ORIGINALE UND HISTORISCHE FIRNISSE AUF WERKEN DER GEMÄLDEGALERIE ALTE MEISTER KASSEL. SCHICHTENAUFBAU, SCHADENSFORMEN UND SCHADENSURSACHEN, RESTAURIERUNGSPROBLEMATIK

Inauguraldissertation Zur Erlangung des Grades eines Doctor philosophiae im Fachgebiet Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung von Kunst- und Kulturgut an der Hochschule für Bildende Künste vorgelegt von Thomas Krämer geb. am 24. April 1967 in München

Betreuerin: Prof. Dr. Ursula Haller, HfBK Dresden

Gutachter: 1. Prof. Dr. Ursula Haller, HfBK Dresden 2. Prof. Dipl.-Rest. Hans Portsteffen, TH Köln

Tag der öffentlichen Verteidigung: 19. April 2017

DANK

Im Vorfeld und im Verlauf meiner Arbeit habe ich von vielen Seiten vielfältige und wertvolle Hilfe, Anregungen und Unterstützung erhalten. Hans Brammer, ehemaliger Leiter der Restaurierung der Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK), hat mich mit der Restaurierungsproblematik und -geschichte der Kasseler Gemäldega- lerie vertraut gemacht und mir großzügig Einblick in seine Forschungen gegeben. Zusammen mit Prof. Dr. Christoph Herm, Hochschule für Bildenden Künste Dresden (HfBK Dresden), unterstützte er mich bei der schwierigen Themenfindung. Die Arbeit entstand parallel zu meiner Tätigkeit als Gemälderestaurator der MHK. Von Seiten der MHK, namentlich von dem ehemaligen Direktor, Prof. Dr. Michael Eissenhauer, und dem heutigen Direktor, Prof. Dr. Bernd Küster, sowie von der Leiterin der Restaurierung, Anne Harmssen, habe ich dazu größtmögliche Unterstützung erfahren. Prof. Dr. Ursula Haller verdanke ich die konstruktive und geduldige Betreuung meiner Arbeit und wertvolle Ratschläge und Hilfestellungen, Prof. Dr. Christoph Herm ebenso wertvolle Rat- schläge für die Objektuntersuchungen. Prof. Hans Portsteffen, Technische Hochschule Köln, danke ich für seinen Beitrag als Zweitgutachter meiner Arbeit. Zahlreiche ehemalige und heutige Kolleginnen und Kollegen der MHK haben mich tatkräftig unterstützt, mir wertvolle Hinweise gegeben oder Quellen zur Verfügung gestellt, Pia-Maria Hilsenbeck, Christiane Ehrenforth, Julia Dummer und Andreas Cogho, Prof. Dr. Gregor J. M. Weber und Dr. Julia Gierse, Dr. Justus Lange, Stefanie Rehm, Dr. Micha Röhring, Dr. Wolf- gang Adler, Dr. Jürgen M. Lehmann, Martin Menz, Siamak Chad-Bakht, Günther Kuss, Sabine Naumer und Gregor Börries, Barbara Striening, Ursula Lehmann, Arno Hensmanns, Ute Brun- zel und Gabriele Bößert, Gina Nowottka, Genevieve Silvester, Laura Hack und Margarete Juros. Wertvolle Hinweise verdanke ich auch Mechthild Most, Sybille Schmitt und Prof. Ingo Timm. Bei Recherchen waren mir Dr. Wolfgang Wimmer, Carl Zeiss Archiv Jena, Lydia Manetstädter vom Deutschen Patent- und Markenamt München, Alice Reger von der Fa. Chiron-Werke GmbH & Co. KG Tuttlingen, Dr. Cornelia Dörr, ehemals Direktorin des Kasseler Stadtmuse- ums, behilflich. Dr. Nathalia Gustavson, Andrea Kappes und Sonja Nadyn Krug stellten mir freundlicherweise ihre Arbeiten zur Verfügung. Petra Mandt erlaubte großzügig die Verwendung der von ihr erschlossenen und dem Archiv der Kasseler Gemälderestaurierung zur Verfügung gestellten, schriftliche Dokumente der Kasseler Restaurierungsgeschichte für diese Arbeit. Prof. Ivo Mohrmann und Kerstin Risse erstellten Röntgenaufnahmen, die auch für diese Arbeit verwendet wurden. Im Rahmen der Arbeit wurden Beiträge in Fachzeitschriften verfasst. Mein nochmaliger Dank für die Unterstützung und die Korrekturen dazu gilt Prof. Dr. Ulrich Schießl, ehemals HfBK Dresden, Prof. Dr. Ursula Haller sowie Hans Brammer, Beate Möller und Peter Krämer. Schließlich habe ich auch große Unterstützung bei der Verfassung der vorliegenden Arbeit er- fahren. Prof. Dr. Ursula Haller gab mit wertvolle Ratschläge zu Aufbau und Gliederung. Beate Möller verdanke ich die langjährige Unterstützung und Begleitung der Arbeit durch Kritik, An- regungen und Ratschläge. Schließlich leisteten Peter Krämer und Beate Möller die umfang- reiche und mühevolle Durchsicht und Korrektur. Beiden gilt mein besonderer und herzlichster Dank.

ZUSAMMENFASSUNG

Die Kasseler Gemäldegalerie Alte Meister hat ihren Schwerpunkt in der niederländischen, flämischen und deutschen Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts. Dazu zählt eine der größten und bedeutendsten Sammlungen von . Die Firnisse zahlreicher Gemälde, darunter Hauptwerke der Galerie, sind dick, stark gegilbt und verschiedentlich borkenartig craqueliert. Diese Firnisse sind vielschichtig und enthalten historische, möglicherweise auch originale Firnisschichten. Vielfach erscheint eine Firnisabnahme wünschenswert oder gerechtfertigt. Aus konservatorischen Gründen ist sie in einigen Fällen außergewöhnlich schwierig, in Einzelfällen sogar unmöglich. Die Restaurierungsgeschichte der Kasseler Galerie wird von den 1750er bis zu den 1960er Jahren betrachtet. Themen sind die Beschreibung und Beurteilung des Erhal- tungszustandes der Firnisse sowie die Konzeption und Durchführung von Restaurierungen und schließlich die Bewertung ihrer Ergebnisse. In Fallstudien werden die Schichtenabfolgen und die Veränderungen der Firnisse, insbesondere die Rissbildung und die Deformationen, unter- sucht. Reste eines originalen Firnisses und Zwischenfirnisse werden nachgewiesen. Auf der Grundlage der Befunde wird eine Rekonstruktion der Schadensentwicklungen versucht. Zuletzt wird die restauratorische und konservatorische Problematik einer Firnisabnahme und Firnis- dünnung dargestellt.

ABSTRACT

Original and historical varnishes on of the Old Masters Picture Gallery Kassel - layer sequence, damage forms and damage cause, restoration issues

The Old Masters Picture Gallery Kassel focuses on Dutch, Flemish and German paintings of the 17th and 18th century. It encompasses one of the largest and most significant Rembrandt collections. Varnishes on numerous paintings, some of them include major works of the gallery, are multi-layered and content historical, possibly even original varnish layers. Most of these varnishes are strongly yellowed and feature bark-like craquelures. In many cases a varnish removal appears to be desirable or justified but turns out to be exceptionally difficult with some paintings, in individual cases even impossible. A depiction of the restoration history of the Kassel Gallery covers a period from the 1750s until the 1960s. Topics involve the description and the assessment of the preservation condition of the varnishes as well as the conception, implementation and evaluation of the restoration measures. In case studies the layer sequences and the changes of the varnishes, especially cracking and deformation are viewed. Residues of a final varnish and intermediate varnishes are identified. Based on the findings it is attempted to reconstruct the development of damage phenomena. Finally, the restoration issues of varnish removal or thinning are presented.

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

1.1 Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit 4

1.2 Forschungsüberblick 7

1.3 Methoden der Arbeit 17

1.4 Begriffsverwendung 19

1.4.1 Originale und historische Firnisse 19

1.4.2 Rissbildung 21

2 Zur Restaurierungsgeschichte der Kasseler Gemäldegalerie Alte Meister 25

2. 1 Einleitung 25

2.2 Restaurierungen und Tätigkeiten des Galerieintendanten Johann Georg van Freese und -inspectors Johann Heinrich Tischbein d. J. von 1748 bis 1807 27

2.3 Kasseler Gemälde im Musée Napoléon von 1807 bis 1815 29

2.4 Restaurierungen und Tätigkeiten der Galerieinspectoren Ernst Friedrich F. Robert und Karl Christian Aubel von 1814/15 bis 1874 32

2.5 Begutachtungen der Sammlung und Restaurierungen von 1874 bis 1880 35

2.6 Begutachtungen der Sammlung und Restaurierungen von Alois Hauser d. Ä. und Alois Hauser d. J. von 1883 bis 1915 39

2.6.1 Begutachtung der Sammlung 1883 39

2.6.2 Restaurierungen von Alois Hauser d. Ä. und Alois Hauser d. J. und ihre Begutachtungen 1883 41

2.6.3 Restaurierungen von Alois Hauser d. J. von 1890 bis 1915 45

2.6.4 Alois Hauser d. Ä. und seine Anleitung zur Technik der Oelmalerei 46

2.6.5 Alois Hauser d. J. und sein Manuskript Über die Restauration von Gemälden 47

2.7 Begutachtungen der Sammlung und Restaurierungen von 1924 bis 1931 49

2.7.1 Begutachtung der Sammlung 1924 und Restaurierungen von 1925/26 bis 1929/1930 49

2.7.2 Begutachtungen der Sammlung durch Kurt Wehlte und Max Doerner 1929 53 2.7.3 „Skandal“ um Röntgenaufnahmen von 1931 57

2.8 Restaurierungen von Joseph Leiß von 1932/33 bis 1952 59

2.8.1 Patent für ein Verfahren zur Konservierung von Kunstschätzen 64

2.8.2 Auslagerung der Gemäldegalerie ab 1939 und Wiedereröffnung 1946 65

2.8.3 „Restaurierungsskandal“ und Begutachtung der Sammlung 1952 67

2.9 Restaurierungen von Sylvie von Reden 1952 bis 1966 69

2.9.1 Die „Kasseler Gemälde kehren zurück“, 1956 69

2.9.2 Regenerierungen, Abnahmen, Dünnungen, Trennungen und Aufträge von Firnissen 71

2.10 Zusammenfassung 75

3 Grundlagen und Methoden der Objektuntersuchung 79

3.1 Schadensphänomene und Schadensmodelle der Lack- und Anstrich- wissenschaften, Materialwissenschaften und Bruchmechanik 79 Innere Spannung und Rissbildung 79 - Geweitete Risse und plastische Schichten 81 - Quellungsrisse 82 - Rissverlauf und Rissablenkung 83 - Strömungen bei der Film- trocknung 86 - Quellungsbedingte Deformationen 89

3.2 Benennung und Darstellung der Firnis- und Malschichtrisse 91

3.3 Mikroskop-Fotografie und grafische Strukturanalyse 96 Bildoberfläche 96 - Farb- und Firnisquerschliffe 99

3.4 Darstellung von Löseprozessen am Querschliff 103 Modellhafte Darstellung des Löseprozesses bei einer Firnistrennung, -dünnung oder -abnahme 104 - Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restau- rierungen 104 - Konzeption und Grundlagen der Versuche 105 - Gültigkeit der Ver- suche und Fokussierung der Fragestellung 108 - Experimentelle Durchführung 109

3.5 Bestimmung von Schlussfirnissen und zeitliche Einordnung von Firnisschichten 113 Inventar 1749ff. 114 - Fortführung des Inventars 1749ff. in Supplementen 115 - Inventar 1816ff. 116 - Supplement des Inventars 1816ff. 117 - Schriftvergleich der roten Inventarnummern 119 - Anwendung in den Objektuntersuchungen 120

3.6 Bestandssichtung und Auswahl der Gemälde 120 Auswahl der vier Gemälde für die Objektuntersuchungen 122

3.7 Durchführung der Objektuntersuchung 125 Probeentnahme und Probenpräparation für Querschliffe 125 - Messung der Schicht- dicke 125 - Löseversuche an der Bildoberfläche 126 - Mikroskope und Mikroskop- Kameras 126 - Bildkataloge zu den Fallstudien 127 4 Fallstudien 129

4.1 Fallstudie I: Bartholomeus Frans Douven, Susanna und die beiden Alten 129

4.1.1 Einleitung 129 Künstler und Werk 129 - Provenienz und Sammlungsgeschichte 130 - Restau- rierungsgeschichte 131

4.1.2 Maltechnischer Aufbau und Erhaltungszustand 131

4.1.3 Auswahl der untersuchten Bereiche 132

4.1.4 Schichten und Schichtenfolgen 135

4.1.4.1 Grundierung 135

4.1.4.2 Malschicht 136 Partielle Zwischenfirnisse 137

4.1.4.3 Firnis 138 Gesamtdicke 140 - Anzahl der Firnisschichten 140 - Dicke der Firnisschichten 141 - UV-Fluoreszenz der Firnisschichten 141 - Rekonstruktionsversuch von Schichtenfol- gen 142 - Versuch der Bestimmung eines Schlussfirnisses und einer zeitlichen Einord- nung der Schichten und Schichtenfolgen 143

4.1.5 Schäden und Veränderungen 145

4.1.5.1 Grundierung 145

4.1.5.2 Malschicht 145 Malschichtrisse 145 - Abschabungen am Bildrand 151 - Deformationen, Migration und Schichtenauflösung 153

4.1.5.3 Firnis 154 Gilbung 154 - Trübung 154 - Rissbildung 155 - Migration von Firnis 171 - Schich- tenstörungen des Firnisses im Querschliff 171 - Modellhafte Rekonstruktionsver- suche der Veränderungen der Firnis- und Malschichtrisse sowie der Firnisdefor- mationen 176

4.1.5.4 Rekonstruktionsversuch der Restaurierungsgeschichte 180

4.1.6 Wirkung von Lösemitteln auf Firnis und Malschicht 181

4.1.6.1 Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff 181

4.1.6.2 Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen 185

4.1.7 Zusammenfassung 189

4.2 Fallstudie II: Rembrandt, Die Heilige Familie mit dem Vorhang 193

4.2.1 Einleitung 193 Künstler und Werk 193 - Provenienz und Sammlungsgeschichte 194 - Restau- rierungsgeschichte 195

4.2.2 Maltechnischer Aufbau und Erhaltungszustand 195

4.2.3 Auswahl der untersuchten Bereiche 197

4.2.4 Schichten und Schichtenfolgen 200

4.2.4.1 Grundierung 200

4.2.4.2 Malschicht 201

4.2.4.3 Firnis 203 Gesamtdicke 205 - Anzahl der Firnisschichten 206 - Dicke der Firnisschichten 206 - UV-Fluoreszenz der Firnisschichten 207 - Rekonstruktionsversuch von Schichten- folgen 208 - Versuch der Bestimmung eines Schlussfirnisses und einer zeitlichen Einordnung der Schichten und Schichtenfolgen 210

4.2.5 Schäden und Veränderungen 213

4.2.5.1 Grundierung 213

4.2.5.2 Malschicht 213 Malschichtrisse 213 - Migration und Schichtenauflösung 220 - Übermalungen und Retuschen 224

4.2.5.3 Firnis 225 Gilbung 225 - Trübung 225 - Rissbildung 226 - Migration von Firnis 239 - Fir- nisgirlande 240 - Lokale Firnisdünnung 241 - Schichtenstörungen des Firnisses im Querschliff 242 - Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Veränderungen der Firnis- und Malschichtrisse sowie der Firnisdeformationen 246

4.2.5.4 Rekonstruktionsversuch der Restaurierungsgeschichte 248

4.2.6 Wirkung von Lösemitteln auf Firnis und Malschicht 250

4.2.6.1 Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff 250

4.2.6.2 Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen 254

4.2.7 Zusammenfassung 258

4.3 Fallstudie III: Jacob Jordaens, Das Bohnenfest (Der König trinkt) 261

4.3.1 Einleitung 260 Künstler und Werk 261 - Provenienz und Sammlungsgeschichte 262 - Restaurie- rungsgeschichte 262 - Organisatorischer Rahmen der Untersuchung 263

4.3.2 Maltechnischer Aufbau und Erhaltungszustand 263 4.3.3 Auswahl der untersuchten Bereiche 265

4.3.4 Schichten und Schichtenfolgen 271

4.3.4.1 Grundierung 271

4.3.4.2 Malschicht 273 Partielle Zwischenfirnisse 275

4.3.4.3 Firnis 275 Gesamtdicke 278 - Anzahl der Firnisschichten 278 - Dicke der Firnisschichten 279 - UV-Fluoreszenz der Firnisschichten 279 - Rekonstruktionsversuch von Schichten- folgen 280 - Versuch einer zeitlichen Einordnung der Schichten und Schichten- folgen 280

4.3.5 Schäden und Veränderungen 281

4.3.5.1 Grundierung 281

4.3.5.2 Malschicht 281 Malschichtrisse 281 - Migration und Auflösung von Farbe 286 - Bereibungen der Malschicht 288 - Trübung der Malschicht 288 - Übermalungen 289

4.3.5.3 Firnis 289 Gilbung 289 - Trübung 289 - Rissbildung 289 - Mattigkeit und Runzeln 304 - Firnisinseln 306 - Migration von Firnis 308 - Einschluss von Luftblasen 309 - Absplitterungen 309 - Schichtenstörungen des Firnisses im Querschliff 310 - Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Veränderungen der Firnis- und Mal- schichtrisse sowie der Firnisdeformationen 315

4.3.5.4 Rekonstruktionsversuch der Restaurierungsgeschichte 317

4.3.6 Wirkung von Lösemitteln auf Firnis und Malschicht 319

4.3.6.1 Löseverhalten des Firnisses 319 Löseversuche an der Bildoberfläche 319 - Modellhafte Darstellung des Löse- prozesses am Querschliff 323

4.3.6.2 Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen 328

4.3.7 Zusammenfassung 333

4.4 Fallstudie IV: Melchior de Hondecoeter, Die weiße Henne mit Küchlein 335

4.4.1 Einleitung 335 Künstler und Werk 335 - Provenienz und Sammlungsgeschichte 336 - Restau- rierungsgeschichte 336

4.4.2 Maltechnischer Aufbau, Erhaltungszustand und Zwischen- zustand der aktuellen Konservierung und Restaurierung 337

4.4.2.1 Maltechnischer Aufbau 337

4.4.2.2 Erhaltungszustand 339 4.4.2.3 Zwischenzustand der aktuellen Konservierung und Restaurierung 340

4.4.3 Auswahl der untersuchten Bereiche 341

4.4.4 Schichten und Schichtenfolgen 345

4.4.4.1 Grundierung 345

4.4.4.2 Malschicht 346 Partielle Zwischenfirnisse 348

4.4.4.3 Firnis 348 Gesamtdicke 351 - Anzahl der Firnisschichten 351 - Dicke der Firnisschichten 352 - UV-Fluoreszenz der Firnisschichten 352 - Rekonstruktionsversuch von Schichtenfol- gen 353 - Versuch einer zeitlichen Einordnung der Schichten und Schichtenfolgen 353

4.4.5 Schäden und Veränderungen 354

4.4.5.1 Grundierung 354

4.4.5.2 Malschicht 354 Malschichtrisse 354 - Migration, Deformation und Auflösung von Schichten 358 - Abschabungen am Bildrand 361 - Übermalungen und Retuschen 362

4.4.5.3 Firnis 363 Gilbung 363 - Trübung 363 - Rissbildung 363 - Spritznebel eines Firnisauftrags 377 - Schichtenstörungen des Firnisses im Querschliff 379 - Modellhafte Rekon- struktionsversuche der Veränderungen der Firnis- und Malschichtrisse sowie der Firnisdeformationen 384

4.4.5.4 Rekonstruktionsversuch der Restaurierungsgeschichte 388

4.4.6 Wirkung von Lösemitteln auf Firnis und Malschicht 389

4.4.6.1 Löseverhalten des Firnisses 389 Löseversuche an der Bildoberfläche 389 - Modellhafte Darstellung des Löse- prozesses am Querschliff 392

4.4.6.2 Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen 397

4.4.7 Mechanische Firnisdünnung 401

4.4.8 Zusammenfassung 405

5 Schlussbetrachtung 407

5.1 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse 407

5.1.1 Zur Restaurierungsgeschichte der Kasseler Gemäldegalerie 407

5.1.2 Grundlagen und Methoden der Objektuntersuchung 413 5.1.3 Fallstudien 417

4.1.4 Restaurierungsproblematik 429

5.2 Ansätze für weiterführende Forschungen 433

6 Bibliografie 435

6.1 Ausstellungs- und Bestandskataloge 435

6.2 Monografien, Aufsätze, Presse, Nachschlagewerke 436

6.3 Internet-Quellen 459

6.4 Norm(-en) 459

7 Nachweise 461

7.1 Bildnachweise 462

7.2 Archivbestände 463

Anhang 465

A Grundlagen und Methoden der Objektuntersuchung 465

A.1 Objektliste der Bestandssichtung 465

A.2 Mikroskop-Ausstattung 470

B Fallstudien 472

B.1 Fallstudie I: Bartholomeus Frans Douven, Susanna und die beiden Alten 472

B.1.1 Übersicht der mikroskopisch untersuchten Bereiche und Probeent- nahmestellen für Querschliffe 472

B.1.2 Daten der Versuche zur Wirkung von Lösemitteln an den Querschliffen 473

B.2 Fallstudie II: Rembrandt, Die Heilige Familie mit dem Vorhang 474

B.2.1 Übersicht der mikroskopisch untersuchten Bereiche und Probeent- nahmestellen für Querschliffe 474

B.2.2 Daten der Versuche zur Wirkung von Lösemitteln an den Querschliffen 475

B.3 Fallstudie III: Jacob Jordaens, Das Bohnenfest (Der König trinkt) 476 B.3.1 Übersicht der mikroskopisch untersuchten Bereiche und Probeent- nahmestellen für Querschliffe 476

B.3.2 Daten der Löseversuche an der Bildoberfläche 477

B.3.3 Daten der Versuche zur Wirkung von Lösemitteln an den Querschliffen 477

B.4 Fallstudie IV: Melchior de Hondecoeter, Die weiße Henne mit Küchlein 479

B.4.1 Übersicht der mikroskopisch untersuchten Bereiche und Probeentnahmestellen für Querschliffe 479

B.4.2 Daten der Löseversuche an der Bildoberfläche 480

B.4.3 Daten der Versuche zur Wirkung von Lösemitteln an den Querschliffen 480

C Bildkataloge zu den Fallstudien 481

C.1 Bildkatalog zu Fallstudie I: Bartholomeus Frans Douven, Susanna und die beiden Alten 483

C.2 Bildkatalog zu Fallstudie II: Rembrandt, Die Heilige Familie mit dem Vorhang 439

C.3 Bildkatalog zu Fallstudie III: Jacob Jordaens, Das Bohnenfest (Der König trinkt) 613

C.4 Bildkatalog zu Fallstudie IV: Melchior de Hondecoeter, Die weiße Henne mit Küchlein 709

D Lebenslauf 771

1 EINLEITUNG

Die Kasseler Gemäldegalerie Alte Meister hat ihren Schwerpunkt in der niederländischen, flämischen und deutschen Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts. Dazu zählt eine der größten und bedeutendsten Sammlungen von Rembrandt. Auf zahlreichen Gemälden, darunter Hauptwerke der Galerie, sind dicke, stark gegilbte sowie verschiedentlich borkenartig deformierte Firnisse erhalten. Ihre heutige Dicke wird vor allem als Resultat von mehrfachen Firnisaufträgen historischer Restaurierungen angesehen. Vielfach erscheint eine Firnisabnahme wünschenswert oder gerechtfertigt, aber sie erweist sich in einigen Fällen als außergewöhnlich schwierig, in Einzelfällen sogar als unmöglich. Die Ursachen dafür liegen in mikroskopisch kleinen Beschädigungen des Schichtengefüges von Malerei und Firnis. Diese zeigen sich in der Auflösung der Schichtgrenzen und im Verfließen von Farbe und Firnis. Die Restaurierungs- problematik und -geschichte der Kasseler Gemälde wird ab den 1980er Jahren von Hans Brammer, ehemals Leiter der Restaurierung der Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK), Sibylle Schmitt und Petra Mandt erforscht. Nach bisherigen Erkenntnissen gehen die Beschä- digungen auf Firnisregenerierungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zurück. Ver- mutet wird, dass man dazu vielfach Copaivabalsam verwendet hatte. In dem interdisziplinären Forschungsprojekt MOLART (1995-2000), an dem Sibylle Schmitt und die Museumsland- schaft Hessen Kassel als Institution teilnehmen, ist u.a. Copaivabalsam Gegenstand von Unter- suchungen.1 Diese Arbeit knüpft daran an und befasst sich eingehend mit den originalen Firnisschichten, den eventuell erhaltenen Schlussfirnissen und Zwischenfirnissen, und den historischen Firnis- schichten Kasseler Gemälde. Ausgehend von dem heutigen Erhaltungszustand sollen der origi- nale Zustand und die späteren Veränderungen rekonstruiert sowie Risiken und Grenzen einer möglichen Restaurierung prognostiziert werden. Dabei wird die Restaurierungsgeschichte der Kasseler Sammlung in schriftlichen Quellen mit der Untersuchung ausgewählter Gemälde in Bezug gesetzt. Der erste Teil, die Darstellung der Restaurierungsgeschichte der Kasseler Galerie, umfasst eine Zeitspanne von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die 1960er Jahre. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts finden die bedeutendsten und umfangreichsten Erwerbungen statt. Themen sind die Beschreibung und Beurteilung des Erhaltungszustands der damals bereits gealterten Fir- nisse, die Beobachtung von Schäden und die Analyse ihrer Ursachen, die Konzeption und

1 Vgl. Brammer 1987, Brammer 1999; Mandt 2005; Schmitt 1990; Werff u. a. 2000; MOLART-report 1996. Durchführung von restauratorischen Maßnahmen und schließlich die Bewertung der Restaurie- rungsergebnisse. Bedeutende historische Persönlichkeiten der Restaurierung, Maltechnik und Kunsttechnologie sind in Kassel praktisch (Alois Hauser d. Ä. und d. J.) oder als Gutachter (Kurt Wehlte und Max Doerner) tätig. Eine Bestandaufnahme der Sammlung, die heute ca. 1600 Werke zählt, ergibt, dass 74 Gemälde eine erhebliche Firnisgilbung und bei normaler Betrachtung auffällige Firnisdeformationen auf- weisen. Davon werden vier Gemälde als Fallstudien für eine eingehende Untersuchung ausge- wählt. Der Fokus der vorwiegend lichtmikroskopischen Untersuchung liegt auf der Identifi- zierung des Schichtenaufbaus der Firnisse, dem Firniscraquelé, den auffälligen, insbesondere borkenartigen Deformationen und den Schichtenstörungen innerhalb der Firnisse. Die Gemälde werden vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Sammlungs- und Restaurierungsgeschichte sowie ihres maltechnischen Aufbaus und allgemeinen Erhaltungszustands untersucht. In einem eigen- ständigen Kapitel sind die Grundlagen und Methoden der Gemäldeuntersuchung zusammen- gefasst. Hinsichtlich der Schadensphänomene und -ursachen sind die Erkenntnisse vor allem der Lack- und Anstrichtechnologie grundlegend. Entwickelt werden Methoden der Mikroskop- Fotografie und grafischen Analyse, der Darstellung von Löseprozessen am Querschliff und der Nutzung von historischen Galerienummern zur Differenzierung und zeitlichen Einordnung von Firnisschichten. Mit der vorliegenden Arbeit soll ein Beitrag zur Kunsttechnologie, zur Restaurierungsge- schichte, zu Methoden und Techniken der Untersuchung und Dokumentation und schließlich auch ein Beitrag zur Konzeption von praktischen Restaurierungen geleistet werden. Zum Thema und im Rahmen der Dissertation waren bereits Beiträge veröffentlicht und Vor- träge gehalten worden. Teile und Inhalte dieser Arbeiten werden in überarbeiteter Form auch in der vorliegenden Arbeit verwendet.

Publikationen

Zur Schadens- und Restaurierungsproblematik von Ferdinand Bols Bildnis einer jungen Frau mit Nelke in der Kasseler Gemäldegalerie Alte Meister, in: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung, 23. Jg. 2009, Heft 1, S. 24-40.

2 Zur Restaurierungsgeschichte der Kasseler Gemäldegalerie Alte Meister Kassel: Erhaltungszu- stand und Bearbeitung der Firnisse in schriftlichen Quellen, in: Zeitschrift für Kunsttechno- logie und Konservierung, 24. Jg. 2010, Heft 1, S. 36-54.

Riss- und Borkenbildung historischer Gemäldefirnisse. Befunduntersuchungen von zwei Wer- ken der Kasseler Gemäldegalerie Alte Meister, in: Restauro, 119. Jg. 2013, Heft 3, S. 32-43.

Vorträge

Original and historical varnishes on paintings of the Old Masters Gallery Kassel - layer se- quence, damage forms and cause, restoration issues, The Ulrich Schiessl PhD Colloqium, 24. - 25. November 2014 in Dresden, organisiert von ENCoRE (European Network for Conser- vation and Restoration Education) und der Hochschule für Bildende Künste Dresden.

Veränderungen der Bildoberfläche bei der Dünnung oder Abnahme von Firnissen. Ein Beispiel aus der Kasseler Gemäldegalerie Alte Meister, Schicht um Schicht. Die Bedeutung und Ästhe- tik der Oberfläche, Tagung der Fachgruppe Gemälde im VDR, 9. - 11. Juni 2016 in Kassel.2

Hinweise zur Nutzung der Arbeit In den Kapiteln 1 bis 3 sind die Abbildungen und Tabellen fortlaufend nummeriert. Wegen der hohen Anzahl von Abbildungen und Tabellen in den Kapiteln 4.1 bis 4.4, den Fallstudien I bis IV, wird eine differenzierte Nummerierung gewählt. In Kapitel 4.1 (Fallstudie I) lauten die Ab- bildungen Abb. I.1, I.2, I.3… und die Tabellen Tab. I.1, I.2, I.3 …, in Kapitel 4.2 (Fallstudie II) entsprechend Abb. II.1, II.2, II.3…, die Tabellen Tab. II.1, II.2, II.3 usw. Parallel zu den Textabbildungen in den Kapiteln 4.1 bis 4.4 können die Bildkataloge zu den Fallstudien im An- hang (C.I bis C.IV) betrachtet werden.

2 Ein auf dem Vortrag basierender Beitrag erscheint nach Abgabe der vorliegenden Arbeit in VDR Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut, 2017, Heft 1, S. 26-34. 3 1.1 Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit

Die vorliegende Arbeit befasst sich aus verschiedenen Perspektiven und mit verschiedenen Fragestellungen mit den Firnissen der Werke der Kasseler Gemäldegalerie Alte Meister. Dabei sind der mehrschichtige Aufbau der Firnisse und die Schichtenabfolgen der zentrale und die verschiedenen Fragestellungen verbindende Aspekt. Untersucht wird die Frage nach der Erhaltung von Schlussfirnissen. Dabei wird davon ausge- gangen, dass es keine Schlussfirnisse als originale Firnisse im Sinne eines von Restaurierungen unberührten Zustands gibt, sondern dass sie als Schichten in den heutigen mehrschichtigen Fir- nissen unter Umständen enthalten sein können. Wie lassen sich originale Firnisschichten von Firnissen unterscheiden, die im Zuge von Restaurierungen nach einer Firnisabnahme auf- getragen wurden? Die Differenzierung ist hier besonders schwierig, weil die Schichtenabfol- gen durch Löse- und Quellungsprozesse verändert sind. Die Mehrheit der Einzelschichten der mehrschichtigen Firnisse stammt sicherlich von histo- rischen Restaurierungen. Bei der Betrachtung der Schichtenabfolge stellt sich die Frage, ob die Schichten jeweils eine Restaurierung repräsentieren oder ob bei Restaurierungen mehrere Schichten in Folge aufgetragen worden waren. Hatte ein kontinuierlicher Zuwachs von Firnis- schichten stattgefunden oder hatte man die Firnisse im Wechsel mit Aufträgen ganzflächig oder partiell abgenommen, gedünnt oder getrennt? Gibt es zwischen den Gemälden Gemeinsam- keiten der Schichtenabfolge? Lassen sich die Schichten auf der Grundlage der schriftlichen Quellen der Restaurierungsgeschichte datieren oder zeitlich einordnen und sind in diesen schriftlichen Quellen besondere oder ungewöhnliche Firnismaterialien genannt, die eine Identi- fizierung ermöglichen? Borkenartige Deformationen von Firnissen, wie sie an den Kasseler Gemälden vorliegen, sind kaum erforscht und ihre möglichen Ursachen sind vielfältig. Vermutet wird, dass die Ursachen nicht materialimmanent sind, sondern auf Quellungs- und Löseprozessen beruhen und in Zu- sammenhang sowohl mit der Mehrschichtigkeit der Firnisse als auch mit dem Firnis- und Malschichtcraquelé stehen. Ein Schwerpunkt der Betrachtung wird auf die Spuren von Firnis- rissen gelegt, die durch Restaurierungsmaßnahmen wieder geschlossen worden waren. Schichtenstörungen innerhalb der Firnisse und ihr komplexer Zusammenhang mit der Auf- lösung von Farbschichten und der Migration von Farbe sind bereits bekannt. Die Arbeit geht näher auf den bislang unberücksichtigten Aspekt ein, dass die Schichtenstörungen inhomogen in der Fläche verteilt sind und sich im Bereich des Firnis- und Malschichtcraquelés konzent-

4 rieren. Geklärt werden soll auch, in welchem Verhältnis die Schichtenstörungen zu den ober- flächlich sichtbaren Firnisdeformationen stehen. Die Deformationen und Schichtenstörungen werden als physikalische Prozesse betrachtet und es wird versucht, diese Prozesse modellhaft zu rekonstruieren. Aus dieser Perspektive wird nicht unterschieden zwischen einer Firnisregenerierung mit Alkoholdampf oder mit Copaiva- balsam, einem lösemittelhaltigen Firnis oder einer „Auffrischung“ mit Lösemitteln, sondern sie können gleichermaßen die Ursache von Quellungs- und Löseprozessen an Firnis und Mal- schicht sein. Die Forschung zur Restaurierungsgeschichte der Kasseler Gemäldegalerie konzentriert sich bislang thematisch auf die Firnisregenerierung und die Verwendung von Copaivabalsam. Eine umfassende Darstellung zum Thema Firnisse fehlt. Bislang weitgehend unbearbeitet ist die Restaurierungsgeschichte der ersten Hälfte und Mitte des 20. Jahrhunderts. Auch sind neueste Erkenntnisse zur Restaurierungsgeschichte und zur restaurierungsgeschichtlich relevanten Sammlungsgeschichte noch nicht zusammengeführt. Zuerst stellt sich die Frage, wie man die gealterten Firnisse in ihrem Zustand beschrieben und bewertet und zu welcher Zeit man die genannten Schadensphänomene (Rissbildung, borken- artige Deformationen, Schädigung durch Lösemitteleinwirkung) an den Kasseler Gemälden erstmals beobachtet hatte. Welche restauratorischen Maßnahmen waren vorgeschlagen, konzi- piert, beauftragt und realisiert, wie waren sie umgesetzt und wie waren ihre Resultate beurteilt worden? Auch wird danach gefragt, welche Materialien man bei den Restaurierungen verwen- det hatte, insbesondere Copaivabalsam für die Firnisregenerierung und ölhaltige Firnisse. Die Fragestellung zur Restaurierungsproblematik bezieht sich auf die Möglichkeiten und Grenzen einer Firnisabnahme, -dünnung oder -trennung. Nach eigenen Erfahrungen in der Kasseler Gemälderestaurierung seit dem Jahr 2000 hatten sich bei Restaurierungen von Werken des historischen Sammlungsbestandes mit stark gegilbten und zum Teil auch borkenartig de- formierten Firnissen wiederholt unerwartete Schwierigkeiten ergeben. Ein Aspekt dieser Schwierigkeiten ist ein ungleichmäßiges Löseverhalten der Firnisse, dessen Ursachen ebenfalls in borkenartigen Deformationen sowie in der Mehrschichtigkeit und in Schichtenstörungen ver- mutet werden. Gibt es Firnisschichten innerhalb der mehrschichtigen Firnisse, die eventuell deutlich langsamer löslich oder schwer löslich sind? Als zweiter Aspekt war in einigen Fällen eine ungewöhnliche Lösemittelempfindlichkeit der Malschicht beobachtet worden. Sie ist zum Teil durch partielle Zwischenfirnisse bedingt, die deshalb Gegenstand der Untersuchung origi- naler Firnisse sind. Sowohl im Hinblick auf eine mögliche Vorschädigung und maltechnisch bedingte Lösemittelempfindlichkeit der Malschicht als auch im Hinblick auf möglicherweise

5 erhaltene Schlussfirnisse hat eine Trennung von Firnisschichten bzw. eine Freilegung des Schlussfirnisses als Restaurierungsziel eine besondere Bedeutung. Bislang sind dazu noch keine Fallbeispiele aus der Kasseler Gemälderestaurierung publiziert. Teil der Restaurierungsproblematik ist, dass es bislang keine am Kunstwerk und unter Atelier- bedingungen praktikable Untersuchungsmethode gibt, mit welcher der Vorzustand eines Fir- nisses, die Versuche mit Lösemitteln oder mechanischen Werkzeugen und die Ergebnisse dar- gestellt werden können. Somit fehlt eine wesentliche Grundlage für die Diskussion, Konzeption, Begründung und Dokumentation einer möglichen Restaurierung.

6 1.2 Forschungsüberblick

Hans Brammer legt den Grundstein für die restauratorische Forschung der Kasseler Gemälde- galerie und ihrer Werke.3 Er setzt schriftliche Quellen und Objektbefunde miteinander in Bezug und führt die erstmals mikroskopisch dargestellten Beschädigungen der Malschichtoberfläche auf Quellungs- und Löseprozesse historischer Restaurierungen zurück. Wegweisend sind die Mikroskop-Aufnahmen der Bildoberfläche und die Darstellung des mehrschichtigen Firnisses anhand von Querschliffen. An diese Untersuchungen knüpft Brammer mit einem Beitrag zu „Firnisschichtungen“ auf Kasseler Gemälden an.4 Die Migration und Auflösung von Farbe im Firnis, die Deformation und Auflösung von Firnisschichten und das Löseverhalten des Firnisses werden erstmals im Querschliff dargestellt. Brammer verknüpft dabei Objektbefunde mit schriftlichen, maltechnischen und restaurierungsgeschichtlichen Quellen und chemischen Ma- terialanalysen. In beiden Arbeiten werden das Pettenkoferʼsche Verfahren zur Firnisregenerie- rung und insbesondere der dabei verwendete Copaivabalsam als Ursache der Quellungs- und Löseprozesse benannt. Sibylle Schmitt befasst sich mit der Geschichte dieses Verfahrens und verbindet sie ebenfalls mit Objektuntersuchungen. Sie legt den Schwerpunkt auf Veränderungen der Malschicht. Die Fallstudien stammen sowohl aus der Kasseler Gemäldegalerie als auch aus anderen musealen Sammlungen, was auf eine weitere Verbreitung des Schadensphänomens hindeutet.5 Das bestä- tigen auch die Arbeiten von Silvia Castro und Sylvia Hofmann zu zwei niederländischen Gemälden des 17. Jahrhunderts des Staatlichen Museums Schwerin sowie von Iris Schaefer, Kathrin Pilz und Caroline von Saint-George zu dem Selbstbildnis als Zeuxis von Rembrandt aus dem Wallraf-Richartz-Museum in Köln.6 Borkenartig deformierte Firnisoberflächen und

3 Vgl. Brammer 1987. Die untersuchten Gemälde sind Rembrandt, Bildnis eines stehenden Herrn in ganzer Figur, und Ferdinand Bol, Bildnis einer jungen Frau mit Nelke. 4 Vgl. Brammer 1999. Die untersuchten Gemälde sind Rembrandt, Bildnis eines stehenden Herrn in ganzer Figur und Bildnis eines federschneidenden Mannes, Roelant Roghman, Gebirgslandschaft mit Brücke und Ferdinand Bol, Bildnis einer jungen Frau mit Nelke. 5 Vgl. Schmitt 1990, S. 50-60. Die Werke der Objektuntersuchungen stammen aus der Kasseler Gemäldegalerie Alte Meister (Ferdinand Bol, Bildnis einer jungen Frau mit Nelke), aus dem Bayerischen Nationalmuseum, München und der Alten Pinakothek. Die Anwendung des Pettenkofer’schen Verfahrens ist anhand schriftlicher Quellen nur für die Alte Pinakothek belegt, in den beiden anderen Fällen wird sie vermutet. 6 Vgl. Castro/Hofmann 2006, S. 91-94; Schäfer/Pilz/Saint-George 2011, S. 286ff., 311-315. Castro und Hofmann stellen an zwei Werken der Sammlung niederländischer Gemälde des 17. Jahrhunderts im Staatlichen Museum Schwerin Migration von Farbe im Firnis fest und führen dies auf eine Firnisregenerierung im Jahr 1951 zurück, bei der auch Copaivabalsam verwendet worden sein könnte. Das von Schaefer, Pilz und von Saint-George untersuchte Gemälde Selbstbildnis als Zeuxis von Rembrandt war im Lauf seiner bewegten Geschichte 1928 in den Restaurierungswerkstätten der Alten Pinakothek einer Firnisregenerierung unterzogen worden. Ebenfalls sind die An- und Auflösung von Farb- und Firnisschicht sowie die Migration von Farbe und Bindemittel nachgewiesen. 7 geweitete Firnisrisse an Kasseler Gemälden werden erstmals in einer unveröffentlichten Hoch- schularbeit von Sandra Stelzig eingehend untersucht.7 An die Forschungen von Brammer und Schmitt knüpft das MOLART-Projekt, ein interdiszipli- näres Forschungsprojekt der Organisation for Scientific Research (NWO), von 1995 bis 2000 an.8 Inez van der Werf u. a. entwickeln Analysemethoden, mit denen es gelingt, Copaivabalsam im Firnis eines Gemäldes der Kasseler Galerie nachzuweisen und rücken zudem „picture cleaner“ als mögliche Quelle von Copaivabalsam auf Gemälden in den Fokus.9 Die chemischen Materialanalysen geben bislang keinen repräsentativen Überblick über die Zu- sammensetzung der Firnisse der Kasseler Gemälde. Johann Koller und Ursula Baumer stellen fest, dass die bis in die 1950er/1960er Jahre verwendeten Firnisse der Kasseler Gemälde aus- schließlich Mastix enthalten.10 Eine proteinhaltige Firnisschicht, vermutlich ein Eiweißfirnis, wird im Rahmen der Diplomarbeit von Esther Rapoport über ein Gemälde der Kasseler Galerie festgestellt. Da solche Firnisse in organischen Lösemitteln unlöslich sind, hat dieser Befund Relevanz für die vorliegende Arbeit.11 Im Rahmen der Masterarbeit von Nadine Scheibner wird an einem weiteren Werk der Galerie auf der Grundlage der chemischen Analyse ein Öl-Harz- firnis bestimmt, der vermutlich aus Dammar und Leinöl besteht.12 Petra Mandt verfasst die bislang umfassendste Darstellung der Restaurierungsgeschichte der Kasseler Gemäldegalerie anhand von schriftlichen Quellen.13 Die untersuchte Zeitspanne reicht von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die 1890er Jahre. Eines der Hauptthemen ist die Restaurierungskampagne der in Kassel engagierten Restauratoren Alois Hauser d. Ä. und Alois Hauser d. J. Mandt beschreibt die Verbindung der von ihnen durchgeführten Firnisregenie- rungen und Fotoaufnahmen des Münchner Kunstverlags Franz Hanfstaengl. Die Arbeit von Helmut Hess über den Kunstverlag verdeutlicht, dass die Aufnahmen und Reproduktionen be- arbeitet worden waren und hinsichtlich ihres dokumentarischen Wertes für den damaligen Erhaltungszustand kritisch betrachtet werden müssen.14 Eine bedeutende Quelle für die Restau- rierungsgeschichte, insbesondere auch der Kasseler Galerie, ist das von Petra Mandt editierte

7 Vgl. Stelzig 1997, S. 50-56. Die drei Fallstudien sind Paulus Potter, Ein Landmann mit seiner Herde, Adam Pynacker, Der angelnde Hirte und Ferdinand Bol, Bildnis einer jungen Frau mit Nelke. 8 Vgl. MOLART report 1996, S. 5-9. Die Gemäldegalerie Kassel ist eines der teilnehmenden Museen des Projekts, Sibylle Schmitt Mitglied des Forschungsteams. 9 Vgl. Werf u. a. 2000, S. 9, 11, 13. Untersucht wird Ferdinand Bol, Bildnis einer jungen Frau mit Nelke. Es wird ein Harzfirnis mit Koniferenharz („pine resin spirit varnish“) vermutet, ein Öl-Harzfirnis nicht ausgeschlossen. 10 Vgl. Koller/Baumer 2000a, S. 535f. 11 Vgl. Rapoport 2010, S. 48f. Bearbeitet wird das Gemälde eines unbekannten Künstlers, Trompe-l´œil mit Stich nach David Teniers dem Jüngeren. 12Vgl. Scheibner 2011, S. 37, 168. Bearbeitet wird das Gemälde Der Triumph des Bacchus von Jacob Jordaens. 13 Vgl. Mandt 2005. 14 Vgl. Hess 1999, S. 118-153. 8 Manuskript Über die Restauration von Gemälden von Alois Hauser d. J.15 Der ausgedehnte Wirkungskreis von Hauser d. Ä. und d. J. wird zudem in den Arbeiten von Hildegard Krause, Marlies Giebe, Jan Schmidt, Karin Achenbach-Stolz und Alexander Wießmann verdeutlicht.16 Bénédicte Savoy beleuchtet ein ebenfalls bedeutendes, frühes Kapitel der Kasseler Restau- rierungsgeschichte, den kurzzeitigen Aufenthalt einer Gemäldeauswahl im zur napole- onischen Zeit 1807 bis 1815. Erstmals sind die in an den Kasseler Gemälden ausgeführten Konservierungen und Restaurierungen nachgewiesen.17 Ann Massing illustriert anhand histo- rischer Literatur die Arbeitsweise der Restauratoren des Louvre in der Zeit um 1800.18 Das 20. Jahrhundert wird bislang nur von Brammer behandelt, indem er auf die Diskussionen um die Firnisregenerierung 1929 und auf mögliche Firnisregenerierung mit Copaivabalsam nach 1929 eingeht.19 Dabei verdeutlicht Ulrich Schießl, dass Copaivabalsam nicht nur zur Re- generierung von Firnissen oder als Bestandteil von Reinigungsmitteln für Gemälde (picture cleaner), sondern z.B. auch für die Tränkung von Holztafeln und als Rückseitenanstrich von textilen Bildträgern verwendet worden war.20 Die restauratorische Bearbeitung von Firnissen in der Nachkriegszeit steht unter dem Eindruck der Cleaning Controversy um die Gemälde der in , die 1946 ihren Anfang nimmt. Bettina Wechsler stellt dieses zent- rale Kapitel dar und zeigt dabei auch seine Aktualität auf.21 Die Geschichte der Sammlung und ihrer Präsentation sind ein wesentlicher Aspekt der Unter- suchung der Restaurierungsgeschichte in schriftlichen Quellen. Die bislang umfassendste Gesamtdarstellung verfassen Erich Herzog und Georg Gronau, eine auf die Daten reduzierte und deshalb übersichtliche Gesamtdarstellung bis in die neuere Zeit Bernhard Schnackenburg.22 Die historischen Orte und Präsentationen existieren heute mehrheitlich nicht mehr und sind zudem nur lückenhaft dokumentiert. Dazu wird seit den 1990er Jahren und verstärkt in den letz- ten Jahren eingehend geforscht, vor allem von Bernhard Schnackenburg und Justus Lange.23 Die kunsttechnologische und restaurierungsgeschichtliche Forschung zu Firnissen stützt sich vorwiegend auf schriftliche Quellen. Allgemein besteht die Ansicht, dass originale Firnisse auf Gemälden Alter Meister aufgrund vielfacher Restaurierungen nicht mehr oder nur noch in sel-

15 Vgl. Mandt 1995. 16 Vgl. Krause 1999; Giebe 1999, S. 29, Schmidt 2006, Achenbach-Stolz 2007, S. 106f., 110; Wießmann 2007, S. 55-65; Schmidt 2009, S. 169f., 178-182. 17 Vgl. Savoy 2003; Savoy 2011b. 18 Vgl. Massing 2012, S. 137, 199-218. 19 Vgl. Brammer 1987, S. 97f. 20 Vgl. Schießl 1987, S. 166f. 21 Vgl. Wechsler 1987, S. 89-94, 96ff., 103-106. 22 Vgl. Herzog/Gronau 1969; BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 13-21. 23 Vgl. Schnackenburg 1998; Schnackenburg 2004; Lange 2012; Lange/Trümper 2012; Lange 2013a; Lange 2013b; Weber 2013; Möller 2014; Heraeus 2015; Lange 2015; Lange 2016. 9 tenen Einzelfällen vorhanden sind und diese Annahme kann auch auf die Firnisse historischer Restaurierungen übertragen werden.24 Überblicksdarstellungen zur historischen Entwicklung von Gemäldefirnissen, Instrumentenlacken und Möbelpolituren verfasst Thomas Brachert. Fir- nisse von Gemälden und Skulpturen bzw. der Tafelmalerei und des Staffeleibildes stellen Rolf E. Straub sowie Manfred Koller dar.25 Maartje Stols-Witlox widmet sich den schriftlichen Quellen zu Gemäldefirnissen in Holland der Zeit von 1600 bis 1900.26 Diese Arbeit hat in dem behandelten Zeitraum vom 17. bis zum 18. Jahrhundert den stärksten Bezug zum Sammlungs- schwerpunkt der Kasseler Galerie. Einen Überblick über die Entwicklung von Firnissen im 19. Jahrhundert gibt Monika Bartsch.27 Claudia Gürtler Subal sowie Renate und Paul Woudhuysen-Keller beschäftigen sich mit Eiklar- oder Eiweißüberzügen von Gemälden.28 Diese werden im 17. und 18. Jahrhundert vorwiegend als temporäre, wieder zu entfernende Schlussfirnisse verwendet. Im Hinblick auf die lösemittel- bedingten Veränderungen von Kasseler Gemälden richtet sich der Blick auch auf Weingeist- oder Alkoholfirnisse. Belege gibt es vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, während Stols-Witlox dies für ihr Untersuchungsfeld auf das 18. Jahrhundert eingrenzt.29 Zu den wenigen Firnismate- rialien, die im vorliegenden Untersuchungszeitraum eine eindeutige zeitliche Zuordnung erlau- ben, gehört Dammar. Cornelia Wagner behandelt seine Einführung als wesentliche Neuerung des 19. Jahrhunderts.30 Rolf E. Straub nennt auch Firnisrezepturen des 18. und 19. Jahrhunderts mit Copaivabalsam als Rezeptbestandteil.31 Es handelt sich sicherlich um Einzel- oder Sonderfälle. Sie sind dennoch erwähnenswert, weil sie darauf hindeuten, dass Copaivabalsam nicht nur bei Restaurierungen verwendet worden war. Als ein Merkmal von Schlussfirnissen Alter Meister heben Brammer, Stols-Witlox und van de Wetering einen dünnen Auftrag hervor.32 Leslie Carlyle u. a. ermitteln anhand von Rekonstruk- tionen historischer Firnisrezepte Vergleichswerte.33 Glanz und Mattigkeit von Firnis, die in der Restaurierungsgeschichte der Kasseler Gemäldegalerie eine Rolle spielen, sind Themen der Ar-

24 Vgl. Koller/Baumer 2000a, S. 537; Stols-Witlox 2001, S. 241; Ruurs 1983, S. 174, 377; Straub 1987, Sp. 1403. 25 Vgl. Brachert 1978a; Brachert 1978b; Brachert 1978c; Straub 1984, S. 243-247; Straub 1987, Sp. 1403-1409, Koller 1984, S. 375ff., 406f. 26 Vgl. Stols-Witlox 2001. 27 Vgl. Bartsch 1991, S. 22-60. 28 Vgl. Gürtler Subal 1993; Woudhuysen-Keller/Woudhuysen-Keller 1999, S. 81ff. 29 Vgl. Koller 1984, S. 376, 406; Brachert 1978a, S. 59-63; Straub 1987, Sp. 1407; Stols-Witlox 2001, S. 249-252. 30 Vgl. Wagner 1987. 31 Vgl. Straub 1987, Sp. 1410. Als Quellenliteratur angegeben sind Ein Wohlapprobierter Process zum Laquieren, als ein Anhang zu dem berühmten P. Bonani Tractat von Firniss-Laquier- und Mahler-Kunst … , Breslau und Leipzig 1746, S. 7, Nr. 2 und J. F. Watin, Die Kunst des Staffiermalers, Vergolders, Lackierers und Farben- fabrikanten … , Weimar 1854, S. 362, 482. 32 Vgl. Brammer 1999, S. 174ff.; Stols-Witlox 2001, S. 253; Wetering 2007, S. 11. 33 Vgl. Carlyle u. a. 1999, S. 110-113. 10 beiten von Rob Ruurs, Leslie Carlyle u. a., Eva Wenders de Calisse sowie von Amelie Menck- Schaa und Karin Schulte.34 Anna Hierholzer betrachtet die Entwicklung und Einführung der Farb- und Lackspritztechnik im 20. Jahrhundert, die auch beim Firnissen von Gemälden einge- setzt wird.35 Den Auftrag von Zwischenfirnissen, reinen Bindemitteln oder Retuschierfirnissen während des Malprozesses belegen Rolf E. Straub, Manfred Koller, Cornelia Peres, Eva Wenders de Calisse und Mechthild Most mit schriftlichen Quellen aus dem 17. und 18. Jahrhundert.36 Bei einer chemischen Materialanalyse von mehrschichtigen Firnissen stellt sich die Schwierig- keit, dass eine präzise Materialbestimmung und eine gleichzeitige Fokussierung auf eine be- stimmte Schicht bislang nur mit Einschränkungen in Einklang zu bringen sind. Bei den mehr- schichtigen Firnissen der Kasseler Gemälde muss zudem berücksichtigt werden, dass die Fir- nisschichten nicht in einem ursprünglichen, sondern in einem von Quellungs- und Lösepro- zessen sowie von Migration veränderten Zustand vorliegen. Kenneth Sutherland und Gisela A. van der Doelen leisten Grundlagenforschung zur Migration von Bindemittel- und Firnisbes- tandteilen bei einem Firnisauftrag und der Einwirkung von Lösemitteln.37 Ein Schwerpunkt der umfangreichen aktuellen Forschung zu Firnissen und Lacken liegt auf der chemischen Materialuntersuchung. Es handelt sich um Grundlagenforschung zu Firnisma- terialien, Filmbildung und zur chemischen Degradation. Gilbung, Versprödung, Rissbildung und eine Veränderung des Löseverhaltens sind Phänomene der Degradation. Bezüge zur Res- taurierungspraxis bestehen in den Rückschlüssen auf das Löseverhalten von Firnissen, der Ver- besserung der Alterungsstabilität, insbesondere der Vermeidung von Firnisgilbung. Mastix und Dammar als Hauptbestandteile von historischen und heutigen Firnissen sind Gegenstand der Untersuchungen von René de la Rie, Johann Koller u. a., Gisela A. van der Doelen, Klaas Jan van den Berg und Jaap J. Boon, Stefan Zumbühl, Richard Knochenmuss und Stefan Wülfert, Patrick Dietemann u. a. sowie Patrick Dietemann und Christoph Herm.38 Mit weiteren geläu- figen Bestandteilen historischer Firnis- und Lackrezepturen, Sandarak, den Balsamen Terpen- tin, Venezianer Terpentin und Lärchenterpentin sowie (rektifiziertem) Terpentinöl als dem bis weit in das 20. Jahrhunderts hauptsächlichen Lösemittel für Firnisse befassen sich Johann

34 Vgl. Ruurs 1983; Carlyle u. a. 1999, S. 118f., 123; Wenders de Calisse 2000, S. 151-155; Menck-Schaa 2008; Schulte 2008, S. 95f. 35 Vgl. Hierholzer 2010. 36 Vgl. Straub, 1987, Sp. 1402f.; Koller 1984, S. 375f.; Peres 1988, S. 283; Wenders de Calisse 2011, S. 76f.; Most 2011, S. 101-104. 37 Vgl. Sutherland 2000, Doelen 1999, S. 72f. 38 Vgl. Rie 1988; Koller u. a. 1997a; Doelen/Berg/Boon 1998; Zumbühl/Knochenmuss/Wülfert 1998; Dietemann u. a. 2001, Dietemann u. a. 2005; Dietemann/Herm 2009. 11 Koller u. a. sowie Koller.39 Koller und Baumer geben zudem einen Überblick über die Ein- führung und Verwendung von Kunstharzen und Benzinlösemitteln für Firnisse im 20. Jahr- hundert.40 Jaap van der Weerd und Jorrit Dirk Jan van den Berg sowie Koller und Baumer unter- suchen trocknende Öle.41 Stephanka Kuckova, Radovan Hynek und Milan Kodicek befassen sich mit der analytischen Bestimmung von Protein-Bindemitteln, u.a. von Eiweiß.42 Dabei werden chromatografische, spektroskopische und spektrometrische Methoden angewandt und kombiniert, die Gaschromatografie/Massenspektroskopie (GC/MS), die Fourier Transform Infrarot (FT-IR) -Spektrometrie und die Graphit- oder Matrix-unterstützte Laser-Desorp- tions/Ionisations-Massenspektrometrie (GALDI- oder MALDI-MS). Hinsichtlich der Schichtenkonstellation von Firnissen ist die lichtmikroskopische Untersu- chung von Querschliffen mittels UV-Anregung etabliert und aufschlussreich. Die UV-Fluores- zenz ermöglicht eine Kontrastierung von Firnissen mit unterschiedlichen Materialien und Stufen der Degradation, aber sie lässt, wie Stefan Wülfert feststellt, keine gesicherten Rück- schlüsse auf die Materialien zu.43 Richard Wolbers und Gregory Landry sowie Richard Wolbers stellen Bindemittelgruppen von Schichten am Querschliff durch mikrochemische Färbemethoden dar.44 Stefan Wülfert gibt bestimmte Färbelösungen an.45 In entsprechenden Versuchen an Querschiffen in der Kasseler Gemälderestaurierung stellt Marcus Langeder ein Ausschwemmen von Firnisschichten beim Färbeprozess fest, welches die mikroskopische Untersuchung entscheidend behindert.46 Sonya Nadyn Krug entwickelt Analysemöglichkeiten von Bindemittelgruppen am Querschliff mit 2- dimensionaler Fluoreszenzspektroskopie.47 Für die mehrschichtigen Firnisse der Kasseler Ge- mälde ist die FTIR-Mikroskopie, vorzugsweise mit Fokal Plane Array- (FPA-) Detektor, beson- ders geeignet. Erste Untersuchungen mit dieser Methode veröffentlichen van der Weerd sowie van der Weerd u. a. mit einem Gemälde der Kasseler Galerie als Fallstudie.48 Balthasar Soulier u. a. zeigen, ebenfalls an einer Fallstudie, dem Lack eines historischen Musikinstruments, die

39 Vgl. Koller u. a. 1997b; Koller u. a. 1997c; Koller 1988. 40 Vgl. Koller/Baumer 2000a; Koller/Baumer 2000b; Koller/Baumer 2001a; Koller/Baumer 2001b. 41 Vgl. Weerd 2002; Berg 2002; Koller/Baumer 2006. 42 Vgl. Kuckova/Hynek/Kodicek 2009. 43 Vgl. Wülfert 1999, S. 97f. 44 Vgl. Wolbers/Landry 1987; Wolbers 2010. 45 Vgl. Wülfert 1999, S. 193-200. Beispielsweise enthalten Färbelösungen für den Nachweis von „getrockneten Ölen“ 2-Propanol und Ethanol, Lösemittel, welche die Firnisproben bei den angegebenen Färbezeiten sicherlich angreifen würden. 46 Vgl. Langeder 1995. 47 Vgl. Krug 2002. 48 Vgl. Weerd 2002, S. 61-69; Weerd u. a. 2002. Es handelt sich um Bildnis eines stehenden Herrn in ganzer Figur. 12 Bestimmung der Bindemittelgruppen von Harzen und trocknenden Ölen im Lack und ihre Ver- teilung in der Anschliff-Fläche des Querschliffs.49 Der Schwerpunkt der Objektuntersuchungen dieser Arbeit liegt auf der Rissbildung und den verschiedenartigen Deformationen der Firnisse. Ein umfangreicher Teil der Forschungsliteratur befasst sich mit dem Craquelé von Gemälden, wobei aber das Firniscraquelé eine unterge- ordnete Rolle spielt. Thematisiert werden die Einflüsse und Ursachen der Schäden sowie die Veränderung der Bildwirkung. Das Craquelé ist auch Gegenstand kunsttechnologischer For- schung. Die Terminologie ist in der deutschsprachigen Forschungsliteratur ungeklärt und wi- dersprüchlich, exemplarisch stehen dafür die Arbeiten von Knut Nicolaus sowie Ingo Sandner u. a.50 Von Nicolaus und Sandner u. a. wird auch das Firniscraquelé betrachtet.51 Stefan Zum- bühl, Richard Knochenmuss und Stefan Wülfert zeigen auf, dass Firnisrisse bereits bei der Filmhärtung und üblicherweise innerhalb von mehreren Monaten auftreten, als Folge einer raschen chemischen Degradation.52 Rissnetze oder Craquelés können indirekt Hinweise auf mögliche Eingriffe geben, wenn sie von ihrer natürlichen Anordnung abweichen. P. de Willigen behandelt eingehend die Mechanismen der Rissbildung.53 Wolfgang Rebber stellt in Modellver- suchen die Schließung oder Rückbildung von Firnisrissen dar, wie es z.B. das Ziel von Firnis- regenerierungen ist.54 Deformationen von Gemäldefirnissen werden als Randphänomene behandelt. Nicolaus zeigt Beispiele einer „Orangenhautbildung“ und eines „Perleffekts“ und führt diese auf fehlerhafte Firnisaufträge zurück.55 Katharina Walch, Johann Koller und Ursula Baumer untersuchen einen historischen Lack und erklären eine mit Befunden von Kasseler Gemäldefirnissen vergleich- bare Runzel- und Schwundrissbildung mit dem mehrschichtigen Lackaufbau und dem Alte- rungsverhalten der obersten Lackschicht aus Standöl.56 Die umfassendste Arbeit im Bereich der Restaurierung über Deformationen sowie geweitete und borkenartige Risse ist die Untersu- chung von Vera de Bruyn-Ouboter zu Schadensphänomenen der Lacke von Streichinstru- menten des 17. und 18. Jahrhunderts.57 Im Hinblick auf die Deformationen von Firnissen und deren Ursachen ist vor allem auch die Literatur der Lack- und Anstrichwissenschaften, der Materialwissenschaften und der Bruchme-

49 Vgl. Soulier u. a. 2012. 50 Vgl. Nicolaus 1979, S. 147, 159; Nicolaus 1982, S. 11, 49, 51, 85; Nicolaus 1999; Sandner u. a. 1990, S. 79-84. 51 Vgl. Sandner u. a. 1990, S. 84, Nicolaus 1999. 52 Vgl. Zumbühl/Knochenmuss/Wülfert 1998, S. 216f. 53 Vgl. Willigen 1999, S. 20-23. 54 Vgl. Rebber 2007. 55 Vgl. Nicolaus 1998, S. 325f. 56 Vgl. Walch/Koller/Baumer 1997, S. 338ff. 57 Vgl. Bruyn-Ouboter 2004. 13 chanik aufschlussreich. Wichtige Arbeiten, teilweise aus den 1950er Jahren, verfassen dazu A. V. Blom, M. N. M Boers, Takeo Yokobori, Mikio Uozumi und Masahiro Ichikawa, E. Babel, Heinz Klopfer, Kozo Sato, H. P. Keller, Erich V. Schmid, Peter van den Kerkhoff und Helmut Haagen, Margot Scheithauer und Hans-Jürgen Sirch, Albrecht Zosel, Dan Y. Perera, D. Wapler, J. Sickfeld sowie Dietmar Gross und Thomas Seelig.58 Die Schadensursachen werden aus allge- mein gültigen physikalischen Eigenschaften und Mechanismen abgeleitet. Aus dieser Perspek- tive lassen sich im Fall von Firnissen maltechnisch sowie durch Alterung und Restaurierungen bedingte Schäden und Veränderungen gemeinsam betrachten. Mit Blick auf die mehrschich- tigen Firnisse und die historischen Restaurierungen wird deutlich, dass geweitete Risse und Borkenbildung auch als Folge von Löse- und Quellungsprozessen auf bereits bestehende Schichten erklärt werden können. Gleiches gilt zum Beispiel auch für Runzeln, die üblicher- weise als Merkmal von trocknenden Ölen betrachtet werden. Klopfer entwirft eine Systematik der Rissbildung, in welcher er Profil, Einzelform in der Aufsicht und flächige Anordnung der Risse sowohl getrennt als auch in ihrem Zusammenhang betrachtet.59 Zur Abnahme, Dünnung oder Trennung von Gemäldefirnissen und Lacken werden vorwiegend organische Lösemittel verwendet. Vielfältige Forschungen haben das Spektrum der Möglich- keiten bedeutend erweitert. Die wichtigsten Neuerungen sind die Verwendung von Gelen und Harzseifen, dargestellt in den Arbeiten von Richard Wolbers, Ursula Haller, und Katharina Walch-von Miller sowie in einem Gesamtüberblick von Annik Pietsch.60 Ein umfangreiches Feld naturwissenschaftlicher Forschung ist die Parametrisierung der Lösewirkung. Einen Über- blick dazu geben Alan Phenix und Stefan Zumbühl.61 Der Einfluss der chemischen Degradati- on auf die Löslichkeit von Firnis und Bindemittel werden in den Arbeiten von René de la Rie, Gisela A. van der Doelen, Klaas Jan van den Berg und Jaap J. Boon, von Gisela A. van der Doelen sowie von Johann Koller und Ursula Baumer deutlich.62 Auslaugprozesse von Binde- mittelbestandeilen und deren Wirkung untersuchen David Erhard und Jia-Sun Tsan, David Erhard, Charles S. Tumosa und Marion Mecklenburg sowie Kenneth Sutherland.63 Van der Doelen stellt Auslaugprozesse auch im Fall von Dammar- und Mastixfirnissen fest.64 Dem- entsprechend muss davon ausgegangen werden, dass mit Lösemittel gedünnte Firnisse oder

58 Vgl. Blom 1954, S. 348-354; Boers 1961;Yokobori/Uozumi/Ichikawa 1971; Babel 1974; Klopfer 1976; Sato 1980; Keller 1983; Schmid 1988; Schmid 1990; Kerkhoff/Haagen 1995; Kerkhoff 1996; Scheithauer/Sirch 1996; Zosel 1996, S. 110-116; Perera 2002, Perera 2003; Wapler 1959; Sickfeld 1977; Gross/Seelig 2007, S. 84-89. 59 Vgl. Klopfer 1976, S. 50-54, Abb. 2.4.1.3 A-C, S. 50, 138-144, Abb. 3.7.1, S. 139, Abb. 3.7.3, S. 143. 60 Vgl. Wolbers 2010; Haller 1995; Walch-von Miller 2003; Pietsch 2002, S. 155-186. 61 Vgl. Phenix 1998; Zumbühl 2005; Zumbühl 2014. 62 Vgl. Rie 1988, S. 65f.; Doelen/Berg/Boon 1998, S. 258; Doelen 1999, S. 72f.; Koller/Baumer 2000a, S. 535; Koller/Baumer 2006, S. 225. 63 Vgl. Erhard/Tsang 1999; Erhard/Tumosa/Mecklenburg 2005; Sutherland 2000. 64 Vgl. Doelen 1999, S. 72f. 14 freigelegte Firnisschichten generell substanzielle Veränderungen sowie Änderungen ihres Alterungs- und Löseverhaltens erfahren. Stefan Michalski skizziert in seinem physikalischen Modell des Löseprozesses die Gegeben- heiten einer strukturierten und craquelierten Gemäldeoberfläche und die mikroskopischen Dimensionen, in denen diese Prozesse betrachtet werden müssen.65 Er weist auf das Eindringen des Lösemittels in das Craquelé und seine dortige Lösewirkung hin, ein Phänomen, das bei der Restaurierungsproblematik der Kasseler Gemälde eine wesentliche Rolle spielt. Das Aus- schwemmen borkenähnlicher Strukturen, ausgehend vom Craquelé, beobachtet Robert L. Feller bei Löseversuchen an Firnisproben.66 Das Eindringen in das vorhandene Craquelé erweist sich in der Arbeit von Dörte Klatte als eine der wesentlichen Fragen bei der Wirkung von Alkali- PEG-Lösungen an craquelierten Gemälden.67 Anhand von Querschliffen untersucht Stella Eichner mehrschichtige Firnisproben nach einer Firnisdünnung mit dem Fokus auf eine mög- liche Migration und Vermischung.68 In der vorliegenden Arbeit stellt sich die Frage, wie Löse- und Quellungsprozesse im Mikrobereich untersucht und dargestellt werden können. Dazu sind die Arbeiten von Walter C. McCrone, Alan Phenix, Stefan Zumbühl, Wolfgang Rebber und die darin beschriebenen Versuchsaufbauten ebenso aufschlussreich wie die von Herrmann Schu- mann und Heinrich Oettel behandelten mikroskopischen Kontrastierungsverfahren der Metallo- graphie.69 Methoden mechanischer Firnisabnahmen oder -dünnungen sind dagegen wenig verbreitet. Sie sind aber gerade bei den durch Quellungs- und Löseprozesse beschädigten Gemälden der Kasseler Galerie aus konservatorischen Gründen interessant. Silvia Castro und Sylvia Hofmann verwenden mit Erfolg selbst hergestellte Micro-Schab- und Schleifwerkzeuge für eine Firnis- trennung.70 An einem Fallbeispiel beschreibt Karsten Püschner die Trennung von Lackschich- ten einer Raumausstattung mit Laser. Hanna Gräbeldinger testet die „Laserablation“ an einem Gemäldefirnis und zeigt Grenzen und Risiken der Anwendung im Vergleich mit Lösemitteln auf.71 Erheblichen Forschungsbedarf gibt es zur Dokumentation der Versuche und der Durchführung von Firnisdünnungen oder -abnahmen. Die von Annik Pietsch dargestellten Versuche und Aus-

65 Vgl. Michalsky 1990. 66 Vgl. Feller 1981, S. 81/16/1-3 bis 81/16/1-6. Das Firniscraquelé entsteht nach Feller durch den Lösemittel- kontakt. 67 Vgl. Klatte 2006, S. 71f., 75. 68 Vgl. Eichner 2006, 25-28. 69 Vgl. McCrone 1965; Phenix 2002, S. 45-49; Zumbühl 2005, S. 257; Rebber 2007, S. 120; Schumann/Oettel 2005, S. 226-250. 70 Vgl. Castro/Hofmann 2006, S. 93f. 71 Vgl. Gräbeldinger 2010, S. 46-79. 15 wertungen spiegeln die allgemeine Praxis wider.72 Hierbei fehlen jedoch objektive Kriterien und eine überprüfbare Darstellung und Dokumentation. Raymond White und Ashok Roy leisten dazu Grundlagenforschung, indem sie die Oberflächen der Firnis- und Malschichtproben origi- naler Gemälde vor und nach der Firnisabnahme mit Lösemitteln mit Hilfe eines Rasterelektro- nenmikroskops darstellen.73 Andrea Kappes untersucht Oberflächenveränderungen durch eine Firnisreduzierung an einem Gemälde im Vergleich mit Probematerialen und stellt diese u.a. an- hand von Farb- und Glanzmessungen sowie von Aufnahmen der Bild- und Probenoberflächen mit dem Licht- und Rasterelektronenmikroskop dar.74 Die restaurierungsethische Frage, ob gealterte und vor allem gegilbte Firnisse auf Gemälden Alter Meister akzeptiert werden können oder ob eine Firnisabnahme oder Firnisdünnung erfor- derlich ist, wird trotz ihrer fundamentalen Bedeutung bis heute sehr unterschiedlich beantwor- tet. Beispielsweise weist Ernst van de Wetering in Bezug auf die Malerei Rembrandts auf die grundlegende Bedeutung der künstlerischen Intention hin.75 Gegilbte Firnisse verfälschen sei- ner Ansicht nach die originale Farbgebung, so dass das Restaurierungsziel nur eine restlose Fir- nisabnahme sein kann. Brammer und Heimberg gehen hingegen grundsätzlich von einem durch Alterung und frühere Restaurierungen veränderten Zustand aus.76 Die Gilbung und leichte Trü- bung eines gealterten Firnisses wirkt ihrer Auffassung nach selbstverständlich auf die Farbig- keit der Malerei verfälschend, andererseits harmonisiert und überdeckt sie auch deren Schäden und Veränderungen. Heimberg und Brammer betonen, dass eine Firnisabnahme oder -dünnung nur eine weitgehende Annäherung an einen vorstellbaren, aber faktisch nicht mehr existenten Originalzustand, nicht aber dessen Rückgewinnung zum Ziel haben kann.

72 Vgl. Pietsch 2002, S. 155-186. 73 Vgl. White/Roy 1998. 74 Vgl. Kappes 2010, S. 95-152. Untersucht wird ein Gemälde aus dem 18. Jh. und Vergleichsproben, u.a. ein Gemäldefragment. Als Lösemittel dienen variierende Mischungen von Ethanol und Isooctan. 75 Vgl. Wetering 2007. 76 Vgl. Heimberg 1999; Brammer 2005. 16 1.3 Methoden der Arbeit

In der Arbeit werden verschiedene Methoden angewendet und ihre Resultate miteinander in Bezug gesetzt. Ein Bestandteil ist die Auswertung und Interpretation von schriftlichen Quellen zur Restaurierungsgeschichte und zur Sammlungsgeschichte der Kasseler Gemäldegalerie Alte Meister. Betrachtet wird der Zeitraum von der ersten belegten Restaurierung Mitte des 18. Jahr- hunderts bis in die 1950er/1960er Jahre, dem Beginn und der Etablierung einer wissenschaft- lichen Restaurierung an der Kasseler Gemäldegalerie. Der Schlusspunkt der restaurierungsge- schichtlichen Betrachtung wird in das Jahr 1966 gesetzt. Für die meisten der Kasseler Gemälde beginnt ihre Restaurierungsgeschichte schon vor dem Erwerb für die Kasseler Sammlung, dieser Zeitraum wird in der vorliegenden Arbeit ausgeklammert. Für die Untersuchung der Gemälde finden, der Arbeit von Johannes Taubert folgend, Methoden Anwendung, die sich in verschiedener Weise gliedern.77 Hinsichtlich des Untersuchungsgegen- standes ist zu unterscheiden zwischen dem maltechnischen Aufbau, der natürlichen Alterung, den sichtbaren Veränderungen durch historische Restaurierungen sowie den sichtbaren Verän- derungen, dem Prozess und Resultat einer heutigen Restaurierung. Mit der heutigen Restau- rierung ist die Frage einer Firnisabnahme, -dünnung oder -trennung verbunden, die aufgrund des hohen Schadenspotentials gleichzeitig auch als Restaurierungsproblematik bezeichnet wird. Untersucht wird die Wirkung von Lösemitteln am Beispiel von 2-Propanol. Die mechanische Firnisdünnung wird am Beispiel des Abschleifens mit Firnispulver (Mastix) dargestellt. Hinsichtlich der Methoden handelt es sich im Wesentlichen um eine lichtmikroskopische Un- tersuchung, bei der verschiedene Arten der Beleuchtung im sichtbaren Licht sowie Anregung durch UV-Strahlung (UV-Fluoreszenz) zum Einsatz kommen. Nach Taubert wird außerdem zwischen einer (mikroskopischen) Punkt- und Tiefenuntersuchung anhand von Firnis- und Farbquerschliffen und einer mikroskopischen Oberflächenuntersuchung unterschieden.78 Zur Flächen- und Tiefenuntersuchung gleichermaßen zählen nach Taubert eine Röntgenaufnahme und IR-Reflektografie, die in zwei Fallstudien der vorliegenden Arbeit verwendet werden.79 Teil der Oberflächenuntersuchung ist ein restaurierungsgeschichtlicher Bildvergleich. In foto- grafischen Detail-Aufnahmen wird die Bildoberfläche des Gemäldes im heutigen Zustand der Detail-Aufnahme einer historischen fotografischen Reproduktion des Gemäldes im gleichen

77 Vgl. Taubert 2003, S. 13-19. 78 Vgl. ebd., S. 14f., 19. Das in diesem Zusammenhang wesentliche Merkmal des von Taubert genannten Auf- lichtmikroskops für die Oberflächenuntersuchung ist, dass das Licht von der Oberfläche reflektiert wird (oder im Fall der UV-Anregung als Fluoreszenz von der Oberfläche ausgeht). Verwendet wird dazu üblicherweise ein Stereomikroskop. 79 Vgl. ebd., S. 13-19. 17 Bildausschnitt gegenübergestellt. Die fotografische Reproduktion wird dabei als Bildquelle für eine zeitliche Eingrenzung der Entwicklung heutiger Schäden und Veränderungen verwendet. Ein weiterer Teil der Arbeit ist der Versuch einer modellhaften Rekonstruktion der Schadens- entwicklung borkenartiger Deformationen und Veränderungen des Firniscraquelés. Ausgehend von der Annahme, dass diese Schadensphänomene aus Restaurierungen resultieren, wird ex- emplarisch und modellhaft die Pettenkoferʼsche Firnisregenerierung mit Alkoholbedampfung betrachtet. Grundlagen sind die Auswertung der schriftlichen Quellen der Restaurierungsge- schichte und die Objektuntersuchung einschließlich der Darstellung des Löseverhaltens des Fir- nisses mit dem Lösemittel Ethanol am Querschliff. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden Untersuchungsmethoden entwickelt, die im Kapitel „Grundlagen und Methoden“ zusammengefasst sind. Es sind an erster Stelle die Mik- roskop-Fotografie und grafische Strukturanalyse in Kapitel 3.3 (S. 95-103). Kapitel 3.4 (S. 103- 112) stellt die Darstellung von Löseprozessen am Querschliff in Verbindung mit der licht- mikroskopischen Untersuchung und grafischen Strukturanalyse vor. Sie ist Grundlage für die modellhafte Darstellung der Wirkung von Lösemitteln in den Objektuntersuchungen und be- zieht sich zum einen auf das heutige Löseverhalten des Firnisses und zum anderen auf die Wir- kung historischer Restaurierungen mit Lösemittelanwendung. In Kapitel 3.5 (S. 113-120) wird die Nutzung der historischen Galerienummern auf den Gemälden für die kunsttechnologische und restaurierungsgeschichtliche Untersuchung der Schichtenabfolge der Firnisse dargestellt. Die Farbschichten der im Firnis eingebetteten Nummern werden, basierend auf den Objekt- untersuchungen und der Auswertung der historischen Inventare, als Leitschichten genutzt. Die Untersuchung der Gemälde bezieht sich auf den historischen Sammlungsbestand und auf Werke, die einen stark gegilbten und borkenartig deformierten Firnis aufweisen. Für die ein- gehende Untersuchung werden vier Gemälde als Fallstudien ausgewählt. Kapitel 3.5 (S. 120- 124) beschreibt die Kriterien und Ergebnisse der Bestandssichtung sowie die Auswahlkriterien. Die vier Gemälde sind:

- Bartholomeus Frans Douven, Susanna und die beiden Alten, signiert und datiert 1722, Eichenholz, 42,8 x 31,8 cm80 - Rembrandt, Die Heilige Familie mit dem Vorhang, signiert und datiert 1646, Eichen- holz, 46,8 x 68,4 cm81

80 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 105. 81 Vgl. ebd., S. 242. 18 - Jacob Jordaens (1593-1678), Das Bohnenfest (Der König trinkt), unsigniert, undatiert, Leinwand, 243 x 373 cm82 - Melchior de Hondecoeter (1636-1695), Die weiße Henne mit Küchlein, signiert, unda- tiert, Leinwand, 140 x 155,5 cm83

Die beschränkte Objektauswahl begründet sich mit der Besonderheit der Erhaltungszustände der Firnisse. Da wesentliche Schadensphänomene variieren oder nur partiell auftreten, ist eine umfassende Darstellung nur unter Einbeziehung mehrerer Untersuchungsbereiche pro Gemälde möglich. In der Konzeption der Objektuntersuchungen als Fallstudien wird versucht, einerseits der Individualität des Gemäldes in maltechnischem Aufbau und Erhaltungszustand und ande- rerseits dem Bezug der Gemälde zu einer langen gemeinsamen Restaurierungsgeschichte Rech- nung zu tragen. Die Fallstudie wird als Methode empirischer Forschung u.a. in der Geschichts- wissenschaft anerkannt.84 Sie wird in „besonders komplexen Forschungsfeldern eingesetzt“ und erlaubt es, „Entwicklungen, Prozessabläufe und Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge dar- zustellen“.85 Die Fallstudie zeichnet sich durch ein ambivalentes Verhältnis zwischen der Be- deutung und Individualität des Falls und der eingeschränkten Allgemeingültigkeit aus. Chemische Materialanalysen sind nicht als Teil dieser Arbeit vorgesehen. Eines der Ziele der Arbeit ist aber, die Grundlagen für konkrete und zielgerichtete Fragestellungen zu chemischen Materialanalysen zu schaffen.

