halten werden, also Ihren Stuhl einzunehmen. ist. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ von der CDU/CSU: Der braucht zwei Stühle!) DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: 32 Milliarden neue Schulden!) Deswegen, meine Damen und Herren, bleibt es dabei: So Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: schlimm wie Sie hat sich überhaupt noch niemand ver- Herr Kollege Thiele, kommen Sie bitte zum Schluss. schätzt. Wir erstellen dreimal im Jahr eine Prognose: (FDP): Carl-Ludwig Thiele (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Keine Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. stimmt!) 1408 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Bundesminister Hans Eichel (A) erstens zum Jahreswirtschaftsbericht unter Federführung In den Zusammenhang gehört natürlich auch – denn(C) des Wirtschaftsministers pünktlich zum 29. Januar, zwei- die Frage der Gesamtverschuldung betrifft ja nicht nur tens zur Mai-Steuerschätzung und drittens zur November- den Bundeshaushalt, sondern auch die Länder- und Kom- Steuerschätzung. Diese gelten jeweils bis zur nächsten munalhaushalte sowie die sozialen Sicherungssysteme –, Prognose. In der Zwischenzeit beobachten wir die Lage dass alle an einem Strang ziehen. Wir haben ein in sich und veröffentlichen alle Zahlen. Bei dem Risiko von Fehl- schlüssiges Konzept auf den Tisch gelegt, zu dem auch einschätzungen, das anhand Ihrer Schätzung ja drastisch – das ist der kleinste Teil in diesem Jahr – das Gesetz zum deutlich geworden ist, erstellen wir zwischendurch keine Abbau von Steuervergünstigungen gehört. Da haben sich neuen Prognosen. Dabei wird es auch bleiben. So war es nun alle Lobbyisten zu Wort gemeldet. Das kann ich auch früher und so bleibt es auch. verstehen. Die Frage ist ja nur, ob man so etwas hinnimmt. Ich halte ausdrücklich fest – wir werden das ja nächste Nun sind wir bei dem Diskussionspunkt des heutigen Woche im Ecofin behandeln und haben dazu jetzt den Tages: Im Herbst, als wir zur November-Steuerschätzung Vorbericht –, dass die Kommission ganz klar sagt, dass 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum prognostiziert haben, alle Maßnahmen, die die Koalition vorgelegt hat, samt lagen wir damit am unteren Ende des Prognosespektrums. und sonders beschlossen werden müssen, bzw. wenigs- Im Moment liegen die Prognosen der Institute – Kollege tens solche mit gleicher Wirkung. Sie können sich da Clement hat sich ja dazu auch schon geäußert – zwischen nicht herausstehlen und sagen, Sie machten das nicht mit. 0,6 und 1,1 Prozent. Die der internationalen Organisatio- Spätestens dort, wo Sie zur Mehrheitsbildung gebraucht nen liegen übrigens überwiegend höher: Die EU-Kom- werden, nämlich im Bundesrat, tragen Sie Mitverantwor- mission prognostiziert 1,4, die OECD kurz vor Weih-tung – es gibt ja die Finanzautonomie der Länder – und nachten 1,5, der IWF – ich sage: noch – 1,75. Das muss müssen Sie Ihren Beitrag leisten. Sie müssen dann erklä- man aber, bitte schön, werten. Dazu wird die Bundes-ren, wie Sie damit umgehen wollen. Wenn Sie etwas nicht regierung Ende des Monats unter Federführung des Wirt- mitmachen wollen, müssen Sie erklären, was Sie stattdes- schaftsministers ihre Prognose aufstellen, und die wird sen machen wollen. Aus dieser Situation kommen Sie sich, wie Kollege Clement erklärt hat, natürlich unter ge- überhaupt nicht heraus. Täuschen Sie sich da mal nicht. nauer Beobachtung der Lage, irgendwo dazwischen be- Sie können vielleicht den Versuch unternehmen, sich po- wegen. litisch über den 2. Februar zu retten. Unser Konzept liegt Ich sage dazu, meine Damen und Herren, um den Blick auf dem Tisch. Sie stehen doch vor der Frage, was Sie ei- nun auf die Frage, was das für die Staatsverschuldung be- gentlich wollen. deutet, zu lenken: Wir haben den Haushalt unter Zugrunde- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ legung einer Prognose von 1,5 Prozent aufgestellt; dabei DIE GRÜNEN) haben wir große Anstrengungen unternommen, um in die- (B) sem Jahr das Drei-Prozent-Kriterium zu unterschreiten. Wenn Sie nur ohne jegliche Verantwortung Oppositions- (D) Es ist ja spannend, einmal von Ihnen zu hören, ob die Er- arbeit machen müssten – das meine ich gar nicht nega- reichung dieses Ziels, wie es übrigens auch die Länder tiv –, müssten Sie das nicht beantworten. Im Bundesrat, und Herr Kollege Milbradt, der sich dazu sehr positiv in meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen Sie das einem Interview geäußert hat, mittragen – das will ich aber beantworten. ausdrücklich unterstreichen –, auch Ihre Position ist. Ich finde es übrigens in diesem Zusammenhang hoch Denn wenn wir alles daran setzen wollen, dieses Jahr wie- spannend, was in Hessen geschieht: Obwohl der Bundes- der unter 3 Prozent zu kommen, müssen wir eine Reihe haushalt durch geringere Steuereinnahmen auf der Ein- von Maßnahmen ergreifen. nahmeseite und aufgrund der Situation auf dem Arbeits- (Manfred Grund [CDU/CSU]: Müsst ihr gut markt auf der Ausgabenseite getroffen ist, die Länder aber regieren!) nur auf der Einnahmeseite Einbußen hinnehmen müssen, haben wir ein um 50 Prozent erhöhtes Defizit – natürlich – Genau das tun wir; so schnell wie dieses Mal sind bis- ist das keine Freude; wer sagt denn so etwas auch? –, her selten Gesetze gemacht worden. – während es die Hessen glatt geschafft haben, ihr Defizit (Lachen bei der CDU/CSU – Zuruf von der um 130 Prozent zu erhöhen. Das muss mir einmal jemand CDU/CSU: Der glaubt das auch noch!) erklären, wie so etwas geht. So sehen wir zum Beispiel in der Tat für die Bundesanstalt (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des für Arbeit – das ist eine riesige Herausforderung und hängt BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ludwig eng mit der Umsetzung des Hartz-Konzeptes zusammen – Stiegler [SPD]: Wie Waigel!) keinen Zuschuss vor. Die Verabredung zwischen Herrn Angesichts des hessischen Haushaltes des Jahres 2003 Kollegen Clement und mir lautet: Dabei bleibt es auch. ist es bemerkenswert, was Sie hier alles ablehnen. Er ver- zeichnet auf der Einnahmeseite ein Plus von 140 Mil- (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist lionen Euro wegen Steuerrechtsänderungen. Auf die Frage, nichts Neues!) wo dieses Plus herkomme, sagt der hessische Finanzminis- Das ist eine harte Arbeit; dies gilt auch für andere Struktur- ter, das sei durch die Körperschaftsteuerreform begründet. reformen, zum Beispiel im Gesundheitswesen und bezüg- (Lachen der Abg. Antje Hermenau [BÜND- lich der Entbürokratisierung, die wir dieses Jahr bewältigen NIS 90/DIE GRÜNEN]) müssen und die insbesondere durch Sofortmaßnahmen der Kollegin Schmidt eingeleitet wurden. Das musste sein,Das gesamte Steuervergünstigungsabbaugesetz bringt für auch wenn Sie nicht alles mitgetragen haben. Hessen in diesem Jahr 122 Millionen Euro. Es kann also Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1409

Bundesminister Hans Eichel (A) nicht sein, dass allein durch die Körperschaftsteuerreform (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Es kommt (C) 140 Millionen Euro eingenommen werden! ja keiner! Die Versammlungen können Sie in einer Telefonzelle machen!) (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Und wie viel fehlt denn durch Ihre Arbeit?) Es ist auch schlicht nicht die Wahrheit, meine Damen und Herren. Fast dasselbe kann man im Saarland beobachten; dort wurden ähnliche Summen veranschlagt. Wie passt das ei- Kehren Sie endlich zu einer realen Debatte zurück, gentlich mit Ihrer Aussage zusammen, dass Sie dem allen nicht über prognostizierte Prognosen, sondern vor allem, nicht zustimmen wollen? Herr Kollege Brüderle – Ihre Partei ist ja in ein paar Lan- desregierungen vertreten –, über das, was Sie dort an Ver- (Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- antwortung wahrnehmen wollen – wenn Sie sie wirklich NEN]: Richtig!) wahrnehmen wollen. Was wollen Sie denn stattdessen machen? Die 140 Mil- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ lionen Euro Einnahmen aufgrund von Steuerrechtsän- DIE GRÜNEN) derungen im hessischen Haushalt müssen Sie einmal er- klären. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: So unredlich ist Ihre Debatte. Das Wort hat jetzt der Kollege Friedrich Merz von der (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ CDU/CSU-Fraktion. DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU) Sie wissen auch, dass Sie zwar im Bundestag so tönen können, dass Sie in Wirklichkeit aber nicht umhinkom- men, Ihre Verantwortung wahrzunehmen. Friedrich Merz (CDU/CSU): (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wer Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- regiert denn?) ren! Vielleicht können wir in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit doch einmal auf den eigentlichen Auslöser Führen Sie die Menschen nicht so hinters Licht! dieser Aktuellen Stunde zurückkommen. Auslöser ist nicht Die letzte Bemerkung, meine Damen und Herren. Es das Fehlverhalten der Opposition, meine Damen und Her- bleibt dabei: Wenn sich die Korrekturprognose in dem ren von der Regierung und Frau Hermenau, sondern Aus- Umfeld bewegt, das man jetzt erkennen kann, dann brau- löser sind die Äußerungen verschiedener Mitglieder der chen wir keine Diskussion über eine Erhöhung der Neu- Bundesregierung in den letzten Tagen, (B) (D) verschuldung. Dann geht es um Größenordnungen, die in (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) einem Haushalt von 250 Milliarden Euro beherrschbar sein müssen. Deswegen werden Sie uns von einem nicht insbesondere die Äußerungen von Herrn Bundeswirt- abbringen: Der Konsolidierungskurs – darin sind wir völ- schaftsminister Clement, der zum einen, wohl unter dem lig einig – wird konsequent weitergefahren. Es wäre ein Druck der Wirklichkeit, seine eigene Wachstumspro- Übel, unseren Kindern und Enkelkindern riesige Schul- gnose, die er noch zu Beginn des Jahres mit 1,5 Prozent denberge zu hinterlassen. angegeben hat, jetzt nach unten revidiert hat. Zum ande- ren haben Sie, Herr Clement, am vergangenen Sonntag- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ abend in einem Halbsatz die gesamte Politik Ihres Kolle- DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ gen Eichel bezüglich Einsparungen im Bundeshaushalt CSU]: Warum machen Sie es dann?) zur Seite gewischt und dem staunenden deutschen Volk Entscheidend ist aber auch, dass die Schulden – auch erklärt, ein bisschen mehr Neuverschuldung könne es darüber herrscht völlige Einigkeit zwischen Herrn Kolle- schon sein. gen Clement, mir und allen anderen in der Regierung – (Zurufe von der CDU/CSU: Ja, wir alle haben konjunkturell eingepasst werden müssen, dass man nicht es doch gesehen! – Millionen Zuschauer!) in einer Schwächephase wie im vergangenen Jahr zusätz- liche Einsparungen vornimmt. Das haben übrigens auch Das sind die Auslöser dieser Aktuellen Stunde! weder die Stabilitätswächter in Brüssel noch jemand von (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) der Europäischen Zentralbank verlangt. Es bedeutet aber, dass wir uns, wenn wir einen neuen Haushalt aufstellen, Herr Clement, zur Arbeitsmarktpolitik werde ich der Situation neu stellen müssen. gleich etwas sagen. Lassen Sie mich an dieser Stelle aber zunächst mit zwei Märchen, die auch in dieser Aktuellen Nach dem Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach mich Stunde wieder verbreitet werden, einmal kurz aufräumen; nicht nass“ kann man hier nicht vorgehen. Dass zwar bei deshalb erst zu Ihnen, Herr Eichel. den Arbeitslosenhilfeempfängern Mittel gestrichen wer- Erstens. Sie stellen sich hier hin und behaupten allen den sollen – was wir tun und was wir auch vertreten kön- Ernstes, dass Sie auf dem Weg wären, die Politik der nen, weil es notwendig ist –, aber alle anderen, auch die Haushaltskonsolidierung und der Einsparungen fortzuset- Bezieher höherer Einkommen, keinen Beitrag leisten zen. müssen, das können Sie den Leuten ja bis zum 2. Februar erzählen. Aber sie werden es Ihnen nicht glauben. Das (Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- weiß ich aus den Versammlungen, die ich besucht habe. NEN – Dirk Niebel [FDP]: Unglaublich!) 1410 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Friedrich Merz (A) Ich erlaube mir zu sagen: Wenn Sie während Ihrer Rede von immer höherer Arbeitslosigkeit gibt, und solange Sie (C) einen Lügendetektor getragen hätten, dann wären selbst diese Gesamtzusammenhänge nicht nur nicht verstehen, bei einem Gerät einfachster Bauart sämtliche Sicherungen sondern auch aktiv leugnen, kann es einem nur eiskalt den durchgebrannt. Rücken herunterlaufen, wenn man Vertreter der Bundes- regierung in diesen Tagen über Wirtschaft und Beschäf- (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und tigung reden hört. der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Was Sie sagen, ist doch unglaublich. Herr Eichel, meine Schlussbemerkung beschäftigt sich Ich trage aus Ihrem letzten Monatsbericht vor, Herr mit der Scheinalternative, vor die Sie uns, wie auch ge- Eichel. Sie haben im Jahre 2002 eine über 10 Milliar- rade eben, immer wieder stellen. Es geht aber nicht um die den Euro höhere Neuverschuldung hinterlassen, als Sie Alternative „mehr Verschuldung oder höhere Steuern“. am Anfang des Jahres ursprünglich geplant hatten. Ges- Damit wollen Sie uns die für Ihre Maßnahmen notwen- tern haben Sie auf einer Pressekonferenz gesagt, es seien dige Zustimmung im Bundesrat abpressen. doch 2,8 Milliarden Euro weniger gewesen. Es gibt eine andere Alternative. Der richtige Weg (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das war sind grundlegende Reformen des Arbeitsmarktes, die glatt gelogen!) die EU-Kommission, die OECD und andere Organisa- Von den über 31 Milliarden Euro Neuverschuldung, die tionen – bis jetzt allerdings ergebnislos – von Ihnen ver- Sie im letzten Jahr zu verantworten haben, ist nicht die langen. Wir haben Ihnen konkrete Vorschläge gemacht: Rede gewesen. Sie haben wieder einmal versucht, die Öf- betriebliche Bündnisse für Arbeit, grundlegende Refor- fentlichkeit über die tatsächliche Lage der Staatsfinanzen men der Krankenversicherung und der Rentenversiche- in Deutschland zu täuschen. rung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Ludwig Stiegler [SPD]: Sozialabbau!) Zweitens. In Ihrem Monatsbericht vom DezemberSie haben aufgrund der ungelösten Probleme bei der 2002 sind die entscheidenden Zahlen enthalten. Sie wer- Rente in Ihren Haushalt mittlerweile einen Zuschuss von den im nächsten Jahr eine Gesamtverschuldung des Bun- 77 Milliarden Euro für die Rentenversicherung einge- des von über 800 Milliarden Euro zu verantworten haben. stellt. Wenn Sie immer nur meinen, über höhere Abgaben, Die Staatsverschuldung in Deutschland galoppiert unter höhere Steuern, höhere Verschuldung und höhere Arbeits- Ihrer Verantwortung weiter nach oben. Eine Verschuldung losigkeit aus der Abwärtsspirale herauszukommen, dann allein des Bundes in Höhe von 800 Milliarden Euro be- ist das eine große Täuschung. Im günstigsten Fall ist es (B) deutet, dass Sie nicht nur das 3-Prozent-Kriterium des eine Selbsttäuschung; im schlimmsten Fall ist es eine(D) Maastricht-Vertrages in diesem Jahr verletzen werden. Täuschung der deutschen Öffentlichkeit. Sie haben es schon im letzten Jahr verletzt, obwohl Sie (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – das bis zum Sommer des letzten Jahres bestritten haben. Joachim Poß [SPD]: Sie sind doch der Experte Sie geben in diesem Monatsbericht zu, dass Sie noch ein für Täuschung! Was haben Sie den Leuten ver- weiteres Kriterium, nämlich jenes, das den Gesamtschul- sprochen!) denstand betrifft, verletzen werden. Der Gesamtschulden- stand der Bundesrepublik Deutschland wird unter Ihrer Verantwortung im Jahr 2003 deutlich über der erlaubten Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Grenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes lie- gen. Das ist Ihre Finanzpolitik, von der Sie hier immer Das Wort hat jetzt die Kollegin Franziska Eichstädt- noch behaupten, sie sei seriös. Bohlig vom Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE Herr Clement, wir sind uns einig darüber, dass eine Po- GRÜNEN): litik für mehr Wachstum und Beschäftigung einsetzen müsste. Das eigentliche Problem unserer Volkswirtschaft Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr ist doch eine lang anhaltende, strukturell begründetegeehrter Herr Kollege Merz, ich bin von Ihrer Rede ein Wachstums- und Beschäftigungskrise. Bitte hören Siebisschen enttäuscht. Neulich hatte ich zum ersten Mal das auf, zu glauben, dass mit kleinen Mittelstandsprogram- Gefühl, dass Sie für beide Oppositionsfraktionen etwas men diese Probleme nun gelöst werden könnten. DieRichtiges sagten, als Sie davon sprachen, es gebe Zeiten strukturellen Probleme sind nicht gelöst. In Ihren Nach- mit geringem Wachstum, in denen man Steuersenkungen barn auf der Regierungsbank, Herrn Eichel, haben wir alle und weitere Geschenke nicht versprechen kann. Da habe Hoffnung verloren. Aber mit Ihnen verbinden wir noch ei- ich gedacht: Vielleicht lernt die Opposition endlich dazu. nen Rest von Hoffnung. Aber heute sehe ich wieder, dass Herr Austermann, Herr Brüderle, Herr Thiele und Sie die Situation permanent Solange diese Bundesregierung nicht versteht, dass es schlechtreden, sodass ich mich wirklich frage: Ist der vor dem Hintergrund einer geradezu dramatischen de- Standort Deutschland bzw. unsere Wirtschaft, auch wenn mographischen Entwicklung in Deutschland eine sich wir ein sehr bescheidenes Wachstum haben, so schlecht? gegenseitig verschärfende Wechselwirkung von immer Sind wir wirklich nur handlungsfähig, wenn wir ein höheren Steuern, von immer höheren Sozialversiche-Wachstum von mehr als 2 Prozent haben? Sie sehen das rungsbeiträgen, von immer höherer Verschuldung und offenbar so. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1411

