Schwebfliegen Für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (Diptera: Syrphidae) Halle, Heft 1/2020: 895–905
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Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes 75 Schwebfliegen für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (Diptera: Syrphidae) Halle, Heft 1/2020: 895–905 Bearbeitet von Christoph SAURE, Frank DZIOCK, Seitdem sind nur wenige faunistische Arbeiten zur Matthias JENTZSCH und Eckart STOLLE Schwebfliegenfauna des Bundeslandes publiziert (3. Fassung, Stand: Mai 2019) worden (SAURE 2016, JENTZSCH et al. 2017, LANGE 2018) oder befinden sich im Druck (SAURE & MARTEN in Dr.). Einführung Andere Publikationen aus den vergangenen Jahren (STOLLE 2009, BOCK 2011) fehlten im Literaturverzeich- Die Familie der Schwebfliegen enthält viele auffäl- nis der Checkliste. lig gezeichnete Arten, von denen etliche an ihrem Neben den Angaben aus der jüngeren Literatur schwebenden Flug zu erkennen sind. Die meist flossen auch bisher unveröffentlichte Funddaten der schwach sklerotisierten Fliegen bevorzugen schattige Autoren und anderer Entomologen (insbesondere von oder halbschattige Lebensräume und sind vor allem W. BÄSE) in die Neubearbeitung der Roten Liste ein. in Wäldern, an Waldrändern oder in Gewässernähe Allein vom Erstautor wurden seit dem Jahr 2013 ca. anzutreffen. Es gibt aber auch einige wärmeliebende 4.000 Schwebfliegen aus mehreren Projekten im Land Offenlandarten, die Trockenrasen, Heiden oder auch Sachsen-Anhalt (z. B. Streuobstwiesen, Binnendünen, landwirtschaftlich genutzte Flächen besiedeln. Die montane Lebensräume im Harz) zusammengetragen ausgewachsenen Fluginsekten ernähren sich über- und ausgewertet. wiegend von Nektar und Pollen. Ihre Larven sind Die Nomenklatur der Schwebfliegen folgt vor dagegen artspezifisch Blattlausfresser, Minierer in allem der Roten Liste und Gesamtartenliste der lebenden Pflanzen oder im weitesten Sinne Fäulnis- Schwebfliegen Deutschlands (SSYMANK et al. 2011). bewohner, die zerfallendes Pflanzenmaterial, Dung Abweichungen davon gibt es auf Gattungsebene bei oder Holzmulm fressen oder in fauligen Gewässern Heringia und Neocnemodon (vgl. VUJIć et al. 2013) so- als Filtrierer leben. wie bei Brachymyia und Criorhina (vgl. SPEIGHT 2018a). Schwebfliegen erbringen zusammen mit den Hinzu kommen folgende Veränderungen auf Artebe- Wildbienen eine wichtige Ökosystemdienstleistung, ne durch Artaufspaltung bzw. Synonymisierung: indem sie zahlreiche Pflanzen bestäuben, darunter auch Kulturpflanzen wie Beeren oder Steinobst. − Dasysyrphus lenensis BAGATSHANOVA, 1980 wird zu Viele Arten sind eng an seltene und gefährdete Bio- Dasysyrphus nigricornis (VERRALL, 1873) toptypen gebunden und eignen sich daher sehr nach BARKALOV (2007) gut für eine naturschutzfachliche Bewertung z. B. − Merodon avidus (ROSSI, 1790) wird zu Merodon moe- von Mooren und alten naturnahen Wäldern. Einige nium (WIEDEMANN, 1822) Schwebfliegen sind auch als charakteristische und nach POPOVIć et al. (2015) kennzeichnende Arten für unterschiedliche FFH-Le- − Pipiza bimaculata MEIGEN, 1822 wird zu Pipiza nota- bensraumtypen bekannt (SSYMANK et al. 1998). ta MEIGEN, 1822 Nach SSYMANK et al. (2011) kommen in Deutsch- nach VUJIć et al. (2013) land 