1.4 Begriffsverwendung

1.4.1 Originale und historische Firnisse

Die in dieser Arbeit verwendeten Begriffe „originale und historische Firnisse“ spiegeln die Fragestellung nach dem maltechnischen Aufbau der Gemälde und ihrer Restaurierungs- geschichte wider. Dabei wird differenziert zwischen einer summarischen Betrachtung des

82 Vgl. ebd., S. 152. 83 Vgl. ebd., S. 148. 84 Vgl. Süßmann 2007, S. 9. 85 Borchard/Göthlich 2007, S. 35f. 19 Firnisses und einer Betrachtung anhand der in ihm enthaltenen Schichten. Diskutiert wird dies auf der Grundlage der Terminologien von Straub und Koller.86 Als „originale Firnisse“ werden in der vorliegenden Arbeit diejenigen Firnisschichten verstan- den, die mit dem maltechnischen Aufbau der Gemälde verbunden sind.87 Der „Zwischenfirnis“ nach Koller und „Retuschierfirnis“ nach Straub ist in den Schichtenaufbau der Malschicht integriert und deshalb per se eine originale Firnisschicht. Die Benennung folgt Koller.88 Den auf der Malschicht liegenden Firnis bezeichnet Koller als „Schlussfirnis“, während Straub keinen entsprechenden Unterbegriff zum „Firnis“ nennt.89 In der vorliegenden Arbeit wird, Koller folgend, diese Firnisschicht als „Schlussfirnis“ bezeichnet. Der Schlussfirnis ist auf- grund seines Bezugs zum maltechnischen Aufbau ebenfalls per se eine originale Firnisschicht. Zwischenfirnis und Schlussfirnis können sowohl einschichtig als auch mehrschichtig sein. Als „historisch“ werden diejenigen Firnisschichten bezeichnet, die von der erstmaligen Restau- rierung bis in das Jahr 1966 aufgetragen worden waren. Die von Restaurierungen stammenden Firnisse sind unter Umständen nur wenige Jahrzehnte jünger als die Schlussfirnisse. Die jüngere Restaurierungsgeschichte der Kasseler Galerie vor 1966 ist nicht mehr durch Zeitzeugen erfahr- bar. Gleichzeitig wird mit dem Begriff „historisch“ auf den eigenständigen Wert dieser Firnis- schichten verwiesen, indem sie durch ihre Existenz und ihre Veränderungen die Schadens- und Restaurierungsgeschichte des Gemäldes dokumentieren. Die mehrschichtigen Firnisse können nicht zeitlich eingeordnet werden, da sie Firnisschichten aus verschiedenen Zeiten beinhalten. Tabelle 1 (S. 21) fasst die auf verschiedenen Ebenen gültigen Begriffe zusammen und illustriert die Zusammenhänge zwischen den Betrachtungsebenen. Grundlage ist ein modellhafter Schichtenaufbau eines Gemäldes, dessen Malschicht einen Zwischenfirnis enthält und dessen Firnis aus insgesamt fünf Firnisschichten, einem Schlussfirnis, drei historischen Firnisschichten und einer neueren Firnisschicht (nach 1966) besteht.

86 Vgl. Koller 1984; Straub 1987. 87 Vgl. Straub 1987, Sp. 1401. Nach Straub ist „Firnis“ ein „Sammelname für transparente, filmbildende Überzüge von Gemälden und Holzskulpturen“. Der zum Teil in der Literatur verwendete Begriff „Gemäldefirnis“ wird aus- geklammert, da er im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit keine Aussagekraft hat. 88 Vgl. Koller 1984, S. 376; Straub 1987, Sp. 1402f. Der von Straub verwendete Begriff verengt die Verwendung des Firnisses auf einen bestimmten Arbeitsprozess und setzt Retuschen voraus. 89 Vgl. Koller 1984, S. 376f.; Straub 1987, Sp. 1402f. 20 Tab. 1: Darstellung der schichtenbezogenen und summarischen Begriffs- verwendung, modellhafter Schichtenaufbau eines Ge- mäldes, Malschicht mit Zwischenfirnis, mehr- schichtiger Firnis mit Schlussfirnis, historischen Firnisschichten und einer neueren Firnisschicht (nach 1966)

Die mehrschichtigen Firnisse resultieren aus einer Abfolge von Firnisschichten. Diese „Schichtenabfolge“ ist üblicherweise horizontal angeordnet und bei ganzflächigen Firnissen an allen Stellen der Bildfläche gleich. Abweichende Schichtenabfolgen in verschiedenen Be- reichen eines Gemäldes deuten auf partielle restauratorische Eingriffe, Dünnungen oder Ab- nahmen des Firnisses, Firnisaufträge oder -regenerierungen oder auf eine partiell unter- schiedliche Wirkung von Lösemitteln auf den Firnis hin. Für die Objektuntersuchungen in den Fallstudien wird der Begriff der „Schichtenfolgen“ des Firnisses geprägt. Die Schichtenfolgen können eine Firnisschicht oder mehrere Firnisschichten enthalten. Bestimmt und zugeordnet werden sie in einem Rekonstruktionsversuch, der sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die partiellen Unterschiede der Schichtenabfolgen berücksichtigt.

1.4.2 Rissbildung

Die Terminologie ist zum Teil uneinheitlich, vereinzelt sogar widersprüchlich, wie sich in einem knappen Vergleich der im deutschsprachigen Raum maßgeblichen Arbeiten von Knut Nicolaus sowie Ingo Sandner u. a. ebenso zeigt wie in der Literatur der Lack- und Anstrichwis- senschaften, exemplarisch skizziert anhand der Arbeiten von A. V. Blom und Heinz Klopfer sowie dem Normentwurf DIN EN ISO 4618.90 Knut Nicolaus entwickelt eine Terminologie des Firnis- und Malschichtcraquelés. Seine „Beob- achtungen zum Firniscraquelé“ leitet er überwiegend von seinen Arbeiten zum Malschicht- craquelé ab.91 In Bezug auf das Malschichtcraquelé bezieht sich Nicolaus auf die historische

90 Vgl. Nicolaus 1979, S. 147, 159; Nicolaus 1982, 11, 49, 51, 85; Nicolaus 1999; Sandner u. a. 1990, S. 79-84; Blom 1954, 351ff.; Klopfer 1976, S. 50-54, 139-144; DIN EN ISO 4618 2003, S. 10, 14, 27. 91 Vgl. Nicolaus 1999. 21 Forschungsarbeit von Alexander Eibner und unterscheidet zwischen Rissen und Sprüngen oder Frühschwundrissen und Alterssprüngen.92 Dabei fehlt ein zutreffender Oberbegriff. Nach Nico- laus sind Frühschwundrisse maltechnisch bedingt, beruhen auf maltechnischen Unzulänglich- keiten und sind Folge eines übermäßigen Schwundes der Malschicht. Seiner Auffassung nach entstehen sie bei Gemälden während des Malprozesses oder kurz nach Fertigstellung, ihre er- kennbaren Merkmale sind die Weitung und eine Tiefe, die innerhalb der Malschicht endet.93 Alterssprünge beruhen auf den Prozessen der Alterung. Dort sind verschiedene Craqueléformen eingeordnet, die sich in Bezug auf die klimatisch bedingten Bewegungen der Bildträger oder äußerer mechanischer Einwirkungen entwickeln. Alterssprünge sind schmal und reichen durch Malschicht und Grundierung. Das Firniscraquelé unterscheidet Nicolaus auf zwei Ebenen. Die erste Ebene definiert den Bezug zum Malschichtcraquelé. Das nicht eigenständige Firnis- craquelé geht über in das Malschichtcraquelé, das Eigenständige verläuft davon unabhängig. Darauf aufbauend widmet sich Nicolaus dem eigenständigen Firniscraquelé und unterteilt es, den Kriterien des Malschichtcraquelés entsprechend, in Firnissprünge und Firnisrisse.94 Die Schwierigkeit, diese Terminologie in den Objektuntersuchungen der vorliegenden Arbeit anzu- wenden, besteht darin, dass Nicolaus verschiedene Differenzierungskriterien untrennbar ver- bindet und die Darstellbarkeit von Schadensphänomenen unzulässig einschränkt. Ingo Sandner u. a. gehen von der „Krakelur“ als Oberbegriff aus und formulieren zwei Unter- scheidungskriterien. Erstes Kriterium ist „die Form ihrer Arabesken“ auf der Grundlage von modellhaften Zeichnungen, die zum Teil rein phänomenologisch aufgefasst sind, zum Teil aber auch auf Schadensursachen verweisen.95 Zweites Kriterium ist die Unterscheidung „nach den Ursachen ihrer Entstehung“ in „alte Krakeluren“ und „neue Krakeluren“ bzw. „Frühschwund- risse“. Die beiden verschiedenen Formen und ihre Ursachen werden anhand überwiegend unbestimmter Kriterien beschrieben. Sandner u. a. stellen Risse als Elemente der Krakeluren dar. Anders als die „alten“ und „neuen Krakeluren“ unterscheiden sie die Risse nicht begrifflich und sie verwenden, anders als Nicolaus, den Begriff „Sprung“ nicht.96 „Krakeluren in Firnis- schichten“ werden überraschender Weise den frühen Krakeluren zugeordnet, möglicherweise weil sie rasch nach dem Auftrag entstehen, während die Beschreibung der Rissformen als „haar- fein“ auf „alte Krakeluren“ verweist. Auch die gemeinsame Bildung von Firnis- und Mal-

92 Vgl. Eibner [1928] 1974, S. 22, 47. 93 Vgl. Nicolaus 1999, S. 19f., Abb. 1, S. 20. Abbildung 1 legt nahe, dass Nicolaus das Craquelé als Oberbegriff von Frühschwundriss und Alterssprung betrachtet. Dies wird aber im Text nicht explizit genannt. 94 Vgl. ebd., S. 20. 95 Vgl. Sandner u. a. 1990, S. 79f. 96 Vgl. ebd., S. 81-84. 22 schichtrissen wird genannt. Im Gegensatz zu Nicolaus heben Sandner u.a. die Bedeutung des Firnisses hervor, indem sie dort den Ursprung der gemeinsamen Rissbildung verorten.97 Blom stellt die Rissbildung ausschließlich in Zusammenhang mit Alterungsvorgängen dar. Er unterscheidet dabei eine „leichte Rissbildung“, eine Rissbildung in der obersten Schicht eines mehrschichtigen Anstrichs, von einer „starken Rissbildung“, deren Risse durch die gesamte Be- schichtung reichen.98 Heinz Klopfer betrachtet die Rissbildung vor allem aus der Perspektive der Eigenspannung der Schicht, worin er z.B. herstellungs- und materialbedingte Ursachen und die Alterung gleich- wertig einordnet. „Riss“ bildet den Oberbegriff. Charakterisiert werden die Risse anhand dreier zusammengehöriger Aspekte, dem Rissprofil, der Einzelrissform und der Rissanordnung in der Aufsicht.99 Ausnahmen bilden die Bezeichnungen von Rissprofilen als „Krokodilhaut“, „Rand- flucht oben“ und „Randflucht unten“.100 Der Oberbegriff „Riss“ steht auch bei der neutral formulierten „Rissanordnung in der Aufsicht“, während Klopfer die Begriffe Craquelé oder Krakelur nicht verwendet. Der Normentwurf DIN EN ISO 4618 bezeichnet das Craquelieren „als Form einer Rissbildung, bei der feine Risse mehr oder weniger regelmäßig über die Oberfläche einer Beschichtung ver- teilt sind“.101 Den „feinen Rissen“ wird keine entsprechende Unterform gegenübergestellt. Un- ter „Rissbildung“ wird einseitig das „Reissen der trockenen Beschichtung“ verstanden.102 Unterformen werden anhand von bildhaften Analogien gebildet und lediglich illustrativ erklärt. Dazu gehören die „Haarrissbildung“, die vermutlich mit den o.g. feinen Rissen gleichgesetzt werden kann, ebenso wie die „Krokodilhautbildung“, die geweitete Risse impliziert. „Schwundrisse“ oder „Schwindrisse“ werden ungeachtet der o.g. Einschränkungen „durch den Verlust flüchtiger Bestandteile während des Trocknens/Härtens“ verursacht, so dass man an- nehmen muss, dass sie auch in dieser Phase entstehen.103 Der Begriff der Sprungbildung ist nicht angeführt. Der „Riss“ fungiert in der vorliegenden Arbeit als Oberbegriff. In der eingehenden Objekt- untersuchung werden die Risse nach Klopfer hinsichtlich ihres Profils, der Einzelform und Anordnung in der Aufsicht dargestellt. Diese drei Untergruppen von Rissen werden in Kapitel 3.2 (S. 91-95) eingehend betrachtet. Im Hinblick auf die ungewöhnlichen Schadensformen

97 Vgl. ebd., S. 84. 98 Vgl. Blom 1954, S. 351ff. 99 Vgl. Klopfer 1976, S. 50-54, 139-144. 100 Vgl. ebd., S. 54f., 143. 101 DIN EN ISO 4618 2003, S. 10. 102 Vgl. ebd., S. 14. 103 Vgl. ebd., S. 27. 23 werden nach Möglichkeit Begriffe gewählt, welche die Schadenformen phänomenologisch erfassen, also z.B. „geweitete und oberflächliche Risse“ anstelle von „Frühschwundrissen“ nach Nicolaus. Dieses Kriterium gilt auch für Begriffe, die sich nicht in den Oberbegriff „Riss“ einordnen lassen, z.B. die anschaulichen Begriffe „Randflucht oben“ und „Randflucht unten“ von Klopfer. Die Rissanordnung in der Aufsicht wird, wenn die Risse teilweise oder weitge- hend aneinander angeschlossen oder zusammengeschlossen sind, als „Craquelé“ bezeichnet.

Ehemalige und aktuelle Firnisrisse Der Begriff „ehemalige Firnisrisse“ wird in der vorliegenden Arbeit neu geprägt. Diese für die Untersuchung bedeutsame Gruppe von Rissen ist in der Forschung bislang unberücksichtigt. Es handelt sich um Risse, die durch Restaurierungsmaßnahmen, Regenerierungen oder ein Überfirnissen, geschlossen und vollständig oder teilweise nivelliert sind. Ihnen fehlt im heu- tigen Zustand ein wesentliches Rissmerkmal, die teilweise oder vollständige vertikale Trennung der Schicht. Jedoch sind sie in ihrem früheren Zustand oder Verlauf in der Objektuntersuchung nachweisbar, als Vertiefungen in der Firnisoberfläche, im Querschliff als lokale Schichten- störungen des Firnisses oder in der Korrespondenz mit Malschichtrissen. Den ehemaligen Firnisrissen sind die „aktuellen Firnisrisse“ gegenübergestellt. Sie bezeichnen die Schadensfor- men, die üblicherweise schlicht als Risse verstanden werden. Oberflächliche Risse trennen die Schicht nur teilweise, tiefe Risse vollständig. Auch aktuelle Firnisrisse können beispielsweise durch restauratorische Eingriffe Veränderungen erfahren, bewahren aber dabei ihr Profil weit- gehend.

24 2 ZUR RESTAURIERUNGSGESCHICHTE DER KASSELER GEMÄLDEGALERIE ALTE MEISTER

2. 1 Einleitung

Die Forschung zur Restaurierungsgeschichte der Kasseler Gemäldegalerie als einer der bedeu- tendsten musealen und historisch gewachsenen Sammlungen kann sich auf schriftliche Quellen ab der Mitte des 18. Jahrhunderts stützen, auf Berichte, Manuskripte, Gemälde-Inventare, Schriftverkehr, Bestellungen, Rechnungen, Vereinbarungen und Verträge, bis hin zu histo- rischen Bestandskatalogen der Sammlung und historischer Wissenschaftsliteratur. Der die Kasseler Gemäldegalerie Alte Meister betreffende Archivbestand wird an verschiedenen Stand- orten aufbewahrt und ist bislang noch nicht vollständig und systematisch erschlossen. Die Er- schließung und Bearbeitung der schriftlichen Quellen der Zeit von 1807 bis 1815 ist Bénédicte Savoy zu verdanken. Petra Mandt erweitert den bekannten Bestand schriftlicher Quellen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erheblich. Für das Archiv der Gemälderestaurierungen überlässt Mandt zahlreiche Abschriften (Transkriptionen) von Dokumenten dieser Zeit für das Archiv der Gemälderestaurierung, die in dieser Arbeit verwendet werden. Die verschiedenen Archivstandorte spiegeln die bewegte Landes- und Stadtgeschichte und mit ihr die ebenso bewegte Restaurierungs- und Sammlungsgeschichte der Kasseler Gemäldegale- rie wider. Für die Zeit des 20. Jahrhunderts befinden sich die Aktenbestände vor allem im Archiv der Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK). An erster Stelle ist dies der Bestand der Gemälderestaurierung. Die weiteren Archive sind das Hessische Staatsarchiv Marburg (HStAM), das Französische Nationalarchiv (Archives nationales) und die Archives des Musées Nationaux in Paris für die Zeit von 1807 bis 1815, das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kul- turbesitz (GStA PK) und das Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz (SMPK) in Berlin aufgrund der politisch-administrativen Verbindung Kassels zu Berlin ab 1866 sowie das Archiv Ferdinand Werner in Worms.

Abb. 1: Rembrandt, Saskia van Uylenburgh im Abb. 2: Rembrandt, Bildnis des Nicolaes Bruyningh, Profil, in reichem Kostüm, Eichenholz, 99,5 x 1652, Leinwand, 106,8 x 91,5 cm, Gemäldegalerie 78,8 cm, Gemäldegalerie Alte Meister, Museums- Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, landschaft Hessen Kassel, Foto: Brunzel Foto: Brunzel

Abb. 3: Gonzales Coques, Der junge Gelehrte und seine Abb. 4: Jacob Isaacksz. van Ruisdael, Frau, 1640, Eichenholz, 41 x 59,5 cm, Gemäldegalerie Alte Der Wasserfall, Leinwand, 100 x Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel 87 cm, Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Brunzel

26 2.2 Restaurierungen und Tätigkeiten des Galerieintendanten Johann Georg van Freese und -inspectors Johann Heinrich Tischbein d. J. von 1748 bis 1807

Die erste Restaurierung eines Gemäldes der Kasseler Sammlung ist von Johann Georg van Freese (1701-1775) belegt, der ab 1744 Hofmaler und Galerieintendant ist und dem Landgrafen von Hessen Kassel, Wilhelm VIII. (1682-1760), auch als Berater bei Erwerbungen dient.104 Van Freese bearbeitet das Gemälde Der junge Gelehrte und seine Frau von Gonzales Coques (Abb. 3, S. 26). Ein Freund und Kunstagent des Landgrafen, Baron Heinrich Jakob von Häckel, schreibt 1748 anlässlich der Erwerbung des Bildes an den Landgrafen Wilhelm VIII.: „Dem Herrn Freese habe ich geschrieben, […] es in die Cour zu nehmen und es so gut, als möglich wieder zu machen.“105 Dazu antwortet Wilhelm VIII. kurz darauf: „Das Stück von Gonzales hat Freese wieder recht gut ausgebessert, daß man den Sprung wenig mehr wahrnimmt.“106 Van Freese stellt im gleichen Jahr einen „mehrfach gebrochenen“, nicht näher bezeichneten Rem- brandt „glücklich“ wieder her und restauriert 1750 ein weiteres Gemälde.107 Nach Wilhelm VIII. hatte van Freese 1750 „die letzterhaltenen Stücke alle herausgeputzt und feingemacht, daß sie ein ganz anderes Gesicht haben“.108 Zu den umfangreichen Erwerbungen in den Jahren 1749 und 1750 zählen die Werke von Rembrandt, Saskia van Uylenburg im Profil, in reichem Kostüm und Bildnis des Nicolaes Bruyningh (Abb. 1, 2, S. 26) sowie Selbstbildnis mit Barett und goldener Kette, Jacob Isaacksz. van Ruisdael, Der Wasserfall (Abb. 4, S. 26) und Anthonis van Dyck, Bildnis eines Spaniers (Abb. 7, S. 38). Zu Zeiten Wilhelms VIII. ist die Gemäldesammlung an verschiedenen, vielfach wechselnden Standorten untergebracht. Dazu gehören das schon im 16. Jahrhundert errichtete und mehrfach modernisierte Landgrafenschloss und das unter Landgraf Carl (1654-1730) eingerichtete Kunsthaus. Hauptstandort ist das Schloss Bellevue, ein Gebäudekomplex, zu dem die Wohn- und Residenzräume, die 1777 neugegründete Maler- und Bildhauerakademie und vor allem die 1749 bis 1751 errichtete Gemäldegalerie Wilhelms VIII. gehören.109 Vermutlich erstellt van

104 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 121; Both/Vogel 1964, S. 133-143. Vgl. auch BK Kassel 2003, S. 220, 263, 290. Erster Hofmaler zu der Zeit von Freese ist Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1722-1789), Mitbegründer der Kasseler Kunstakademie 1777 sowie deren Professor und Direktor für Malerei. 105 Häckel: Schreiben vom 18. Januar 1748, HStAM, Bestand 4a, Korrespondenz Wilhelms VIII. mit Baron von Häckel, zitiert nach Drach 1890, S. 336. 106 Wilhelm VIII.: Schreiben vom 30. Januar 1748, HStAM, Bestand 4a, Korrespondenz Wilhelms VIII. mit Baron von Häckel, zitiert nach Drach 1891, S. 4. 107 Vgl. Drach 1888, S. LIV, LXIII. Vgl. auch BK Kassel 1783. Das 1750 restaurierte Gemälde wird im BK Kassel 1783 als Nr. 47 verzeichnet und ist Kriegsverlust der napoleonischen Zeit. 108 Wilhelm VIII.: Schreiben vom 2. Juni 1750, HStAM, Bestand 4a, Pkt. 83, Korr. Wilhelms VIII. mit Baron von Häckel, zitiert nach Both/Vogel 1964, S. 134. 109 Vgl. BK Kassel 1783, o. S., S. 259; Schnackenburg 1998; Lange/Trümper 2012; Heraeus 2015. 27 Freese anlässlich des Galerieneubaus das Inventar von 1749ff. und führt die vorderseitige Be- zeichnung der Gemälde mit roten Inventarnummern ein.110 1749 befinden sich die Gemälde von Bartholomeus Frans Douven, Susanna und die beiden Alten und Jacob Jordaens, Das Bohnenfest (Der König trinkt) bereits in der Sammlung, Rembrandts Heilige Familie mit dem Vorhang wird erst 1752 erworben und vermutlich auch in diesem Jahr mit der Inventarnummer versehen.111 Nach dem Tod van Freeses beruft man 1775 Johann Heinrich Tischbein d. J. (1742-1808) zum Galerieinspector.112 Er übt dieses Amt bis 1808 aus, hat aber offenbar, anders als sein Vorgän- ger, keine Stellung als Hofmaler. In einer Instruktion zu seiner Amtseinführung 1775 sind seine Aufgaben schriftlich festgehalten: „[S]ämtliche Ihm nach einem bereits vorhandenen oder noch zu completierenden Inventario zu überweisenden und anzuvertrauenden Mahlereyen sorgfältig in Obacht halten, das daran Schadhafte jedesmahlen unverzüglich mit allem Fleiß aus- bessern.“113 Erwähnt ist auch „die Reinhaltung und Aufspannung der Mahlereryen“.114 Die Inst- ruktion regelt auch die Materialbeschaffung: „Was er zur Ausbesserung der Schildereyen an Firnissen oder sonst benöthigt seyn wird, […] aus Unserer Hof Apoteque ohnweigerlich ge- geben und verabfolgt.“115 Hingegen ist nicht dokumentiert, welche Gemälde Tischbein d. J. während seiner Amtszeit restauriert. Tischbein d. J. erlebt 1803 den kurzzeitigen Aufstieg der Landgrafschaft Hessen Kassel zum Kurfürstentum Hessen.116

110 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 16, 33. 111 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 105, 148, 152, 242f. Das Gemälde von Melchior de Hondecoeter, Die weiße Henne mit Küchlein wird erst 1827 erworben. 112 Vgl. Vogel 1957, S. 17; Schmaling 2001, S. 584. Johann Heinrich Tischbein d. J. ist Neffe des Johann Hein- rich Tischbein d. Ä. Nach Schmaling wird er schon 1773 zum „Ersten Inspector“ der Gemäldegalerie ernannt. 113 Instruktion von 1775, HStAM, Hessischer Geheimer Rat 9555, zitiert nach Vogel 1957, S. 17. 114 Ebd. 115 Ebd. 116 Vgl. Huber 2013, S. 190. 1803 erlangt Landgraf Wilhelm IX. (1743-1821) als Wilhelm I. Kurfürstenwürde. 28 2.3 Kasseler Gemälde im Musée Napoléon von 1807 bis 1815

1806 erobert Napoleon Bonaparte das Kurfürstentum Hessen. Er gründet 1807 u.a. mit dem ehemaligen Kurfürstentum das Königreich Westphalen, mit Kassel als Residenzstadt, und setzt seinen jüngsten Bruder Jerôme Bonaparte (1784-1860) als König ein.117 Vom 8. bis 9. Januar 1807 beschlagnahmt der Direktor des Musée Napoléon und Generaldirektor der französischen Museen, Dominique-Vivant Denon (1747-1825), in Kassel 299 Gemälde.118 Sie kommen, zu- sammen mit Werken der Sammlungen von Braunschweig, Salzdahlum bei Braunschweig und Wolfenbüttel, vor dem Mai 1807 in Paris an.119 Über die schlechten konservatorischen Bedin- gungen der Kunsttransporte aus den eroberten Ländern, z.B. über Wasserschäden an Gemälden, war bereits 1794/1795 berichtet worden.120 Ein Teil der Kasseler Gemälde wird im Musée Napoleon in einer Ausstellung, Statuen, Büsten, Reliefs, Bronzen und andere Antiken, Gemälde, Zeichnungen und Kuriositäten, die von der Großen Armee in den Jahren 1806 und 1807 erobert worden sind, deren Ausstellung am 14. Oktober 1807, dem Jahrestag der Schlacht von Jena, so der Titel des Katalogs, präsentiert. Dazu zählen drei Gemälde der o.g. Fallstudien, Bartholomeus Frans Douvens Susanna und die beiden Alten, Rembrandts Heilige Familie mit dem Vorhang und Das Bohnenfest von Jakob Jordaens. Die Ausstellung dauert sechs Monate.121 Die maßgeblichen Restauratoren des Musée Napoléon zu dieser Zeit sind Joseph Fouque (1755- 1819) und François-Toussaint Haquin (1756-1832).122 Die Pariser Restauratoren genießen höchstes, auch internationales Ansehen. Dazu hatte u.a. Haquin 1801 mit seiner Übertragung der Sacra conversatione (Madonna di Foglio) von Raffael beigetragen, über die in der Presse berichtet worden war. Der Restaurator Mathias Bartholoméus Roeser (1737-1804) war dabei für die „Reinigung“ und Retusche verantwortlich gewesen.123 Vermutlich muss man am Musée

117 Vgl. Demandt 1980, S. 545. 118 Vgl. Savoy 2003, Bd. 2, S. 399-407. Douvens Gemälde Susanna und die beiden Alten ist unter der Nummer 166, Rembrandts Hl. Familie mit dem Vorhang unter der Nummer 141 und Jordaensʼ Bohnenfest unter der Num- mer 1 aufgeführt. Als sichtbares Zeichen des Eingangs in die Sammlung des Musée Napoléon erhalten die Holz- tafelbilder dieser Auswahl rückseitig ein Siegel. Abbildung I.3 (S. 130) zeigt das Siegel von Douvens Susanna und die beiden Alten. 119 Vgl. Savoy 2011a, S. 118, 325. Die Reise von Denon 1806-1807 in „Norddeutschland“ führt nach Frankfurt, Würzburg, Bamberg, Weimar, Kassel, Goslar, Braunschweig, Hannover, Hamburg, Schwerin, Potsdam, Berlin, Thorn, Danzig, Elbing und Tilsit. Die Kasseler Gemälde kommen in einem Sammeltransport in Paris an, der weiteres Kunst- und Kulturgut aus Kassel sowie aus den Galerien und Sammlungen in Braunschweig, Salzdahlum bei Braunschweig und Wolfenbüttel enthält. 120 Vgl. ebd., S. 323. 121 Vgl. Savoy 2011b, S. 9, 191, 242, 287. Der Originaltitel des historische Ausstellungskatalogs lautet: Statues, bustes, bas-reliefs, bronzes, et autres antiquités, peintures, dessins, et objets curieux, conquis par la Grande Armée, dans les années 1806 et 1807; dont lʼexposition a eu lieu le 14 octobre 1807, premier anniversaire de la Bataille dʼIena. 122 Vgl. Massing 2012, S. 97-106, 171-181, 185-193, Briau 2013. 123 Vgl. Savoy 2011a, S. 324; Massing 2012, S. 177-180. Das Gemälde befindet sich in der Pinacotheca Vatikana, Rom. 29 Napoléon generell von einer personellen Trennung bei der Durchführung konservatorischer und restauratorischer Maßnahmen ausgehen, wobei die Konservierung deutlich Vorrang hat.124 Für einen Teil der ausgestellten Gemälde aus der Kasseler Sammlung sind Bearbeitungen be- legt. Nach Savoy bearbeitet Fouque vom 1. Juli bis 30. September 1807 neun der Kasseler Ge- mälde, Haquin im 3. Trimester 1807 vermutlich elf, sicher aber ebenfalls neun Werke. Unter den 1807 restaurierten Gemälden sind zwei Werke aus der Bestandsliste, die Grundlage für die Auswahl der Fallstudien dieser Arbeit ist, Jan van der Heyden, Das alte Palais in Brüssel und Jacob Jordaens, Satyr beim Bauern. Die knappen Notizen der schriftlichen Nachweise führen das Schließen von Tafelrissen, Doublierungen, Aufspannungen von Leinwänden und Rück- seitenanstriche an, geben aber keine Auskunft zu Restaurierungen oder den ausführenden Personen.125 Eine weitere Restaurierung betrifft Das Bohnenfest von Jacob Jordaens. Nach Ehrenforth handelt es sich um eine Doublierung und eine „Restaurierung“ der Malschicht“.126 Von 1808 bis 1814 wird nochmals eine geringere Auswahl der Kasseler Werke in der Galerie des Musée Napoléon ausgestellt. Nach Savoy erfahren nicht ausgestellte Werke keine Pflege, auch wenn sie in schlechtem Zustand sind.127 Somit kann man vereinfachend annehmen, dass für eine weitere Restaurierung von Kasseler Gemälden nach 1807 und bis 1814 kein Anlass mehr besteht. Über eine Behandlung der Firnisse der Kasseler Gemälde am Musée Napoléon gibt es keine konkreten Erkenntnisse. Massing greift auf eine Publikation des Kunstliebhabers François- Xavier De Burtin (1748-1818) mit dem Kurztitel Connoissances des tableaux von 1808 zurück, die sie als die wichtigste schriftliche Quelle zur restauratorischen Praxis am Musée Napoléon betrachtet.128 De Burtin ist selbst nicht Restaurator, aber als Kunstliebhaber mit den Pariser Restauratoren, unter anderen mit Fouque, bekannt.129 De Burtin widmet sich eingehend der Frage der Firnistrübung. Nach Massing differenziert er die Methode der Firnisabnahme nach der Art der Gemäldefirnisse. Unter anderem geht er auf Mastixfirnisse, der zu seiner Zeit geläufigsten Firnisart, oder Harzfirnisse allgemein sowie auf Öl- und Eiweißfirnisse ein.130 Mastixfirnis könne mechanisch durch Abreiben mit Firnispulver

124 Vgl. Massing 2012, S. 177, 320. 125 Vgl. Savoy 2011b, S. 15, 178, 228f., 232f., 240, 242ff., 255, 260ff., 271, 279, 290f., 298, 304, 322, 331. 126 Vgl. Ehrenforth o. J.; Savoy 2011b, S. 242. Ehrenforth zitiert aus Archives nationales, Bestand O² 838 „nach freundlicher Mitteilung“ von Natalia Gustavson vom 3. März 2013. Nach Savoy ist keine Restaurierung belegt. 127 Vgl. Savoy 2011a, S. 335f. 128 Vgl. Massing 2012, S. 200, 205-208, 238. Der vollständige Titel lautet: Traité théorique et pratique des connoissances qui sont nécessaires à tout amateur de tableaux et à tous ceux qui veulent apprendre à juger, apprécier et conserver les productions de la peinture. Das Werk erscheint 1808 in Brüssel. Massing verwendet parallel die 1848 in London posthum erschienene Übersetzung: Treatise on the Knowledge Necessary to Amateurs in Pictures, translated and abridged from the French of M. François-Xavier de Burtin … by Robert White. 129 Vgl. ebd., S. 200. 130 Vgl. ebd., S. 206. 30 abgenommen werden. Die Methode wird als geeignet für Gemälde mit glatter Bildoberfläche und kleinem Format angesehen.131 Als vorbereitender Schritt kann der Firnis angelöst und so das Abreiben erleichtert werden, was De Burtin aber als riskant bewertet.132 Die Technik der mechanischen Firnisabnahme ist bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts belegt.133 Die früheste deutschsprachige Quelle stammt aus dem Ende des 18. Jahrhunderts.134 Unter anderem zur Abnahme von Firnisresten der mechanischen Firnisabnahme schlägt De Burtin eine Mischung von Ethanol und Terpentinöl vor. Durch Variation des Mischungsver- hältnisses kann auf das Löseverhalten des Firnisses und die Lösemittelempfindlichkeit des Gemäldes eingegangen werden. Bei sehr dicken Firnissen ist eine Anwendung von Alkohol möglich, ohne dass es zu einer Trübung der Bildoberfläche kommt. Aufgetragen werden die Lösemittel mit Baumwollwatte, einem gerollten Leinenlappen oder einem Schwamm. De Burtin weist darauf hin, dass Baumwollflusen auf der Gemäldeoberfläche ankleben können. Auch warnt er davor, Lösemittel länger als notwendig auf dem Gemälde wirken zu lassen und über bereits gereinigte Partien zu reiben.135 Eine andere Vorgehensweise wird bei der Abnahme von Ölfirnissen und Eiweißfirnissen empfohlen. In einem ersten Schritt solle der Firnis durch einen Auftrag und die längere Einwirkung von Leinöl erweicht werden, dann sei eine Abnahme mit Alkohol möglich.136 Als eine neue Entdeckung beschreibt De Burtin die Erweichung von Öl-, Kopal- und Bernsteinfirnis durch warmen Alkohol oder heißes Wasser und die anschlie- ßende mechanische Abnahme durch Reiben mit dem Finger.137 De Burtin sieht die Notwendig- keit, gegilbte und getrübte Firnisse zu entfernen.138 Dabei plädiert er aber für eine strenge Zurückhaltung.

„[W]enn ein Experte ein Gemälde reinigt, dann stoppt er mit genauem Urteilsvermögen am richtigen Punkt und zieht es vor, ein wenig Schmutz zu belassen, damit es durch die Reinigung nicht kalt und blass wird. Er weiß, dass der goldene Ton, den die Zeit hervorbringt, vielen Bildern einen bezau- bernden Effekt verleiht und er unternimmt alles, um zu verhindern, dass dieser verschwindet und er vermeidet es sorgfältig, den Firnis vollständig zu beseitigen.“139

131 Vgl. ebd., S. 206f. 132 Vgl. ebd., S. 208. 133 Vgl. ebd., S. 207. 134 Vgl. Portsteffen 2000, S. 110. 135 Vgl. Massing 2012, S. 207. 136 Vgl. ebd., S. 206. 137 Vgl. ebd., S. 208. 138 Vgl. ebd., S. 206. 139 De Burtin 1845, S. 258 und De Burtin 1808, Bd. 1, S. 393, zitiert nach Massing 2012, S. 208. Eigene Über- setzung des Zitats von Massing: „[W]hen a connoisseur cleans a picture he stops with just discernment at the proper point, preferring to leave a little dirt upon it to rendering it cold and weak by cleaning. He knows that the golden tone, produced by time, gives to many pictures an enchanting effect, and he takes every pains, to prevent it from disappearing, and carefully avoids razing the varnish entirely down to the paint.“ Massing zitiert beide Ausgaben. 31 Zur Frage der Firnismaterialien verweist De Burtin auf eine europaweite Entwicklung zu Be- ginn des 19. Jahrhunderts hin zu Harzfirnissen, gelöst in Terpentinöl. Von den verschiedenen Handelssorten von Mastix-Harz gibt er dem Mastix aus Chios den Vorzug. Die Firnislösung wird im Verhältnis von einem Teil Mastix und zwei Teilen Terpentinöl hergestellt. Zum Fir- nissen solle das Gemälde flach gelegt werden, um Läufer und Girlanden zu vermeiden und der Auftrag solle mit dem Pinsel in sich überkreuzenden Richtungen erfolgen.140 Als nicht empfeh- lenswert betrachtet er Öl-, Kopal- und Bernsteinfirnisse, Eiweißfirnisse und in Alkohol gelöste Harzfirnisse.141 Neben der detaillierten Beschreibung der vielfältigen Materialien und Metho- den kommt auch eine auf die Individualität der Kunstwerke bezogene und zurückhaltende Auf- fassung von Restaurierung zum Ausdruck. Über eine restauratorische Betreuung des zur Zeit des Königreichs Westphalen von 1807 bis 1813 in Kassel verbliebenen Gemäldebestands ist nichts bekannt. 1813 findet die Restauration des Kurfürstentums Hessen, wiederum unter Wilhelm I., statt.142

2.4 Restaurierungen und Tätigkeiten der Galerieinspectoren Ernst Friedrich F. Robert und Karl Christian Aubel von 1814 bis 1874

Ernst Friedrich F. Robert (1763-1843) wird 1814 in das seit 1808 vakante Amt als Galerieins- pector berufen. Bereits seit 1793 ist er Lehrkraft und ab 1826 Professor an der Kasseler Akademie.143 Robert bittet 1814 in einem Schreiben an den Kurfürsten Wilhelm I., die Beschaf- fungsmodalitäten für benötigte Restaurierungsmaterialien zu klären und verweist darauf, dass die Hofapotheke „eingegangen“ ist und er die „in der Anlage verzeichneten Materialien“ nicht von dort beziehen kann.144 Die Anlage dazu, das „Verzeichniß der zur Wiederherstellung schad- haft gewordener Oel Gemälde nöthigen Materialien“ ist von Petra Mandt publiziert.145 Das Verzeichnis zählt Materialien auf, die als Firnisbestandteile infrage kommen und eine Vielzahl von Firnisrezepturen ermöglichen, verschiedene Öle (Lein-, Nuss- und Mohnöl), Harze (Mastix und Sandarak), Venezianer Terpentin und Lösemittel („Weingeist“ und Terpentinöl). Im Ant-

140 Vgl. Massing 2012, S. 214. 141 Vgl. ebd., S. 217. 142 Vgl. Demandt 1980, S. 547. 143 Vgl. BK Kassel 1991, S. 159; Schmaling 2001, S. 475. Nach Schmaling ist Robert bereits 1809 Galerieinspec- tor. 144 Vgl. Robert: Schreiben, undatiert [1814], Archiv MHK, Aktenbestand: Gemäldegalerie, Schriftwechsel 1813- 1877. 145 Vgl. Robert: Anlage, undatiert [1814], Archiv MHK, Aktenbestand: Gemäldegalerie, Schriftwechsel 1813- 1877, nach Mandt 2005, S. 98. Nach Mandt ist das Schreiben auf den 2. April 1814 datiert. 32 wortschreiben vom 2. April 1814 bezeichnet das kurfürstliche Oberhof-Marschall-Amt die von der Hofapotheke benötigten Materialien als „Firnis, Spiritus pp“.146 Ebenfalls 1814 reist Robert zusammen mit Jacob Grimm als Kommissar für die Restitution der Kasseler Gemälde nach Paris. Ob er Kontakt mit den Restauratoren des Musée Napoléon hat oder sich mit den dortigen Restaurierungsmethoden vertraut macht, ist unbekannt. Nach Robert beginnt die Restitution 1814, umfänglich findet sie jedoch erst 1815 statt. Die Mehrheit der von Denon konfiszierten Gemälde kehrt nach Kassel zurück.147 Als Ergebnis der Neuordnung der Sammlung verfasst Robert das Inventar 1816ff.148 Im Vorwort stellt er fest, dass einige Gemäl- de nicht mehr über die aufgemalten Nummern des Inventars von 1749ff. verfügen.149 Mög- licherweise könnte dies auf eine Firnisabnahme oder Firnisdünnung in der Zeit vor 1815 hin- deuten, da die Kasseler Inventarnummern am Musée Napoléon von 1807 bis 1815 nicht gezielt entfernt worden waren. 1817 wird eine Restaurierungskampagne beantragt und genehmigt: „Der Gallerie-Inspector Robert hat sofort die Abwischung und nöthige Firnissierung der Gemälde in allen Sählen der Bilder-Gallerie […] vorzunehmen.“150 Der Galeriesaal des Bellevue-Schlosses war ursprüng- lich nur ein Raum, nach seiner Teilung in zwei Geschosse und Teilung in verschiedene Räume unter König Jerôme dient nur das untere Geschoss weiterhin als Galerie.151 Möglicherweise sind auch diejenigen Räume des Schlosses Bellevue angesprochen, die nach dem Galeriekata- log von 1783 ebenfalls mit Gemälden ausgestattet gewesen waren. Im Jahr 1825 stellt die Hof- apotheke der Kurfürstlichen Bildergalerie eine Rechnung für „Mastixfirness einen Schoppen ins Glas“ und „Terpent.spirit“ aus.152 Obwohl die restauratorische Tätigkeit des Galerieinspec- tors Robert belegt ist, lassen sich dennoch keine von ihm restaurierten Gemälde benennen. Der Bestandskatalog von 1830 weist weitere bedeutende Standorte auf, darunter das 1779 er- öffnete Museum Fridericianum, das bis 1798 errichtete Schloss Wilhelmshöhe und Schloss Philippsruhe in Hanau.153

146 Vgl. Kurfürstliches Hofmarschallamt: Schreiben an Robert vom 2. April 1814, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemäldegalerie, Schriftwechsel 1813-1877. 147 Vgl. Robert: Vorwort des Inventars 1816ff. vom 30. April 1816, Archiv MHK; Savoy 2003, Bd. 2, S. 399-407; AK Kassel 2008, 225-262; Savoy 2011a, S. 117-148, 162, 325-336; Savoy 2011b. 148 Vgl. Inv. 1816ff., Archiv MHK; BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 33. 149 Vgl. Robert: Vorwort des Inventars 1816ff. vom 30. April 1816, Inv. 1816ff., Archiv MHK. 150 Schreiben vom 18. August 1817, Archiv MHK Aktenbestand: Gemäldegalerie, Schriftwechsel 1813-1877, zitiert nach Mandt 2005, S. 98. Vgl. auch Brammer 1999, S. 176. 151 Vgl. Schnackenburg 1998, S. 163; AK Kassel 2001, S. 7; Mandt 2005, S. 98. 152 Vgl. Hofap. R[…]: Rechnung vom Juni 1825, Archiv MHK, Aktenbestand: Auskünfte, Reklamation, Verzeich- nis, Duplikate von Rechnungen 1814-1837. 153 Vgl. BK Kassel 1830, o. S. 33 Neuer Galerieinspector wird 1844 Karl Christian Aubel (1796-1882). Er ist seit 1833 Akade- mieprofessor und war bereits 1842 in Marburg als Restaurator tätig gewesen.154 Eine Blei- stiftnotiz auf dem historischen Keilrahmen von Rembrandts Bildnis eines stehenden Herrn in ganzer Figur gilt als das einzige eigenhändige schriftliche Dokument seiner restauratorischen Arbeit. Sie lautet: „Aubel rentoiliert“.155 Nach Mandt stellt die Hofapotheke im Jahr 1864 „höchst rectifiziertes Terpentinöl“ in Rechnung.156 Im Jahr 1866 weist Aubel auf die zur Winterzeit in der Galerie herrschende „eisige Temperatur“ hin und gibt damit einen ersten Hinweis auf möglicherweise konservatorisch bedenkliche Klimaverhältnisse.157 Sie können, obwohl nicht explizit benannt, Ursache von Firnistrübungen sein. In der Amtszeit Aubels werden die ersten fotografischen Abbildungen von Gemälden der Kasseler Galerie angefertigt. 1867 erscheint ein Album der Kasseler Gallerie, offensichtlich mit Abzügen auf Fotopapier. Zum ersten Mal ist der Erhaltungszustand der Firnisse erwähnt. Ihre Gelbfärbung stellt die damals noch sehr junge Fototechnik vor große technische Schwierig- keiten.

„Der tiefe gesättigte Goldton Rembrandts Gemälde, welcher das Entzücken unsres Auges bildet, macht gerade ihre direkte Photographierung unmöglich […]. Der nachgedunkelte, gelbgewordne, ungleichmäßig aufgetragene Firniss andrer Bilder, den wir im Original kaum achten, überzieht dessen photographisches Abbild mit schwarz-fleckigem Schleier.“158

Ludwig Pietsch, der Autor des einleitenden Textes, erinnert sich 1905, dass der Künstler Adolf von Menzel die Erlaubnis erhalten hatte, „zum Herausnehmen und in den Hof tragen der Origi- nale, um sie in einem dort dafür hergerichteten Atelier zu fotografieren“.159 Vorbereitende Firnisbehandlungen sind zu diesem Anlass nicht belegt.160 In die Amtszeit Aubels fällt das Ende der politischen Eigenständigkeit des Kurfürstentums Hessen. Preußen annektiert 1866 das Kurfürstentum und gründet 1868 die preußische Provinz

154 Vgl. BK Kassel 1991, S. 15; Nehrlich/Savoy 2013, S. 6f. In Marburg restauriert Aubel die Flügeltüren des Marien- und Elisabethaltars der Elisabethkirche in Marburg. 155 Aubel [?]: Notiz, zitiert nach Brammer 1987, S. 97. Vgl. auch Hermesdorf/Schnackenburg 1992, S. 85. Der historische Keilrahmen mit der Beschriftung wird bei der Restaurierung von Hermesdorf 1989-1990 ersetzt und die Beschriftung nicht archiviert. 156 Vgl. Rechnung, Dezember 1864, Archiv MHK Aktenbestand: Gemäldegalerie, Schriftwechsel 1813-1877, nach Mandt 2005, S. 94. 157 Vgl. Mandt 2005, S. 95. 158 Pietsch 1867, S. 10. Vgl. auch Hess 1999, S. 119, 133. Die frühen Filmmaterialien können Gelb- und Rottöne nicht in stimmige, sondern nur in zu dunkle Grauwerte umsetzen. An der Verbesserung dieses Mangels wird bis zur Markteinführung der ersten panchromatischen Negativplatten 1906 geforscht. 159 Pietsch 1905, S. 204. Freundlicher Hinweis von Cornelia Dörr, bis 2015 Direktorin des Kasseler Stadtmuse- ums. 160 Vgl. Mandt 2005, S. 101; Hess 1999, S. 126ff. Mandt belegt den Zusammenhang zu den Restaurierungen von 1883. Hess beschreibt diese Praxis bei fotografischen Aufnahmen der Gemälde der Alten Pinakothek München im entsprechenden Zeitraum. 34 Hessen-Nassau, mit Kassel als Provinzhauptstadt.161 Aubel erstellt anlässlich einer Begutach- tung der Sammlung im Jahr 1874, auf die im folgenden Kapitel eingegangen wird, eine Liste seiner ab 1866, dem Jahr der Annexion, geleisteten Restaurierungen.162 Das geht aus den schriftlichen Begutachtungen von 1874 und den Korrespondenzen hervor, die Liste ist jedoch bislang nicht auffindbar. Über Teile ihres Inhalts berichten die Gutachter, wobei aber die Zahl der restaurierten Gemälde und die durchgeführten Maßnahmen im Unklaren bleiben. Sechs Gemälde sind namentlich als von Aubel restauriert aufgeführt. „Bei der größeren Zahl“ der aufgelisteten Gemälde stellen die Gutachter „nur unbedeutende Restaurierungen“ fest und unterstellen, dass Aubel zehn weitere Gemälde restauriert, aber nicht in seiner Liste verzeichnet hatte.163

2.5 Begutachtungen der Sammlung und Restaurierungen von 1874 bis 1880

Das Jahr 1874 markiert einen Wendepunkt in der Kasseler Restaurierungsgeschichte vor dem Hintergrund der Entwicklung von einer herrschaftlichen hin zu einer musealen Sammlung ab 1866.164 Die Königlich Preußische Administration ist nun für den Erhalt der Kunstwerke ver- antwortlich. Den Anstoß für die o.g. Begutachtung gibt Carl Justi (1832-1912), Professor für Kunstgeschichte in Bonn. Er erhebt Vorwürfe, Aubel hätte „seit einiger Zeit“ unsachgemäße Restaurierungen vorgenommen, „indem er bereits einigen der besten Stücke eine Reinigung und Ueberfirnißung hätte zu Theil werden lassen und damals gerade einige der ersten Van Dycks in Arbeit genommen hatte, die übrigens jener Proceduren, nach sachkundigem Urtheil noch gar nicht bedurften“.165

161 Vgl. Bauer/Boehncke/Sarkowicz 2002, S. 285; Demandt 1980, S. 560, 576f. Die Provinz Hessen-Nassau bleibt während des Deutschen Kaiserreichs, der Weimarer Republik und des Dritten Reichs bis 1944 bestehen. 162 Vgl. Schreiben vom 30. Oktober 1874, HStAM, Bestand 150, Nr. 931, lfd. Nr. 183, unpublizierte Transkription von Mandt für das Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung; Bode, Schmidt: Bericht vom 15. No- vember 1874 (Abschrift), Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. Vgl. auch Brammer 1987, S. 97; Hermesdorf/Schnackenburg 1992, S. 86; Brammer 1999, S. 176; Mandt 2005, S. 93, 95ff. 163 Vgl. Bode, Schmidt: Bericht vom 15. November 1874 (Abschrift), Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälde- restaurierung. Vgl. auch Brammer 1987, S. 97; Hermesdorf/Schnackenburg 1992, S. 86; Brammer 1999, S. 176; Mandt 2005, S. 96f. Bei den Gemälden handelt es sich um Frans Hals, Die singenden Knaben und Peeckelhaering (Der lustige Zecher); David Teniers d. J., Ecce homo, Quiringh van Brekelenkamp, Das Tischgebet, Jan van der Heyden, Das alte Palais in Brüssel und Philips Wouwerman, Die Hirschjagd. 164 Vgl. Mandt 2005, S. 93. Die oberste Zuständigkeit hat das Königliche Ministerium der Geistlichen Unterrichts und Medicinalangelegenheiten in Berlin. In Fragen der Gemäldegalerie angesprochen sind auch die Königliche Generalverwaltung des kurfürstlichen Hauskommisses (bis 1875) und die Königliche Regierung der Provinz Hessen-Nassau. 165 Justi: Schreiben vom 21. Januar 1874, HStAM, Bestand 150, Nr. 931, lfd. Nr. 176, zitiert nach Mandt 2005, S. 94 und einer unpublizierten Transkription von Mandt für das Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 35 Vom 2. bis zum 4. November 1874 kommen der Direktorialassistent der Berliner Gemälde- galerie, Wilhelm von Bode (1845-1929), und der Berliner Gemälderestaurator Louis Barthold J. Schmidt nach Kassel, um den Sachverhalt dieser Beschwerde zu klären.166 Ausgehend von den Vorwürfen Justis und der Liste der seit 1866 von Aubel restaurierten Gemälde nehmen sie eine Bestandsaufnahme der gesamten Sammlung vor und beschreiben den Restaurierungs- bedarf. Von Bode und Schmidt verfolgen die Vorwürfe von Justi nicht, üben aber doch teils scharfe Kritik an Aubels Arbeitsweise, die jedoch kaum relevante Fakten enthält. Die Bewer- tung des Erhaltungszustands ist ambivalent. Die negativen Urteile konzentrierten sich auf die Bildträger und ihre unsachgemäße Konservierung, die sie nicht nur Aubel, sondern auch vage den Restauratoren des Musée Napoléon zuweisen. Auch drei „so sehr verputzte“ Gemälde wer- den benannt, ebenso 17 in mehrerer Hinsicht unsachgemäß restaurierte Bilder, die man unter anderem „mehr oder weniger scharf geputzt“ hatte.167 Zur letzteren Gruppe gehören Rem- brandts Selbstbildnis mit Barett und goldener Kette, Tizians Bildnis eines Feldherrn und Das Bohnenfest von Jacob Jordaens. Ihr generelles Urteil in Bezug auf die Bildoberflächen und die Firnisse fällt hingegen positiv aus. „Was nun im Allgemeinen die Erhaltung der Bilder betrifft, so steht die Casseler Galerie in dieser Beziehung keiner der öffentlichen Sammlungen Europas nach; im Gegenteil sind viel- leicht in keiner anderen die Gemälde so gut erhalten, als gerade in Cassel.“168 Als verbreitete Schäden konstatieren die Beiden, dass die Gemälde „nur verkommen sind in Schmutz unter vergilbtem und abgestorbenem Firniß“.169 Schließlich geben sie Empfehlungen für zukünftige Restaurierungen. Durch „gründliche Reinigung der Bilder und durch Regenerirung des abge- storbenen Firnisses“ sei eine entscheidende Verbesserung zu erzielen.170

„Das Regeneriren des Firnisses nach vorangegangener Reinigung wird namentlich bei den Werken der Meister, welche auf energische Lichtwirkung und auf die Entwickelung des Helldunkels ausgehen - also vor Allem bei den Gemälden von Rembrandts Hand, die ja den Stolz und Hauptwerth der Galerie ausmachen, von ganz schlagendem Erfolge sein.“171

166 Vgl. Bode, Schmidt: Bericht vom 15. November 1874, Archiv MHK, Aktenbestand: Königliche Gemälde- galerie zu Cassel, 1866-1877, in einer Transkription für das Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. Vgl. auch Brammer 1987, S. 97; Hermesdorf/Schnackenburg 1992, S. 86; Brammer 1999, S. 176; Mandt 2005, S. 96f., 99. 167 Vgl. ebd. Ebenfalls „mehr oder weniger scharf geputzt“ hatte man 23 namentlich benannte Bilder, deren Restau- rierung in mehrerer Hinsicht als unsachgemäß restauriert beschrieben werden. 168 Ebd. 169 Ebd., zitiert nach Brammer 1999, S. 176. 170 Ebd. 171 Ebd., in Teilen zitiert nach Mandt 2005, S. 97 und nach Brammer 1999, S. 176. 36 Konkret benannt werden das Bildnis des Nicolaes Bruningh, Saskia van Uylenburg im Profil, in reichem Kostüm und das Bildnis eines stehenden Herrn in ganzer Figur von Rembrandt, zudem Tizians Bildnis eines Feldherrn, Peter Paul Rubens’ Nicolaes de Respaigne und schließ- lich Anthonis van Dycks Bildnis eines Spaniers (Abb. 1, 2, S. 26 und Abb. 5-8, S. 38). Im letzten Raum des ehemaligen Galeriesaals, der sogenannten Stuckgalerie, herrschen unge- eignete Klimaverhältnisse. Sie werden als „im Winter feucht, im Sommer dumpf, stets aber stockend in der Luft ohne direkte Ventilation“ charakterisiert, ein Teil der dort ausgestellten Gemälde sei „vom Schimmel angegriffen“.172 Als prominente Beispiele betroffener Werke hebt man wiederum Rembrandts Bildnis eines stehenden Herrn in ganzer Figur, Tizians Bildnis eines Feldherrn, Peter Paul Rubens’ Nicolaes de Respaigne und Anthonis van Dycks Bildnis eines Spaniers hervor. Die Kommission empfiehlt unter anderem, „vor Ueberführung de[r] Galerie aus dem Bellevueschloß in das neue Galeriegebäude sind die werthvollsten und dessen bedürftigsten Gemälde einer Säuberung von Schmutz zu unterziehen“.173 Schließlich plädiert man für die befristete oder feste Anstellung eines Restaurators und schlägt gleichzeitig vor, die dringendsten und schwierigsten Restaurierungen „durch den ersten Restaurator der kgl. Museen ausführen zu lassen“.174 In den folgenden Jahren sind zwei Restaurierungskampagnen belegt. Aus einer Aktennotiz vom 5. Februar 1879 geht hervor, dass Schmidt zusammen mit seinem Sohn mit der „Reinigung und Instandsetzung der Bilder vor Überführung“ in die Königliche Gemäldegalerie beauftragt wor- den war.175 Vom Juni bis Juli 1880 hält sich sein Nachfolger, Wolfgang Böhm, in Kassel auf und führt an über 30 Werken, darunter das Bildnis eines Mannes in Dreiviertelfigur von Frans Hals, Restaurierungen in unterschiedlichem Umfang aus. Schließlich zeigt man sich mit der Arbeit von Böhm nicht mehr zufrieden und beendet dessen Engagement.176

172 Ebd., zitiert nach Mandt 2005, S. 99. 173 Ebd., zitiert nach unpublizierten Transkription von Mandt für das Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestau- rierung. 174 Vgl. ebd. 175 Vgl. Schreiben vom 5. Februar 1879, HStAM, Bestand 150, Nr. 931, Gemäldegalerie zu Kassel 1866-1904, lfd. Nr. 223, nach Mandt 2005, S. 99. 176 Vgl. Mandt 2005, S. 99. 37

Abb. 5: Rembrandt, Bildnis eines stehenden Herrn Abb. 6: Peter Paul Rubens, Nicolas de Respaigne, in ganzer Figur, 1639, Leinwand, 199 x 123,5 cm, Leinwand, 205,5 x 119,5 cm, Gemäldegalerie Alte Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Hessen Kassel, Foto: Brunzel Brunzel

Abb. 7: Anthonis van Dyck, Bildnis eines Spaniers, Abb. 8: Tizian, Bildnis eines Feldherrn, Leinwand, Leinwand 200 x 194 cm, Gemäldegalerie Alte 229 x 155,5 cm, Gemäldegalerie Alte Meister, Mu- Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: seumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Hensmanns Hensmanns

38 2.6 Begutachtungen der Sammlung und Restaurierungen von Alois Hauser d. Ä. und Alois Hauser d. J. von 1883 bis 1915

2.6.1 Begutachtung der Sammlung 1883

Oskar Eisenmann (1842-1933) wird 1877 Galeriedirektor.177 1883 engagiert man Alois Hauser d. Ä. (1813-1909) und Alois Hauser d. J. (1857-1919). Sie zählen zu den renommiertesten Res- tauratoren Deutschlands. Hauser d. Ä. ist seit 1875 Museumsrestaurator an der Alten Pina- kothek in München. Hauser d. J. erhält dort seine Ausbildung, bevor er 1886 das Amt des ersten Restaurators der Berliner Gemäldegalerie übernimmt. Begutachtungen und praktische Restau- rierungen von Beiden sind auch für die Galerien in Dresden, Braunschweig, Bamberg und Bu- dapest sowie für die Hamburger Kunsthalle, das Wallraf-Richartz-Museum in Köln, das Lan- desmuseum Hannover, die Kunsthalle Karlsruhe und für das Germanische Nationalmuseum Nürnberg nachgewiesen.178 Das zuständige Ministerium in Berlin veranlasst bereits 1882 im Vorfeld der Beauftragung eine Begutachtung zur Klärung der Restaurierungsfragen:

„[B]ei der großen Wichtigkeit und Verantwortung, welche jede Restaurirungsthätigkeit an der Kasseler Galerie für alle Beteiligten involvirt, würde ich alsdann noch den Generaldirektor der Königlichen Museen nur eventl. einen Beamten der hiesigen Königlichen Gemäldegalerie nach Kahsel abordnen, um an den Besprechungen mit dem g. Hauser Theil zunehmen.“179

Eisenmann, Richard Schöne, Generaldirektor und Julius Meyer, Galeriedirektor der könig- lichen Museen in Berlin, sind Mitglieder der vierköpfigen Kommission, die sich mit Hauser d. Ä. und d. J. am 18. und 19. Mai 1883 zusammenfindet, allerdings nicht von Bode.180 Wiederum verfasst man einen Bericht und formuliert einleitend allgemeine Restaurierungsziele.

„Die Anwesenden waren darin einig, dass die Restaurationsthätigkeit sich zunächst auf diejenigen Maßregeln zu richten habe, welche zur Erhaltung der Bilder dienen, die sicher eingetretenen Schäden mildern und ihrem Fortschreiten vorbeugen; sind aber der Meinung, daß kleine Uebel- stände im Aussehen der Gemälde welche keine Gefahr involviren, lieber zu dulden, als durch nicht gefahrlose oder in ihren Ergebnissen nicht ohne Weiteres überzeugende Prozeduren zu beseitigen seien.“181

177 Vgl. DBE, Bd. 3, 1996, S. 72. 178 Vgl. Mandt 1995, S. 215f.; Mandt 2005, S. 101f.; Wießmann 2007, S. 55, 58, 61; Giebe 1999, S. 29; Achen- bach-Stolz 2007, S. 104f., 110. 179 Gohsler: Schreiben vom 27. Juli 1882, HStAM, Bestand 150, Nr. 931, lfd. Nr. 253, zitiert nach einer unpub- lizierten Transkription von Mandt für das Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. Vgl. auch Mandt 2005, S. 100. Mandt verweist auf ein Schreiben von Gohslers vom 21. April 1883 mit ähnlichem Inhalt. 180 Vgl. Eisenmann u.a.: Kommissionsbericht vom 21. Mai 1883, HStAM, Bestand 150, Nr. 1824, lfd. Nrn. 77-83. 181 Ebd., lfd. Nr. 80v. (verso). 39 Der Erhaltungszustand der Gemälde wird ähnlich bewertet wie schon 1874 und 1877. Erneut wird die Verschmutzung der Bildoberflächen sowie die Gilbung und Trübung der Firnisse her- vorgehoben. Als angezeigte Maßnahmen gibt man die „gründliche Reinigung der Bilder sowie Regenerirung des abgestorbenen Firnisses“ vor.182

„In nicht wenigen Fällen wird das letztere Verfahren, die Regeneration, wenn mit Vorsicht und den gehörigen Modificationen vorgenommen, einen guten Erfolg haben [...]. Deshalb wird sich die Thätigkeit des Conservators Hauser und seines Sohnes, zumal Gefahr ist, daß durch verlängerte Ver- kommenheit der Bilder unter Schmutz und abgestorbenem Firniß allmälig ein ernstlicher Schaden für dieselben erwachse, zunächst auf das Reinigen der Gemälde richten müssen [...]. Endlich wird bei einer Anzahl von Bildern unter behutsamer partieller Abnahme des Firnisses beziehungsweise vorsichtiger Regenerirung desselben mit kleineren Herstellungsarbeiten vorzugehen sein.“183

Die geplanten Maßnahmen werden in drei Kategorien eingeteilt.

„I. Gemälde, welche gereinigt werden müssen. II. Gemälde, welche einer gründlichen Restauration zu unterwerfen sind. III. Gemälde, welche regenerirt oder von welchen ein Theil des alten zu dicken und undurchsichtigen Firnisses abgenommen, oder an welchen sonst kleinere Restaurationen vorge- nommen werden müssen.“184

Der Bericht enthält als Anhang ein „Verzeichnis derjenigen Gemälde der Galerie zu Cassel, welche auf Grund mitfolgenden Protokolles von dem Conservator Hauser und dessen Sohn ge- reinigt u.s.w. werden sollen“.185 Das Verzeichnis zählt 114 Gemälde auf. Jedem der Gemälde ist die Kategorie II oder III des Maßnahmenkataloges zugewiesen, ergänzt durch die im Proto- koll beschriebenen Kategorien a) „dringlich“ und b) „wünschenswerth, ja mit der Zeit noth- wendig aber momentan nicht dringlich“.186 Die Kategorie I ist nicht vergeben. „Unter die erste Kategorie werden mit Ausnahme der durch die Restauratoren Schmidt und Böhm schon früher gereinigten, alle Gemälde der Galerie fallen.“187 Die „gründliche Restauration“ nach Kategorie II bezieht sich auf verschiedene Schäden, wie sie bereits 1874 und 1877 festgestellt worden waren, Beschädigungen der Bildträger infolge von Rentoilagen, Parkettierungen und Maroufla- gen sowie Malschichtverluste, „Verputzungen“ und unstimmige Retuschen. Die Firnisproble- matik steht deutlich im Vordergrund. 92 der 114 aufgelisteten Gemälde sind der Kategorie III zugeordnet, bei etwa der Hälfte davon wird eine Firnisbehandlung als dringend erachtet, wobei man sich aber Korrekturen vorbehält. „Das [...] Verzeichniß der dritten Kategorie kann vor der Reinigung kein abschließendes sein und muß voraussichtlich später ergänzt werden.“188 Zwei der in der vorliegenden Arbeit als Fallstudien untersuchten Gemälde sind in dem Verzeichnis

182 Ebd., lfd. Nr. 81. 183 Ebd., lfd. Nr. 81ff. 184 Ebd., lfd. Nr. 82f. 185 Ebd., lfd. Nr. 77-79v. 186 Vgl. ebd., lfd. Nr. 82v. 187 Ebd. 188 Ebd. 40 aufgeführt. Rembrandts Heilige Familie mit dem Vorhang ist der Kategorie IIIa („Gemälde, welche regenerirt oder von welchen ein Theil des alten zu dicken und undurchsichtigen Fir- nisses abgenommen, oder an welchen sonst kleinere Restaurationen vorgenommen werden müssen - dringlich“) zugeordnet, Das Bohnenfest von Jordaens der Kategorie IIb („Gemälde, welche einer gründlichen Restauration zu unterwerfen sind - „wünschenswerth, ja mit der Zeit nothwendig aber momentan nicht dringlich“).189

2.6.2 Restaurierungen von Alois Hauser d. Ä. und Alois Hauser d. J. und ihre Begutachtungen 1883

Die Beteiligten berichten in verschiedener Weise von der Restaurierungskampagne. Mandt zitiert ein Schreiben von Bodes an Eisenmann vom 13. Mai 1883, wenige Tage vor der o.g. Be- gutachtung und dem Beginn der Restaurierung, in dem er die Ansicht Alois Hausers d. Ä. über die geplanten Firnisregenerierungen der Kasseler Gemälde wiedergibt:

„In München sagte mir Hauser vor ein paar Tagen, dass er zum Zweck der photographischen Aufnahme eine[.] große Reihe ihrer Cassler Bilder regenerieren müßte, die Hanfstaenglschen Auf- nahmen sonst nicht gelingen würden. Wie Hauser mir sagte wird dies bei den dicken Firnislagen, die gerade ihre Cassler Bilder vielfach haben in manchen Fällen die Bilder längere Zeit speckig und glänzend erscheinen lassen […]. Haben Sie nicht die gleiche Empfindung gehabt und werden deshalb nicht möglichst wenige der Bilder, namentlich wenn sie auf Kupfer und Holz gemalt sind regenerieren lassen, wenn sie es nicht auch sonst dringend nötig haben?“190

Das Schreiben belegt nach Mandt zum einen den Bezug zwischen den fotografischen Auf- nahmen und den vorgesehenen Firnisregenerierungen, zum anderen werden die Risiken dieser Maßnahme und die Risikofälle klar benannt. Von Bode verdeutlicht auch, dass er eine Firnis- regenerierung ohne eine restauratorische Indikation nicht gerechtfertigt hält. Wie Hess am Beispiel der fotografischen Aufnahmen von Gemälden der Alten Pinakothek in München zur gleichen Zeit zeigt, gibt es Berichte darüber, dass sogar Fotografen mit verschiedenen Mitteln Hand an die Gemälde anlegen.191 Auch die Reproduktionstechnik des Kunstverlags Franz Hanfstaengl ist relevant, da die Repro- duktion der Heiligen Familie mit dem Vorhang von Rembrandt in Kapitel 4.2 (S. 211, 223f.) als Bilddokument des Erhaltungszustands zum Zeitraum der Aufnahme betrachtet wird. Der von Eisenmann 1888 herausgegebene Katalog der Königlichen Gemälde-Galerie zu Cassel

189 Vgl. ebd., lfd. Nrn. 77v.-78. 190 Bode: Schreiben an Eisenmann vom 13. Mai 1883, SMPK, Zentralarchiv, Bodenachlass BMS 21, zitiert nach Mandt 2005, S. 100. 191 Vgl. Mandt 2005, S. 101; Hess 1999, S. 126ff. 41 belegt fotografische Aufnahmen von 206 Gemälden durch den Kunstverlag Franz Hanfstaengl.192 Darunter sind Das Bohnenfest von Jordaens und Die Heilige Familie mit dem Vorhang von Rembrandt.193 Es wird davon ausgegangen, dass der Kunstverlag Franz Hanfstaengl ab 1883 an der Kasseler Galerie tätig ist und seine Arbeit vor 1888 abschließt. Dieser nicht näher eingrenzbare Zeitraum wird im Folgenden vereinfachend als 1880er Jahre bezeichnet. Im Katalog Eisenmanns werden die Fotografien in verschiedenen Formaten oder Qualitäten angeboten.194 In der Zeit um 1900 erscheinen vier Publikationen mit fotografischen Reproduktionen Kasseler Gemälde. In einer Publikation über Rembrandt 1900 und einem Tafelband mit Werken der Kasseler Gemäl- degalerie 1902 ist der Verlag Franz Hanfstaengl als Autor der fotografischen Reproduktionen nachgewiesen.195 Die Gemälde sind in einer fotomechanischen Reproduktionstechnik, einer Drucktechnik, der „Heliogravure“ oder dem „Lichtdruck“, wiedergegeben, die der Verlag Franz Hanfstaengl seit 1885 verwendet.196 Die Fotonegative werden vielfach aufwendig retu- schiert, was auch bereits schon nach damaliger Auffassung den dokumentarischen Wert ein- schränkt.197 Vom 17. Mai bis zum 2. Juli 1883 dauert der Arbeitsaufenthalt von Alois Hauser d. Ä. und d. J. in Kassel, an dessen Beginn die oben genannte, zweitägige Besprechung steht. Wilhelm von Bode informiert sich am 25. und 26. Mai vor Ort über den Stand der Restaurierung. Nochmals charakterisiert er allgemein den Erhaltungszustand der Firnisse. Er führt aus, dass ein

„Hauptschaden der Casseler Galerie gerade in dem Firniss der Bilder in […] dicken Lagen verschiedener, z. th. schlechter, trüber und gefärbter Firnisse besteht, die auf einer Reihe von Bildern zahllose kleine Risschen jene Veränderung erfahren haben, welche wie eine Art Schimmel er- scheint.“198

192 Vgl. Mandt 2005, S. 101. 193 Vgl. BK Kassel 1888, S. 447, 450. Susanna und die beiden Alten von Bartholomeus Frans Douven und Die weiße Henne mit Küchlein von Melchior de Hondecoeter sind nicht aufgeführt. 194 Vgl. Eisenmann 1888, S. 444-454; Hess 1999, S. 138, 142. Das „Verzeichnis der bei F. Hanstängl in München erschienenen Photographien“ weist die Fotografien als „Facs.“, „Imp.“ und „Royal“ aus. Nach Hess verwendet man die Formate „Kabinett“, „Folio“, „Royal“ und „Imperial“, das Royal-Format hat eine Größe von 29 x 38 cm. Die Fotonegative der Kasseler Gemälde sind verloren. Ob es sich um fotografische (Papierabzug) oder fotomecha- nische Druck- bzw. Reproduktionstechniken handelt, ist offen. 195 Vgl. Wedmore 1894; Bode/Hofstede de Groot 1900; Eisenmann 1902; Voll 1904. Bei Wedmore fehlt der Bild- nachweis, bei von Bode und Hofstede de Groot 1900 lautet er „F. Hanfstängl“, bei Eisenmann „Hanfstaengl Mün- chen“. Bei Voll ist ein ligiertes Monogramm „H M“ vorhanden, das „Hanfstaengl München“ bedeuten könnte. 196 Vgl. Bode/Hofstede de Groot 1900; Eisenmann 1902; Hess 1999, S. 146-149, Abb. 54, o. S. Bei von Bode und Hofstede de Groot lautet die Angabe „Héliogravure“. Bei Eisenmann ist „Gravure“ angegeben. Als technisches Merkmal der Heliogravure mit einer Kupferdruckplatte erkennt man einen Plattenrand. Hess zeigt einen makros- kopischen Ausschnitt einer Heliogravure und deren typische Körnung. 197 Vgl. Hess 1999, S. 131ff. 198 Bode: Schreiben vom 2. Juli 1883, SMPK, Zentralarchiv, I / KFH 36, No. 1690/83, zitiert nach Brammer 1999, S. 176. Vgl. auch Mandt 2005, S. 100. Die angegebene Datierung weicht ab, hier ist die Datierung von Mandt übernommen. 42 An den dickschichtigen Gemäldeüberzügen zählt Wilhelm von Bode „meist 4- oder fünffach[e] Firnislagen“.199 Er beklagt, dass man bei früheren Doublierungen („Rentoilage“), die er vor allem Aubel zuschreibt, und Parkettierungen eine Firnisabnahme versäumt hat. „Dabei haben sie vor ihren Restaurationen den alten Firniss meist nicht oder nur theilweise abgenommen, wo- durch das Aussehn [?] dieser von ihnen restaurierten Bilder ein so beklagenswerthes und unge- nießbares geworden ist.“200 Die Zahl der von Hauser d. Ä. und d. J. regenerierten Gemälde beziffert von Bode auf „mehrere Dutzend“.201 Nach der Firnisregenerierung von Gemälden auf Holz und Kupfer bemerkt man tatsächlich auch die erwartete Erhöhung des Oberflächen- glanzes. Von Bode berichtet von einer Firnisabnahme an Thomas de Keysers Bildnis eines Mannes in Dreiviertelfigur sowie von der Firnisdünnung an Rembrandts Saskia van Uylenburg im Profil, in reichem Kostüm und Anthonis van Dycks Bildnis eines Spaniers, bei der er persön- lich anwesend ist. Positiv hebt er dabei das Belassen eines Restfirnisses hervor. Unabhängig davon erstellt Eisenmann am 26. Juli 1883 ein „Verzeichnis derjenigen Gemälde der Galerie zu Kassel, welche vom 17. Mai bis zum 2. Juli 1883 von dem königl. Bayerischen Conservator und Gemälderestaurator A. Hauser wiederhergestellt wurden“.202 In knappen Wor- ten erläutert er den Erhaltungszustand und die restauratorischen Maßnahmen von 23 Gemälden. Zu acht Gemälden fügt er die Bemerkungen „Hauptarbeit“, „schwierige Arbeit“ oder „langwie- rige und diffizile Arbeit“ an. Die Auswahl basiert auf der genannten Objektliste und umfasst überwiegend die dringenden Fälle der Kategorien II und III. Eisenmann präzisiert darin von Bodes Bericht über die Firnisdünnung an dem Bildnis eines Spaniers von Anthonis van Dyck: „in Kopf und Händen den störend gelben und dicken Firniß reduzirt“.203 Die Firnisabnahme an zwei weiteren Gemälden ist mit den knappen Worten „Firnis abgenommen“ und „vom vergilbten allzu dicken Firniß befreit“ beschrieben.204 „Gereinigt“ ist unter anderen Rembrandts Saskia van Uylenburgh im Profil, im reichen Kostüm, bei welchem von Bode Zeuge einer Firnisdünnung gewesen war. Eisenmann wertet die Maßnahme als „schwierige Arbeit“. Abweichend von den Angaben von Bodes ist hier nur in acht Fällen eine Regenerierung dokumentiert und es befinden sich keine Gemälde auf Kupfertafeln darunter. Bei Rembrandts Jakob segnet Ephraim und Manasse und Bartholomeus van der Helsts Bildnis

199 Vgl. ebd., nach Mandt 2005, S. 100. 200 Ebd., zitiert nach einer unpublizierten Transkription von Mandt für das Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälde- restaurierung. 201 Vgl. ebd., nach Mandt 2005, S. 100. 202 Eisenmann: Schreiben vom 26. Juli 1883, HStAM, Bestand 150, Nr. 1824, lfd. Nrn. 95-96v. 203 Ebd., lfd. Nr. 95. 204 Ebd., lfd. Nrn. 95-95v. Bei den Gemälden handelt es sich um Gabriel Metsu, Die Wild- und Geflügelhändlerin und unbekannter Künstler, 1. Hälfte 16. Jh., Bildnis eines Edelmannes. Beide Restaurierungen werden als „Haupt- arbeit“ ausgewiesen. 43 eines Mannes in Dreiviertelfigur notiert Eisenmann „regenerirt“, bei Peter Paul Rubens’ Nicolaes de Respaigne „regenerirt. Hauptarbeit“. „Gereinigt und regenerirt“ bzw. „gereinigt, regenerirt“ sind vier Gemälde. Zu ihnen zählen Anthonis van Dycks Bildnis der Isabella van Assche, Gemahlin des J. van Meerstaeten, Rembrandts Bildnis eines federschneidenden Man- nes und Peter Paul Rubens’ Maria mit Jesus und Johannes, von reuigen Sündern und Heiligen verehrt (Abb. 9, 10). Rembrandts Selbstbildnis mit Barett und goldener Kette ist „[v]om Firniß befreit und regenerirt. Langwierige und difficile Arbeit“.205 Während von Bode von der Firnis- abnahme bei Thomas de Keysers Bildnis eines Mannes in Dreiviertelfigur berichtet hatte, notiert Eisenmann lediglich „restaurirt“. In einem Bericht aus dem Jahr 1884 ist schließlich von einer weitaus höheren Zahl von Restau- rierungen als bei von Bode und Eisenmann die Rede. Demnach werden 240 nicht namentlich genannte Gemälde einer Oberflächenreinigung, ein Teil davon einer Firnisregenerierung unter- zogen. Bei 37 Gemälden findet eine „partielle Abnahme des dicken gegilbten Firnisses“ statt.206

Abb. 9: Peter Paul Rubens: Maria mit Jesus und Abb. 10: Anthonis van Dyck: Bildnis der Isabella Johannes, von reuigen Sündern und Heiligen ver- van Assche, Gemahlin des J. van Heerstraeten, ehrt, Leinwand auf Eichenholz, 258 x 204 cm, Leinwand, 107,5 x 97 cm, Gemäldegalerie Alte Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Hessen Kassel, Foto: Brunzel Brunzel

205 Ebd., lfd. Nr. 96. 206 Bericht vom Januar 1884, GStA PG, Bestand Zivilkabinett, Akte Rep.89, Nr. 20512, zitiert nach Mandt 2005, S. 100. 44 2.6.3 Restaurierungen von Alois Hauser d. J. von 1890 bis 1915

Im Jahre 1890 begutachtet Eisenmann eine weitere Restaurierungskampagne, die Hauser d. J. alleine innerhalb eines Monats in Kassel durchführt. Die Gemäldeauswahl entstammt nicht mehr der Objektliste von 1883.207 Fünf der insgesamt 17 von Eisenmann im Einzelnen aufge- listeten Gemälde erfahren eine Firnisbearbeitung. Die Angaben lauten „gepuzt“, „vom alten vergilbten Firnis gereinigt“, „von Flecken gereinigt, gepuzt und wieder gefirnisst“, „von dem alten vergilbten Firnis befreit und retouchirt“ und „vom trüben erstorbenen Firnis befreit“.208 Die Maßnahmen an zehn weiteren Gemälden beschreibt Eisenmann summarisch: „Außerdem wurden 4 Gemälde von Wouwerman, 2 von Joh. Heinrich Roos, 1 Pynacker, 1 Schalcken, 1 Neefs und 1 Giuseppe Cesari regenerirt, endlich eine Reihe von Gemälden gefirnisst. Alle diese zahlreichen Arbeiten hat Hr. Hauser mit größtem Geschick und Gelingen ausgeführt.“209 Der Nachfolger Eisenmanns, Georg Gronau (1868-1938)210, berichtet 1912 über sein Vorhaben, Hauser d. J. mit der Restaurierung von vier Gemälden, darunter Domenico Tintorettos Bildnis eines jungen Mannes zu beauftragen. Das Gemälde solle „durch Behandlung mit dem Petten- kofer’schen Verfahren seine ursprüngliche Leuchtkraft wiedergewinnen“.211 Gronau verfasst vermutlich bis 1917 ein Manuskript für einen umfangreichen Galeriekatalog, das aber unver- öffentlicht bleibt. Das Manuskript enthält vereinzelt Angaben zum Erhaltungszustand und zu Restaurierungen.212 Zu Anthonis van Dycks Doppelbildnis des Malers Frans Snyders und seiner Frau Margaretha de Vos heißt es: „Der ursprüngliche Firnis ist stark gegilbt, so dass alle Farben auffallend blass wirken, sonst von bewundernswürdiger Erhaltung.“213 Nur in einem Fall beobachtet Gronau eine Firnistrübung, in zwei anderen Fällen ist ein „lackartiger Firnis“ zu bemerken.214 Zehn Restaurierungen durch Hauser d. J. sind dokumentiert, acht davon in der

207 Vgl. Eisenmann: Bericht vom 20. Juni 1890, HStAM, Bestand 150, Nr. 1824, lfd. Nrn. 227v.-228. 208 Ebd. Vgl. auch BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 299, 306, 332. Entsprechend der Reihenfolge der genannten Maß- nahmen handelt es sich um Paolo Veronese, Werkstatt, Maria heilt durch ein Wunder die Tochter des Königs von Frankreich, Pieter Wouwermans Vier Reiter beim Hufschmied, Allesandro Turchi, Das Urteil des Paris sowie zwei Gemälde, die im BK Kassel 1996 nicht mehr enthalten sind, A. Cuyp, Landschaft mit Hirt und Herde, Kopie nach Tizian, Bildnis der Tochter Tizians, Lavinia. 209 Ebd., lfd. Nr. 228. Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 81, 223, 254, 328-333. Der heutige Gemäldebestand umfasst 20 Werke von Philips Wouwerman und drei Gemälde von Pieter Wouwerman, drei Werke von Johann Heinrich Roos, zwei von Adam Pynacker und ebenfalls zwei Werke von Giuseppe Cesari. 210 Vgl. Lehmann 1988, S. 159. Gronau leitet die Galerie von 1910 bis 1924. 211 Gronau: Schreiben vom 7. November 1912, HStAM, Bestand 150, Nr. 1824, lfd. Nrn. 266ff. 212 Vgl. Gronau, Verzeichnis der Königlichen Gemäldegalerie zu Cassel, Manuskript, undatiert, Archiv MHK. Vgl. auch Mandt 1995, S. 216, Anm. 25; Kat. Kassel 1958, S. 18, Anm. 12 sowie BK Kassel 1913. Die Datierung des Manuskripts in das Jahr 1917 ist aus den Daten des zugehörigen Schriftverkehrs abgeleitet. Das Manuskript ist umfangreicher als der von Gronau 1913 publizierte Galeriekatalog. 213 Ebd. 214 Vgl. ebd. Bei den Gemälden handelt es sich um Jacob Campo Weyermann, Blumenstrauß in einer Vase, Peter Paul Rubens, Werkstatt, Der trunkene Herkules und Jan van Goyen, Nachfolger, Landschaft mit Bauernhof. 45 Zeit von 1911 bis 1915, zwei Restaurierungen sind undatiert. Der Ausführende einer weiteren Restaurierung im Jahr 1913 bleibt ungenannt. Zu einem der Gemälde notiert Gronau „Reini- gung durch Prof. Hauser, die sich auf die Entfernung des Schmutzes beschränkte“, zu einem anderen, „[d]as Bild wurde 1915 von Prof. Hauser von einem entstellenden Firnis befreit“.215

2.6.4 Alois Hauser d. Ä. und seine Anleitung zur Technik der Oelmalerei

Eigenhändige Berichte oder Dokumentationen von Alois Hauser d. Ä. und d. J. haben sich in Kassel nicht erhalten. Hingegen verfasst Hauser d. Ä. als Museumsrestaurator der Alten Pina- kothek in München detaillierte Berichte über die Befunde und Maßnahmen.216 Hinweise auf die verwendeten Firnismaterialien und den Firnisauftrag gibt er in seiner Anleitung zur Technik der Oelmalerei von 1885.217 Das Werk befasst sich mit der Maltechnik, beruht aber, wie Hauser d. Ä. einleitend feststellt, auf Erfahrungen, „welche ich mir in meiner mehr als dreissigjährigen Thätigkeit als Gemälderestaurator erworben habe“.218 Es sind „nur Mittel angegeben, welche sich nach meiner Erfahrung als vollkommen zuverlässig und haltbar erwiesen haben“.219 Anfor- derungen an einen Gemäldefirnis beschreibt er wie folgt:

„Der Firniss soll nicht zäh, aber vollkommen klar sein, sich leicht und gleichförmig aufstreichen lassen, schnell trocknen ohne Klebrigkeit zu hinterlassen, keine Sprünge bekommen, oder sich beim Trocknen zusammenziehen. Endlich soll derselbe nicht zu sehr dem Nachgelben unterworfen sein und sich nicht mit den Oelen oder Farben verbinden oder durch geistige Substanzen zu sehr in die Farben eindringen, sondern sich, wenn es nöthig ist, stets wieder gut abnehmen lassen, ohne dass die Malerei verletzt wird. Firnisse, welche diesen Anforderungen entsprechen, sind »Mastix und Dammar=Firniss«, auch Copal.“220

Mastix- oder Dammarfirnis wird „ungefähr mit der doppelten Quantität von rektificirtem Ter- pentinöl“ angesetzt.221 „Zum Firnissen selbst soll der Firniss nicht dicker genommen werden als etwa Leinöl, so daß er sich ganz leicht aufstreichen läßt.“222 Hauser d. Ä. empfiehlt, das Ge- mälde und den Firnis leicht zu erwärmen. „[D]adurch lässt sich dieser leichter und gleichmä-

215 Ebd. Bei den Gemälden handelt es sich um Gerolamo Bassano, zugeschrieben, Ländliche Szene und Vincenzo Damini, Das Urteil des Midas. 216 Vgl. Schmidt 2009, S. 170, Abb. 93; Schmidt 2006, S. 204. Es handelt sich um einen mehrseitigen Bericht von 1877 zu Andrea de Sarto, Die Heilige Familie mit Johannes dem Täufer, Elisabeth und zwei Engeln und einen Be- richt von 1890 zu der Madonna mit der Nelke von Leonardo da Vinci. 217 Vgl. Hauser 1885. Eine zweite, durchgesehene, in München und Leipzig 1889 erscheinende Auflage ist in den hier genannten Passagen gleich. Hauser führt sein Amt als „Conservator und Restaurator der Königlich Baye- rischen Staatsgemäldesammlungen“ und das des „Fürstlich Hohenzollern = Hechingen’schen Hofmalers“ an. 218 Ebd., S. 3. 219 Ebd., S. 3f. 220 Ebd., S. 21f. 221 Ebd., S. 22. 222 Ebd. 46 ßiger aufstreichen und außerdem wird dadurch das spätere Anlaufen der Bilder verhindert. Am besten bringt man das Bild beim Firnissen in eine horizontale Lage und verwendet dazu einen breiten großen Malerpinsel.“223 Hauser rät zur Einhaltung einer Wartezeit bis zum ersten Firnis- auftrag. Er verweist auf „die früher geübte Praxis, ein Bild vor Jahresfrist nicht mit Firniss zu überziehen“.224 Eine Gefahr sieht er offenbar in der Quellung und dem Anlösen der Ölfarb- schicht durch das Lösemittel des Firnisses.