Franziska Eichstädt-Bohlig (A) Wir hingegen sagen sehr klar: Der Standort Deutschland duktiv. Von daher sparen und konsolidieren wir weiter,(C) darf nicht schlechtgeredet werden. Wir haben eine sehr und zwar ganz wesentlich im konsumtiven Bereich. Die gute Volkswirtschaft; Minister Clement hat es vorhin ge- Bereiche, in denen es darum geht, Investitionen zu stimu- sagt. Wir haben die riesigen Lasten der Vereinigung ge- lieren, sparen wir dabei aus. Das ist gut und richtig. Das wuppt. Das weitere Abtragen der Schulden, die damit ver- werden wir auch weiterhin tun; das haben wir Ihnen schon bunden sind, müssen wir in den nächsten Jahren leisten. gesagt. Das ist eine Priorität, die unser Land in allen Schichten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und auf allen Staatsetagen in der einen oder anderen Form sowie bei Abgeordneten der SPD) getragen hat und weiter trägt. Zweiter Punkt. Nicht Sie, sondern wir haben mit den Ihnen aber fällt nichts anderes ein, als ständig schlecht- Strukturreformen begonnen. Denn wir wissen, dass die zureden. Lohnnebenkosten bzw. die sozialen Sicherungssysteme (Zuruf von der CDU/CSU: Sprechen Sie von ein ganz zentraler Punkt sind, um sowohl von den staat- Deutschland?) lichen Finanzproblemen herunterzukommen als auch der Wirtschaft und der Beschäftigung wieder Impulse zu ge- Das kann es doch wirklich nicht sein. Darauf hinzuweisen halte ich an allererster Stelle für wichtig. Sie reden den ben. Von daher ist es nicht richtig, wenn Sie sagen, wir tä- Menschen ein: Wenn Sie an der Regierung wären, könn- ten hier nichts. Der Lohnnebenkostenabbau ist für uns ein ten Sie gewissermaßen den goldenen Hahn aufdrehen und zentraler Punkt. Geschenke verteilen. Der dritte Punkt betrifft neue Impulse für den Mittel- (Widerspruch bei der CDU/CSU – Zuruf von stand. Wir – nicht Sie – geben sie. Rot-Grün handelt. der CDU/CSU: Auf welcher Veranstaltung wa- Jetzt nenne ich einen Punkt, den Bürokratieabbau, von ren Sie denn?) dem ich meine, dass wir hier mehr tun sollten. Es ist wich- An dieser Stelle lügen Sie – Sie, die uns vorwerfen, dies tig, weitere Impulse zu geben. Etwas enttäuscht – das getan zu haben, und die deswegen einen Lügenunter-muss ich schon sagen – bin ich von dem, was die Ge- suchungsausschuss einrichten – der Öffentlichkeit vor, werkschaften ausgehandelt haben. Denn das belastet uns Sie könnten bei den jetzigen Wachstumsbedingungenin neuer Weise sehr. Steuersenkungen durchführen, Bei meinem fünften Punkt handelt es sich um eine (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nein, aber deutliche Aufforderung an die Banken, die Zinssenkun- Steuersenkung schafft Wachstum! So einfach gen nicht einfach zu verfrühstücken. Auch das ist ein ist das!) wichtiger Punkt. (B) gleichzeitig Staatsgeschenke verteilen und den Schulden- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (D) abbau betreiben. So argumentieren Sie seit Jahr und Tag. sowie bei Abgeordneten der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Nicht nur wir als Politiker haben Verantwortung, sondern und bei der SPD) auch die unterschiedlichen wirtschaftlichen Kräfte. Dazu gehören die Banken als Allererste. Über den Redebeitrag des Kollegen Merz bin ich des- wegen so enttäuscht. Letzter Punkt. Wir sprechen nicht nur abstrakt über Wachstum, sondern geben dem Wachstum eine Richtung. (Joachim Poß [SPD]: Warum? Der hat noch nie was Besseres gebracht!) (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Den letzten Stoß!) Denn ich hatte gehofft, endlich würden Sie die Tür öffnen und nachdenklich im Hinblick darauf werden, dass wir Die ökologische Innovation ist ein ganz wichtiger Im- gemeinsam der Gesellschaft gegenüber verantwortlich puls. Wenn ich mit Baupolitikern spreche, heißt es im- sind und ihr sagen, wie man mit Zeiten knapperen Wachs- mer: Mehr Neubau! Auf der anderen Seite sollen wir tums umgeht. den Abriss des Leerstands im Osten finanzieren. Es kann doch nicht sein, dass wir Wachstum um seiner (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wachstum selbst willen fördern, egal ob es einen Bedarf gibt oder anstoßen!) nicht. Wir müssen dem eine inhaltliche Richtung geben, Um nicht mehr und nicht weniger geht es. Diese Aufgabe die den gesellschaftlichen Notwendigkeiten entspricht. gehen wir mit Ruhe und Konzentration an. Ein ganz zentraler Punkt ist dabei die ökologische In- novation. Vieles ist dazu zwar schon gesagt worden. Aber die wesentlichen Dinge werde ich noch einmal ansprechen In diesem Sinne wird Rot-Grün die inhaltliche Struk- – denn Sie begreifen sie sonst offenbar nicht –: turierung und Innovation der weiteren Wirtschaftsent- wicklung aktiv vorantreiben. Sie von der Opposition soll- Erster Punkt. In diesen Zeiten muss das Sparen und ten das nicht ständig mies machen, sondern ein Stück weit Konsolidieren weitergehen. davon lernen. (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das hat (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN doch noch gar nicht angefangen!) und bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/ Denn sonst würden die Schulden und die Zinslasten wei- CSU]: Das waren noch Zeiten, als der Metzger ter anwachsen. Das wäre für die Wirtschaft kontrapro- hier geredet hat!) 1412 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: schuldung seit Bestehen der Bundesrepublik Deutsch-(C) land. Das Wort hat jetzt die Kollegin Dagmar Wöhrl von der CDU/CSU-Fraktion. (Heidi Wright [SPD]: Das müssen Sie sagen!) Das ist kein Weg in die Konsolidierung; das ist ein Weg in Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): den Schuldenstaat heute Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist die Ich glaube, es ist inzwischen überall angekommen – liebe Wahrheit!) Kolleginnen und Kollegen von SPD und den Grünen, und zu mehr Steuern und zu einem noch stärkeren Steuer- wenn Sie ehrlich sind, geben Sie zu: auch bei Ihnen –: Es staat morgen. liegt ein Bundeshaushalt vor, der dieses Mal schon vor der zweiten und dritten Lesung Makulatur ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir müssen schauen, dass wir da wieder herauskom- men und nicht noch tiefer hineingeraten. Da frage ich Es ist richtig, dass diese Aktuelle Stunde von der FDP mich schon: Wo bleibt denn die Generationengerechtig- beantragt worden ist. Denn wir helfen Ihnen, meine Da- keit, men und Herren von der Koalition, dabei, mit einem Nachtragshaushalt aus diesem Schlamassel herauszu- (Lachen bei Abgeordneten der SPD) kommen. Das sollte nicht zu spät geschehen. von der Sie landauf, landab immer reden? Sie reden zwar (Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ von der Gerechtigkeit, aber Sie handeln nicht entspre- DIE GRÜNEN]: Darauf warten wir gerade!) chend. Es ist offensichtlich, dass Reden und Handeln bei Ihnen zwei total unterschiedliche Dinge sind. Ich frage mich schon, ob ich es noch erlebe, dass Sie eine Initiative einbringen, die auf einer soliden Grundlage (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) basiert. Ich möchte dazu nur die Einleitung zum Haus- Sie sollten nicht glauben, dass die Leute draußen im haltsgesetz zitieren. Dort schreiben Sie: Lande so dumm sind, dass sie das nicht langsam erkennen Auf der Grundlage der sich abzeichnenden könnten. – hören Sie gut zu – Jetzt heißt es schon: Es ist wahrscheinlich nicht einzu- halten und nahezu ausgeschlossen, dass wir bis zum Jahr Aufwärtsentwicklung setzt die Bundesregierung mit 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können – dem Bundeshaushalt 2003 diesen Konsolidierungs- (B) so Ihr Sprecher, Herr Eichel. Man kann sagen, dass eines (D) kurs um. auf jeden Fall ausgeschlossen ist, nämlich dass es in un- Da frage ich mich schon: Wie ist denn die Realität? Wie serem Land unter Ihrer Regierung zukünftig aufwärts ge- realitätsfremd sind Sie denn hier eigentlich? Von welchem hen wird. Das ist ganz sicher. Aufschwung reden Sie denn? Von dem vom letzten Jahr Jetzt kommt Clements Mittelstandsoffensive. mit 0,2 Prozent oder vielleicht von dem mit 0,6 Prozent, der in diesem Jahr erwartet wird? Das ist kein Auf- (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Toll!) schwung, das ist keine Aufwärtsentwicklung; das ist Sta- Wir wissen: Wahlen stehen an; Reformeifer ist gefragt; gnation, in der wir uns zurzeit befinden. Elan ist gefragt. Es wird ein Papier vorgelegt. Ich glaube (Dirk Niebel [FDP]: Die einzige Aufwärtsent- schon, dass ich auch im Namen des Mittelstandes rede, wicklung gibt es bei den Arbeitslosenzahlen!) wenn ich sage, dass wir uns freuen, dass wenigstens der Name „Mittelstand“ in Ihrer Rhetorik wieder vorkommt. Wenn wir sehen, dass Sie Ihrem Haushalt 1,5 Prozent Denn von diesem Namen hat man ja bei Ihnen schon ewig Wachstum zugrunde gelegt haben – wo wir alle doch wis- lange nichts gehört. Aber damit hat es sich auch schon. Sie sen, dass das nicht einzuhalten sein wird –, wenn wir se- legen ein Papier mit wunderschönen Überschriften und hen, dass Sie keinen Bundeszuschuss für die Bundesan- vielen Worthülsen, aber ohne Inhalt vor. stalt für Arbeit einkalkuliert haben – letztes Jahr betrug dieser Bundeszuschuss noch 5,6 Milliarden Euro –, Meine Damen und Herren, Sie wollen den Mittelstand um 35 bis 60 Millionen Euro entlasten. Wir haben aber al- (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: lein in diesem Jahr eine Mehrbelastung in Höhe von über Realitätsblind!) 