463 Schwebfliegenarten vor. Die Checkliste der − Sphiximorpha binominata (VERRALL, 1901) wird zu Schwebfliegen Sachsen-Anhalts enthält 322 Arten Sphiximorpha garibaldii RONDANI, 1860 (JENTZSCH et al. 2016) und damit 69,5 Prozent des nach STEENIS et al. (2016) bundesweiten Artenbestandes. Das war bereits ein deutlicher Artenzuwachs im Vergleich zu den 290 Zu den wichtigsten Grundlagenwerken, die reichlich Arten, die der letzten Roten Liste der Schwebfliegen Informationen zur Taxonomie, Biologie, Ökologie und Sachsen-Anhalts zugrunde lagen (DZIOCK et al. 2004). Verbreitung der Schwebfliegen enthalten, gehören Aber auch in den vergangenen Jahren gab es Verän- die Landesfaunen von Schweden (BARTSCH et al. 2009a, derungen im Kenntnisstand und im Arteninventar. 2009b) und von den Niederlanden (REEMER et al. 2009). Einige Arten sind neu hinzugekommen, andere Arten SPEIGHT (2018a) enthält ausführliche Steckbriefe zu wurden für Sachsen-Anhalt gestrichen. Derzeit gehen den europäischen Schwebfliegenarten. wir von einer Anzahl von 325 Schwebfliegenarten in Die Bestimmung der Gattungen und Arten erfolgt Sachsen-Anhalt aus. mit SPEIGHT (2018b), SPEIGHT & SARTHOU (2017) sowie VAN VEEN (2004). Hilfreich sind auch die Bestimmungsta- Datengrundlage bellen in den nordeuropäischen Faunen von BARTSCH et al. (2009a, 2009b) und HAARTO & KERRPOLA (2007). Auch Die wichtigste Grundlage für die Erstellung der vor- der Schlüssel von VAN DER GOOT (1981) kann, vor allem liegenden Roten Liste ist die Gesamtartenliste der für Arten mit osteuropäischer Verbreitung, nach wie Schwebfliegen Sachsen-Anhalts von JENTZSCH et al. vor empfohlen werden. Für einige Artengruppen sind (2016), die Funddaten bis zum Jahr 2014 enthält. weitere Bestimmungsschlüssel erforderlich. 895 Schwebfliegen Für ausgestorbene oder verschollene Arten wird bei Eumerus sabulonum (FALLÉN, 1817) Wiederfund den Schwebfliegen eine Zeitspanne von 25 Jahren Die Art wurde zuletzt von RAPP (1942) für Sachsen- gewählt, d. h. Arten, die in Sachsen-Anhalt letztmalig Anhalt gemeldet. Damit ist der Nachweis von drei vor 1995 nachgewiesen wurden, werden in die Ge- Exemplaren durch C. SAURE im NSG Taufwiesenberge fährdungskategorie 0 eingestuft. bei Magdeburg im Jahr 2014 der Wiederfund nach über 70 Jahren. E. sabulonum gilt bundesweit als sehr Die Einstufung in die übrigen Rote-Liste-Kategorien selten und stark gefährdet (SSYMANK et al. 2011). Die erfolgt über die aktuelle Bestandssituation einer wärmeliebende Art ist eine charakteristische Bewoh- Art sowie ihrer Bestandsentwicklung in den vergan- nerin von Küsten- und Binnendünen (SPEIGHT 2018a). genen Jahren bzw. Jahrzehnten. Außerdem werden Risikofaktoren betrachtet, denen eine Art in Zukunft Heringia senilis SACK, 1938 ausgesetzt sein kann. Davon betroffen sind vor allem Nach einigen Autoren handelt es sich nicht um eine Schwebfliegenarten mit enger Bindung an gefährde- valide Art, sondern eine Form von Heringia heringi te Biotoptypen wie alte Laubwälder, Moore, Sümpfe, (vgl. SPEIGHT 2018a). Röhrichte, Trockenrasen, Heiden und Dünen. Unter dem derzeitigen Klimawandel sind auch die kältetole- Microdon myrmicae SCHÖNROggE et al., 2002 Wiederfund ranten Arten der montanen Höhenstufe (Harz) einem zunehmenden Risiko ausgesetzt. Die