„[D]a sonst der Firniss in die noch nicht vollständig vertrockneten Farben zu sehr eindringt, wodurch diese leichter reissen und nachdunkeln und andererseits eine solche Verbindung des Firnisses mit der Farbe bewirkt wird, dass dieser, wenn es allenfalls nöthig sein sollte, nur sehr schwer oder gar nicht mehr abgenommen werden kann.“ 225

Schließlich kann es zu einem „Blauwerden“ kommen, wenn „ein neuer Firniss aufgetragen oder ein schon vorhandener alter Firniss durch Regeneration wieder erweicht wurde“.226 Das Blau- werden kann behoben werden, indem man das Gemälde „mit einem trockenen weichen Tuch […] abreibt (förmlich abpolirt)“.227

2.6.5 Alois Hauser d. J. und sein Manuskript Über die Restauration von Gemälden

Das Manuskript entsteht „im wesentlichen in den Jahren 1896/97 und [wird] 1902/1903 noch- mals überarbeitet“, so Petra Mandt.228 In den Kapiteln Regenerieren-Putzen und Putzen beschreibt Hauser d. J. detailliert die Wirkung und Risiken verschiedener Firnisbehandlungen und berücksichtigt dabei auch unterschiedliche Firniskonstellationen. Nach Mandt ist der Text unvollständig, so fehlt beispielsweise das Kapitel Firnisauftrag. Hauser d. J. geht besonders auf die Pettenkofer’sche Methode der Alkoholbedampfung ein und erwähnt am Rande auch die Fries’sche Methode.229 Eine Regenerierung mit Alkohol sei nur bei Harzfirnissen, nicht aber bei Ölfirnissen oder Firnissen mit hohem Ölanteil zu erreichen. Seiner Auffassung nach werden Ölfirnisse unter der Einwirkung von Alkohol nicht regeneriert, son- dern im Gegenteil undurchsichtig und zudem durch Riss- und Runzelbildung beeinträchtigt. Vor dem „Pettenkofern“ empfiehlt er den Vorversuch mit einem Miniaturkästchen. Die übliche Einwirkungszeit gibt er mit 10 bis 20 Minuten an. Zu den unerwünschten Begleiterscheinungen

223 Ebd., S. 23. 224 Ebd. 225 Ebd. 226 Ebd. 227 Ebd., S. 24. 228 Mandt 1995, S. 216. 229 Vgl. Hauser d. J., Manuskript, Archiv Ferdinand Werner, Worms, nach Mandt 1995, S. 226f. Vgl. Schmitt 1990, S. 37ff. 47 der Pettenkoferʼschen Alkoholbedampfung zählt Hauser d. J. die vorübergehende Erhöhung des Glanzgrades und matt eingeschlagene Stellen in Bereichen dünnen Firnisauftrags. Er beob- achtet zudem zu Beginn der Lösemitteleinwirkung im Pettenkofer-Kasten das Entstehen von Firnisrissen, die sich im weiteren Prozess der Regenerierung wieder schließen. Bei überlanger Lösemitteleinwirkung „zieht sich der Firniß pockenartig zusammen“.230 Hauser d. J. berichtet von einer älteren Praxis, mit Alkohol bedampfte Gemälde anschließend mit Copaivabalsam „einzureiben“. „[J]edoch hat sich dies schlecht bewährt, da dieses in der ersten Zeit sehr stark blau anläuft, später aber spröde wird und außerdem stark nachgilbt.“231 Alois Hauser d. J. sieht altersbedingt gegilbte Firnisse als erhaltenswert an und misst ihnen einen besonderen Wert zu:

„Der Hauptreiz bei alten Gemälden besteht in der unnachahmlichen Wärme des Tones der durch die in der Regel im Laufe der Zeit mehrfach aufgetragene Firnißschicht die sich gebräunt hat bedingt ist […]. Es ergeht hieraus von selbst, daß man, sofern es irgend angängig ist, diesen Reiz soviel wie möglich schonen und sich nur in wirklich nothwendigen Fällen zur Entfernung des alten Firnißes entschließen soll.“232

Bei einem übermäßigen Grad der Gilbung oder bei bewusst gefärbten Firnissen hält er eine Firnisabnahme für gerechtfertigt. Ebenso wie bei der Regenerierung unterscheidet er zwischen Harz- und Ölfirnissen. Für die Abnahme von Harzfirnissen gibt er eine Mischung von „Spiri- tus“, Terpentinöl und Leinöl an. Sie werde mit einem Wattebausch aufgetragen. Das zur Ab- nahme von Ölfirnissen und Übermalungen wirksame Mittel besteht nach Hauser d. J. aus Copaivabalsam und Salmiak, die Mischung wird in kleinen Flächen aufgestrichen und muss „einen Augenblick“ einwirken. Als Lösemittel für die Nachreinigung nennt er Terpentinöl oder „Petroleum“.233 Einen Neufirnis beschreibt Hauser d. J. im Zusammenhang mit regenerierten Gemälden. Matt eingeschlagene Bildbereiche firnisst man seiner Angabe nach mit dem Pinsel partiell und ver- teilt den Firnis mit dem Finger. Darauf folgt ein ganzflächiger Firnis, der „ dünn mit dem Ballen der Hand“ aufgetragen wird.234

230 Ebd., zitiert nach Mandt 1995, S. 227. 231 Ebd., S. 226. 232 Ebd. Hauser bezieht sich in dieser Aussage auf das „Bild“, im ersten Teil des Satzes auf „Bilder“. 233 Vgl. ebd., nach Mandt 1995, S. 227f. Mandt belegt die Verwendung der Mischung von Copaivabalsam und Salmiak durch Alois Hauser d. J. bei der Restaurierung eines Gemäldes der Berliner Gemäldegalerie im Jahr 1887. 234 Vgl. ebd., S. 226. 48 2.7 Begutachtungen der Sammlung und Restaurierungen von 1924 bis 1931

2.7.1 Begutachtung der Sammlung 1924 und Restaurierungen von 1925/26 bis 1929/1930

Im Jahr 1924 unternimmt Max Jakob Friedländer (1867-1958)235, zu dieser Zeit zweiter Direk- tor der Gemäldegalerie und Leiter des Kupferstichkabinetts in Berlin, eine Zustandsüberprü- fung des Kasseler Gemäldebestandes. Möglicherweise fällt sein Besuch mit dem Amtsantritt von Johannes Boehlau (1861-1941) als Direktor der neu gegründeten Staatlichen Kunstsamm- lungen in Kassel 1924 zusammen.236 Friedländer stellt die Trübung der Firnisse als einen der wesentlichen Schäden der Sammlung fest. „Die Mängel im Zustande sind die typischen, überall von Zeit zu Zeit auftretenden.“237 Zu den anstehenden Maßnahmen in Bezug auf die Firnis- trübung schreibt er: „Der Schaden ist relativ leicht zu beheben, bei Anwendung des soge- nannten Regenerierungsverfahrens.“238 Zwölf Hauptwerke führt er namentlich auf und weist zudem auf eine höhere Zahl restaurierungsbedürftiger Gemälde hin. Neun davon zeigen Firnis- schäden, unter ihnen zwei Gemälde, die Hauser d. Ä. und d. J. bereits 1883 regeneriert hatten, Anthonis van Dycks Bildnis eines Spaniers und Bartholomeus van der Helsts Bildnis eines Mannes in Dreiviertelfigur. Bei beiden ist der Firnis „teilweise zersetzt“, ebenso bei Gabriel Metsus Die Cisterspielerin. Zu den anstehenden Maßnahmen schreibt Friedländer:

„Soweit ein Eingriff nötig ist, müsste wohl ein Restaurator aus Berlin für 3 bis 5 Wochen nach Cassel geschickt werden [….]. Der Besuch eines tüchtigen und zuverlässigen Restaurators in Cassel wäre nach Pausen von 3 oder 5 Jahren zu wiederholen, da sich Schäden immer wieder zeigen werden. Die Arbeit des Restaurators wäre unter der Aufsicht und Verantwortung eines wissen- schaftlichen Beamten vorzunehmen. Herr Dr. Luthmer, der Kustos in Cassel, scheint mir geeignet zu sein, diese Kontrolle auszuüben.“239

Kurt Luthmer (1891-1945) ist zu dieser Zeit Kustos am Hessischen Landesmuseum.240 „Falls ein beamteter Restaurator die Arbeit übernehmen soll, käme nur Herr Hauser, der erste Restau- rator an der Gemäldegalerie in Frage.“241 Sicherlich ist damit Alois Hauser III. (geb. 1886, ab 1929 im Ruhestand) gemeint, da Alois Hauser d. J. schon 1919 verstorben war. 242 Zu einer Be- auftragung von Hauser III. kommt es aber nicht.

235 Vgl. DBE 1996, Bd. 3, S. 452f. 236 Vgl. Lehmann 1988, S. 159. Boehlau ist seit 1902 Direktor des Museum Fridericianum in Kassel. 237 Friedländer: Schreiben vom 10. Juli 1924, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 238 Ebd. 239 Ebd. 240 Vgl. Lehmann 1988, S. 164. 241 Friedländer: Schreiben vom 10. Juli 1924, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 242 Vgl. Mandt 1995, S. 215; Wießmann 2007, S. 58. 49 Johannes Boehlau verhandelt 1926 mit dem Berliner Restaurator Robert Tomaschek243, den ihm Friedländer empfohlen hatte, über die Wiederherstellung einer nicht näher bezeichneten Gemäldeauswahl. In diesem Jahr steht ein rund zweiwöchiger Aufenthalt von Tomaschek in Kassel an. Zudem beantragt man die Genehmigung zur Übersendung von mehreren aufwendig zu restaurierenden Gemälden nach Berlin. Eines dieser Gemälde ist das Werk von Maerten van Heemskerck, Jan Foppenszoon und seine Familie.244 Tomaschek nimmt großflächige Über- malungen des Hintergrunds und offenbar auch den Firnis ab. Luthmer benennt 1930 fünf weitere, von Tomaschek restaurierte Gemälde. Dazu zählen Jacob Isaacksz. van Ruisdaels Der Wasserfall und das Bildnis eines Mannes in Dreiviertelfigur von Bartholomeus van der Helst.245 Auch Domenico Tintorettos Bildnis eines jungen Mannes erfährt eine Restaurierung. Kurt Luthmer läßt jedoch offen, wer die Arbeiten ausführt. Großflächige Übermalungen und der Firnis, den Luthmer als „zerstört“ und „gefährlich krepiert“ bezeichnet, werden abgenom- men.246 Bereits 1912 hatte Gronau eine Firnisregenerierung dieses Gemäldes für angezeigt ge- halten und dafür Hauser d. J. vorgeschlagen. Für die Kasseler Galerie ist neben Tomaschek auch die Restauratorin Frida Schübeck tätig, die nach Luthmer vor ihrer freischaffenden Tätig- keit langjährige Mitarbeiterin in der Restaurierung der Alten Pinakothek in München gewesen war.247 Die beiden restaurieren insgesamt 19 namentlich genannte Gemälde und führen darüber hinaus Arbeiten an einer „größeren Reihe kleinerer Werke“ aus.248 Frida Schübeck verfasst mit ihren Objektuntersuchungen und Beschreibungen der Maßnahmen die ersten Restaurierungsdokumentationen der Kasseler Gemäldegalerie. Namentlich zwölf Ge- mälde werden von ihr bearbeitet, wobei drei eine Firnisbehandlung erfahren.249 Zu Anthonis van Dycks Bildnis eines Spaniers schreibt sie:

„Das Bild ist mit einer zweifachen dicken gelben Firnisschicht bedeckt, die teilweise krepiert ist, die Farbe freilegt und gefährdet […]. Zwischen den Firnisschichten befinden sich breite Übermalungen […] Der Firnis und die Uebermalungen wurden abgenommen […]. Das Bild wurde nach längerer Trockenzeit mit einer sehr dünnen Lage von regeneriertem Firnis bedeckt.“250

243 Vgl. Berliner Adressbuch 1938, S. 236. Das Berliner Adressbuch verzeichnet im Branchenverzeichnis unter der Rubrik Gemäldestauratoren einen R. Tomaschek. Biografische Daten sind nicht bekannt. 244 Vgl. Boehlau: Schreiben vom 15. April 1926, Aktenbestand: Gemälderestaurierung, Archiv MHK. 245 Vgl. Luthmer: Schreiben vom 6. August 1930, HStAM, Bestand 150, Nr. 1824, Gemäldegalerie zu Kassel 1866-1904, lfd. Nrn. 307v.-308. 246 Vgl. Boehlau: Schreiben vom 15. April 1926, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung; Luthmer: Schreiben vom 6. August 1930, HStAM, Bestand 150, Nr. 1824, lfd. Nrn. 307-308v. 247 Vgl. Luthmer: Schreiben vom 10. April 1930, Archiv MHK: Aktenbestand: Gemälderestaurierung. Die Schreibweise ihres Vornamens ist durch mehrere schriftliche Quellen belegt. 248 Vgl. Luthmer: Schreiben vom 8. März 1930, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. Vgl. auch Luthmer: Schreiben vom 6. August 1930, HStAM, Bestand 150, Nr. 1824, lfd. Nrn. 307-308v. 249 Vgl. Schübeck: Restaurierungsbericht, undatiert, HStAM, Bestand 150, Nr. 1824, lfd. Nrn. 312-317. 250 Ebd., lfd. Nrn. 315-315v. 50 Abb. 11: Mateo Cerezo (1637-1666), Der Hl. Johannes der Täufer, Leinwand 176 x 107, Gemäldegalerie Alte Meister, Museumsland- schaft Hessen Kassel, Foto: Reuschling

Das Gemälde von Mateo Cerezo, Der Hl. Johannes der Täufer (Abb. 11) wird nach einer nicht näher beschriebenen Restaurierung „mit einer dünnen Lage echtem englischen Kutschenlack gefirnisst, nicht mit Alkoholdämpfen regeneriertem, sondern mit rektifiziertem Terpentin“.251 Was mit der Bezeichnung „regeneriertem“ Firnis und Terpentinöl gemeint ist, bleibt offen. Bei englischem Kutschenlack handelt es sich nach Doerner um einen Kopallack von besonderer Qualität der Rohmaterialien und der Herstellung. Zum Kutschenlack im Allgemeinen schreibt er aber: „Je nach der Qualität ist er mehr oder minder dem Gilben unterworfen. Als Gemäl- defirnis, namentlich für Bilder alter Meister, wurde er wegen seines Goldtones gebraucht; er ist aber, wie alle Ölfirnisse, nicht als Schlussfirnis geeignet.“252 Kurt Luthmer fasst die Ereignisse und genannten Restaurierungen in den Jahren von 1925 bis 1930 zusammen. Ab 1928 ist er Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen und muss 1930 zu einem in der Presse erhobenen Vorwurf unsachgemäßer Restaurierungen Stellung nehmen. Zur Versicherung der sachgerechten Durchführung der Arbeiten verweist er u.a. darauf, dass das von Frida Schübeck restaurierte Gemälde, Der trunkene Silen aus der Rubens-Werkstatt, wäh- rend der restauratorischen Bearbeitung zum Zwecke eines Bildvergleichs zur Alten Pinakothek in München gesandt worden war.253 Nach Luthmer war es möglich gewesen, „die Restaurierung noch während der Arbeit in der Werkstatt der Alten Pinakothek eingehend durchzusprechen

251 Ebd., lfd. Nr. 315v. 252 Doerner 1921, S. 110. 253 Vgl. Luthmer: Schreiben vom 10. April 1930, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 51 und durch […] den Hauptrestaurator der Bayerischen Pinakotheken, Herrn Professor Kinkelin, untersuchen zu lassen“.254 Weiter führt Luthmer an, dass man sich bei Besuchen unter anderem bei dem Restaurator Albert Leusch, dem Leiter der Restaurierungswerkstatt der staatlichen Denkmalpflege in Halle, über „die neuesten Restaurierungs-Methoden auf dem Laufenden ge- halten hatte“.255 Auch auf die Begutachtung von Kurt Wehlte und Max Doerner 1929 wird ver- wiesen.

Abb. 12: Rembrandt, Die Heilige Familie mit dem Vorhang, signiert und datiert 1646, Eichenholz, 46,8 x 68,4 cm, Gemälde- galerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Hensmanns

254 Luthmer, Schreiben vom 6. August 1930, HStAM, Bestand 150, Nr. 1824, lfd. Nr. 308. 255 Ebd. 52 2.7.2 Begutachtungen der Sammlung durch Kurt Wehlte und Max Doerner 1929

Auf Luthmers Einladung hin kommt 1929 Kurt Wehlte (1897-1973) zu zwei Begutachtungen, zunächst alleine und dann gemeinsam mit Max Doerner (1870-1939), nach Kassel.256 Erstmals wird ein Gemälde der Kasseler Galerie mikroskopisch untersucht. Man verwendet ein binoku- lares Präpariermikroskop der Fa. Zeiss, das seit 1912 auf dem Markt ist und mit Objektiven von 2- bis 12-facher und Okularen mit 4- bis 28-facher Vergrößerung ausgestattet werden kann. Seit 1927 wird es unter dem Namen Dermatoskop mit einem hufeisenförmigen Unterbau, dem Stativ XDA, angeboten, der das Aufsetzen auf größere Objekte, z.B. auch auf eine Gemäldeober- fläche erlaubt.257 Luthmer schreibt am 21. März 1929 über die Zusammenkunft mit Wehlte, bei der man sich intensiv mit der Heiligen Familie mit dem Vorhang von Rembrandt (Abb. 12, S. 52) befasst:

„Es hat sich dabei vor allem bei der Untersuchung mit einem Zeiss-Dermatoskop herausgestellt, dass einige höchst wertvolle Bilder, wie etwa die Holzhacker-Familie [heutiger Titel: Die Heilige Familie mit dem Vorhang] von Rembrandt, sehr dringlich eines Schutzes vor weiterem Verfall, evtl. einer Wiederauffrischung bedürften. Die Firnisrisse sind bereits so tief durchgedrungen, dass die Farbe offenliegt.“258

Die offenbar von Luthmer geplante Firnisabnahme wird zurückgestellt. Bis zur weiteren Unter- suchung erhält das Gemälde einen „Schutzfirnis“. Luthmer verfasst ein Protokoll von der gemeinsamen Begutachtung durch Kurt Wehlte und Max Doerner vom 28. Mai bis zum 2. Juni 1929. Das Protokoll wird ergänzt durch einen nicht datierten Untersuchungsbericht Doerners, der offensichtlich den Anhang dazu bildet. Beide sind von Brammer in weiten Passagen wiedergegeben.259 Eingehend untersuchen Wehlte und Doerner die Rembrandt-Sammlung sowie restaurierungs- bedürftige und bereits restaurierte Gemälde, wobei die Frage der Firnisabnahme im Mittelpunkt steht. Doerner und Wehlte lehnen eine Anwendung von Lösemitteln ab und stellen auch das Pettenkofer’sche Verfahren zur Firnisregenerierung durch Alkoholbedampfung in diesen Zu- sammenhang.

„Es ist selbstverständlich, dass Bilder keinen schärferen Reinigungsprozeduren unterworfen werden dürfen. Die Herren sprachen sich selbst gegen die bisher allgemein geübten Reinigungsverfahren

256 Vgl. DBE, Bd. 2, 1995, S. 578f.; DBE, Bd. 10, 1999, S. 376. 257 Vgl. Kat. Zeiss 1928, S. 2-5,10f.; Wehlte 1967, o. S. Abb. B1 12.11. Den Produktkatalog der Fa. Zeiss stellte freundlicherweise Wolfgang Wimmer, Carl Zeiss Archiv Jena, zur Verfügung. Die Abbildung von Wehlte zeigt das Dermatoskop, dessen Fuß mit „Wildleder“ gepolstert ist, bei der Untersuchung eines Holztafelbilds. 258 Luthmer: Schreiben vom 21. März 1929, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 259 Vgl. Luthmer: Schreiben vom 6. Juni 1929 sowie Doerner: Bericht, undatiert, Anhang zu Luthmer: Schreiben vom 6. Juni 1929, beide Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. Vgl. Brammer 1987, S. 97f. 53 mit Alkohol aus, sowohl gegen die einfache Alkoholabwaschung, wie auch gegen das sogenannte Pettenkofern, bei dem die Firnisschicht durch Alkoholdämpfe abgenommen wird.“260

Die schädigende Wirkung des Lösemittels besteht nach Wehlte und Doerner darin, dass es über das Craquelé in das Bildgefüge eindringen und von dort aus untere Lagen einer mehrschichtigen Malerei lösen kann. Als Beispiel einer massiven Schädigung nennen Wehlte und Doerner die Rembrandt-Kopie Bildnis eines kahlköpfigen Alten. Eine weitere Schwierigkeit für eine Firnis- abnahme sehen beide darin, dass die Kasseler Gemälde „im Laufe des 18. und 19. Jh. mehrmals mit dickflüssigen Oelfirnissen überdeckt worden sind und die Oelbestandteile sich zum Teil recht fest mit dem Bindemittel der Farbschicht selbst vereint haben“.261 Sie raten zu einer Re- generierung mit „eben streichbarem“ Copaivabalsam. Ohne auf konkrete Werke einzugehen, erkennen Wehlte und Doerner „älter[e] und teilweise völlig zersprengt[e] Firnisschichten“. Zum einen soll die wiederholte Anwendung zu einem vollständigen Schließen der Firnisrisse führen, zum anderen versprechen sie sich mit Verweis auf das Bildnis einer jungen Frau mit Nelke von Ferdinand Bol „eine Wiederaufhellung nachgedunkelter Farbschichten“. Zum Fir- nissen der Gemälde lautet ihr Rat, anstelle der „im Handel üblichen, auf warmen Wege gelös- ten“ Produkte in Terpentinöl kalt gelösten Mastix zu verwenden.262 Doerner vertieft in seinem Bericht die behandelten Themen und bezieht sie auf konkrete Gemäl- de.263 Eine eingehende Firnisuntersuchung nimmt er an drei Gemälden vor, an Rembrandts Hei- lige Familie mit dem Vorhang und Anthonis van Dycks Bildnis eines Spaniers, die nach Luthmer „besonders dringlich restaurierungsbedürftig“ sind, sowie an Rembrandts Flussland- schaft mit Windmühle.264 Bei der Heiligen Familie mit dem Vorhang stellt er eine Gilbung und „Zersetzung“ des Firnisses fest, bei der Flusslandschaft mit Windmühle eine leichte Gilbung des Überzugs, den er zudem als ölhaltig erachtet. In der mikroskopischen Untersuchung beob- achtet er in den Firnis eingebettete Pigmentpartikel, die er als originale Lasuren interpretiert. Das 1883 von Hauser d. Ä. restaurierte Bildnis eines Spaniers von Anthonis van Dyck hatte seiner Ansicht nach unter dem „Zerfall des Firnisses“ gelitten und infolgedessen einen Neufir- nis und lasierende Übermalungen im gegilbten Firniston erhalten. Bei beiden Gemälden Rem- brandts rät Doerner von einer Firnisabnahme ab. Auf die Flusslandschaft mit Windmühle (Abb.

260 Luthmer: Schreiben vom 6. Juni 1929, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung, zitiert nach Brammer 1987, S. 97. Das Wort „abgenommen“ ist von Brammer dem Sinn entsprechend durch „regeneriert“ er- setzt. Eine Firnisabnahme durch Alkoholdämpfe kann sonst nicht belegt werden. 261 Ebd. 262 Vgl. ebd. 263 Vgl. Doerner: Bericht, undatiert, Anhang zu Luthmer: Schreiben vom 6. Juni 1929, Archiv MHK, Aktenbe- stand: Gemälderestaurierung. 264 Bei einem vierten, von Doerner untersuchten Gemälde, Tizians Bildnis eines Feldherrn, ist der Zustand des Firnisses nicht benannt und wird keine Empfehlung zu seiner Bearbeitung gegeben. 54 15, S. 61) bezogen, präzisiert er nochmals den zu erwartenden Lösevorgang und warnt damit deutlich vor einer Firnisabnahme.

„Bei diesem Bild besteht die Gefahr, (die hier ausserordentlich gross ist), dass durch die Risse im Firnis Lösungsmittel in die Farbschicht eindringt und diese rascher löst als den ölhaltigen Firnis. Solche Farbe reisst dann auf und der Firnis löst sich stückweise wie eine Haut samt großer Teile der alten Farbschicht, denn die Weichharze und Balsame in der Rembrandtschen Farbe sind verhältnis- mässig rasch aufzulösen, schneller als ölhaltige Schlussfirnisse.“265

Als „nicht unbedingt“ notwendig erscheint ihm die Firnisdünnung bei Anthonis van Dycks Bildnis eines Spaniers, technisch realisierbar ist sie auf mechanischem Wege, durch Abschlei- fen mit Mastixstückchen. Dabei wird auf die Gefahr der Bereibung von originalen Lasuren bei zu weit gehendem Firnisabtrag hingewiesen.266 Wie bereits erwähnt, hatte Friedländer 1924 eine Firnistrübung des Gemäldes notiert und im Zeitraum von 1924 bis 1930, möglicherweise aber erst nach der Begutachtung von Wehlte und Doerner, nimmt Frida Schübeck eine Firnisab- nahme vor. In allen drei Fällen hält Max Doerner eine Firnisregenerierung für aussichtsreich. Zur Behand- lung der Heiligen Familie mit dem Vorhang und der Flusslandschaft mit Windmühle empfiehlt er die Verwendung von „verdünntem Kopaivabalsam (Parabalsam mit rect. Terpentinöl und Kopaivabalsamöl)“, für van Dycks Bildnis eines Spaniers schlicht Kopaivabalsam. Parabalsam ist ihm als die „dünnflüssigste Sorte“ des Kopaivabalsams bekannt, ihr Anteil an ätherischem Öl beträgt 90 %.267 Bei Kopaivabalsamöl oder auch Kopaivaäther handelte es sich um ein Des- tillat des Kopaivabalsams mit „fast wasserheller Farbe“.268 Der Auftrag soll nach Doerner wäh- rend einer insgesamt mehrmonatigen Einwirkungszeit wiederholt und der Überschuss schließ- lich mit rektifiziertem Terpentinöl nachgereinigt werden.269 Dabei ist aus heutiger Sicht die Ge- fahr naheliegend, dass der Firnis im Bereich des Craquelés, wo er ja bevorzugt von Copaivabal- sam angelöst werden soll, ausgeschwemmt wird, worauf aber Doerner nicht eingeht. Bis zum Firnisneuauftrag ist nach Doerner eine Trocknungszeit abzuwarten. Im Falle von Anthonis van Dycks Bildnis eines Spaniers schreibt er: „Als letztes Mittel käme nach dem Einstreichen mit Kopaivabalsam das Pettenkofern in Betracht.“270 Doerner erkennt deutliche Unterschiede im

265 Ebd. Vgl. auch Doerner 1921, S. 283f., 302. Doerner sieht bereits 1921 die maltechnische Verwendung von Harzen und Balsamen und die daraus resultierende Lösemittelempfindlichkeit als Charakteristikum der Werke von Rembrandt und seiner Schule an. 266 Vgl. ebd. 267 Vgl. ebd. 268 Vgl. Doerner 1921, S. 96, 102, 304. 269 Vgl. Doerner: Bericht, undatiert, Anhang zu Luthmer: Schreiben vom 6. Juni 1929, Archiv MHK, Aktenbe- stand: Gemälderestaurierung. Vgl. auch Doerner 1921, S. 304f. 270 Ebd., zitiert nach Brammer 1987, S. 98. 55 Schadenspotential beider Mittel und betrachtet offensichtlich die Alkoholbedampfung als ulti- ma ratio. Der Bericht schließt mit den Anweisungen zur Herstellung des empfohlenen Mastixfirnisses aus einem Teil Chiosmastix und drei Teilen doppelt rektifiziertem und mit ungelöschtem Kalk entwässertem Terpentinöl sowie einem maximal 5%igem Zusatz von Rizinusöl.271 Das nicht trocknende Öl dient als Weichmacher. Der Firnis „wird […] nur mit der Spitze des Pinsels ganz dünn aufgetragen“.272

Abb. 13: Rembrandt, Selbstbildnis mit Sturmhaube, 1634, Mahagoniholz, 80,5 x 66 cm, Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Brunzel

271 Vgl. ebd. Vgl. auch Doerner 1921, S. 90, 92, 311. Der 1921 empfohlene Zusatz von Rizinusöl beträgt 2%. 272 Ebd. 56 2.7.3 „Skandal“ um Röntgenaufnahmen von 1931

Kurt Wehlte nimmt ab 1931 Röntgenuntersuchungen an den Kasseler Gemälden vor. Wehlte und Luthmer müssen sich 1933 und in den folgenden Jahren wiederholt gegen Vorwürfe von Albert Wiegel (1869-1943)273 verteidigen, die Gemälde hätten durch die Röntgenstrahlung Schäden erlitten. Wiegel ist in Kassel als Restaurator tätig, allerdings nicht für die damaligen Staatlichen Kunstsammlungen. Er beobachtet Veränderungen der Farbigkeit und Strukturver- änderungen der Bildoberflächen, die er mit dem aus der Medizin entlehnten Begriff „Granula- tion“, zu Deutsch „Körnchenbildung“ benennt.274 Einen Zusammenhang mit der Röntgenstrah- lung kann Wehlte in Untersuchungen widerlegen.275 Die Beobachtungen sind dennoch bedeut- sam, weil erstmals auf Oberflächenstrukturen der Gemälde eingegangen wird. Wiegel fasst 1936 seine Anschuldigungen in einem Beitrag der Zeitschrift Technische Mit- teilungen für Malerei zusammen. An Rembrandts Saskia van Uylenburgh im Profil, in reichem Kostüm bemerkt Wiegel das „Verblassen des Farbschmelzes und der Leuchtkraft“.276 „[E]s bil- deten sich auch besonders im Hintergrunde borkige Stellen, eine Art Granulation […]. Man hat versucht, das Saskiagemälde durch Firnissen - doch ohne Erfolg - zu beleben; die Granulation schreitet unmerklich fort und hat bereits das Geschmeide erfasst.“277 Ebenfalls von einer Granu- lation betroffen sind nach Wiegel Rembrandts Selbstbildnis mit Sturmhaube (Abb. 13. S. 56), Ferdinand Bols Bildnis einer jungen Frau mit Nelke und Rembrandts Bildnis eines stehenden Herrn in ganzer Figur. Einen Schadensprozess beschreibt er an der Büste eines kahlköpfigen alten Mannes der Rembrandt-Werkstatt.

„Zuerst ging eine starke Glanzbildung über das Bild, wodurch ganz besonders der Hintergrund betroffen wurde. Nach geraumer Zeit entstanden in dieser Glanzfläche kleinere Granulationen, die, wie vom Grund herrührend, ein borkiges Aussehen annahmen. In weiterer Folge änderte sich das Aussehen des Bildes in eine milchig verzehrende Schicht, die allmählich das ganze Bild zu über- ziehen schien und die Farben verschluckte.“278

Ebenfalls einen „milchigen Charakter“ habe Rembrandts Bildnis des Nicolaes Bruyningh ange- nommen. Dieses Schadensbeispiel veranlasst die Redaktion der Zeitschrift zu der Anmerkung, dass hier auch eine feuchtigkeitsbedingte Firnistrübung vorliegen kann, aber auch ein Zusam- menhang mit einer restauratorischen Firnisbehandlung denkbar ist. „Die Erscheinungen können

273 Vgl. Schmaling 2001, S. 624. 274 Vgl. Brockhaus 1928-1935, Bd. 7 (1930), S. 572f. „Granulation“ bezeichnet zu dieser Zeit vor allem feintei- lige Oberflächenstrukturen organischer Gewebe. 275 Vgl. Wehlte 1932, S. 12-15. Kurt Wehlte beschreibt die Untersuchungen zur Prüfung der Wirkung von Rönt- genstrahlung auf Ölfarbschichten und nennt die technischen Daten der Bestrahlung. 276 Wiegel 1936, S. 5. 277 Ebd. 278 Ebd. 57 aber auch von einem früheren Pettenkofieren oder ’Nähren‘ mit Kopaivabalsam herrühren. Sind die Bilder einmal so behandelt worden?“279 Ab 1933 lässt Luthmer, um die Anschuldigungen Wiegels entkräften zu können, keines der geröntgten Gemälde restaurieren. Eine Ausnahme ist Rembrandts Bildnis des Nicolaes Bruyningh, das im Jahr 1935 „gelegentlich seiner Ausstellung in […] in Gegenwart der wissenschaftlichen und technischen Beamten des Rijks- museums sowie des Restaurators der Kasseler Galerie in den Werkstätten des Rijksmuseums einer Firnisauffrischung durch »Pettenkofern« unterzogen wurde“.280 In einem späteren Schreiben erklärt Luthmer: „Die Gemälde der Kasseler Galerie sind in ihrem früheren Zustande sämtlich durch photographische Aufnahmen festgehalten. Der Vergleich dieser Photos mit dem gegenwärtigen Zustand ergibt auch nicht in einem Falle eine Veränderung der Bildstruktur oder des Farbaussehens.“281 Er verweist als Autoren der fotografischen Aufnahmen unter anderen auf den Kunstverlag Franz Hanfstaengl, so dass ein Bildvergleich bis in die 1880er Jahre mög- lich ist.282 Helmut Rinnebach, der sich mit einem Beitrag 1936 an der öffentlichen Diskussion um die Röntgenaufnahmen Wehltes beteiligt, zitiert den Bericht von Luthmer.283 Ein späterer interner Bericht von Joseph Leiß zu dem Selbstbildnis mit Sturmhaube von Rembrandt kann als Rückblick auf die geschilderten Ereignisse gelesen werden.

„Der alte Firnis war, wie auf den meisten Bildern der Kasseler Rembrandts, die noch nicht restauriert sind, etwas trübe. Die mit dem bloßen Auge stark sichtbare Rissbildung in der Firnisschicht, be- sonders augenfällig bei den Bildern von Rembrandt und die Untersuchung dieser Bilder zeigt, dass im vorigen Jahrhundert mehrmals diese Bilder überfirnisst wurden, ohne vorher eine Schicht zu ent- fernen oder abzuschwächen. Eine ziemliche Vergilbung lässt auf etwas Ölzusatz zu dem Mastixharz schließen, wie es im 19. Jhdt. üblich war. Über der Sturmhaube in der Feder und ein Stück im Hinter- grund ist eine besonders gesprungene Stelle schon immer bekannt und schon auf Fotos vor dem ersten Weltkrieg sichtbar.“284

279 Ebd., S. 6. 280 Luthmer: Schreiben vom 25. April 1936, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. Bei dem Restau- rator der Kasseler Galerie handelt es sich sicherlich um Josef Leiß, siehe folgendes Kapitel. 281 Luthmer: Schreiben vom 11. August 1933, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 282 Vgl. ebd. 283 Vgl. Rinnebach 1936, S. 16. Helmut Rinnebach nimmt direkt auf die Veröffentlichung Wiegels Bezug und zi- tiert in Auszügen die Stellungnahme Luthmers vom 11. August 1933, die bereits am 15. August 1933 in einer Bei- lage des Hannoverschen Kuriers, Nr. 379, veröffentlicht worden war. 284 Leiß: Restaurierungsbericht, undatiert, mit Verweis auf Rechnung vom 13. 7. 1949, Archiv MHK, Aktenbe- stand: Gemälderestaurierung. 58 2.8 Restaurierungen von Joseph Leiß von 1932/33 bis 1952

Mit dem Restaurator Joseph Leiß (1899-1977) beginnt eine kontinuierliche Sammlungspflege in Kassel. Er ist ab 1932/1933 freischaffend und von 1938 bis 1952/1953 in einem vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis als Restaurator der Gemäldegalerie und des Hessischen Landes- museums tätig.285 Der Arbeits- und Dienstvertrag von 1938 stellt fest:

„Der Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen überträgt Herrn Leiß die in der Galerie vor- kommenden Restaurierungsarbeiten, soweit nicht in besonders gelagerten Fällen die Hinzuziehung weiterer Sachverständiger notwendig erscheint […]. Er führt über die geleisteten Arbeiten ein Kon- trollbuch und Berichtsakten […]. Photographische Reproduktionen, die vor, während und nach der Restaurierung von Kunstwerken notwendig werden, gehen auf Kosten der Staatlichen Kunst- sammlungen.“286

Erhalten sind Rechnungen und in geringerem Umfang auch Berichte, vorwiegend aus der Zeit von 1946 bis 1950, nicht aber das o.g. Kontrollbuch und auch keine Fotografien von Vor- und Endzuständen. Leiß beschreibt die Firnisse vielfach als vergilbt oder verbräunt und meist getrübt. Aus Rech- nungen und Berichten geht hervor, dass insgesamt 31 Gemälde einer Firnisbearbeitung unterzo- gen werden. Die Maßnahmen sind vielfältig und umfassen die Regenerierung, die Dünnung, die partielle oder gänzliche Abnahme des Firnisses, die Abnahme von Übermalungen und den erneuten Firnisauftrag. In acht Fällen werden Firnisregenerierungen vorgenommen. Dazu wird auch die 1935 in Amsterdam erfolgte Regenerierung von Rembrandts Bildnis des Nicolaes Bruyningh, durch „Pettenkofern“ gezählt.287 Erstmals ist die Verwendung von Copaivabalsam an Kasseler Gemälden schriftlich belegt. An der Kopie des Gemäldes Ruhende Herde an einem Bach in südlicher Landschaft von Philipp Peter Roos stellt Leiß 1933 fest:

„[S]tark verbeult, Blasenbildung, vollkommen nachgedunkelter Firnis, schüsselförmig aufgestandene Farbe und mm weite Sprünge. Behandlung: Nähren mit Kopaiva und teilweise regenerieren. Niederlegen der Blasen, entfernen der Beulen und der Schüsselbildung, soweit als möglich reinigen.“288

285Vgl. Lehmann 1988, S. 163; Luthmer, Leiß: Vertrag vom 2. 8. 1938, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderes- taurierung, Briefe 1938-1972, Restauratoren betr.; Erika Leiß-Lugenbühl: Lebenserinnerung, ohne Datum, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 286 Luthmer, Leiß: Vertrag vom 2. August 1938, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung, Briefe 1938- 1972, Restauratoren betr. 287 Vgl. Luthmer: Schreiben vom 25. April 1936, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 288 Leiß: Vermerk auf der Gemälderückseite, 1933. Es handelt sich um einen Zettel auf dem Keilrahmen. 59 Das Regenerieren ist dabei nur ein Aspekt der Maßnahme und es ist unklar, ob sie sich auf den Firnis oder die Malschicht richtet. Dies verweist auf die verschiedenartigen Verwendungen von Copaivabalsam in der Gemälderestaurierung.289

Abb. 14: Adriaen van Ostade: Bauern in einer Som- merlaube, 1676, Eichenholz, 38,5 x 32,5 cm, Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Hensmanns

Eine Firnisregenerierung mit Copaivabalsam führt Leiß 1946 an Adriaen Ostades Bauern in einer Sommerlaube durch (Abb. 14). Er stellt eine Trübung des Firnisses fest und notiert zu den Arbeiten: „Firnis d. Reinigung + einm. Copaiva-Aufstrich wieder klar geworden. Kopaiva dann entfernt.“290 Bei den weiteren Firnisregenerierungen macht Leiß keine Angaben über die Methode oder die Restaurierungsmaterialien. Zu den betreffenden Gemälden gehören Domenico Tintorettos Bild- nis eines jungen Mannes und das Selbstbildnis mit Sturmhaube von Rembrandt.291 In den o.g. Bericht von 1949 zu diesem Werk Rembrandts, in dem Leiß die Diskussion des Röntgenskan- dals reflektiert, dokumentiert er auch seine restauratorischen Maßnahmen und ihre Wirkung.

„Der Firnis wurde von mir nur regeneriert und schon durch diese Arbeit verschwanden alle Sprünge im Firnis und die besondere Rißbildung in der Feder ging zurück. Es ist jetzt erkennbar, dass eine Frühsprungbildung vorhanden, entstanden in der Trockenzeit des Bildes, also noch [zu] Lebzeiten Rembrandts.“292

289 Vgl. Schießl 1987, S. 166f. 290 Leiß: Restaurierungsbericht vom 14. April 1946, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 291 Vgl. Leiß: Restaurierungsbericht vom November 1946 zu Tintoretto, Bildnis eines jungen Mannes sowie Leiß: Bericht, undatiert, mit Verweis auf Rechnung vom 13. Juli 1949 zu Rembrandt, Selbstbildnis mit Sturmhaube, beide Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 292 Leiß: Restaurierungsbericht, undatiert, mit Verweis auf Rechnung vom 13. Juli 1949, Archiv MHK, Aktenbe- stand: Gemälderestaurierung. 60 Ein Fall belegt die Verwendung von Copaivabalsam zur Malschichtregenerierung. An der Kopie nach Guido Reni, Maria mit dem schlafenden Jesuskind liegen ein „sehr braun gewor- dener Firnis“ und eine „Trübung der Farbe (Ultramarinkrankheit)“ vor. Die Malschicht wird mit einer Mischung von Alkohol und Copaivabalsam regeneriert, die Abnahme des Firnisses erfolgt „in Schichten“. 293 Insgesamt sieben Fälle einer Dünnung oder partiellen Abnahme des Firnisses sind doku- mentiert. Dazu gehört Die Cisterspielerin von Gabriel Metsu. Der Firnis ist 1946 stark gegilbt, getrübt und „leicht klebrig“. Über die Ursache dieses ungewöhnlichen Befundes ist nichts zu erfahren. Bereits Friedländer hatte das Gemälde begutachtet und einen „teilweise zersetzten“ Überzug festgestellt. Der Firnis wird von Leiß „teilweise“ entfernt.294

Abb. 15: Rembrandt, Flusslandschaft mit Windmühle, Eichenholz, 67 x 87,5 cm, Gemäldegalerie Alte Meister, Museums- landschaft Hessen Kassel, Foto: Brunzel

Weitaus am besten dokumentiert Leiß seine Restaurierung von Rembrandts Flusslandschaft mit Windmühle im Jahr 1948 (Abb. 15).295 Die Ausführlichkeit des Berichts lässt vermuten, dass Leiß den Text unter dem Eindruck des Skandals über diese Restaurierung 1952 nachträglich überarbeitet und erweitert (vgl. Kap. 2.8.3, S. 67). In seinem Bericht bezieht sich Leiß auf „alte Berichte“ über die Restaurierungen von Alois Hauser d. Ä. oder d. J, die aber nicht erhalten sind, während er auf die Begutachtung von Doerner 1929, der deutlich von einer Firnisabnahme abgeraten hatte, nicht eingeht. Für die Untersuchung verwendet Leiß ein „binokulares Mik- roskop“ und eine „Quarzlampe“.296 Der Firnis wird als getrübt und stark gegilbt beschrieben.

293 Vgl. Leiß: Restaurierungsbericht und Rechnung von November 1946, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälde- restaurierung. 294 Vgl. Leiß: Rechnung und Restaurierungsbericht vom 24. April 1946, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälde- restaurierung. 295 Vgl. Leiß: Restaurierungsbericht vom 5. Mai 1948, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 296 Vgl. ebd. Vgl. auch Giebe 1999, S. 30. An der Dresdner Galerie schafft man 1937 eine UV-Quarzlampe an. 61 Im Himmel „lag der Firnis in senkrechten, nachgedunkelten Streifen über den horizontalen Linien des Himmels […]. An den Randstellen war zu erkennen, dass der Firnis im Rahmen auf- getragen wurde.“297 Im Firnis sind Partikel von Ocker eingebettet, mit dem seiner Kenntnis nach Alois Hauser d. Ä. neu aufgetragene Firnisse getönt hatte.298 Bedeutend ist der erstmalige Befund der Migration von Farbe bei einem Kasseler Gemälde. In einer mikroskopischen Untersuchung erkennt Leiß an einer Stelle des Bildes die dunkle Farbe einer unteren Farbschicht, „die nun, unter dem Mikroskop sichtbar, aus den alten Sprüngen her- vorquillt“.299 Ein Regenerierungsversuch „nach dem Pettenkofer’schen Verfahren“ verstärkt den Eindruck der ungleichmäßigen Gilbung, so dass sich Leiß zur Firnisabnahme entschließt. Die angegebene Lösemittelrezeptur besteht aus Terpentinöl, Copaivabalsam sowie Alkohol und Aceton „in verschiedenen Mischungen“.300 Anhand der Fluoreszenz unter UV-Licht kon- trolliert Leiß das Verbleiben einer dünnen Schicht des „alten Firnisses“. Abschließend trägt er einen „Mastix-Dammarfirniss“ auf. Ebenfalls 1948 restauriert Leiß das Doppelbildnis des Malers Frans Snyders und seiner Frau Margaretha de Vos von Anthonis van Dyck. In der Rechnung schreibt er: „[D]en alten trüben Firnis teilweise entfernt und regeneriert.“301 Der zugehörige Bericht lautet: „Der Firnis wurde vorsichtig entfernt in Teilabnahme […]. Die Firnisabnahme wurde unterbrochen, nachdem ge- nügend Klarheit und Helligkeit erreicht war.“302 Insgesamt vierzehn vollständige Firnis- abnahmen sind schriftlich belegt. Zwischen Juni 1947 und April 1948 bearbeitet er unter ande- ren Rembrandts Winterlandschaft und das Bildnis eines Mannes, möglicherweise des Dichters Jan Harmensz. Krul. Von Anthonis van Dycks Bildnis des Justus van Meerstraten entfernt er 1949 den „alten, trüb und dunkel gewordenen Firniß und kleinere Übermalungen“.303 Schließlich gibt es zu insgesamt zwanzig Gemälden auch Notizen über Firnisaufträge. Dem Firnissen gehen meist andere restauratorische Arbeitsschritte wie Firnisregenerierungen, -dün- nungen oder -abnahmen voraus. Leiß verwendet ausschließlich Naturharzfirnisse, die Mastix, Dammar oder die Mischung der beiden Harze enthalten. In jeder der drei Varianten ist in we- nigstens einem dokumentierten Fall Terpentinöl als Lösemittel angegeben, vielfach fehlt aber eine Angabe über das verwendete Lösemittel. So wird Die Cisterspielerin von Gabriel Metsu

297 Ebd. 298 Vgl. ebd. Leiß gibt als Quellen dieser Annahme Doerner und Helmut Ruhemann, Nachfolger von Hauser jun. als Restaurator am Kaiser-Friedrich-Museum Berlin, an. 299 Ebd. 300 Vgl. ebd. Vgl. auch Doerner 1921, S. 300f. Doerner beschreibt dieselbe Mischung von Lösemitteln und Copa- ivabalsam für die „Reinigung“ von Gemälden. 301 Leiß: Rechnung vom 25. Mai 1948, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 302 Leiß: Restaurierungsbericht zur Rechnung vom 25. Mai 1948, undatiert, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemäl- derestaurierung. 303 Leiß: Rechnung vom 13. Juli 1949, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 62 mit „Mastix-Terpentinöl“ gefirnisst. Einen Dammar-Firnis trägt Leiß auf Anthonis van Dycks Bildnis der Isabella van Assche, Gemahlin des J. van Meerstraeten auf. Einen „leichten“ Auf- trag mit Dammarfirnis erhalten Adriaen van Ostades Bauern in einer Sommerlaube, Rem- brandts Selbstbildnis mit Sturmhaube und Domenico Tintorettos Bildnis eines jungen Mannes. Eine Mischung von Mastix und Dammar vermerkt er sowohl bei der Großen Landschaft mit Windmühle von Rembrandt als auch bei Anthonis van Dycks Bildnis des Justus van Meer- straten und Doppelbildnis des Malers Frans Snyders und seiner Frau Margaretha de Vos. Über die Verbrauchsmaterialien der Jahre 1933 bis 1942 geben auch Bedarfsanmeldungen und -anträge sowie Rechnungen Auskunft.304 Neben den bereits erwähnten Lösemitteln Terpentinöl und Ethanol bzw. Alkohol und Aceton wird offensichtlich eine breite Palette weiterer Löse- mittel benötigt. In den genannten Dokumenten sind Methanol, „Benzinoform“ (Tetrachlor- kohlenstoff)305, „Äther“ bzw. „Schwefeläther“ oder „Ather sulf.“ (Diethylether)306, Chloro- form, Xylol, „Waschbenzin“307, „Dekalin“ (eine Cycloalkanverbindung)308, „Petroläther“ und „Benzin“ (beide Erdöldestillate mit einem Siedebereich unter 150 °C)309 sowie „Salmiakgeist“, Schwefel- und Salzsäure und schließlich Nelkenöl und Glycerin aufgelistet. Als Firnis- materialien oder Bindemittel sind neben Dammar und Mastix auch Leinöl und Leinölfirnis, Weihrauchharz sowie Rizinusöl genannt. Copaivabalsam wird in der Kasseler Gemälderestau- rierung in erheblichen Mengen verbraucht und benötigt. 1933 weist Leiß den Verbrauch von insgesamt 2,25 kg im Zeitraum von März bis Mai nach. 1936 und 1940 liegt der geschätzte Jahresverbrauch bei 5 kg. Im Jahr 1942 wird der Jahresbedarf mit etwa 10 Litern angegeben. Die hohen Bedarfsmengen stehen im Widerspruch zu den nur fünf dokumentierten Fällen einer Verwendung bei Restaurierungen von Gemälden.

304 Vgl. Leiß: Auszug aus den Rechnungen der Firma Oette und Salzmann: Hier die Materialien betr. die von mir verbraucht worden sind, 1933; Leiß: Ungefährer Verbrauch der Museums-Werkstatt im Jahr je nach Erledigung der Aufträge, 1936; Schreiben: Beschaffung von Materialien für die Restaurierungswerkstätte der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel, 9. Mai 1940; Luthmer: Beschaffung von Materialien für Restaurierungsarbeiten von Gemälden etc., 2. März 1942, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung und Aktenbestand: Konser- vierung, 8. 9. 1912 - 16. 3. 1942, E 4, B. 1 + 2. Zusammenstellung der Dokumente durch Brammer. Vgl. auch Brammer 1999, S. 179. 305 Vgl. Brockhaus 1928-1935, Bd. 2 (1929), S. 532. 306 Vgl. ebd., S. 12. 307 Vgl. Römpp 1989-1993, Bd. 6 (1992), S. 4990. Es handelt sich um eine für die chemische Reinigung geeignete Benzinsorte, Siedepunkt 80-110 °C. 308 Vgl. ebd., Bd. 2 (1990), S. 871, 881. Decalin, auch Decahydronaphtalin, trägt als Warenzeichen der Fa. Henkel KGaA den Namen Dekalin. Der Siedepunkt von trans-Decalin beträgt 187 °C, von cis-Decalin 196 °C. 309 Vgl. Brockhaus 1928-1935, Bd. 5 (1930), S. 621, StW. Erdöl. 63 2.8.1 Patent für ein Verfahren zur Konservierung von Kunstschätzen

Eine Episode führt wieder zurück in die Jahre 1936 bis 1938. Abgase mit Schwefeloxiden einer Spinnfaserfabrik in Kassel belasten die Luft am Ort der Gemäldegalerie. Die Direktion der Kasseler Kunststammlungen bemüht sich zu klären, ob die Schwefelverbindungen die Farbe der Gemälde schädigen. Luthmer rät von einer Verglasung ab, da sie den Bildeindruck stört und das Bild von der Rückseite aus nicht geschützt ist.

„Dagegen verspricht die Auflage eines Schutzfirnisses auf allʼ den Bildern, deren Farbhaut ge- sprüngelt ist, einen einfacheren Schutz, wobei zu überlegen wäre, ob nicht durch einen dünnen Wachsauftrag auf der Rückseite ebenfalls das Eindringen der Schwefelteile abgewehrt werden könnte. Die Firnisschicht muss ständig kontrolliert werden.“310

Im Jahre 1938 beginnt die Fabrik mit dem Einbau von Rauchfiltern, so dass sich die Luftver- schmutzung wirksam verringert.311 In diesem Kontext steht vermutlich eine Entwicklung, für die Leiß am 3. Februar 1938 ein Patent erwirbt.

„Gegenstand der Erfindung ist ein Verfahren, Kunstwerke, wie z. B. Gemälde oder Zeichnungen durch Aufbringen dünner luftundurchlässiger Folien unter Vakuum vor zersetzenden Einflüssen, insbesondere atmosphärischer Art, zu schützen. Dabei ist es an sich unwesentlich, aus welchen Rohstoffen die Folie besteht. Die Folie kann man auch anfärben oder mattieren, um den Beschauer z. B. eines Bildes störende Lichtspiegelungen auszuschalten. Gleichzeitig ist es möglich, den Kunstgegenstand schädlich beeinflussende ultraviolette Strahlungen unwirksam zu machen.“312

Die Folie bildet die obere, eine starre Kunststoffplatte die untere Schicht, an den Seiten werden beide miteinander verklebt. Über eine Kanüle wird die Luft abgesaugt und die Öffnung ver- siegelt. Das Patent hat technische Ähnlichkeiten mit einer mit Stickstoff gefüllten Klimavitrine, die 1912 entwickelt worden war.313 Auch das Patent von Leiß hat eine besondere restaurie- rungsgeschichtliche Bedeutung und wird als originelle und innovative Neuinterpretation des Firnisses betrachtet, weil sie sowohl die Schutzfunktion einschließlich des Lichtschutzes erfüllt als auch die heutige Anforderung der Reversibilität theoretisch einlöst. Soweit bekannt wird aber kein Kasseler Gemälde in der Praxis mit einer solchen Folie versehen.

310 Luthmer, Schreiben vom 30. Juli 1936, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung, Briefe 1938-1972, Restauratoren betr. 311 Vgl. Luthmer, Schreiben vom 5. Februar 1938, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 312 Patent Leiß 1938. Deutsches Patent- und Markenamt, Digitales Archiv DEPATISnet. Bei der Recherche war freundlicherweise Lydia Manetstädter vom Deutschen Patent- und Markenamt behilflich. 313 Vgl. Goltz/Goltz 1993, S. 320. 64 2.8.2 Auslagerung der Gemäldegalerie ab 1939 und Wiedereröffnung 1946

Bereits 1939 werden die Gemälde der Galerie abgehängt und im Erdgeschoss eingelagert. 1940 beginnen die Auslagerungen an verschiedene Standorte, u.a. den Reichsbahnbunker in Kassel, Bad Wildungen und Kloster Haina bei Kassel, die 1941 und 1942 intensiviert werden.314 1942 wird eine Auswahl von 63 Gemälden nach Wien verbracht.315 Die Standorte von drei der in der vorliegenden Arbeit als Fallstudien untersuchten Gemälde sind bekannt. Das Bohnenfest von Jordaens befindet sich im abgespannten und aufgerollten Zustand im Hessischen Landesmu- seum.316 Rembrandts Die Heilige Familie mit dem Vorhang wird ab 1942 in Bad Wildungen aufbewahrt.317 Die weiße Henne mit Küchlein von Hondecoeter hat ab November 1942 ihren neuen Standort im Tresor eines Bankhauses in Wien.318 Aus der Kriegszeit haben sich keine Rechnungen oder Dokumentationen von Leiß erhalten. Bemerkenswert ist, dass ein Teil der o.g. Verbrauchsnachweise und Bestellanforderungen für Restaurierungsmaterial, u.a. für Copaivabalsam, aus den Jahren 1940 und 1942 stammt. In einer Bestellanforderung 1941 wird auf die „auch im Kriege in Betrieb befindliche Werkstätte zur Erhaltung wertvollen nationalen Kulturgutes unserer Sammlung“ hingewiesen.319 Einen wei- teren Hinweis auf eine Restaurierungstätigkeit und möglicherweise auch auf eine umfangreiche Verwendung von Copaivabalsam gibt ein Schreiben vom 10. Februar 1942 über den Bedarf von Restaurierungsmaterialen. Man verweist auf die stattgefundene und noch anstehende Ber- gung des Kasseler Kunstbesitzes zum Schutz vor Luftangriffen und auf die damit verbundene „pflegliche Konservierung“. „Es fehlt vor allem an Hauptbestandteilen zum Regenerieren ge- fährdeter Bilder, an Copaivabalsam, an Harzen, an Oelen, an Lösungsmitteln wie Benzinoform, Isoliermaterial wie Schellack.“320 Ebenfalls 1942 wird deutlich gemacht, dass weiterhin sowohl Bestandspflege als auch Sicherungsmaßnahmen ausgeführt werden. „Die Wiederherstellung

314 Vgl. Helm: Schreiben vom 15. Oktober 1941, „Bericht über die bisher getroffenen Maßnahmen der Staatlichen Kunstsammlungen zum Schutz gegen Fliegerangriffe“, Aktenbestand: Auslagerung von Kunstgut im 2. Weltkrieg I, Allgemeines, Archiv MHK. Helm ist kommissarischer Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen. 315 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 20; AK Kassel 1956, S. 7. 316 Vgl. Schnackenburg 1988, S. 113f. 317 Vgl. Helm: Objekt- und Standortliste: „Anlage Nr. 1“, mit handschriftlichen Zusätzen, datiert 24. 6. 1942, Ar- chiv MHK, Aktenbestand: Auslagerung von Kunstgut im 2. Weltkrieg I, 2. Objektlisten sowie Bergungsort Bad Wildungen; Empfangsbescheinigung für Kunstwerke, Antiquitäten oder Gegenstände mit kulturellem Wert des Office of Military Goverment - Land, quittiert von Vogel, 6. 2. 1947, Archiv MHK, Aktenbestand: Auslagerung von Kunstgut im 2. Weltkrieg II, Bergungsorte A-Z. 318 Vgl. Schreiben vom 24. Januar 1947 (Abschrift): „Aufstellung der am 19. 11. 1942 nach Wien überführten Gemälde aus dem Besitz der Staatlichen Gemäldegalerie Kassel“, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestau- rierung. Es handelt sich um die „ehemalige Arbeiterbank“ in Wien. 319 Vgl. Helm: Schreiben vom 3. Januar 1941, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 320 Helm: Schreiben vom 10. Februar 1942, Archiv MHK, Aktenbestand: Konservierung, 8. 9. 1912 - 16. 3. 1942, E 4, Bd. 1. 65 erstreckt sich in unserer Werkstätte neben den unaufschiebbaren, zur Erhaltung des staatlichen Kunstbesitzes notwendigen Arbeiten hauptsächlich auf die Restaurierung von Kulturgut, das durch Feindeinwirkung (Fliegerangriff) beschädigt wurde.“321 Die Sammlung erleidet in der Kriegszeit nur unbedeutende Verluste, während die historischen Standorte, das Schloss Bellevue, das ab 1935 als Landgrafen-Museum eingerichtet war, die Ge- mäldegalerie, das Museum Fridericianum und das Schloss Wilhelmshöhe zerstört oder schwer beschädigt werden. Die Gemäldegalerie zieht nach dem Zweiten Weltkrieg in das unbeschä- digt gebliebene Hessische Landesmuseum Kassel ein. Neuer Direktor wird 1946 Hans Vogel (1897-1973).322 Im gleichen Jahr wird die Sammlung der Öffentlichkeit im Landesmuseum zugänglich gemacht, bis 1949 eine „Eröffnung der erwei- terten Museumsräume“ gefeiert werden kann.323 Im gleichen Jahr nimmt Leiß eine proviso- rische Wiederaufspannung des im Krieg abgespannt und aufgerollt deponierten Bohnenfestes von Jordaens vor.324

321 Helm: Schreiben vom 10. März 1942, Archiv MHK, Aktenbestand: Konservierung, 8. 9. 1912 - 16. 3. 1942, E 4, Bd. 1. 322 Vgl. Lehmann 1988, S. 159. 323 Vgl. Schnackenburg 1988. S. 113f. 324 Vgl. Leiß: Rechnung und Restaurierungsbericht vom 17. August 1949; Reden: Restaurierungsbericht, datiert 17. August - 12. September 1953, beide Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. Die Datierung dieses Berichts sowie der folgenden Berichte von Redens bezieht sich auf den Restaurierungszeitraum. 66 2.8.3 „Restaurierungsskandal“ und Begutachtung der Sammlung 1952

Die Zeitung Die Zeit veröffentlicht am 28. August 1952 einen Artikel, in dem scharfe Kritik an Restaurierungen, vor allem an Firnisabnahmen und der dabei vermuteten Abnahme von origi- nalen Farbschichten, geübt wird. Als eines der negativen Beispiele ist die o.g. Restaurierung der Flusslandschaft mit Windmühle von Rembrandt benannt, die Leiß 1948 vorgenommen hatte.