12 Milliarden Euro; davon entfallen allein 9,1 Milliarden und wenn man ferner sieht, dass Sie bei Ihrem Haushalt auf die Sozialversicherungsbeiträge. Wir wissen, dass der noch die ursprünglichen Hartz-Konzepte zugrunde gelegt Mittelstand sehr stark von den Lohnnebenkosten abhän- haben – sie sind ja so nicht verabschiedet worden –, wis- gig ist und dass gerade er sehr unter der Erhöhung der So- sen wir, dass alles, was uns vorgelegt worden ist, Maku- zialversicherungsbeiträge leidet. latur ist. Ferner reden Sie von höheren Investitionen. Das ist al- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) les schön und gut; dafür sind wir alle. Sie weisen zwar in Ihrem Haushalt einen ein wenig höheren Betrag für Inves- Von welchem Konsolidierungskurs reden Sie denn, Herr titionen aus, wenn man aber genau nachforscht, ist darin Eichel? Es ist angesprochen worden: Im letzten Jahr gab die Flutopferhilfe mit 2,5 Milliarden Euro enthalten. es mit über 31 Milliarden Euro die dritthöchste Neuver- Rechnet man diese heraus, kommt man zu dem Ergebnis, Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1413

Dagmar Wöhrl (A) dass 700 Millionen Euro weniger für öffentliche Investi- Zur Erinnerung: Erstens. Die Kriterien zielen auf eine (C) tionen ausgegeben werden als letztes Jahr. Dabei gab es Begrenzung des Defizits auf maximal 3 Prozent und da- schon im letzten Jahr die niedrigste Investitionsquote seit rauf, den Schuldenstand zurückzuführen – Tendenz: unter Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. 60 Prozent –; das gerät ab und zu aus den Augen. Wir soll- ten nicht vergessen, dass dieses Haushaltsregime strenger (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und ist als die Finanzverfassung des Grundgesetzes, und zwar der FDP) zu Recht; denn wir sind längst ein europäischer Wirt- Jetzt kommen Sie mit einer Sonderministeuer, von der schafts- und Währungsraum. aber über 90 Prozent der kleinen und mittelständischen Zweitens. Die Stabilitätskriterien sind nicht mit dem Unternehmen nicht profitieren können. Stabilitäts- und Wachstumspakt, der leicht in Verruf gera- ten ist, zu verwechseln. Er zeigt meiner Meinung nach, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: dass wir über eine Stabilitätspolitik hinaus eine Wachs- tumspolitik in Europa brauchen. Das sollte Bestreben ge- Frau Kollegin Wöhrl, kommen Sie bitte zum Schluss. rade der deutschen Politik sein, die die führende Volks- wirtschaft in Europa vertritt. (CDU/CSU): Dagmar Wöhrl (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Damit werden Sie es nicht schaffen, den privaten Kon- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – sum und die Binnenkonjunktur anzuregen. Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Warum macht sie es dann nicht?) Wenn Sie schon nicht unsere Vorschläge übernehmen wollen, vielleicht weil CDU/CSU draufsteht, dann über- Drittens. Es ist zu beachten, dass die Kriterien nicht nur nehmen Sie wenigstens die 20 Vorschläge Ihres eigenen für die gegenwärtigen, sondern auch für die künftigen Sachverständigenrates. Mitglieder der Europäischen Union und damit auch des Wirtschafts- und Währungsraums gelten. Dies ist nach (Jürgen Koppelin [FDP]: Oder unsere!) dem Beschluss von Kopenhagen an der Schwelle zur Aber bitte handeln Sie endlich, damit es wirklich nach großen Erweiterung der Europäischen Union zu betonen, vorn geht. um das Vertrauen in den Euro zu erhalten. Vielen Dank. Mit anderen Worten: Wir haben allen Anlass, an den Stabilitätskriterien festzuhalten. Wir müssen aber zu- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gleich erkennen, dass Stabilitätspolitik nicht im Gegen- satz zur Wachstumspolitik steht, sondern ihre Vorausset- (B) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: zung ist. (D) Das Wort hat jetzt der Kollege Volker Kröning von der (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ SPD-Fraktion. DIE GRÜNEN) Nach den deutsch-französischen Initiativen zur Erwei- Volker Kröning (SPD): terung und Vertiefung der Union, die wir in der letzten Zeit erfreulicherweise feststellen konnten und die in der Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und nächsten Woche in Paris die Grundlage für die Zusam- Herren! In der Debatte zum Nachtragshaushalt 2002 menkunft der Parlamente bilden, würde ich mir auch habe ich es bereits gesagt: Ziel der Beratungen, die der Ideen der beiden führenden Staaten in der Europäischen Haushaltsausschuss am 20. Februar und der Bundestag Union zu einer abgestimmten Finanz- und Wirtschaftspo- vom 18. bis 21. März abschließen werden, ist ein ver- litik wünschen. Richtschnur könnten die Beschlüsse von fassungs- und maastrichtkonformer Haushalt. Das heißt Lissabon sein, die eine Wachstumsstrategie auf eine In- zum einen: Art. 115 GG wird eingehalten, am besten novationsstrategie in Europa stützen. Den Reden in Eu- nicht nur durch eine rechtlich hinreichende, sondern ropa müssen Taten folgen. durch eine ökonomisch zukunftsweisende Investitions- quote. Ich möchte eine weitere Bemerkung zum Jahreswirt- schaftsbericht und seine Auswirkungen auf den Haus- Frau Kollegin Wöhrl, vielleicht sollten Sie sich als halt machen. Den Bericht wird die Bundesregierung, Wirtschaftspolitikerin einmal in den Niederungen des wie wir gehört haben, am 29. Januar vorlegen. Natürlich Sachverstandes bewegen wird eine Korrektur der Wachstumsprognose von (Dr. Uwe Küster [SPD]: Nein, das tut weh!) 1,5 Prozent auf 1 Prozent, falls die Regierung dazu kommen sollte, im Haushalt umzusetzen sein. Ich habe und nachprüfen, wie die Investitionsquote im Vergleich zu dies bereits in der Debatte über den Nachtragshaushalt den Vorjahren ist. angekündigt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dabei geht es nicht nur um das Soll, sondern auch um Ludwig Stiegler [SPD]: Dann redet es sich das Ist. Daran muss man sich gewöhnen. Gerade der Jah- so schlecht!) resabschluss 2002, den Herr Minister Eichel gestern vor- Zum anderen heißt die Vorgabe, die wir uns gesetzt ha- gestellt hat, zeigt, dass Haushaltsaufstellung und Haus- ben: Einhaltung der Stabilitätskriterien des Vertrages von haltsvollzug, wenn sie auf der sicheren Seite bleiben, Maastricht. steuerbar sind. 1414 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Volker Kröning (A) Ich erinnere daran: Europarechtlich – gerade bezüglich hat, liegt eine Zahl von 4 140 000 zugrunde. Ihre Anmer- (C) der Maastricht-Kriterien – kommt es nicht nur auf Pro- kung, dies sei Makulatur, Frau Kollegin Wöhrl, ist gramme und Pläne, also auf Sollwerte, sondern wie in der schlicht Quatsch. Wirtschaft auf Jahresabschlüsse, das heißt Istwerte, an. Ich fasse zusammen: – – Das Vertrauen der Märkte hängt davon ab, wie wachs- tumsfreundlich sich staatliches Handeln über Jahre hin- weg entwickelt und auch festigt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Was Stabilität angeht, sind wir in Europa auf gutem Nein, nein, Sie fassen bitte nicht mehr zusammen. Sie Wege, wie die Preisstabilität zeigt. Ich würde mich freuen, sind anderthalb Minuten über der Zeit. Ich bitte Sie jetzt, wenn nicht nur die staatlichen, sondern auch die wirt-das Rednerpult zu verlassen. schaftlichen Akteure mitspielten. Das Verpuffen der letz- ten Zinssenkung der Europäischen Zentralbank ist ein un- Volker Kröning (SPD): gutes Signal für das Wachstum, mit dem sich auch die Sprecher der Wirtschaftsverbände einmal auseinander Ich habe das gesagt, was ich sagen wollte. setzen sollten. Danke schön. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN) Zum Schluss zur Bundesanstalt für Arbeit. – Ich hoffe, Herr Präsident, dass die Zeitangabe am Rednerpult falsch Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: ist. Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Michael Fuchs von (Heiterkeit – Dietrich Austermann [CDU/ der CDU/CSU-Fraktion. CSU]: Die gilt für alle!)