Sammelart Microdon mutabilis (LINNAEUS, 1758) wurde von SCHÖNROGGE et al. (2002) anhand larvaler und pupaler Merkmale in zwei Arten aufgespalten, Bemerkungen zu ausgewählten Arten nämlich in M. mutabilis (sensu stricto) und M. myrmi- Baccha obscuripennis MEIGEN, 1822 cae. Eine morphologische Trennung der adulten Flie- gen ist derzeit nicht möglich. Die Autoren (vgl. auch Nach einigen Autoren handelt es sich bei B. obscuri- SCHMID 2004) weisen aber auf Unterschiede in der pennis nicht um eine valide Art, sondern eine Form Biologie und Ökologie der Arten hin. Die Larven der von Baccha elongata (BARTSCH et al. 2009a, SPEIGHT Microdon-Arten entwickeln sich in Ameisennestern, 2018a). wo sie Eier und Larven von Ameisen vertilgen. Für M. myrmicae werden Myrmica-Arten als Wirte genannt Chrysogaster virescens LOEW, 1854 Neufund (vor allem Myrmica scabrinodis NYLANDER, 1846), wäh- Diese Art wurde von W. BÄSE im Jahr 2017 in der Dü- rend für M. mutabilis Ameisen der Gattung Formica bener Heide nachgewiesen. Die überregional seltene als Wirte angegeben werden (Formica lemani BONDRO- Art gilt in Deutschland als im unbekannten Ausmaß IT, 1917, F. cunicularia LATREILLE, 1798). Den Hauptle- gefährdet (Kategorie G, SSYMANK et al. 2011). Sie besie- bensräumen der Wirtsameisen entsprechend soll M. delt Moore, feuchte Wälder (Alnus, Salix) und Gewäs- myrmicae in Mooren und Sphagnum-Schwingrasen serränder (SPEIGHT 2018a). und M. mutabilis in offenen, warmen Graslandhabita- ten (Trockenrasen, Sandheiden u. a.) vorkommen. Chrysotoxum lineare (ZETTERSTEDT, 1819) ARTMANN-GRAF (2012) widmet sich ebenfalls den In der letzten Roten Liste der Schwebfliegen Sachsen- Habitats- und Wirtsansprüchen der beiden Micro- Anhalts (DZIOCK et al. 2004) wird diese überregional don-Arten. Seine Untersuchungen in der Schweiz extrem seltene Art nicht genannt. RÖDER (1883), zitiert deuten darauf hin, dass Formica fusca LINNAEUS, 1758 in STARK (1995), erwähnt jedoch einen Fund aus einem und möglicherweise auch Formica rufibarbisF ABRICIUS, Torfmoor bei Aschersleben. Dies ist der letzte bekann- 1793 die Wirtsameisen von M. mutabilis sind. Außer- te Fund von C. lineare in Sachsen-Anhalt. dem weist er darauf hin, dass Myrmica scabrinodis keinesfalls auf Feuchtlebensräume beschränkt ist. Dasysyrphus friuliensis (VAN DER GOOT, 1960) Von 75 Vorkommen dieser Ameise befanden sich 70 Die Art fehlte in der aktuellen Checkliste (JENTZSCH et in Trockenbiotopen. SEIFERT (2007) gibt als Hauptle- al. 2016). Nachweise liegen von folgenden Lokalitäten bensraum dieser Ameise „mesophile, nicht zu hoch- vor: 27.05.1998, Harz, Stern Molkenhaus, leg. & det. grasige Rasen- oder Saumbiotope“ an, und ergänzt, PELLMANN sowie 14.-19.06.2002, Schierke, Brockenkup- dass die höchsten Dichten in den offenen Sphagneten pe, leg. SACHER, det. STOLLE, vid. DZIOCK. von Mooren erreicht werden. Somit ist anzunehmen, Abb. 1: Männchen und Weibchen von Brachyopa bicolor, einer in Sachsen-Anhalt gefährdeten Art (Foto P. BORNAND). Abb. 2: Weibchen von Ceriana conopsoides, einer in Sachsen-Anhalt stark gefährdeten Art (Foto P. BORNAND). Abb. 3: Weibchen von Chrysotoxum elegans, einer in Sachsen-Anhalt verschollenen Art (Foto P. BORNAND). Abb. 4: Weibchen von Criorhina ranunculi, einer in Sachsen-Anhalt