„Auch hier hat erst kürzlich eine Rembrandtsche Landschaft daran glauben müssen, die berühmte mit der Ruine. Was heute auf diesem Gemälde noch zu sehen ist, sollte man schleunigst im Depot verstecken. Es ist eine formlose Untermalung, alle gliedernden Lasuren sind verschwunden. Wenn man heute durch diese Galerie geht, feststellt, daß ein Gemälde nicht an seinem Platze hängt und dann erfahren muß, daß es restauriert wird - wie im Augenblick das köstliche eigenhändige Gemälde des Rubens »Der trunkene Silen« - , dann kann man nur schaudernd daran denken, daß wieder ein Meisterwerk in Gefahr ist, zerstört zu werden.“325

Letzteres Gemälde war bereits vor 1930 von Schübeck restauriert worden. Hans Vogel schreibt am 5. 9. 1952 an den Chefredakteur der Zeit in Bezug auf die Flusslandschaft mit Windmühle:

„Nuancierende Lasuren waren hier nicht vorhanden. Sie waren entweder niemals da oder sind schon bei einer unsachgemäßen Restaurierung im 18. Jahrhundert oder in der Zeit der Romantik mitge- nommen worden. Wo aber nichts ist, da hat auch der Restaurator sein Recht verloren. Es ist ihm nicht gestattet, etwa durch einen künstlich dunkel gefärbten, neuen Firnisüberzug den wärmeren, »schummerigen« Charakter des vorangegangenen Zustandes wiederherzustellen. Lieber ein Bild, das ehrlich die Schicksale, die es einmal erlitten hat, bekennt, als einen verfälschten Rembrandt!“326

Vom 18. bis 19. Oktober 1952 nimmt der Hauptkonservator der Pinakotheken in München, Hermann Lohe, eine Begutachtung der Kasseler Gemäldesammlung vor. Vogel verfasst einen Bericht über die Stellungnahme von Lohe.327 Aus dem Bericht geht nicht hervor, ob auch Leiß anwesend ist. Lohe nimmt zu 26 einzeln aufgeführten Werken Stellung. Bei elf Gemälden be- wertet er die Qualität der Firnisabnahmen. Keine Beanstandungen gibt es bei dem von Toma- schek zwischen 1926 und 1930 bearbeiteten Wasserfall von Jacob Isaacksz. van Ruisdael. Dies gilt auch für die Flusslandschaft mit Windmühle von Rembrandt, obwohl Lohe eine ungleich- mäßige Firnisabnahme, eine Bereibung in den hellen und das Belassen von Firnisresten in den dunklen Bildpartien vermutet. „Im Großen und Ganzen seien ernstere Einwände nicht berech- tigt.“328 Die „Reinigung“ der 1933 und 1949 von Leiß bearbeiteten Werke Anthonis van Dycks, Doppelbildnis des Malers Frans Snyders und seiner Frau Margaretha de Vos, Bildnis des Justus van Meerstraeten und Bildnis der Isabella van Assche, Gemahlin des Justus van Meer-

325 Rabe 1952, S. 4. 326 Vogel: Scheiben vom 5. September 1952, Archiv MHK Aktenbestand: Gemälderestaurierung, Briefe 1938- 1972, Restauratoren betr. 327 Vgl. Vogel: Bericht, undatiert, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. Vgl. auch Wolters 1962. 328 Vogel: Bericht, undatiert, Archiv MHK Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 67 straeten werden als „einwandfrei ausgeführt“ angesehen. Sogar als „vorzüglich ausgeführt“ be- zeichnet Lohe die Firnisabnahme von Rembrandts Winterlandschaft. Kritischer sieht er das Restaurierungsergebnis bei Rembrandts Bildnis eines Mannes, mög- licherweise des Dichters Jan Harmensz. Krul: „Die Arbeit sei einwandfrei, aber natürlich sei eine gewisse Verarmung und Ernüchterung eingetreten.“329 Bei weiteren Gemälden äußert sich Lohe zur Frage einer möglichen Firnisabnahme und geht dabei auch auf den Erhaltungszustand der Firnisse und die Schadensursachen ein. An Rembrandts Saskia van Uylenburgh im Profil, in reichem Kostüm stellt er eine „Erblindung des Firnisses“ fest, die er auf die Einwirkung von Lösemitteldämpfen bei der Firnisregenerierung zurückführt. Die auffällige Rissbildung am oberen Bildrand sieht er als maltechnisch bedingt an. „An dem Bild sei nichts zu tun.“330 Zum Bildnis eines Kahlköpfigen der Rembrandt-Werkstatt, das Wehlte und Doerner als Beispiel einer missratenen Firnisbehandlung angesehen hatten, bemerkt er: „Hier ähnlich matte Stellen im Firnis wie bei der Saskia und aus denselben Gründen wie dort.“331 Bei zwei Gemälden Rem- brandts, dem Bildnis des Nicolaes Bruyningh und dem Selbstbildnis mit Barett und goldener Kette, wird von einer Firnisabnahme ausdrücklich abgeraten, da der dunkle Eindruck der Ma- lerei den „ursprünglichen Zustand“ zeige. Die Schlussworte Vogels geben offensichtlich das Resümee Lohes wieder und legen einen Be- zug zu der Cleaning Controversy über die Restaurierung der Gemälde der National Gallery in London nahe:

„Ganz allgemein sei zu sagen, dass man heute schon wieder ganz anders über die Frage des Reinigens denke als etwa noch vor 10 Jahren. Es scheine heute bereits, dass es bis zu einem gewissen Grade doch eine Modeerscheinung sei, und man beginne, viel skeptischer und vorsichtiger darüber zu denken. Denn selbst wenn eine Reinigung noch so tadellos und sachgemäß durchgeführt werde, so müsse doch erkannt werden, dass eine Entgeheimnissung eintrete und etwas von der Geistigkeit verloren gehe.“332

329 Ebd. 330 Ebd. 331 Ebd. 332 Ebd. Vgl. Wechsler 1987, S. 89-94, 96ff., 103-106. Lohe nimmt inhaltlich erkennbar Bezug auf ab 1946 inter- national geführte Cleaning Controversy. 68 2.9 Restaurierungen von Sylvie von Reden 1952 bis 1966

Erste fest angestellte Restauratorin und „wissenschaftliche Mitarbeiterin“ der Staatlichen Kunstsammlungen ist Sylvie von Reden (1901-1987). Sie absolviert ab 1950 ein Volontariat in der Restaurierungsabteilung der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und kommt 1952 nach Kassel. In den Jahren 1952 und 1953 gibt es offenbar eine Übergangsphase, in der auch Leiß noch als Restaurator tätig ist. 1955 leistet von Reden zudem die restauratorische Betreuung der ersten documenta. 1966 geht sie in den Ruhestand.333 Von Reden führt in den 14 Jahren eine bemerkenswert hohe Zahl von über 600 Restaurierungen aus. Vielfach sind es geringfügige Pflegemaßnahmen und Ausbesserungen, die sie mit den Worten „galeriefertig gemacht“ oder „nur aufs notwendigste hergerichtet“ festhält, aber auch umfassende Konservierungen und Res- taurierungen. Zudem baut sie das Archiv der Gemälderestaurierung der Kasseler Gemäldega- lerie auf. Zu den ersten Arbeiten zählt 1953 die dauerhafte Wiederaufspannung des Bohnen- festes von Jordaens. Von Reden beschränkt sich dabei weitgehend auf konservatorische Maß- nahmen und führt zudem eine nicht näher benannte „Firnisbehandlung“ durch.334

2.9.1 Die „Kasseler Gemälde kehren zurück“, 1956

In die Anfangszeit der Tätigkeit von Redens fällt ein bedeutendes Kapitel der Sammlungs- geschichte der Kasseler Galerie. Die nach Wien ausgelagerte Gemäldeauswahl wird nach dem Ende des II. Weltkriegs in die Depots des Kunsthistorischen Museums Wien umgelagert. Zum Anlass ihrer Rückführung findet von 1955 bis 1956 im Kunsthistorischen Museum Wien eine Ausstellung mit dem Titel Gemälde der Kasseler Galerie kehren zurück statt, deren zweite Station 1956 das Hessische Landesmuseum in Kassel ist.335 Laut Notizen von Redens in den Bildakten des Archivs der Gemälderestaurierung erhalten 17 Gemälde in Wien in Vorbereitung der dortigen Ausstellung einen frischen Firnis, u.a. die vier ganzfigurigen Porträts, Rembrandts Bildnis eines stehenden Herrn in ganzer Figur, Tizians Bildnis eines Feldherrn, Peter Paul Rubens’ Nicolaes de Respaigne und Anthonis van Dycks Bildnis eines Spaniers. Rembrandts Jakob segnet Ephraim und Manasse wird „restauriert“. Im Vorwort des Ausstellungskatalogs

333 Vgl. Lehmann 1988, S 196. 334 Vgl. Reden: Restaurierungsbericht, datiert 17. August - 12. September 1953, Archiv MHK, Aktenbestand: Ge- mälderestaurierung. Das Datum bezieht sich auf den Bearbeitungszeitraum, ebenso wie bei den folgenden, in gleicher Weise datierten Restaurierungsberichten. 335 Vgl. AK Kassel 1956, S. 7; Schnackenburg 1988; BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 20. 69 stellt der Direktor der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums fest: „Die Gemälde wurden lediglich einer oberflächlichen Reinigung unterzogen. Eine tiefergreifende Restau- rierung für den Zweck der Ausstellung wie z. B. ein Abnehmen von vergilbtem Firnis oder die Entfernung von störenden Übermalungen, war weder ratsam noch möglich.“336 In den 1950er Jahren verwendet man am Kunsthistorischen Museum für „Reinigung“ und Firnisherstellung üblicherweise dreifach rektifiziertes Terpentinöl sowie für den Firnis Mastix und einen 0,5%igen Zusatz von Bienenwachs.337 Die Vorbereitung der Kasseler Ausstellung veranlasst von Reden zu einer umfassenden Restau- rierungskampagne. In nur einem knappen Monat nimmt sie an 32 der 63 aus Wien gekommenen Gemälde eine Firnisbearbeitung vor, auch an den meisten der bereits in Wien neu gefirnissten Werke. Dazu gehört auch das Gemälde von Melchior de Hondecoeter, Die weiße Henne mit Küchlein. Sylvie von Reden notiert 1956: „Anlässlich der Ausstellung »Gemälde der Kasseler Galerie kehren zurück« nur konservierend hergerichtet […]. Firnisbehandlung. Das Bild ist von zahlreichen Krakelüren durchzogen und liegt unter einem stark gegilbten Firnis […]. Im ganzen recht brüchig.“338 Der zugehörige Restaurierungsbericht präzisiert die Notizen: „Lokale Firnis- behandlung und Firnis. Das Bild liegt unter trübem, alten Firnis […]. Konnte jetzt nur konser- vierend behandelt werden“.339 Im gleichen Jahr schreibt Sylvie von Reden über ihre Bearbei- tung des Gemäldes Die Heilige Familie mit dem Vorhang von Rembrandt:

„Bild wird nur firnisbehandelt […]. Das Gemälde liegt unter ganz dickem, ganz stark gegilbtem Firnis, der unregelmäßig und in häßlichen Flecken in feinen Krakelüren gesprungen ist. Immer wieder wird dieses Bild im Firnis eingeschlagen und blind werden, solange keine Abnahme erfolgt.“340

336 Oberhammer 1956, S. 8. Vinzenz Oberhammer ist Direktor der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Muse- ums in Wien. 337 Vgl. Kortan, Wien: Schreiben vom 4. Oktober 1990, Archiv der Gemälderestaurierung, MHK. Vgl. auch Kappes 2010, S. 53. Helmut Kortan (1966-1980) ist Leiter der Restaurierungswerkstätten des Österreichischen Bundesdenkmalamtes und 1965-1986 Leiter der Restaurierung an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. 338 Reden: Restaurierungsbericht von 1956, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 339 Reden: Restaurierungsbericht, datiert 20. Februar - 16. März 1956, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderes- taurierung. 340 Reden: Restaurierungsbericht von 1956, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. Vgl. auch AK Kassel 2006, S. 212. Von Reden stellt zudem auf dem Firnis liegende Retuschen und „zu stark abgeriebene Stellen“ fest. Das Gemälde wird für eine Ausstellung 1956 in Amsterdam und Rotterdam restauriert. 70 2.9.2 Regenerierungen, Abnahmen, Dünnungen, Trennungen und Aufträge von Firnissen

Vielfach notiert von Reden die „Firnisbehandlung“ oder das „Polieren“ des vorhandenen Fir- nisses. In den seltenen Fällen mit weiterführender Beschreibung wird deutlich, dass es sich aus heutiger Sicht um sehr unterschiedliche Maßnahmen handeln kann. Zwei Beispiele illustrieren eine rein mechanische Politur des vorhandenen Firnisses. Bei dem zuletzt 1933 von Leiß restau- rierten und mit Dammar gefirnissten Bildnis der Isabella van Assche, Gemahlin des J. van Meerstraeten von Anthonis van Dyck notiert von Reden 1960 „mit weichen Tüchern trocken poliert“.341 Für die Politur des Gemäldes Bildnis eines Mannes, möglicherweise des Dichters Jan Harmensz. Krul von Rembrandt verwendet sie einen Lederlappen.342 Lösemittel kommt bei den folgenden Beispielen zum Einsatz. Bei einer Restaurierung 1955 notiert von Reden: „Der Firnis wurde soweit als möglich mit Terpentin regeneriert und poliert.“343 In einem anderen Be- richt heißt es: „Abreiben […] mit in etwas Terpentin gefeuchteter Watte befreite die Bilder nicht nur restlos vom Staub, sondern gab ihnen einen sehr schönen matten Glanz zurück.“344 Die Politur geschieht zum einen mit Lösemittel und zum anderen mit einer Firnislösung und stellt damit aus heutiger Sicht einen Firnisauftrag dar. Von Reden schreibt: „Reinigen und Po- lieren mit Terpentin […]. Nochmals Polieren mit Terpentin und etwas Dammar.“345 Bei der Restaurierung zweier anderer Werke der Sammlung wird das Terpentinöl näher charakterisiert als „allerbeste[s] Terpentin“ und „doppelt rectifiziertes Terpentinöl“.346 Eine aufwendige Regenerierung mit mehreren Arbeitsschritten und Mitteln nimmt von Reden bei dem Stillleben mit Früchten, Maus und Schmetterlingen von Willem van der Aelst vor. Laufspuren von Wasser hatten Firnis- und Malschichttrübungen verursacht. „In 10-facher Wie- derholung wurde abwechselnd mit Alkohol, Alkoholfirnis und Dammarfirnis die Oberfläche behandelt und regeneriert.“347 Zwei Gemälde aus dem Schiavone-Umkreis behandelt sie im Pettenkofer’schen „Regenerierkasten“, nach vorangegangenem Auftrag „mit dünnem Firnis“.

341 Vgl. Reden: Restaurierungsbericht von 1960, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 342 Vgl. Reden: Restaurierungsbericht von 1956, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 343 Reden: Bericht von 1955, zu Jan van Scorel, Maria mit dem Jesuskind, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemäl- derestaurierung. 344 Reden: Restaurierungsbericht von 1953, zu Joos van Cleve, Brustbild eines Mannes und Brustbild einer Frau, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 345 Reden, Restaurierungsbericht von 1954, zu Bacchiacca, Bildnis des Papstes Hadrian VI. als Priester, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 346 Vgl. Reden, Restaurierungsbericht, datiert 1959-1960, zu Anthonis van Dyck, Bildnis des Joost de Hertroghe und Restaurierungsbericht, datiert Dezember 1958 - Juni 1959, zu Hans Baldung, Herkules und Antäus, beide Ar- chiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 347 Reden: Restaurierungsbericht, datiert 7. Juli - 2. August 1952, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestau- rierung. 71 Bei einem der beiden Gemälde, Der schlafende Amor wird von Psyche betrachtet, wird die „dicke alte Firnisschicht wieder transparenter“.348 Eine Firnisabnahme führt von Reden bei dem Bildnis des Joost de Hertroghe von Anthonis van Dyck aus. Die daraus resultierende Mattigkeit der Malschicht wird wiederum mit einer Politur behoben: „Die alte Original-Harzölfarbenmalerei wurde mit allerbestem Terpentin so lange po- liert, bis sie wieder glänzend wurde, darum brauchte das Bild zum Schluss nur verhältnismäßig sehr wenig gefirnißt werden.“349

Abb. 16: Hans Baldung, Herkules Abb. 17: Jacob Jordaens, Die Kindheit des Jupiter, Leinwand, und Antäus, Lindenholz, 153,5 x 65,3 219 x 247 cm, Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft cm, 1531, Gemäldegalerie Alte Meis- Hessen Kassel, Foto: Hensmanns ter, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Brunzel

In einigen Fällen beschreibt von Reden den schichtenweisen Abtrag von Firnissen und geht dabei auch auf den Vorzustand, die Ziele und den Arbeitsprozess der Restaurierung ein. Zent- rale Bedeutung hat dabei der erhaltene „Originalfirnis“. Seine Erhaltung hebt sie 1959 im Res- taurierungsbericht zu Hans Baldungs Herkules und Antäus (Abb. 16) hervor: „Das Wesentliche dieser Restaurierung ist der bewusste Verzicht auf ein Abnehmen des alten Originalfirnisses, soweit er noch vorhanden, ein Berühren der Safran- oder Aloe-Lasuren, mit denen Baldung

348 Vgl. Reden: Restaurierungsberichte, datiert 17. November 1953 - 19. Januar 1954, zu Schiavone, Umkreis, Psyche und ihre Schwestern und Der schlafende Amor wird von Psyche betrachtet, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 349 Reden, Restaurierungsbericht, datiert 1959-1960, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 72 sein Gemälde vollendete.“350 In ihrem Restaurierungsbericht zu dem Gemälde von Anthonis van Dyck, Bildnis einer Frau in den 40er Jahren, das bereits 1950 von Leiß regeneriert und mit einem Dammarfirnis versehen worden war, schreibt von Reden 1964:

„Das Bild lag unter dickem gegilbtem Firnis [...] Die sehr langwierige Restaurierung wurde immer wieder mit der Quarzlampe kontrolliert. Der alte Firnis wurde im Lauf der Behandlung immer wieder trocken poliert. Es konnten während der Behandlung genau die verschiedenen Firnis- schichten nachgewiesen werden. Es konnte beobachtet werden, wie allmählich der alte Original- firnis zum Vorschein kam (durch verschiedene Farben der Luminiszenz).“351

Im Prozess der Restaurierung finden eine Firnistrennung und eine Freilegung des Schlussfir- nisses statt. Ob dieser letztlich erhalten bleibt, ist nicht explizit benannt. In den Jahren 1955 und 1956 restauriert von Reden das Gemälde Die Kindheit des Jupiter von Jacob Jordaens (Abb. 17, S. 72). In diesem Fall wird entweder von einer Firnisdünnung einschließlich einer Dünnung des Schlussfirnisses oder einer Freilegung des Schlussfirnisses ausgegangen. Von Reden findet einen mehrschichtigen Firnis vor und stellt eine frühere partielle Firnisabnahme fest. Detailliert beschreibt sie das Konzept ihrer Maßnahme:

„Es wurde darauf verzichtet, den Firnis vollständig zu entfernen. Der Originalfirnis war bereits zu stark verletzt. Ungleichmäßig im Zustand war bereits auch die oberste Lasurenmalerei. So wurde versucht, einen mittleren Weg zu gehen, um original erhaltene Stellen mit denen, welche starken Schaden erlitten (durch Einwirkung von außen und durch scheinbar zahlreiche frühere Restau- rierungen) in Einklang zu bringen […]. Die Firnisabnahme erfolgte in drei Schichten.“352

Den gleichen Gedanken legte sie bei der Restaurierung des Gemäldes von Job. Andriaens Berckheyde, Die Berpoort in Deventer mit heimkehrender Schafherde zugrunde. Der „stark dunkelgegilbte Firnis“ wird mit einer Mischung von Alkohol und Terpentinöl gedünnt:

„Abnehmen der dicken Firnischicht ergab, daß unter der ersten Schicht noch eine zweite lag […]. Diese zweite Firnisschicht, noch über dem Originalfirnis liegend, wurde nicht ganz abgenommen, sondern möglichst gleichmäßig dünn stehen gelassen, da man deutlich erkennen konnte, wie schon durch frühere Restaurierungen Unregelmäßigkeiten in die Firnisoberfläche gebracht wurden. So wurde versucht, das Bild möglichst auf einen gleichmäßig gereinigten Stand zu bringen, den feinsten Nuancen Rechnung tragend.“353

Auf die verwendeten Lösemittel geht von Reden nur selten ein und nennt dabei keine Mi- schungsverhältnisse. Die folgenden Beispiele umreißen die sehr beschränkte Auswahl und die unterschiedliche Lösewirkung. Bei der Restaurierung von Willem Drost, Christus erscheint

350 Reden: Restaurierungsbericht, datiert Dezember 1958 - Juni 1959, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälde- restaurierung. Bei der Restaurierung werden Übermalungen des Hintergrunds entfernt. Die Feststellung zu dem Originalfirnis bezieht sich auf die dargestellten Figuren, die Feststellungen zu den Lasuren auf Blattwerk im Hin- tergrund. Die Restaurierung wird mit Lohe besprochen. 351 Reden, Restaurierungsbericht, datiert 1962-1964, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 352 Reden, Restaurierungsbericht, datiert 30. November 1955 - 30. Mai 1956, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemäl- derestaurierung. 353 Reden: Restaurierungsbericht, datiert 8. April - 3. Juni 1953, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestau- rierung. 73 Maria Magdalena als Gärtner (»Noli me tangere«), verwendet sie verschiedene Lösemittel: „[V]orsichtiges Reinigen, Abnehmen der verschiedenen Übermalungen und Firnisschichten mit Terpentin, Alkohol und gelegentlich etwas Dulgo.“354 Bei „Dulgo“ handelt es sich vermutlich um ein Handelsprodukt mit starker Lösewirkung, das aber nicht identifiziert werden kann. Bei Antonis van Dycks Bildnis des Joost de Hertoghe notiert sie: „[M]ehrere spätere Firnislagen, Übermalungen und Retuschen wurden mit Terpentin und Dulgo-Verdünnungen entfernt.“355 „Nach gutem Vorweichen wurden die Firnisschichten mit Terpentin und etwas Alkohol ent- fernt“ lautet ihr Restaurierungsbericht zu Pieter Jansz. Saendrams Gemälde Das Innere der Marienkirche in Utrecht, Queransicht aus dem nördlichen Seitenschiff.356 Bei einem der o.g. Werke aus dem Schiavone-Umkreis, Psyche und ihre Schwestern nimmt sie nach nicht erfolg- reicher Firnisregenerierung ein „[v]orsichtiges Reinigen mit Terpentin- und Alkoholmi- schung“ vor.357 „Picture cleaner“, mit Terpentinöl verdünnt, ist 1964 die Mischung für die Oberflächen- reinigung von Cornelis de Wael, Reitergruppe bei einer Lagebesprechung.358 Van der Werf u. a. weisen auf die Möglichkeit hin, dass picture cleaner auch Copaivabalsam enthalten.359 Auch zum neu aufgetragenen Firnis gibt es nur wenige Belege. Nur in einem Fall, der o.g. Fir- nispolitur, ist Dammar als Firnismaterial genannt und es wird angenommen, dass es sich um Dammar, gelöst in doppelt rektifiziertem Terpentinöl handelt.360 „Nur allerbester Firnis wurde zum Schluss verwendet“, so schließt der o.g. Restaurierungsbericht zu Jacob Jordaens, Die Kindheit des Jupiter. 361 „Ganz leicht und dünn Firnis“ lautet die Angabe zu der Anbetung der Hirten von Jan Cossiers.362 Wichtiger ist von Reden der Glanzgrad. Vielfach charakterisiert sie den aufgetragenen Firnis als „matt oder „halbmatt“. Beispielsweise dient bei dem Gemälde Die Hl. Cäcilie, Orgel spielend von Gerhard von Honthorst der matte Firnis dem Glanzausgleich. „Zum Teil stark eingeschlagen, zum Teil stark glänzender Firnis“, so ihr Bericht.363 Wie die

354 Reden: Restaurierungsbericht von 1957, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 355 Reden: Restaurierungsbericht, datiert 1959-60, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 356 Reden: Restaurierungsbericht, datiert 12. September 1952 - 1954, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestau- rierung. 357 Vgl. Reden: Restaurierungsbericht, datiert 17. November 1953 bis 19. Januar 1954, zu Schiavone, Umkreis, Psyche und ihre Schwestern, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 358 Vgl. Reden: Restaurierungsbericht von 1964, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. Nähere In- formationen zum verwendeten picture cleaner, wie Angaben zum Handelsprodukt, fehlen. 359 Vgl. Werf u. a. 2000, S. 9. 360 Vgl. Reden, Restaurierungsbericht von 1954 zu Bacchiacca, Bildnis des Papstes Hadrian VI. als Priester, Ar- chiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 361 Reden, Restaurierungsbericht, datiert 30. November 1955 - 30. Mai 1956, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemäl- derestaurierung. 362 Reden: Restaurierungsbericht, datiert 30. November 1955 - 30. Mai 1956; Reden, Bericht, datiert 1955, beide Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 363 Reden, Restaurierungsbericht, datiert 3. - 5. August 1954, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 74 Mattierung erreicht wird, bleibt offen. Anhaltspunkte dazu finden sich in Kurt Wehlte, Werk- stoffe und Techniken der Malerei von 1967. Er nennt zum einen die Verwendung eines Wachs- Harzfirnisses und zum anderen eine besondere Auftragsweise beim Firnisspritzen, deren Resul- tat dem Ziel eines neuen Firnisses von Redens sehr nahe steht.

„Firnißt man aber normal mit einem Harzfirnis möglichst dünn, läßt vollkommen trocknen und über- geht das Ganze dann noch einmal mit raschem Darüberhuschen bei größerem Abstand mit der Spritzpistole […] so entsteht dadurch ein angenehmer, halbmatter Oberflächencharakter […]. Unter Restauratoren ist das für alte Gemälde besonders beliebt. Diese erwecken dann den Anschein, als seien sie überhaupt nicht neu gefirnißt.“364

2.10 Zusammenfassung

Die Restaurierungsgeschichte der Kasseler Gemäldegalerie Alte Meister hat über weite Strecken des hier behandelten Zeitraums vielfältige Bezüge zu anderen Sammlungen. Bei der Begutachtung der Sammlung und ihrer Werke sowie den Restaurierungen findet ein vielfältiger und breiter Wissensaustausch statt. Dabei kommt auch ein sensibler und zurückhaltender Um- gang mit dem Kunstwerk und seinem historischen Erhaltungszustand zum Ausdruck. Man kann davon ausgehen, dass geläufige und anerkannte Restaurierungsmethoden und -materialien zum Einsatz kommen. Eine einheitliche Bearbeitung des gesamten Sammlungsbestandes, entweder durch Restaurierungskampagnen oder eine „Werkstatt-Tradition“, lässt sich nicht erkennen. Die „Restaurierungsskandale“ und die durch sie angestoßenen Begutachtungen tragen zur zeit- lichen Einordnung der Schäden und Veränderungen des Firnisses bei. Eine Gilbung des Firnisses von Kasseler Gemälden wird erstmals 1867 erwähnt. 1874 und in den folgenden Jahrzehnten stellt man vielfach auch Trübungen des Firnisses fest. Erstmals 1883 wird von einer hohen Dicke und der Mehrschichtigkeit von Firnissen berichtet, als Resultat unterlassener Firnisabnahmen früherer Restauratoren. Wehlte beobachtet 1929 ein ausgepräg- tes Firniscraquelé. 1936 diskutiert man die Ursachen borkenartiger Firnisdeformationen und kann ihre Entstehung bis in das 19. Jahrhundert, in die Zeit vor den fotografischen Aufnahmen durch den Kunstverlag Franz Hanfstaengl in den 1880er Jahren zurückdatieren. Ebenfalls 1929 erkennen Wehlte und Doerner die Einbettung von Farbe im Firnis, die aber erst Leiß 1948 als Schadensphänomen bestimmt. Dabei ist die Verwendung eines Mikroskops zur Gemäldeunter- suchung entscheidende Grundlage. An einigen Beispielen lässt sich verfolgen, dass Trübungen

364 Wehlte 1967, S. 680. Die kursiven Hervorhebungen des Textes sind übernommen. 75 nach erfolgten Regenerierungen wieder auftreten und erneut bearbeitet werden. Von Reden verwendet in den 1950er Jahren erstmals den Begriff des Originalfirnisses eines Kasseler Gemäldes. Die frühesten, aber nur indirekten Hinweise auf Firnisaufträge gibt De Burtin in Bezug auf den Aufenthalt der Kasseler Gemälde in Paris 1807-1815. Nach De Burtin bevorzugt man Mastix, insbesondere Chios-Mastix, gelöst in Terpentinöl. Die Firnislösung ist aus heutiger Sicht hoch konzentriert. De Burtin kennt den kreuzweisen Auftrag mit dem Pinsel und weist auf die Gefahr von Läufern und Girlanden hin. Seine Kritik an Öl-, Kopal- und Bernsteinfirnissen sowie an Eiweißfirnissen und Harzfirnissen in Alkohol kann auch als Hinweis darauf gewertet werden, dass diese ebenfalls geläufig sind. Der früheste schriftliche Beleg über einen Firnisauftrag auf einem Kasseler Gemälde stammt aus dem Jahr 1817. Die von Robert 1814 angeforderten Restaurierungsmaterialien erlauben die Herstellung verschiedenster Firnisrezepturen, darunter Sandarak als ein weniger geläufiges Harz für Firnisse. 1828 ist der Kauf von Mastix-Firnis und von rektifiziertem Terpentinöl belegt. Hauser d. Ä. verwendet bei den gemeinsamen Restaurierungen mit seinem Sohn 1883 vermutlich, seiner Publikation folgend, sowohl Mastix- als auch Dammarfirnis, beides gelöst in Terpentinöl und hoch konzentriert, aber er hält auch einen nicht näher bezeichneten Kopal- Firnis für geeignet. Bedeutsam ist sein Hinweis auf ein Anquellen oder Anlösen einer noch nicht vollständig gehärteten Malschicht durch das Terpentinöl der Firnislösung. Der einzige dokumentierte Fall eines ölhaltigen Firnisses datiert in die 1920er Jahre. Schübeck verwendet englischen Kutschenlack, einen Kopallack. Sie hebt bei ihren Restaurierungen erstmals einen möglichst dünnen Firnisauftrag hervor. Doerners 1929 empfohlenes Firnisrezept enthält Chios-Mastix, doppelt rektifiziertes Terpentinöl in einer hohen Konzentration und mit einem geringen Zusatz von Rizinusöl. Leiß verwendet in seiner Zeit als Restaurator in Kassel in den 1930er bis 1950er Jahren verschiedene Firnisrezepturen, mit Mastix, Dammar und der Mischung von Mastix und Dammar. Einige der im Zweiten Weltkrieg nach Wien ausgelagerten Gemälde werden zum Ende ihres dortigen Aufenthalts 1955 mit einem Mastix-Terpentinöl- Firnis versehen, der einen minimalen Zusatz von Bienenwachs enthält. Von Reden verzichtet meist auf die genaue Beschreibung des Firnisses. Vermutlich verwendet sie üblicherweise Dammar, gelöst in (doppelt rektifiziertem) Terpentinöl. Kunstharzfirnisse sind nicht doku- mentiert. Von Reden legt besonderen Wert auf einen dünnen Auftrag, den sie beispielsweise durch Polieren mit Firnislösung erreicht. Ziel eines neu aufgetragenen Firnisses ist ein halbmatter Glanz oder matter Charakter, wobei aber nähere Angaben fehlen. Möglicherweise trägt sie den Firnis matt oder halbmatt mit der Spritzpistole auf.

76 Eine Regenerierung getrübter Firnisse ist erstmals 1874 als Restaurierungsziel benannt und erstmals 1883 in der Ausführung durch Alois Hauser d. Ä. und Alois Hauser d. J. belegt. Unge- wiss bleibt, welche Methoden sie anwenden. Im Zuge dieser Restaurierungen wird erstmals auch die Veränderung des Glanzgrades von Firnissen durch die Regenerierung thematisiert. In dem Manuskript von Hauser d. J. ist eine Präferenz der Alkoholbedampfung unter dem Petten- kofer-Kasten erkennbar. Als mögliche Schäden nennt er „pockenartige“ Deformationen und bei „Ölfirnissen“ eine Trübung sowie Riss- und Runzelbildung. Doerner und Wehlte lehnen 1929 die Alkoholbedampfung strikt ab und raten zur Regenerierung mit Copaviabalsam bzw. verschiedenen Produkten von Copaivabalsam und Mischungen mit Terpentinöl. Die empfohlene Nachreinigung mit Terpentinöl kann aus heutiger Sicht das Firnis- craquelé weiten, allerdings wird auf dieses Risiko nicht eingegangen. Die Verwendung von Co- paivabalsam ist erstmals 1933 belegbar. Erst 1946 nimmt Leiß eine Firnisregenerierung mit Co- paivabalsam vor. Hingegen führt von Reden in den 1950er und 1960er Jahren ihre Firnisre- generierungen vorwiegend durch trockene Politur und durch Politur mit Terpentinöl, selten mit einer Firnislösung aus. Zwei Fälle einer Alkoholbedampfung mit dem Pettenkofer-Kasten sind dokumentiert. Die Betrachtung der schriftlich dokumentierten Restaurierungen wirft auch ein neues Licht auf die Verwendung von Copaivabalsam. Nachweislich verwendet wird er nur in vier Fällen im Zeitraum von 1933 bis 1948. Er dient verschiedenen Zwecken, nicht nur zur Regenerierung von getrübten Firnis- und Farbschichten, sondern zum Beispiel auch als Zusatz einer Lösemittel- mischung für die Firnisabnahme. Dabei ist ausschließlich von Copaivabalsam die Rede, nicht aber von Parabalsam oder von Copaivabalsamöl, wie sie Doerner 1929 empfiehlt. Die wenigen Restaurierungsfälle stehen im Gegensatz zu den erheblichen Mengen, deren Beschaffung von 1933 bis 1942 mit dem Hinweis auf ihren Bedarf und Verbrauch mehrfach beantragt wird. Zum Teil betrifft das die Zeit des Zweiten Weltkriegs, aus der es keine Restaurierungsdoku- mentationen gibt. Sylvie von Reden benutzt für ihre Firnisregenerierungen keinen Copaiva- balsam, möglicherweise aber als Inhaltsstoff eines picture cleaners. Indirekte Hinweise auf die Vorgehensweise bei möglichen Firnisabnahmen oder -dünnungen an Kasseler Gemälden in Paris während der Zeit von 1807 bis 1815 gibt De Burtin. Generell plädiert er aus ästhetischen Gründen für das Belassen eines Restfirnisses. Er propagiert vor allem die mechanische Firnisdünnung durch Abreiben mit Firnispulver, nennt aber auch die Verwendung von Ethanol und Terpentinöl bzw. deren Mischung. Ölfirnisse erfahren eine Vor- behandlung zum besseren mechanischen Abtrag oder Lösen. Dokumentiert sind ganzflächige und partielle Firnisabnahmen sowie Firnisdünnungen an Kasseler Gemälden erstmals 1883 im

77 Rahmen der Restaurierungen von Alois Hauser d. Ä. und d. J. Die Abnahme oder Dünnung er- folgt in Schichten. Die zurückhaltende Restaurierungsauffassung von Alois Hauser d. J. zeigt sich in seinem Manuskript darin, dass er auch den Erhalt eines gealterten Firnisses in Betracht zieht. Für die Abnahme von Harz- und Ölfirnissen verwendet er nach diesem Manuskript unterschiedliche Lösemittel, für erstere eine Mischung aus Ethanol, Terpentinöl und Leinöl und für letztere eine Mischung aus Copaivabalsam und Salmiak. Doerner weist 1929 auf einen vom Craquelé ausgehenden Löseprozess hin, bei dem empfind- liche Farbschichten geschädigt werden können. Seine Empfehlung für eine mechanische Fir- nisabnahme durch Abschleifen mit Mastixpulver wird in den Jahren bis 1966 in der Kasseler Gemälderestaurierung allerdings nicht umgesetzt. Leiß beschreibt nur eine seiner Restaurie- rungen 1948 detailliert. Er führt eine Firnisdünnung aus, bei der er Lösemittelmischungen mit Ethanol, Aceton, Salmiak und Copaivabalsam verwendet. Erstmals dient eine UV-Lampe dazu, einen Restfirnis an einem Kasseler Gemälde zu erhalten. Leiß verfügt über eine breite Palette von Lösemitteln, darunter auch starke Lösemittel wie Chloroform. Von Reden führt ihre Firnis- abnahmen und Firnisdünnung vorwiegend mit Mischungen von Alkohol und Terpentinöl aus und geht dabei gezielt schichtenweise vor. Es gelingt ihr auch, Schlussfirnisse freizulegen. Be- merkenswert ist vor allem ein Fall, in dem sie einen mehrschichtigen Firnis auf der Ebene der nicht originalen Firnisschichten dünnt und somit den Schlussfirnis erhält.

78 3 Grundlagen und Methoden der Objektuntersuchung

3.1 Schadensphänomene und Schadensmodelle der Lack- und Anstrich- wissenschaften, Materialwissenschaften und Bruchmechanik

Eine aufschlussreiche Perspektive auf die Schäden und Veränderungen von Firnissen bieten Arbeiten aus dem Bereich der Lack- und Anstrichwissenschaften, den Materialwissenschaften und der Bruchmechanik. Technologisch betrachtet haben industrielle Lackierungen, wie z.B. mehrschichtige Autolacke, Gemeinsamkeiten mit Gemälden Alter Meister. Zudem gibt es Ge- meinsamkeiten, die sowohl für polymere Feststoffe als auch für Feststoffe generell gelten. Die Begriffe sind zwar zum Teil sehr verschieden, Beschichtungen und Filme können aber mit Fir- nis und Malschicht, Untergründe und Substrate mit Bildträgern gleichgesetzt werden. Interes- sant sind vor allem Fälle, in denen die Schäden durch äußere Einflüsse, die Einwirkung von Lösemitteln oder die Quellung einer bereits gehärteten Schicht infolge eines weiteren Auftrags, entstehen. Darin werden Modelle für die Schäden und Veränderungen an Firnissen und Malschichten durch Firnisregenerierung oder Überfirnissen gesehen. Schadensphänomene und -ursachen, darin liegt der besondere Wert dieser Literatur, werden allgemeingültig und auf der Grundlage vor allem von physikalischen Prozessen dargestellt. Ein Teil der hier verwendeten Arbeiten hat bereits in die Literatur der Kunsttechnologie und Restaurierung Eingang gefunden, unter anderem durch die Arbeiten von Andreas Hoppenrath und Vera de Bruyn-Ouboter.365

Innere Spannung und Rissbildung Die Rissbildung von Beschichtungen wird mit dem Entstehen einer inneren Spannung erklärt.

„Es handelt sich um mechanische Spannungen in Filmen, die zu den von außen aufgeprägten hinzutreten können und die man als innere oder Eigenspannungen bezeichnet. Solche inneren Span- nungen entstehen in einem Lackfilm, wenn Volumenänderungen - in den meisten Fällen Schrump- fungen - aufgrund der Haftung am Substrat und einer reduzierten molekularen Beweglichkeit eingeschränkt sind.“ 366

Relevant ist dabei die Volumenänderung in der Filmebene, während die Dickenänderung keine Rolle spielt.367 Die Volumenänderungen werden auf verschiedene physikalische und chemische

365 Vgl. Hoppenrath 1999; Bruyn-Ouboter 2004. 366 Zosel 1996, S. 111. 367 Vgl. Zosel 1996, S. 111f.

Prozesse zurückgeführt, die sowohl der Filmbildung als auch der Alterung zuzurechnen sind.368 Die Schrumpfung einer Schicht hat ihre Ursache in der Verdunstung von Lösemitteln, der Ab- senkung der Materialfeuchte und Temperatur, der Desorption von niedrig molekularen Binde- mittelbestandteilen und Stoffen (Weichmacher) und der Vernetzung des Bindemittels. Hinge- gen findet Quellung bei der Aufnahme von Lösemitteln, Feuchtigkeit oder niedrig molekularen Stoffen (äußere Weichmacher) statt. Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit haben unterschiedliche Wirkungen. Ihre Änderungen führen zunächst direkt zur Volumenänderung. Gleichzeitig beeinflussen sie indirekt auch die mechanischen Eigenschaften, indem sie bei niedriger und hoher Luftfeuchte sowie bei höherer Temperatur die Desorption von niedrig molekularen Firnis- oder Bindemittelbestandteilen und Stoffen begünstigen. In diesen Zusammenhang sind auch die an Malschichten und Firnissen nachgewiesenen Prozesse des Auslaugens und der Migration infolge von Lösemitteleinwir- kung einzuordnen.369 Gleiches gilt für thermische Belastungen durch restauratorische Eingriffe, z.B. bei Doublierungen.

Abb. 18: Förderung der Rissbildung durch Film- bildungsstörungen

Mikroskop-Aufnahme einer Kochblase in einem Klarlack als Ausgangspunkt von drei Rissen in einer „sternförmigen Anordnung“, koaxiale Beleuchtung, „50fache Vergrößerung“ (Kerkhoff/Haagen 1995, S. 173, Bild 173.3)

Risse bilden sich, wenn die inneren Spannungen die „Kohäsionsfestigkeit des Filmmaterials“ überschreiten.370 Dabei unterliegt auch die Kohäsionsfestigkeit selbst dem Einfluss der o.g. Faktoren. Ausgangspunkte von Rissbildung sind Defekte in der Schicht wie Einschlüsse, Hohl- räume und Mikrorisse.371 Peter von den Kerkhoff und Helmut Haagen zeigen eine sogenannte „Kochblase“ in einem Klarlack bei koaxialer Beleuchtung (Abb. 18). Die Kochblase in der Ab- bildungsmitte hat einen aufgewölbten Rand und liegt vertieft in der Ebene. Sie war beim Auf-

368 Vgl. Klopfer 1976, S. 50f.; Sato 1980; Schmid 1988; Schmid 1990; Perera 2002; Perera 2003. Vgl. auch Koller/Baumer 2000b, S. 621. Auch der Bildträger, Untergrund oder das Substrat sind Dimensionsänderungen un- terworfen und können ihrerseits durch Ausdehnung eine innere Spannung der Beschichtung oder des Films bewir- ken, die möglicherweise zur Rissbildung führt. 369 Vgl. Sutherland 2000; Doelen 1999, S. 72f. 370 Vgl. Zosel 1996, S. 112. 371 Vgl. Gross/Seelig 2007, S. 53. 80 trag und bei der Filmbildung entstanden und ist Ausgangspunkt von drei Rissen.372 Rissmecha- nisch wirksam sind sowohl die offene Kochblase selbst als auch die Vertiefung im Umfeld. In- nere Spannungen nehmen nicht ausschließlich zu und führen nicht zwangsläufig zu Rissen, sie können auch ohne die Bildung von Rissen wieder abgebaut werden.373

Geweitete Risse und plastische Schichten Die Weitung von Rissen beruht auf einem ungleichmäßigen mechanischen Verhalten der Schicht. Die untere Ebene der Schicht weist eine höhere plastische Verformbarkeit auf als die obere, hingegen ist der Volumenschwund in der oberen Ebene höher als in der unteren. Ent- scheidend ist, dass die untere Schicht oder Schichtenebene den horizontalen Schwund der obe- ren Schicht oder Schichtenebene nur wenig behindert. So kommt es bei einem fortschreitenden Volumenschwund zur Weitung der Risse. Die plastisch stärker verformbare Schicht bezeichnet Klopfer anschaulich als „Gleitschicht“.374 Verschiedene Schichtenkonstellationen können diese Grundbedingungen erfüllen. Bei einem einschichtigen System besteht die plastische Verformbarkeit nur in der unteren Ebene, während diese mechanische Eigenschaft in der oberen Ebene durch Degradation verändert ist. Bei einem zweischichtigen System, dem einfachsten Fall mehrschichtiger Systeme, können diese Unter- schiede hinsichtlich der plastischen Verformbarkeit immanente Eigenschaften der jeweiligen Schichten sein oder sie können auf eine äußere Einwirkung zurückgehen.

Abb. 19: Rissweitung in einem zweischichtigen Anstrich durch Wiedererweichung des Unter- grunds

Untergrund ist ein Anstrich mit „Mennige in Leinöl“. Ein zweiter Anstrich, „Bitumenanstrich“ folgt auf den vollständig gehärteten ersten Anstrich und be- wirkt an diesem eine Wiedererweichung. Die Folgen sind geweitete Risse, die bis zum in der Abbildung hell erscheinenden Mennige-Anstrich reichen. Ohne Maßangaben. (Blom 1954, S. 76, Bild 31)

Ein Schadensbeispiel führt Blom mit einen „Bitumenanstrich auf Mennige in Leinöl“ an (Abb. 19).375 Eine vollständig gehärtete erste Schicht wird durch das enthaltene Lösemittel einer zwei-

372 Vgl. Kerkhoff/Haagen 1995, S. 173, Bild 173.3. Vgl. auch Klopfer 1976, S. 142. Die Abbildung von Peter von den Kerkhoff und Helmut Haagen enthält keinen Maßstab oder Maßangaben des Bildausschnitts, angegeben ist eine „50fache Vergrößerung“. 373 Vgl. Sato 1980, S. 152; Willigen 1999, S. 42. Vgl. auch Wülfert/Knochenmuss/Wülfert 1998, S. 216. 374 Vgl. Klopfer 1976, S. 141. 375 Vgl. Blom 1954, S. 76, Bild 31. 81 ten Schicht wieder angelöst. In der Folge bilden sich geweitete Risse. „Diese Rißbildung ist meist darauf zurückzuführen, daß die Löser des Bitumenlackes selbst einen gut durchgetrock- neten Ölfarbenanstrich anzugreifen vermögen, so daß er mürbe wird. Die Kontraktionsspan- nungen im angetrockneten Deckfilm führen dann zur Rissbildung.“376 Geweitete Risse treten in vielfältigen Formen auf, wobei Risstiefe und Rissprofil variieren. Diese Unterschiede lassen sich auf der Grundlage der o.g. mechanischen Eigenschaften und Schadensmechanismen mit individuellen Schichtenkonstellationen erklären. Man kann zum Beispiel davon ausgehen, dass die jeweilige Dicke zweier Schichten und ihr Dickenverhältnis eine wesentliche Rolle spielen. Entscheidend ist einerseits, ob die mechanischen Eigenschaften zwischen zwei Schichten oder zwischen Ebenen einer Schicht wechseln und andererseits, ob die Veränderung zwischen den Schichten oder Schichtenebenen kontinuierlich oder abrupt vor sich geht.377

Quellungsrisse Die Rekonstruktionsversuche der Rissentwicklung in den Fallstudien der vorliegenden Arbeit geben Hinweise darauf, dass Rissbildung und Rissweitung in verschiedenen Schichten des Ge- mäldes gleichzeitig oder in unmittelbarer Folge und in einem durch Lösemittel gequollenen Zu- stand stattgefunden hatten. Auch Robert L. Feller beobachtet Rissbildung bei der Quellung und dem Lösen von Firnissen.378 Zu diesem ungewöhnlichen Rissverhalten gibt J. Sickfeld ein Ver- gleichsbeispiel. Er untersucht gehärtete Filme von pigmentiertem und nicht pigmentiertem Epoxidharz bei der Quellung mit Ketonen und Estern und stellt dabei sogenannte Quellungs- risse fest. Er verdeutlicht, dass Quellung und Rissbildung zwar gleichzeitig, aber getrennt von- einander und in verschiedenen Ebenen der Schicht wirken:

„Auch wenn die äußere Oberflächenschicht so stark erweicht ist, daß dort die Spannungen entlastet werden, so ist doch in tieferen Schichten ein Übergangsgebiet, in dem die Erweichung noch nicht soweit fortgeschritten ist, also die Spannungen erhalten bleiben. Durch die Druckspannungen in der Oberflächen- bzw. Zwischenschicht steht der Filmkern [Hervorhebung im Text] unter einer Zug- spannung, die mit zunehmender Quellung anwächst, bis die Zerrreißspannung erreicht wird und der Kern reißt.“379

376 Blom 1954, S. 76. 377 Vgl. Klopfer 1976, S. 53f., 142f. 378 Vgl. Feller 1981, S. 81/16/1-3 und S. 81/16/1-6, Fig. 1. Feller führt die Firnisabnahmen an Probetafeln durch. Beim Lösemittelkontakt bilden sich Risse, entlang derer der Firnis ausgeschwemmt wird. Die Zeichnung Fellers, hier nicht abgebildet, zeigt drei Phasen dieses Prozesses. 379 Sickfeld 1977, S. 121. Vgl. Wapler 1950, S. 442, 444. Sickfeld zitiert u. a. Wapler, welcher „Quellungsrisse“ in Plexiglas, das durch die äußere Einwirkung seines monomeren Grundstoffs Methacrylsäuremethylester gequol- len wird, beschreibt. Wapler überträgt diese Befunde auch auf Lackfilme mit hoher Schichtdicke bzw. auf „makro- molekulare Stoffe in vollem Material“. 82 Die Risse bilden sich im Verlauf der Quellung unterhalb der Filmoberfläche, erreichen aber die Oberfläche nicht.380

Rissverlauf und Rissablenkung In den Untersuchungen der Fallstudien werden wiederholt Risse in der Malschicht festgestellt, die sich entweder bezugslos überlagern oder in unmittelbarer Nähe parallel verlaufen. Dies widerspricht dem mechanischen Modell der Rissbildung, wie verschiedene Darstellungen der Literatur der Lack-, Anstrich- und Materialwissenschaften sowie der Rissmechanik verdeut- lichen. Kreuzförmige Risskonstellationen können aber auch aus einer gemeinsamen Ausbrei- tung von vier Rissen von einem Punkt aus entstehen, die sich in gleichmäßigen Winkeln ausbreiten und so eine Kreuz- oder X-Form bilden. Klopfer beschreibt die Ausbreitung von Rissen aus einem Punkt als „Riss-Stern“.381 Das o.g. Schadensbeispiel von Peter von den Kerkhoff und Helmut Haagen (Abb. 18, S. 80) besteht aus nur drei Rissen. Riss-Sterne können Ausgangspunkte der Ausbreitung von Rissen bis hin zu einem geschlossenen Rissnetz sein, wie M. N. M. Boers dies modellhaft illustriert.382 Kreuz- oder X-förmige Riss-Sterne sind als Sonderfälle in Betracht zu ziehen, allerdings beschreibt P. de Willigen die Ausbreitung von Rissen als mehrheitlich T-förmig, nicht X-förmig. Der bestehende Riss bewirkt einen einseitigen Spannungsabbau in seinem Umfeld „im rechten Winkel“ zur Rissflanke. Ein neu entstehender und von diese Flanke ausgehender Riss wird in seinem Verlauf von dem lokal anisotropen Spannungsfeld beeinflusst. „Das bedeutet, dass alle Risse, die entlang einer Rissflanke an seinen Schwachstellen entstehen, anfänglich einen Win- kel von 90° haben.“383 Gleiches gilt für die Annäherung eines sich ausweitenden Risses an einen bestehenden Riss und seinen Zusammenschluss. „Risse, die sich einem alten Riss annähern, werden bis zu einem Winkel von 90° abgebogen (wie weit, hängt von dem Grad des Span- nungsabbaus bei der Öffnung des ersten Risses ab).“384 Nach de Willigen zeichnen sich auf die- se Weise Generationen von Rissen bzw. sekundäre und primäre Risse ab.385

380 Vgl. Sickfeld 1977, S. 121f., Abb. 12a und 12b. 381 Vgl. Klopfer 1976, S. 142. 382 Vgl. Boers 1961, S. 7, Abb. 3, E2-E10. Boers benennt die Rissanordnung als „crowfoot cracks“. 383 Willigen 1999, S. 22. Eigene Übersetzung aus dem Englischen: „This means that any cracks formed at a point of weakness along its edge will initially grow at 90°.“ Vgl. auch Hoppenrath 1999, Bd II., S. 19, Abb. 42. 384 Ebd. Eigene Übersetzung aus dem Englischen: „Cracks approaching an old crack may be bent around to 90° (how near to it may depend on the amount of stress released by the opening of the first crack).“ Vgl. auch Hoppenrath 1999, Bd. II., S. 19, Abb. 43. 385 Vgl. ebd. 83 Abb. 20: Rissbildung und -ablenkung

Mikroskop-Aufnahme, Rissbildung im Klarlack einer „2-Schicht-Metallic-Lackierung“, „Vergrößerung ca. 40fach“. Die schmaleren und kürzeren Risse werden zu den jeweils breiteren und längeren Rissen hin abgelenkt. (Kerkhoff/Haagen 1995, S. 169, Bild 169.4)

In einem Fallbeispiel zeigen von den Kerkhoff und Haagen die Mikroskop-Aufnahme der Riss- bildung einer Lackierung (Abb. 20), welche die Feststellung de Willigens illustriert.386 Die schmaleren und kürzeren Risse werden zu den jeweils breiteren und längeren Rissen hin abge- lenkt. Eine Ablenkung und eine vereinzelte bezugslose Überlagerung von Rissen werden in den Fallstudien der vorliegenden Arbeit beobachtet. Auf der Grundlage der Rissmechanik können alternative Erklärungsmodelle für sich überlagernde Risse entwickelt werden, wie dies z. B. de Bruyn-Ouboter bei einem mehrschichtigen Lack formuliert.387

Abb. 21: Rissablenkung bei Annäherung und Zusammenschluss

Gegenseitige Rissablenkung zweier versetzt parallel verlaufender Risse bei der Ausbreitung und Annäherung. Die mit (a) bis (d) bezeichneten Einzelbilder stellen die verschiedenen Phasen der Ausbreitung und Ab- lenkung dar. (Yokobori/Uozumi/Ichikawa 1971, S. 44. Abb. 26 a-d)

Zu den Sonderfällen gehört auch der parallele Verlauf zweier Risse in unmittelbarer Nähe zu- einander und in sehr kurzen Abschnitten. In der Materialwissenschaft und Bruchmechanik ist die Interaktion von parallelen versetzten Rissen in verschiedenen Größenordnungen, im Millimeter- und Mikrometer-Bereich, umfangreich erforscht. Bei der Rissausbreitung nähern

386 Vgl. Kerkhoff/Haagen 1995, S. 164f., Bild 165.4, S. 165. Es handelt sich um eine „2-Schicht-Metallic-Lackie- rung“. Die Rissbildung findet im „Klarlack“ statt. 387 Vgl. Bruyn-Ouboter 2004, S. 205, Abb. 61, 62. De Bruyn-Ouboter nutzt die sich überlagernden Rissverläufe zweier Lackschichten eines historischen Streichinstruments zur Datierung und stellt damit fest, dass die untere, bereits craquelierte Lackschicht mit einer zweiten Schicht überstrichen worden war. 84 sich die Risse an und überlappen sich dann. In diesem Überlappungsbereich werden die Riss- Spitzen zur Flanke des parallelen Risses hin abgelenkt und schließen zuletzt daran an.388 Takeo Yokobori, Mikio Uozumi und Masahiro Ichikawa skizzieren dies modellhaft in vier Phasen (Abb. 21, S. 84).389 In einer realen Situation ist diese besondere Rissanordnung auch in der Mitte der Abbildung 19 (S. 81) zu beobachten und in einigen Fällen auch bei den Objekt- untersuchungen dieser Arbeit.

Verzweigung von Rissen in Richtung ihrer Ausbereitung

Abb. 22: Modellhafte Darstellung einer mehr- Abb. 23: Rissverzweigung bei einer Rissausbreitung fachen Rissverzweigung unter uniaxaler Span- von links nach rechts, Maßstab: 10 mm, vermutlich nung bei Rissausbreitung von links nach rechts Werkstück oder Probekörper aus Eisenlegierung (Gross/Seelig 2007, S. 216, Bild 7.9a) (Congleton 1977, o. S., nach Keller 1983, S. 36, Bild 28)

Während in den zuvor beschriebenen Fällen entweder ein neuer Riss von einem bestehenden Riss ausgeht oder in diesen einmündet oder aber sich zwei Risse annähern, entstehen bei der Rissverzweigung zwei oder mehrere Risse gemeinsam von einem Ausgangspunkt. Bei einer mehrfachen Verzweigung kann es zu einem parallelen Verlauf zweier abzweigender Risse kommen. Die modellhafte Zeichnung von Gross und Seelig zeigt diesen Fall in den sich parallel in gleicher Richtung ausbreitenden Rissen (Abb. 22, Pfeile à2 und à3). J. Congleton zeigt einen realen Befund aus der Materialwissenschaft, die Rissverzweigung in einem Metall, einer Eisen- legierung, im Querschnitt (Abb. 23, S. 85).390 Der Riss verläuft von links nach rechts, in der Abbildungsmitte verzweigt er sich in drei schmalere Risse. Der mittlere verläuft weiter gerade, der obere und untere zweigen in diagonaler Richtung ab und biegen dann in eine parallele Rich- tung ein. Mögliche Fälle einer Rissverzeigung werden in den Fallstudien dieser Arbeit dar- gestellt.

388 Vgl. Lange 1968; Yokobori/Uozumi/Ichikawa 1971, S. 41f., 44; Swain/Hagan 1978, S. 301; Keller 1983, S. 56ff.; Gross/Seelig 2007, S. 84-89. Bei Swain und Hagan beträgt der Abstand der parallelen Rissachsen 10 und 25 µm, bei Yokobori, Uozumi und Ichikawa 5 mm. 389 Vgl. Yokobori/Uozumi/Ichikawa 1971, S. 41f., Abb. 25, S. 44. 390 Vgl. Gross/Seelig 2007, S. 216f., Bild 7.9a, S. 216; Congleton 1977, o. S., o. Abb.-Nr., nach Keller 1983, Bild 28, S. 36; Keller 1983, S. 36-40. 85 Strömungen bei der Filmtrocknung Strömungen innerhalb von lösemittelhaltigen Beschichtungen bei der Lösemittelverdunstung und die daraus resultierenden Filmbildungsstörungen sind in der Lack- und Anstrichtechno- logie vielbeachtete Phänome und u.a. als Rollzellenbewegung oder als Benard’sche Zellen- bewegung bekannt.391 E. Babel beschreibt den Prozess der Rollzellenbewegung:

„Anstrichfilme sind keine einheitlichen Flüssigkeiten. Das Material wird während der Trocknung zunehmend dickflüssiger, und in Mikro- oder feinsten Makrobereichen entstehen Flächenelemente mit unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften. An diesen Phasengrenzen berühren sich damit unterschiedliche Energieladungen und aus diesem Potential resultieren eigene Energiequellen. Diese verursachen lokale Flüssigkeitsbewegungen, die im trocknenden, dickflüssiger werdenden An- strichfilm einfrieren und sich als Oberflächenstörungen fixieren.“392

Die bei der Lösemittelverdunstung entstehenden Strömungen bilden regelmäßige Zellen aus, die schließlich zu Deformationen an der Oberfläche des härtenden Films führen.

Strömungen bei der Trocknung lösemittel- haltiger Beschichtungen

Abb. 24: Rollzellenbewegung oder Benard’sche Zellenbewegung in einer ebenen Fläche, Bild 1: Mechanismus der Strömung (Bild 1a-1c), Zellen- bewegung im flüssigen Film (Bild 2), Deforma- tionen bei der beginnenden Filmhärtung (Bild 3 a-c) (Babel 1974, S. 695, Bild 1a-3c)

Abbildung 24 zeigt eine Illustration von Babel. Darin illustriert er in Bild 1 den Mechanismus der Strömungen, in Bild 2 den Verlauf der Strömungen in der flüssigen Schicht. Babel stellt fest: „Die Rollzellen […] haben im Normalfall stets einen Durchmesser, der etwa mit der Film- dicke übereinstimmt.“393 In den Bildern 3a bis 3c (Abb. 24) zeigt Babel die daraus resultieren- den Deformationen in der Phase der beginnenden Filmhärtung, darunter in Bild 3a den „Apfel- sinenschaleneffekt“, den von den Kerkhoff und Haagen auch als „Orangenschaleneffekt“

391 Vgl. Babel 1974, S. 695; Klopfer 1976, S. 133; Scheithauer/Sirch 1996, S. 21; Kerkhoff/Hagen 1995, S. 232; Lückert/Zorll 1992, S. 119, 127; DIN EN ISO 4618: 2003, S. 28. Die Benennungen sind unterschiedlich und be- ziehen sich auf einen der beiden Entdecker des Phänomens, Henri Bénard (1874-1939), auf den Prozess während der Filmbildung und die resultierende Filmbildungsstörung. Sie lauten Benard‘sche Zellen bzw. Benardzellen- bildung oder -strukturen (Klopfer 1976, Lückert/Zorll 1992 und Scheithauer/Sirch 1996), Rollzellenbewegung (Babel 1974) und Orangen- oder Apfelsinenschaleneffekt (Babel 1974, Kerkhoff/Hagen 1995 und DIN EN ISO 4618: 2003). 392 Babel 1974, S. 695. 393 Ebd. 86 bezeichnen.394 An senkrechten Flächen können hingegen „zusammengeschobene oder langge- streckte Gebilde“ entstehen.395 Die Art des Lösemittels hat Einfluss darauf, ob und in welcher Stärke Deformationen auftreten. Schnell verdunstende Lösemittel fördern die Deformation, während langsam verdunstende Lösemittel einen glatten Verlauf bewirken.396 Die Strömungen im noch flüssigen Firnis finden aber sowohl bei schnell als auch bei langsam verdunstenden Lösemitteln statt, jedoch in unterschiedlicher Geschwindigkeit.397 Auch kommt es zu einer Trennung und ungleichmäßigen Verteilung von Bindemittelbestandteilen mit unterschiedlicher Molekülgröße. Die Rollzellenbewegung kann auch die Pigmente erfassen. Bei niedrigem Pig- mentanteil und geringen Partikelgrößen werden die Farbpartikel heterogen verteilt, so dass sich die Zellen abzeichnen.398

Strömungen bei der Trocknung lösemittelhaltiger Beschichtungen

Abb. 25: Lokale Beeinflussung der Rollzellenbewegung oder Benard’sche Zellenbewegung durch Vertiefungen (Bilder 8a, 8b) oder Kanten des Untergrunds (Bilder 9a, 9b), Darstellung der lokalen Strömungen im flüssigen Film (Bilder 8a, 9a) und bei der beginnenden Filmhärtung (Bilder 8b, 9b) (Babel 1974, S. 695, Bild 8a-9b)

Lokale Ungleichmäßigkeiten des Untergrunds und Abweichungen von der ebenen Fläche be- einflussen die Rollzellenbewegung und führen in der Folge zu lokalen Filmbildungsstörungen. In den Lack- und Anstrichwissenschaften vorrangig beachtet werden beispielsweise die Poren von Holz oder die Kanten von dreidimensionalen Objekten. Babel beschreibt den Prozess an Vertiefungen des Untergrunds. „Die Schichtdicke ist aber an diesen Stellen größer, und der

394 Vgl. ebd., S. 695f.; Kerkhoff/Haagen 1995, S. 232f., Abb. 233.1-233.3, S. 233. Van den Kerkhoff und Haagen zeigen eine entsprechende Lackoberfläche in Originalgröße und in einer Mikroskop-Aufnahme. 395 Vgl. Babel 1974, S. 695f., Bild 3b und 6, S. 696. 396 Vgl. ebd., S. 697; Kittel 1976, S. 37; Lückert/Zorll 1992, S. 119. Nach Zorll und Lückert als Interviewer wird eine entsprechende Filmbildungsstörung vermieden durch eine „geschickte Kombination der Lösemittel- zusammensetzung […] eine Kombination aus Niedrig-, Mittel- und Hochsiedern.“ Die Niedrigsieder sorgen für eine gute „Substratbedeckung“ und in der ersten Filmbildungsphase für einen guten „Verlauf“, die Hochsieder dafür, dass bei „vorübergehender Bernardzellenbildung letzten Endes eine glatte Oberfläche“ entsteht. Nach Kittel liegt der Siedepunkt von Niedrigsiedern unter 100° C, von Mittelsiedern zwischen 100-150° C und von Hoch- siedern über 150° C. Nach Babel mindern auch Lösemittel mit „höherer Oberflächenspannung“, wie „chlorierte Aromaten“ und „höhere Ketone“, die Rollzellenbewegung. 397 Vgl. Babel 1974, S. 697. 398 Vgl. ebd.; Klopfer 1976, S. 1976, S. 190f.; Kerkhoff/Haagen 1995, S. 262f. Van den Kerkhoff und Haagen nennen das Phänomen „Ausschwimmen“. 87 Anstrich bleibt daher dort fließfähiger; es können länger fließfähige Massen von unten nach oben strömen und sogar wulstartige Verdickungen erzeugen, wenn sie in ihrer Form und Größe die Zellenbewegung begünstigen.“399 Abbildung 25 (S. 87) zeigt die Bilder 8a bis 9b nach der Abbildungsnummerierung von Babel. In Bild 8a sieht man lokale Strömungen, die vom Unter- grund ausgehen und an dessen Rändern Zellen bilden. Bei der beginnenden Filmhärtung (Bild 8b) strömt der noch fließfähige Firnis von der Vertiefung an die Firnisoberfläche. Die resultie- rende Deformation zeichnet sich durch eine Vertiefung und einen aufgewölbten Rand aus.400 An den Kanten von dreidimensionalen Objekten kommt es zu lokalen Deformationen, der soge- nannten „Kantenflucht“.401 Babel beschreibt ihre Entstehung:

„Diese […] Eigenschaft ist im Prinzip ebenfalls auf die Rollzellenbewegung zurückzuführen. An der zunächst vollständig beschichteten Kante […] wird der Anstrich […] in die Fläche »gedrückt«. Dadurch entsteht nahe der Kante eine Materialanreicherung, d. h. eine Schichtdickenerhöhung mit längerer Fließfähigkeit und längerer Zellenbildung.“402

Die Bilder 9a und 9b (Abb. 25, S. 87) Babels illustrieren die Entstehung der Kantenflucht. In Bild 9a reicht der flüssige Film in annähernd gleichmäßiger Dicke und nur geringer Abrundung um die Kante des Untergrunds. In Bild 9b sind sowohl die lokalen Strömungen als auch das resultierende abgeflachte Profil der Beschichtungsoberfläche verzeichnet. Strömungen bei der Filmtrocknung werden bei der Untersuchung von Deformationen der Fir- nisse und der Migration von Farbe im Firnis große Bedeutung beigemessen. Historische Rezep- turen für Harz- und Harz-Öl-Firnisse beinhalten als Lösemittel vorrangig Terpentinöl, aber auch Ethanol. Bei früheren Firnisregenerierungen, beispielsweise durch die Bedampfung mit Ethanol oder Firnisdünnungen, konnten der vorhandene Firnis oder die verbleibenden Firnisreste voll- ständig oder partiell gelöst worden sein. Die Tendenz zu den o.g. Filmbildungsstörungen ist bei Ethanol als ein schnell verdunstendes Lösemittel hoch, bei Terpentinöl als ein langsam verdun- stendes Lösemittel hingegen gering.403 Es wird davon ausgegangen, dass Malschicht- und Fir- nisrisse eine vergleichbare Wirkung wie die o.g. Vertiefungen und Kanten des Untergrunds haben und damit ebenfalls lokale Störungen bei der Filmbildung bewirken können.

399 Babel 1974, S. 696. 400 Vgl. ebd., Abb. 8a-b, S. 695; Scheithauer/Sirch 1996, S. 116ff.,134ff.; Lückert 1992, S. 183. Scheithauer und Sirch bezeichnen das Schadensphänomen als „Nadelstiche“, ein ähnliches Phänomen als „Lacknachfall“. 401 Vgl. Babel 1974, S. 696; Kerkhoff/Haagen 1995, S. 222f.; Scheithauer/Sirch 1996, S. 89f. Scheithauer und Sirch stellen der Kantenflucht als „Gegenteil“ die sog. „Wulstkante“ bzw. „die wulstartige Verstärkung der Schichtdicke an den Kanten“ gegenüber. 402 Babel 1974, S. 696. 403 Vgl. Pietsch 2002, S. 63, 91; Kittel 1976, S. 37. Nach Pietsch hat Ethanol einen Siedepunkt von 78 °C, Ter- pentinöl einen Siedebereich von 154-170 °C. Kittel gibt den Siedebereich von „Niedrigsiedern“ mit bis zu 100 °C, den von „Hochsiedern“ mit über 150 °C an. 88 Quellungsbedingte Deformationen Quellungsbedingte Deformationen können verschiedenartig sein und unterschiedliche Ur- sachen haben. Im Zusammenhang mit den Untersuchungen dieser Arbeit sind Deformationen relevant, die nicht mit einer Schichtentrennung oder Hohlraumbildung verbunden sind. Fein- teilige Erhebungen dieser Art bezeichnet Klopfer als „Runzeln“, im Unterschied zu „Beulen“ und „Faltungen“ mit Hohlraumbildungen zum Untergrund.404 „Das Runzeln ist die Folge der Vergrößerung einer Oberflächenzone und kann nur auftreten, solange diese Zone und die darun- ter liegende relativ weich sind.“405 Die Runzelbildung wird zum Beispiel von Blom im Zusam- menhang mit trocknenden Ölen dargestellt.406 Klopfer beschreibt die Ursachen und Mechanis- men, vor allem auf trocknende Öle bezogen, gleichzeitig aber auch allgemein gültig:

„Am bekanntesten ist die Runzelbildung, welche sich als Folge einer nicht optimalen Rezeptierung (Sikkativierung) oder eines zu dicken Auftragens von Beschichtungen auf Basis von trocknenden Ölen bzw. Alkyden ergibt. Beim Trocknen bildet sich dann eine erhärtende Oberflächenhaut auf einem noch weichen Untergrundmaterial. Bestandteile des noch weichen Untergrundmaterials dringen durch Diffusion in die Deckschicht ein, quellen sie auf und vergrößern ihre Fläche.“407

Von den Kerkhoff und Haagen stellen den „Runzel- oder Kräuseleffekt“ bzw. das „Hochzie- hen“ am Beispiel eines synthetischen und mehrschichtigen Lacks dar. Abbildung 26 zeigt den Querschliff einer „3fach-Reparaturlackierung“ auf einer Altlackierung.408 Zur Reparaturlackie- rung gehört die rot erscheinende Schicht, die eine „schleifenartige“ Deformation aufweist. Die darunterliegende, orange Schicht war zum Zeitpunkt der Deformation offenbar erweicht. Die Schichtgrenzen sind dabei nicht angelöst.

Quellungsbedingte Deformationen

Abb. 26: „Mehrschichtiges Lacksystem“ mit einer „3fach-Reparaturlackierung und einer „Altlackie- rung“, „Kräuseleffekt“ durch Deformation einer Schicht der Reparaturlackierung, verursacht u.a. durch das „Anlösen der Altlackierung“, Vergrö- ßerung der Abbildung: „ca. 250fach“ (Kerkhoff/Haagen 1995, S. 219, Bild 219.2)

404 Vgl. Klopfer 1976, S. 117-120, Abb. 3.5.1 H, K, S. 117, Abb. 3.6.1 A, S. 131. 405 Klopfer 1976, S. 132. 406 Vgl. Blom 1954, S. 67-70, Bild 27, S. 67, Bild 30, S. 69. Die Abbildungen zeigen ausgeprägte Deformationen von Aufstrichen mit Holzöl und Rizinusöl. 407 Klopfer 1976, S. 132. 408 Kerkhoff/Haagen 1995, S. 218f., Abb. 219.2, S. 219. Die Vergrößerung der Abbildung ist mit „ca. 250fach“ angegeben. 89 Als eine der Schadensursachen wird das Anlösen der Altlackierung durch die Reparaturlackie- rung genannt. Für die Objektuntersuchung dieser Arbeit ist relevant, dass die Runzelbildung nicht zwingend auf trocknende Öle und damit auf Ölfirnisse und dickschichtige Aufträge ver- weist, sondern unabhängig von der Art der Firnismaterialien an mehrschichtigen Firnissen und unter dem Einfluss von Lösemitteln stattfinden kann.

90 3.2 Benennung und Darstellung der Firnis- und Malschichtrisse

Ausgehend von der in Kapitel 1.4 (S. 19-24) geschilderten Begriffsverwendung werden in den folgenden Objektuntersuchungen die aktuellen und ehemaligen Firnisrisse und die Malschicht- risse in Anlehnung an die Arbeiten von Boers, Klopfer, Stout und Sandner u. a. benannt und dargestellt.409 Bewusst sind modellhafte Darstellungen ausgewählt, wobei berücksichtigt ist, dass sie einen unterschiedlichen Abstraktionsgrad haben, am stärksten ist dieser bei Klopfer. Begriffe werden nur in einigen Fällen übernommen, zum Teil fehlen Begriffe. Grundlegend ist dabei die differenzierte Betrachtung von Klopfer hinsichtlich Profil, Einzelriss und Rissan- ordnung in der Aufsicht. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die in den Objektuntersuchungen der vorliegenden Arbeit verwendeten Benennungen. Die Untersuchungen sind in den Fall- studien dieser Arbeit vorwiegend qualitativ, hinsichtlich der Rissbreite auch quantitativ.

Profil Einzelriss Rissanordnung in der Aufsicht

aktuell/ehemalig (Firnis) glatt/gezackt isolierte Risse, Reihung, Craquelé (teilwei- se geschlossen/weitgehend geschlossen/ schmal/geweitet zügig/wild geschlossen)

oberflächlich/tief (Malschicht) gerade, gebogen Netzcraquelé, Gittercraquelé, Parallel- (einfach, mehrfach) craquelé (horizontale/vertikale Vorzugs- Kante/Rand richtung) einheitliche/variierende (ohne Bezeichnung)/aufgewölbt Breite Anschluss, Zusammenschluss (einseitig/beidseitig) (ohne Bezeichnung)/v-förmig Übergang (schmale und geweitete Risse, Risse Rissablenkung, Verzweigung Randflucht oben/Randflucht mit verschiedenen Pro- unten filen) Verbindung, Überlagerung, Parallelverlauf

Übergang (aktueller Firnisriss und Malschichtriss)

Tabelle 2: Benennung und Darstellung der Firnis- und Malschichtrisse

Merkmale „ehemaliger Firnisrisse“ gegenüber „aktuellen Firnisrissen“ sind ihre abgeflachten Profile und die nicht vorhandene Trennung der Schicht. Aktuelle Firnisrisse, die nicht bis zur Malschicht reichen, sind grundsätzlich möglich, werden hier nicht beobachtet und deswegen ausgeklammert. Die aktuellen Firnisrisse werden unterschieden, wenn ihre Breite mehr als 0,01 mm beträgt. In diesen Fällen sind schmale aktuelle Firnisrisse bis zu 0,01 mm, geweitete aktuelle Risse ab 0,02 mm breit. Die ehemaligen Firnisrisse werden anhand ihrer Profile, nicht

409 Vgl. Boers 1961; Klopfer 1976, S. 50-54, 138-144; Stout 1977; Sandner u. a. 1990, S. 79-84. 91 anhand ihrer Breite unterschieden. Überwiegend haben sie eine Breite ab 0,2 mm oder die Breite ist aufgrund einer vollständigen Nivellierung nicht darstellbar. Die Malschichtrisse werden unterschieden in „schmal und oberflächlich“ sowie „geweitet und tief“. In den Untersuchungen feststellbare, schmale und tiefe sowie geweitete und oberfläch- liche Risse werden als Übergangsformen betrachtet. Boers zeigt entsprechende Rissprofile (Abb. 27).410 Bei den mit „a“, „b“ und „e“ bezeichneten Profilen handelt es sich um oberfläch- liche Risse, bei den mit „c“ und „f“ bezeichneten um tiefreichende Risse. In der vorliegenden Arbeit wird festgelegt, dass schmale und oberflächliche Risse eine Breite von bis zu 0,02 mm haben und innerhalb der Malschicht oder der Grundierung enden. Geweitete und tiefe Risse ha- ben danach eine Breite von 0,03 mm und darüber und reichen bis zum Bildträger. Am Quer- schliff sind nur die oberflächlichen Risse in ihrem vollständigen Profil darstellbar. Die der Un- terscheidung zugrunde gelegten Rissbreiten der Malschicht (0,02/0,03 mm) weichen von den Breiten der aktuellen, schmalen und geweiteten Firnisrisse (0,01/0,02 mm) ab. Dies ergibt sich aus den sehr unterschiedlichen Breiten von Firnis- und Malschichtrissen in den vorliegenden Fallstudien. Einzig Knut Nicolaus gibt Rissbreiten an und unterscheidet Sprünge und Risse in den ungefähren und variierenden Grenzen von 0,5 mm und 1 mm.411 Diese Maße sind für die Untersuchungen in den Fallstudien dieser Arbeit nicht verwendbar.

Darstellungen von Rissprofilen

Abb. 27: „Drawings of cross-sections to be Abb. 28: „Schollenprofile“ (flake profiles) uses as references to indicate the depth of (Stout 1977, S. 119, Abb. 2 (Ausschnitt)) cracks.“ (Boers 1961, S. 6, Abb. 2 a-f)

Boers unterscheidet Risskanten (Profile „a“ bis „c“) und Rissränder (Profile „e“ und „f“), siehe Abbildung 27. George L. Stout veranschaulicht ein Rissprofil mit einer flachen Kante bzw. einem flachen Rand („plat“) und ein Rissprofil mit einem aufgewölbten Rand („rimmed“) (Abb.

410 Vgl. Boers 1961, S. 6, Abb. 2, S. 11. 411 Vgl. Nicolaus 1979, S. 159; Nicolaus 1982, S. 51; Nicolaus 1999, S. 19. 92 28). Ebenfalls aufgewölbt sind die Risskanten der Profile „a“ bis „c“ in der Zeichnung von Boers (Abb. 27, S. 92).

Darstellungen von Rissprofilen

Abb. 29: „Rissformen von Beschichtungen im Querschnitt“ (Klopfer 1976, S. 143, Abb. 3.7.3)

Boers zeigt auch ein v-förmiges Profil in unterschiedlichen Risstiefen (Abb. 27, S. 92, Profile a-c), das in den Fallstudien dieser Arbeit vielfach beobachtet wird. Klopfer bezeichnet v-för- mige und unterschiedlich tiefe Risse als „Anriss oben“, „Rissgrund geschlossen“ und „Riss- grund klaffend“.412 Eine stärkere Weitung haben die „Randflucht oben“ und die „Randflucht unten“, deren Profile nach Klopfer typisch für plastisch verformbare Schichten oder Schichten- ebenen sind (Abb. 29).413 Diese beiden Bezeichnungen von Profilen werden übernommen. Boers skizziert ein Profil, in dem ein Riss über zwei Schichten reicht (Abb. 27, S. 92, Profil c). Stellen diese beiden Schichten Firnis und Malschicht dar, so liegt ein Übergang von einem aktu- ellen Firnisriss und einem Malschichtriss vor. Der von Nicolaus dafür geprägte Begriff eines nicht „eigenständigen“ Firniscraquelés für diese Konstellation wird bewusst nicht verwendet.414

Darstellung von Einzelrissen

Abb. 30: „Formen von Einzelrissen und Rissanordnungen in der Aufsicht“ (Klopfer 1976, S. 139, Abb. 3.7.1)

Einzelrisse werden in den Fallstudien in Anlehnung an Klopfer als „glatt“ oder „gezackt“, „zü- gig“ oder „wild“ charakterisiert (Abb. 30). Klopfer erklärt die Merkmale:

„Als wilde Risse bezeichnet man solche, deren Verlauf im großen keine erkennbare Tendenz auf- weist, im Gegensatz zu Rissen mit zügigem Verlauf. Sowohl wilde, als auch zügige Risse können

412 Vgl. Klopfer 1976, S. 53, 142f. 413 Vgl. Klopfer 1976, S. 53f., 143. 414 Vgl. Nicolaus 1999, S. 20. 93 im kleinen entweder glatt oder gezackt verlaufen, d. h. entweder nur allmähliche oder plötzliche Richtungsänderungen ausführen.“415

Dies wird in den Fallstudien dieser Arbeit ergänzt um die Unterscheidung eines geraden oder gebogenen Verlaufs bei zügigen Rissen sowie einer einheitlichen oder variierenden Rissbreite. Übergänge von Einzelrissen oder Rissabschnitten mit verschiedener Breite oder verschiedenen Profilen finden ansatzlos und ohne Richtungsänderung statt.

Darstellung von Rissanordnungen in der Aufsicht

Abb. 31: „Verschiedene Krakelurformen (schema- tische Darstellung) a) Längs- oder Parallelkrakelur b) Gitterkrakelur c) Netzkrakelur d) Krokodilleder- oder Borkenkrakelur e) Palmenkrakelur f) Distel- krakelur g) Spiralkrakelur h) Kreis- oder Strahlen- krakelur i) Spannkrakelur“ (Sandner u. a. 1990, S. 80, Abb. 5.4)

Die Darstellung der Rissanordnungen in der Aufsicht folgt Sandner u. a., deren „Krakelurfor- men“ eng an reale Konstellationen angelehnt sind (Abb. 31).416 Übernommen werden die Be- griffe „Parallelkrakelur“ (a), „Gitterkrakelur“ (b) und „Netzkrakelur“ (c) in einer angepassten Schreibweise als „Craquelé“. Das Parallelcraquelé wird in der vorliegenden Arbeit um die An- gabe der Vorzugsrichtung, vertikal oder horizontal, ergänzt. Nicht verwendet wird der Begriff der „Distelkrakelur“ (f), obwohl sie einigen flächigen Anordnung der Malschichtrisse in den Fallstudien ähnlich ist. In der „Distelkrakelur“ sind verschiedene Merkmale, sowohl der Riss- profile (Rissweitung) und Einzelrisse (u.a. die variierende Rissbreite) als auch der Rissan- ordnung in der Aufsicht, untrennbar verbunden, die in dieser Arbeit separat dargestellt werden sollen. Vom Parallelcraquelé zu unterscheiden und ohne Vergleichsbeispiel ist die in den Ob- jektuntersuchungen der Fallstudien festgestellte Reihung von isolierten Einzelrissen.

415 Klopfer 1976, S. 139. 416 Vgl. Sandner u. a. 1990, S. 79. 94 Die Überlagerung von Rissen zeichnet sich durch eine bezugslose Anordnung an ihrem Kreu- zungspunkt aus und unterscheidet sich damit grundlegend vom Craquelé, dessen Anschlüsse und Zusammenschlüsse durch die gegenseitige Ablenkung der Einzelrisse geprägt werden. In den Objektuntersuchungen wird auch der Grad des Zusammenschlusses in der flächigen An- ordnung der Risse anhand einfacher und weit gefasster Kriterien charakterisiert (isoliert, teil- weise, weitgehend geschlossen und geschlossen). Auch die isolierte Lage und der Anschluss der Risse untereinander (einseitig oder beidseitig) werden beschrieben. Die für die Objektunter- suchungen relevanten Merkmale Rissablenkung, Verzweigung und Parallelverlauf von Rissen sind bereits im Kapitel 3.1 dargestellt (Abb. 20, 21, S. 84 und Abb. 22, 23, S. 85).

Darstellung von Rissan- ordnungen in der Auf- sicht

Abb. 32: „Mosaic cracks“, (Boers 1961, S. 8, Abb. 8, Ausschnitt)

Eine Orientierung dazu gibt Boers in einer Rissanordnung, die er als „mosaic crack“ bezeichnet und die auch als Netzcraquelé charakterisiert werden kann.417 Abbildung 32 zeigt drei (J6-J10) von insgesamt fünf Bildern (J2-J10), den Phasen eines Schadensprozesses. In Bild J6 erkennt man einzelne, T-förmig zusammengeschlossene Risse. Die Risse breiten sich aus (Bild J8) und es entsteht eine weitgehend geschlossene Rissanordnung (Bild J10). Man erkennt in den Bildern isolierte, einseitig und beidseitig zusammengeschlossene Risse sowie Rissablenkungen. Die Darstellung der Konstellation von Malschichtrissen, ehemaligen und aktuellen Firnisrissen ist wesentlicher Bestandteil der Objektuntersuchung in den Fallstudien. Zwischen diesen Rissen sind Verbindungen vorhandenen oder nicht. Die Verbindungen oder die fehlenden Verbin- dungen werden auf der Ebene der Profile, Einzelrisse und Rissanordnungen betrachtet. Im Unterschied zu dem o.g. Übergang haben die miteinander verbundenen Risse kein gemein- sames Rissprofil, sondern eigenständige Profile.