Ich kann mich aber kurz fassen. Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Was den Zuschuss zur Bundesanstalt angeht, so unter- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und stützen wir ausdrücklich die Verabredung zwischen dem Kollegen! Ich habe in meinem Medizinstudium offenbar Wirtschafts- und Arbeitsminister Clement und dem Fi- nicht richtig aufgepasst, denn wenn ich zur Regierungs- nanzminister Eichel, dass wir nicht zu einem Bundeszu- bank schaue, dann muss ich feststellen, dass Autismus schuss zurückkehren; denn dies würde den Reformdruck, entgegen meiner bisherigen Auffassung anscheinend an- den wir uns auferlegt haben und den sich übrigens auch steckend ist. Das eine oder andere Merkmal habe ich bis- (B) (D) die Bundesanstalt selber auferlegt hat, mindern statt auf- her eigentlich nur bei einem Regierungsmitglied der letz- rechterhalten. ten Legislaturperiode bemerkt. Was ich aber heute hier Alle Annahmen zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit, über die Situation der Unternehmen gehört habe, führt die sich unterhalb oder oberhalb der Annahme bewegen, mich dazu, zu glauben, dass Autismus ansteckend ist. die dem Haushalt der Bundesanstalt zugrunde liegt, sind Dies ist eine neue medizinische Erkenntnis. spekulativ und grundlos. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Dirk Niebel [FDP]: Das ist unglaublich!) neten der FDP – Wolfgang Clement, Bundesmi- nister: Das hätte ich von Ihnen nicht erwartet!) Wir werden uns an einer Diskussion über einen Bundes- zuschuss nach den Weichenstellungen beider, der Gre- Verehrter Herr Clement, wenn wir uns die Situation der mien der Bundesanstalt und des Haushaltsausschusses Unternehmen heute ansehen, stellen wir fest, dass die des Bundestages, nicht beteiligen. Aussage, die der Bundeskanzler gestern gemacht hat, nämlich dass die Situation wesentlich besser sei als ange- Im Jahresdurchschnitt 2002 hatten wir – wir müssen nommen, nicht stimmt. Es ist genau umgekehrt. sagen: leider – 4 060 300 Arbeitslose, wie der Abschluss- bericht der Bundesanstalt, der in dieser Woche vorgelegt Ich habe das Glück, häufig in Unternehmen zu sein. Ich worden ist, gezeigt hat. stelle dabei fest, dass die Situation dort erheblich schlech- ter ist. (Zuruf des Abg. Jürgen Koppelin [FDP]) (Zuruf des Bundesministers Wolfgang – Ich habe ja gesagt: leider. Aber in der Prognose – – Clement)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Kröning, ich habe keinen Einfluss auf die Herr Fuchs, ich darf Sie kurz unterbrechen. Herr Uhr. Sie läuft so, wie sie läuft, und Ihre Redezeit ist ab- Minister, Sie haben das Privileg, Angehöriger der Bun- gelaufen. desregierung zu sein. Dies ist allerdings mit dem Nachteil verbunden, auf der Regierungsbank schweigen zu müs- sen. Volker Kröning (SPD): (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich darf den Satz zu Ende führen: Dem Wirtschafts- plan, den wir beraten und den die Regierung genehmigt Herr Kollege Fuchs, bitte fahren Sie fort. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1415

(A) Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): – Natürlich auch in Niedersachsen. (C) Aber ich höre Ihnen im Ausschuss gerne wieder zu, Der Finanzexperte des Kieler Instituts für Weltwirt- Herr Clement. schaft, Alfred Boss, hat vorausgesagt, dass die Nettoneu- verschuldung in diesem Jahr bei 30 Milliarden Euro lie- Wir haben noch nie eine so hohe Zahl von Insolvenzen gen wird. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, Herr wie im letzten Jahr gehabt und in diesem Jahr geht es wei- Kollege Kröning, dass Herr Gerster gestern gesagt hat, er ter. Wenn man heute in eine Tageszeitung schaut, dann gehe davon aus, dass er einen Zuschuss von mindestens muss man feststellen, dass dort häufig mehr Insolvenzan- 1 Milliarde Euro für die Bundesanstalt für Arbeit brau- zeigen als Todesanzeigen zu finden sind. Da kann, weil es chen wird. Auch diese Zahl ist dramatisch. Gott sei Dank mehr Menschen als Unternehmen in Deutschland gibt, doch wohl etwas nicht ganz stimmen! Herr Minister Eichel, ich habe heute nur eine kurze Re- Die Insolvenzanzeigen sind wahrscheinlich die einzige dezeit von fünf Minuten. Ich bin nicht PISA-geschädigt Einnahmequelle, die den Zeitungsumsatz zurzeit stärkt. und kann ganz gut rechnen. Fünf Minuten sind insgesamt 300 Sekunden. Sie haben in diesen 300 Sekunden, die ich (Dr. Uwe Küster [SPD]: Ihre Vergleiche haben hier reden durfte, 581 700 Euro mehr Neuverschuldung aber zwei Krücken und hinken!) gemacht; denn Sie machen pro Sekunde 1 939 Euro mehr Ihre Prognosen, verehrter Herr Eichel, haben eine so Neuverschuldung. Das ist Ihre Politik, die zeigt, wie kurze Halbwertszeit, dass die FDP richtig gehandelt hat, schlecht es gelaufen ist. eine Aktuelle Stunde zu beantragen. Ihre Prognosen, die (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) so falsch sind, dass wir uns auch heute wieder damit be- schäftigen müssen, gibt es fast im Stundentakt. Ich mache Ihnen einen Sparvorschlag, Herr Eichel. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Fuchs, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ers- (Dr. Uwe Küster [SPD]: Ersparen Sie uns das, ten Rede im Deutschen Bundestag. was Sie sagen wollen! Das ist der beste Spar- vorschlag!) (Beifall) Sie könnten, wie ich denke, pro Jahr 600 000 Euro sparen. Das Wort hat jetzt die Kollegin Annette Faße von der Sie haben ein Wirtschaftsgutachten anfertigen lassen, das SPD-Fraktion. 600 000 Euro gekostet hat. Sie aber nehmen dieses Gut- achten, stecken es in eine Schublade, schließen diese or- (SPD): dentlich ab und schmeißen den Schlüssel in die Spree. Annette Faße (B) Kein Vorschlag – es stehen 20 konkrete Vorschläge darin – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- (D) wird umgesetzt. Die Kollegin Wöhrl hat eben zu Recht ren! Die FDP müsste sich an dieser Stelle eigentlich fra- gefragt, wo Ihre Gesetzesinitiativen dazu sind. Die würde gen, was die Einberufung dieser Aktuellen Stunde der ich gerne einmal sehen. Wirtschaft und den Menschen in diesem Lande eigentlich gebracht hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Dirk Niebel [FDP]: Klarheit! – Rainer Verehrte Frau Kollegin Hermenau, auch Sie scheinen Brüderle [FDP]: Sie zu sehen!) die Unternehmen gar nicht zu kennen. Glauben Sie, dass jeder in den Unternehmen so wie Sie, wenn Sie in Berlin Ein Lamentieren der Opposition, ein Schlechtreden herumfahren – ich habe schon gehört, dass sich viele grü- Deutschlands, das trägt nicht zur Problemlösung in un- ne Bundestagsabgeordnete beschweren, wenn sie am Flug- serem Lande bei. hafen nicht mit einer S-Klasse abgeholt werden –, einen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Mercedes oder BMW fährt? des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Dr. Uwe Küster [SPD]: Unglaublichen Schwach- Ein Jammertal war es, das hier gezeichnet wurde. So ist sinn erzählen Sie hier! Sie können alles erzählen, unser Land nicht. aber nicht solch einen Unfug!) Ich sage hier ganz klar und deutlich: Bei den Punkten, Nein, 80 Prozent der Firmenfahrzeuge sind Golf, Astra bei denen Sie im Bundesrat gefordert waren, wurden Sie etc. Wissen Sie, wozu Ihre Steuererhöhungen bei den be- schwammig oder aber polemisch. Ich weise etliche der troffenen Bürgern geführt haben? – Sie haben zu einer Ge- Aussagen, gerade die letzten, massiv zurück. Damit kom- haltskürzung um circa 60 Euro pro Monat geführt. Ich men Sie in unserem Lande nicht weiter. meine, das ist mehr als genug. (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Warten Sie (Zurufe von der SPD) es ab!) – Auch mit Schreien werden Sie es nicht richtiger machen. – Die Menschen wollen Lösungen für ihre Probleme; das ist Ihre Politik führt zu einer unglaublichen Mehrbelastung richtig. Unser ehrgeiziges Ziel ist und bleibt es, die öf- bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Betrie- fentlichen Haushalte zu konsolidieren. Hier sitzen wir alle ben. Sie werden am 1. Februar bis zu 200 Euro weniger in im gleichen Boot: die Kommunen, die Länder, der Bund der Gehaltstüte haben. Sie werden es Ihnen in Hessen hof- und die Sozialsysteme. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie, fentlich deutlich heimzahlen. wo auch immer Sie stehen, an der Stelle Ihren Anteil da- (Dirk Niebel [FDP]: Und in Niedersachsen!) ran leisten, dass wir diese Ziele erreichen können. 1416 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Annette Faße (A) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ vorragend da. Meine Herren der Opposition, Sie haben(C) DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ lange nicht so viel Geld in die Hand genommen. CSU]: Das machen wir im Bundesrat! Da än- (Jürgen Koppelin [FDP]: Kann es sein, dass Sie dern wir allen Unfug!) die falsche Rede mitgenommen haben?) Wir alle in diesem Land – und nicht nur ein Teil – tragen die Verantwortung. Die Investitionen bleiben trotz der angespannten Haushaltslage und trotz der Notwendigkeit der Haushalts- Wir bringen wichtige Strukturreformen auf den Weg; konsolidierung auch im Jahre 2003 auf hohem Niveau. (Dirk Niebel [FDP]: Welche? Nennen Sie doch Einsparungen dürfen so weit wie möglich nicht im Inves- einmal eine!) titionsbereich vorgenommen werden. Dies ist und bleibt unser Ziel. Wir halten es für richtig und wichtig, auch an dies ist Beschlusslage. Zu jedem Punkt, den wir für rich- dieser Stelle ein Wort zu den Investitionen, die im Osten tig halten, sagen Sie entweder, dass es nicht ganz so ist, unseres Landes auf hohem Niveau fortgeführt werden, zu dass es nicht halb so ist oder dass es total schlecht ist. sagen: 60 Prozent der Investitionen gehen allein in diesen (Jürgen Koppelin [FDP]: Meistens das Letz- Bereich. tere! Wir wollen doch nicht lügen! – Dirk In der letzten Legislaturperiode haben wir etwas, das Niebel [FDP]: Wenn es doch so ist!) Sie nie hinbekommen haben, erreicht. Das Hartz-Konzept kritisieren Sie sehr stark. Die Mittel- (Manfred Grund [CDU/CSU]: Jetzt sind wir standsoffensive, zu der selbst Handwerkskammern sagen, aber gespannt!) dass sie richtig ist, kritisieren Sie. Wir gehen mit ihr den richtigen Weg. Es geht um die Verkehrsinfrastruktur und die Öffnung neuer Verkehrswege. Dies werden wir weiter fortsetzen. (Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Abschaffung des Meisterbriefs!) (Manfred Grund [CDU/CSU]: Der ICE zum Beispiel und der Transrapid in China!) Ich glaube, Sie sind nicht mehr auf der Höhe der Zeit und Sie wissen nicht, wie die Diskussionen im Lande laufen. Wir werden hier gesetzgeberisch tätig werden und die pri- Die Mittelstandsoffensive ist richtig. Das Gleiche gilt für vat finanzierten Betreibermodelle weiterführen; denn wir die 2003 anstehende Reform der sozialen Sicherungssys- wissen, wie wichtig die Verkehrsinfrastruktur für unser teme. Land ist. Dieses Aufbrechen einer ganz neuen Finanzie- rung ist der richtige Weg. Sie sollten hier konstruktiv mit- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dietrich arbeiten und nicht versuchen, dies infrage zu stellen. Austermann [CDU/CSU]: Sie haben heute (B) (D) wohl zu viel Eierlikör getrunken!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich glaube, Sie wissen nicht mehr, wie in unserem Land diskutiert wird. Ich wünsche mir eine Opposition, die konstruktive Um mehr Wachstum und Beschäftigung zu erreichen, Vorschläge macht, setzen wir alles daran, die Investitionen so hoch wie mög- (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) lich zu halten; denn Investitionen sind die unabdingbare Voraussetzung für Wirtschaftswachstum. Investitionen si- eine Opposition, die die Vorschläge, die wir gemacht ha- chern den Unternehmen Aufträge und schaffen und erhal- ben, wirklich im Detail berät. Wenn Sie dies tun, sollten ten Arbeitsplätze. Die Investitionen in Infrastrukturmaß- Sie die Hinweise und Gesetzesvorgaben von uns ernst nahmen besitzen dabei eine Schlüsselrolle. nehmen und sie da, wo Sie in der Verantwortung stehen, auch entsprechend behandeln. (Rainer Brüderle [FDP]: Können Sie es noch einmal wiederholen?) (Manfred Grund [CDU/CSU]: Wir wollen uns wirklich bessern!) Deshalb ist und bleibt der Etat des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen der größte Inves- Ganz zum Schluss: Sigmar Gabriel ist ein hervorra- titionshaushalt des Bundes. Bei den Investitionen im Ver- gender Ministerpräsident für Niedersachsen und er wird kehrsbereich haben wir ein sehr hohes Niveau – höher als es auch bleiben. zu Ihrer Zeit – erreicht. (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das sehen (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist die Menschen anders!) total falsch!) Danke schön. Wir wissen um die Bedeutung für die Arbeitsplätze und (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ die Wirtschaft in unserem Land. DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: CSU]: Nichts sinkt schneller als die Investi- tionsquote!) Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus-Peter Willsch von der CDU/CSU-Fraktion. Das betrifft die Verkehrsinvestitionen und die Investitio- nen für Stadterneuerungen. Seit 1998 stehen wir hier her- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1417

(A) Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): serem Lande zu erzeugen. Nichts geschieht. Das Ende der (C) Fahnenstange ist erreicht. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- ren! Liebe Frau Faße, wenn man Ihnen so zuhört, dann (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – kommt man leicht auf den Gedanken, man müsste die Ak- Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Die Gans tuelle Stunde in Märchenstunde umtaufen, hat er noch aufgegessen!) (Dr. Uwe Küster [SPD]: So eine Überheblich- Wann gab es das je, dass ein Minister nach der Koali- keit! – Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜND- tionsvereinbarung ein so schlechtes Zeugnis bekommen NIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Versprechungen, hat? Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben mit ihrem die Sie der Bevölkerung machen, sind Mär- Herbstgutachten so lange gewartet, bis die Tinte unter der chen!) Koalitionsvereinbarung trocken war. Nachdem sie den Vertrag durchgelesen haben, haben sie festgestellt, dass und zwar nicht nur durch das, was Sie gesagt haben, son- sie die Wachstumsprognose wegen dieser Koalitionsver- dern auch dadurch, wie Sie es gesagt haben. einbarung um 0,5 Prozent senken müssen. Deshalb ist die Mir kommt es so vor, als ob Sie in einem anderen Land Wirtschaft bei uns am Boden. Deswegen gibt es in der Be- lebten. Die Menschen merken das alles nicht, was Sie dar- völkerung kein Vertrauen in diese Regierung. gestellt haben. Der Einzelhandel hat im letzten Jahr sein Es ist noch nie passiert – schauen Sie sich die demo- schwächstes Jahr gehabt. Die Investitionsquote im letzten skopischen Werte an –, dass unmittelbar nach einer Wahl Jahr war die niedrigste seit Bestehen der Bundesrepublik. die Stimmung im Land so mies war. Normalerweise ha- Aus diesem Grunde müssen Sie die Zahlen verändern und ben alle zu diesem Zeitpunkt vom Wahlkampf genug. brechen Ihnen die Prognosen schneller weg, als Sie sie Aber die Stimmung ist zurzeit so mies, weil Sie in diesem aufschreiben können. Land eine so miese Politik machen. (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ja!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Herr Eichel, ich muss mich Ihnen einmal zuwenden. Sie setzen Ihren Lug und Trug fort. Wenn Sie nicht von Wir als Hessen kennen uns schon länger. Herrn Solbes dazu gedrängt worden wären, Ende Januar (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Besser die Zahlen vorzulegen, dann hätten wir noch immer keine wäre er dageblieben!) Wachstumsprognose von 1 Prozent von Ihnen gehört. Wahrscheinlich würde dann weiterhin stereotyp von ei- Ich habe mich eigentlich schon immer über den Begriff nem Wachstum von 1,5 Prozent gesprochen. Um noch „Hans im Glück“ gewundert. Ich habe mir das so erklärt, einmal das Bild vom Hans aufzunehmen: Sie pfeifen wie dass Sie in der Tat Glück hatten, dass Herr Lafontaine ge- ein Kind im Wald, das die Wirklichkeit nicht wahrnehmen (B) (D) rade einen Abgang gemacht hatte und für Sie ein Platz frei will. war, als die hessischen Wähler Sie wegen erwiesener Ich darf aus der „Stuttgarter Zeitung“ zitieren: schlechter Leistungen abgewählt haben. Sie haben uns mit Ihrer rot-grünen Truppe in Hessen ein Land hinterlas- Der Hü-und-Hott-Stil hat dem Ansehen der rot-grü- sen, das trotz bester Voraussetzungen unter den Bundes- nen Koalition insgesamt geschadet. Wenn sich ländern nur eine schwache Mittelposition hatte. Unter führende Sozialdemokraten zuerst für die Vermögen- Roland Koch ist es in die Spitzenposition unter den Län- steuer stark machen und dann stattdessen eine mo- dern zurückgeführt worden. derate Zinsabgeltungsteuer beschließen, verlieren Partei, Bürger und Unternehmen schnell die Orien- (Beifall bei der CDU/CSU) tierung. Sie könnten sich „von Eichel“ nennen, wenn SieSie verlieren das Vertrauen, weil sie merken, wie Sie, Herr Wachstumsquoten wie in Hessen hätten, die drei- bis fünf- Eichel, weiterhin auf der Abschaffung des Bankgeheim- mal so hoch wie der Bundesdurchschnitt sind. Das wissen nisses beharren. Warum denn wohl? Wenn Sie eine Zins- Sie ganz genau. Hessen hat eine Arbeitslosenquote von abgeltungsteuer einführen, dann brauchen Sie das Bank- 8,1 Prozent, der Bundesdurchschnitt liegt bei 10,1 Pro- geheimnis nicht mehr abzuschaffen. Sie haben sicherlich zent. Mit solchen Zahlen würde ich schnell nach Hause noch andere Pläne. Diese werden aber erst nach dem gehen und aufhören, eine erfolgreiche Landesregierung 2. Februar bekannt gegeben. Sie wollen die Leute vor der zu kritisieren. Wahl erneut hinters Licht führen und ihnen nicht die Wenn man aber Bilder aus einem Märchen aufgreift, Wahrheit sagen. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. dann muss man die Geschichte bis zum Ende lesen. Sie (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) wissen ja, wie es mit dem Hans im Glück ausging. Er hat mit einem Goldklumpen angefangen. In einer ähnlichen Ihr Hin und Her in der Politik ist heute bei der An- Situation waren auch Sie. Durch das Aufblähen des Haus- hörung im Fraktionssaal in der Luft zerrissen worden. Steuervergünstigungsabbaugesetz – welch ein Euphemis- halts durch Herrn Lafontaine, Ihren Vorgänger, war jede mus für ein Gesetz, das nichts anderes als Mehrbelas- Menge Einsparvolumen vorhanden. Sie mussten nur die tungen für die Bürger bringt! eigenen Unsinnigkeiten wieder einsammeln. Sie hatten in den ersten Jahren einen Steueraufwuchs. Sie haben die Nehmen wir einmal an, jemand habe sich auf die Ko- Chancen verplempert. Deshalb stehen Sie heute mit dem alitionsvereinbarung verlassen. Er hat gelesen, dass auf Rücken an der Wand und haben keine Pfeile mehr imFuttermittel, zum Beispiel für ein Hausschwein, in Zu- Köcher, die Sie abschießen können, um Wachstum in un- kunft 16 Prozent Mehrwertsteuer entfallen. Also wurde 1418 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

Klaus-Peter Willsch (A) das Hausschwein geschlachtet und eine Hauskatze an- betreiben will. Die anderen – heute insbesondere Frau Kol- (C) geschafft. Aber auch auf Tierfutter muss nun 16 Prozent legin Wöhrl mit ihrer neuen Frisur – Mehrwertsteuer gezahlt werden. Die ermäßigte Mehr- (Heiterkeit bei der SPD – Dietrich Austermann wertsteuer gilt nämlich nicht mehr. [CDU/CSU]: Die würde dir nicht stehen!) Herr Eichel, Sie sollten eines wissen: In der Wirt-verdienen den ersten Preis für die größte Scheinheiligkeit. schafts-, Finanz- und Steuerpolitik muss man nicht nur das Vertrauen der Bürger genießen, sondern man muss (Beifall bei der SPD) auch verlässlich sein. Sie aber sind das Gegenteil. SieMit dieser Spekulation auf die Baissen ohne Ideen kom- vollziehen eine Pirouette nach der anderen. Keine Zahl ist men wir nicht weiter. belastbar. Keine Zahl, die bei Sonnenaufgang genannt wird, erlebt den Sonnenuntergang am selben Tag. Auf ei- Ein Weiteres trägt dazu bei, nämlich Ihr Hängen an den ner solchen Grundlage ist niemand bereit zu investieren Zahlen, Ihre Fixierung auf die Zahlen der Professoren und und zu konsumieren. Deshalb richten Sie unser Land zu- Institute. Wer die Prognosen der vergangenen Jahre eva- grunde. luiert, wird feststellen, dass der Wetterbericht treffsiche- rer ist als die Herren Professoren in ihrem Bereich. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Der Unterschied zwischen der Wissenschaft und der Poli- tik ist folgender: Wenn die Professoren falsche Prognosen Als letztem Redner in dieser Aktuellen Stunde erteile abgeben, stellen sie einen Antrag auf Förderung weiterer ich dem Kollegen Ludwig Stiegler von der SPD-Fraktion Forschungen. Wenn wir aufbauend auf deren falschen das Wort. Prognosen zu falschen Ergebnissen kommen, kriegen wir einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Ich (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist ja versichere Ihnen: Wer auf die Professoren baut, hat auf wirklich der letzte Redner! – Dr. Jürgen Gehb Sand gebaut. Auch unter ihnen gibt es übrigens Zweck- [CDU/CSU]: Das ist ja eine Endstrafe!) pessimisten, was auch mit der Nähe zu manchen Verbän- den zu tun hat. Ludwig Stiegler (SPD): Deshalb kommt es darauf an, dass wir handeln, statt Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns in die Depression reden zu lassen. Sie versündigen sieben Redner der Opposition gehört. Alle suhlen sich im sich an der wirtschaftlichen Stimmung, wenn Sie sich im Pessimismus wie Schwarzkittel im Sumpf und im Moor. Pessimismus suhlen und meinen, Sie müssten als Retter (B) gerufen werden, weil das Land in Not ist. Das hat schon (D) (Beifall bei der SPD) Herr Stoiber vergeblich versucht. Die Deutschen haben Es ist unglaublich, wie man ein neues Jahr so beginnen gesagt: Nein danke, Edmund, saniere lieber Kirch und Co. kann. In der Sprache der Börsianer handelt es sich dabei und die Maxhütte, als dich uns anzudienen! um eine richtige faule Bärenversammlung. Da lobe ich (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten mir unsere beiden Bullen, die Kraft und Stärke für die Zu- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) kunft mitbringen, während Sie nur warten, dass Ihnen ein Honigfass vor die Füße fällt. Dann hat Herr Merz versucht, Hans Eichel eine Staats- verschuldung in Höhe von 800 Milliarden Euro anzuhän- (Beifall bei der SPD – Lachen und Wider- gen. Das ist ein starkes Stück. Schließlich sind 750 Milli- spruch bei der CDU/CSU und der FDP) arden Euro davon die Erbschaft der schwarz-blau-gelben Koalition. Wir zahlen pro Jahr allein mindestens 30 Mil- – Nein, meine Damen und Herren, bei Ihnen ist die De- liarden Euro für Schulden, die Sie, Herr Brüderle, und pression weit verbreitet. Ihre Brüder und Schwestern von der schwarzen Seite uns (Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: In der hinterlassen haben. Wirtschaft ist sie verbreitet! Das müssen Sie (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist mal zur Kenntnis nehmen!) falsch!) Aber die Zukunft gehört nicht den Pessimisten, sondern Jede Minute muss für Ihre Schulden eine Summe im Wert denen, die mit Tatkraft und Optimismus handeln. Deshalb eines Einfamilienhauses aufgebracht werden, Herr werden Sie in diesem Jahr in Ihrem Pessimismus ver-Brüderle. sumpfen. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Wir könnten eine Konjunkturausgleichsrücklage von ei- Sie spekulieren auf eine Baisse, ganz nach dem Modell ner riesigen Größenordnung haben, wenn Sie das Land des Sonthofener Programms – es müsse alles noch tiefer nicht an die Wand gefahren hätten. sinken, hat Ihr Idol Franz Josef gesagt –, damit Sie mit Ihren Schweinereien in den politischen Vorstellungen (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Franziska durchkommen. Herr Merz spricht es als Einziger ehrlich Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- an. Die anderen reden drum herum. Herr Merz verdient zu- NEN]) mindest Punkte für seine Ehrlichkeit, weil er ausspricht, Der Einzige, der Schulden getilgt hat, war Hans mit sei- dass er auf die Arbeitnehmer losgehen und Sozialabbau nem Glück, nämlich mit den UMTS-Erlösen – das ist die Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1419