417 Vgl. Boers 1961, S. 4f., 8. Hier nicht abgebildet sind die Bilder „J 2“ und „J 4“. 95 3.3 Mikroskop-Fotografie und grafische Strukturanalyse

Bildoberfläche Ein allgemeines Merkmal von Schichten ist, dass sie im Verhältnis zu ihrer flächigen Aus- dehnung eine verschwindend geringe Dicke haben. In der lichtmikroskopischen Betrachtung der Bildoberfläche wird dieses Verhältnis anders wahrgenommen, Strukturen und die Dicke des Firnisses treten stärker in den Vordergrund. In der Wahl der Vergrößerungseinstellung wird abgewogen zwischen der Erkennbarkeit der Einzelformen und ihrer flächigen Anordnung, die gleichermaßen wichtig sind. Als üblicherweise transparente Schicht lässt sich der Firnis bei normaler Beleuchtung schlecht erkennen, kann aber indirekt und anhand spezieller Beleuch- tungen und Aufnahmesituationen erfasst werden. Die dreidimensionale Gestalt des Firnisses wird erfasst durch die Firnisoberfläche, die gleichzeitig auch die Bildoberfläche ist, die Grenz- fläche zur Malschicht, die gleichzeitig auch die Malschichtoberfläche ist und durch die Firnis- risse, welche die vertikalen Oberflächen der separierten Schicht darstellen. Als Beispiel dient die Objektuntersuchung des Gemäldes von Bartholomeus Frans Douven, Su- sanna und die beiden Alten in Fallstudie I (Kap. 4.1, S. 129-192). Die folgenden Abbildungen zeigen Mikroskop-Aufnahmen von Bereich 1 in gleichen Bildausschnitten. Die Auswertung und Interpretation erfolgt in der Gesamtbetrachtung aller vier Aufnahmen. Abbildung 33 (S. 97) zeigt die Aufnahme bei schräger Beleuchtung von links oben. Vereinzelt zeichnen sich an den Deformationen Lichtreflexe ab (Pfeil 1). Aktuelle Firnisrisse sind indirekt, durch einen Lichtreflex auf der linken und einem Schatten auf der rechten Seite erkennbar, wenn die Beleuchtung senkrecht zum Rissverlauf steht (Pfeile 2, 3).418 Um alle aktuellen Firnis- risse deutlich erfassen zu können, sind zusätzliche Aufnahmen mit schräger Beleuchtung aus anderen Richtungen nötig (nicht abgebildet). Die Malschichtrisse sind stellenweise nur undeut- lich erkennbar (Pfeil 4). Die koaxiale Beleuchtung bildet die Firnisoberfläche ab und lässt feinste Strukturen erkennen (Abb. 34, S. 97). Von der Horizontalen abweichende Flächen wie die Vertiefung des Firnisses über dem Malschichtriss erscheinen dunkel (Pfeil 1), horizontale Flächen hell (Pfeil 2). Man kann in dieser Aufnahmen nicht mit Gewissheit zwischen konvexen und konkaven Formen unterscheiden. Teilweise ist die Öffnung der aktuellen Firnisrisse sichtbar (Pfeil 3). In Abbildung 35 (S. 97) sieht man eine Aufnahme bei schräger Beleuchtung von links. Die Bildoberfläche wird kurz zuvor mit Shellsol T benetzt, soweit dies ohne bleibende Verän- derungen möglich ist. Das Lösemittel blendet Lichtreflexe aus, indem es das Firniscraquelé

418 Vgl. Nicolaus 1998, S. 333, Abb. „unten links“. 96 füllt und durch seinen Flüssigkeitsfilm die Deformationen der Firnisoberfläche nivelliert. Malschichtoberfläche und -craquelé treten deutlicher zutage (Pfeile 1 und 2). Unter UV-Anre- gung (Abb. 36) sind z.B. Reste von Firnis in der Öffnung des Malschichtrisses sichtbar. Pfeil 1 deutet auf einen Firnisrest und einen darin verlaufenden, aktuellen Firnisriss.

Mikroskop-Aufnahmen der Bildoberfläche Verschiedene Beleuchtungen und Aufnahmebedingungen

Abb. 33: Beleuchtung schräg von links, Pfeil 1: Re- Abb. 34: Koaxiale Beleuchtung, Pfeil 1: Vertiefung flexion an der Firnisoberfläche, Pfeil 2: vertikaler an der Stelle des Malschichtrisses, Pfeil 2: ebene Firnisriss, Pfeil 3: horizontaler Firnisriss, Pfeil 4: Firnisoberfläche, Pfeil 3: vertikaler Firnisriss Malschichtriss

Abb. 35: Beleuchtung schräg von links und mit Abb. 36: UV-Anregung, Pfeil 1: Firnisrest im Mal- Shellsol T benetzt, Pfeile 1 und 2: Malschichtrisse schichtriss

Die Kartierungen (Abb. 37-40, S. 98) verzeichnen die aktuellen Firnisrisse, die Malschichtrisse und in Abbildung 37 zusätzlich auch die Firnisausbrüche. In Abbildung 40 bildet die Mikros- kop-Aufnahme in koaxialer Beleuchtung den Hintergrund der Kartierung. Die Risse sind soweit wie möglich in ihrer realen Breite wiedergegeben. Die aktuellen Firnisrisse mit einer Breite von bis zu 0,01 mm sind in schwarz und in einer Breite ab 0,02 mm in rot (in diesem Beispiel nicht

97 vorhanden) gezeichnet, die schmalen und oberflächlichen Malschichtrisse in blau (bis zu 0,02 mm Breite) und die geweiteten und tiefen Malschichtrisse in grün (ab 0,03 mm Breite).

Kartierung des Verlaufs von aktuellen Firnisrissen und Malschichtrissen Aktuelle Firnisrisse: schwarz, Firnisausbrüche: grau, schmale und oberflächliche Malschichtrisse: blau, geweitete und tiefe Malschichtrisse: grün

Abb. 37: Verlauf der Firnis- und Malschichtrisse, Pfeil Abb. 38: Verlauf der Firnisrisse, Pfeil: Riss in einem 1: komplexe Risskonstellation, Pfeil 2: Riss in einem Firnisrest im geweiteten und tiefen Malschichtriss Firnisrest im geweiteten und tiefen Malschichtriss

Abb. 39: Verlauf der Malschichtrisse Abb. 40: Verlauf der Malschichtrisse in Verbindung mit einer Aufnahme in koaxialer Beleuchtung, Pfeil 1: Firnisvertiefung über einem Malschichtriss, Pfeil 2: Firnisvertiefung ohne Malschichtriss

Abbildung 37 vereint die aktuellen Firnisrisse und die Malschichtrisse. Pfeil 1 zeigt auf eine unübersichtliche Risskonstellation. Pfeil 2 verdeutlicht die Lage des Firnisrestes im geweiteten und tiefen Malschichtriss und den Firnisriss darin. In den Abbildungen 38 und 39 sind die aktu- ellen Firnisrisse und die Malschichtrisse isoliert dargestellt. In Abbildung 40 verdeutlicht die Mikroskop-Aufnahme in koaxialer Beleuchtung die Vertiefungen der Firnisoberfläche, die hier gleichbedeutend mit den ehemaligen Firnisrissen sind. Am Verlauf der Malschichtrisse ist zu

98 erkennen, ob die ehemaligen Firnisrisse einen Bezug zu den Malschichtrissen haben (Pfeil 1) oder nicht (Pfeil 2). Die Profilzeichnungen geben modellhaft diese Risskonstellationen wieder. Abbildung 41 zeigt einen aktuellen Firnisriss (Pfeil) in Verbindung mit einem geweiteten und tiefen, v-förmigen Malschichtriss und einem ehemaligen Firnisriss. Die ausgeprägte Deformation des ehemaligen Firnisrisses ist in Abbildung 34 (S. 97, Mitte), der Firnis in der Öffnung des Malschichtrisses und der darin verlaufende aktuelle Firnisriss in den Abbildungen 36 (S. 97, Pfeil 1) und 37 (S. 98, Pfeil 2) erkennbar. In Abbildung 42 sind zwei weitere Risskonstellationen skizziert, die Verbindung eines ehemaligen Firnisrisses mit einem schmalen und oberflächlichen Mal- schichtriss (Pfeil 1) und ohne einen Malschichtriss (Pfeil 2), wie sie in der Aufnahme in koaxi- aler Beleuchtung (Abb. 40, S. 98, Pfeile 1 und 2) sichtbar werden.

Zeichnungen der Rissprofile von Firnis und Malschicht Firnis: hellgrau, Malschicht hellgrau gesprenkelt

Abb. 41: Verbindung von einem aktuellen Firnisriss Abb. 42: Pfeil 1: Verbindung von einem deformierten (Pfeil), einem deformierten ehemaligen Firnisriss und ehemaligen Firnisriss und einem schmalen und ober- einem geweitetem und tiefem Malschichtriss, Firnis: flächlichen Malschichtriss, Pfeil 2: deformierter ehe- hellgrau, Malschicht hellgrau gesprenkelt maliger Firnisriss ohne Verbindung mit einem Mal- schichtriss, Firnis: hellgrau, Malschicht hellgrau gesprenkelt

Farb- und Firnisquerschliffe Die Farb- und Firnisquerschliffe werden in Dunkelfeld-Beleuchtung, kombiniert mit einer ex- ternen seitlichen Beleuchtung, in UV-Anregung und in Hellfeld-Beleuchtung aufgenommen (Abb. 43, 44, S. 199, Abb. 47, S. 101). Bei dem Beispiel handelt es sich um Probe 1 des Gemäl- des von Bartholomeus Frans Douven, Susanna und die beiden Alten. Die UV-Fluoreszenz-Auf- nahme zeigt eine dunkelgelb fluoreszierende Schicht im mehrschichtigen Firnis, deren Grenzen

99 angelöst sind (Pfeil 1). Pfeil 2 deutet auf die Schichtgrenze von Firnis und Malschicht, die Pfeile 3 bis 5 markieren die Rissbereiche.

Farb- und Firnisquerschliff Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. 43: Dunkelfeld-Beleuchtung und externe Be- Abb. 44: UV-Anregung, Pfeil 1: dunkelgelb fluores- leuchtung, schräg von links und rechts, Pfeil 1: Fir- zierende Firnisschicht mit angelösten Schichtgren- nis, Pfeil 2: Malschichtoberfläche zen, Pfeil 2: Malschichtoberfläche, Pfeile 3-5: Riss- bereiche

In der Kartierung werden der Firnis weiß, die Malschicht und Grundierung hellgrau, eventuell vorhandene Zwischenfirnisse (in dieser Probe nicht vorhanden) grau gezeichnet. Die Firnis- schichten (Abb. 45, S. 101) oder die Schichtenfolgen des Firnisses (Abb. 46, S. 101) sind von unten nach oben nummeriert. In den Fallstudien zeigen die Kartierungen nur die Schichtenfol- gen, in den Bildkatalogen der Fallstudien sind die Kartierungen der Schichten (rote Ziffern) und der Schichtenfolgen (schwarze Ziffern) gegenübergestellt. Klare Schichtgrenzen werden als durchgehende Linien, angelöste Schichtgrenzen als gestrichelte Linien gezeichnet, auf- gelöste Schichtgrenzen als partielle Unterbrechungen der klaren oder angelösten Schicht- grenzen dargestellt. Die Rissbereiche sind als R1, R2 und Folgende benannt, wobei die Zählung an den Schollenkanten beginnt. Farbschichten, Zwischenfirnisse und Grundierungsschichten sind nicht bezeichnet. Einige der Firnis- und Farbproben enthalten auch die Farbschichten der aufgemalten historischen Inventarnummern. In den Kartierungen sind sie als Farbschichten innerhalb der mehrschichtigen Firnisse gezeichnet.

100 Schichten und Schichtenfolgen des Firnisses sowie der Rissbereiche am Querschliff Kartierungen: Firnis: weiß, Malschicht hellgrau

Abb. 45: Pfeil 1: Firnisschichten: 1-3 (rot), Pfeil 2: Abb. 46: Pfeil 1: Schichtenfolgen des Firnisses: 1-3 Malschichtoberfläche, Rissbereiche: R1-R3 (schwarz), Pfeil 2: Malschichtoberfläche, Rissbe- reiche: R1-R3

Für die Darstellung von Löseprozessen am Querschliff im folgenden Kapitel wird ebenfalls eine Kartierung vorgenommen, dort sind der Versuchsaufbau und die experimentelle Durch- führung detailliert beschrieben. In den Versuchen wird unterschieden zwischen schneller und langsamer löslichen Bereichen des Firnisses und ggf. auch des Zwischenfirnisses.

Darstellung des Löseverhaltens am Querschliff, Löseversuch mit 2-Propanol Mikroskop-Aufnahme in Hellfeld-Beleuchtung und Kartierung

Abb. 47: Mikroskop-Aufnahme, Pfeil 1: in 2-Propanol Abb. 48: Kartierung, in 2-Propanol schneller lös- schneller löslicher Bereich des Firnisses, Pfeil 2: in 2- licher Bereich des Firnisses: hellblau (Pfeil 1), in 2- Propanol langsamer löslicher Bereich des Firnisses Propanol langsamer löslicher Bereich des Firnisses: weiß (Pfeil 2), Schichtenfolge des Firnisses: 1-3, Rissbereiche: R1-R3

In zwei Versuchsreihen werden die beiden Lösemittel 2-Propanol und Ethanol verwendet. In hellblau sind die mit 2-Propanol schneller löslichen Bereiche verzeichnet, in hellgrün die mit Ethanol schneller löslichen Bereiche. Die Abbildungen 47 und 48 zeigen dies am Beispiel von 101 Probe 1 und des Löseversuchs mit 2-Propanol. Aus Gründen der Anschaulichkeit werden die schneller und langsamer löslichen Bereiche in den Kartierungen vereinfacht dargestellt. Die Gegenüberstellung mit den Mikroskop-Aufnahmen in Hellfeld-Beleuchtung ermöglicht einen direkten Vergleich. Von dem Gemälde werden mehrere Querschliffe entnommen und untersucht. Die Ergebnisse sind tabellarisch zusammengefasst. Tabelle 3 zeigt die Schichtenabfolgen, die UV-Fluoreszenz und den Rekonstruktionsversuch der Schichtenfolgen des Firnisses. Die UV-Fluoreszenz ist vereinfachend wiedergegeben. Die Schichtenfolgen sind in den Feldern eingetragen, welche die jeweilige Schicht repräsentieren. Beispielsweise ist in der o.g. Probe 1 Firnisschicht 1 der Schichtenfolge 1 zugeordnet, eine dunkelgelb fluoreszierende Firnisschicht 2 der Schichten- folge 2. Diese Firnisschicht 2 wird dabei als Leitschicht genutzt. Im Vergleich dazu bilden in Probe 4 die Firnisschichten 1 und 2 gemeinsam die Schichtenfolge 1, Firnisschicht 3 die Schich- tenfolge 2. Bei nicht bestimmbaren Schichtenfolgen ist ein „?“ eingetragen, z. B. in den Proben 7a und 9. In Probe 10 zeigt eine rote Querlinie die im Firnis eingebettete Farbschicht der aufge- malten Nummer des Inv. 1749ff. an.

Tab. 3: Firnisschichten und rekonstruierte Schichtenfolgen des Firnisses, Schichtenfolgen: 1-4, keiner Schichten- folge zuzuordnende Firnisschichten: ?, rote Horizontal-Linie: Farbschicht der Nummer des Inv. 1749ff.

Als aufschlussreich erweist sich auch die Betrachtung variierender Dicken der Firnisschichten. Beispielsweise kann die sehr dicke Firnisschicht 3 in Probe 5 das Resultat eines ebenfalls dicken Firnisauftrags sein. Es ist aber auch denkbar, dass ein Verfließen mehrerer Firnisschichten zu einer einzigen Schicht als Folge einer Lösemitteleinwirkungen bei Restaurierungen stattge- funden hatte. In Tabelle 4 (S. 103) sind die durchschnittlichen Dicken der Firnisschichten er- fasst, in Abstufungen von 5 µm und farbig kontrastiert (siehe Legende). Die Abstufungen der Schichtdicken von 5 µm gelten auch für alle weiteren Messungen am Querschliff, für die Ge- samtdicke der Malschicht, für die Dicke der Zwischenfirnisse und die Gesamtdicke des Fir- nisses.

102

Tab. 4: Dicke der Firnisschichten, in Abstufungen von 5 µm, siehe Legende: Schichtdicken, rote Horizontal-Linie: Farbschicht der Nummer des Inv. 1749ff.

3.4 Darstellung von Löseprozessen am Querschliff

Auf der Grundlage der Darstellung von Löseprozessen am Querschliff sollen Erklärungsmo- delle des heutigen Löseverhaltens von mehrschichtigen Firnissen und der Lösemittelempfind- lichkeit von mehrschichtigen Malschichten mit Zwischenfirnissen sowie der Deformationen des Firnisses infolge historischer Restaurierungen entwickelt werden. Bei der Beurteilung von Löseprozessen an mehrschichtigen Gemäldefirnissen und Malschichten ist eine Betrachtung der einzelnen Schichten am Querschliff unverzichtbar, im Fall der Malschichten wird sie auf die Zwischenfirnisse fokussiert. Bislang ist dies noch nicht systematisch dargestellt. Im Rah- men dieser Arbeit wird dazu ein Versuchsaufbau konzipiert sowie in den Fallstudien angewen- det und erprobt.419 In den Versuchen wirken die Lösemittel auf die Oberfläche des Querschliffs. Am Gemälde wirken Lösemittel von der Oberfläche ebenso wie von den Rissen aus. Diese beiden Lösevorgänge können nicht gleichgesetzt werden, deshalb wird die Darstellung als modellhaft betrachtet. In diesem Unterschied liegt gerade der Erkenntnisgewinn der Versuche am Querschliff. Aus der Löslichkeit der Firnisschichten werden bewusst keine Aussagen über die Firnismaterialien abgeleitet. Dies kann nur durch eine chemische Bindemittelanalyse ge- leistet werden, deren Möglichkeiten in Kapitel 1.2 grob skizziert ist. Zwei Fragestellungen wer- den untersucht.

419 Wesentliche Hinweise dazu verdanke ich Christoph Herm, HfBK Dresden. 103 Modellhafte Darstellung des Löseprozesses bei einer Firnistrennung, -dünnung oder -abnahme Bei Löseversuchen an mehrschichtigen Firnissen von Gemälden der Kasseler Galerie sind viel- fach ungleichmäßige Löseprozesse zu beobachten, bei denen, ausgehend vom Craquelé, Firnis- inseln ausgeschwemmt werden und die Gefahr einer Schädigung der Malschicht besteht.420 Es wird davon ausgegangen, dass das variierende Löseverhalten einzelner Schichten eine entschei- dende Rolle spielt. 2-Propanol wird für die Versuche ausgewählt, weil es in der Praxis der Kasseler Gemälderestaurierung ein für Firnisabnahmen und -dünnungen bewährtes Lösemittel ist und dazu am häufigsten verwendet wird.421 In den Fallstudien III und IV ist ein Vergleich mit Löseversuchen an der Bildoberfläche mit 2-Propanol möglich.

Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen Von den vielfachen Möglichkeiten einer Lösemitteleinwirkung, auf welche die Restaurierungs- geschichte der Kasseler Gemäldegalerie hinweist, wird die Alkoholbedampfung unter dem Pet- tenkofer-Kasten ausgewählt. Wie in Kapitel 2.6.5 (S. 47) beschrieben, gibt Alois Hauser d. J. in seinem Manuskript Über die Restauration von Gemälden Hinweise darauf, dass die Alkohol- bedampfung borkenartige Deformationen des Firnisses bewirken kann.422 Als Lösemittel für die Versuche wird Ethanol verwendet. In Fallstudie I, dem Gemälde Susanna und die beiden Alten von Bartholomeus Frans Douven ist dies Ethanol vergällt. Um einen, wenn auch ge- ringen Einfluss des Vergällungsmittels auf die Lösewirkung auszuschließen, wird für die Ver- suche der weiteren Fallstudien Ethanol reinst verwendet, allerdings werden die Versuche an den Proben in Fallstudie I nicht wiederholt.423 Die Darstellung von Löseprozessen wird mit den Erkenntnissen über die Schadensmechanismen der Rissweitung und Deformation an mehr- schichtigen Systemen in Bezug gesetzt, wie sie in Kapitel 3.1 (S. 81f.) beschrieben sind.424 Da- bei ist zu berücksichtigen, dass nicht erst das Lösen, sondern bereits schon die Quellung durch das Lösemittel Schadensprozesse in Gang setzen kann.

420 Vgl. Krämer 2009, S. 32f. 421 2-Propanol (Isopropanol), 99,9 %, Deffner & Johann GmbH, Röthlein, Deutschland. 422 Vgl. Mandt 1995, S. 227. 423 Ethylalkohol, wasserfrei, vergällt (Vergällungsmittel 2-Butanon), Kremer Pigmente GmbH & Co. KG, Aich- stetten, Deutschland. Ethanol reinst, ≥ 99,5 %, Roth GmbH & Co. KG, Karlsruhe, Deutschland. 424 Vgl. Blom 1954, S. 76; Klopfer 1976, S. 53f., 142ff. 104 Konzeption und Grundlagen der Versuche Bei der Entwicklung eines Versuchsaufbaus geben verschiedene Befunde und Beobachtungen sowie Untersuchungsmethoden und Untersuchungen zur Wirkung von Lösemitteln an Material- proben im Mikrobereich Anregungen und Orientierungshilfe. Brammer beobachtet an einem Querschliff, dass Firnisschichten mit hohem Gehalt an Copaivabalsam durch einen unbeabsich- tigten Lösevorgang mit Shellsol T ausgeschwemmt werden.425 Für die Diplomarbeit des Autors dieser Arbeit führt Maria Schramm, ehemals Labor für Archäometrie der HfBK Dresden, am Querschliff eines Gemäldes aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, dessen Malschicht einen Zwi- schenfirnis enthält, einen Löseversuch mit einem Tropfen Ethanol durch und kann so die beson- dere Löslichkeit des Zwischenfirnisses darstellen.426 Zu mikroskopischen Quellungs- und Löseversuchen an Partikeln, Aufstrichen oder freien Fil- men von Firnissen, Lacken und Malschichten entwickeln und verwenden Walter McCrone, Alan Phenix, Wolfgang Rebber und Stefan Zumbühl verschiedene Versuchsanordnungen.427 In der Metallografie ist ein Arbeitsverfahren etabliert, bei dem in vergleichbaren mikroskopischen Dimensionen innere Strukturen von Metallen an polierten Proben durch chemische Lösung („Ätzen“) kontrastiert und in Hellfeld-Beleuchtung dargestellt werden.428 Vorversuche ergeben, dass mit flüssigem Lösemittel kein differenzierter Versuch an Firnis- schichten möglich ist. Der Firnis wird bei geringster Lösemittelmenge und kürzester Anwen- dungszeit zu schnell und zu tief ausgeschwemmt. Daher sind die Minimierung der Lösewirkung und die Verlangsamung des Löseprozesses Ziele der Konzeption. Beides kann durch die An- wendung des Lösemittels in Dampf-Form in einem geschlossenen Kästchen erreicht werden. Veränderungen der Oberflächenstruktur der Probe aufgrund von Quellungs- und Löseprozessen sind lichtmikroskopisch am genauesten in Hellfeld- oder koaxialer Beleuchtung429 zu erkennen und darzustellen. Die Abbildungen 49 bis 54 (S. 106f.) zeigen einen Vorversuch, bei dem ein Mastix-Tropfen aus dem historischen Materialbestand der Gemälderestaurierung der MHK ver- wendet wird.430 Der Mastix-Tropfen hat einen Durchmesser von ca. 5 mm. Er wird mit Micro- Mesh® (Körnung 3600) an einer Seite plan geschliffen und poliert. Die Anschliffebene füllt die gesamte Abbildung aus. Die Riefen der Politur der Probenoberfläche werden als Indikator des beginnenden Quellung- und Löseprozesses genutzt. In Abbildung 49 (S. 106) sieht man den

425 Vgl. Brammer 1999, S. 177f., Abb. 6, 7, S. 177, Abb. 9, S. 178. 426 Vgl. Krämer 2000, Bd. I, S. 19, 63 sowie Bd. II Abb. 50, 51, 73. 427 Vgl. Mc Crone 1965; Phenix 2002, S. 45-49; Rebber 2007; Zumbühl 2005, S. 257. 428 Vgl. Schumann/Oettel 2005, S. 226-250. 429 Koaxiale und Hellfeld-Beleuchtung können gleichgesetzt werden, allerdings gibt es aufgrund der verschiedenen Bauart von Stereo- und UV-Fluoreszenz-Auflicht-Mikroskop unterschiedliche Einfallwinkel des Lichts. 430 Das Mastix-Harz stammt aus dem Werkstattbestand von Joseph Leiß (1899-1977) und ist zum Zeitpunkt der Versuche mindestens 39 Jahre alt. 105 Versuchsbeginn, in Abbildung 50 den Beginn des Verfließens der Riefen, der sich in den Abbil- dungen 51 und 52 fortsetzt. In Abbildung 53 (S. 107) ist die Oberfläche weitgehend, in Ab- bildung 54 (S. 107) nahezu vollständig nivelliert. Der Prozess dauert in diesem Versuch knapp sieben Minuten.

Vorversuch zur Darstellung des Löseprozesses am Querschliff Mikroskop-Aufnahmen: Hellfeld-Beleuchtung, verschiedene Versuchsphasen Mastix-Tropfen, angeschliffen und poliert (Micro Mesh®, Körnung 3600), vertikale Schleifriefen, Löseversuch mit Ethanol, 1,0 ml

Abb. 49: Mikroskop-Aufnahme: Versuchsbeginn Abb. 50: Mikroskop-Aufnahme, 3 min 4 s nach Ver- suchsbeginn, beginnendes Verfließen der Schleif- riefen

Abb. 51: Mikroskop-Aufnahme, 3 min 41 s nach Abb. 52: Mikroskop-Aufnahme, 4 min 3 s nach Ver- Versuchsbeginn, fortgesetztes Verfließen der Schleif- suchsbeginn, fortgesetztes Verfließen der Schleif- riefen riefen

106

Abb. 53: Mikroskop-Aufnahme, 4 min 48 s nach Abb. 54: Mikroskop-Aufnahme, 6 min 45 s nach Versuchsbeginn, weitgehendes Verfließen der Versuchsbeginn, vollständiges Verfließen der Schleifriefen Schleifriefen

In den ersten Phasen (Abb. 49-51, S. 106) liegt die Differenzierungsmöglichkeit von Schichten mit verschiedenen Löseeigenschaften. Diese Unterschiede sind allgemein nur schwach ausge- prägt und zeigen sich in ausreichender Deutlichkeit nur in einem eng begrenzten Zeitraum des gesamten Löseprozesses. Daraus ergibt sich, dass Einwirkungsdauer des Lösemittels nicht all- gemein gültig definiert werden kann, sondern individuell bestimmt werden muss. Zwei weitere Aspekte sind bei den Farb- und Firnisproben zu berücksichtigen. Die glatt verlaufenden Be- reiche zeichnen sich vielfach als Vertiefung ab, vermutlich weil die Höhen und Tiefen der Schleifriefen nivelliert werden.431 Nach Versuchsende ist ein Rückgang des glatten Verlaufs zu beobachten. Dies zeigt, dass das Lösemittel nicht nur löst, sondern auch eine Quellung bewirkt. Daher ist eine ausreichende Wartezeit bis zur fotografischen Dokumentation des Querschliffs erforderlich, in der das Lösemittel verdunsten kann. Dazu werden ein Tag bzw. mindestens 20 Stunden angesetzt. Besonders wichtig ist es, Störungen und Auflösungen von Schichtgrenzen und Schichten im Vorzustand zu dokumentieren und auszuschließen, dass sie Resultate der Löseversuche sind. Daher muss den Löseversuchen eine fotografische Dokumentation des Querschliffs vorausge- hen. Für die mikroskopische Untersuchung wird Immersionsöl verwendet.432 Da es selbst gerin- ge Lösewirkung auf Firnisse hat und Reste des Öls die anschließenden Löseversuche verfäl- schen könnten, ist ein erneuter Anschliff erforderlich. Bei ausgeprägten Schichtenstörungen kann so ein anderes Schichtenprofil zu Tage treten. Diesen Abweichungen wird in den Kartie- rungen durch eine vereinfachende Darstellung Rechnung getragen.

431 Strömungen bei der Filmtrocknung, wie in Kapitel 3.1 (S. 86-89) dargestellt, werden hier nicht angenommen. 432 Immersionsöl für die Mikroskopie, fluoreszenzgetestet, Carl Roth GmbH + Co. KG, Karlsruhe, Deutschland. Das Sicherheitsdatenblatt (Datum 20.01.2012) beschreibt das Öl als ein Gemisch von Benzylbenzoat im Mengen- anteil von ≥ 25 - < 50% sowie von „ungefährlichen Beimengungen“ ohne nähere Angaben. 107 Gültigkeit der Versuche und Fokussierung der Fragestellung Das Versuchsergebnis ist nur für die jeweilige Probe und zudem nur für den einzelnen Anschliff gültig. Die für die Darstellung erforderliche, individuelle Versuchsdauer hat zur Folge, dass ein Vergleich von mehreren Proben eines Gemäldes oder von Proben verschiedener Gemälde nicht möglich ist. Auch die Wiederholbarkeit an demselben Querschliff ist beschränkt, da die Probe erneut angeschliffen werden muss. Zum anderen kann die Lösemitteleinwirkung des Versuchs eine Migration von Bindemittelbestandteilen und damit eine bleibende Veränderung der Löse- eigenschaften der Probe bewirken. Schließlich ist bei den Versuchen, die bei einfachen Atelier- bedingungen ausgeführt werden, keine ausreichende Temperaturkonstanz gewährleistet, was allerdings ebenso für Löseversuche an der Gemäldeoberfläche und die eventuelle restaurato- rische Maßnahme mit Lösemittelanwendung am Firnis gilt oder gelten würde. Als Konsequenz daraus wird die Fragestellung darauf fokussiert, Tendenzen des Löseverhal- tens aufzuzeigen. Sie werden in einem Zwischenzustand noch vor der vollständigen Lösung des Firnisses erkennbar. Dabei ist eine Differenzierung von schneller löslichen und langsamer lös- lichen Schichten und Bereichen möglich. Zwei Ansätze für eine Ausweitung der Fragestellung und Anwendung liegen nahe, würden aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen und können deshalb nur als Forschungsdesiderat genannt werden. Dies sind die Verwendung weiterer Lösemittel, mit denen die Wirkung von Terpentinöl und Copaivabalsam historischer Firnisregenerierungen rekonstruiert werden könnte und die Standardisierung und Validierung als Versuchsmethode unter Laborbedingungen.

Experimentelle Durchführung

Abb. 55: Pfeil 1: Platzierung der Probe, Pfeil 2: Aus- Abb. 56: Pfeil 1: Sichtfenster des Bedampfungskas- richtung im Lichtkegel der koaxialen Beleuchtung, tens, Pfeil 2: Positionieren des lösemittelgetränkten Pfeil 3: Bedampfungskasten, Ansicht von unten Löschkartons, Pfeil 3: positionierter, angehobener Bedampfungskasten

108 Experimentelle Durchführung Die Abbildungen 55 und 56 (S. 108) zeigen die experimentelle Durchführung. Der eingebettete Farb- und Firnisquerschliff ist auf einem Objektträger befestigt, der auf zwei Metallklötze ge- legt wird (Abb. 55, S. 108, Pfeil 1). Pfeil 2 deutet auf den Lichtkegel der koaxialen Beleuchtung. Die Metallklötze dienen als Sockel, um den Objektträger mit dem Farb- und Firnisquerschliff in der mittleren Höhe des Bedampfungskastens zu platzieren. Pfeil 3 zeigt in das Kasteninnere. Verwendet wird ein Kunststoffkasten mit den Außenmaßen 4,0 x 10,6 x 7,3 cm (H x B x T). Der Kasten hat, abzüglich der Sockel, ein Innenvolumen von rund 250 cm³. Die verwendeten Lösemittel greifen den Kunststoff nicht an. Die Unterlage bilden zwei Lagen Silikon-Folie á 1 mm Dicke. Der Kasten wird mit Metallklötzen auf ein Gesamtgewicht von ca. 800 g beschwert. Er hat ein „Sichtfenster“ mit einer Größe von 1,5 x 1,5 mm (Abb. 56, S. 108, Pfeil 1). Das Glas ist rund 15° geneigt, so dass der Lichtstrahl der koaxialen Mikroskop-Beleuchtung nicht reflek- tiert wird. Für die Beobachtung und fotografische Dokumentation wird ein Stereo-Mikroskop (Leica MZ 16) verwendet, ausgestattet mit einer koaxialen Beleuchtung. Es bietet zusammen mit dem ko- axialen Beleuchtungsmodul einen Arbeitsabstand von 8 cm, der ausreichend ist, um den Be- dampfungskasten darunter platzieren zu können. Der Nachteil ist eine eingeschränkte Vergrö- ßerungsleistung und Detailschärfe gegenüber dem für die Querschliffuntersuchung sonst ver- wendeten Auflicht-UV-Fluoreszenz-Mikroskop (Leitz Metallux 3). Träger für das Lösemittel ist ein Löschkarton mit einer Größe von 4 x 6 cm und einer Dicke von 2 mm. Als Lösemittelmenge wird 1 ml gewählt. Das Lösemittel wird gleichmäßig über die gesamte Fläche des Löschkartons aufgetropft und der Löschkarton unter den Objektträger ge- schoben, dazu ist der Bedampfungskasten angehoben (Abb. 56, S. 108, Pfeile 2 und 3). Der Kasten wird geschlossen und mit Gewichten beschwert. Die Beschwerung und die Zwischen- lage mit Silikonfolie sorgen für einen dichten Abschluss. Durch ein Sichtfenster im Kasten kann der Löseprozess am Querschliff durch das Mikroskop verfolgt werden, was für die Durchfüh- rung des Versuchs zwingend erforderlich ist. Für die Steuerung der Geschwindigkeit des Löseprozesses bieten sich vor allem die Variation der Lösemittelmenge und der Größe des Löschkartons an. Dies ist jedoch in den Versuchen nicht erforderlich. Die Raumtemperatur, in der die Versuche stattfinden, wird dokumentiert, wobei, wie bereits festgestellt, aufgrund der Temperaturschwankungen von mehreren Grad Cel- sius keine ausreichende Vergleichbarkeit der Löseversuche gegeben ist.

109 Untersuchungsbeispiel, Probe 1 von Fallstudie I, Susanna und die beiden Alten von Bartholomeus Frans Douven Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. 57: Mikroskop-Aufnahme, externe Beleuch- Abb. 58: Mikroskop-Aufnahme, UV-Anregung, Pfeil tung, schräg von links und rechts, Pfeil 1: Firnis, 1: untere, hell fluoreszierende Firnisschicht, Pfeil 2: Pfeil 2: Malschichtoberfläche mittlere, dunkelgelb fluoreszierende Firnisschicht

Die verschiedenen Phasen vor, während und nach dem Versuch werden anhand der bereits vor- gestellten Probe 1 des Gemäldes von Bartholomeus Frans Douven, Susanna und die beiden Alten illustriert. Die Abbildungen 57 und 58 zeigen noch einmal die Probe im sichtbaren Licht und unter UV-Anregung (vgl. Kap. 3.3, S. 100, Abb. 43, 44).

Experimentelle Durchführung: Untersuchungsbeispiel, Probe 1 von Fallstudie I, Susanna und die beiden Alten von Bartholomeus Frans Douven Mikroskop-Aufnahmen: Hellfeld-Beleuchtung Probenanschliff: Micro Mesh® mit Körnung 3600, Lösemittel: 2-Propanol, Menge: 1 ml, Raumtemperatur beim Versuch: 18 °C, Mikroskop: Leica MZ 16

Abb. 59: Mikroskop-Aufnahme, vor Versuchsbeginn Abb. 60: Mikroskop-Aufnahme, 10 s nach Versuchs- beginn

110

Abb. 61: Mikroskop-Aufnahme, 7 min nach Ver- Abb. 62: Mikroskop-Aufnahme, 9 min nach Ver- suchsbeginn, Pfeil 1: beginnendes Lösen des Fir- suchsbeginn, Pfeil 1, 2: fortgesetztes Lösen des Fir- nisses nisses

Abb. 63: Mikroskop-Aufnahme, 11 min nach Ver- Abb. 64: Mikroskop-Aufnahme, Versuchsende, 13 suchsbeginn, fortgesetztes Lösen des Firnisses min nach Versuchsbeginn

Die Abbildungen 59 und 60 (S. 110) und 61 bis 64 zeigen die verschiedenen Phasen der experi- mentellen Durchführung. Die Probe wird vor und kurz nach dem Versuchsbeginn fotografisch dokumentiert (Abb. 59, 60, S. 110). An einzelnen Stellen beginnt der Löseprozess, sichtbar an einer stärkeren Reflexion (Abb. 61, Pfeil). In Abbildung 62 erkennt man, dass sich die gelösten Bereiche weiter ausbreiten (Pfeil 1) und es lässt sich das unterschiedliche Löseverhalten ein- zelner Schichten im Versuchsablauf am besten erkennen, wie z. B. die schnellere Löslichkeit der untersten Firnisschicht (Pfeil 2). In der weiteren Phase (Abb. 63) und dem Versuchsende (Abb. 64) sind hingegen nur noch geringe Unterschiede sichtbar.

111 Experimentelle Durchführung: Untersuchungsbeispiel, Probe 1 von Fallstudie I, Susanna und die beiden Alten von Bartholomeus Frans Douven Mikroskop-Aufnahmen: Hellfeld-Beleuchtung Lösemittel: 2-Propanol, 23 Stunden nach dem Versuch, Mikroskop: Leitz Metallux 3

Abb. 65: Mikroskop-Aufnahme, Pfeil 1: schneller Abb. 66: Mikroskop-Aufnahme, nach minimalem lösliche, untere Firnisschicht, Pfeil 2: langsamer Wiederanschliff mit Micro Mesh®, Körnung 3600; lösliche, mittlere Firnisschicht, Pfeil 3:Verfließen Pfeil: verbleibende Vertiefungen im Bereich der von gelöstem Firnis schneller löslichen Firnisschichten

Nach einer Wartezeit von ca. einem Tag erfolgt die Aufnahme mit dem Auflicht-UV-Fluores- zenz-Mikroskop in Hellfeld-Beleuchtung (Abb. 65, 66). Zwischen Abbildung 64 (S. 111), dem Versuchsende und Abbildung 65, ca. ein Tag nach Versuchsende, sind deutliche Unterschiede zu erkennen, die mit der Lösemittelverdunstung und dem Rückgang der durch das Lösemittel bewirkten Quellung erklärt werden. Wie Abbildung 65 zeigt, ist dabei eine Differenzierung des Löseverhaltens von Schichten möglich, die eine Dicke von bis zu 5 µm (Pfeil 1) und 5 bis 10 µm (Pfeil 2) haben. Pfeil 3 in Abbildung 65 deutet auf den Bereich außerhalb der Probe, den Querschliffblock. Dort war während des Versuchs gelöster Firnis in die Schleifriefen geflossen. Diese Aufnahme ist Grundlage für die grafische Strukturanalyse in Kapitel 3.3 (vgl. Abb. 48, S. 101), in der die schneller und langsamer löslichen Bereiche deutlich vereinfacht wiederge- geben werden. Versuchsweise wird am Querschliff ein minimaler Wiederanschliff durchge- führt, um konvexe und konkave Bereiche der Querschliffoberfläche bestimmen zu können (Abb. 66). Der Pfeil deutet auf eine der verbleibenden Vertiefungen, die sich mit einer schneller löslichen Ebene des Firnisses deckt.

112 3.5 Bestimmung von Schlussfirnissen und zeitliche Einordnung von Firnis- schichten

Bei der Untersuchung der mehrschichtigen Firnisse der Kasseler Gemälde in den Fallstudien erweisen sich die Bestimmung von eventuell erhaltenen Schlussfirnissen und die zeitliche Ein- ordnung der nicht originalen, von Restaurierungen stammenden Firnisschichten als schwierig. In keinem Fall ist die Restaurierungsgeschichte eines Gemäldes der Kasseler Galerie lückenlos dokumentiert, so dass die in den Objektuntersuchungen festgestellten Firnisaufträge zugeordnet werden könnten. Brammer gelingt es, an einem Querschliff von Rembrandts Bildnis eines ste- henden Herrn in ganzer Figur einen Schlussfirnis als eine Schicht zu identifizieren, die zusam- men mit der Malschicht craqueliert und von den folgenden, nicht originalen Firnisschichten am Craquelé überlagert ist.433 Grundlage dafür sind gut erhaltene und klare Schichtgrenzen. Jedoch erweisen sich in den hier untersuchten Fallstudien die Schichtgrenzen meist als an- oder aufge- löst. Eine weitere, bislang aber nicht beachtete Möglichkeit der zeitlichen Einordnung wird mit den Nummern historischer Gemäldeinventare erschlossen, die auf der Vorderseite der Gemälde aufgemalt sind. Vergleichbare aufgemalte Nummern historischer Inventare finden sich auch auf Werken anderer Galerien mit ehemals herrschaftlichen Sammlungen, z.B. der Gemälde- galerie Alte Meister in Dresden, dem Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig, dem Museo Nacional del Prado in Madrid und der Eremitage in St. Petersburg.434 Die Durchsicht der nach heutigem Stand ca. 1600 Werke umfassenden Sammlung ergibt, dass 240 Werke diese Nummern tragen. Bei einigen Gemälden ist zu erkennen, dass man die Num- mern gezielt entfernt oder übermalt hatte. Die niedrigste heute erhaltene Nummer (Nr. 2) trägt das Bildnis einer jungen Frau mit Nelke von Ferdinand Bol, die höchste erhaltene Nummer (Nr. 2088) das Gemälde eines unbekannten Künstlers, Landschaft mit einem Wasserfall.435 Die historischen Inventare werden Anfang des 20. Jahrhunderts von dem bis heute gültigen Galerie- Katalog (GK-Nummern) ersetzt, in wenigen Fällen sind ihre Nummern weiterhin aktuell.436 Über die verwickelte Geschichte der Inventarisierung der Kasseler Gemäldesammlung im Zu- sammenhang mit den aufgemalten Inventarnummern ist bislang nur wenig bekannt. Die

433 Vgl. Brammer 1999, S. 175. 434 Vgl. BK Madrid 2009, S. 228; BK Dresden 2014, S, 46, Abb. 34, S. 229, Abb. 187, S. 265, Abb. 217, S. 328, Abb. 268; AK Kassel 2008, S. 251, Abb. 105, 252; BK Braunschweig 1987, S. 108. Die genannten Gemälde der Sammlungen von Dresden, Braunschweig, Madrid und St. Petersburg sind nur beispielhaft. 435 Vgl. Brammer 1987, S. 103, Abb. 15, S. 104; BK Kassel 1996, S. 64, 364; BK Kassel Online. Brammer zeigt anhand von Veränderungen der Farbschicht der Nummer die Schichtenstörungen von Firnis und Malschicht auf. Das Gemälde von Unbekannt, Landschaft mit Wasserfall hat in BK Kassel 1996 die Inventarnummer A 19, im BK Kassel Online die Nr. 1816/2088. Es befindet sich dauerhaft im Depot. 436 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 33ff. 113 Nummern beziehen sich auf das das sog. Hauptinventar von 1749ff., das 1749 begonnen und unter anderen Namen bis 1841 fortgeführt wird. Der letzte Eintrag dieses Inventars hat die Nummer 2178. Parallel zur schriftlichen Fassung des Inventars versieht man die Gemälde mit den betreffenden Inventarnummern. Die Nummern befinden sich, bis auf Ausnahmen, vorder- seitig in der linken unteren Ecke und sind mit roter Farbe aufgetragen. Vielfach sind die Farb- schichten dieser Nummern im mehrschichtigen Firnis eingebettet. Sie werden im Rahmen der Querschliffuntersuchung als Leitschichten genutzt. Firnisschichten unterhalb dieser Leitschicht waren sicherlich vor 1749, über dieser Leitschicht sicherlich nach 1841 aufgetragen worden. Dieses Kapitel schildert die Möglichkeiten der weiteren zeitlichen Eingrenzung in der Zeit- spanne von 1749 bis 1841. Bei zahlreichen Gemälden ist das Jahr der Erwerbungen belegt, wie z.B. im Fall des Werks von Gonzales Coquez, Der junge Gelehrte und seine Frau (Vgl. Kap. 2.2, S. 26).437 Bereits Wolf von Both und Hans Vogel weisen darauf hin, dass Erwerbung und Inventarisierung in verschiedenen Fällen um einige Jahre voneinander abweichen, so dass man dasselbe auch für den Auftrag der Inventarnummern annehmen kann.438 Schließlich ist zu be- rücksichtigen, dass die Nummern bedeutende, wenn auch bislang nur unzureichend gewürdigte Primärdokumente der Sammlungsgeschichte darstellen. Deshalb müssen Probeentnahmen für die Querschliffuntersuchung im Einzelfall abgewogen werden.

Inventar 1749ff. Das Inventar 1749ff.439 ist eines von mehreren Inventaren, die im 18. und 19. Jahrhundert verfasst werden, und die zum Teil einander ablösen, zum anderen Teil parallel geführt werden. Es wird vermutlich von dem Galerieintendanten Johann Georg van Freese erstellt. Das Inventar gliedert sich in zwei Teile, Gemälde („Schilderÿen“) als Teil A und „Portraits“ als Teil B. Die als Porträts inventarisierten Gemälde spielen hier keine Rolle und werden deshalb aus- geklammert. Die Inventarisierungen sind nicht datiert und müssen unter Berücksichtigung der von v. Both und Vogel getroffenen Einschränkungen anhand von bekannten Erwerbungsdaten der Gemälde bestimmt werden. Landgraf Wilhelm VIII. gibt am 26. Mai 1750 die Zahl seiner Gemälde mit 527 an.440 Zu den letzten Erwerbungen des Jahres 1749 oder den ersten Er- werbungen von 1750 gehören Gemälde bis zur Nummer 552.441 Ebenfalls 1750 wird ein

437 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1. 438 Vgl. Both/Vogel 1964, S. 132. 439 Der vollständige Titel des Inventars lautet: Haupt=Catalogus von Sr Hochfürstl: Durchlt. HERREN Land- grafens Wilhelm zu Heßen, sämtlichen Schilderӱen, und Portraits. Mit ihren besonderen Registern. Verfertiget in Anno 1749. A. Nr. 1-869, B. Portraits Nr. 1-99, Archiv MHK. 440 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 16. 441 Vgl. Inv. 1749ff., S. 53; BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 15f., 221, 252, 261f.; AK Kassel 2009, S. 239f. Die beiden letzten Nummern vor dem Konvolut aus dem Kabinett des V. Röver, Delft, sind mit Inv. 1749ff., Nr. 553 (im 114 Konvolut von 64 Werken aus einer bedeutenden Privatsammlung, dem Kabinett des Valerius Röver aus Delft, erworben. Sie sind mit den Nummern 554 bis 617 inventarisiert.442 Im Jahr 1750 sind weitere Inventareinträge bis zur Nummer 659 belegt. Die Ankäufe von 1751 begin- nen mit der Nummer 618 und enden mit der Nummer 795. Die Erwerbungen von 1752 haben Nummern von 682 bis 768. Es gibt eine Überschneidung mit den Erwerbungen des folgenden Jahres.443 Die Erwerbungen der Jahre 1753 bis 1756 umfassen die Nummern von 748 bis 869. Die Nummer 869 ist der letzte Eintrag dieses Inventars.444

Fortführung des Inventars 1749ff. in Supplementen Das Inventar von 1749ff. wird ab 1760445 in sechs Supplementen, Anhängen, fortgeführt. Verantwortlich sind bis 1775 vermutlich Johann Georg van Freese, von 1775 bis 1808 sicher- lich aber sein Nachfolger, Johann Heinrich Tischbein d. J. (Vgl. Kap. 2.2, S. 28). Diese Sup- plemente sind nicht im Original, sondern nur als Abschriften in dem von Ernst Friedrich F. Robert 1816 angelegten Inventar enthalten und nachweisbar. Robert führt die Supplemente ohne eindeutige Grenzziehung weiter und weist auch die Ereignisse der Sammlungsgeschichte von 1807 bis 1814 und dem Jahr 1808, ab dem die Sammlung ohne Galerieinspector ist, nicht aus. Der Stand um 1808 wird innerhalb des V. Supplements vermutet. Darauf deutet seine wechselnde Bezeichnung hin, die bis zur Nummer 1731 „V Supplement zum Hauptinventar de anno 1749 oder Anfang zum I.ten Supplement“ und ab der Nummer 1732 „V Supplement zum Hauptinventar de anno 1749“ lautet (Tab. 5, S. 116). Gestützt wird dies durch Erwerbungsdaten verschiedener Gemälde. Eine Gruppe von zwölf Werken, die „vor 1783“ erworben werden, haben Nummern zwischen 904 und 1051 (I. Supplement). Mit der Nummer 1094, ebenfalls im I. Supplement, ist eine Erwerbung von 1803 versehen.446 „Vor 1805“ und „vor 1806“ kommen zwölf Werke in die Sammlung und erhalten Nummern, deren niedrigste 1334 und deren höchste 1411 sind (III. Supplement). Fünf Erwerbungen aus der Zeit „vor 1816“ haben die Nummern

Folgenden in der Schreibweise 1749/553) Peter Paul Rubens, Abraham und Melchisedek (ein Verlust der Jahre 1806-1814) und mit Nr. 1749/552 ebenfalls Rubens, Triumph des Siegers, erworben 1749. Hingegen bereits „um 1750“ bzw. 1750 erworben werden laut BK Kassel 1996 Adriaen van Ostade, Fröhliches Landvolk mit der nied- rigeren Nummer 1749/529 sowie Roelant Roghman, Hügelige Landschaft mit Brücke und Gebirgslandschaft mit Brücke mit den ebenfalls niedrigeren Nummern 1749/540 und 1749/541. 442 Vgl. Drach 1888, S. XLI-XLVI; BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 16. 443 Vgl. BK Kassel, Bd. 1, S. 216, 242. Rembrandts Winterlandschaft wird 1752 angekauft und unter der Nummer 1749/768 inventarisiert. Die Gemälde Die Madonna erscheint dem Schutzengel und Der Tod des Hl. Joseph von Giovanni Battista Piazetta sind 1753 erworben und tragen die Nummern 1749/748 und 1749/749. 444 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 17, 175, 264. Für zwei der letzten in das Inventar 1749 eingetragenen Werke, Benedetto Luti, Lesende Madonna (1749/867) und P. P. Rubens, Werkstatt, Diana und ihre Nymphen beim Auf- bruch auf die Jagd (1749/855) ist Erwerbungsjahr „vermutlich 1756“ angegeben. Im Jahr 1756 endet die Sam- mlungstätigkeit Wilhelms VIII. 445 1760 ist das Todesjahr von Wilhelm VIII. und das Jahr des Regierungsantritts von Friedrich II. 446 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 249. Jusepe de Ribera, Mater dolorosa (1816/1094). 115 1049, 1260, 1303, 1314, 1382 des I. und II. Supplements.447 Wiederum sind Erwerbungsdaten und die Reihenfolge der Inventarisierung abweichend.

Supplemente des Inv. 1749ff. Inventarnummern Zeitliche Einordnung

I. Supplement 870-1185 1760-1808 II. Supplement 1186-1287 1760-1808 III. Supplement 1288-1421 1760-1808 IV. Supplement 1422-1560 1760-1808 V. Supplement zum Hauptinventar de anno 1561- 1731 1760-1808 1749 oder Anfang zum I.ten Supplement V. Supplement 1732-1856 1816-1827 VI. Supplement 1857-1969 1816-1827

Tab. 5: Abfolge der Inventarisierungen von 1760 bis 1816 in den Supplementen des Inv. 1749ff. und Versuch ihrer zeitlichen Einordnung

Inventar 1816ff. Robert nimmt von 1814 bis 1816 eine Bestandsaufnahme der Gemäldesammlung vor, die wäh- rend der napoleonischen Besatzung und der Zeit des Königreichs Westphalen Verluste erlitten hatte.448 Robert datiert sein Verzeichnis, das heutige Inventar 1816ff. auf den 30. April 1816. Dabei übernimmt er die Nummern des Inventars von 1749ff. und seiner Supplemente und führt auch die Neuerwerbungen von 1816 bis 1827 als V. und VI. Supplement des Inventars von 1749ff. weiter. Auch die Gemälde versieht er weiterhin mit den fortlaufenden Nummern des Inventars von 1749ff., ebenfalls links unten und in hellroter Farbe. Parallel führt Robert eine eigene, neue Nummerierung ein, die Grundlage für ein neues Hauptinventar sein soll. Diese Überschneidungen und Parallelitäten kommen in der heutigen Bezeichnung als Inventar 1816ff. und den danach lautenden Inventarnummern nicht zum Ausdruck. Bereits im Jahr 1816 lassen sich drei Erwerbungen benennen, die mit den Nummern 1867, 1868, 1905 in das VI. Supplement eingetragen werden.449 Ein viertes, ebenfalls 1816 erworbe- nes Gemälde wird allerdings erst im Supplement des Inventars von 1816ff. nach 1827 inventa- risiert.450 Die letzte im Inventar 1816ff. bestimmbare Neuerwerbung wird in das Jahr 1827 da-

447 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 41, 98f., 120, 225. „Vor 1816“ erworben werden Antwerpener Meister, um 1610/20, Der Brand von Troja (1816/1049), Benjamin Gerritsz. Cuyp, Simeon im Tempel (1816/1260), Erasmus Quellinius, Kopie, Die Königin von Saba bringt König Salomo Geschenke (1816/1303), Frans Francken d. J., Um- kreis, Maria mit Kind und musizierenden Engeln (1816/1314) und Lucas Cranach d. Ä., Umkreis, Bildnis einer Frau, Halbfigur (1816/1382). 448 Vgl. Robert: Vorwort des Inventars 1816ff., vom 30. April 1816, Archiv MHK; AK Kassel 2008, S. 247. 449 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 137, 282f. Im Jahr 1816 werden erworben: Zwei Gemälde Cornelius Norbertus Gysbrechts mit gleichem Titel Ein Gemüse- und Obstgehänge (1816/1867,1816/1868) und Johann Heinrich Schönfeld, Die Sintflut (1816/1905). 450 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, 61f. Peter Binoit, Stillleben mit Blumen, Früchten und Gemüse (1816/2079). Dabei handelt es sich um die Nummer des Supplements des Inv. 1816ff. 116 tiert. Sie hat die Nr. 1912 und findet sich im VI. Supplement.451 Das Inventar endet mit der Nummer 1969 des Inventars von 1749ff. Die zugehörige neue, von Robert eingeführte Nummer lautet 1472. Die Differenz der beiden Zählungen ergibt sich aus den Verlusten in napole- onischer Zeit. Robert belegt erstmals schriftlich die Existenz der vor 1808 aufgemalten Inven- tarnummern. In seinem Gemäldeverzeichnis sind die Nummern als „Alte rothe Nrn nach dem Haupt Inventar A. de anno 1749“ und ab Nummer 870 als „rothe Nro des I. Supplement zum Hauptinventar A de Anno 1749“ benannt. Die Nummern haben auf den Gemälden eine variie- rende Schreibweise, die im Folgenden näher betrachtet wird. Einen entscheidenden Hinweis gibt Robert in seinem Vorwort des Inv. 1816ff. Er stellt fest, dass auf verschiedenen der zurück- gekehrten Gemälde die roten Nummern des Inventars 1749ff. nicht vorhanden sind und trägt diese nach.

„Habe ich die alte Inventariums Nrn welche an den meisten älteren Gemäld. mit Zinnober rothen Farbe bemerckt und befindlich, beybehalten und auch die Zahl folge die nicht damit bezeichneten eingetragen, die Gemählde solche […] alle mit der gehorigen Nrn versehen, woran diese mangelten.“452

Supplement des Inventars 1816ff. Ab 1827 verfasst Robert ein eigenständiges Supplement seines Inventars, das ebenfalls als Manuskript erhalten ist. In seiner Bezeichnung als „VI Supplement zum Inventarium der Gemälde Gallerie zu Kassel vom Jahre 1816 Vol: II.“ knüpft er sowohl an sein Inventar von 1816 als auch an das „VI Supplement zum Hauptinventarium de anno 1749“ an, mit dem das Inventar von 1816ff. endet.453 Dieses Supplement beginnt mit der „alten rothen“ Nummer 1970 und endet mit der Nummer 2178. Nummer 1970 wird 1827 erworben, so dass in dieses Jahr nicht nur das Ende des Inv. 1816ff., sondern auch der Beginn seines Supplements datiert werden kann.454 Unter den weiteren Ankäufen sind nicht nur Werke Alter Meister, sondern auch Gemälde, die in den 1820er Jahren geschaffen werden. Datierungen dieser Werke stützen die bekannten Erwerbungsdaten, die auch hier teilweise nicht mit der Nummerierung überein- stimmen.455 Nach Schnackenburg wird das Supplement bis 1841 geführt. Dies belegt eine der

451 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 166f. Gérhard de Lairesse, Bildnis des Filips de Flines (1816/1912). 452 Robert: Vorwort des Inventars 1816ff., datiert 30. April 1816, Archiv MHK. Die Gemälde, an denen Robert die Inventarnummern erneuert, sind jedoch nicht im Inventar erfasst. 453 Vgl. Robert: Supplement Inv. 1816ff., Archiv MHK. 454 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 107. Guilliam Dubois, Der Waldweg (1816/1970). 455 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 18f., 192, 266; BK Kassel 1991, S. 153f., 164. Frederik de Moucheron, Fluss- landschaft mit Brücke und Kastell, 1827 erworben (1816/2052) und Jacob Isaacksz. van Ruisdael, Dünenland- schaft mit Liebespaar, 1828 erworben (1816/2000), im heutigen Bestand der Neuen Galerie sind z. B. Johann Martin von Rohden, Betender Eremit in einer Grotte, datiert 1829 und im gleichen Jahr erworben (1816/1999), Lorenzo II. Quaglio, Scheibenschießen in Fischbachau am Schliersee, 1829 datiert und „vor 1830“ erworben (1816/2054). 117 letzten Erwerbungen in diesem Jahr unter der Nummer 2153.456 Diverse Lücken und Brüche in der Folge der von Robert neu eingeführten Nummern sind nicht zu klären.

Nummern der historischen Gemäldeinventare, mit roter Farbe in der linken unteren Ecke

Abb. 67: Ferdinand Bol, Bildnis einer jungen Frau Abb. 68: Philipp Peter Roos, Wildbret, Federvieh und mit Nelke, 164.(2?) (Inv. 1749ff., Nr. 2), niedrigste liegendes gesatteltes Pferd (Inv. 1749ff., Nr. 712), er- auf einem Gemälde erhaltene rote Nummer, Maß- worben 1752, Skalierung des Maßbalkens: 1 mm, balken: 1 cm Foto: Juros 2014 (Ausschnitt)457

Abb. 69: Adriaen van der Werff, Hirte und Hirtin, Abb. 70: Bartholomeus Frans Douven, Die Ruhe auf „Der verliebte Schäfer“ (Inv. 1749ff., Nr. 821), der Flucht (Inv. 1749ff., Nr. 84), zweifache Num- Maßbalken: 1 cm merierung, Maßbalken: 1 cm

456 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 33, 211. Bernhard von Orley, Flügelaltar mit Christus, Maria und Heiligen (1816/2153). 457 Vgl. Juros 2014, Bd. 2, S. 203, Abb. o. Nr. 118

Abb. 71: Jan Weenix, Stillleben mit totem Hasen und Abb. 72: Johann Andreas Herrlein, Stilleben mit Obst Geflügel, 1701 (Inv. 1816ff., Nr. 972), 1815 erwor- und Kohlmeise, 1760 (Inv. 1816ff., Nr. 1891), 1816 ben, Maßbalken: 1 cm erworben, Maßbalken: 1 cm

Schriftvergleich der roten Inventarnummern Eine vergleichende Untersuchung ergibt, dass sich ein Teil der Nummern aus der Zeit von 1749 bis 1808 von den Nummern Roberts von 1816 bis 1841 unterscheiden lässt. Die Ziffer 2 hat in der älteren Schreibweise eine Z-Form oder einen Bogen mit einem geraden Unterstrich (Abb. 67-69, S. 118). In der Schreibweise Roberts ähnelt sie einem umgedrehten Großbuchstaben „S“ (Abb. 71). Die Unterschiede der Ziffer 1 sind weniger markant. In der älteren Schreibweise variiert die Ausführung. Die Ziffer hat mehrheitlich einen Punkt und einen Abstrich. Roberts Ziffern haben hingegen keinen Abstrich und überwiegend keinen Punkt (Abb. 72). Die meisten älteren Nummern schließen mit einem Punkt ab (Abb. 67, 69, 70 links, S. 118), während dies bei den Nummern von Robert vielfach nicht der Fall ist (Abb. 71). In einigen Fällen befinden sich zwei Nummern nebeneinander (Abb. 70, S. 118). Vermutlich sind es diejenigen Fälle, in denen Robert Nummern nachträgt, die zwar nicht verloren, aber möglicherweise durch den Zierrahmen verdeckt und deshalb nicht lesbar sind. Dabei fällt auf, dass die Nummern von Robert vielfach größer sind. Bedeutsam ist dieser Vergleich dort, wo tatsächlich die alte Num- mer fehlt. Ein solcher Fall ist das Stillleben mit totem Hasen und Geflügel von Jan Weenix (Abb. 71). 1815 kommt es von Paris nach Kassel, aus anderem Besitz und als Ersatz für ein nicht mehr rückführbares Kasseler Gemälde mit vergleichbarem Bildmotiv und erhält dessen schon im 18. Jahrhundert vergebene Inventarnummer.458 Aufgetragen wird sie von Robert in den Jahren von 1815 bis 1816.

458 Vgl. Kat. Kassel 1996, Bd. 1, S. 312, 321; AK Kassel 2008, S. 241f. Bei dem in Paris für Kassel verloren gegangenen Gemälde handelt es sich um ein Jagdstillleben mit aufgehängtem Hasen und lauernder Katze von Jan Fyt. 119 Nummern der Inv. 1749ff. und Inv. 1816ff. Zeitpunkt und Zeiträume des Auftrags der einschließlich der Supplemente Inventarnummern

1-553 1749 554-869 1750-1756 870-1731 1760-1808 1732-1969 1816-1827 1970-2178 1827-1841

Tab. 6: Versuch der zeitlichen Einordnung des Auftrags der Inventarnummern

Anwendung in den Objektuntersuchungen Die Jahre 1749 und 1841 markieren den zeitlichen Rahmen, in dem rote Nummern der Gemäldeinventare aufgetragen sind. Bestimmen oder auf wenige Jahre eingrenzen lässt sich der Auftrag, wenn das Erwerbungsdatum bekannt ist. Auch die Höhe der Nummer verweist auf den Zeitpunkt oder die Zeiträume der Inventarisierung. In Tabelle 6 sind die Daten zusammen- gefasst. Die bis 1808 vergebenen Nummern können unter Umständen von Nachträgen aus den Jahren von 1815 bis 1816 stammen. Dies lässt sich teilweise anhand der Schreibweise der Ziffern erkennen. Besonders aufschlussreich für die Firnisuntersuchung sind die doppelten Nummerierungen, von denen einige bei der Bestandsdurchsicht der Sammlung festgestellt werden und deren eine Nummer als Nachtrag mit Sicherheit in die Jahre von 1815 bis 1816 zu datieren ist.

3.6 Bestandssichtung und Auswahl der Gemälde

Die Sammlung der Gemäldegalerie Alte Meister umfasst nach einer Neuordnung der Samm- lungsbestände der Museumslandschaft Hessen Kassel über 1600 Werke. Sie beinhaltet die in dem Bestandskatalog der Gemäldegalerie Alte Meister von 1996 genannten Werke, die Werke von der Mitte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts des Bestandskatalogs der Malerei des Spät- barock und Klassizismus von 2006 sowie eine kleinere Zahl bislang nicht publizierter Werke.459 Der aktuelle Bestand ist seit 2014 in einer Online-Datenbank zugänglich.460 Die Bestandssichtung bildet die Grundlage der Gemäldeauswahl für die Objektuntersuchungen als Fallstudien in den Kapiteln 4.1 bis 4.4 (S. 129-406). Durchgeführt wird sie bei normaler Be- trachtung ohne technische Hilfsmittel. Es soll ermittelt werden, welche Gemälde stark gegilbte

459 Vgl. BK 1996, Bd. 1; BK 2003. 460 Vgl. BK Kassel Online. 120 und borkenartig deformierte Firnisse aufweisen. Die Firnisdeformationen müssen als Feinstruk- turen der Firnisoberfläche deutlich erkennbar sein. Sie können sowohl ganzflächig als auch partiell auftreten, nehmen dabei aber einen angemessenen Teil der Bildfläche ein. Eine Diffe- renzierung der Deformationen ist ohne mikroskopische Untersuchung nicht möglich. Die Deformationen weisen indirekt auf dicke Firnisse hin und lassen vermuten, dass diese Firnisse mehrschichtig sind. Bei mehrschichtigen Firnissen besteht die Möglichkeit, dass Schluss- firnisse und historische Firnisschichten erhalten sind. Hinweise ihren den möglichen Erhalt geben auch die aufgemalten Nummern der historischen Gemäldeinventare. Allerdings schließt das Fehlen der Nummern diese Möglichkeit nicht aus, weil man die Nummern teilweise lokal entfernt oder übermalt hatte. Als Ergebnis der Bestandssichtung werden 350 Gemälde ermittelt, die eine ausgeprägte Firnis- gilbung aufweisen und davon 74 Gemälde, bei denen zusätzlich Firnisdeformationen erkennbar sind. Diese 74 Gemälde sind im Anhang (A.1, S. 465-469) aufgelistet. Darunter sind auch die vier Gemälde, die für die Objektuntersuchungen in den Fallstudien ausgewählt sind. Ein we- sentliches Resultat ist, dass die Firnisdeformationen ausschließlich in Verbindung mit einer ausgeprägten Gilbung feststellbar sind. Auch werden mögliche Gemeinsamkeiten des maltech- nischem Aufbaus sowie der Sammlungs- und Restaurierungsgeschichte betrachtet. Die Gemälde werden hinsichtlich ihrer Bildträger unterschieden. 34 Gemälde sind auf Eichen- holz gemalt, 6 auf Tafeln anderer Holzarten, 32 auf Leinwand sowie 1 Gemälde auf Kupfer und schließlich 1 Gemälde auf Papier. Die hohe Anzahl von Eichenholztafeln erklärt sich mit dem Sammlungsschwerpunkt der Galerie. Während Brammer in seiner Untersuchung der Quellung und Migration von Farbe und Firnis die Möglichkeit eines Zusammenhangs zum Bildträger an- deutet, ist dies in Bezug auf die Firnisdeformationen nicht erkennbar.461 In den meisten Fällen sind die Erwerbungsdaten bekannt oder die Zeiträume ihrer Erwerbung eingegrenzt. Die deutliche Mehrheit, 52 Gemälde, wird vor dem oder im 18. Jahrhundert er- worben. 15 Gemälde kommen vor dem oder im 19. Jahrhundert in die Sammlung, nur ein Ge- mälde im 20. Jahrhundert (1970). Zu sechs Werken der Galerie gibt es keine Angaben. Schriftliche Quellen zu Restaurierungen gibt es zu 51 der 74 Gemälde. Die Liste im Anhang (A.1, S. 465-469) gibt Auskunft über Anzahl und Art der Restaurierungen bis heute. Zudem sind die jeweiligen Jahreszahlen angegeben. Bei einem Teil der Gemälde sind mehrere Restau- rierungen dokumentiert. Wenn die Restaurierungen ausdrücklich den Firnis betreffen, ist dies in Klammern mit der Ziffer 1 (Firnisbehandlung) angegeben. Die Firnisbehandlung ist entwe-

461 Vgl. Brammer 1987, S. 103. Brammer beschreibt am Beispiel des Gemäldes von Ferdinand Bol, Bildnis einer jungen Frau mit Nelke den Einschluss von Lösemittel im Craquelé „zwischen dem Holzbildträger und dem an der Bildoberfläche rasch erstarrten Firnis“ und die daraus resultierende, lange Retention. 121 der als solche bezeichnet oder schließt Maßnahmen ein, die z.B. als „Politur“, „Auffrischen“ bezeichnet werden. Die folgenden Ziffern stehen für konkret benannte Maßnahmen: 2 (Firnis- regenerierung), 3 (Firnisauftrag) und 4 (Firnisdünnung oder -abnahme) sowie 5 (Abnahme von Übermalungen). Unter Firnisauftrag werden auch Maßnahmen eingeordnet, bei denen Firnis- lösungen zur Firnisregenerierung oder Wachsharz-Pasten verwendet werden, da sie mit einem Schichtenauftrag verbunden sind. Die Firnisdünnung oder -abnahme kann ganzflächig oder partiell erfolgen. Die Ergebnisse der Auswertung der Objektliste sind in Tabelle 7 zusam- mengefasst.

Restaurierungszeitraum 19. Jh. 1900-1952 1953-1966 ab 1967

Allgemeine Restaurierungen 3 3 9 18 Firnisbehandlungen (1) 17 Firnisregenerierungen (2) 3 10 2 Firnisaufträge (3) 1 5 14 Firnisdünnung oder -abnahme (4) 2 1 Abnahme von Übermalungen (5) 1 Summe 6 7 41 35

Tab. 7: Übersicht über die dokumentierten Restaurierungen an den Gemälden mit gegilbten und de- formierten Firnissen, siehe auch Objektliste im Anhang, A. 1, S. 465-469

Firnisabnahmen oder Firnisdünnungen werden nur in zwei Fällen im 19. Jahrhundert und in einem Fall nach 1966 durchgeführt. Bei diesem einen Fall handelt es sich um das Gemälde von Ferdinand Bol, Bildnis einer jungen Frau mit Nelke, an dem ein Teilbereich des deformierten Firnisses von dieser Maßnahme ausgespart und damit bis heute erhalten ist. Von 1900 bis 1966 werden die bestehenden Firnisse vorwiegend behandelt oder regeneriert, weitaus seltener trägt man neue Firnisschichten auf. Seit 1967 nimmt die Zahl der Firnisaufträge zu. Nach heutigem Kenntnisstand sind alle ab 1953 durchgeführten Restaurierungen schriftlich dokumentiert. Die Auswertung gibt Hinweise darauf, dass die Firnisse der ausgewählten Gemälde historische Fir- nisschichten enthalten und dass diese mehrheitlich oder gänzlich aus der Zeit vor 1900 stammen.

Auswahl der vier Gemälde für die Objektuntersuchung Das Gemälde von Bartholomeus Frans Douven, Susanna und die beiden Alten ist 1722 datiert und befindet sich seit der Zeit vor 1749 in der Kasseler Sammlung. Die Firnisdeformationen sind ausgeprägt und nicht durch andere Schadensphänomene oder Restaurierungen verunklärt. Auch die Untersuchung hinsichtlich eines eventuell vorhandenen Schlussfirnisses erscheint hier aussichtsreich, weil die Malschicht von Bereibungen unbeschädigt ist und eine gut erhaltene

122 Nummer des historischen Inventars dazu genutzt werden kann. Eine Besonderheit sind partielle Zwischenfirnisse. Abgesehen von der starken Gilbung und den Deformationen des Firnisses kann der Erhaltungszustand als sehr gut bewertet werden. Der Firnis ist nicht getrübt oder me- chanisch beschädigt und weist auch keine Retuschen oder Übermalungen auf. Darin bestehen deutliche Ähnlichkeiten mit weiteren Werken der Gemäldeauswahl, an erster Stelle dem ver- mutlichen Pendant, Bathseba im Bade von Douven, dann mit Maria mit Jesus und Johannes und Drei Mädchen opfern Amor Blumen von Pieter van der Werff sowie dem Werk Die Lauten- spielerin von Gerhard ter Borch und dem Selbstbildnis mit Sturmhaube von Rembrandt. Über die früheren Restaurierungen von Douvens Susanna und die beiden Alten gibt es, wie auch bei vielen anderen Gemälden der Kasseler Galerie, keinerlei schriftliche Belege. Rembrandts Heilige Familie mit dem Vorhang steht ebenfalls in der Reihe der Gemälde, deren Firnis stark gegilbt und deformiert ist. Die Malschicht ist nicht berieben, aber stellenweise durch Quellung und durch Migration von Farbe im Firnis beschädigt. Partiell ist der Firnis leicht getrübt. Zu diesem Gemälde gibt es vergleichsweise umfangreiche schriftliche Quellen und sogar auch aufschlussreiche historische Bildquellen. In seinem Zustand ist das Gemälde mit den bereits bekannten und publizierten Schadensfällen, den Werken von Ferdinand Bol, Bildnis einer jungen Frau mit Nelke und Roelant Roghman, Gebirgslandschaft mit Brücke und zwei weiteren Werken von Rembrandt, Saskia van Uylenburgh, in reichem Kostüm und Bildnis des Nicolaes Bruyningh vergleichbar.462 Das Bohnenfest (Der König trinkt) von Jacob Jordaens ist geprägt von vielfältigen Verän- derungen während des Schaffensprozesses und von umfangreichen Schäden im Verlauf seiner wechselvollen Sammlungs- und Restaurierungsgeschichte. Eine Besonderheit sind partielle Zwischenfirnisse. Der stark gegilbte Firnis weist eine ungleichmäßige und ungewöhnliche Mattigkeit sowie vielfältige und zum Teil auffällige Firnisdeformationen auf. Die Malschicht ist in weiten Teilen stark berieben, vielfach lässt sich auch eine ausgeprägte Rissweitung und Migration von Farbe und ihre Auflösung im Firnis beobachten. Parallel laufende Untersu- chungen eröffnen die Möglichkeit, die eigene Untersuchung um Löseversuche an der Bildober- fläche zu erweitern, war sonst konservatorisch nicht zu vertreten wäre. Ein ähnlich matter Firnis wird bei Anthonis van Dycks Bildnis der Isabella van Assche, Gemahlin des J. van Meer- straeten und Jan Weenix‘ Stillleben mit einem toten Hasen beobachtet, ähnlich ausgeprägte Fir- nisdeformationen sind bei dem Gemälde von Johann Heinrich Tischbein d. Ä., Augustus legt eine Krone auf den Sarkophag Alexanders zu erkennen. Im Vergleich zu den drei anderen aus-

462 Vgl. Brammer 1987, S. 102ff.; Brammer 1999, S. 178ff. 123 gewählten Gemälden reichen die schriftlichen Quellen der Restaurierungsgeschichte am wei- testen zurück, bis in das Jahr 1807, haben dabei aber einen sehr geringen Umfang. Bei dem Gemälde von Melchior de Hondecoeter, Die weiße Henne mit Küchlein wird die Mög- lichkeit einer Untersuchung während einer laufenden Restaurierung genutzt. Die Malschicht ist überwiegend gut erhalten. Ebenso wie bei den beiden Gemälden von Douven und Jordaens sind partielle Zwischenfirnisse aufgetragen. In diesen Bereichen liegen ausgeprägte Rissbildung der Malschicht und Deformation des Firnisses vor. Bei der Restaurierung zeigt sich ein ungleich- mäßiges Löseverhalten des Firnisses, das mit anderen Fällen vergleichbar ist, den Gemälden Bildnis einer jungen Frau mit Nelke von Ferdinand Bol, Früchtestück mit einer Satyrbüste und einem Rauchfuß von Coenrat Roepel und den beiden Werken von Roelant Roghman, Hügelige Landschaft mit Brücke und Gebirgslandschaft mit Brücke. Zudem bietet die Restaurierung die Gelegenheit, die Probe- und Teilfläche einer mechanischen Firnisdünnung zu untersuchen und dabei auch den Prozess des Firnisabtrags nachzuvollziehen. Damit ergibt sich auch ein auf- schlussreicher Vergleich mit der mechanischen Firnisdünnung des Gemäldes von Bol, Bildnis einer jungen Frau mit Nelke.463 Die Fallstudien illustrieren grundlegende und objektübergreifende Themen, die Mehrschich- tigkeit der Firnisse, Strukturveränderungen von Firnis und Malschicht als Folge von restaurato- rischen Eingriffen sowie fallweise eine ungleichmäßige Löslichkeit des Firnisses und hohe Lösemittelempfindlichkeit der Malschicht. Im Vergleich zur gesamten Sammlung und der Ge- mäldeauswahl erscheint die Zahl von vier Fallstudien gering. Dem stehen eingehende Objekt- untersuchungen gegenüber, bei der auch die Vielfalt der Schadensphänomene und die vielfach variierenden Erhaltungszustände der Gemälde als ein wesentlicher Aspekt berücksichtigt wer- den. Insgesamt werden in den vier Fallstudien 41 Bereiche und 39 Farb- und Firnisquerschliffe eingehend mikroskopisch untersucht, fotografisch dokumentiert und ausgewertet.

463 Vgl. Krämer 2009, S. 28-34. 124 3.7 Durchführung der Objektuntersuchung

Probeentnahme und Probenpräparation für Querschliffe Für die Probeentnahmen werden in der Regel die Rissbereiche bzw. die Schollenränder ausge- wählt. Vielfach vereinen die Proben unterschiedliche Erhaltungszustände und Konstellationen, in den Rissbereichen stärkere Schichtenstörungen und abseits der Risse eine gleichmäßigere Firnisdicke und besser erhaltene Schichtgrenzen. Die Entnahmestellen und die noch nicht ein- gebetteten Proben werden mikroskopisch untersucht und dokumentiert. So kann ausgeschlos- sen werden, dass die Proben bei der Entnahme, z.B. durch Absplitterungen an den Risskanten, beschädigt worden waren. Zudem kann die Anschliff-Ebene der Proben bestimmt werden, wie ein Beispiel in Fallstudie IV zeigt (Kap. 4.4.5.3, S. 372, Abb. IV.59-IV.62). Zwei Einbettungsharze werden verwendet, Technovit® 2000LC und Scandiplast.464 Die ersten Proben sind in Technovit® 2000LC eingebettet, die meisten Proben in Scandiplast.465 Maßgeblich ist, dass bei der Politur an der Probenoberfläche weniger Schleifstaub anhaftet, der bei der Darstellung von Löseprozessen am Querschliff störend ist. Die grüne, bei Dunkelfeld- Beleuchtung etwas störende Eigenfarbe von Scandiplast wird in Kauf genommen. Stefan Wülfert beschreibt die mechanische Beschädigung von Proben und das Problem der Auswer- tung und Interpretation.466 Eine zusätzliche Rissbildung, ein Splittern und Ausbrechen des fra- gilen Firnisses lässt sich durch die Verwendung von feinkörnigem Schleifleinen (Micro Mesh®, Körnung 3200 bis 3600) schon zu Beginn der Politur weitgehend vermeiden. Für die Untersu- chung mit dem Auflicht-UV-Fluoreszenz-Mikroskop wird Immersionsöl verwendet.467

Messung der Schichtdicke Die Messungen erfolgen an den Querschliffen (vgl. Kap. 3.3, S. 102f.). Die Schichtdicke variiert vielfach innerhalb der einzelnen Proben. Schichtgrenzen sind partiell aufgelöst, so dass die Bereiche für die Messungen individuell gewählt werden müssen. Rissbereiche und die dorti- gen Vertiefungen sowie Schichtenstörungen werden ausgeklammert. Nach Möglichkeit werden mehrere Messungen vorgenommen. Die in den Fallstudien genannten Werte sind in Abstu- fungen von 5 µm angegeben. Darin ordnen sich die individuellen Messwerte ein. Danach ist

464 Vgl. Wülfert 1999, S. 176. Technovit® 2000LC ist ein Kunstharz auf Acrylatbasis von Heraeus Kulzer GmbH, Weinheim, Deutschland; Scandiplast 09101, ein Polyester-Gießharz und Härter 09102 der von SCAN-DIA GmbH & Co. KG, Hagen, Deutschland. 465 Mit Technovit® 2000LC eingebettet sind die Proben 1, 4, 5, 7a und 7b, 9 und 10 von Fallstudie I, mit Skandi- plast die Probe 3 der Fallstudie I sowie alle weiteren Proben der folgenden Fallstudien II bis IV. 466 Vgl. Wülfert 1999, S. 181. 467 Immersionsöl für die Mikroskopie, fluoreszenzgetestet, Carl Roth GmbH + Co. KG, Karlsruhe, Deutschland. 125 beispielsweise eine 3 µm dicke Schicht bis zu 5 µm dick, eine 7 µm dicke Schicht zwischen 5 und 10 µm dick.