Ludwig Stiegler (A) Realität –, während Sie Jahr für Jahr alles verwirtschaftet Helft doch mit, dass die deutsche Bankenlandschaft end- (C) haben. Deshalb sind Sie die Letzten, die daran Kritik üben lich die Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank für sollten. Wer so wie Sie im Glashaus sitzt, sollte aufpassen, Investitionen und für die Mittelständler freigibt. Das ist dass ihm nicht das ganze „Greenhouse“ auf den Kopf fällt, unser Auftrag. sobald er nur einen Stein anfasst. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der DIE GRÜNEN) CDU/CSU) Meine Damen und Herren, dieses Land ist in der Lage, Lassen Sie uns auch das Positive sehen: In diesemseine Probleme zu lösen. Wenn Sie sich weiterhin in Pes- Land gibt es Preisstabilität. Dieses Land hat wettbewerbs- simismus suhlen wollen, dann lösen wir die Probleme fähige Lohnstückkosten. Dieses Land hat einen Handels- eben allein. Dann bleiben Sie im Sumpf sitzen und wer- bilanzüberschuss. Dieses Land hat einen Leistungsbilanz- den irgendwann zur Moorleiche. überschuss. Dieses Land verfügt über beträchtliche Innovationen. Meine Damen und Herren, dieses Land hat (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ eine Bundesregierung, die handelt. DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich erinnere etwa an das Programm „Kapital für Arbeit“. Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Helfen Sie doch mit, dass die Banken die Mittelständler Schluss unserer heutigen Tagesordnung. nicht verjagen, wenn sie Anträge im Rahmen dieses Pro- Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- grammes stellen. Heute sagen die Banken, sie tauschten tages auf morgen, Donnerstag, den 16. Januar 2003, Bundeskredite gegen eigene Kredite, weil sie sich selber 9 Uhr, ein. sanieren wollen. Dasselbe gilt für die Bankzinsen: Die Sitzung ist geschlossen. (Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Die Firmen haben keine Aufträge! Daran liegt es!) (Schluss: 17.06 Uhr)

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1421

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C) Anlage 1

Liste der entschuldigten Abgeordneten Blumen in Deutschland von bisher 7 Prozent auf den Regelsteu- ersatz von 16 Prozent auf den Export derjenigen Entwicklungs- länder mildern, die wie Kolumbien, Kenia, Ecuador zu den nach entschuldigt bis den Niederlanden weltweit größten Blumenexporteuren ge- Abgeordnete(r) einschließlich hören, und die für ihre wirtschaftliche Entwicklung in besonde- rer Weise auf die Absatzmöglichkeiten in Deutschland angewie- sen sind? Hartnagel, Anke SPD 15.01.2003 Trifft es zu, dass mehrere Regierungen von Entwicklungslän- dern sich mit der Bitte an die Bundesregierung gewandt haben, auf Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 15.01.2003 eine Umsatzsteuererhöhung auf Blumen zu verzichten, und wenn ja, wie hat die Bundesregierung darauf reagiert? Ibrügger, Lothar SPD 15.01.2003 Kasparick, Ulrich SPD 15.01.2003 Zu Frage 14: Lenke, Ina FDP 15.01.2003 Die Bundesregierung entwickelt ihr Steuersystem wei- ter und ist bestrebt, Ausnahmeregelungen weitestgehend Michelbach, Hans CDU/CSU 15.01.2003 abzuschaffen. Ziel ist eine gerechte Besteuerung mit öko- nomischer und finanzieller Effizienz wie auch mit der Möllemann, Jürgen W. FDP 15.01.2003 Notwendigkeit der Budgetkonsolidierung in Einklang zu Dr. Pflüger, Friedbert CDU/CSU 15.01.2003 bringen. In diesem Zusammenhang sind die Reduzierungen der Reiche, Katherina CDU/CSU 15.01.2003 Ausnahmen von der regulären Mehrwertsteuer ein wich- Straubinger, Max CDU/CSU 15.01.2003 tiger Bestandteil der Weiterentwicklung. Eine Anhebung bisher ermäßigter Umsatzsteuersätze auf den im inter- Dr. Thomae, Dieter FDP 15.01.2003 nationalen Vergleich moderaten Normalsteuersatz von Volquartz, Angelika CDU/CSU 15.01.2003 16 Prozent dient zudem dem Ziel der Bundesregierung, den ermäßigten Steuersatz vorrangig auf notwendige, le- Dr. von Weizsäcker, SPD 15.01.2003 benswichtige Güter zu beschränken. Ernst Ulrich Auch Importe von Blumen aus Entwicklungsländern (B) Welt, Jochen SPD 15.01.2003 wären von der Reform betroffen. Allerdings sollten kaum (D) Auswirkungen auf die Blumenproduktion in diesen Län- dern auftreten, da gleichermaßen deutsche, europäische Anlage 2 und importierte Blumen betroffen wären und sich daher die Stellung der Importe aus ihrem Land gegenüber ein- Antwort heimischen Blumen nicht ändert. Nach Einschätzung der Bundesregierung dürfte sich auch die Gesamtnachfrage der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die nach Blumen kaum ändern. Daher werden die Folgen für Frage der Abgeordneten Hannelore Roedel (CDU/CSU) Importe aus Entwicklungsländern als gering eingeschätzt. (Drucksache 15/286, Frage 13): Die Bundesregierung unterstützt den Verband des deut- Wie hoch sind die Steuerausfälle, die bei Einführung der Zins- schen Blumengroß- und Importhandels (BGI) und die abschlagsteuer dadurch entstehen, dass nicht der persönliche, pro- Menschenrechtsorganisation FIAN bei der Einführung gressive bis zu 48,5 Prozent hohe Steuersatz angewendet wird, sondern der pauschale von 25 Prozent? und Ausweitung des „Flower Label Programm Siegels“ mit dem Blumen zertifiziert werden, die aus einer Pro- Die Ausgestaltung der Einführung einer Abgeltung- duktion mit hohen sozialen, menschenrechtlichen und steuer auf Kapitalerträge ist noch nicht entschieden. Ent- ökologischen Standards stammen. Dadurch – so wie mit sprechend sind Aussagen zu finanziellen Auswirkungen weiteren Beratungsprojekten – fördert die Bundesregie- einer solchen Maßnahme sowohl beim Steuerpflichtigen rung den nachhaltigen Blumenanbau und dessen Export als auch für die öffentlichen Haushalte zum jetzigen Zeit- aus Entwicklungsländern. Diese Förderung wird fortge- punkt nicht möglich. setzt.

Zu Frage 15: Anlage 3 Es trifft zu, dass sich mehrere Regierungen von Ent- Antwort wicklungsländern an die Bundesregierung gewandt ha- der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die ben. In den Antwortschreiben der Bundesregierung wird Fragen des Abgeordneten Peter Weiß (Emmendingen) um Verständnis für die Reform des Steuerrechtes ge- (CDU/CSU) (Drucksache 15/286, Fragen 14 und 15): worben. Wie will die Bundesregierung die negativen Auswirkungen Weitere Antworten der Bundesregierung sind in Bear- der Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes auf den Verkauf von beitung. 1422 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003

(A) Anlage 4 noch vorzulegenden Ergebnissen auch eine Einbeziehung (C) der Bundesländer notwendig machen kann. Antwort des Parl. Staatssekretärs Walter Kolbow auf die Fragen Anlage 5 des Abgeordneten Christian Schmidt (Fürth) (CDU/ CSU) (Drucksache 15/286, Fragen 27 und 28): Antwort Wie ist der aktuelle Sachstand bei den Arbeiten der interminis- teriellen Arbeitsgruppe „Sicherheit im Luftraum“, insbesondere des Parl. Staatssekretärs Walter Kolbow auf die Frage der im Hinblick auf die materiellen Regelungen und formalen Ent- Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) (Druck- scheidungsbefugnisse für einen möglichen Abschuss von Flug- sache 15/286, Frage 29): zeugen, die sich in terroristischer oder sonst verbrecherischer Ab- Trifft es zu, dass am 27. November 2002 gegen 15 Uhr zwei sicht im deutschen Luftraum bewegen, und ist dabei beabsichtigt, Militärmaschinen der NATO auf dem Flughafen Tegel gelandet im Rahmen einer Neuregelung auch das Grundgesetz entspre- sind, und hat die Bundesregierung Informationen, ob der Flugha- chend zu ändern? fen Tegel oder andere Berliner oder Brandenburger Flughäfen in Wann ist mit der Umsetzung der zu erarbeitenden Empfehlun- die Kriegsvorbereitung der US-Regierung einbezogen sind? gen der interministeriellen Arbeitsgruppe „Sicherheit im Luft- raum“ durch die Bundesregierung in verbindliche Regelungen Die Überprüfung hat ergeben, dass zur angegebenen Zeit und formalisierte Handlungsanweisungen zu rechnen, und wie folgende Flugbewegungen von Luftfahrzeugen der NATO- sollen dabei die Bundesländer einbezogen werden? Partner von und zum Flughafen Tegel stattgefunden haben: 26. November 2002, 16:36 Uhr Zu Frage 27: an: Hellenic Airforce 434, EMBRAIR 135 Ende Januar 2003 wird die ressortübergreifende Arbeits- aus: Athen gruppe „Sicherheit im Luftraum“ auf Abteilungsleiterebene 27. November 2002, 08:12 Uhr tagen. Eine verbindliche Aussage zu abschließenden Ergeb- ab: Hellenic Airforce 434, EMBRAIR 135 nissen ist aufgrund der laufenden Arbeiten in der Arbeits- nach: Paris gruppe derzeit nicht möglich. 26. November 2002, 15:59 Uhr Zu Frage 28: an: Turkish Airforce 001, GULFSTREAM 4 aus: Ankara Die interministerielle Projektgruppe „Sicherheit im Luftraum“ arbeitet mit Nachdruck an ihren Empfehlun- 27. November 2002, 16:54 Uhr gen. Die Komplexität der zu behandelnden Fragestellung ab: Turkish Airforce 001, GULFSTREAM 4 (B) macht eine umfassende und zeitintensive Ressortabstim- nach: Ankara (D) mung notwendig, die derzeit gerade erfolgt. Auf Grund- Zur Einbeziehung des Flughafens Tegel oder anderer lage dieser Ergebnisse sollen dann die notwendigen Maß- Berliner oder Brandenburger Flughäfen in militärische Ak- nahmen umgesetzt werden, was in Abhängigkeit von den tivitäten der US-Regierung liegen keine Informationen vor.

Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 13 20, 53003 Bonn, Telefon: 02 28 / 3 82 08 40, Telefax: 02 28 / 3 82 08 44 ISSN 0722-7980