Löseversuche an der Bildoberfläche Die Löseversuche an der Bildoberfläche in den Objektuntersuchungen der Fallstudien werden mit 2-Propanol durchgeführt und ermöglichen Vergleiche mit den Löseversuchen am Quer- schliff, ebenfalls mit 2-Propanol (vgl. Kap. 3.4, S. 103-112).468 Die Mikroskop-Aufnahmen do- kumentieren den Vorzustand und das Resultat der Löseversuche. Der Bildausschnitt zeigt die Probenmitte, in welcher der Firnis vollständig entfernt wird, den Probenrand mit einem ledig- lich gedünnten Firnis, der Hinweise auf den Löseprozess gibt, und nach Möglichkeit das von Lösemitteleinwirkung unberührte Umfeld, das den Vorzustand illustriert. In Vorversuchen wird das Lösemittel aufgetropft, um eine mechanische Einwirkung und damit eine Beeinflussung des Löseprozesses zu vermeiden. Dabei sammelt sich aber der gelöste Firnis in Schwemmrändern und verunklärt damit die für die Untersuchung wichtigen Randbereiche der Probe. So wird ein Lösemittelauftrag mit dem Retuschierpinsel469 gewählt, bei dem gleich- zeitig auch der gelöste Firnis zu einer Seite hin abgestrichen und die gegenüberliegende Seite des Probenrands für die mikroskopische Untersuchung genutzt wird. Die Menge des Löse- mittels und die Dauer der Anwendung sind nicht definiert. Wie bei den Versuchen am Quer- schliff wird etwa ein Tag abgewartet, bis durch die Lösemittelverdunstung keine weitere Verän- derung der Firnisoberfläche mehr zu erwarten ist. Die Daten der Versuche, Angaben zum Probenanschliff, der verwendeten Lösemittelmenge, der Dauer der Lösemitteleinwirkung, der Raumtemperatur während der Versuche und die Zeit bis zur Bildaufnahme sind im Anhang aufgeführt (B.1.2, S. 473, B.2.2, S. 475, B.2.3, S. 477f. und B.2.4, S. 480).

Mikroskope und Mikroskop-Kameras Für die Untersuchung und fotografische Dokumentation der Bildoberfläche wird ein Stereo- Mikroskop, Leica MZ 16, verwendet. Für die schräge Beleuchtung dienen eine Kaltlichtleuchte mit Lichtleiter und Fokussiervorsatz, für die koaxiale Beleuchtung eine Eigenkonstruktion und ein Koaxial-Auflicht-Gehäuse (für die Durchführung der Löseversuche am Querschliff) sowie für die UV-Anregung ein UV-Beleuchtungsmodul von Leica. Für die Querschliffuntersuchung wird ein Auflicht-UV-Fluoreszenz-Mikroskop, Leitz Metallux 3, verwendet. Die wegen des

468 2-Propanol (Isopropanol), 99,9 %, Deffner & Johann GmbH, Röthlein, Deutschland. 469 Retuschierpinsel da Vinci 5505, Pure Kolinsky, Pinselgröße 3, Deffner & Johann, Röthlein, Deutschland. 126 fortgeschrittenen Alters des Geräts nicht erweiterbare Ausstattung hat die Eigenheit, dass die Maßstabzahlen der Objektive für Hellfeld/Dunkelfeld-Beleuchtung einerseits und für UV-An- regung andererseits teilweise nicht übereinstimmen. Ein Teil der Objektive bietet zudem keine Dunkelfeld-Beleuchtung, so dass die Proben extern und schräg von links und rechts mit einer Kaltlichtleuchte beleuchtet werden müssen. Eine zusätzliche, externe Beleuchtung bietet sich auch bei der Dunkelfeld-Beleuchtung an. Sie verringert die Helldunkelkontraste zwischen den Proben und dem Einbettungsblock und verbessert dadurch die Mikroskop-Aufnahme. In einem Fall verbessert die externe Beleuchtung die Aufnahme bei UV-Anregung, wird aber wegen der starken Fehlfarbigkeit der Aufnahme darüber hinaus nicht eingesetzt. Die Mikroskop-Aufnahmen sind mit digitalen Kameras von Leica gefertigt. Das ältere Modell DX 300 F wird 2015 durch ein aktuelles Modell, DFC 310 FX ersetzt. In den Abbildungen fal- len vor allem die unterschiedlichen Kameraformate auf, „0,79 : 1“ in dem älteren Modell (DC 300 F) und „0,75 : 1“ bei dem neueren Modell (DFC 310 FX), insbesondere wenn die Aufnah- men gegenübergestellt sind. Diese systembedingten Unterschiede werden aber nicht durch nachträgliches Zuschneiden ausgeglichen. Bei den mit dem Stereomikroskop gefertigten Auf- nahmen ist die Breite der Maßbalken in Millimeter, bei den mit dem Auflicht-UV-Fluoreszenz- Mikroskop gefertigten Aufnahmen in Mikrometer angegeben. Die im Text angegebenen Mess- werte in Millimeter basieren auf Aufnahmen der Bildoberflächen (Stereo-Mikroskop), die Messwerte in Mikrometern auf Aufnahmen von Querschliffen (Auflicht-UV-Fluoreszenz-Mik- roskop). Die Maßbalken der Detail-Aufnahmen im Textteil (Kap. 3.5, S. 118f., Kap. 4.1-4.4, S. 129-406) sind manuell eingefügt. Die Komponenten und technischen Daten der Mikroskope und Mikroskop-Kameras werden im Anhang (A.2, S. 470ff.) angegeben.

Bildkataloge zu den Fallstudien Die in Kapitel 3.3 (S. 95-103) beschriebene Gegenüberstellung von Mikroskop-Aufnahmen und deren Kartierung kann in den Fallstudien nur mit ausgewählten Aufnahmen dargestellt wer- den. Auch haben die in den Text eingebundenen Abbildungen nur eine beschränkte Größe. Die Bildkataloge im Anhang (C.1-C.4, S. 483-770) ergänzen die Illustrationen der Fallstudien in den Kapiteln 4.1 bis 4.4. Sie gliedern sich in:

- Gesamtaufnahme - Detailaufnahmen der Bildoberfläche und Kartierung der untersuchten Bereiche und Probeentnahmestellen - Mikroskop-Aufnahmen der Bildoberfläche - Kartierungen der Firnis- und Malschichtrisse

127 - Mikroskop-Aufnahmen der Querschliffe - Kartierungen der Schichten und Schichtenfolgen des Firnisses am Querschliff - modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff, Mikroskop-Aufnahmen und Kartierungen - modellhafte Rekonstruktionsversuche der Wirkung früherer Restaurierungen am Quer- schliff, Mikroskop-Aufnahmen und Kartierungen

Bildkataloge zu den Fallstudien

Abb. 73: Seite des Bildkatalogs zu Fallstudie I, Bar- tholomeus Frans Douven, Susanna und die beiden Alten, Mikroskop-Aufnahmen der Bildoberfläche in Bereich 1 in verschiedenen Beleuchtungs- und Auf- nahmebedingungen (siehe Anhang C.1, S. 494)

Abbildung 73 zeigt Seite 494 des Bildkatalogs C.1 zu Fallstudie I, Bartholomeus Frans Douven, Susanna und die beiden Alten. Die o.g. Gliederung ist beispielsweise in der obersten Zeile als „Mikroskop-Aufnahmen der Bildoberfläche“ angegeben. Ebenfalls angegeben ist dort die Untergliederung in Bereiche und Proben (Firnis- und Farbquerschliffe), in dem Beispiel „Be- reich 1“. Die Detail-Aufnahmen der Bildoberfläche und die Kartierungen in den Detail-Aufnah- men verdeutlichen das Umfeld der mikroskopisch untersuchten Bereiche und der Probeent- nahmestellen für die Farb- und Firnisquerschliffe. Während in den Fallstudien an den Abbil- dungen der Farb- und Firnisquerschliffe nur die Schichtenfolgen verzeichnet sind, werden im Bildkatalog sowohl die Firnisschichten (rote Ziffern) als auch die Schichtenfolgen (schwarze Ziffern) kartiert. Angegeben sind zudem die Positionen der Bildausschnitte oder Probeentnah- mestellen, in den Koordinaten von den nächst gelegenen Bildrändern aus und in den Bezeich- nungen von links (v. l.), von rechts (v. r.) und von oben (v. o.), von unten (v. u.). Ergänzend zu den Maßbalken in den Mikroskop-Aufnahmen sind die realen Bildausschnitte der Abbildungen genannt. Bei den Mikroskop-Aufnahmen zur modellhaften Darstellung des Löseprozesses und des ebenfalls modellhaften Rekonstruktionsversuchs der Wirkung früherer Restaurierungen am Querschliff sind die Versuchsdaten nicht aufgeführt, sondern es wird an dieser Stelle auf den Anhang verwiesen.

128 4 Fallstudien

4.1 Fallstudie I: Bartholomeus Frans Douven, Susanna und die beiden Alten

Abb. I.1: Bartholomeus Frans Douven, Susanna und die beiden Alten, signiert und datiert 1722, Eichenholz, 42,8 x 31,8 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister

4.1.1 Einleitung

Künstler und Werk Bartholomeus Frans Douven wird 1688 in Düsseldorf als Sohn des Malers Jan Frans Douven, einem Schüler von Adriaen van der Werff, geboren, sein Todesjahr ist nicht bekannt. Douven ist als Hofmaler des Kurfürsten von Köln tätig. Künstlerisch orientiert er sich an Adriaen van der Werff und Gerhard Dou. Die Kasseler Gemäldegalerie besitzt drei weitere Gemälde des Künstlers, Bathseba im Bade von 1726, das Pendant zur Susanna und die beiden Alten, sowie Die drei Grazien und Die Ruhe auf der Flucht, eine Kopie nach Adriaen van der Werff.470

Primärdokumente der Sammlungsgeschichte Detail-Aufnahmen

Abb. I.2: Bereich 10, in der linken unteren Ecke des Abb. I.3: Gemälderückseite, mit Siegel des Musée Gemäldes aufgemalte Nummer „57“ des Inventars Napoléon, vermutlich 1807 aufgebracht, Bildaus- von 1749ff., Maßbalken: 1 cm schnitt 90° nach rechts gedreht, Maßbalken: 1 cm

Provenienz und Sammlungsgeschichte Wilhelm VIII. erwirbt das Gemälde in der Zeit vor 1749 zusammen mit Douvens Bathesba im Bade. Abbildung I.2 zeigt die vorderseitig in roter Farbe aufgemalte Nummer „57“ des Gemäl- deinventars von 1749ff. Bis zum Beginn des 20. Jh. sind die beiden Gemälde als Pendants gehängt und wechselten vielfach die Standorte. Erstmals 1783 ist der Standort belegt, das „zur Mahler= Bildhauer= und Baukunst=Akademie eingerichtete Fürstliche Haus“ des Schlosses Bellevue.471 1807 sind beide Gemälde unter der Auswahl von 299 Werken für das Musée Napoléon in Paris. Den Eingang im Musée Napoléon belegt ein rückseitig aufgebrachtes Siegel (Abb. I.3).472 Susanna und die beiden Alten wird im Musée Napoléon von 1807 bis 1808 in der Ausstellung Statuen, Büsten, Reliefs, Bronzen und andere Antiken, Gemälde, Zeichnungen und Kuriositäten, die von der Großen Armee in den Jahren 1806 und 1807 erobert worden sind, deren Ausstellung am 14. Oktober 1807 … präsentiert und von 1808 bis 1814 in der Galerie

470 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 105. Das Pendant ist Teil der Gemäldeauswahl in Kap. 3.2.7, S. 119ff., vgl. Anhang, A.1, S. 466. Nach Schnackenburg ist es nur vermutlich das Pendant. 471 Vgl. BK Kassel 1793, S. 81, 125. 472 Vgl. Savoy 2003, Bd. 2, S. 403; AK Kassel 2008, S. 237f., Abb. 81 S. 238. Das Gemälde ist in der Liste der Beschlagnahmungen Kasseler Kunstgüter im Jahre 1807 unter der Nummer 166 geführt, sein Pendant unter der Nummer 168. 130 ausgestellt, sein Pendant offenbar nicht.473 1875 ist der Standort beider Gemälde im Galeriesaal des Schlosses Bellevue dokumentiert, 1913 in der 1877 eröffneten Königlichen Gemälde- galerie, der heutigen Neuen Galerie.474 Beide Gemälde befinden sich aktuell im Depot.

Restaurierungsgeschichte Zum Erhaltungszustand oder zu Restaurierungen des Gemäldes liegen keine schriftlichen Do- kumente vor. Deshalb kann man die in der Objektuntersuchung festgestellten Restaurierungen in die Zeit vor 1952/53 einordnen.

4.1.2 Maltechnischer Aufbau und Erhaltungszustand

Der Bildträger besteht aus einer einteiligen Eichenholztafel aus dem Kernholzbereich. Die Holzfaser verläuft senkrecht, die Jahresringe sind stehend. Die Vorderseite ist glatt. Die Rück- seite zeigt Sägespuren und abgefaste Kanten. Ob eine Vorleimung des Holzbildträgers existiert, ist ungeklärt. Die Grundierung ist hellbraun bis rotbraun und in drei Schichten aufgetragen. Sie ist glatt und reicht, ebenso wie die Malschicht, über die Tafelkanten. Die Malschicht ist eben- falls mehrschichtig, fein vertrieben und weist wenige Pastositäten auf. Sie enthält partielle Zwi- schenfirnisse. In dem mehrschichtigen und dicken Firnis ist auch ein Schlussfirnis nachweis- bar. Im Firnis erkennt man einzelne Läufer und Girlanden. Ein originaler Zierrahmen hat sich nicht erhalten. Der konservatorische Zustand des Gemäldes ist gut. Die Tafel zeigt weder eine Wölbung noch Risse. Die Haftung von Grundierung und Malschicht ist stabil. Bereibungen oder Übermalun- gen, Deformationen der Malschichtoberfläche oder Migration von Farbe lassen sich nicht fest- stellen. An den Bildrändern liegen Absplitterungen des Holzes und kleinere Farbausbrüche vor. Beim Einrahmen waren an einigen Stellen der Bildränder Firnis, Malschicht und Grundierung durch ein kurzzeitiges Andrücken an den Rahmenfalz deformiert und zur Seite geschoben worden. Die Malschicht ist stark craqueliert, aber nicht schollig. Dabei fallen vor allem lange, geweitete und vorwiegend parallele Malschichtrisse auf, die ungewöhnlicherweise orthogonal zur Faserrichtung der Holztafel verlaufen. Der Firnis ist stark gegilbt und borkenartig de- formiert. Zudem hat sich ein engmaschiges Craquelé ausgebildet. In den Rissöffnungen sind

473 Vgl. Savoy 2011b, S. 9, 191. Zum vollständigen Titel und Originaltitel des historischen Ausstellungskatalogs siehe Kap. 2.3, S. 29 und Anm. 120, S. 29. 474 Vgl. BK Kassel 1830, S. 114; Inv. 1875ff., S. 70; BK Kassel 1913, S. 21. Im Galeriekatalog von 1830 sind die Gemälde ohne Standort aufgeführt. 131 stellenweise Firnisausbrüche zu erkennen. Am Bildrand finden sich Reste einer Trübung. Insge- samt ist aber der Bildrand sehr viel besser erhalten, ohne borkenartige Deformationen und mit geringerer Gilbung und Rissbildung. Darin zeichnen sich die Innenmaße von zwei, heute ver- lorenen Zierrahmen ab. Einer der beiden Rahmen war möglicherweise ein vergoldeter klassi- zistischer Rahmen gewesen, wie ihn das Pendant bis heute besitzt.

4.1.3 Auswahl der untersuchten Bereiche

Das Gemälde weist trotz des kleinen Bildformats unterschiedliche Erhaltungszustände und Schadensphänomene auf. Zehn Bereiche und acht Querschliffe werden lichtmikroskopisch un- tersucht. Die Bereiche und Probeentnahmestellen sind in den Abbildungen I.4 und I.5 verzeich- net. Im Anhang sind die Koordinaten der Bereiche und Entnahmen aufgeführt (B.1.1, S. 472). In den Bereichen 2, 8 und 9 werden keine Proben entnommen, im Bereich 7 hingegen zwei Pro- ben von derselben Stelle.

Übersicht der untersuchten Bereiche und Probeentnahmestellen für Querschliffe Kartierungen

Abb. I.4: Bereiche 1-10, Detail-Aufnahmen: große, Abb. I.5: Entnahmestellen für die Querschliff-Proben dunkle Felder, Mikroskop-Aufnahmen: kleine, 1, 3-5, 7a, 7b, 9 und 10: Pfeile schwarze Felder

132 Untersuchte Bereiche des Gemäldes Detail-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. I.6: Baumkronen im Landschaftsausblick, Be- Abb. I.7: Baumkronen im Landschaftsausblick, ko- leuchtung schräg von links und rechts, Pfeil 1: Be- axiale Beleuchtung, Pfeil 1: Bereich 1, Pfeil 2: Ent- reich 1, Pfeil 2: Entnahmestelle für Probe 1, Pfeil 3: nahmestelle für Probe 1, Pfeil 3: Bereich 7, Pfeile 4, Bereich 7, Pfeile 4, 5: Entnahmestelle für Proben 7a, 5: Entnahmestelle für Proben 7a, 7b, Maßbalken: 7b, Maßbalken: 1 cm 1 cm

Abb. I.8: Feigenblätter rechts von Susanna, Beleuch- Abb. I.9: Feigenblätter rechts von Susanna, koaxiale tung schräg von links und rechts, Pfeil 1: Bereich 3, Beleuchtung, Pfeil 1: Bereich 3, Pfeil 2: Entnahme- Pfeil 2: Entnahmestelle von Probe 3, Maßbalken: stelle von Probe 3, Maßbalken: 1 cm 1 cm

Abb. I.10: Ast und Blattwerk des Baums, Beleuch- Abb. I.11: Ast und Blattwerk des Baums, koaxiale tung schräg von links und rechts, Pfeil 1: Bereich 4, Beleuchtung, Pfeil 1: Bereich 4, Pfeil 2: Entnahme- Pfeil 2: Entnahmestelle von Probe 4, Pfeil 3: Bereich stelle von Probe 4, Pfeil 3: Bereich 5, Pfeil 4: Ent- 5, Pfeil 4: Entnahmestelle von Probe 5, Maßbalken: 1 nahmestelle von Probe 5, Maßbalken: 1 cm cm

133 Repräsentativ für den überwiegenden Erhaltungszustand ist Bereich 1, in den Baumkronen im Landschaftsausblick links oben (Abb. I.6, I.7, S. 133, Pfeil 1). Auffällig sind vor allem die bor- kenartigen Firnisdeformationen. In Bereich 2, dem Blattwerk links, und vor allem in Bereich 3 (Abb. I.8, I.9, S. 133, Pfeil 1), den Feigenblättern rechts von Susanna, weisen ein ungewöhn- liches Malschichtcraquelé und geringe Firnisdeformationen auf eine abweichende Schadens- entwicklung hin. Besonders dick ist der Firnis am oberen Bildrand in Bereich 4, am Ast, und Bereich 5, im Blattwerk eines Baums (Abb. I.10, I.11, S. 133, Pfeile 1 und 3). Dort sind auch die Firnisdeformationen besonders ausgeprägt. Fünf weitere Bereiche zeigen vereinzelte Schadensphänomene, die wichtige Aufschlüsse über die Schadens- und Restaurierungsgeschichte geben. Es sind in Bereich 6, im Blattwerk links von Susanna, eine Migration von Firnis aus dem Craquelé, in Bereich 7 der von den Zierrahmen in unterschiedlicher Breite abgedeckte Bildrand (Abb. I.6, I.7, S. 133, Pfeil 3), in Bereich 8 am linken Bildrand ein Firnisläufer mit partiellen Trübungen und in Bereich 9 am rechten Bildrand eine von mehreren Abschabungen der erweichten Farb- und Firnisschichten, die beim Ein- rahmen geschehen waren und auf die tiefreichende Lösemitteleinwirkung einer früheren Res- taurierung hinweisen. Schließlich wird in Bereich 10 die rote Inventarnummer „57“ des Inventars von 1749ff. unter- sucht (Abb. I.2, S. 130). Die Nummer liegt über der Formgrenze des hellen Tuchs und des dunklen Hintergrunds. Der Auftrag der Nummer findet vermutlich im Jahr der Inventarisierung 1749, also nur 27 Jahre nach Fertigstellung des Gemäldes statt. In der Querschliffuntersuchung wird die Farbschicht der Nummer als Leitschicht für die Bestimmung eines Schlussfirnisses und für die zeitliche Einordnung der historischen Firnisschichten genutzt.

134 4.1.4 Schichten und Schichtenfolgen

4.1.4.1 Grundierung

Die Abbildungen I.12 bis I.15 zeigen die Grundierung anhand der Querschliffe der vier ausge- wählten Proben 1, 4 rechts, 7b und 10. In den Abbildungen deutet Pfeil 1 auf die Grundierungs- oberfläche und gleichzeitig die Grenzfläche von Grundierung und Malschicht. Die Grundierung ist dreischichtig.

Grundierung und Malschicht im Querschliff Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. I.12: Probe 1, Mikroskop-Aufnahme, externe Abb. I.13: Probe 4 rechts, Mikroskop-Aufnahme, Beleuchtung, Pfeil 1: Grundierungsoberfläche, Pfeil Dunkelfeld- und externe Beleuchtung, Pfeil 1: Grun- 2: Malschichtoberfläche dierungsoberfläche, Pfeile 2: Malschichtoberfläche

Abb. I.14: Probe 7b, Mikroskop-Aufnahme, externe Abb. I.15: Probe 10, Mikroskop-Aufnahme, Dunkel- Beleuchtung, Pfeil 1: Grundierungsoberfläche, Pfeil feld- und externe Beleuchtung, Pfeil 1: Grundie- 2: Malschichtoberfläche rungsoberfläche, Pfeil 2: Malschichtoberfläche, Pfeil 3: Farbschicht der Nummer des Inv. 1749ff.

135 Tabelle I.1 gibt einen Überblick über die Farbigkeit der einzelnen Schichten der Querschliffe aller Proben, wobei die Proben 1, 4, 7b und 10 hervorgehoben sind. Die oberste der drei Grun- dierungschichten hat eine zwischen hellbraun und rotbraun variierende Farbe. Auch die Farbig- keit der mittleren und unteren Grundierungschichten variiert und reicht von hell bis hellbraun (z.B. Proben 4 und 10) oder hellgrau (z.B. Probe 1). In keiner Probe ist die Grundierung in ihrer gesamten Dicke erfasst, am weitesten ist dies in Probe 1 der Fall. Dort beträgt die Dicke bis zu 200 µm.

Tabelle I.1: Schichtenabfolge der Grundierung

4.1.4.2 Malschicht

Auch die Malschicht ist anhand der vier o.g. Proben in den Abbildungen I.12 bis I.15 (S. 135) dargestellt. Pfeil 2 deutet auf die Malschichtoberfläche. Ein Teil der Farbschichten hat eine sehr geringe Dicke, beispielsweise die oberste Farbschicht von Probe 4 (Abb. I.13, S. 135, Pfeil 2). In den folgenden Tabellen sind die o.g. Proben ebenfalls hervorgehoben. Die Dicke von Firnis und Firnisschichten ist in Abstufungen von 5 μm angegeben (vgl. Kap. 3.7, S. 125f.)

Tab. I.2: Schichtenabfolge der Malschicht, Zwischenfirnisse zusätzlich mit „ZF“ bezeichnet

136 Tabelle I.2 (S. 136) gibt einen Überblick über die Abfolge der Einzelschichten in den verschie- denen Bereichen des Gemäldes. In den Proben 4, 5 und 10 enthält die Malschicht auch Zwi- schenfirnisse, die mit „ZF“ bezeichnet sind. Tabelle I.3 fasst die Gesamtdicke der Malschicht und die Anzahl der Farbschichten und Zwischenfirnisse aller Proben zusammen (vgl. Kap. 3.7, S. 125f.). Dabei wird deutlich, dass sich die variierende Anzahl der Schichten und die ebenfalls variierende Gesamtdicke der Malschicht entsprechen. Ein nur einschichtiger Aufbau und die mit 5 bis 10 µm geringste Gesamtdicke liegen in Probe 9 vor. In den Proben 1, 3, 7a und 7b ist die Malschicht zweischichtig und hat eine Gesamtdicke von 10 bis 15 µm, während sie in Be- reich 4 sieben Schichten zählt und insgesamt 40 bis 50 µm dick ist.

Tab. I.3: Gesamtddicke der Malschicht (in Abstufungen von 5 µm) und Anzahl der Schichten (Farbschichten und Zwischenfirnisse)

Partielle Zwischenfirnisse Tabelle I.2 (S. 136) verdeutlicht, dass die in den Proben 4, 5 und 10 enthalten Zwischenfirnisse partiell aufgetragen sind. Die Auftragsgrenzen sind jedoch nicht bestimmt. In den zugehörigen Kartierungen der Querschliffaufnahmen mit UV-Anregung sind die Zwischenfirnisse in grau gezeichnet, im Kontrast zu den Farb- und Grundierungsschichten in hellgrau. Die Nummerie- rung der Schichten bezieht sich auf Tabelle I.2. Probe 4 (Abb. I.18, I.19, S. 139): Die Malschicht enthält drei Zwischenfirnisse. Der unterste Zwischenfirnis (Schicht 2) hat eine graue UV-Fluoreszenz und eine Dicke von unter 5 µm. Innerhalb der Probe läuft er zu Null hin aus. Der mittlere Zwischenfirnis (Schicht 4) weist eine ähnlich graue UV-Fluoreszenz und eine Dicke von 5 bis 10 µm auf. Der dritte Zwischenfirnis hat hingegen eine helle UV-Fluoreszenz und wie der unterste Zwischenfirnis eine Dicke von bis zu 5 µm. Die UV-Fluoreszenz deutet darauf hin, dass die Zwischenfirnisse unterschiedliche Firnismaterialien enthalten. Probe 5 (Abb. I.20, I.21, S. 139): Die Malschicht enthält nur einen Zwischenfirnis in Schicht 3. Er fluoresziert hell und hat eine Dicke von bis zu 5 µm. Aufgrund der UV-Fluoreszenz wäre ein Bezug zum obersten Zwischenfirnis in Probe 4 (Schicht 6) denkbar.

137 Probe 10 (Abb. I.24, I.25, S. 140): Der Zwischenfirnis in Schicht 3 hat ebenfalls eine helle UV- Fluoreszenz und eine Dicke von 5 bis 10 µm. Die Probeentnahmestelle liegt im Bereich einer Formkorrektur an dem Saum des hellen Tuches, was den Auftrag eines Zwischenfirnisses er- klären könnte.

4.1.4.3 Firnis

Die Abbildungen I.16 bis I.25 (S. 138ff.) zeigen wiederum die Proben 1, 4, 7b und 10 sowie zusätzlich Probe 5 in der Gegenüberstellung der Mikroskop-Aufnahmen mit UV-Anregung und der Kartierungen. Pfeile deuten in den Proben 1, 4, 7b auf die Malschichtoberfläche. In Probe 10 ist dies Pfeil 1, Pfeil 2 zeigt auf die rote, im Firnis eingebettete Farbschicht der Nummer des Inv. 1749ff. In den Mikroskop-Aufnahmen und Kartierungen sind die Schichtenfolgen des Fir- nisses verzeichnet. Die Tabellen I.4 bis I.7 (S. 140ff.) geben einen Überblick über die Gesamt- dicke, die Anzahl, Dicke und UV-Fluoreszenz der Firnisschichten sowie über den Rekonstruk- tionsversuch der Schichtenfolgen des Firnisses aller Proben. Die Dicke von Firnis und Firnis- schichten ist ebenfalls in Abstufungen von 5 µm angegeben (vgl. Kap. 3.7, S. 125f.). In den Ta- bellen I.5 bis I.7 ist die im Firnis eingebettete Farbschicht der Nummer des Inv. 1749ff. als rote Horizontal-Linie verzeichnet.

Schichten und Schichtenfolgen des Firnisses im Querschliff Mikroskop-Aufnahmen: UV-Anregung Kartierungen: Firnis: weiß, Farbschichten und Grundierung: hellgrau, Zwischenfirnisse: grau

Abb. I.16: Probe 1, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. I.17: Probe 1, Kartierung, Schichtenfolgen des tenfolgen des Firnisses: 1-3, Rissbereiche: R1-R3, Firnisses: 1-3, Rissbereiche: R1-R3, Pfeil: Mal- Pfeil: Malschichtoberfläche schichtoberfläche

138

Abb. I.18: Probe 4 rechts, Mikroskop-Aufnahme, Abb. I.19: Probe 4 rechts, Kartierung, Schichtenfol- Schichtenfolgen des Firnisses: 1-4, Rissbereich: R1, gen des Firnisses: 1-4, Rissbereich: R1, Pfeil: Mal- Pfeil: Malschichtoberfläche schichtoberfläche

Abb. I.20: Probe 5, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. I.21: Probe 5, Kartierung, Schichtenfolgen des tenfolgen des Firnisses: 1-3, Rissbereich: R1, Pfeil: Firnisses: 1-3, Rissbereich: R1, Pfeil: Malschicht- Malschichtoberfläche oberfläche

Abb. I.22: Probe 7b, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. I.23: Probe 7b, Kartierung, Schichtenfolgen des tenfolgen des Firnisses: 1-4, Rissbereich: R1, Pfeil: Firnisses: 1-4, Rissbereich: R1, Pfeil: Malschicht- Malschichtoberfläche oberfläche

139

Abb. I.24: Probe 10, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. I.25: Probe 10, Kartierung, Schichtenfolgen des tenfolgen des Firnisses: 1-4, Pfeil 1: Malschichtober- Firnisses: 1-4, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: fläche, Pfeil 2: Farbschicht der Nummer des Inv. Farbschicht der Nummer des Inv. 1749ff. 1749ff.

Gesamtdicke Tabelle I.4 fasst die Gesamtdicke des Firnisses aller Proben zusammen. Sie beträgt mehrheitlich zwischen 20 und 35 µm. Probe 1 hat eine Dicke von 25 bis 30 µm und Probe 10 eine Dicke von 20 bis 25 µm. Dicker sind Probe 4 (45-50 µm), Probe 7b (bis 60 µm) und Probe 5 (75-80 µm), da sie aus dem Bereich von Firnisläufern und -girlanden entnommen sind.

Tab. I.4: Gesamtdicke des Firnisses (in Abstufungen von 5 µm) und Anzahl der Firnisschichten

Anzahl der Firnisschichten Tabelle I.4 verzeichnet die Anzahl der Firnisschichten. Sie variiert zwischen zwei in Probe 9 und sechs Schichten in Probe 4. Dabei überwiegen drei (Proben 1, 3 und 7a) und fünf Schichten (Proben 5, 7b und 10). Die Tabelle zeigt, dass die Gesamtdicke des Firnisses und die Schichten- anzahl nicht korrespondieren. Beispielsweise hat Probe 4 mit sechs Schichten eine wesentlich geringere Dicke als Probe 5 mit fünf Schichten, bei den Proben 3 und 10 ist die Gesamtdicke ähnlich, aber die Anzahl (drei und fünf Schichten) abweichend.

140 Dicke der Firnisschichten Tabelle I.5 gibt einen Überblick über die Dicke der Firnisschichten aller Proben. Die dünnsten Schichten messen bis zu 5 µm. Mehrheitlich haben die Schichten eine Dicke von bis 10 µm, in der weit überwiegenden Zahl eine Dicke von bis zu 15 µm. In verschiedenen Proben sind 15 bis 20 µm dicke Schichten vorhanden. In den Proben 5 und 7b, die gleichzeitig auch die höchste Gesamtdicke haben, liegen Schichten mit Dicken von über 40 µm vor.

Tab. I.5: Dicke der Firnisschichten, in Abstufungen von 5 µm und in den Schichtdicken 1 bis 9, farbig kontrastiert (siehe Legende), Farbschicht der Nummer des Inv. 1749ff. in Probe 10 als rote Horizontal-Linie

UV-Fluoreszenz der Firnisschichten Tabelle I.6 (S. 142) verzeichnet die UV-Fluoreszenz der Firnisschichten. Überwiegend haben sie eine helle UV-Fluoreszenz, z.B. Firnisschichten 1 und 3 in Probe 1. In sechs der insgesamt acht Proben ist eine Schicht vorhanden, die auffällig dunkelgelb fluoresziert. In Probe 1 zeich- net sie sich am deutlichsten ab (Firnisschicht 2). Hingegen zeigt sich in den Proben 7a und 9 keine Schicht mit einer entsprechenden UV-Fluoreszenz. Beide Proben stammen aus dem äu- ßersten, vom Zierrahmen abgedeckten Bildrand. Möglicherweise ist dieser Unterschied auf eine geringere chemische Degradation des Firnisses zurückzuführen und nicht auf ein Fehlen dieser Firnisschicht. Die geringere Degradation zeigt sich auch darin, dass der Firnis dort kaum gegilbt ist (vgl. Abb. I.6, S. 133).475 Eine graue UV-Fluoreszenz hat Probe 7b in Firnisschicht 4, die aber sonst an keiner anderen Firnisschicht beobachtet wird.

475 Vgl. Rie 1982, S. 66ff. De la Rie stellt Gilbung und UV-Fluoreszenz als zusammengehörige Phänomene eines Degradationsprozesses der Firnismaterialien Mastix, Dammar und Sandrak dar. 141

Tab I.6: UV- Fluoreszenz der Firnisschichten, rote Farbschicht der Nummer des Inv. 1749ff. in Probe 10 als rote Horizontal-Linie

Rekonstruktionversuch von Schichtenfolgen In dem Rekonstruktionsversuch werden aus den Firnisschichten aller Proben vier Schichten- folgen ermittelt, die für das gesamte Gemälde gelten. Diese Schichtenfolgen beinhalten ent- weder mehrere Schichten oder aber nur eine Schicht. Bei dem Rekonstruktionsversuch werden Anzahl, Dicke und UV-Fluoreszenz der Schichten betrachtet. Tabelle I.7 fasst die Resultate zu- sammen. Schichten, die sich keiner Schichtenfolge zuordnen lassen, sind darin mit einem „?“ ausgewiesen. In der Tabelle sind die Schichtenfolgen in Grautönen, die nicht zuzuordnenen Fir- nisschichten in Weiß hinterlegt.

Tab. I.7: Rekonstruktionsversuch der Schichtenfolgen 1 bis 4, nicht zuzuordnende Schichten: „?“,, rote Farbschicht der Nummer des Inv. 1749ff. in Probe 10 als rote Horizontal-Linie

142 Schichtenfolge 1: Die Schichten haben eine helle Fluoreszenz. Einschichtig ist die Schichten- folge in den Proben 1, 3, 5, 7a und 7b, zweischichtig in den Proben 4 und 10. Die zweischich- tigen Proben enthalten einen Schlussfirnis und eine historische Firnisschicht. Ein gemeinsames Merkmal der Schichten ist die geringe Dicke. Der Schlussfirnis misst zu 5 µm. Die historischen Firnisschichten der Schichtenfolge 1 sind mehrheitlich ebenfalls bis zu 5 µm dick, in Probe 2 liegt eine Schichtdicke von 5 bis 10 µm vor. Die rote Farbschicht der Nummer des Inventars von 1749ff. ist in Probe 10 zwischen den Firnisschichten 1 (Schlussfirnis) und 2 (historische Firnisschicht) eingebettet. In Probe 9 ist keine Zuordnung der Schichten möglich. Schichtenfolge 2: Als Schichtenfolge 2 werden die Schichten mit dunkelgelber UV-Fluores- zenz in den Proben 1 bis 5, 7b und 10 bestimmt. Die Schichten haben eine unterschiedliche Dicke, die in Probe 3 bis zu 5 µm, in den Proben 1, 4, 7b und 10 zwischen 5 und 10 µm und in Probe 3 zwischen 10 und 15 µm beträgt. In den Proben 7a und 9 vom äußersten Bildrand ist die Schichtenfolge nicht erkennbar. Schichtenfolge 3: Die Firnisschichten haben überwiegend eine helle UV-Fluoreszenz, Aus- nahme ist die graue UV-Fluoreszenz von Firnischicht 4 in Probe 7b (vgl. Tab. I.6, S. 142). Als wesentliche Gemeinsamkeit der Proben 1 bis 5, 7b und 10 kann festgestellt werden, dass die Dicke dieser Schichtenfolge über die Hälfte der Gesamtdicke des Firnisses beträgt. Zahl und Dicke der Schichten sind hingegen verschieden. Nur eine Schicht ist in den Proben 1, 3 und 10 erkennbar, zwei Schichten in den Proben 4 und 7b und drei Schichten in der Probe 5. Beispiels- weise in Probe 4 misst Firnisschicht 3 über 40 µm, Firnisschicht 4 nur zwischen 5 und 10 µm. (vgl. Tab. I.5, S. 140, Tab. I.7, S. 142). Schichtenfolge 4: Sie wird nur in den Proben 4, 7b und 10 bestimmt und enthält nur eine hell fluoreszierende Schicht mit einer Dicke bis zu 5 µm.

Versuch der Bestimmung eines Schlussfirnisses und einer zeitlichen Einordnung der Schichten und Schichtenfolgen Die untere Schicht von Schichtenfolge 1 wird zwischen 1722, dem Entstehungsjahr des Ge- mäldes und 1749, dem Jahr der Inventarisierung und vermutlich auch des Auftrags der roten Inventarnummer, eingeordnet und deshalb als Schlussfirnis identifiziert. Seine Merkmale sind ein einschichtiger Aufbau, eine geringe Schichtdicke und helle UV-Fluoreszenz. Die in den Proben 4 und 10 erkennbare zweite Schicht von Schichtenfolge 1 repräsentiert die erste Restaurierung des Gemäldes um oder nach 1749. Auch sie ist dünn und hat eine helle Flu- oreszenz. Die Schichtenfolgen 2 bis 4 sind vermutlich das Resultat von mindestens drei wei- teren Restaurierungen des Gemäldes, die in der nicht weiter differenzierbaren Zeitspanne nach

143 1749 bis vermutlich vor 1932/33, sicherlich aber vor 1952/1953 stattfinden. Alle nicht origi- nalen Firnisschichten sind damit auch historisch.

144 4.1.5 Schäden und Veränderungen

4.1.5.1 Grundierung

Die Grundierung weist keine Schäden auf. Die zum Teil auch die Grundierung betreffende Riss- bildung ist zusammenfassend im folgenden Punkt beschrieben.

4.1.5.2 Malschicht

Malschichtrisse Die Rissbildung der Malschicht unterscheidet sich in den einzelnen Bereichen des Gemäldes. Bereich 1 ist repräsentativ für weite Teile, davon ausgehend werden in den Bereichen 3, 4 und 7 lokale Unterschiede und Besonderheiten dargestellt. Wie in Kapitel 3.2 (S. 91f.) beschrieben, wird unterschieden zwischen geweiteten und tiefen, bis zum Bildträger reichenden Rissen mit einer Breite ab 0,03 mm sowie schmalen und oberflächlichen Rissen, die innerhalb der Mal- schicht oder der Grundierung enden und bis zu 0,02 mm breit sind.

Abb. I.26.1-I.26.4: Rissprofile der Malschicht, Zeichnungen, Malschicht: grau gesprenkelt

Malschichtrisse: Profile Die Profile der Malschichtrisse sind in den Abbildungen I.26.1 bis I.26.4 zeichnerisch dar- gestellt. Geweitete und tiefe Risse: Sie haben überwiegend eine Breite von 0,03 bis 0,05 mm, die größte Rissbreite beträgt 0,08 mm (Bereich 6). Abbildung I.26.1 zeigt ein typisches Profil in den Be- reichen 1 und 4. Merkmale sind eine v-förmige Weitung, eine Zunahme der Weitung zur Mal- schichtoberfläche hin und aufgewölbte Kanten. Die Proben 1 und 4 rechts (Abb. I.16, I.17, S.

145 138, Abb. I. 18, I.19, S. 139) sind jedoch dafür nicht beispielhaft. In Probe 7b hat sich ein Rissprofil gebildet, in dem die Rissflächen parallel sind (Abb. I.26.2, S. 145). Unter der An- nahme, dass das unvollständige Rissprofil der Probe an der untersten Grundierungsschicht endet, kann man eine Randflucht unten vermuten. Schmale und oberflächliche Risse: Diese Risse haben überwiegend eine Breite von 0,01 bis 0,02 mm und ebenfalls verschiedene Profile. Abbildung I.26.3 (S. 145) zeigt ein v-förmiges, zunehmend geweitetes Profil mit aufgewölbten Kanten. In der Mikroskop-Aufnahme von Probe 1 ist ein Riss erfasst, der eine Breite von 10 µm und Tiefe von 24 µm hat und innerhalb der oberen Grundierungschicht endet (Abb. I.16, I.17, S. 138, Rissbereich R2). Ein Rissprofil ohne aufgewölbte Kanten wie in Abbildung I.26.4 (S. 145) ist Probe 1 im Rissbereich R3 (Abb. I.16, I.17, S. 138) vorhanden. Dieser Riss ist 9 µm breit, 10 µm tief und reicht bis zur Grundierung. Übergänge beider Rissformen: Im Rissbereich R3 von Probe 4 links hat ein Riss eine Breite von 36 µm (entsprechend 0,04 mm) und ist damit geweitet. Gleichzeitig ist er aber oberfläch- lich, da er innerhalb der oberen Grundierungsschicht endet (Abb. I.59, S. 166).

Malschichtrisse: Einzelrisse in der Aufsicht In den Abbildungen I.27 bis I.34 (S. 147f.) der Bereiche 1, 3, 4 und 7 sind Mikroskop-Aufnah- men der Bildoberfläche und Kartierungen gegenübergestellt. Geweitete und tiefe Risse: Sie sind glatt bis leicht gezackt und zügig. Überwiegend verlaufen sie gerade wie in Bereich 7 (Abb. I.33, I.34, S. 148) oder nur leicht gebogen wie in Bereich 4 (vgl. Abb. I.31, I.32, S. 148). Ihre Länge reicht mehrheitlich von 1 bis 10 cm, vereinzelt bis 20 cm, in einem Fall sogar über die gesamte Tafelbreite (31,8 cm). Schmale und oberflächliche Risse: Diese Risse sind ebenfalls glatt bis leicht gezackt und zügig sowie gerade bis ein- oder mehrfach gebogen. Pfeil 1 in den Abbildungen I.29 und I.30 (S. 147) von Bereich 3 und ein Pfeil in den Abbildungen I.33 und I.34 (S. 148) von Bereich 7 deuten auf Risse, die sowohl leicht gezackt als auch stark gebogen sind. Die Risslänge beträgt z.B. in Bereich 1 überwiegend 0,3 bis 1 mm. Der o.g. Riss in Bereich 7 ist mit ca. 1,5 mm einer längs- ten.476 Variierende Rissbereite: In den Bereichen 3 und 4 finden Übergänge zwischen geweiteten und tiefen sowie schmalen und oberflächlichen Rissen statt. In den Abbildungen I.29 und I.30 (S. 148) von Bereich 3 sind sie deutlich an drei Stellen erkennbar (Mitte und rechts oben), in den Abbildungen I.31 und I.32 (S. 148) von Bereich 4 sind die Übergänge eines Risses rechts unten mit den Pfeilen 1 und 2 markiert. Der Abschnitt des geweiteten und tiefen Risses ist 0,5 mm

476 Der längste der schmalen und oberflächlichen Risse befindet sich in Bereich 10 und misst 2,5 mm. 146 lang, seine Breite beträgt 0,03 mm, die folgenden Abschnitte der schmalen und oberflächlichen Risse sind 0,01 bis 0,02 mm breit. In allen hier vorgestellten Bereichen enden diverse schmale und oberflächliche Risse in der Fläche und laufen dabei zu Null hin aus. Beispielhaft wird dies in Bereich 1 illustriert (Abb. I.27, I.28). Pfeil 1 weist auf das einseitige Auslaufen eines Risses, der an der anderen Seite mit einem weiteren Riss zusammengeschlossen ist, Pfeil 2 auf das beidseitige Auslaufen eines Risses.

Malschichtrisse: Einzelformen und Rissanordnungen in der Aufsicht Mikroskop-Aufnahmen: Beleuchtung schräg von links und mit Shellsol T benetzt Kartierungen: geweitete und tiefe Malschichtrisse: grün, schmale und oberflächliche Malsschichtrisse: blau

Abb. I.27: Bereich 1, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil 1: Abb. I.28: Bereich 1, Kartierung, Pfeil 1: einseitiges, einseitiges, Pfeil 2: beidseitiges Auslaufen eines Pfeil 2: beidseitiges Auslaufen eines schmalen und schmalen und oberflächlichen Risses in der Bild- oberflächlichen Risses in der Bildfläche fläche

Abb. I.29: Bereich 3, Mikroskop-Aufnahme, Pfeile 1: Abb. I.30: Bereich 3, Kartierung, Pfeile 1: schmale schmale und oberflächliche Risse mit leicht gezack- und oberflächliche Risse mit leicht gezacktem und tem und zügigem Einzelrissverlauf, Pfeile 2: Parallel- zügigem Einzelrissverlauf, Pfeile 2: Parallelverlauf verlauf von Rissen von Rissen

147

Abb. I.31: Bereich 4, Mikroskop-Aufnahme, Pfeile 1, Abb. I.32: Bereich 4, Kartierung, Pfeile 1, 2: Über- 2: Übergang zwischen einem schmalen und ober- gang zwischen einem schmalen und oberflächlichen flächlichen und einem geweiteten und tiefen Riss, und einem geweiteten und tiefen Riss, Pfeile 3, 4: Pfeile 3, 4: Rissablenkung Rissablenkung

Abb. I.33: Bereich 7, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil: Abb. I.34: Bereich 7, Kartierung, Pfeil: schmaler und schmaler und oberflächlicher Riss mit leicht gezack- oberflächlicher Riss mit leicht gezacktem und zügi- tem und zügigem sowie stark gebogenem Einzelriss- gem sowie stark gebogenem Einzelriss-Verlauf Verlauf

Malschichtrisse: Rissanordnung in der Aufsicht Geweitete und tiefe Risse: In Bereich 1 (Abb. I.27, I.28, S. 147) und Bereich 7 (Abb I.33, I.34) formieren sich die Risse zu einem Parallelcraquelé mit horizontaler Vorzugsrichtung.477 Sie liegen meist isoliert in der Fläche, mit einem Abstand von 1 bis 2 cm zueinander. In den Abbil- dungen ist deshalb nur jeweils ein Riss erfasst. An einzelnen Stellen wie in Bereich 4 (Abb. I.31, I.32) liegt ein mehrheitlich geschlossenes Netzcraquelé vor. Pfeil 3 zeigt exemplarisch die Ablenkung eines Risses. Ungewöhnlich ist die Rissanordnung in Bereich 3 (Abb. I.29, I.30, S. 147). Dort bilden die geweiteten und tiefen Risse kein eigenständiges Craquelé, sondern nur kurze Abschnitte, die in längere, schmale und oberflächliche Risse übergehen.

477 Der zum Faserverlauf der Holztafel orthogonale Verlauf entspricht nicht dem üblichen Rissverlauf. Die Ur- sachen der Abweichung kann aber nicht erklärt werden. 148 Schmale und oberflächliche Risse: Mehrheitlich bilden sie ein weitgehend geschlossenes Netz- craquelé. Bereich 1 (Abb. I.27, I.28, S. 147) ist repräsentativ für den größten Teil der Bildfläche. Am Bildrand in Bereich 7 (Abb. I.33, I.34, S. 148) ist das Rissnetz weiter als in Bereich 1. Der Unterschied besteht vor allem darin, dass hier kürzere, die Binnenflächen füllende Risse fehlen. Einige Risse schließen sich nur an einem Ende mit anderen Rissen zusammen, andere liegen isoliert in der Fläche. Die Risse weisen eine Rissablenkung zu den geweiteten und tiefen Rissen auf, untereinander werden die kürzeren Risse zu den längeren hin abgelenkt. In den Abbil- dungen I.31 und I.32 (S. 148) von Bereich 4 weist Pfeil 4 auf einen entsprechenden Riss hin. Hingegen hat sich in Bereich 3 (Abb. I.29, I.30, S. 147) eine Verbindung von Gitter- und Netzcraquelé gebildet. Ungewöhnlicherweise verlaufen viele der vertikalen und horizontalen Risse des Gittercraquelés und der meist diagonalen Risse des Netzcraquelés in unmittelbarer Nähe parallel (Pfeil 2) oder überlagern sich.

Malschichtrisse: Überlagerung Für die Untersuchung der ungewöhnlichen Anordnung der schmalen und oberflächlichen Risse in Bereich 3 wird ein Ausschnitt der Kartierung in Abbildung I.30 (S. 147) gewählt. In einem Rekonstruktionsversuch soll gezeigt werden, dass die Risse aus verschiedenen Phasen stam- men. In Abbildung I.35 (S. 150) links sind Überlagerungen von Rissen mit grauen Kreisen hervor- gehoben. Pfeile zeigen auf drei Einzelrisse, die sich mit weiteren Rissen zu den Rissverläufen 1 bis 3 zusammenschließen. In Abbildung I.36 (S. 150) ist der Rissverlauf 1 isoliert dargestellt. Er wird als der früheste Rissverlauf angesehen, weil er, ähnlich wie in Bereich 1, einen hori- zontalen, geweiteten und tiefen Malschichtriss enthält und die schmalen und oberflächlichen Malschichtrisse ein Netzcraquelé bilden. Dem Rissverlauf 2 werden zwei Risse zugeordnet, die einen geraden Verlauf sowie eine horizontale und vertikale Orientierung haben und sich damit in das Gittercraqelé einordnen (Abb. I.37, S. 150). Teilweise überlagern sie den Rissverlauf 1, teilweise schließen sie an ihn an (Abb. I.35, S. 150). Rissverlauf 3 stellt einen vertikalen Riss dar, der oben an Rissverlauf 1 anschließt, links unten hingegen die Rissverläufe 1 und 2 über- lagert (Abb. I. 35, I.38, S. 150).

149 Rekonstruktionsversuch der Überlagerung von Malschichtrissen Kartierungen: geweitete und tiefe Malschichtrisse: grün, schmale und oberflächliche Malsschichtrisse: blau

Abb. I.35: Bereich 3, Kartierung (Ausschnitt von Abb. I.36: Bereich 3, Kartierung, Rissverlauf 1 in Abb. I.30, S. 147), graue Kreise: Markierung der isolierter Darstellung Überlagerung von Rissen, Pfeile: Rissverlauf 1, 2 und 3

Abb. I.37: Bereich 3, Kartierung, Rissverlauf 2 in Abb. I.38: Bereich 3, Kartierung, Rissverlauf 3 in isolierter Darstellung isolierter Darstellung

In einem weiteren modellhaften Rekonstruktionsversuch wird dargestellt, unter welchen Be- dingungen diese ungewöhnliche Risskonstellation entstehen kann. Der Versuch geht verein- fachend von nur zwei Rissverläufen aus und es werden zwei aufeinander folgende Restaurie- rungen, z.B. Firnisregenerierungen oder Firnisaufträge, zu Grunde gelegt. Abbildung I.39.1 (S. 151) zeigt Phase 1, einen gealterten Zustand. Pfeil 1 deutet auf eine Riss- bildung von Malschicht und Firnis. In Phase 2 findet eine erste Restaurierung statt, bei der die Firnisrisse geschlossen und die Malschichtrisse mit Firnis gefüllt werden (Abb. I.39.2, S. 151, Pfeil 1). Abbildung I.39.3 (S. 151) zeigt die anschließende Neubildung von Firnis- und Mal- schichtrissen (Pfeil 2) ohne Verbindung mit den ehemaligen Firnisrissen und den bereits bestehenden, durch Firnis geschlossenen Malschichtrissen (Pfeil 1).

150

Abb. I.39.1- I.39.5: Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Entwicklung des Malschichtcraquelés in Bereich 3 (Parallellverlauf und Überlagerung von Rissen), Zeichnungen, Firnis: rot, Malschicht: grau

In einer zweiten Restaurierung werden wiederum die neuen Firnisrisse geschlossen und die neuen Malschichtrisse mit Firnis gefüllt (Abb. I.39.4, Pfeile 1, 2). Abschließend ist in Abbil- dung I.39.5 die Risskonstellation der Malschicht ohne den Firnis dargestellt. Man erkennt erstens einen Parallelverlauf eng nebeneinander liegender Risse (Pfeile 1 und 2) und zweitens die Überlagerung der älteren durch die neuen Malschichtrisse (Pfeile 3).

Abschabungen am Bildrand Das Gemälde weist mehrere Abschabungen am Bildrand auf, die beim Einrahmen des Ge- mäldes durch den kurzzeitigen Kontakt mit dem Zierrahmenfalz entstanden waren.478 Pfeil 1 in Abbildung I.40 (S. 152) zeigt die Stelle des ersten Kontakts. Dort kommt es zum Abriss der braunen Farbschicht, zur Verschiebung in Richtung Bildmitte und zur Faltung (Pfeil 2). Die hellbraune Grundierung wird freigelegt und stellenweise aufgerissen (Pfeil 3). Abbildung I.41 (S. 152) zeigt die Faltung noch einmal im Detail. Die folgenden Untersuchungen deuten darauf

478 Vgl. Brammer 1987, S. 102. Brammer beschreibt diese für zahlreiche Gemälde der Kasseler Gemäldegalerie typische Beschädigung erstmals an Ferdinand Bol, Bildnis einer jungen Frau mit Nelke. 151 hin, dass die Beschädigung der Malschicht und Grundierung nicht bei oder kurz nach der Bild- entstehung, sondern frühestens nach der ersten Restaurierung des Gemäldes stattfindet (vgl. Kap. 4.1.5.3, S. 175f.). Somit wird sie als Hinweis auf eine Wiedererweichung der bereits ge- alterten Malschicht und Grundierung infolge einer Lösemitteleinwirkung bei einer Restau- rierung betrachtet.

Abschabung am Bildrand Mikroskop-Aufnahmen: Beleuchtung schräg von links und mit Shellsol T benetzt

Abb. I.40: Bereich 9, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil 1: Abb. I.41: Bereich 9, Mikroskop-Aufnahme (Aus- Abriss der Malschicht, Pfeil 2: Faltung der Mal- schnitt von Abb. I.40), Pfeil: Faltung der Malschicht schicht, Pfeil 3: Rissbildung der Grundierung

152 Deformationen, Migration und Schichtenauflösung Deformationen und Schichtenauflösungen sind in den Bereichen bzw. den Proben 4, 5 und 10 zu beobachten, exemplarisch werden sie in Probe 4 rechts vorgestellt. Abbildung I.42 zeigt eine bis knapp an die Firnisoberfläche reichende Runzel.479 Am Scheitel der Runzel hat sich ein Riss gebildet, dessen Ränder angequollen sind (Pfeil 1). An der Flanke der Runzel ist die Malschicht wellig deformiert (Pfeil 2). Bereits Schichtenfolge 1 des Firnisses nivelliert diese wellige De- formationen, ebenso wie die Runzel insgesamt (Pfeil 3). Vermutlich ist die Runzelbildung mal- technisch bedingt, sicherlich aber steht sie nicht in Verbindung mit der vermutlichen Wiederer- weichung der Malschicht, welche die Abschabungen am Bildrand ermöglicht hatte. Am rechten Rand der Probe 4 rechts (Abb. I.43) wird deutlich, dass sich die welligen Deformationen auf die obersten beiden, sehr dünnen Farbschichten und die beiden Zwischenfirnisse konzentrieren (Pfeile 1 und 2), während die darunterliegende Farbschicht (Pfeil 3) eben ist. Die oberste Farb- schicht wird in Richtung des Rissbereichs R1 dünner, bis sie zu Null hin ausläuft (Pfeil 4). Ver- mutlich handelt es sich um eine Auflösung der Schicht und nicht um einen Abrieb, jedoch sind keine Pigmente oder Farbschlieren im Firnis erkennbar. Im folgenden Kapitel 4.1.5.3 wird eine geringfügige Migration von Farbe im Rissbereich R3 der Probe 4 links in Verbindung mit Fir- nisdeformationen betrachtet (Abb. I.80, I.81, S. 173).

Runzelbildung, Deformation und Auflösung der Malschicht im Querschliff Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. I.42: Probe 4 rechts, Mikroskop-Aufnahme, UV- Abb. I.43: Probe 4 rechts, rechter Probenrand, Mik- Anregung, Pfeil 1: deformierter oberflächlicher Riss, roskop-Aufnahme, UV-Anregung und externe Be- Pfeil 2: Malschichtoberfläche, Pfeil 3: obere Schicht- leuchtung, Rissbereich: R1, Pfeile 1, 2: wellige De- grenze der Schichtenfolge 1 des Firnisses formation von Farbschichten und Zwischenfirnissen, Pfeil 3: ebene Farbschicht, Pfeil 4: Auflösung der obersten Farbschicht zum Rissbereich R1 hin

479 Vgl. Klopfer 1976, S. 131f., Abb. 3.6.1 A, S. 131. 153 4.1.5.3 Firnis

Gilbung Die Gilbung ist sehr ausgeprägt und wirkt zudem durch die borkenartigen Deformationen ungleichmäßig. Am äußersten, ehemals durch einen Zierrahmen abgedeckten Bildrand ist die Gilbung sehr viel geringer (vgl. Abb. I.6, S. 133). Die Querschliffe werden im schrägen Durch- licht480 daraufhin untersucht, ob die Gilbung über die gesamte Firnisdicke hinweg einheitlich ist oder sich auf Schichten oder Schichtenfolgen konzentriert. Abbildung I.44 zeigt dazu Probe 1. Der Pfeil deutet auf den Bereich mit deutlich stärkerer Gilbung. Dieser Bereich deckt sich mit Schichtenfolge 2 und schließt möglicherweise einen Teil von Schichtenfolge 1 ein. In den übrigen Proben ist hingegen keine Konzentration der Firnisgilbung darstellbar.

Firnisgilbung im Querschliff Mikroskop-Aufnahme: schräges Durchlicht externer Beleuchtung

Abb. I.44: Probe 1, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Bereich mit stärkerer Gilbung des Firnisses

Trübung Der Firnis ist nur in Bereich 8, innerhalb eines vertikal verlaufenden Firnisläufers am linken Bildrand, getrübt. Der Läufer ist 2 cm lang und 3 mm breit. Abbildung I.45 (S. 155) zeigt einen Ausschnitt des Läufers an seinem unteren Ende. Die Trübung liegt in Form kleinster Teilflächen vor, zwischen diesen ist der Firnis transparent (Pfeil). Bei den transparenten Bereichen handelt es sich um das Umfeld ehemaliger Firnisrisse. Auf die ehemaligen Firnisrisse wird im folgen- den Abschnitt dieses Kapitels eingegangen. Es wird davon ausgegangen, dass im Bereich 8 Reste einer ehemals ganzflächigen oder weitläufigen Firnistrübung erhalten sind, die im Zuge einer Restaurierung regeneriert worden war. Vermutlich aufgrund der höheren Schichtdicke des

480 Mit dem Mikroskop Leitz Metallux 3 erzielt eine externe, leicht schräge Beleuchtung der Querschliffe von un- ten mit einer Kaltlichtleuchte bessere Resultate als das koaxiale Durchlicht. Die Proben sind nur als Querschliffe, nicht als Dünnschliffe präpariert. 154 Firnisses an der Stelle des Läufers konnte das Lösemittel nur entlang der Firnisrisse wirken und nicht bis in die von den Rissen weiter entfernten Bereiche und tieferen Schichtenebenen vor- dringen.

Lokale Firnistrübung am Bildrand Mikroskop-Aufnahme: Beleuchtung schräg von links und mit Shellsol T benetzt

Abb. I.45: Bereich 8, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil: transparente Bereiche im Verlauf ehemaliger Firnis- risse

Rissbildung Die Darstellung gliedert sich erstens in ehemalige und aktuelle Firnisrisse sowie zweitens in Profil, Einzelrisse und Rissanordnungen in der Aufsicht. Dabei ist Bereich 1 repräsentativ für weite Teile des Gemäldes. Der überwiegende Teil der ehemaligen Firnisrisse bildet gleichzeitig die Vertiefungen der borkenartigen Firnisdeformationen. Zudem wird auf die vorhandene oder fehlende Verbindung zwischen ehemaligen und aktuellen Firnisrissen und den Malschicht- rissen sowie auf Firnismigrationen und -ausbrüche in den Rissbereichen eingegangen.

Ehemalige Firnisrisse: Profile Sieben Profile ehemaliger Firnisrisse werden unterschieden und sind in den Abbildungen I.46.1 bis I.46.8 (S. 156) zeichnerisch dargestellt. Profil a (Abb. I.46.1, S. 156): Das Profil ehemaliger Firnisrisse ist typisch für die Bereiche 1 und 7. Es ist mit den geweiteten und tiefen Malschichtrissen verbunden. Firnis überdeckt in sehr geringer Dicke die Risskanten der Malschicht, an dieser Stelle zeichnet sich eine minimale Erhebung ab. Im Bereich der Malschichtrisse liegt der Firnis geringfügig unterhalb der Mal- schichtoberfläche. Die Breite der ehemaligen Firnisrisse (Pfeil 1) beträgt in Bereich 1 über- wiegend 0,2 bis 0,3 mm, in Bereich 7 überwiegend 0,6 bis 0,7 mm. Die Tiefe (Pfeil 2) übersteigt geringfügig die Firnisdicke, die abseits der Rissbereiche 25 bis 30 µm in Probe 1 und bis zu 60 µm in Probe 7b misst.

155

Abb. I.46.1-I.46.8: Profile ehemaliger Firnisrisse, Zeichnungen, Firnis: hellgrau, Malschicht: hellgrau gespren- kelt, Pfeile 1 bzw. 1a und 1b: Rissbreite, Pfeile 2: Risstiefe

Profil b (Abb. I.46.2): Das Profil liegt in den Bereichen 4 und 5 vor. Auch diese Risse sind mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen verbunden. Wie in Profil a sind leichte Erhebungen des Firnisses an den Malschichtkanten vorhanden. Zudem ist in mittlerer Höhe eine Kante erkenn- bar (Höhe von Pfeil 1b).481 Es wird vermutet, dass diese Kante während der Entwicklung des Profils ehemaliger Firnisrisse entsteht und es sich nicht um die Kante des ursprünglichen Risses handelt (siehe S. 179f.). An der Stelle von Pfeil 1a misst die Breite 0,4 bis 0,5 mm, der Abstand der Kanten (Pfeil 1b) misst 0,06 bis 0,08 mm. Pfeil 2 markiert die Risstiefe, die 45 bis 50 µm in Probe 4 und 75 bis 80 µm in Probe 5 beträgt.

481 Bei Probe 5 ist diese Kante im zweiten Anschliff, nicht aber im dritten Anschliff erkennbar. 156 Profil c (Abb. I.46.2, S. 156): Das Profil wird in Bereich 3 beobachtet. Ebenso wie bei den Profilen a und b besteht eine Verbindung mit den geweiteten und tiefen Malschichtrissen. Hingegen ist die Breite (Pfeil 1) mit 0,1 mm deutlich geringer. Ebenfalls geringer ist die Risstiefe. Sie kann aber nur abgeschätzt werden, weil das Profil in Probe 3 nicht in seinem typischen Verlauf erfasst ist. Als Vergleichswert dient die Firnisdicke von 20 bis 25 µm. Profil d (Abb. I.46.4, I.46.6 S. 156): Risse mit diesem Profil haben überwiegend Verbindung mit mit schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen (Abb. I.46.1, S. 156). Im Querschliff ist das Profil in Probe 1 abgebildet (Abb. I.17, S. 138, Rissbereich R2). Mehrheitlich misst die Breite (Pfeil 1) in den Bereichen 1 und 3 zwischen 0,1 und 0,2 mm, in den Bereichen 4 und 5 zwischen 0,2 und 0,3 mm. Die Tiefe (Pfeil 2) ist in Bereich 3 minimal, in den Bereichen 1, 4 und 5 beträgt sie über die Hälfte der Firnisdicke. Abbildung I.46.6 (S. 156) zeigt Profil d ohne Verbindung mit einem Malschichtriss, es ist in keiner Probe erfasst. Profil e (Abb. I.46.5, S. 156): Auch in diesem Fall besteht eine Verbindung mit schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen. Die Besonderheit dieser Risse ist, dass sie vollständig ni- velliert sind. Probe 3 enthält beispielsweise ein solches Profil in den Rissbereichen R3 und R4 (Abb. I.76, S. 172). Profil f (Abb. I.46.7, S. 156): Die ehemaligen Firnisrisse in Bereich 8 stellen einen Sonderfall dar. Sie sind nur durch ihre lokale Transparenz im getrübten Umfeld erkennbar (Abb. I.45, S. 155), nicht aber anhand von mit ihnen verbundenen Malschichtrissen oder Vertiefungen der Firnisoberfläche. In der Profilzeichnung sind die getrüben Bereiche des Firnisses bezeichnet. Die Breite (Pfeil 1) beträgt 0,1 bis 0,2 mm. Profil g (Abb. I.46.8, S. 156): Ein zweiter Sonderfall ist in den Bereichen 6 und 8 zu beobachten. Ehemalige Firnisrissse mit diesem Profil entwickeln sich in sehr kurzen Abschnitten aus den aktuellen Firnisrissen und sind damit zeitlich später einzuordnen als die Profile a bis f. Sie sind nur 0,01 mm breit (Pfeil 1) und ebenso breit wie die aktuellen Firnisrisse. Die Tiefe (Pfeil 2) ist deutlich geringer als die Firnisdicke.

Ehemalige Firnisrisse: Einzelrisse in der Aufsicht Die Einzelrisse sind in den Bereichen 1, 3, 4 und 7 in der Gegenüberstellung der Mikroskop- Aufnahmen bei koaxialer Beleuchtung und der Kartierung der Malschichtrisse auf der Grund- lage dieser Aufnahmen dargestellt (Abb. I.47-I.54, S. 158f.). Die geweiteten und tiefen Mal- schichtrisse verweisen auf die ehemaligen Firnisrisse mit den Profilen a bis c, die schmalen und oberflächlichen Malschichtrisse auf die ehemaligen Firnisrisse mit den Profilen d und e. Zudem ist in Bereich 6 (Abb. I.70, I.71, S. 169) und Bereich 8 (Abb. I.45, S. 155, Abb. I.72, I.73, S.

157 170) dar Profil g ehemaliger Firnisrisse in Mikroskop-Aufnahmen bei normaler und koaxialer Beleuchtung, jedoch ohne Kartierung der Malschichtrisse dargestellt.

Ehemalige Firnisrisse: Einzelrisse und Rissananordnungen in der Aufsicht in der Verbindung mit Malschichtrissen Mikroskop-Aufnahmen: koaxiale Beleuchtung Kartierungen: mit Mikroskop-Aufnahmen in koaxialer Beleuchtung, geweitete und tiefe Malschichtrisse: grün, schmale und oberflächliche Malschichtrisse: blau

Abb. I.47: Bereich 1, Mikroskop-Aufnahme, Pfeile 1- Abb. I.48: Bereich 1, Kartierung, Pfeile 1-3: ehema- 3: ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen lige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen (1: Profil (1: Profil a, 2: Profil d, 3: Profil e) a, 2: Profil d, 3: Profil e)

Abb. I.49: Bereich 3, Mikroskop-Aufnahme, Pfeile 1- Abb. I.50: Bereich 3, Kartierung, Pfeile 1-3: ehema- 3: ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen lige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen (1: Profil (1: Profil c, 2: Profil d, 3: Profil e) c, 2: Profil d, 3: Profil e)

158

Abb. I.51: Bereich 4, Mikroskop-Aufnahme, Pfeile 1- Abb. I.52: Bereich 4, Kartierung, Pfeile 1-3: ehema- 3: ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen lige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen (1: Profil (1: Profil b, 2: Profil d, 3: Profil e) b, 2: Profil d, 3: Profil e)

Abb. I.53: Bereich 7, Mikroskop-Aufnahme, Pfeile 1, Abb. I.54: Bereich 7, Kartierung, Pfeile 1, 3: ehema- 3: ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen lige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen (1: Profil (1: Profil a, 3: Profil e) a, 3: Profil e)

Ehemalige Firnisrisse mit Profil a: Pfeil 1 gekennzeichnet diese Risse in den Abbildungen I.47 und I.48 (S. 158) von Bereich 1 und den Abbildungen I.53 und I.54 von Bereich 7. In Bereich 1 sind sie leicht gezackt und zügig, ihre Länge beträgt mehrheitlich 1 bis 10 cm, vereinzelt bis zu 20 cm. Ein Riss führt über die gesamte Tafelbreite (31,8 cm). In Bereich 7 sind die Risse glatt und zügig sowie gerade bis leicht gebogen, über ca. 3 mm lang und führen damit über den Firnisläufer von Bereich 7 hinaus, der nur 1 cm breit ist (vgl. Abb. I.6, I.7, S. 133). Ehemalige Firnisrisse mit Profil b: Die Pfeile 1 deuten in den Abbildungen I.51 und I.52 von Bereich 4 darauf. Der Verlauf ist glatt und zügig sowie leicht, ein- und mehrfach gebogen. Die Risslänge reicht von 0,2 bis über 3 mm. Rechts oben markiert Pfeil 1 einen Übergang zu einem ehemaligen Firnisriss mit Profil b (Pfeil 2). Ehemalige Firnisrisse mit Profil c: In den Abbildungen I.49 und I.50 (S. 158) von Bereich 3 ist ein betreffender Riss mit Pfeil 1 gekennzeichnet. Die kurzen Rissabschnitte haben einen glatten

159 bis leicht gezackten und geraden Verlauf sowie eine Länge von 0,5 bis 0,8 mm. Die Risse gehen beidseitig in die ehemaligen Firnisrisse mit Profil d (Pfeil 2 Mitte) über. Ehemalige Firnisrisse mit Profi d: Die Risse liegen vor allem in den Bereichen 1, 3 und 4 vor und sind in den Abbildungen I.47 bis I.52 (S. 158f.) mit Pfeil 2 markiert. Sie sind überwiegend zügig und glatt sowie ein- bis mehrfach gebogen. In Bereich 1 deutet Pfeil 2 in der Mitte links auf einen Riss mit ausgeprägter Biegung (Abb. I.47, I.48, S. 158). In Verbindung mit den schmalen und oberflächlichen Malschichichtrissen reicht ihre Länge von 0,2 mm bis 1,5 mm. Die Risse weisen Übergänge zu den ehemaligen Firnisrissen mit den Profilen b und c auf. Ohne Verbindung mit Malschichtrissen sind sie nur 0,2 bis 0,5 mm lang. Betreffende Risse sind in Bereich 1 (Abb. I.47, I.48, S. 158, Pfeile 2 links unten) und in Bereich 4 (Abb. I.51, I.52, S. 159, z.B. Pfeil 2 Mitte) erkennbar. In Bereich 4 deutet Pfeil 2 rechts unten auf einen Übergang zum kurzen Abschnitt eines ehemaligen Firnisrisses mit Profil e. Ehemalige Firnisrisse mit Profil e: Die Risse sind vor allem in den Bereichen 4 und 7, vereinzelt auch in Bereichen 1 und 3 zu beobachten (Abb. I.47-I.54, S. 158f., Pfeil 3). Ihr Verlauf ist glatt bis leicht gezackt und zügig sowie gerade bis ein- und mehrfach, teilweise auch stark gebogen, z.B. in Bereich 3 (Abb. I.49, I.50, S. 158, Pfeil 3 oben Mitte) und in Bereich 7 (Abb. I.53, I.54, S. 159, Pfeil 3 oben Mitte). In Bereich 3 beträgt die Risslänge 0,5 bis 1,0 mm und in Bereich 7 zwischen 0,2 und 1,5 mm. Hingegen treten die Risse in den Bereichen 1 und 4 nur vereinzelt auf, ihre Länge beträgt dort nur 0,2 bis 0,3 mm. Ehemalige Firnisrisse mit Profil f: In Bereich 8 (Abb. I.45, S. 155) sind sie glatt und zügig so- wie gerade bis ein- und mehrfach gebogen. Sie haben eine Länge von 0,2 bis 4 mm (Pfeil). Ehemalige Firnisrisse mit Profil g: In den Abbildungen I.70 bis I.73 (S. 170) der Bereiche 6 und 8 sind diese Risse mit Pfeil 4 markiert. Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie eine sehr geringe Länge von unter 0,1 mm bzw. von ca. 0,2 mm haben und in die aktuellen Firnisrisse übergehen.

Ehemalige Firnisrisse: Rissanordnung in der Aufsicht Für die Darstellung der Rissanordnung dienen ebenfalls die Mikroskop-Aufnahmen bei koaxi- aler Beleuchtung und Kartierungen der Bereiche 1, 3, 4 und 7 sowie die Mikroskop-Aufnahmen der Bereiche 6 und 8. Ehemalige Firnisrisse mit Profil a: Die Risse formieren sich in den Bereichen 1 und 7 in einem Parallelcraquelé mit horizontaler Vorzugsrichtung (Abb. I.47, I.48, S. 158, Abb. I.53, I.54, S. 159, Pfeil 1).

160 Ehemalige Firnisrisse mit Profil b: Sie bilden in Bereich 4 überwiegend ein teilweise ge- schlossenes Netzcraquelé. Die kürzeren Risse werden zu den längeren hin abgelenkt, beispiels- weise an der Stelle von Pfeil 1 rechts oben in den Abbildungen I.51 und I.52 (S. 159). Ehemalige Firnisrisse mit Profil c: In Bereich 3 sind sie als Parallelcraquelé mit einer hori- zontalen Vorzugsrichtung angeordnet und liegen isoliert in der Fläche (Abb. I.49, I.50, S. 158, Pfeil 1). Ehemalige Firnisrisse mit Profil d: Die mit den schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen verbundenen Risse sind unterschiedlich angeordnet. In Bereich 1 (Abb, I.47, I.48, S. 158) ist ein weitgehend geschlossenes Netzcraquelé erkennbar, in dem die kürzeren zu den längeren sowie zu den ehemaligen Firnisrissen mit Profil a hin abgelenkt sind (Pfeil 2). Vereinzelt überlagern sich Risse (Pfeil 2 oben). Als Gittercraquelé formieren sie sich in Bereich 3 (Abb. I.49, I.50, S. 158). Sie sind nur teilweise zusammengeschlossen und gehen in ehemalige Fir- nisrisse mit Profil c (Pfeil 2) über. In Bereich 4 sind nur wenige ehemalige Firnisrisse mit Profil d vorhanden. Sie verbinden sich, zum Teil mit Rissablenkung, untereinander oder haben An- schluss an die ehemaligen Firnisrisse mit Profil b. Die Risse ohne Verbindung mit Mal- schichtrissen bilden in Bereich 1 z.B. links unten untereinander ein teilweise geschlossenes Netzcraquelé und schließen sich dabei mit dem Parallel- und Netzcraquelé der ehemaligen Firnisrisse mit den Profilen a und d, teilweise unter Rissablenkung zusammen. Der in Bereich 4 Mitte mit Pfeil 2 markierte Riss (Abb. I.51, I.52, S. 159) schließt an einen ehemaligen Firnisriss mit Profil b an. Ehemalige Firnisrisse mit Profil e: Ihre Anordnung variiert auffällig. In Bereich 3 (Abb. I.49, I.50, S. 158) stellen die Risse einen wesentlichen Anteil der Rissanordnung dar und sind sowohl als Gittercraquelé als auch als Netzcraquelé untereinander und mit den ehemaligen Firnisrissen mit den Profilen c und d zusammengeschlossen. Dabei erkennt man Anschlüsse mit Rissablen- kung, ein einseitiges Auslaufen von Rissen, Überlagerungen und Parallelverläufe (vgl. Abb. I.39.1- I.39.4, S. 151). In Bereich 7 (Abb. I.53, I.54, S. 159) bilden die Risse hingegen ein weitgehend geschlossenes Netzcraquelé. Es liegen ebenfalls Anschlüsse mit Rissablenkung untereinander und an die ehemaligen Firnisrisse mit Profil a (Pfeil 3 Mitte), aber auch Über- lagerungen (Pfeil 3 links unten) vor. Einzelne Risse enden einseitig oder beidseitig in der Bildfläche (Pfeil 3 links oben). In Bereich 1 (Abb. I.47, I.48, S. 158, Pfeil 3) und Bereich 4 (Abb. I.51, I.52, S. 159, Pfeil 3) treten die Risse nur vereinzelt auf. Ehemalige Firnisrisse mit Profil f: In dem eng begrenzten Bereich 8 (Abb. I.45 Mitte, S. 155) kann man ein geschlossenes Netzcraquelé beobachten. Andere Formen ehemaliger Firnisrisse gibt es in diesem Bereich nicht und damit auch keine weiteren Zusammenschlüsse.

161 Ehemalige Firnisrisse mit Profil g: Bei den Rissen in den Bereichen 6 und 8 (Abb. I.70, I.71, S. 169 und Abb. 1.72-I.73, S. 170) handelt es sich um kurze Rissabschnitte, die nicht miteinander oder mit anderen ehemaligen Firnisrissen verbunden sind.

Tab. I.8: Übersicht zu den ehemaligen Firnisrissen: Profile, Einzelrisse und Rissanordnungen in der Aufsicht, in den Bereichen 1 und 3 bis 8

Tabelle I.8 fasst die Merkmale der ehemaligen Firnisrisse zusammen. Sieben Rissprofile wer- den unterschieden. Risse mit den Profilen a und b sowie d und e liegen in größeren Bereichen vor, Risse mit den Profilen c, f und g nur in eng begrenzten Bereichen. Die Risse mit den Profilen a bis c verbinden sich mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen und folgen diesen auch in Einzelform und Rissanordnung in der Fläche. Wichtige Merkmale sind die Risstiefe, die etwa der Firnisdicke entspricht, und eine Rissbreite von 0,1 bis 0,7 mm. Die Risse mit Profil d haben Verbindung mit schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen oder sind ohne Ver- bindung mit Malschichtrissen. Ihre Breite beträgt nur von 0,1 bis 0,2 mm. Profil e ist vollständig nivelliert und anhand der Verbindung mit schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen erkennbar. Nur im Kontrast zum lokal getrübten Firnis zeichnen sich die Risse mit Profil f ab. Profil g weist eine minimale Vertiefung auf. Die Einzelformen der Risse sind überwiegend glatt, zum Teil auch leicht gezackt und zügig. Die stellenweise ausgeprägte Biegung, z.B. der ehemaligen Firnisrisse mit Profil e, ist in der Tabelle nicht erfasst. Teilweise gibt es Übergänge zwischen Rissen unterschiedlicher Profile. Die Anordnung der Risse ist in den Bereichen verschieden und vereint verschiedene Rissformen. Meist haben die Risse ein Netzcraquelé (Profil b, zum Teil Profile d bis f), aber es lassen sich auch ein Parallelcraquelé mit horizontaler Vorzugsrichtung (Profile a und c) sowie ein Gittercraquelé (zum Teil Profile d und e) fest- stellen. In Bereich 1 sind Parallel- und Netzcraquelé, in Bereich 2 Gitter- und Netzcraquelé mit- einander verbunden. Die borkenartigen Deformationen des Firnisses gehen vor allem auf die Risse mit den Profilen a bis c und zum Teil auf Risse mit Profil d zurück, während die Risse

162 mit den Profilen e und f keinen Einfluss darauf haben. Eine Sonderstellung nehmen die Risse mit Profil g ein. Sie sind Teil der aktuellen Firnisrisse und ihrer Veränderungen und sie gehören damit einer späteren Phase der Rissentwicklung an als die Risse mit den Profilen a bis f.

Ausbrüche entlang ehemaliger Firnisrisse Mikroskop-Aufnahme: UV-Anregung

Abb. I.55: Bereich 1, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil 1: Firnisrest mit aktuellem Firnisriss, Pfeil 2: Firnisaus- bruch

Ehemalige Firnisrisse: Ausbrüche In den Bereichen 1 und 7 werden entlang geweiteter und tiefer Malschichtrisse umfangreiche Firnisausbrüche festgestellt (Abb. I.55). Vereinzelt haben sich Firnisreste erhalten. Pfeil 1 deu- tet auf einen von mehreren, hell fluoreszierenden Firnisresten, anhand derer das Profil a ehema- liger Firnisrisse bestimmt werden kann. In der Mitte dieses Firnisrestes ist ein aktueller Firnis- riss erkennbar. Die Ausbrüche des Firnisses (Pfeil 2) erscheinen unter UV-Anregung dunkel.

Aktuelle Firnisrisse: Profile Profil a (Abb. I.56.1-I.56.5, S. 164): Die aktuellen Risse haben klare Kanten. Ihre Breite beträgt mehrheitlich weniger als 0,01 mm und nur in wenigen Rissabschnitten bis zu 0,01 mm, bei- spielsweise in Bereich 3 (vgl. Abb. I.60, I.61, S. 166, Pfeile 4). Geweitete aktuelle Firnisrisse mit einer Breite ab 0,02 mm werden nicht festgestellt. Zum Teil sind die aktuellen Firnisrisse mit den ehemaligen Firnisrissen mit den Profilen a bis e verbunden. Daraus ergeben sich vier Risskonstellationen, wobei die Profile d und e ehemaliger Firnisrisse vereinfachend zusammen- gefasst werden (Abb. I.56.1-I.56.5, S. 164). Unklar ist, wie weit die aktuellen Risse in die Tiefe der mit Firnis gefüllten Malschichtrisse reichen. Aktuelle Risse liegen auch abseits von ehema- ligen Firnis- und Malschichtrissen vor (Abb. I.56.5, S. 164). Sie reichen bis zur Malschicht. Profil b (Abb. I.56.6, S. 164): Ihr Merkmal sind leicht gerundete Ränder. Die Breite beträgt mehrheitlich weniger als 0,01 mm. Aktuelle Firnisrisse mit Profil b haben keine Verbindung mit den ehemaligen Firnisrissen. Eine Verbindung mit Malschichtrissen ist nicht eindeutig er- kennbar.

163

Abb. I.56.1-I.56.6: Profile aktueller Firnisrisse, Zeichnungen, Firnis grau, Malschicht grau gesprenkelt

Im Profil vollständig erfasst ist ein aktueller Firnisriss einzig in Probe 4 (Abb. I.57, Rissbereich R3). Es handelt sich um das Profil a in Verbindung mit Profil d ehemaliger Firnisrisse, das deut- lich oberhalb der Malschichtoberfläche endet (Abb. I.56.4). Der Malschichtriss ist allerdings nicht schmal, sondern geweitet, aber oberflächlich.

Profile aktueller Firnisrisse im Querschliff Kartierung: Firnis: weiß, Farbschichten und Grundie- rung: hellgrau, Zwischenfirnisse: grau

Abb. I.57: Probe 4 Mitte, Kartierung, Schichtenfol- gen des Firnisses: 1-4, Rissbereiche: R3, R4, Pfeil 1: Risskanten, Pfeil 2: Rissende eines Malschichtrisses

Der aktuelle Firnisriss hat scharfe Kanten (Pfeil 1), eine Breite von 10 µm (0,01 mm) und eine Tiefe von 40 µm. Er verläuft untypischerweise diagonal, endet in der linken Rissfläche der Malschicht (Pfeil 2) und geht dort in einen ebenfalls schmalen und oberflächlichen Malschicht- riss (Pfeil 2) über. Die gleichzeitige Verbindung mit dem geweiteten und oberflächlichen Mal-

164 schichtriss und dem ehemaligen Firnisriss, die ihrerseits miteinander verbunden sind, ist kein Sonderfall, sondern lässt sich auch an der Bildoberfläche des Bereichs 4 an diversen Stellen nachweisen (Abb. I.62 und I.63, S. 167, Pfeile 5).

Aktuelle Firnisrisse: Einzelrisse in der Aufsicht Die aktuellen Firnisrisse mit Profil a werden in den Bereichen 1, 3, 4 und 7 betrachtet. In den Abbildungen I.58 bis I.65 (S. 166f.) sind die Kartierungen der aktuellen Firnisrisse und die ge- meinsame Kartierung der aktuellen Firnisrisse und Malschichtrisse, welche stellvertretend für die ehemaligen Firnisrisse verzeichnet sind, gegenübergestellt. Ob in diesen Bereichen auch aktuelle Firnisrisse mit Profil b vorliegen, bleibt offen. Dargestellt werden die Risse mit Profil b nicht in Kartierungen, sondern in Mikroskop-Aufnahmen (Abb. I.66-I.67, S. 169). Aktuelle Firnisrisse mit Profil a: Zunächst werden die Einzelformen in Verbindung mit ehema- ligen Firnisrissen betrachtet. Sie sind in Bereich 1 (Abb. I.58, I.59, S. 166) und Bereich 7 (Abb. I.64, I.65, S. 167) sehr kurz, weil sie innerhalb der geringen Firnisreste, in denen die ehemaligen Firnisrisse mit Profil a erhalten sind, verlaufen (Pfeil 1). In Bereich 3 (Abb. I.60, I.61, S. 166) liegen sie als Rissabschnitte vor und sind glatt und zügig. Die Pfeile 1 weisen auf zwei Rissab- schnitte mit einer Länge von 0,3 und 0,4 cm hin. In dem mittleren Rissabschnitt ist eine Breite von bis zu 0,01 mm erkennbar (Pfeil 4 Mitte). Die Einzelformen in Bereich 4 (Abb. I.62, I.63, S. 167) sind glatt bis leicht gezackt und ebenfalls zügig. Deutlich variiert die Risslänge, sie reicht von 0,1 mm (Pfeil 1 links unten) bis 1,5 mm (Pfeil 1 rechts oben). Aktuelle Firnisrisse ohne Verbindung mit ehemaligen Firnisrissen sind in Bereich 1 glatt bis leicht gezackt und zügig, in den Bereichen 3, 4 und 7 vorwiegend glatt und zügig (Abb. I.58-I.65, S. 166f., Pfeil 2). Stellenweise ist in Bereich 1 (Abb. I.58, I.59, S. 166) und Bereich 3 (Abb. I.60-I.61, S. 166) eine ausgeprägte Biegung festzustellen (Pfeil 3). Die Risslänge beträgt überwiegend 0,5 bis 1,5 mm. In Bereich 3 erreicht die Rissbereite stellenweise 0,01 mm (Pfeil 4 links oben). Aktuelle Firnisrisse mit Profil b: In Bereich 6 sind die Risse und der Rissabschnitt glatt und zügig sowie gerade bis ein- und mehrfach gebogen. Die Länge beträgt bis zu 0,4 mm (Abb. I.66, I.67, S. 179, Pfeile 1-3). Bereich 8 zeigt zwei glatte und zügige sowie leicht gebogene Rissabschnitte sowie einen zum Teil gezackten und zügigen Rissabschnitt. Die Länge reicht von 0,1 bis 1,5 mm (Abb. I.68, I.69, S. 169, Pfeile 2, 3, 5).

165 Verlauf und Überlagerung von aktuellen Firnisrissen und Malschichtrissen Kartierungen links: aktuelle Firnisrisse: schwarz, Firnisausbrüche: grau Kartierungen rechts: aktuelle Firnisrisse: schwarz, geweitete und tiefe Malschichtrisse: grün, schmale und oberflächliche Malschichtrisse: blau

Abb. I.58: Bereich 1, aktuelle Firnisrisse, Kartierung, Abb. I.59: Bereich 1, aktuelle Firnisrisse und Mal- Pfeile 1-3, 5: aktuelle Firnisrisse mit verschiedenen schichtrisse, Kartierung, Pfeile 1-3, 5: aktuelle Firnis- Konstellationen (1: mit ehem. Firnisrissen, 2: ohne risse mit verschiedenen Konstellationen (1: mit ehem. Firnisrisse, 3: starke Biegung, 5: Parallelver- ehem. Firnisrissen, 2: ohne ehem. Firnisrisse, 3: star- lauf mit ehem. Firnisrissen) ke Biegung, 5: Parallelverlauf mit ehem. Firnisrissen)

Abb. I.60: Bereich 3, aktuelle Firnisrisse, Kartierung, Abb. I.61: Bereich 3, aktuelle Firnisrisse und Mal- Pfeile 1-5: aktuelle Firnisrisse mit verschiedenen schichtrisse, Kartierung, Pfeile 1-5: aktuelle Firnis- Konstellationen (1: mit ehem. Firnisrissen, 2: ohne risse mit verschiedenen Konstellationen (1: mit ehem. Firnisrisse, 3: starke Biegung, 4: Rissbreite bis ehem. Firnisrissen, 2: ohne ehem. Firnisrisse, 3: star- 0,01 mm, 5: Parallelverlauf mit oder Abweichung ke Biegung, 4: Rissbreite bis 0,01 mm, 5: Parallel- von ehem. Firnisrissen) verlauf mit oder Abweichung von ehem. Firnisrissen)

166

Abb. I.62: Bereich 4, aktuelle Firnisrisse, Kartierung, Abb. I.63: Bereich 4, aktuelle Firnisrisse und Mal- Pfeile 1, 2, 5: aktuelle Firnisrisse mit verschiedenen schichtrisse, Kartierung, Pfeile 1, 2, 5: aktuelle Fir- Konstellationen (1: mit ehem. Firnisrissen, 2: ohne nisrisse mit verschiedenen Konstellationen (1: mit ehem. Firnisrisse, 5: Parallelverlauf mit oder Abwei- ehem. Firnisrissen, 2: ohne ehem. Firnisrisse, 5: chung von ehem. Firnisrissen) Parallelverlauf mit oder Abweichung von ehem. Firnisrissen)

Abb. I.64: Bereich 7, aktuelle Firnisrisse, Kartierung, Abb. I.65: Bereich 7, aktuelle Firnisrisse und Mal- Pfeile 1, 2: aktuelle Firnisrisse mit verschiedenen schichtrisse, Kartierung, Pfeile 1, 2: aktuelle Firnis- Konstellationen (1: mit ehem. Firnisrissen, 2: ohne risse mit verschiedenen Konstellationen (1: mit ehem. Firnisrisse) ehem. Firnisrissen, 2: ohne ehem. Firnisrisse)

Aktuelle Firnisrisse: Rissanordnung in der Aufsicht Aktuelle Firnisrisse mit Profil a: In Verbindung mit ehemaligen Firnisrissen haben die Risse verschiedene Anordnungen. In Bereich 1 (Abb. I.58, I.59, S. 166, Pfeil 1) und Bereich 7 (Abb. I.64, I.65, S. 167, Pfeil 1) besteht eine Verbindung mit ehemaligen Firnisrissen mit Profil a so- wie mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen, so dass in den erhaltenen Firnisresten ein Paral- lelcraquelé vorliegt. In Bereich 3 sind die ehemaligen Firnisrisse mit Profil c mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen ebenfalls zu einem Parallelcraquelé verbunden. Die aktuellen Fir- nisrisse verbinden sich überwiegend mit dieser Rissanordnung (Abb. I.60, I.61, S. 167, Pfeile 1), weichen aber auch stellenweise davon ab (Pfeil 5). In Bereich 4 (Abb. I.62, I.63, S. 167) formieren sie sich innerhalb eines Netzcraquelés der ehemaligen Firnisrisse mit Profil b (Pfeil

167 1 rechts oben) oder reihen sich zum Teil in kurzen Einzelrissen aneinander (Pfeil 1 links unten). Pfeil 5 links oben deutet auf eine geringfügige Abweichung und einen Parallelverlauf. Die Kartierungen zeigen, dass in Bereich 1 (Abb. I.58, I.59, S. 166) keine Verbindung zu den ehemaligen Firnisrissen mit Profil d besteht. In Bereich 3 (Abb. I.60, I.61, S. 166) ist diese Ver- bindung vorhanden (Pfeil 1 links unten), ebenso wie zu den ehemaligen Firnisrissen mit Profil e. Pfeil 5 ist auf eine betreffende Stelle und gleichzeitig auf eine Abweichung und einen Pa- rallelverlauf gerichtet. Ähnlich ist die Risskonstellation in Bereich 4 (Abb. I.62, I.63, S. 167). Pfeil 1 links deutet auf eine Verbindung zu Profil d ehemaliger Firnisrisse, Pfeil 5 rechts oben auf eine Abweichung und einen Parallelverlauf. Die aktuellen Firnisrisse ohne Verbindung mit den ehemaligen Firnisrissen haben in den Be- reichen 1, 4 und 7 ein Netzcraquelé gebildet, in Bereich 3 hauptsächlich ein Gittercraquelé. Diese Craquelés sind in den Bereichen 4 und 7 teilweise und in den Bereichen 1 und 3 weitge- hend geschlossen. Eine ausgeprägte Ablenkung der kürzeren zu den längeren Rissen hin kann in Bereich 4 beobachtet werden (Abb. I.62 und I.63, S. 167). Aktuelle Firnisrisse mit Profil b: Sie verlaufen überwiegend isoliert voneinander und bilden keine eigenständige Rissanordnung. In Bereich 8 (Abb. I.68, I.69, S. 169, Pfeil 5) ist ein Zusam- menschluss erkennbar.

168 Aktuelle Firnisrisse: Veränderungen, Ablenkung und Verlagerung Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. I.66: Bereich 6, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. I.67: Bereich 6, Mikroskop-Aufnahme, koaxi- leuchtung schräg von links, Pfeile 1-3: aktuelle Firnis- ale Beleuchtung, Pfeile 1-3: aktuelle Firnisrisse risse Profil b, Pfeil 4: ehemaliger Firnisriss Profil g, Profil b, Pfeil 4: ehemaliger Firnisriss Profil g, Pfeil Pfeil 5: aktueller Firnisriss Profil a (vgl. Abb. I.55, S. 5: aktueller Firnisriss Profil a (vgl. Abb. I.56, S. 163) 163)

Abb. I.68: Bereich 8, Mikroskop-Aufnahme, Beleuch- Abb. I.69: Bereich 8, Mikroskop-Aufnahme, koaxi- tung schräg von links, Pfeile 1, 6: aktuelle Firnisrisse ale Beleuchtung, Pfeile 1, 6: aktuelle Firnisrisse Pro- Profil a, Pfeile 2, 3, 5: aktuelle Firnisrisse Profil b, fil a, Pfeile 2, 3, 5: aktuelle Firnisrisse Profil b, Pfeil Pfeil 4: ehemaliger Firnisriss mit Profil g 4: ehemaliger Firnisriss mit Profil g

Aktuelle Firnisrisse: Veränderungen, Ablenkung und Verlagerung In den Mikroskop-Aufnahmen der Bereiche 6 und 8 wird, aufbauend auf den o.g. Darstellungen der Rissanordnung in der Aufsicht, auf die besondere Konstellation der aktuellen Firnisrisse mit den Profilen a und b sowie den ehemaligen Firnisrissen mit Profil g eingegangen. In den Abbildungen I.66 und I.67 von Bereich 6 zeigt Pfeil 1 auf einen Riss mit Profil b. Er verläuft links von Pfeil 1 über die Erhebungen des Firnisses hinweg und rechts davon innerhalb der Fir- nisvertiefung (ehemaliger Firnisriss mit Profil d). Ein Riss mit Profil a (Pfeil 2) überlagert alle Vertiefungen und Erhebungen des Firnisses. Rechts hatte sich ein Riss in einem Abschnitt von ca. 0,2 mm geschlossen und an anderer Stelle neu gebildet. Pfeil 3 deutet auf den Riss mit Profil

169 b, Pfeil 4 auf den Abschnitt des ehemaligen Firnisrisses mit Profil g und Pfeil 5 auf den ver- lagerten aktuellen Firnisriss mit Profil a. In Bereich 8 führt ein aktueller Firnisriss mit unterschiedlichen Profilen über die gesamte Breite der Abbildungen I.68 und I.69 (S. 169). Die Pfeile 1 und 2 markieren einen Übergang der Pro- file a und b. An diesen Riss schließt ein zweiter aktueller Firnisriss mit Ablenkung an. Pfeil 3 deutet auf den Rissabschnitt mit Profil b, Pfeil 4 auf einen Abschnitt von ca. 0,1 mm Länge, in dem der Firnisriss geschlossen ist, also das Profil g ehemaliger Firnisrisse hat, Pfeil 5 auf einen kurzen Abschnitt eines aktuellen Firnisrisses mit Profil b. Die Rissschließung ist Ausgangs- punkt für die Neubildung eines aktuellen Firnisrisses mit Profil a (Pfeil 6). Diese hat eine stärke- re Ablenkung und ist gegenüber dem ursprünglichen Rissverlauf ebenfalls verlagert.

Migration von Firnis Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen und Aufnahmesituationen

Abb. I.70: Bereich 6, Mikroskop-Aufnahme, Beleuch- Abb. I.71: Bereich 6, Mikroskop-Aufnahme, UV- tung schräg von links, Pfeil: Migration von Firnis an Anregung, Pfeil: Migration von Firnis an der Firnis- der Firnisoberfläche (vgl. Abb. I.66, S. 169) oberfläche

Abb. I.72: Bereich 10, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. I.73: Bereich 10, Mikroskop-Aufnahme, koaxi- leuchtung schräg von links, Pfeil 1: Migration inner- ale Beleuchtung, Pfeil 1: Migration innerhalb des halb des Firnisses, Pfeil 2: Migration an der Firnis- Firnisses, Pfeil 2: Migration an der Firnisoberfläche oberfläche

170 Migration von Firnis Die Abbildungen I.70 und I.71 (S. 170) bei normaler Beleuchtung und UV-Anregung zeigen nochmals Bereich 6 und sind auf die Migration des Firnisses fokussiert. Entlang eines ehe- maligen Firnisrisses mit Profil a liegen kugel- und wulstförmige Erhebungen vor. Der Pfeil deu- tet auf eine Erhebung mit einem Durchmesser von 0,08 mm.482 Eine Rissöffnung, aus welcher der Firnis ausgetreten sein könnte, läßt sich nicht erkennen. Vermutlich hatte die Migration den Riss, von dem sie ausgegangen sein muss, wieder geschlossen. Der Verlauf des aktuellen Firnis- risses wird vermutlich von der Migration beeinflusst. In Bereich 10 findet die Migration vorwie- gend innerhalb der Firnisschicht statt. In der Aufnahme bei normaler Beleuchtung und Be- netzung mit Shellsol T (Abb. I.72, S. 170) erkennt man einen Wulst, der von der Farbschicht der Nummer des Inv. 1749ff. aufsteigt und in dem sich vermutlich Farbe und Firnis mischen.483 Wie die Aufnahme bei koaxialer Beleuchtung (Abb. I.73, S. 170) zeigt, reicht die Migration bis an die Firnisoberfläche (Pfeile 1) und bildet nur an einer Stelle eine leichte Erhebung (Pfeil 2). Der Migration liegt offensichtlich eine tiefreichende Lösemitteleinwirkung zugrunde, da sich die rote Farbschicht in der unteren Ebene des Firnisses befindet.

Schichtenstörungen des Firnisses im Querschliff Die vielfältigen Schichtenstörungen werden anhand der Proben 1, 3, 4 links, 4 Mitte, 5, 7b und 9 dargestellt (Abb. I.74-I.83, S. 172f.). Dazu dienen die Kartierungen der Mikroskop-Aufnah- men und Mikroskop-Aufnahmen mit verschiedenen Beleuchtungen. Grundlage sind die in Ka- pitel 4.1.4.3 (S. 138-145) dargestellten Schichten und Schichtenfolgen des Firnisses.

Schichtgrenzen In den Abbildungen I.74 bis I.79 (S. 172f.) der Proben 1, 3, 5 und 7b zeigt Pfeil 1 auf klare Schichtgrenzen, Pfeil 2 auf angelöste und Pfeil 3 auf stellenweise aufgelöste Schichtgrenzen. Überwiegend sind die Grenzen der Firnisschichten angelöst oder stellenweise aufgelöst. In Probe 7b variiert der Erhaltungszustand einer Schichtgrenze (Abb. I.75. S. 172). Eine in Teilen klare Schichtgrenze hat sich zwischen den Schichtenfolgen 3 und 4 erhalten (Pfeil 1). Die Pfeile 2 und 3 weisen auf an- und aufgelöste Abschnitte in unmittelbarer Nähe hin. Die Erhaltung der Schichtgrenzen ist auch zwischen den einzelnen Anschliffen verschieden, beispielsweise in Probe 3. Abbildung I.76 zeigt den ersten Anschliff, in dem die Schichten-

482 Vgl. Brammer 1987, S. 103, 104, Abb. 15. Brammer beobachtet eine vergleichbare Migration von Firnis an dem Gemälde von Ferdinand Bol, Bildnis einer jungen Frau mit Nelke, als Folge eines Firnisauftrags, „ein in doppelt rektifiziertem Terpentinöl gelöster Dammar“. 483 Vgl. ebd. In dem von Brammer untersuchten Fall wird der migrierte Firnis durch die angelöste rote Farbschicht Nummer des Inv. 1749ff. (Nr. 2) „gefärbt“. 171 folgen 1 bis 3 an einer Stelle vollständig aufgelöst sind (Pfeil 3), während man im zweiten An- schliff (Abb. I.77) an derselben Stelle angelöste Grenzen erkennen kann (Pfeil 2). Zwei An- schliffe der Probe 5 zeigen ähnliche Unterschiede. In Abbildung I.78 (S. 173, Pfeil 2) ist die Grenze der unteren und mittleren Firnisschicht von Schichtenfolge 3 angelöst und in Abbildung I.79 (S. 173, Pfeil 3) aufgelöst.

Schichtenstörungen des Firnisses im Querschliff Mikroskop-Aufnahmen: UV-Anregung und externe Beleuchtung Kartierungen: Firnis: weiß, Malschicht oder Farbschichten und Grundierung: hellgrau, Zwischenfirnisse: grau

Abb. I.74: Probe 1, Kartierung, Schichtenfolgen des Abb. I.75: Probe 7b, Kartierung, Schichtenfolgen des Firnisses: 1-3, Rissbereiche: R1-R3, Pfeil 4: wellige Firnisses: 1-4, Rissbereich: R1, Pfeil 1: klare Schicht- Deformation, Pfeil 6: Schichtenauflösung im Riss- grenze, Pfeil 2: angelöste Schichtgrenze, Pfeil 3: auf- bereich, Pfeil 7: horizontale Verschiebung des Fir- gelöste Schichtgrenze, Pfeil 4: wellige Deformation, nisses Pfeil 6: Schichtenauflösung im Rissbereich

Abb. I.76: Probe 3, erster Anschliff, Kartierung, Abb. I.77: Probe 3, zweiter Anschliff, Kartierung, Firnis ohne Schichtgrenzen, Rissbereiche: R1-R4, Schichtenfolgen des Firnisses: 1-3, Rissbereiche: R1- Pfeil 3: aufgelöste Schichtgrenze, Pfeil 5: Migration R3, Pfeile: Pfeil 2: angelöste Schichtgrenze, Pfeil 5: Migration

172

Abb. I.78: Probe 5, zweiter Anschliff, Kartierung, Abb. I.79: Probe 5, dritter Anschliff, Kartierung, Schichtenfolgen des Firnisses: 1-3, Rissbereich: R1, Schichtenfolgen des Firnisses: 1-3, Rissbereich: R1, Pfeil 2: angelöste Schichtgrenze, Pfeil 4: wellige De- Pfeil 3: aufgelöste Schichtgrenze, 4: wellige De- formation formation

Abb. I.80: Probe 4 links, Mikroskop-Aufnahme, Abb. I.81: Probe 4 links, Kartierung, Schichtenfolgen Schichtenfolgen des Firnisses: 1-4, Rissbereiche: R3- des Firnisses: 1-4, Rissbereiche: R3-R5, Pfeil: Mig- R5, Pfeil 5: Migration ration

Abb. I.82: Probe 4 Mitte, Mikroskop-Aufnahme, Abb. I.83: Probe 4 Mitte, Kartierung, Schichtenfol- Schichtenfolgen des Firnisses: 1-4, Rissbereich: R2, gen des Firnisses: 1-4, Rissbereich: R2, Pfeil 4: Pfeil 4: wellige Deformation, Pfeil 5: Migration, wellige Deformation, Pfeil 5: Migration, Pfeile 7: Pfeile 7: horizontale Verschiebung des Firnisses horizontale Verschiebung des Firnisses

173 Wellige Deformationen von Schichtgrenzen und Migration von Firnis Lokal und gering sind die welligen Deformationen in den Proben 1 und 7b (Abb. I.74, I.75, S. 172, Pfeil 4). In Probe 4 Mitte (Abb. I.82, I.83, S. 173) ist eine lokale wellige Deformation (Pfeil 4) in den Schichtenfolgen 1 und 2 mit einer Migration von Firnis (Pfeil 5) bis in Schich- tenfolge 3 verbunden. Bemerkenswert ist, dass die Schichtgrenzen in unmittelbarer Nähe rechts horizontal verlaufen und nicht deformiert sind. Am stärksten und auffälligsten sind die welligen Deformationen im zweiten Anschliff von Probe 5 (Abb. I.78, S. 173, Pfeil 4). Die oberen Schei- tel laufen spitz zu, während die unteren Scheitel gerundet sind. Im dritten Anschliff (Abb. I.79, S. 173) sind die Deformationen unregelmäßiger. Diese Deformationen sind innerhalb des Fir- nisses stark ausgeprägt und reichen bis in die obere Ebene des Firnisses, dennoch haben sie keinen erkennbaren Einflusss auf die Firnisoberfläche.

Rissbereiche In den Rissbereichen sind die Schichtenstörungen zum Teil verstärkt. Im ersten Anschliff von Probe 3 (Abb. I.76, S. 172) geht eine Migration (Pfeil 5) von einem schmalen und oberfläch- lichen Malschichtriss im Rissbereich R3 aus und verläuft diagonal bis zur Firnisoberfläche. Im Rissbereich R1 des zweiten Anschliffs von Probe 3 (Abb. I.77, S. 172) und im Rissbereich R3 von Probe 4 links (Abb. I.80, I.81, S. 173) füllt Firnis die Malschichtrisse. Dort liegt eine verti- kale Migration (Pfeil 5) vor. Lokal verstärkt ist die Auflösung der Schichtgrenzen im Umfeld der ehemaligen Firnisrisse der Proben 1 und 7b (Abb. I.74, I.75, S. 172, Pfeil 6). Auf eine horizontale Verschiebung des Firnisses deutet die Konstellation im Rissbereich R3 von Probe 1 hin (Abb. I.74, S. 172). In Schichtenfolge 2 zeichnet sich die ehemalige Rissöffnung ab (Pfeil 7), die gegenüber dem zugehörigen Malschichtriss nach rechts versetzt ist. In Rissbereich R2 von Probe 4 Mitte wird ebenfalls eine horizontale Verschiebung angenommen (Abb. I.82, I.83, S. 173). Die Öffnung des ehemaligen Firnisrisses mit Profil d und die Ablenkung nach rechts markieren sich in den Grenzen der Schichtenfolgen 1 und 2 (Pfeil 7 links unten). Rechts davon liegt die zugehörige Vertiefung der Firnisoberfläche (Pfeil 7 rechts oben). Die beiden Bereiche sind durch eine diagonale Schichtenstörung in den Schichtenfolgen 3 und 4 verbunden. Ihr Verlauf zeichnet sich anhand des Löseverhalten bei den Löseversuchen am Querschliff wesentlich deutlicher ab als unter UV-Anregung (vgl. Abb. I.94, I.95, S. 183 und Abb. I.102, I.103, S. 187).

174 Abschabung am Bildrand Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen 

  Abb. I.82: Probe 9, Mikroskop-Aufnahme, externe Abb. I.83: Probe 9, Mikroskop-Aufnahme, UV-An- Beleuchtung, Pfeile: Bildmitte und Bildrand, Pfeil 1: regung, Pfeile: Bildmitte und Bildrand, Pfeil 1: Mal- Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Faltung und Anlösung schichtoberfläche, Pfeil 2: Faltung und Anlösung der der Malschicht, Pfeil 3: Schichtgrenze im Firnis, Pfeil Malschicht, Pfeil 3: Schichtgrenze im Firnis, Pfeil 4: 4: Überlagerung durch Farbe, Pfeil 5: Firnis, Pfeil 6: Überlagerung durch Farbe, Pfeil 5: Firnis, Pfeil 6: Überlagerung durch die obere Firnisebene Überlagerung durch die obere Firnisebene  

Abschabung am Bildrand In den Abbildungen I.84 und I.85 von Probe 9 weisen die Pfeile „Bildmitte“ und „Bildrand“ die Position in der Bildfläche hin. Die kurzzeitige mechanische Einwirkung war vom Bildrand zur Bildmitte gerichtet. Pfeil 1 zeigt auf die Malschichtoberfläche, Pfeil 2 auf die wellig de- formierte und angelöste Schichtgrenze der Malschicht, die Pfeile 3 zeigen auf eine Schichtgren- ze im Firnis. Die Firnisschichten können keinen Schichtenfolgen zugeordnet werden. Dies zeigt sich u.a. darin, dass die untere der beiden Firnisschichten wesentlich dicker ist als Schichten- folge 1 und der darin enthaltene Schlussfirnis in den Proben 4 und 10. Vom Bildrand ausgehend überlagert erweichte Farbe die Malschichtoberfläche (Pfeil 4), zum Teil von Firnis getrennt (Pfeil 5) und von Firnis in geringer Dicke überdeckt (Pfeil 6). Die wellige Deformation der Schichtgrenze im Firnis belegt, dass die untere Firnisschicht zum Schadenszeitpunkt bereits vorhanden ist. Demnach entsteht die Beschädigung erst nach einem restauratorischen Eingriff. Die obere Firnisebene wird entweder nachträglich über die vorhandene Beschädigung aufgetra- gen oder sie ist zum Schadenszeitpunkt nicht nur erweicht, sondern verflüssigt und kann danach wieder glatt verfließen.

175 Modellhafte Rekonstruktionversuche der Veränderungen der Firnis- und Malschichtrisse sowie der Firnisdeformationen Ausgangspunkt ist mehrschichtiger Firnis in einem gealterten Zustand. Bei den modellhaften Rekonstruktionsversuchen wird zugrunde gelegt, dass bei einer oder mehreren Restaurierungen Lösemittel auf Firnis, Malschicht und Grundierung einwirkt. Die Art des restauratorischen Ein- griffs wird nicht näher eingegrenzt. Es kann sich z.B. um einen Firnisauftrag, um eine Be- dampfung mit Ethanol, einen Auftrag von Lösemitteln wie Terpentinöl oder von Copaiva- balsam handeln. Verschiedene Prozesse und Faktoren spielen eine Rolle, ein Lösen des Fir- nisses im Rissbereich, ein Füllen der Malschichtrisse mit Firnis und Schließen der aktuellen Firnisrisse, eine horizontale Verschiebung des Firnisses und eine Weitung der Malschichtrisse. Wesentlicher Schadensfaktor von Rissweitung und borkenartiger Deformation ist eine Gleit- schicht. Die Untersuchungen im Kapitel 4.1.6.2 (S. 185) weisen darauf hin, dass beispielsweise Schichtenfolge 1 des Firnisses als eine solche Gleitschicht wirken kann. Schließlich wird auch eine verstärkte Lösemittelretention in den Rissbereichen angenommen. Sie kann dort die Wiederhärtung des Firnisses verzögern sowie die Deformation des Firnisses und die Weitung von Firnis- und Malschichtrissen befördern.

Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Veränderungen der Firnis- und Malschichtrisse Zeichnung

Abb. I.86: Phase 1, gealterter Zustand, Schichtenfolgen des Firnisses: 1 hellgrau, 2 hellgelb, 3 hellgrau 3, Malschicht und Grundierung: grau gesprenkelt, Bildung und Veränderung der Firnisrisse: a, Bildung und Veränderung der Malschichtrisse: b

Abbildung I.86 zeigt den modellhaften Schichtenaufbau von Firnis und Malschicht und zu- gleich Phase 1, den gealterten Zustand vor der Lösemitteleinwirkung. Die Schichtenfolgen 1 und 3 des Firnisses sind hellgrau gezeichnet, Schichtenfolge 2 hellgelb. Schichtenfolge 4 wird wegen ihrer sehr geringen Dicke vernachlässigt. Malschicht und Grundierung sind summarisch und ohne Zwischenfirnisse dargestellt (hellgrau gesprenkelt). Man sieht zwei aktuelle Fir- nisrisse, mit einem Übergang zu einem geweiteten und tiefen (links) und einem schmalen und oberflächlichen Malschichtriss (rechts). In dieser Phase gibt es noch keine ehemaligen Firnis- risse. Die Bildung oder Veränderung der Firnisrisse ist mit „a“ bezeichnet, der Malschichtrisse mit „b“. Pfeile in den folgenden Abbildungen zeigen die Bildung, Weitung und Vertiefung oder Nivellierung der Firnisdeformationen und die horizontale Verschiebung des Firnisses an.

176

Abb. I.87.1-I.87.4: Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Veränderungen der Firnis- und Malschichtrisse sowie der Firnisdeformationen, Bereich 1, Zeichnungen, vier Phasen (1-4), Firnis in den Schichtenfolgen 1 und 3: hellgrau, in Schichtenfolge 2: hellgelb, Malschicht und Grundierung: hellgrau gesprenkelt, Bildung, Weitung und Vertiefung von Firnisdeformationen sowie horizontale Verschiebung des Firnisses: Pfeile

Bereich 1 Vier Phasen werden bestimmt. Abbildung I.87.1 zeigt Phase 1, den Zustand vor der Lösemittel- einwirkung. Die beiden Rissbereiche stehen für die Rissbereiche R1 und R3 von Probe 1 (vgl. Abb. I.74, S. 172). In Phase 2 (Abb. I.87.2) werden die Malschichtrisse durch Firnis gefüllt und die Firnisrisse geschlossen. Sie bleiben als Schichtenstörung im Firnis auf der Ebene von Schichtenfolge 2 erkennbar. Links kommt es zu einer oberflächlichen, v-förmigen Weitung des tiefen Malschichtrisses und einer Firnisdeformation (Pfeile), rechts wird der oberflächliche Malschichtriss v-förmig geweitet und der Firnis vollständig nivelliert. In Phase 3 (Abb. I.87.3) weitet und vertieft sich die Firnisdeformation im Rissbereich links (Pfeile) und der Firnis wird horizontal verschoben, sichtbar am Versatz zwischen Malschichtriss und der vertikalen Tren- nung von Schichtenfolge 2 des Firnisses im Rissbereich rechts (Pfeile). Es entstehen links Profil a und rechts Profil e ehemaliger Firnisrisse (vgl. Abb. I.46.1, 46.5, S. 156). Phase 4 (Abb. I.87.4) stellt die Wiederhärtung des Bildgefüges und die Bildung aktueller Firnisrisse mit Profil a dar.

Bereich 3 Der modellhafte Rekonstruktionsversuch bezieht sich auf den ersten Anschliff von Probe 3 (vgl. Abb. I.76, S. 172) mit weitgehend aufgelösten Schichtengrenzen des Firnisses. Gezeigt werden sieben Phasen, wiederum beginnend mit dem Zustand vor der Lösemitteleinwirkung in Abbil- dung I.88.1 (S. 178). Links ist der Rissbereich R1, rechts der Rissbereich R4 von Probe 3 dar- gestellt. Nach einer Lösemitteleinwirkung kommt es in Phase 2 (Abb. I.88.2, S. 178) zum Füllen der Malschichtrisse mit Firnis, zum Schließen der Firnisrisse (a) und zu einer Weitung der Mal- schichtrisse (b).

177

Abb. I.88.1-I.88.7: Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Veränderungen der Firnis- und Malschichtrisse sowie der Firnisdeformationen, Bereich 3, Zeichnungen, sieben Phasen (1-7), Firnis in den Schichtenfolgen 1 und 3: hellgrau, in Schichtenfolge 2: hellgelb, Malschicht und Grundierung: hellgrau gesprenkelt, Bildung und Veränderung der Risse des Firnisses (a) und der Malschicht (b), Bildung, Weitung und Vertiefung oder Nivel- lierung von Firnisdeformationen sowie horizontale Verschiebung des Firnisses: Pfeile

In beiden Rissbereichen bildet sich eine Firnisdeformation, die sich in Phase 3 (Abb. I.88.3) weitet und vertieft, zudem wird eine horizontale Verschiebung des Firnisses vermutet (Pfeile). In Phase 4 (Abb. I.88.4) finden die Wiederhärtung des Firnisses und die Bildung von aktuellen Firnisrissen (a) und Malschichtrissen (b) statt. Die Abbildung soll auch den mehrfachen Paral- lelverlauf der Malschichtrisse und den Rekonstruktionsversuch der Rissentwicklung in Bereich 3 illustrieren (vgl. Abb. I.39.1-I.39.4, S. 151). In Phase 5 (Abb. I.88.5) kommt es zu einer er- neuten, stärkeren Lösemitteleinwirkung, die eine vollständige Auflösung der Schichtgrenzen, ein Verfließen der Firnisschichten sowie links eine weitgehende und rechts die vollständige Ni- vellierung der Firnisdeformationen (Pfeile) zur Folge hat. Auch die aktuellen Firnisrisse werden wieder geschlossen (a). Phase 6 (Abb. I.88.6) zeigt eine Weitung der in Phase 4 entstandenen Malschichtrisse (b). Das Resultat sind die ehemaligen Firnisrisse mit Profil c (links) und Profil e (Mitte und rechts). In Phase 7 (Abb. I.88.7) werden die Wiederhärtung und die Bildung der aktuellen Firnisrisse (Profil a) im heutigen Zustand eingeordnet.

178

Abb. I.89.1-I.89.5: Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Veränderungen der Firnis- und Malschichtrisse sowie der Firnisdeformationen, Bereiche 4 und 5, Zeichnungen, fünf Phasen (1-5), Firnis in Schichtenfolgen 1 und 3: hellgrau, in Schichtenfolge 2: hellgelb, Malschicht und Grundierung: hellgrau gesprenkelt, Bildung und Veränderung der Risse des Firnisses (a) und der Malschicht (b), Bildung, Weitung und Vertiefung der Firnisde- formation sowie horizontale Verschiebung des Firnisses: Pfeile

Bereiche 4 und 5 Der Firnis ist dicker als in den Bereichen 1 und 3. Der modellhafte Rekonstruktionsversuch zeigt die Konstellation von Probe 4 rechts (Abb. I.43, S. 153, Rissbereich R1) und Probe 5 (Abb. I.78, I.79, S. 173). Phase 1 (Abb. I.89.1) zeigt nochmals den Zustand vor, Phase 2 (Abb. I.89.2) nach einer Lösemitteleinwirkung, bei welcher Firnis den Malschichtriss füllt und der Firnisriss (a) geschlossen wird. Zudem bildet sich eine Firnisdeformation (Pfeile). Hingegen bleibt der Malschichtriss schmal. In Phase 3 (Abb. I.87.3) entsteht in der Mitte der Firnisde- formation ein oberflächlicher Firnisriss (a), während sich die Firnisdeformation gleichzeitig weitet und vertieft (Pfeile). Phase 4 (Abb. I.89.4) vereint eine starke Deformation des Rissbe- reichs mit einer v-förmigen Weitung des Malschichtrisses (b), einer Weitung und Vertiefung des oberflächlichen Firnisrisses (a), einer Firnisdeformation (Pfeile Mitte) und einer horizonta- len Verschiebung des Firnisses (Pfeil rechts). Bei diesen Deformationen bleiben dennoch die Kanten des Firnisrisses erhalten, vermutlich aufgrund einer oberflächlich fortgeschrittenen Wiederhärtung der obersten Ebene bei gleichzeitig anhaltender Erweichung der mittleren und unteren Ebene des dicken Firnisses. Im Vergleich zu den Bereichen 1 und 3 findet die Weitung des Malschichtrisses später statt und ist stärker ausgeprägt. Möglicherweise besteht ein Zusam-

179 menhang mit der höheren Dicke der Malschicht und den enthaltenen Zwischenfirnissen. Der resultierende ehemalige Firnisriss hat Profil b. Abbildung I.89.5 (S. 179) zeigt Phase 5, die Wie- derhärtung und Bildung der aktuellen Firnisrisse (Profil a).

4.1.5.4 Rekonstruktionsversuch der Restaurierungsgeschichte

Der Rekonstruktionsversuch der Restaurierungsgeschichte stützt sich vorwiegend auf die Be- funde der Schichtenfolgen des Firnisses und der Schäden und Veränderungen. Insgesamt lassen sich sieben Restaurierungen vermuten. Der erste restauratorische Eingriff (Phase 1), ein Firnis- auftrag (Schicht 2 von Schichtenfolge 1), findet in der Zeit ab 1749 statt. Nach 1749 wird das Gemälde mindestens zwei weitere Male gefirnisst (Schichtenfolgen 2 und 3, Phasen 2 und 3). Aufgrund einer Firnistrübung, wie sie am linken Bildrand erhalten ist, nimmt man eine ganz- flächige Regenerierung vor (Phase 4). Im Zuge dieser Regenerierung entstehen die Randab- schabungen. In einem zeitlichen Abstand erfolgt eine weitere, partielle Regenerierung in Be- reich 3 (Phase 5). Die darauf folgende Restaurierung ist der letzte und sehr dünne Firnisauftrag (Schichtenfolge 4, Phase 6). Der letztmalige restauratorische Eingriff (Phase 7) könnte wiede- rum eine Regenerierung des Firnisses sein, die aber nur wenige und geringe Veränderungen bewirkt. Hinweise dafür geben die unterschiedlichen Profile sowie die Schließung und Ver- lagerung von einzelnen Rissen des aktuellen Firniscraquelés. Alle Restaurierungen finden somit in der Zeit vor 1952/1953 statt.

Phase Maßnahme zeitliche Einordnung

1 Firnisauftrag (Schicht 2 von Schichtenfolge 1) ab 1749 2 Firnisauftrag (Schichtenfolge 2) nach 1749 bis vor 1952/1953 3 Firnisaufträge (Schichtenfolge 3) nach 1749 bis vor 1952/1953 4 Firnisregenerierung nach 1749 bis vor 1952/1953 5 partielle Firnisregenerierung nach 1749 bis vor 1952/1953 6 Firnisauftrag (Schichtenfolge 4) nach 1749 bis vor 1952/1953 7 Firnisregenerierung (?) nach 1749 bis vor 1952/1953

Tab. I.9: Versuch der zeitlichen Einordnung der Schichtenfolgen des Firnisses und restauratorischen Maßnahmen, sieben Phasen (1-7)

180 4.1.6 Wirkung von Lösemitteln auf Firnis und Malschicht

Vorgestellt werden die Ergebnisse der Löseversuche an den Querschliffen der Proben 1, 3, 4 links und 10. Die Mikroskop-Aufnahmen in koaxialer Beleuchtung sind den grafischen Dar- stellungen gegenübergestellt. Unterschieden wird zwischen schneller und langsamer löslichen Bereichen des Firnisses und der Zwischenfirnisse. Kapitel 3.4 (S. 103-112) beschreibt den Auf- bau und die Durchführung der Versuche. Die grafische Darstellung ist stellenweise verein- fachend (vgl. Kap. 3.3, S. 101f. und Kap. 3.4, S. 107). In den Abbildungen ist die Malschicht- oberfläche mit Pfeil 1 gekennzeichnet. Löseversuche am Gemälde selbst werden nicht vorge- nommen, da keine Restaurierung geplant ist.

4.1.6.1 Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff

Für die Versuche wird 2-Propanol verwendet. Angaben zu den Einzelversuchen finden sich im Anhang (B.1.2, S. 473).

Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff (Löseversuch mit 2-Propanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in 2-Propanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellblau, in 2-Propanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. I.90: Probe 1, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. I.91: Probe 1, Kartierung, Schichtenfolgen des tenfolgen des Firnisses: 1-3, Rissbereiche: R1-R3, Firnisses: 1-3, Rissbereiche: R1-R3, Pfeil 1: Mal- Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-6: Teilbe- schichtoberfläche, Pfeile 2-6: Teilbereiche des Fir- reiche des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit nisses mit verschiedener Löslichkeit

Probe 1 (Abb. I.90, I.91): Schichtenfolge 1 ist schneller (Pfeil 2) und Schichtenfolge 2 lang- samer löslich (Pfeil 3). In Schichtenfolge 3 variiert das Löseverhalten. In der linken Proben- hälfte (Pfeil 4) liegen eine untere, schneller lösliche und eine obere, langsamer lösliche Ebene

181 vor. Pfeil 5 deutet auf die rechte Probenhälfte, wo das Löseverhalten mehrfach wechselt. Die Grenzen des Löseverhaltens folgen keinen erkennbaren Schichtgrenzen. Im Rissbereich R1, in einem schmalen Bereich entlang des Firnisses und entlang der Kante des geweiteten und tiefen Malschichtrisses, ist der Firnis langsamer löslich. Anders ist das Löseverhalten in den Rissbe- reichen R2 und R3. Der partiell schneller lösliche Firnis reicht von den Malschichtrissen bis an die Firnisoberfläche. In Rissbereich R2 grenzt er links (Pfeil 6) und rechts an schmale, lang- samer lösliche Bereiche des Firnisses. Deutlich zeichnet sich in Rissbereich R3 der diagonal verlaufende, ehemalige Firnisriss ab, welcher im Kapitel 4.1.5.3 (S. 174) als Resultat einer hori- zontalen Verschiebung des Firnisses beschrieben wird.

Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff (Löseversuch mit 2-Propanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in 2-Propanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellblau, in 2-Propanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. I.92: Probe 3, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. I.93: Probe 3, Kartierung, Schichtenfolgen des tenfolgen des Firnisses: 1-3, Rissbereiche: R1-R3, Firnisses: 1-3, Rissbereiche: R1-R3, Pfeil 1: Mal- Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-5: Teilbe- schichtoberfläche, Pfeile 2-5: Teilbereiche des Fir- reiche des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit nisses mit verschiedener Löslichkeit

Probe 3 (Abb. I.92, I.93): Das Löseverhalten variiert in den verschiedenen Bereichen der Probe. Rechts haben sich die Schichtenfolgen 1 bis 3 des Firnisses zum Teil erhalten. Dort ist ein ähn- liches Löseverhalten wie in Probe 1 erkennbar. Schichtenfolge 1 (Pfeil 2) ist schneller, Schich- tenfolge 2 (Pfeil 3) langsamer löslich. Die untere Ebene von Schichtenfolge 3 (Pfeil 4) ist schneller, die obere Ebene langsamer löslich. Pfeil 5 deutet auf die Probenmitte, wo die Schicht- grenzen vollständig aufgelöst sind und der Firnis stellenweise insgesamt langsamer löslich ist. Die Rissbereiche unterscheiden sich deutlich in ihrem Löseverhalten. Im Rissbereich R1 ist der Firnis teilweise und bis in den Malschichtriss hinein schneller löslich. Form und Orientierung dieser Bereiche lassen einen Zusammenhang mit der vertikalen Firnismigration vermuten. Im Rissbereich R2 liegt ein langsamer löslicher Firnis im Malschichtriss und in der unteren Ebene 182 des Firnisses vor. Schneller löslich ist der Firnis in der oberen Ebene und zu beiden Seiten des Rissbereichs. Der Firnis ist im Rissbereich R3 über seine gesamte Dicke und innerhalb der Öff- nung des Malschichtrisses schneller löslich. Nach rechts besteht ein Anschluss an die ebenfalls schneller lösliche Schichtenfolge 1 (Pfeil 2).

Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff (Löseversuch mit 2-Propanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in 2-Propanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses und der Zwischenfirnisse: hellblau, in 2- Propanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß und der Zwischenfirnisse: grau, Farbschichten und Grundierung: hellgrau

Abb. I.94: Probe 4 links und Mitte, Mikroskop-Auf- Abb. I.95: Probe 4 links und Mitte, Kartierung, nahme, Schichtenfolgen des Firnisses: 1-4, Rissbe- Schichtenfolgen des Firnisses: 1-4, Rissbereiche: R2- reiche: R2-R4, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: R4, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: schneller schneller lösliche Bereiche des Zwischenfirnisses, lösliche Bereiche des Zwischenfirnisses, Pfeil 3-6: Pfeile 3-6: Teilbereiche des Firnisses mit verschie- Teilbereiche des Firnisses mit verschiedener Lös- dener Löslichkeit lichkeit

Probe 4 links und Mitte (Abb. I.94, I.95): Die Malschichtoberfläche (Pfeil 1) ist an zwei Stellen verzeichnet. Zunächst erweist sich der obere Zwischenfirnis an mehreren Stellen als schneller löslich (Pfeile 2). Die Schichtenfolge 1 des Firnisses (Pfeil 3) ist in der Mitte der Probe gänzlich, links und rechts nur im Schlussfirnis und in der unteren Ebene von Firnisschicht 2 schneller löslich. Schichtenfolge 2 löst sich langsamer (Pfeil 4). In Schichtenfolge 3 (Pfeil 5) wechseln sich langsamer und schneller lösliche Ebenen mehrfach ab. Ihr Verlauf korrespondiert zum Teil mit den kartierten Schichtgrenzen. Der rechte Teil der Probe enthält in einem kurzen Abschnitt auch Schichtenfolge 4 (Pfeil 6), die langsamer löslich ist. In den Rissbereichen R2 bis R4 ist der Firnis in den Malschichtrissen und weiter bis zur Firnisoberfläche schneller löslich, im Um- feld hingegen langsamer löslich. So erkennt man den diagonalen Verlauf des ehemaligen, hori- zontal verschobenen Firnisrisses im Rissbereich R2 ebenso deutlich wie in Probe 1 (Rissbe- reich R3).

183 Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff (Löseversuch mit 2-Propanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in 2-Propanol schneller lösliche Bereiche des Firnisse und Zwischenfirnisses: hellblau, in 2-Pro- panol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß und des Zwischenfirnisses: grau, Farbschichten und Grundierung: hellgrau

Abb. I.94: Probe 10, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. I.95: Probe 10, Kartierung, Schichtenfolgen des tenfolgen des Firnisses: 1-4, Pfeil 1: Malschicht- Firnisses: 1-4, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: oberfläche, Pfeil 2: schneller lösliche Bereiche des schneller lösliche Bereiche des Zwischenfirnisses, Zwischenfirnisses, Pfeil 3: rote Farbschicht der Nr. Pfeil 3: rote Farbschicht der Nr. des Inv. 1749ff., des Inv. 1749ff., Pfeile 4-6: Teilbereiche des Fir- Pfeile 4-6: Teilbereiche des Firnisses mit verschie- nisses mit verschiedener Löslichkeit dener Löslichkeit

Probe 10 (Abb. I.96, I.97): Die Probe enthält keine Rissbereiche. Pfeil 2 deutet auf den Zwi- schenfirnis der Malschicht, Pfeil 3 auf die im Firnis eingebettete Farbschicht der Nummer des Inventars von 1749ff. Der Zwischenfirnis (Pfeil 2) ist schneller löslich. Ebenso schneller löslich ist der Schlussfirnis (Pfeil 4), gleichzeitig auch Firnisschicht 1 von Schichtenfolge 1, die im rechten Teil der Probe unterhalb der roten Farbschicht der Inventarnummer (Pfeil 3) liegt. Die Mitte und der rechte Teil der Probe zeigen, dass auch die darauf folgende Firnisschicht (Schicht 2 von Schichtenfolge 1) schneller löslich ist. Langsamer löslich sind Schichtenfolge 2 (Pfeil 5), Schichtenfolge 3, mit Ausnahme eines schmalen Bereichs entlang ihrer unteren Schichtgrenze (Pfeil 6), und schließlich Schichtenfolge 4.

Die Versuche mit 2-Propanol zeigen eine stellenweise besondere Lösemittelempfindlichkeit der Malschicht. Teile des obersten Zwischenfirnisses in Probe 4 und der Zwischenfirnis in Probe 10 sind schneller löslich. Vielfach variiert das Löseverhalten des Firnisses. Dabei sind mehrere Gemeinsamkeiten der Proben erkennbar. Schichtenfolge 1 erweist sich als mehrheit- lich oder vollständig schneller löslich. In den Proben 4 und 10 kann darstellt werden, dass der Schlussfirnis als untere Schicht von Schichtenfolge 1 schneller löslich ist. Schichtenfolge 2 ist langsamer löslich. In Schichtenfolge 3 variiert das Löseverhalten in verschiedenen Ebenen, wo- bei in Probe 1 die schneller löslichen, in den Proben 3, 4 und 10 die langsamer löslichen Teil-

184 bereiche überwiegen. Die partielle Auflösung der Schichtgrenzen in Bereich 3 führt zu einem einheitlicheren Löseverhalten der gesamten Firnisschicht. In den meisten Rissbereichen, den mit Firnis gefüllten Malschichtrissen und ehemaligen Firnisrissen, ist der Firnis gänzlich oder teilweise schneller löslich.

4.1.6.2 Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen

Für die Versuche wird Ethanol verwendet. Die Angaben zu den Einzelversuchen finden sich im Anhang (B.1.2, S. 473). Der Rekonstruktionsversuch bezieht sich auf eine Firnisregenerie- rung mit Ethanolbedampfung unter einem Pettenkofer-Kasten als eine von mehreren Möglich- keiten einer historischen Restaurierung.

Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen (Löseversuch am Quer- schliff mit Ethanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in Ethanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellgrün, in Ethanol langsamer lösliche Be- reiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. I.96: Probe 1, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. I.97: Probe 1, Kartierung, Schichtenfolgen des tenfolgen des Firnisses: 1-3, Rissbereiche: R1-R3, Firnisses: 1-3, Rissbereiche: R1-R3, Pfeil 1: Mal- Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-6: Teilbe- schichtoberfläche, Pfeile 2-6: Teilbereiche des Fir- reiche des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit nisses mit verschiedener Löslichkeit

Probe 1 (Abb. I.98, I.99): Schichtenfolge 1 (Pfeil 2) ist schneller, Schichtenfolge 2 (Pfeil 3) langsamer löslich. In Schichtenfolge 3 bestehen Unterschiede zum Versuch mit 2-Propanol (vgl. Abb. I.90, I.91. S. 181). Die linke Probenhälfte zeigt den zweifachen Wechsel von schneller und langsamer löslichen Ebenen (Pfeile 4 und 5). Nur eine Ebene mit langsamerer Löslichkeit erkennt man in der rechten Probenhälfte. Im Rissbereich R1 ist der langsamer lös- liche Bereich entlang der Firnisoberfläche schmaler. Der Bereich des schneller löslichen Fir-

185 nisses im Rissbereich R2 ist ausgedehnter als im Versuch mit 2-Propanol. Im Rissbereich R3 erkennt man wiederum anhand der schnelleren Löslichkeit den diagonalen Verlauf des ehema- ligen Firnisrisses (Pfeil 6).

Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen (Löseversuch am Quer- schliff mit Ethanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in Ethanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellgrün, in Ethanol langsamer lösliche Be- reiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. I.100: Probe 3, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. I.101: Probe 3, Kartierung, Schichtenfolgen des tenfolgen des Firnisses: 1-3, Rissbereiche: R1-R3, Firnisses: 1-3, Rissbereiche: R1-R3, Pfeil 1: Mal- Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Teilbereich schichtoberfläche, Pfeil 2: Teilbereich des Firnisses des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit mit verschiedener Löslichkeit

Probe 3 (Abb. I.100, I.101): Die Schichtenfolgen des Firnisses sind in der Probe rechts partiell erhalten. Schichtenfolge 1 ist schneller löslich. Pfeil 2 deutet auf die langsamer lösliche Schich- tenfolge 2. Schichtenfolge 3 ist überwiegend schneller löslich. In der Probenmitte, wo die Schichtgrenzen aufgelöst sind, erstreckt sich der schneller lösliche Bereich nahezu über die ge- samte Firnisdicke. In der Probe links, ebenfalls ohne erhaltene Schichtgrenzen, wechseln sich schneller und langsamer lösliche Bereiche ab. Schneller löslich ist der Firnis im Rissbereich R1, wobei die Grenze zum langsamer löslichen Firnis wellig ist, und im Rissbereich R2 vom Malschichtriss bis nahe an die Firnisoberfläche. Von einem oberflächlichen Malschichtriss in Rissbereich R3 geht eine Schliere aus, die sich überraschenderweise als langsamer löslich erweist.

186 Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen (Löseversuch am Quer- schliff mit Ethanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in Ethanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses und der Zwischenfirnisse: hellgrün, in Etha- nol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß und der Zwischenfirnisse: grau, Farbschichten und Grun- dierung: hellgrau

Abb. I.100: Probe 4 links und Mitte, Mikroskop-Auf- Abb. I.101: Probe 4 links und Mitte, Kartierung, nahme, Schichtenfolgen des Firnisses: 1-4, Rissbe- Schichtenfolgen des Firnisses: 1-4, Rissbereiche: R2- reiche: R2-R4, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: R4, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: schneller schneller löslicher Zwischenfirnis, Pfeile 3-6: Teil- löslicher Zwischenfirnis, Pfeile 3-6: Teilbereiche des bereiche des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit Firnisses mit verschiedener Löslichkeit

Probe 4 links und Mitte (Abb. I.100, I.101): Die beiden Pfeile 2 deuten auf den obersten Zwi- schenfirnis, der in seiner gesamten Schicht schneller löslich ist. Ebenfalls schneller löslich ist Schichtenfolge 1 des Firnisses einschließlich des Schlussfirnisses (Pfeil 3), langsamer löslich Schichtenfolge 2 (Pfeil 4). Die schneller löslichen Ebenen von Schichtenfolge 3 sind breiter als im Versuch mit 2-Propanol und haben einen geringfügig anderen Verlauf, z.B. an der Stelle von Pfeil 5. Schichtenfolge 4 (Pfeil 6) ist wiederum langsamer löslich. Der Firnis in den Rissbe- reichen R2 bis R4 löst sich schneller. Im Rissbereich R2 erkennt man wellig deformierte Gren- zen des ehemaligen, diagonal verlaufenden Firnisrisses und des Umfelds. In Bereich R4 ist der Firnis nur im Malschichtriss und auf der Ebene von Schichtenfolge 1 schneller, darüber aber langsamer löslich. Probe 10 (Abb. I.104, I.105, S. 188): Der Zwischenfirnis (Pfeil 2), der Schlussfirnis (Pfeil 3) und die zweite Schicht der Schichtenfolge 1 (Pfeil 4) erweisen sich als schneller löslich. Lang- samer löslich sind Schichtenfolge 2, Schichtenfolge 3 mit Ausnahme von schmalen Abschnitten entlang der oberen Schichtgrenze (Pfeil 5) und zuletzt Schichtenfolge 4.

187 Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen (Löseversuch am Quers- chliff mit Ethanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in Ethanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses und Zwischenfirnisses: hellgrün, in Ethanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß und des Zwischenfirnisses: grau, Farbschichten und Grundie- rung: hellgrau

Abb. I.104: Probe 10, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. I.105: Probe 10, Kartierung, Schichtenfolgen tenfolgen des Firnisses: 1-4, Pfeil 1: Malschichtober- des Firnisses: 1-4, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, fläche, Pfeil 2: schneller löslicher Zwischenfirnis, Pfeil 2: schneller löslicher Zwischenfirnisses, Pfeil 3: Pfeil 3: rote Farbschicht der Nr. des Inv. 1749ff., rote Farbschicht der Nr. des Inv. 1749ff., Pfeile 4-5: Pfeile 4-5: Teilbereiche des Firnisses mit verschie- Teilbereiche des Firnisses mit verschiedener Lös- dener Löslichkeit lichkeit

Der oberste Zwischenfirnis in Probe 4, der Zwischenfirnis der Probe 10, Schichtenfolge 1 und verschiedene Ebenen von Schichtenfolge 3 des Firnisses erweisen sich als schneller löslich. Sie hätten bei einer historischen Firnisregenierung mit Alkoholbedampfung als Gleitschichten fun- gieren und Deformationen und Rissweitung bewirken können. Probe 3 weist indirekt auf diesen Zusammenhang hin, indem dort überwiegend keine Schichtenfolgen oder Ebenen mit variie- render Löslichkeit und gleichzeitig deutlich geringere Firnisdeformationen vorhanden sind. Der Firnis in den Rissbereichen ist schneller löslich und es wird vermutet, dass dies wesentlich zu den Deformationen und der Rissweitungen beiträgt, allerdings nicht in Probe 3. Die Resultate der Löseversuche mit Ethanol und 2-Propanol sind in den Schichtenfolgen 1, 2 und 4 weitge- hend ähnlich, während in Schichtenfolge 3 des Firnisses und den Rissbereichen einige Diffe- renzen bestehen.

188 4.1.7 Zusammenfassung

Die Malschicht beinhaltet partielle, teils mehrfache Zwischenfirnisse. Ihre Dicke beträgt bis zu 10 µm, ihre variierende UV-Fluoreszenz deutet auf verschiedene Firnisbestandteile hin. Der Firnis hat eine Gesamtdicke von 20 bis 80 µm. Er ist mehrschichtig und enthält zwei bis sechs Firnisschichten mit variierender Dicke. Die dünnsten Schichten messen bis zu 5 µm, die dick- sten über 40 µm. Mehrheitlich haben die Schichten eine Dicke von bis zu 10 µm, weit überwie- gend bis zu 15 µm. Die unterschiedliche Anzahl der Schichten wird vor allem auf eine Auflö- sung von Schichtgrenzen zurückgeführt. Aus den Einzelschichten werden vier Schichtenfolgen rekonstruiert. Reste eines Schlussfirnisses haben sich erhalten. Seine Merkmale sind ein ein- schichtiger Auftrag von bis zu 5 µm Dicke und eine helle UV-Fluoreszenz. Der Firnis ist stark gegilbt. Nur an einer Probe kann in einer Querschliffuntersuchung darge- stellt werden, dass sich die Gilbung auf die untere Ebene konzentriert. Der Firnis ist im heutigen Zustand nicht getrübt, allerdings deuten minimale Reste auf eine frühere Trübung hin, die ver- mutlich den Anlass zu einer Firnisregenerierung gegeben hatte. Die Malschichtrisse haben eine Breite von bis zu 0,08 mm. Auffällig sind Einzelrisse mit variie- renden Rissbreiten. Die Rissanordnung ist in den Bildbereichen unterschiedlich, es sind sowohl ein Netzcraquelé als auch die Verbindung eines Parallel- und Netzcraquelés sowie eines Gitter- und Netzcraquelés erkennbar. In einem Teilbereich überlagern sich Malschichtrisse und deuten damit auf eine Zäsur der Rissentwicklung hin. Die borkenartigen Firnisdeformationen sind in den Bildbereichen unterschiedlich ausgeprägt. Stärker sind sie in den dunklen Bereichen, am stärksten sind sie in den Firnisläufern und -girlan- den, am geringsten im Bereich einer partiellen Firnisbehandlung. Den borkenartigen Firnisde- formationen liegen ehemalige Firnisrisse zugrunde. In Verbindung mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen haben die ehemaligen Firnisrisse eine überwiegende Breite von 0,3 bis 0,5 mm und eine etwa der Firnisdicke entsprechende Tiefe, in Verbindung mit schmalen und ober- flächlichen Malschichtrissen bzw. ohne Verbindung zu Malschichtrissen eine überwiegende Breite von 0,1 bis 0,2 mm und eine Tiefe von einem Drittel bis zwei Dritteln der Firnisdicke. Mehrheitlich sind die Profile der ehemaligen Firnisrisse gerundet und ohne Risskanten oder Rissränder. An der Stelle eines partiellen restauratorischen Eingriffs ist neben den überlagerten Malschichtrissen eine weitgehende Nivellierung der ehemaligen Firnisrisse zu beobachten. Dies zeigt, dass ein Fehlen von borkenartigen Deformationen nicht nur auf einen von Quellung- und Löseprozessen unbeschädigten Zustand hinweist, sondern auch aus einer verstärkten Löse- mitteleinwirkung resultieren kann.

189 Einzelform und flächige Anordnung der ehemaligen Firnisrisse entsprechen meist denen der Malschichtrisse. Die Einzelformen sind mehrheitlich zügig und glatt bis vereinzelt leicht ge- zackt. Sowohl bei Firnis- als auch bei Malschichtrissen gehen Einzelformen mit verschiedenen Profilen ineinander über. Ein Parallelcraquelé in horizontaler Vorzugsrichtung ist in Verbin- dung mit den geweiteten und tiefen Malschichtrissen feststellbar. In Verbindung mit schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen und ohne Verbindung zu Malschichtrissen liegt mehrheit- lich ein Netz-, partiell auch ein Gittercraquelé vor, das teilweise bis weitgehend geschlossen ist. Vereinzelt hat sich eine Firnismigration entlang ehemaliger Firnisrisse gebildet. Die aktuellen Firnisrisse sind nur bis zu 0,01 mm breit und haben überwiegend klare Riss- kanten. Vereinzelt lassen sich auch abgerundete Ränder sowie eine Schließung und Verla- gerung von Rissen beobachten. Die Einzelrisse sind zügig und glatt bis leicht gezackt und zum Teil sehr stark gebogen. Ein Teil der aktuellen Firnisrisse folgt den ehemaligen, mit den gewei- teten und tiefen Malschichtrissen verbundenen Firnisrissen, teilweise in einer Reihung kurzer Einzelrisse. Die aktuellen Firnisrisse überlagern mehrheitlich die schmalen und oberflächlichen Malschichtrisse sowie die mit ihnen verbundenen, ehemaligen Firnisrisse und bilden dabei ein Netzcraquelé. Das aktuelle Firniscraquelé ist teilweise bis weitgehend geschlossen. Die Querschliffuntersuchung ergibt, dass die Malschicht in den Bereichen mit Zwischenfir- nissen durch Schichtenauflösung und minimale Migration von Farbe in den Firnis beschädigt ist. Die Schichtenstörungen des Firnisses sind vielfältig. Bis auf Ausnahmen sind die Schicht- grenzen angelöst oder stellenweise aufgelöst, teilweise sind sie auch wellig deformiert. Im Querschliff zeichnen sich ehemalige Firnisrisse ab, wobei auch eine horizontale Verschiebung des Firnisses erkennbar ist. Firnis, der die Malschichtrisse füllt, weist eine vertikale Migration auf. Als Schadensursachen werden Quellungs- und Löseprozesse früherer Restaurierungen ange- nommen, deren tiefreichende Wirkung durch Abschabungen am Bildrand dokumentiert ist. Die modellhafte Rekonstruktion der Wirkung früherer Restaurierungen am Querschliff zeigt ein unterschiedliches Löseverhalten des mehrschichtigen Firnisses und vor allem eine schnellere Löslichkeit unterer Schichtenfolgen und -ebenen des Firnisses und der Zwischenfirnisse. Damit kann ein wesentlicher Schadensfaktor der borkenartigen Deformation und Rissweitung be- stimmt werden, deren Entwicklung zudem modellhaft rekonstruiert wird. Die Restaurierungsgeschichte des Gemäldes wird, da schriftliche Quellen auch der neueren Zeit fehlen, weitgehend auf der Grundlage von Objektbefunden rekonstruiert. Das Gemälde erfährt mehrfache Firnisaufträge und Firnisregenerierungen, hingegen gibt es keinen Hinweis auf eine ganzflächige oder partielle Firnisabnahme oder -dünnung. Offenbar erster restauratorischer

190 Eingriff ist der Auftrag eines dünnen Firnisses um oder nach 1749. Die Farbschicht der Num- mer des Inv. 1749ff. wird für diese zeitliche Einordnung genutzt. Die folgenden Firnisaufträge sind in den Schichtenfolgen 2 bis 4 zusammengefasst. Vermutet wird, dass der Firnis bis zur Schichtenfolge 3 zuerst eine ganzflächige und in einem zeitlichen Abstand eine weitere partielle Regenerierung in Bereich 3 erfährt. Darauf wird der letzte, sehr dünne Firnis (Schichtenfolge 4) aufgetragen. Minimale Veränderungen des aktuellen Firniscraquelés werden als der letztma- lige restauratorische Eingriff an dem Gemälde angesehen und in die Zeit vor 1952/53 einge- ordnet. Obwohl keine Restaurierung geplant ist, werden dennoch die Möglichkeiten und Risiken einer Firnisabnahme, -dünnung oder -trennung mit Lösemittel untersucht und der zu erwartende Löseprozess dargestellt. Die Malschicht ist bereits partiell beschädigt. Insbesondere die Rissbe- reiche sind gefährdet, da der Firnis dort aufgrund seiner Deformationen eine geringere Dicke hat. Zunächst erweisen sich die partiellen Zwischenfirnisse zum Teil als schneller löslich. Die Schichtenfolgen und -ebenen des Firnisses unterscheiden sich in ihrer Löslichkeit. Bei- spielsweise ist Schichtenfolge 1 schneller löslich, während Schichtenfolge 2 und Ebenen von Schichtenfolge 3 langsamer löslich sind. Auch in Probe 3 variiert die Löslichkeit, obwohl die Schichten weitgehend aufgelöst sind. Zu den schneller löslichen Bereichen des Firnisses gehö- ren auch die Rissbereiche. Somit ist zu erwarten, dass der Firnis nicht von der Oberfläche aus gelöst, sondern von den Rissbereichen und den schneller löslichen Schichtenfolgen und Ebenen ausgehend unterspült und abgeschwemmt wird. Gleiches gilt für die Farbschichten oberhalb der schneller löslichen Zwischenfirnisse. Auf dieser Grundlage erscheint eine Firnisabnahme mit Lösemitteln aus konservatorischen Gründen nicht vertretbar. Eine kontrollierte Firnis- dünnung, eine Trennung von Firnisschichten oder eine Freilegung des offensichtlich nur in Resten erhaltenen Schlussfirnisses sind nicht umsetzbar. Bei einer Lösemitteleinwirkung am stärksten gefährdet ist die zwischen schneller löslichen Firnisschichten eingebettete Nummer des Inv. 1749ff.

191

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Abb. II.1: Rembrandt, Die Heilige Familie mit dem Vorhang, signiert und datiert 1646, Eichenholz, 46,8 x 68,4 cm, Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Hensmanns

4.2 Fallstudie II: Rembrandt, Die Heilige Familie mit dem Vorhang

4.2.1 Einleitung

Künstler und Werk Rembrandt (Rembrandt Harmensz. van Rijn) wird 1606 in Leiden geboren und stirbt 1669 in Amsterdam. Seine künstlerische Ausbildung erhält er bei Jacob van Swanenburgh in Leiden und bei Pieter Lastman in Amsterdam. Rembrandt beginnt seine künstlerische Laufbahn 1625 in Leiden und führt sie 1631 in Amsterdam fort. In seinem vielfältigen Werk sind Portraits und Themen des Alten und Neuen Testaments am stärksten vertreten. Rembrandt gilt als der bedeu- tendste niederländische Künstler seiner Epoche. Zu seinen Schülern zählen Ferdinand Bol, Ger- hard Dou, Willem Drost, Carel Fabritius und Nicolaes Maes.484 In den 1640er Jahren malt Rem- brandt neben der Heiligen Familie mit dem Vorhang zwei weitere Gemälde zum gleichem Bild-

484 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 228f.

193 thema, Die Heilige Familie im Louvre in Paris und Die Heilige Familie mit den Engeln in der Eremitage in St. Petersburg.485

Provenienz und Sammlungsgeschichte Das Gemälde wird 1752 von Landgraf Wilhelm VIII. von dem Sammler und Kunsthändler Willem Lormier in Den Haag erworben.486 Im Inventar von 1749ff. ist es unter der Nummer 727 verzeichnet. Als Standorte sind belegt:

- 18. Jahrhundert: Schloss Bellevue, rothes Cabinet des Herrschaftlichen Palais487 - 1807-1815: Paris, Musée Napoléon (das heutige Musée du Louvre, Ausstellung 1807- 1808, ab 1808 Galerie)488 - um 1830: Schloss Wilhelmshöhe489 - um 1875: Schloss Bellevue, Stucksaal490 - ab 1877: Königliche Gemäldegalerie (heutige Neue Galerie)491 - ab 1942: kriegsbedingte Auslagerung in Bad Wildungen492 - ab 1947: Hessisches Landesmuseum Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister493 - ab 1974: Schloss Wilhelmshöhe, Gemäldegalerie Alte Meister

485 Vgl. Kemp 2003, S. 12-22; AK Kassel 2006, 207-213. Die Autorin/der Autor des Katalogbeitrags ist nicht genannt. Die Heilige Familie ist 1640 datiert, Die Heilige Familie mit den Engeln 1645. 486 Vgl. BK Kassel 1996, Band 1, S. 242f.; Korthals Altes 2006, S. 39. 487 Vgl. Kat. Kassel 1783, S. 76. 488 Vgl. Savoy 2003, Bd. 2, S. 403; AK Kassel 2006, S. 207-213; Savoy 2011b, S. 9, 287. In der Liste der von Denon beschlagnahmten Gemälde ist die Heilige Familie mit dem Vorhang unter der Nummer 141 aufgeführt. 1807-1808 befindet es sich in der Ausstellung Statuen, Büsten, Reliefs, Bronzen und andere Antiken, Gemälde, Zeichnungen und Kuriositäten, die von der Großen Armee in den Jahren 1806 und 1807 erobert worden sind, deren Ausstellung am 14. Oktober 1807 … . Zum vollständigen Titel und Originaltitel des historischen Ausstel- lungskatalogs siehe Kap. 2.3, S. 29 und Anm. 120, S. 29. 489 Vgl. BK Kassel 1830, S. 60. 490 Vgl. Inv. 1875ff. S. 37. 491 Vgl. Eisenmann u. a.: Kommissionsbericht vom 21. Mai 1883, HStAM, Bestand 150, Nr. 1824, lfd. Nr. 77v.; BK Kassel 1913, S. 52. Das Gemälde befindet sich 1883 im Kabinett 8, im Galeriekatalog von 1913 ist Saal III angegeben. 492 Vgl. Helm: Objekt- und Standortliste: „Anlage Nr. 1“, mit handschriftlichen Zusätzen, vom 24. Juni 1942, Archiv MHK, Aktenbestand: Auslagerung von Kunstgut im 2. Weltkrieg, I, 2. Objektlisten sowie Bergungsort Bad Wildungen; Empfangsbescheinigung für Kunstwerke, Antiquitäten oder Gegenstände mit kulturellem Wert des Office of Military Goverment - Land, quittiert von Vogel, vom 6. Febuar 1947, Archiv MHK, Aktenbestand: Auslagerung von Kunstgut im 2. Weltkrieg II, Bergungsorte A-Z. 493 Vgl. Schnackenburg 1988, S. 113f.; AK Kassel 1956, S. 25.

194 Restaurierungsgeschichte Die erste schriftlich dokumentierte Restaurierung, ein Firnisauftrag, findet 1929 statt (vgl. Kap. 2.7.2, S. 53).494 1956 führt Sylvie von Reden eine nicht näher beschriebene „Firnisbehandlung“ durch (vgl. Kap. 2.9.1, S. 70).495 1980 wird „[d]er teilweise eingeschlagene Firnis […] mit einer Wachspaste (1T gebl. B’wachs/ 1 T rect. Terpentin / 15 % Canaubawachs / etwas Firnis (Dammar / Rect. Terp. 1:6)) poliert“.496 2007 ist eine Lockerung der Malschicht zu festigen und ein kleinerer Farbausbruch zu ergänzen.

4.2.2 Maltechnischer Aufbau und Erhaltungszustand

Der maltechnische Aufbau und Erhaltungszustand des Gemäldes sind mehrfach untersucht, bis- lang am eingehendsten durch Ernst van de Wetering.497 Die Bildmaße betragen 46,8 x 68,4 cm. Es wird vermutet, dass der obere Abschluss halbrund gewesen war.498 Der Bildträger besteht aus einem Eichenholzbrett mit horizontalem Faserverlauf. Rückseitig sind die Kanten links, rechts und unten unterschiedlich breit abgefast. Die Vorderseite zeigt keine Werkspuren. Die Tafel ist mit einer hellen einschichtigen Grundierung ausgestattet.499 In einer Röntgenauf- nahme zeichnen sich vor allem die mit Grundierung gefüllten Poren des Eichenholzes ab.500 Dies deutet darauf hin, dass die Grundierung sehr dünn ist. Ebenfalls im Röntgenbild erkennt man links einen 7 mm breiten Rand mit geringerer Röntgenabsorption, bei dem es sich mög- licherweise um einen Grundierungsgrat am Falz eines Hilfsrahmens handelt. An den anderen Seiten reicht die Grundierung bis zur Tafelkante. Die Malerei ist mehrschichtig. Die vorliegende Querschliffuntersuchung deutet auf hellbraune und braune Untermalungen hin.501 Van de Wetering identifiziert einige Pentimente.502 Starke

494 Vgl. Luthmer: Schreiben vom 4. Dezember 1928 und Luthmer: Schreiben vom 21. März 1929, beide Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung; AK Kassel 2006, S. 207. Brammer und Binzer verfassen 2006 den Technischen Befund des Katalogbeitrags zu dem Gemälde. Sie vermuten Firnisregenerierungen „nach dem Pet- tenkoferschen Prinzip“ im 19. Jahrhundert. 495 Vgl. Reden: Restaurierungsbericht, datiert 1956, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 496 Ilg: Restaurierungsbericht, datiert 1980, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 497 Vgl. Kühn 1976; AK Kassel 2006, S. 207; Wetering 2011, S. 389-404; Krämer 2013, S. 36-42. 498 Vgl. AK Kassel 2006, S. 211. 499 Vgl. Kühn 1976, S. 26f., 32; Wetering 2011, S. 392. Kühn bezeichnet die Farbe der Grundierung als „weiß- lich-grau“. Nach Kühn enthält sie Kreide, Bleiweiß, Proteine und „Öl in geringer Menge“, Als weiteren Binde- mittelbestandteil schließt er „verseifbare“ Harze nicht aus. Van de Wetering vermutet einen Kreidegrund. 500 Vgl. Wetering 2011, S. 391, Abb. 2. Die Röntgenaufnahme ist 1985 von Brammer angefertigt. 501 Vgl. ebd., S. 392f. Van de Wetering erkennt in der hellbraunen und stellenweise durchscheinenden Farbschicht eine Imprimitur („primuersel“). 502 Vgl. ebd., S. 393f., 396. Die Veränderungen betreffen Konturen von Maria und Jesus, das Kopftuch Mariens und den Bettpfosten.

195 Pastositäten finden sich vor allem in den Höhen und Lichtern des gemalten Rahmens, an der Stange und den Ringen des Vorhangs sowie im Tuch der Wiege und im Feuer. Ein streifiger Pinselstrich ist im beleuchteten Fußboden, dem Vorhang und dem Vorhang des Himmelbetts erkennbar. Lasierend dünn gemalt sind die Gesichter von Maria und Jesus, die Figur des Joseph und der dunkle Hintergrund. Nur wenige Bereiche haben in der Röntgenaufnahme eine stärkere Absorption, das Tuch in der Wiege, das über den Stuhl geworfene Tuch links von Maria, der beleuchtete Fußboden sowie Glanzlichter am gemalten Rahmen, an der Vorhangstange und den Vorhangringen. Kühn bestimmt die Pigmente Bleiweiß, Ocker, Blei-Zinngelb I sowie Quarz als Beimengung.503 Ein Schlussfirnis kann nicht identifiziert werden. Die Holztafel ist ohne Wölbung und Rissbildung erhalten. Die Tafelränder sind geringfügig be- schnitten und es wird vermutet, dass die geraden Abschrägungen oben von späterer Hand stam- men.504 Die Malschicht ist stabil. Fehlstellen, Retuschen und Übermalungen sind gering und beschränken sich im Wesentlichen auf die Bildränder. Abriebe der Malschichtoberfläche lassen sich nicht beobachten.505 Das Malschichtcraquelé ist stellenweise fein, an anderer Stelle gewei- tet sowie mit Deformationen der Rissränder und einer Migration von Farbe aus den Rissöff- nungen verbunden.506 Vereinzelt ist die Malschichtoberfläche angequollen und angelöst. Der heutige Firnis ist mehrschichtig und hat eine erhebliche Dicke. In der Bildmitte erkennt man eine Firnisgirlande. Die Gilbung ist stark ausgeprägt. Insgesamt ist eine leichte, im Landschafts- ausblick eine etwas stärkere Trübung feststellbar. Das Firniscraquelé ist stark geweitet. Ver- einzelt liegt eine Migration von Firnis aus dem Firniscraquelé vor. In den dunklen Partien des Gemäldes, vor allem in der linken Bildhälfte und im gemalten Rahmen, sowie in der Firnis- girlande haben sich borkenartige Deformationen gebildet. In einer kleinen Fläche der linken unteren Ecke hatte man eine Firnisdünnung vorgenommen. Dortige rote Farbinseln werden als Reste der Nummer „727“ des Inventars von 1749ff. betrachtet (vgl. Kapitel 3.5, S. 113-120). Auf der Tafelrückseite befinden sich die Siegel der Sammlung von Willem Lormier und des Musée Napoléon.507 Der Zierrahmen ist nicht original.

503 Vgl. Kühn 1976, S. 32. 504 Vgl. AK Kassel 2006, S. 207, 211f.; Wetering 2011, S. 389. 505 Vgl. Wetering 2011, S. 397. Van de Wetering vermutet, dass das Gemälde stellenweise berieben („over- cleaned“) ist. 506 Vgl. ebd., S. 392; AK Kassel 2006, S. 207. Van de Wetering sowie Brammer und Binzer gehen hingegen von einer weitgehenden Schließung des Malschichtcraquelés aus. Nach van de Wetering wird das Malschichtcraquelé vor allem in Röntgenaufnahmen des Gemäldes sichtbar. 507 Vgl. AK Kassel 2006, S. 207.

196 Übersicht der untersuchten Bereiche und Probeentnahmestellen für Querschliffe Kartierungen

Abb. II.2: Kartierung, mikroskopisch untersuchte Abb. II.3: Kartierung, Probeentnahmestellen für Bereiche 1-10: dunkle Flächen Querschliffe 1a-8b: Pfeile

4.2.3 Auswahl der untersuchten Bereiche

Zehn Bereiche der Bildoberfläche sowie Farb- und Firnisquerschliffe aus fünf Bereichen wer- den lichtmikroskopisch untersucht. Die Abbildungen II.2 und II.3 zeigen die Bereiche und Probeentnahmestellen. Im Anhang sind die Koordinaten aufgeführt (vgl. B.2.1, S. 474). Bereich 1 liegt in der Pilasterbasis des gemalten Rahmens (Abb. II.4, II.5, Pfeil 1). Der dunkle Untergrund liegt stellenweise frei. Darauf folgen Aufträge in hell- und mittelbrauner, teilweise ineinander verlaufener Farbe. Der Farbauftrag des Pilasterspiegels ist streifig pastos.

Untersuchte Bereiche des Gemäldes Detail-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. II.4: Gemalter Rahmen, linke untere Ecke, Be- Abb. II.5: Gemalter Rahmen, linke untere Ecke, Be- leuchtung schräg von links und rechts, Pfeil 1: Be- reiche 1-3, koaxiale Beleuchtung, Pfeil 1: Bereich 1, reich 1, Pfeil 2: Bereich 2, Pfeil 3: Bereich 3, Pfeil 4: Pfeil 2: Bereich 2, Pfeil 3: Bereich 3, Pfeil 4: Entnah- Entnahmestelle für Proben 1a, 1b, Pfeil 5: Entnahme- mestelle für Proben 1a, 1b, Pfeil 5: Entnahmestelle stelle für Probe 2, Maßbalken: 1 cm für Probe 2, Maßbalken: 1 cm

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Abb. II.6: Tuch in der Wiege, Beleuchtung schräg Abb. II.7: Landschaftsausblick, Beleuchtung schräg von links und rechts, Pfeil: Bereich 7, Maßbalken: 1 von links und rechts, Pfeil 1: Bereich 8, Pfeil 2: Ent- cm nahmestelle für Proben 8a, 8b, Maßbalken: 1 cm

Abb. II.8: Fußboden (Firnisgirlande), Beleuchtung Abb. II.9:, Fußboden (Firnisgirlande), koaxiale Be- schräg von links und rechts, Pfeil: Bereich 9, Maß- leuchtung, Pfeil: Bereich 9, Maßbalken: 1 cm balken: 1 cm

Die borkenartige Deformation des Firnisses ist an dieser Stelle repräsentativ für weite Teile des gemalten Rahmens und des Hintergrunds in der linken Bildhälfte. Bei Bereich 2 handelt es sich um eine lokale Firnisdünnung in einer Fläche von 1 x 2 cm (Abb. II.4, II.5, S. 197, Pfeil 2). Dort befinden sich auch die roten Farbinseln und vermutlichen Reste der Nummer des Inventars von 1749ff. Pfeil 2 deutet darauf und gleichzeitig auf die Entnahmestelle von Probe 2. Bereich 3 liegt am Rand der Firnisdünnung (Pfeil 3). Die Firnisdünnung und die weitgehende Ent- fernung der Inventarnummer sind anhand einer historischen fotografischen Reproduktion des Gemäldes zeitlich eingrenzbar (vgl. Kap. 2.6.2, S. 41f.).508 Damit bieten sich auch Anhalts- punkte für die zeitliche Einordnung der borkenartigen Firnisdeformationen. Bereich 4 liegt im Bereich des gemalten Rahmens links, im Pilasterkapitell (Abb. II.2, S. 197). Auf einer dunkelbraunen Unterlegung sind mit wenigen mittelbraunen, leicht pastosen Farb-

508 Vgl. Eisenmann 1902, Tafel 48. Von den verschiedenen Reproduktionen ist diese am detailreichsten. Die fotografische Aufnahme wird in den 1880er Jahren vom Kunstverlag Franz Hanfstaengl in Kassel gefertigt.

198 strichen die Formen des Kapitells skizziert. Die Weitung der Firnisrisse und die borkenartigen Firnisdeformationen sind in diesem Bereich besonders ausgeprägt. Die Bereiche 5 und 6 sind Teil des unteren, reich profilierten Schenkels des gemalten Rahmens (Abb. II.2, S. 197). Bereich 5 liegt an der oberen Rahmenkante. Auf eine dunkle Unterlegung folgt ein brauner bis dunkelbrauner Farbauftrag. In Bereich 6, dem Rollwerk, sind auf dunkel- braunem Untergrund die Mitteltöne in Braun und Rot aufgetragen. Kurze dünne Pinselstriche sind ineinander vermalt. Zum Teil ist die Farbe oberflächlich aufgerieben. Die hellen und gelben, pastosen Glanzpunkte sind stellenweise mit der Farbe der Mitteltöne vermengt und ab- schließend überlasiert. In beiden Bereichen lassen sich borkenartige Deformationen des Fir- nisses, eine Rissweitung und Verquellungen der Malschicht sowie eine Migration von Farbe feststellen. Bereich 7 zeigt das Tuch in der Wiege (Abb. II.6, S. 198, Pfeil). In den beleuchteten Partien sind eine hellgraue und eine stark pastose, weiße Farbschicht aufgetragen. In den Schatten liegt eine hellbraune Untermalung teilweise frei. In den schmalen, leicht pastosen Pinselstrichen mischen sich verschiedene Farbtöne. Die Malschicht ist durch die Migrationen von Farbe be- schädigt, die ebenfalls in der historischen fotografischen Reproduktion des Gemäldes nach- weisbar ist.509 Der Bereich wird auch als Beispiel für die 1929 festgestellte, ausgeprägte Riss- bildung des Firnisses ausgewählt (vgl. Kap. 2.7.2, S. 52).510 Die Firnisrisse sind geweitet, hin- gegen sind die Firnisdeformationen gering. In Bereich 8 sind die Bäume des Landschaftsausblicks in der Bildmitte erfasst (Abb. II.7, S. 198, Pfeil 1). Sie sind in graugrüner Farbe mit breiten Pinselstrichen angelegt. Stellenweise liegt die braune Untermalung frei. In dem Bereich ist der Firnis erkennbar getrübt. Bereich 9 befindet sich im beleuchteten Teil des Fußbodens (Abb. II.8, II.9, S. 198). Auf eine mittelbraune Untermalung sind streifig, dünn und auslaufend eine graubraune, mittlere Farb- schicht und mit pastosen, breiteren Pinselstrichen eine hellbraune, obere Farbschicht aufge- tragen. Der dicke Rand einer Firnisgirlande ist borkenartig deformiert (Pfeil). Die Fließrichtung der Girlande weist nach unten. In Bereich 10, dem Bildrand unten rechts, sind Farbe und Firnis in einem ehemals erweichten Zustand deformiert (Abb. II.2, S. 197). Die Beschädigung war offensichtlich bei einem kurzzei- tigen Einrahmen entstanden und deutet auf eine Lösemitteleinwirkung bei einer früheren Res- taurierung hin.511 Jedoch sind die Bildränder von späteren Übermalungen überdeckt.

509 Vgl. ebd. 510 Vgl. Luthmer: Schreiben vom 21. März 1929, Archiv MHK, Bestand: Gemälderestaurierung. Bei der Begut- achtung werden tiefe Firnisrisse festgestellt, allerdings ist kein Bereich benannt. 511 Vgl. Brammer 1987, S. 102.

199 4.2.4 Schichten und Schichtenfolgen

4.2.4.1 Grundierung

Die Abbildungen II.10 bis II.12 zeigen die Grundierung anhand der Querschliffe in den Proben 1b, 4a und 5a. Pfeil 1 deutet auf die Grundierungsoberfläche.

Grundierung und Malschicht im Querschliff Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. II.10: Probe 1b, Mikroskop-Aufnahme, Dunkel- Abb. II.11: Probe 4a, Mikroskop-Aufnahme, Dunkel- feld- und externe Beleuchtung, Pfeil 1: Grundie- feld- und externe Beleuchtung, Pfeil 1: Grundie- rungsoberfläche, Pfeil 2: Malschichtoberfläche, Pfeil rungsoberfläche, Pfeil 2: Malschichtoberfläche 3: grober weißer Partikel

Abb. II.12: Probe 5a, Mikroskop-Aufnahme, Dunkel- Abb. II.13: Probe 8b, Mikroskop-Aufnahme, externe feld- und externe Beleuchtung, Pfeil 1: Grundie- Beleuchtung, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: rungsoberfläche, Pfeil 2: Malschichtoberfläche Risskante der Malschicht

Die Grundierung ist einschichtig und hellbraun. Sie kann in keiner Probe vollständig, am wei- testen aber in Probe 1b erfasst werden. In Probe 1b beträgt die Dicke bis zu 20 µm. Auffälliges Merkmal ist der Gehalt grober, weißer bis transparenter Partikel, bei denen es sich vermutlich

200 um das von Kühn analysierte Bleiweiß handelt.512 Pfeil 3 in Abbildung II.10 (S. 200) zeigt auf einen solchen Partikel. Hinzu kommen feinkörnige, helle Farbpartikel. In Tabelle II.1 sind die Proben 1b, 4a und 5a hervorgehoben, in denen die einschichtige Grundierung erfasst ist.

Tab. II.1: Schichtenabfolge der Grundierung (einschichtig)

4.2.4.2 Malschicht

Die Abbildungen II.10 bis II.13 (S. 200) zeigen den Malschichtaufbau der Proben 1b, 4a, 5a und 8b. Die Malschichtoberfläche ist in den Abbildungen II.10 bis II.12 mit Pfeil 2 markiert, in Abbildung II.13 mit Pfeil 1. Diese vier Proben sind in Tabelle II.2 und Tabelle II.3 (S. 202) her- vorgehoben. Die Tabellen geben einen Überblick über die Anzahl, Farbigkeit und Abfolge der Farbschichten sowie über die Gesamtdicke und Anzahl der Schichten. Die Gesamtdicke ist in Abstufungen von 5 µm angegeben (vgl. Kap. 3.7, S. 125f.). Probe 5b wird ausgeklammert, weil die Schichten und die Schichtenabfolge durch Migration von Farbe zu stark verändert sind.

Tab. II.2: Schichtenabfolge der Malschicht

512 Vgl. Kühn 1976, S. 26f., 32.

201

Tab. II.3: Gesamtdicke der Malschicht (in Abstufungen von 5 µm) und Anzahl der Farbschichten

Bereich 1: Die unterste Farbschicht der Proben 1a und 1b ist dunkelbraun, die zweite hellbraun und die oberste Farbschicht rotbraun. Diese oberste Farbschicht ist in Probe 1b bindemittel- reich, Pfeil 2 in Abbildung II.10 (S. 200) deutet auf ihre Oberfläche. Bereich 2: Die Probe 2 enthält zwei Farbschichten, eine untere, hellbraune und eine obere, helle Schicht mit einem hohen Bindemittelanteil. Der Vergleich mit den Proben 1a und 1b aus der unmittelbaren Nähe legt nahe, dass die Malschicht in Bereich 2 ebenfalls dreischichtig, die un- terste Farbschicht aber in dieser Probe nicht erfasst ist. Die vermutete Schicht ist in Tabelle II.2 (S. 201) nicht verzeichnet. Bereich 4: Die Proben 4a und 4b enthalten eine dunkle, untere Farbschicht. Ihre mittlere, helle Farbschicht hat einen hohen Bindemittelanteil und ist teilweise dünn. Die obere Farbschicht ist dunkelbraun. Abbildung II.11 von Probe 4a (S. 200) zeigt einen variierenden Farbton, einen wiederum hohen Bindemittelanteil und eine höhere Dicke, Pfeil 2 deutet auf die Malschicht- oberfläche. Bereich 5: In Probe 5a (Abb. II.12, S. 200) erkennt man eine dünne, dunkle Farbschicht, ihr folgt eine dicke, rote Farbschicht, die auch blaue Pigmentpartikel enthält. Sehr dünn und stellen- weise auslaufend ist die dritte, hellbraune Farbschicht. Die vierte Farbschicht ist dunkelbraun. Im Querschliff nicht erfasst sind die Höhen und Glanzlichter des reich profilierten Rahmen- schenkels. Bereich 8: Die beiden Proben 8a und 8b enthalten nur die oberste, graugrüne Farbschicht. Bei den kantigen blauen Pigmenten handelt es sich vermutlich um Smalte, dazu kommen grobe, weiße und feine, gelbe und rote Pigmentpartikel, sichtbar in Probe 8b (Abb. II.13, S. 200). Eine braune Unterlegung ist nur in der mikroskopischen Untersuchung der Probeentnahmestelle zu erkennen, aber nicht in den Querschliffproben enthalten und deshalb in Tabelle II.2 (S. 201) nicht verzeichnet.

202 4.2.4.3 Firnis

Die Abbildungen II.14 bis II.23 (S. 203ff.) zeigen die Proben 1a, 1b, 2, 4b und 8a in der Gegen- überstellung der Mikroskop-Aufnahmen bei UV-Anregung und der Kartierungen. Pfeil 1 deutet auf die Malschichtoberfläche, Pfeil 2 auf Luftblasen im Firnis, auf die im Kapitel 4.2.5.3 näher eingegangen wird, Pfeil 3 in Probe 2 (Abb. II.18, II.19, S. 203) auf die rote Farbschicht, den vermutlichen Rest der Nummer des Inv. 1749ff. und Pfeil 4 auf stellenweise klare Schicht- grenzen. Die Firnisschichten sind mit den Schichtenfolgen 1a bis 3a bzw. 1b bis 3b und einer allen Proben gemeinsamen Schichtenfolge 4 bezeichnet. Die Tabellen II.4 bis II.7 (S. 205ff.) geben einen Überblick über die Gesamtdicke, die Anzahl, Dicke und UV-Fluoreszenz der Ein- zelschichten sowie den Rekonstruktionsversuch der Schichtenfolgen des Firnisses. Die Dicke des Firnisses und der Firnisschichten werden in Abstufungen von 5 µm angegeben (vgl. Kap. 3.7, S. 125f.). Die abgebildeten Proben 1a, 1b, 2, 4b und 8a sind in den Tabellen hervorgehoben. Die rote Farbschicht der vermutlichen Inventarnummer ist in den Tabellen als rote Horizontal- Linie verzeichnet.

Schichten und Schichtenfolgen des Firnisses im Querschliff Mikroskop-Aufnahmen: UV-Anregung Kartierungen: Firnis: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. II.14: Probe 1a, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. II.15: Probe 1a, Kartierung, Schichtenfolgen tenfolgen des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1- des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1-R3, Pfeil 1: R3, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Luftblase, Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Luftblase, Pfeil 4: Pfeil 4: klare Schichtgrenze klare Schichtgrenze

203

Abb. II.16: Probe 1b, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. II.17: Probe 1b, Kartierung, Schichtenfolgen tenfolgen des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1, des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1, R2, Pfeil 1: R2, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Luftblase, Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Luftblase, Pfeil 4: Pfeil 4: klare Schichtgrenze klare Schichtgrenze

Abb. II.18: Probe 2, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. II.19: Probe 2, Kartierung, Schichtenfolge des tenfolge des Firnisses: 4, unbestimmte Firnisschicht: Firnisses: 4, unbestimmte Firnisschicht: „?“, Pfeil 1: „?“, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Luftblase, Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Luftblase, Pfeil 3: ver- Pfeil 3: vermutl. Farbschicht der Nummer des Inv. mutl. Farbschicht der Nummer des Inv. 1749ff. 1749ff.

Abb. II.20: Probe 4b, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. II.21: Probe 4b, Kartierung, Schichtenfolgen tenfolgen des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1- des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche R1-R3, Pfeil 1: R3, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Luftblase Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Luftblase

204

Abb. II.22: Probe 8a, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. II.23: Probe 8a, Kartierung, Schichtenfolgen tenfolgen des Firnisses: 1b-3b, 4, Rissbereiche R1- des Firnisses: 1b-3b, 4, Rissbereiche: R1-R3, Pfeil 1: R3, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Luftblase, Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Luftblase, Pfeil 4: Pfeil 4: klare Schichtgrenze klare Schichtgrenze

Gesamtdicke Bei der Messung der Firnisdicke werden die Rissbereiche der Proben, in denen der Firnis defor- miert ist, ausgeklammert. Beispielsweise in Probe 8a links kann man aber vermuten, dass die Firnisdicke höher ist als in der Probe messbar (Abb. II.22, II.23). Probe 5b wird hier nicht aufge- führt, weil die Malschichtoberfläche nicht bestimmbar ist. Die Gesamtdicke des Firnisses variiert in den verschiedenen Proben (Tab. II.4). An verschie- denen Stellen des gemalten Rahmens (Proben 1a, 1b, 4a, 4 b und 5a) misst der Firnis 50 bis 155 µm. Die höchste Dicke von 155 µm wird in Probe 5a gemessen. Der Firnis von Probe 2 ist ein- schließlich der eingebetteten, roten Farbschicht der vermutlichen Inventarnummer 50 µm dick (Abb. II.18, II.19, S. 204) und war vermutlich vor der Dünnung ähnlich dick wie in den beiden Proben 1a und 1b aus dem nicht gedünnten Umfeld. In der Bildmitte (Proben 8a und 8b) ist der Firnis 50 bis 85 µm dick und hat eine ähnliche Dicke wie in Bereich 4 aus dem gemalten Rah- men (Proben 4a und 4b).

Tab. II.4: Gesamtdicke des Firnisses (in Abstufungen von 5 µm) und Anzahl der Firnisschichten

205 Anzahl der Firnisschichten Die Anzahl der Schichten der Proben ist in Tabelle II.4 (S. 205) angegeben, ausgenommen Probe 5 b, deren Anzahl ungewiss ist. Der Firnis enthält zwei bis neun Schichten. Kein direkter Zusammenhang besteht zwischen der Gesamtdicke und Anzahl der Schichten. Beispielsweise haben die Proben 1a und 1b eine ähnliche Dicke (90/95-105 µm), aber eine unterschiedliche Schichtenanzahl (9 und 6 Schichten), die Proben 4a und 4b dieselbe Schichtenanzahl (6 Schichten), aber unterschiedliche Dicken (70-90 und 50-75 µm).

Dicke der Firnisschichten Tabelle II.5 gibt einen Überblick über die Dicke der Firnisschichten aller Proben. Bei Probe 2 ist die Firnisdünnung und bei Probe 5b die nicht bestimmbare Anzahl der Schichten zu berück- sichtigen.

Tab. II.5: Dicke der Firnisschichten, in Abstufungen von 5 µm und in den Schichtdicken 1 bis 9, farbig kon- trastiert (siehe Legende), Farbschicht der Nummer des Inv. 1749ff. in Probe 2: rote Horizontal-Linie

Die Dicke der Firnisschichten reicht von unter 5 µm bis über 40 µm. Die Mehrheit der Schichten ist bis zu 10 µm dick, die weit überwiegende Zahl bis zu 15 µm dick. Alle Proben enthalten auch Schichten mit Dicken von über 15 µm. Aufschlussreich ist ein Vergleich der Proben aus denselben Bereichen. Beispielsweise differiert die Dicke von Firnisschicht 5 der Proben 1a und 1b sowie von Firnisschicht 4 der Proben 4a und 4b deutlich. Im Gegensatz dazu ist in den Pro- ben 8a und 8b die Dicke der Firnisschichten 1 bis 4 gleich und weicht in den folgenden Firnis- schichten 5 bis 8 wenig ab.

206 UV-Fluoreszenz der Firnisschichten Tabelle II.6 gibt einen Überblick über die UV-Fluoreszenz der Firnisschichten aller Proben. Insgesamt fünf UV-Fluoreszenz-Farben werden unterschieden. In der Reihenfolge ihrer Häu- figkeit sind dies eine helle, hellblaue, graue, eine auffällig dunkelgelbe und eine ebenfalls auf- fällige blaue UV-Fluoreszenz.

Tab. II.6: UV-Fluoreszenz der Firnisschichten, Farbschicht der Nummer des Inv. 1749ff. in Probe 2: rote Hori- zontal-Linie, Rekonstruktionsversuch der Schichtenfolgen des Firnisses anhand vergleichbarer Abfolgen von Firnisschichten mit gleicher UV-Fluoreszenz: 2a, 3a

Schichten mit einer hellen UV-Fluoreszenz findet sich in allen Proben. In den Proben des gemalten Rahmens, ausgenommen Probe 5b, lassen sich Schichten mit hellblauer UV-Fluores- zenz erkennen. Eine oder zwei dunkelgelb fluoreszierende Schichten enthalten die Proben des gemalten Rahmens in der mittleren Ebene, mit Ausnahme von Probe 2. In Probe 8b aus der Bildmitte fluoresziert die oberste Schicht dunkelgelb. Eine graue UV-Fluoreszenz haben Schichten der Proben 4a und 4b sowie 8a und 8b in der unteren und mittleren Ebene. Nur in den Proben 1a und 1b erkennt man eine Schicht mit blauer UV-Fluoreszenz in der unteren Pro- benhälfte. Betrachtet man die UV-Fluoreszenz in der Abfolge der Firnisschichten, so weisen die Proben 4a und 4b in den Firnisschichten 1 bis 5 sowie die Proben 8a und 8b in den Firnis- schichten 1 bis 7 Gemeinsamkeiten auf. Im deutlichen Gegensatz dazu zeigen die Proben 1a und 1b nur in den Firnisschichten 1 und 5 eine gleiche UV-Fluoreszenz. Auch ein Zusammen- hang zwischen UV-Fluoreszenz und Schichtdicke (Tab. II.5, S. 206) wird betrachtet. Bei den hell, hellblau und dunkelgelb fluoreszierenden Schichten variiert die Dicke erheblich. Hingegen haben die blau fluoreszierenden Schichten eine Dicke von bis zu 5 µm und die grau fluores- zierenden Schichten eine Dicke von bis zu 10 µm.

207 Rekonstruktionsversuch von Schichtenfolgen Eine einheitliche Schichtenfolge des Firnisses in der gesamten Bildfläche lässt sich nicht rekon- struieren. Die möglichen Ursachen sind vielfältig. Bei den Proben von derselben Entnahme- stelle, z.B. Proben 1a und 1b, handelt es sich sicherlich um unterschiedliche Grade der Auflö- sung und Vermengung von Schichten. Bei den Proben mit größerer Distanz zueinander könnten auch unterschiedliche Eingriffe, Firnisdünnungen, -abnahmen oder -aufträge, stattgefunden ha- ben, allerdings geben die UV-Fluoreszenz der Bildoberfläche und die Firnisdicke darauf keine Hinweise. Deutlich unterscheidet sich die UV-Fluoreszenz in der unteren und mittleren Ebene des Firnisses zwischen den Proben 1a, 1b, 4a, 4b und 5a einerseits und den Proben 8a und 8b andererseits. Deshalb wird versucht, für diese Ebenen zwei verschiedene Schichtenfolgen zu rekonstruieren, Schichtenfolgen 1a bis 3a für die Bereiche im gemalten Rahmen und Schichten- folgen 1b bis 3b für die Bildmitte, den Bereich der Bäume des Landschaftsausblicks. Für die obere Ebene des Firnisses wird hingegen eine gemeinsame Schichtenfolge aller Bereiche, Schichtenfolge 4, angenommen.

Tab. II.7: Rekonstruktionsversuch der Schichtenfolgen, Schichtenfolgen 1a bis 3a im gemalten Rahmen: hellrot bis rot, Schichtenfolge 1b bis 3b im Landschaftsausblick: hellblau bis blau, gemeinsame Schichtenfolge 4: hell- grau; unbestimmte Firnisschichten („?“): weiß, Farbschicht der Nummer des Inv. 1749ff. in Probe 2: rote Hori- zontal-Linie

Tabelle II.7 zeigt das Ergebnis des Rekonstruktionsversuchs in allen Proben des Gemäldes. Die Schichtenfolgen 1a bis 3a sind in Rottönen (hellrot bis rot), die Schichtenfolgen 1b bis 3b in Blautönen (hellblau bis blau) hinterlegt, die gemeinsame Schichtenfolge 4 hellgrau und die nicht zuzuordnenden Firnisschichten („?“) weiß. Wesentlich für den Rekonstruktionsversuch sind vergleichbare Abfolgen von Firnisschichten auf der Grundlage ihrer UV-Fluoreszenz. Ta- belle II.6 (S. 207) verdeutlicht ihre Zuordnung zu Schichtenfolgen des Firnisses in den Proben 1a, 1b, 4a, 4b, 5a und 5b.

208 Gemalter Rahmen: Schichtenfolgen 1a bis 3a Schichtenfolge 1a: Die Schichtenfolge umfasst bis zu drei Firnisschichten. Gemeinsamkeiten sind eine geringe Dicke und eine hellblaue UV-Fluoreszenz in Firnisschicht 1. Hingegen vari- ieren Anzahl der Firnisschichten sowie die UV-Fluoreszenz in den Firnisschichten 2 und 3 der Proben 1a, 4a und 4b. In drei Proben sind Schichten nicht zuzuordnen. In Probe 2 hat die un- terste Schicht eine ungewöhnlich hohe Dicke und helle UV-Fluoreszenz, bei Probe 5a weicht die UV-Fluoreszenz der Firnisschicht 2 gegenüber den Proben 1a, 1b, 4a und 4b ab und im Fall von Probe 5 b deutet der Vergleich mit Probe 5a darauf hin, dass die untersten Firnisschichten bei der Probenpräparation nicht erfasst sind. Schichtenfolge 2a: Es handelt sich um nur eine Schicht mit auffällig blauer UV-Fluoreszenz und gleicher Dicke in den Proben 1a und 1b. Sie wird dort als Leitschicht für die Bestimmung der Schichtenfolgen 1a und 3a genutzt (Tab. II.6, S. 207). Schichtenfolge 3a: Diese Schichtenfolge enthält mehrheitlich drei Firnisschichten (Proben 1a, 1b, 4a, 4b und 5b) und in einem Fall (Probe 5a) vier Schichten. Die dunkelgelb fluoreszierende Firnisschicht wird ebenfalls als Leitschicht genutzt. Tabelle II.6 (S. 207) zeigt die Zuordnung zusammen mit den darüber- und darunterliegenden Schichten. Die darunterliegenden Firnis- schichten haben eine zwischen hell und hellblau variierende UV-Fluoreszenz, während die da- rüberliegenden Firnisschichten ausschließlich hell fluoreszieren. Schichtenfolge 3a ist in Probe 2 nicht vorhanden. Deutlicher Beleg dafür ist das Fehlen der dunkelgelb fluoreszierenden Fir- nisschicht.

Bäume des Landschaftsausblicks: Schichtenfolgen 1b bis 3b Die Proben 8a und 8b sind sich weitgehend ähnlich. Die UV-Fluoreszenz der Firnisschichten variiert überwiegend nur zwischen hell und grau, so dass der Rekonstruktionsversuch der Schichtenfolgen schwieriger ist. Ob der Bereich repräsentativ für das gesamte „Bild im Bild“ ist, muss offen bleiben. Schichtenfolge1b: Drei dünne Schichten sind darin zusammengefasst, die in beiden Proben eine graue, dann eine helle und nochmals eine graue UV-Fluoreszenz haben. Schichtenfolge 2b: Beide Proben beinhalten eine Schicht mit wiederum grauer UV-Fluores- zenz. Der Unterschied zu den Firnisschichten von Schichtenfolge 1b besteht in der höheren Dicke (Tab. II.5, S. 206). Schichtenfolge 3b: Sie fasst zwei Schichten mit heller Fluoreszenz zusammen. Hinsichtlich ihrer Dicken haben die Schichten der beiden Proben deutliche Gemeinsamkeiten (Tab. II.5, S. 206).

209 Gemeinsame Schichtenfolge 4 Zwei wesentliche Gemeinsamkeiten lassen sich feststellen, zum einen eine Dicke von bis zu 15 µm und zum anderen eine im Vergleich mit Schichtenfolge 3a und 3b stellenweise bessere Er- haltung der Schichtgrenzen. Betreffende Schichtgrenzen sind beispielhaft in den Abbildungen und Kartierungen der Proben 1a, 1b und 8a verzeichnet (Abb. II.14-II.17, II.22, II.23, S. 203ff., Pfeile 4). Schichtenfolge 4 ist in den Proben 1b, 2, 4a, 4b, 5a und 5b einschichtig, in den Proben 1a, 8a und 8b zweischichtig. Die UV-Fluoreszenz variiert (Tab. II.6, S. 207). Mehrheitlich fluo- reszieren die Firnisschichten hell (Proben 1b, 4b, 5a, 5b, 8a und Firnisschicht 7 in Probe 8b) oder hellblau (Proben 1a, 2 und 4a), nur eine Firnisschicht fluoresziert dunkelgelb (Probe 8b, Schicht 8). In Probe 2 aus dem Bereich der Firnisdünnung wird Firnisschicht 2 in die Schich- tenfolge 4 eingeordnet. Da der Farbauftrag der Inventarnummer nach der Firnisdünnung nur noch als Rest erhalten ist, wird angenommen, dass man die darüberliegenden Firnisschichten entfernt und dann einen Firnis aufgetragen hatte.

Versuch der Bestimmung eines Schlussfirnisses und einer zeitlichen Einordnung der Schichten und Schichtenfolgen Bei der Klärung der Frage nach der Erhaltung eines Schlussfirnisses wird die rote Farbschicht in Probe 2 als Leitschicht genutzt. Es wird vorausgesetzt, dass es sich um Reste der Nummer des Inventars 1749ff. handelt. Diese Nummer stammt entweder aus dem Jahr 1752, dem Erwerb des Gemäldes, oder aus den Jahren bis 1816 (vgl. Kap. 3.5, S. 113-120).513 Dementsprechend lässt sich die Firnisschicht 1 in Probe 2 in die weite Zeitspanne von 1646, der Datierung des Gemäldes, bis 1752 oder 1816 einordnen. Allerdings kann diese Firnisschicht keiner Schichten- folge des Firnisses zugeordnet werden. Vor allem hat sie eine hohe Dicke (Tab. II.5, S. 206), die sie von den Firnisschichten in den Schichtenfolgen 1a und 1b und auch von dem Schluss- firnis in Fallstudie I unterscheidet. Im Ergebnis ist kein Schlussfirnis bestimmbar, es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass sich in den Schichtenfolgen 1a oder 1b ein solcher Firnis erhal- ten hat. Ein Schlussfirnis kann aber nur partiell oder in Resten erhalten sein und dabei wahr- scheinlicher im gemalten Rahmen (Schichtenfolge 1a) als im Landschaftsausblick (Schichten- folge 1b).

513 Ein Schriftvergleich, der diese Frage klären könnte, ist mit den Farbresten nicht möglich. Die vollständige Nummer ist auch auf den historischen fotografischen Reproduktionen nicht dokumentiert.

210 Zeitliche Einordnung von Firnisschichten: Bildvergleich mit einer historischen fotografischen Reproduktion Detail-Aufnahmen: verschiedene Quellen

Abb. II.24: Detail, Bereich 2, Beleuchtung schräg Abb. II. 25: Detail, Bereich 2, historische fotogra- von links und rechts, Pfeil 1: rote Farbinsel, ver- fische Reproduktion, Ausschnitt aus: Eisenmann mutlicher Rest der Nummer des Inv. 1749ff., Pfeil 2: 1902, Tafel 48, Pfeil 1: vermutliche rote Farbinsel, Rand der Firnisdünnung, Maßbalken: 1 cm vermutlicher Rest der Nummer des Inv. 1749ff., Pfeil 2: Rand der Firnisdünnung, eingefügter Maßbalken (Gemäldemaß): 1 cm

Die Schichtenfolgen 2a und 3a werden zeitlich eingeordnet. Grundlage dafür ist nochmals die Bestimmung der Farbinsel als Farbschicht der Nummer des Inv. 1749ff. und ihre Nutzung als Leitschicht. In Probe 2, deren Firnis diese Farbschicht einschließt, sind die blau fluoreszierende Schichtenfolge 2a und die dunkelgelb fluoreszierende Firnisschicht von Schichtenfolge 3a nicht enthalten. Dies deutet darauf hin, dass die beiden Schichtenfolgen bei der Firnisdünnung ab- genommen worden waren. Sie stammen demnach aus der Zeit nach 1752 oder 1816 und vor den 1880er Jahren. Die Entfernung der vermutlichen Inventarnummer und die Farbinsel sind in einer fotografischen Reproduktion des Kunstverlags Franz Hanfstaengl erkennbar, dessen Auf- nahme aus den 1880er Jahren stammt.514 Dem Bildausschnitt ist der Ausschnitt einer heutigen Aufnahme gegenübergestellt (Abb. II.24, II.25).515 Pfeil 1 deutet auf die Farbinsel, Pfeil 2 auf den Rand der Firnisdünnung. Diese zeitliche Einordnung kann jedoch nicht auf die Schichten- folgen 1b und 3b der Proben aus der Bildmitte übertragen werden. Im 20. Jahrhundert sind drei Maßnahmen durch schriftliche Quellen belegt, 1929 ein Firnisauf- trag („Schutzfirnis“), 1956 eine „Firnisbehandlung“ durch von Reden und 1980 ein Firnis- auftrag („Wachs-Dammar-Paste“) und dessen Politur. Diese drei Maßnahmen werden Schich- tenfolge 4 zugeordnet, die sich in der Querschliffuntersuchung aber als ein- bis zweischichtig

514 Vgl. Eisenmann 1902, Tafel 48. 515 Die fotografische Reproduktion wird auf sichtbare Retuschen hin untersucht (vgl. Kap. 2.6.2, S. 42). Unter mikroskopischer Vergrößerung kann man feine Punktretuschen auf den Glanzlichtern des Gemäldes, nicht aber in den Mitteltönen und Schatten feststellen, die für diese Untersuchung relevant sind.

211 darstellt (Tab. II.7, S. 208). Vermutlich handelt es sich bei der einschichtigen Schichtenfolge 4 (Proben 1b, 2, 4a, 4b, 5a und 5b) sowie der unteren Schicht der zweischichtigen Schichtenfolge 4 (Proben 1a, 8a und 8b) um den Firnisauftrag von 1929. Die Firnisbehandlung 1956 könnte durch Abreiben mit Terpentinöl oder trockenes Polieren, also ohne Firnisauftrag, erfolgt sein. Bei der obersten Firnisschicht von Schichtenfolge 4 in den Proben 1a, 8a und 8b handelt es sich vermutlich um den Wachs-Dammar-Firnis von 1980. Dieser könnte durch das Polieren stellen- weise wieder abgetragen worden sein, so dass daraus die stellenweise einschichtige Schichten- folge 4 resultiert. Zusammenfassend kann kein Schlussfirnis nachgewiesen werden. In den Proben 1b bis 5b sind alle Firnisschichten, in den Proben 1a, 8a und 8b die Firnisschichten bis zur unteren Schicht von Schichtenfolge 4 historisch. Einzig die obere Schicht von Schichtenfolge 4 in den Proben 1a, 8a und 8b wird als eine neuere Firnisschicht betrachtet.

212 4.2.5 Schäden und Veränderungen

4.2.5.1 Grundierung Die Grundierung weist keine Schäden auf. Die zum Teil auch die Grundierung betreffende Riss- bildung ist zusammenfassend im folgenden Kapitel beschrieben.

4.2.5.2 Malschicht

Malschichtrisse Die Rissbildung der Malschicht unterscheidet sich in den verschiedenen Bereichen des Gemäl- des. Für weite Teile repräsentativ sind die Bereiche 2, 6, 7 und 9. Wie in Kapitel 3.2 (S. 91f.) beschrieben, wird unterschieden zwischen geweiteten und tiefen, bis zum Bildträger reichenden Rissen mit einer Breite ab 0,03 mm und schmalen und oberflächlichen Rissen, die innerhalb der Malschicht oder Grundierung enden und bis zu 0,02 mm breit sind.

Abb. II.26.1-II.26.5: Rissprofile der Malschicht, Zeichnungen, Malschicht: grau gesprenkelt

Malschichtrisse: Profile Die Profile sind vereinfachend zeichnerisch dargestellt (Abb. II.26.1-II.26.5). Sie sind zum einen in den Proben 1a, 1b, 4a, 4b, 8a und 8b erfasst, zum anderen in der Aufsicht des Bereichs 2 ganzflächig sowie der Bereiche 2, 3, 6 und 7 stellenweise erkennbar.

213 Geweitete und tiefe Risse: Die Risse haben verschiedene Profile. Abbildung II.26.1 (S. 213) zeigt ein v-förmiges Profil mit aufgewölbten Kanten. Ein entsprechender Riss in Bereich 7 hat eine Breite von 0,07 mm (Abb. II.42, S. 221, Pfeil 6). Zudem ist das Profil in Probe 8b erfasst (Abb. II.13, S. 200, Pfeil 2), wobei die Oberfläche wegen der groben Pigmente unregelmäßig ist. Die Rissbreite beträgt 0,08 mm.

Rissbildung der Malschicht Mikroskop-Aufnahme

Abb. II.27: Bereich 6, Beleuchtung schräg von links und mit Shellsol T benetzt, Pfeil 1: aufgewölbter Rand eines Malschichtrisses, Pfeil 2: im ehemaligen Firnisriss eingeschlossene Luftblase

Das Profil in Abbildung II.26.2 (S. 213) ist ebenfalls v-förmig und zeichnet sich durch aufge- wölbte Ränder aus. In Bereich 6 hat ein Riss mit einem stark deformierten Rand eine Breite von bis zu 0,08 mm (Abb. II.27, Pfeil 1).

Rissbildung der Malschicht Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Aufnahmebedingungen

Abb. II.28: Bereich 6, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. II.29: Bereich 6, Mikroskop-Aufnahme des leuchtung schräg von links und mit Shellsol T be- Röntgenfilms, Pfeile 1: Zusammenschlüsse von Mal- netzt; Pfeile 1: Zusammenschlüsse von Malschicht- schichtrissen, Pfeil 2: im Röntgenfilm nicht sicht- rissen, Pfeil 2: im Röntgenfilm nicht sichtbarer Mal- barer Malschichtriss, Pfeil 3: mit Grundierung ge- schichtriss, Pfeil 3: mit Grundierung gefüllte Pore der füllte Pore der Eichenholztafel, Museumslandschaft Eichenholztafel, Pfeil 4: Retusche Hessen Kassel, Gemälderestaurierung, Röntgen- Aufnahme: Brammer 1985 (Ausschnitt)

214 In der Mikroskop-Aufnahme des Röntgenfilms von Bereich 6 (Abb. II.29, S. 214) ist aus- nahmsweise auch die Risstiefe darstellbar. Sie reicht bis zum Bildträger, wie der Verlauf der Risse vor dem Hintergrund der hell erscheinenden, mit Grundierung gefüllten Poren der Ei- chenholztafel (Pfeil 3) belegt. Die Zusammenschlüsse der Risse sind mit den Pfeilen 1 markiert. Der Vergleich mit Abbildung II.28 (S. 214, Pfeile 1) bei normaler Beleuchtung zeigt, dass es sich überwiegend um geweitete Malschichtrisse handelt. Ein ebenfalls geweiteter und vermut- lich tiefer Malschichtriss (Pfeil 2) zeichnet sich hingegen im Röntgenbild nicht ab. Probe 4b beinhaltet einen Riss mit aufgewölbten, aber nur minimal gerundeten Rändern und einer Breite von nur 0,03 mm (Abb. II.20, II.21, S. 204, Rissbereich R2). Ein vergleichbares Profil hat Probe 8a (Abb. II.22, II.23, S. 205, Rissbereich R1), wobei wie in Probe 8b die Kon- turen vermutlich wegen des grobkörnigen Blaupigments unregelmäßig sind.

Rissbildung der Malschicht Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen und Aufnahmebedingungen

Abb. II.30: Bereich 2, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. II.31: Bereich 2, Mikroskop-Aufnahme, koaxi- leuchtung schräg von links und mit Shellsol T be- ale Beleuchtung, Pfeil: aufgewölbte Risskante netzt, Pfeil: aufgewölbte Risskante

Schmale und oberflächliche Risse: Die Profile sind in den Abbildungen II.26.3 bis II.26.5 (S. 213) vereinfachend dargestellt. In Probe 1a (Rissbereich R2) liegt ein Riss mit v-förmiger Weitung und ebenen Kanten vor, wie er in Abbildung II.26.4 (S. 213) zeichnerisch dargestellt ist. Der Riss ist bis zu 5 µm breit und endet in der mittleren Farbschicht. Einen v-förmigen Riss mit aufgewölbten Kanten wie in Abbildung II.26.5 (S. 213) kann man in Bereich 2 (Abb. II.30, II.31) beobachten. Der Pfeil deutet auf einen Abschnitt mit 0,02 mm Breite. Der Riss endet in- nerhalb der Malschicht.

215 Rissbildung der Malschicht Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen und Aufnahmebedingungen

Abb. II.32: Bereich 3, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. II.33: Bereich 3, Mikroskop-Aufnahme, koaxi- leuchtung schräg von links und mit Shellsol T be- ale Beleuchtung, Pfeil 1: Bereich mit weitgehender netzt, Pfeil 1: Bereich mit weitgehender Firnisdün- Firnisdünnung, Pfeil 2 und 3: Randbereich der Fir- nung, Pfeil 2 und 3: Randbereich der Firnisdünnung, nisdünnung, Pfeil 4: Umfeld im Vorzustand Pfeil 4: Umfeld im Vorzustand

Malschichtrisse: Versuch der Identifizierung und Unterscheidung in der Aufsicht Da die Malschichtrisse in der Aufsicht vielfach nicht oder nur ungefähr erkennbar sind, wird versucht, weitere Anhaltspunkte für eine Identifizierung des Einzelrissverlaufs und der flächi- gen Anordnung zu ermitteln. Grundlage ist die weitgehende Verbindung der Malschichtrisse mit den ehemaligen Firnisrissen. Diese Verbindung ist in den Querschliffen der Proben 1a, 4b und 8a (Abb. II.14, II.15, S. 203, Abb. II.20, II.21, S. 204, Abb. II.22, II.23, S. 205, Rissbereiche R1) darstellbar. In Bereich 3 ist ein indirekter Vergleich an der Bildoberfläche möglich (Abb. II.32, II.33, S. 206). Pfeil 1 zeigt auf den Bereich der weitgehenden Firnisdünnung. Die Mal- schichtrisse sind wie in Bereich 2 (Abb. II.30, II.31, S. 215) schmal und oberflächlich. In der Abbildungsmitte sieht man den Randbereich der Firnisdünnung. Die Pfeile 2 und 3 zeigen auf Stellen, an denen Reste des Profils ehemaliger Firnisrisse erhalten sind. Der nicht gedünnte Fir- nis ist rechts zu erkennen (Pfeil 4). Wie in Kapitel 4.2.5.3 (S. 226) beschrieben wird, handelt es sich um Profil a ehemaliger Firnisrisse. Die in diesem Profil enthaltenen Kanten haben dort einen Abstand von bis zu 0,06 mm. In Bereich 3 sind also die schmalen (bis zu 0,02 mm breiten) Malschichtrisse mit diesem Kantenabstand von 0,06 mm der ehemaligen Firnisrisse verbunden. Davon ausgehend wird vereinfachend abgeleitet und für die weiteren Bereiche angenommen, dass geweitete und tiefe Malschichtrisse (Breite ab 0,03 mm) mit ehemaligen Firnisrissen verbunden sind, deren Kanten einen Abstand von 0,07 mm oder über 0,07 mm aufweisen.

216 Malschichtrisse: Einzelrisse in der Aufsicht Die Abbildungen II.34 bis II.37 (S. 217) zeigen in vier ausgewählten Bereichen die Kartie- rungen der Malschichtrisse anhand der Mikroskop-Aufnahmen der Bildoberfläche. Die Einzel- formen sind in Bereich 2 direkt erkennbar, in den Bereichen 6, 7 und 9 werden sie überwiegend oder gänzlich indirekt anhand der Einzelformen der ehemaligen Firnisrisse bestimmt.

Malschichtrisse: Einzelrissverlauf und Rissanordnung in der Aufsicht Kartierungen: geweitete und tiefe Malschichtrisse: grün, schmale und oberflächliche Malschichtrisse: blau

Abb. II.34: Bereich 2, Kartierung, Pfeil 1: leicht ge- Abb. II.35: Bereich 6, Kartierung, Pfeil 1: glatter und zackter und zügiger Einzelriss mit mehrfacher Bie- zügiger Einzelriss mit mehrfache Biegung, Pfeile 2: gung, Pfeile 2: starke Biegung und Rissablenkung, Überlagerung von Rissen, Pfeile 3: variierende Riss- Pfeile 3: ein- und beidseitiges Auslaufen in der breite Fläche, Pfeile 4: variierende Rissbreite

Abb. II.36: Bereich 7, Kartierung, Pfeil 1: Übergang Abb. II.37: Bereich 9, Kartierung, Pfeil 1: Übergang zwischen schmalem und oberflächlichem sowie ge- zwischen schmalem und oberflächlichem sowie ge- weitetem und tiefem Malschichtriss, Pfeile 2: Über- weitetem und tiefem Malschichtriss, Pfeile 2: Überla- lagerung von Rissen, Pfeil 3: Parallelverlauf von gerung von Rissen, Pfeil 3: Parallelverlauf von Rissen, Pfeil 4: Rissablenkung Rissen

Geweitete und tiefe Risse: Sie sind glatt und zügig und weisen eine meist geringe, ein- und mehrfache Biegung auf. In Bereich 9 verlaufen einige Risse nahezu gerade (Abb. II.37, S. 217). Die Risslänge beträgt mehrheitlich 1 bis 3 mm. In den Bereichen 6 und 7 variiert die Rissbreite

217 stellenweise erheblich. Beispielsweise ist ein 0,5 mm langer Rissabschnitt in Bereich 6 mit den Pfeilen 3 markiert (Abb. II.35, S. 217). Die Breite reicht von 0,03 mm (Pfeil 3 rechts oben) bis 0,06 mm (Pfeil 3 links oben). Gleichmäßiger ist die Rissbreite in Bereich 9. Schmale und oberflächliche Risse: In Bereich 2 sind sie überwiegend leicht gezackt und zügig (Abb. II.34, S. 217, Pfeil 1), in den Bereichen 6 (Abb. II.35, S. 217, Pfeil 1) sowie 7 und 9 (Abb. II.36, II.37, S. 217) werden sie als überwiegend glatt und zügig angenommen. Die Biegung der Risse ist in allen vier genannten Bereichen ein- bis mehrfach. In Abbildung II.34 von Bereich 2 ist einer von wenigen, stark gebogenen Rissen verzeichnet (S. 217, Pfeil 2). Die Risslänge beträgt mehrheitlich 0,3 bis 1, maximal 3 mm. Vielfach variiert die Rissbreite. Dies zeigt sich z.B. in Bereich 2 an Rissen, die an einer Seite oder an beiden Seiten zu Null hin auslaufen (Abb. II.34, S. 217, Pfeil 3). Die Pfeile 4 deuten auf einen 0,3 mm langen Rissabschnitt, in dem die Breite zwischen 0,02 mm und nahezu Null liegt (Abb. II.34, S. 217). Mehrfach lassen sich Übergänge zwischen schmalen und oberflächlichen sowie geweiteten und tiefen Malschichtrissen feststellen, z.B. in den Bereichen 7 und 9 (Abb. II.36, II.37, S. 217). Pfeil 1 deutet in beiden Abbildungen auf Stellen eines Übergangs. Probe 1a zeigt ein solches Rissprofil (Abb. II.14, II.15, S. 203, Rissbereich R3). Der Malschichtriss ist schmal und tief. Er hat eine Breite von 20 µm (0,02 mm) und reicht mindestens bis in die Grundierung, möglicher- weise bis zum Bildträger. Das Rissende ist in der Probe nicht erfasst.

Malschichtrisse: Rissanordnung in der Aufsicht Geweitete und tiefe Risse: In den Bereichen 6 und 7 (Abb. II.35, II.36, S. 217) bilden sie ein Netzcraquelé, in Bereich 9 ein Gittercraquelé. Beide Rissanordnungen sind nur teilweise ge- schlossen. Risse ohne Anschluss enden nicht abrupt in der Fläche, sondern gehen in schmale und oberflächliche Risse über. In Bereich 7 (Abb. II.36, S. 217, Pfeil 2 links Mitte) und Bereich 9 (Abb. II.37, S. 217, Pfeil 2 unten Mitte) ist eine Überlagerung der geweiteten und tiefen Risse zu beobachten. Bereich 2 ist ohne geweitete und tiefe Risse. Schmale und oberflächliche Risse: Sie formieren sich in Bereich 2 zu einem weitgehend ge- schlossenen Netzcraquelé. Deutlich erkennbar ist die Rissablenkung der kürzeren zu den länge- ren Rissen hin. Die in Abbildung II.34 (S. 217) mit Pfeil 2 markierte Biegung stellt gleichzei- tig auch eine starke Rissablenkung dar. In den Bereichen 6, 7 und 9 sind die Risse ebenfalls in einem Netzcraquelé angeordnet, wobei sie aber vor allem an den geweiteten und tiefen Rissen orientiert sind. Abbildung II.36 (S. 217. Pfeil 4) von Bereich 7 zeigt eine ausgeprägte Ablen- kung zu einem geweiteten und tiefen Riss hin. Eine Überlagerung von Rissen ist in Bereich 2 nur an einer Stelle, in den Bereichen 6, 7 und 9 mehrfach zu beobachten (Abb. II.35-II.37, S.

218 217, Pfeile 2). Die schmalen und oberflächlichen Risse überlagern sich gegenseitig oder sie überlagern die geweiteten und tiefen Risse. In den Bereichen 7 und 9 verlaufen Risse parallel (Abb. II.36, II.37, S. 217, Pfeile 3).

Malschichtrisse: Rekonstruktionsversuch der Rissentwicklung Kartierungen: geweitete und tiefe Malschichtrisse: grün, schmale und oberflächliche Malschichtrisse: blau, hellgraue Kreise: Markierungen des Rekonstruktionsversuchs

Abb. II.38: Bereich 9 (Ausschnitt von Abb. II.37, S. Abb. II.39: Bereich 9, Kartierung ausgewählter Mal- 217), Kartierung Malschichtrisse, Pfeil 1: Überla- schichtrisse, Rissverlauf 1, Pfeil: Überlagerung gerung, Pfeil 2: Anschluss ohne Rissablenkung, Pfeil 3: Parallelverlauf

Abb. II.40: Bereich 9, Kartierung ausgewählter Mal- Abb. II.41: Bereich 9, Kartierung ausgewählter Mal- schichtrisse, Rissverlauf 2 schichtrisse, Rissverlauf 3, siehe Pfeile

Rekonstruktionsversuch der Rissentwicklung Wie bereits in Fallstudie I exemplarisch dargestellt, deuten Überlagerungen und Parallelver- läufe von Rissen auf eine Unterbrechung ihrer natürlichen Entwicklung hin. Risse werden mit Firnis gefüllt und beeinflussen somit nicht mehr den Verlauf der neu entstehenden Risse (vgl. Kap. 4.1.5.2, S. 150f.). In einem Ausschnitt der Abbildung II.37 (S. 217) von Bereich 9 wird versucht, Rissverläufe isoliert darzustellen und damit eine Entwicklung nachzuzeichnen. Ab-

219 bildung II.38 (S. 219) zeigt die gesamte Rissanordnung. Überlagerungen, Zusammenschlüsse ohne Rissablenkung und der Parallelverlauf von Rissen sind durch graue Kreise hervorgehoben und exemplarisch mit den Pfeilen 1 bis 3 gekennzeichnet. Drei Rissverläufe werden unter- schieden. Rissverlauf 1 stellt die früheste Phase dar (Abb. II.39, S. 219). Er beinhaltet sowohl geweitete und tiefe als auch schmale und oberflächliche Risse. Ungewöhnlich ist die ortho- gonale Kreuzung der beiden geweiteten und tiefen Risse (Pfeil). Dem Rissverlauf 2 (Abb. II.40, S. 219) werden schmale und oberflächliche Risse zugeordnet. Untereinander sind sie isoliert oder an nur einem Ende miteinander verbunden. Mehrfach schließen sie ohne Ablenkung an die geweiteten und tiefen Malschichtrisse an. Pfeile deuten in Abbildung II.41 (S. 219) auf Riss- verlauf 3 mit nur wenigen, schmalen und oberflächlichen Rissen. Er steht am Ende der Entwick- lung, weil seine Risse die Rissverläufe 1 und 2 verbinden.

Migration und Schichtenauflösung Eine Migration von Farbe ist sowohl an der Bildoberfläche als auch an den Querschliffen nach- weisbar. In Bereich 7 (Abb. II.42, II. 43, S. 221) ist der Verlauf eines schmalen und oberfläch- lichen Malschichtrisses mit den Pfeilen 1 bis 3 markiert. Links von Pfeil 3 tritt aus der Rissöff- nung helle Farbe in einer wulstigen und klar umrissenen Form auf. An einem weiteren Riss (Pfeil 4) liegt ebenfalls eine Migration vor, deren helle Farbe die Risskanten überdeckt und of- fenbar bereits angelöst und mit Firnis vermengt ist. Links sieht man eine kugelige Erhebung, die lokal aus einer Rissöffnung aufsteigt (Pfeil 5). Die Migrationen reichen bis knapp an die Firnisoberfläche. In der UV-Anregung (Abb. II.43, S. 221) zeichnet sich die migrierte helle Farbe durch eine gelbbraune Fluoreszenz aus, am deutlichsten an der Stelle von Pfeil 3. In Be- reich 5 (Abb. II.44, S. 221) ist ebenfalls eine Migration von heller Farbe erkennbar, deren Aus- gangspunkt sich jedoch nicht bestimmen lässt. Von der Malschichtoberfläche gehen ungleich- mäßig gerundete Erhebungen mit einem Durchmesser von 0,1 bis 0,2 mm aus. Die mit dem Pfeil markierte Erhebung reicht ebenfalls nahe an die Firnisoberfläche heran. Unter UV-Anre- gung (Abb. II.45, S. 221, Pfeil) fluoresziert ihr Rand gelbbraun, ihre Mitte und gleichzeitig höchste Stelle erscheint dunkel.

220 Malschicht: Migration von Farbe Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen und Aufnahmesituationen

Abb. II.42: Bereich 7, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. II.43: Bereich 7, Mikroskop-Aufnahme, UV- leuchtung schräg von links und mit Shellsol T be- Anregung, Pfeile 1, 2: Malschichtriss, Pfeil 3: wulst- netzt, Pfeile 1, 2: Malschichtriss, Pfeil 3: wulstför- förmige Migration, Pfeil 4: Migration und Verflie- mige Migration, Pfeil 4: Migration und Verfließen, ßen, Pfeil 5: lokale Migration von Farbe, Pfeil 6: auf- Pfeil 5: lokale Migration von Farbe: Pfeil 6: aufge- gewölbte Risskante wölbte Risskante

Abb. II.44: Bereich 5, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. II.45: Bereich 5, Mikroskop-Aufnahme, UV- leuchtung schräg von links und mit Shellsol T be- Anregung, Pfeil: lokale Migration von Farbe netzt, Pfeil: lokale Migration von Farbe

Aus Bereich 5 sind zwei Querschliffe entnommen. In der Abbildung II.46 (S. 222, vgl. Abb. II.12, S. 200) von Probe 5a deutet Pfeil 1 auf die Malschichtoberfläche, Pfeil 2 auf einen sche- menhaften Bereich innerhalb des Firnisses und unterhalb der fokussierten Probenoberfläche. Dieser Bereich ist in Abbildung II.47 (S. 222) fokussiert. Man erkennt nun den Ansatz einer Farbschliere (Pfeil 1, gleichzeitig auch die Höhe der Malschichtoberfläche), die von der obers- ten Farbschicht ausgeht und an eine hellbraune, schlierenartig aufgelöste Farbinsel (Pfeil 2) an- schließt.516 Die Farbinsel erreicht eine Höhe von ca. zwei Dritteln der Firnisdicke. Die Mal-

516 Vgl. Brammer 1999, S. 178f., Abb. 11, 12, S. 179. Brammer zeigt eine vergleichbare Migration von Farbe an einem Querschliff von Roelant Roghman, Gebirgslandschaft mit Brücke.

221 schicht enthält eine dünne hellbraune Farbschicht (Abb. II.46, Pfeil 3), allerdings lässt sich die Migration nicht zu ihr zurückverfolgen. Die Grundierung (Pfeil 4) erscheint in der Aufnahme ebenfalls hellbraun. Man kann in der Aufnahme erkennen, dass von der Grundierung und be- ginnend an der Stelle von Pfeil 4 eine Migration diagonal bis an die Malschichtoberfläche ver- läuft, jedoch ohne Verbindung zur Migration links. Mit Blick auf die Analyse von Kühn, der Proteine als hauptsächliches Bindemittel der Grundierung feststellt, ist unklar, ob die Migration auf organische Lösemittel zurückzuführen ist (vgl. Kap. 4.2.2, S. 195). Offensichtlich sind aber verschiedene Schichten auf unterschiedlichen Ebenen betroffen.

Malschicht: Migration von Farbe Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. II.46: Probe 5a, Mikroskop-Aufnahme, Fokus Abb. II.47: Probe 5a, Mikroskop-Aufnahme, Fokus auf Probenoberfläche, Dunkelfeld- und externe Be- unterhalb der Probenoberfläche, Dunkelfeld- und leuchtung, Pfeil 1: Malschichtoberfläche und Migra- externe Beleuchtung, Pfeil 1: Malschichtoberfläche tion der obersten Farbschicht, Pfeil 2: Migration und Migration der obersten Farbschicht, Pfeil 2: heller Farbe, Pfeil 3: helle Farbschicht, Pfeil 4: Grun- Migration heller Farbe dierung und Migration

Abb. II.48: Probe 5b, Mikroskop-Aufnahme, externe Abb. II.49: Probe 5b, Mikroskop-Aufnahme, UV-An- Beleuchtung, Pfeil 1: Farbscholle und obere Farb- regung, Pfeil 1: Farbscholle und obere Farbschicht, schicht, Pfeil 2: Migration der oberen Farbschicht, Pfeil 2: Migration der oberen Farbschicht, Pfeil 3: Pfeil 3: Farbscholle, Pfeil 4: Migration von Farbe im Farbscholle, Pfeil 4: Migration von Farbe im Firnis Firnis

222 Die Abbildungen II.48 und II.49 (S. 222) zeigen Probe 5b. Die Malschichtoberfläche ist nicht eindeutig erfasst. In der Probe links erkennt man eine dunkle Farbschicht (Pfeil 1) und darunter eine rote Farbschicht, wie sie auch in Probe 5a enthalten sind. Über der dunklen Farbschicht liegt eine graue, aufgelöste Farbe (Pfeil 2), bei der es sich entweder um die oberste Farbschicht oder um eine Migration einer unteren, in der Probe nicht erfassten Schicht handeln kann. Nach rechts löst sich die Schichtgrenze zur dunklen Farbschicht auf und die Farbe verbindet sich in Schlieren mit dem Firnis. Pfeil 3 deutet auf eine vermutlich abgelöste Farbscholle, die zwei Farbschichten enthält. In ihrer Farbigkeit weichen sie von den Farbschichten links ab, auch wenn man die Farbscholle als auf dem Kopf stehend betrachtet. Umgeben ist sie von hell- brauner, gelöster und mit dem Firnis in Schlieren verbundener Farbe. An der Stelle von Pfeil 4 beträgt der Abstand zwischen der Migration hellbrauner Farbe und der Firnisoberfläche 20 µm. Sowohl an dieser Probe als auch an Probe 5 a kann man erkennen, dass die Migration von Farbe bis weit in die Schichtenfolge 3a des Firnisses reicht. Auch die Proben 1a, 1b, 6, 8a und 8b weisen eine Migration von Farbe auf, die aber wesentlich geringer ist und nicht über Schichtenfolge 1a bzw. 1b des Firnisses hinausreicht.

Malschicht: Migration von Farbe und Bildvergleich mit einer historischen fotografischen Reproduktion Detail-Aufnahmen: verschiedene Quellen

Abb. II.50: Bereich 7, Detail-Aufnahme, Beleuch- Abb. II.51: Bereich 7, Detail-Aufnahme von einer tung schräg von links und von rechts, Pfeil 1: Migra- historischen fotografischen Reproduktion, Ausschnitt tion hellbrauner Farbe, Pfeil 2: Position der Mikros- aus: Eisenmann 1902, Tafel 48, Pfeil 1: Migration kop-Aufnahme in Abb. II.42, II.43 (S. 221), Maßbal- hellbrauner Farbe, eingefügter Maßbalken (Ge- ken: 0,5 cm mäldemaß): 0,5 cm

In Bereich 7 bietet ein weiterer Bildvergleich mit der historischen fotografischen Reproduktion des Gemäldes Anhaltspunkte für die zeitliche Einordnung des restauratorischen Eingriffs, wel- cher die Migration von Farbe zur Folge hatte (vgl. Kap 4.2.4.3, S. 211f.). Abbildung II.50 zeigt den heutigen Zustand. Die Migration von hellbrauner Farbe (Pfeil 1) kann man aufgrund ihrer

223 starken Ausprägung, auffälligen Form und ihres starken Kontrastes zur dunklen Malschicht- oberfläche bereits in der Detail-Aufnahme erkennen. Pfeil 2 deutet auf den rechten Ausläufer der Migration, den die Mikroskop-Aufnahmen in den Abbildungen II.42 und II.43 (S. 221) zei- gen. In Abbildung II.51 (S. 223) ist dieselbe Stelle des Gemäldes in einer fotografischen Repro- duktion wiedergegeben. Die Fotografie stammt aus den 1880er Jahren.517 Auch dort erkennt man, unterstützt durch die heutige Aufnahme, die Migration (Pfeil). Dementsprechend hatte der schadenswirksame restauratorische Eingriff vor der Aufnahme stattgefunden.

Übermalungen und Retuschen Eine der wenigen und nur kleinflächigen Retuschen erkennt man in Abbildung II.28 von Be- reich 6 (S. 214), am oberen Rand des gelben Glanzlichtes. Die Bildränder sind umfangreich übermalt, so dass die Randabschabungen nicht eingehend untersucht werden können. Die Retu- schen und Übermalungen sind im Firnis eingebettet, zeichnen sich aber in der Aufsicht unter UV-Anregung als dunkle Flächen ab.

517 Vgl. Eisenmann 1902, Tafel 48.

224 4.2.5.3 Firnis

Gilbung Der Firnis ist stark gegilbt. Deutlich erkennt man dies anhand der hellen oder weißen Partien, wie dem Tuch in der Krippe, und der Firnisansammlungen in den Tiefen des pastosen Farbauf- trags. Die Querschliffe zeigen keine wesentlichen Unterschiede der Gilbung zwischen den Fir- nisschichten oder Schichtenfolgen. Dies wird im schrägen Durchlicht untersucht. Die Mikros- kop-Aufnahmen sind nicht abgebildet.

Trübung In der Aufsicht ist eine helle, in ihrer Stärke variierende Trübung des Firnisses erkennbar. Die Bereiche 5 und 8 zeigen dies exemplarisch.

Firnis: Trübung Mikroskop-Aufnahmen: Beleuchtung schräg von links und mit Shellsol T benetzt

Abb. II.52: Bereich 5, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil 1: Abb. II.53: Bereich 8, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil 1: stärkere Trübung, Pfeil 2: keine oder geringere Trü- stärkere Trübung, Pfeile 2, 3: ehemalige Firnisrisse bung, Pfeil 3: ehemaliger Firnisriss ohne oder mit ohne oder mit geringerer Trübung, Pfeil 4: ehema- geringer Trübung liger Firnisriss mit stärkerer Trübung, Pfeile 5, 6: variierende Breite eines ehemaligen Firnisrisses

In Bereich 5 deutet Pfeil 1 auf eine Teilfläche mit stärkerer Firnistrübung (Abb. II.52). Daran grenzt eine Teilfläche mit geringerer Trübung an (Pfeil 2). Entlang des Verlaufs von ehemaligen Firnisrissen ist der Firnis stellenweise transparent (Pfeil 3). Ausgeprägter ist die Firnistrübung in Bereich 8. In Abbildung II.53 erkennt man stärker getrübte Teilflächen (Pfeil 1), im Kontrast zum Verlauf ehemaliger Firnisrisse ohne oder mit geringerer Trübung (Pfeile 2 und 3). Davon abweichend ist der Firnis an der Stelle von Pfeil 4 entlang des ehemaligen Firnisrisses stärker

225 getrübt. Sicherlich tragen auch die Migration und Auflösung von Farbe, wie sie exemplarisch in den Proben 5a und 5b dargestellt sind, und die daraus resultierende Verteilung von Pigment- partikeln im Firnis zum Transparenzverlust des Firnisses bei (vgl. Abb. II.46-II.49, S. 222).

Rissbildung Die Darstellung gliedert sich erstens in ehemalige und aktuelle Firnisrisse und zweitens in Profil, Einzelrisse und Rissanordnung in der Aufsicht. Der überwiegende Teil der ehemaligen Firnisrisse bildet gleichzeitig auch die Vertiefungen der borkenartigen Firnisdeformationen. Dargestellt werden die Verbindungen und Abweichungen der ehemaligen und aktuellen Firnis- risse sowie der Malschichtrisse. Sie sind vielfach unbestimmter als in Fallstudie I. Die aktuellen Firnisrisse sind sowohl schmal (Breite bis 0,01 mm) als auch geweitet (Breite ab 0,02 mm). Im Zusammenhang mit der Rissbildung wird auch die Migration von Firnis betrachtet. Die Be- reiche 2 und 3 werden wegen der Veränderungen der Firnisoberfläche durch die lokale Firnis- dünnung ausgeklammert.

Ehemalige Firnisrisse: Profile Fünf Profile, vier davon in alternativen Konstellationen, werden in den Abbildungen II.54.1 bis II.54.9 (S. 227) zeichnerisch dargestellt. Profil a: Die Risse stehen überwiegend in Verbindung mit geweiteten und tiefen (Abb. II.54.1, S. 227), vereinzelt auch mit schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen (Abb. II.54.2, S. 227). Es ist das stärkste der fünf Profile und damit auch hauptsächliche Ursache der borkenar- tigen Firnisdeformationen. Ausgeprägt sind diese Risse in den Bereichen 1, 4, 5, 7 und 8 sowie in Bereich 9 entlang der dicken Ränder der Firnisgirlande. Bestandteil des Rissprofils ist eine Vertiefung mit einer Breite von 0,2 bis 0,6 mm (Pfeil 1a). Die meist aufgewölbten, zum Teil aber auch ebenen Risskanten oder -ränder haben einen Abstand von meist 0,05 bis 0,10 mm und bis zu 0,14 mm in Bereich 1 (Pfeil 1b). Wie die Proben 1b (Abb. II.16, II.17, S. 204) und 8a (Abb. II.22, II.23, S. 205) zeigen, sind die ehemaligen Firnisrisse etwas breiter als die mit ihnen verbundenen Malschichtrisse. Anhand dieser beiden Proben wird auch die Tiefe der ehe- maligen Firnisrisse (Pfeil 2) dargestellt. Sie reicht von einen Viertel bis zur Hälfte der Firnis- dicke.

226

Abb. II.54.1-II.54.9: Profile ehemaliger Firnisrisse, Firnis: hellgrau, Malschicht: hellgrau gesprenkelt, Pfeile 1 bzw. 1a und 1b: Rissbreite, Pfeile 2: Risstiefe

Profil b: Die Risse sind entweder mit schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen verbun- den (Abb. II.54.3) oder haben keine Verbindung mit Malschichtrissen (Abb. II.54.4). Verbreitet ist das Profil in den Bereichen 4, 5 und 6, vereinzelt in den Bereichen 1, 8 und 9. Merkmale sind eine ebene Firnisoberfläche im Rissumfeld sowie Risskanten oder nur wenig gerundete Rissränder. Die Breite (Pfeil 1) beträgt 0,01 bis 0,06 mm. Die Tiefe (Pfeil 2) kann nicht be- stimmt werden, da das Profil in keinem Querschliff erfasst ist. Profil c: Wiederum sind zwei Möglichkeiten dargestellt, mit (Abb. II.54.5) oder ohne (Abb. II.54.6) Verbindung mit Malschichtrissen, die hier schmal und oberflächlich sind. Das Profil ist in den Bereichen 1 und 9 mehrfach und in den Bereichen 5, 7 und 8 vereinzelt vorhanden. Es zeichnet sich durch eine flache Vertiefung aus. Die Breite (Pfeil 1) variiert erheblich und be- trägt beispielsweise in Bereich 5 nur 0,01 mm, in Bereich 1 zwischen 0,10 mm und 0,14 mm. Die Tiefe (Pfeil 2) ist unbestimmt, da auch dieses Profil nicht in den Proben erfasst ist.

227 Profil d (Abb. II.54.7, S. 227): Das Profil stellt einen Sonderfall dar, da es keine Vertiefung auf- weist und nur in Verbindung mit einem Malschichtriss erkennbar ist. Die Konstellation mit einem schmalen und oberflächlichen Malschichtriss liegt z.B. in Bereich 7 in einigen Rissab- schnitten vor (Abb. II.42, S. 221, Pfeile 1, 2). Das Profil ist auch in Probe 4b enthalten (Abb. II.20, II.21, S. 204 Rissbereich R3), kann aber in der Aufsicht von Bereich 4 nicht dargestellt werden. Profil e: Die Risse sind vor allem durch die stärkere Trübung des Firnisses im Rissumfeld er- kennbar. Das Profil ist zeichnerisch in zwei Konstellationen, exemplarisch mit einem schmalen und oberflächlichen Malschichtriss (Abb. II.54.8, S. 227) und ohne Malschichtriss (Abb. II.54.9, S. 227) dargestellt. Die Firnisoberfläche ist eben. Betreffende Rissbereiche sind in Be- reich 5 (Abb. II.52, S. 225, Pfeil 3) und Bereich 8 (Abb. II.53, S. 225, Pfeile 2, 3) verzeichnet. Die Breite des geringer getrübten Bereichs des Firnisses, welcher vermutlich nur ungefähr die ehemalige Rissbreite wiedergibt, misst z.B. in Bereich 8 zwischen 0,01 und 0,17 mm.

Ehemalige Firnisrisse: Einzelrisse in der Aufsicht Für die Darstellung der ehemaligen Firnisrisse mit den Profilen a bis d werden die Bereiche 1, 6 und 9 ausgewählt. Dazu sind die Mikroskop-Aufnahmen bei koaxialer Beleuchtung und die Kartierungen auf der Grundlage dieser Aufnahmen gegenübergestellt. Die kartierten Mal- schichtrisse verweisen indirekt auf die zugehörigen ehemaligen Firnisrisse. Pfeile markieren exemplarisch Abschnitte und Einzelformen der ehemaligen Firnisrisse mit den Profilen a bis d (Abb. II.55-II.60, S. 229f.). Die ehemaligen Firnisrisse mit Profil e der Bereiche 5 und 8 werden anhand von Mikroskop-Aufnahmen bei schräger Beleuchtung von links und ohne Kartierung dargestellt (Abb. II.52, II.53, S. 215, Abb. II.61, S. 231). Ehemalige Firnisrisse mit Profil a: Pfeil 1 markiert die Risse in den Abbildungen II.55 bis II.60 (S. 229f.). Sie sind glatt und zügig sowie überwiegend ein- und mehrfach gebogen, in Bereich 9 vereinzelt gerade. Ihre Länge reicht von 0,3 bis über 2 mm. Stellenweise variiert die Rissbrei- te. In Bereich 1 (Abb. II.55, II.56, S. 229) deuten die Pfeile 4 und 5 auf einen Rissabschnitt von 0,7 mm Länge. Er hat Verbindung mit einem geweiteten und tiefen Malschichtriss. Gemessen wird der Abstand der Risskanten (vgl. Abb. II.54.1, S 227, Pfeil 1b). An der Stelle von Pfeil 4 beträgt er 0,13 mm, an der Stelle von Pfeil 5 hingegen 0,10 mm. Teilweise ändert sich auch die Verbindung mit den Malschichtrissen, z.B. in Bereich 9 (Abb. II.59, II.60, S. 230). In seinem Verlauf hat ein ehemaliger Firnisriss Verbindung mit einem tiefen und geweiteten Malschichtriss (Pfeil 1 oben) sowie mit einem schmalen und oberflächlichen Malschichtriss (Pfeil 1 unten). Bereich 6 (Abb. II.57, II.58) zeigt den Übergang der Profile im Rissverlauf.

228 Pfeil 1 links unten deutet auf Profil a, Pfeil 2 darüber auf Profil b. Beide Profile sind mit einem schmalen und oberflächlichen Malschichtriss verbunden.

Ehemalige Firnisrisse: Einzelrisse und Rissanordnung in der Aufsicht in Verbindung mit den Malschichtrissen Mikroskop-Aufnahmen: koaxiale Beleuchtung Kartierungen: mit Mikroskop-Aufnahme in koaxialer Beleuchtung, geweitete und tiefe Malschichtrisse: grün, schmale und oberflächliche Malschichtrisse: blau

Abb. II.55: Bereich 1, Mikroskop-Aufnahme, Pfeile Abb. II.56: Bereich 1, Kartierung, Pfeile 1-3: ehema- 1-3: ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen lige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen (1: Profil (1: Profil a, 2: Profil b, 3: Profil c), Pfeile 4-5: vari- a, 2: Profil b, 3: Profil c), Pfeile 4-5: variierende ierende Rissbreite Rissbreite

Abb. II.57: Bereich 6, Mikroskop-Aufnahme, Pfeile Abb. II.58: Bereich 6, Kartierung, Pfeile 1-2: ehema- 1-2: ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen lige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen (1: Profil (1: Profil a, 2: Profil b) a, 2: Profil b)

229

Abb. II.59: Bereich 9, Mikroskop-Aufnahme, Pfeile Abb. II.60: Bereich 9, Kartierung, Pfeile 1-4: ehema- 1-4: ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen lige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen (1: Profil (1: Profil a, 2: Profil b, 3: Profil c, 4: Profil d) a, 2: Profil b, 3: Profil c, 4: Profil d)

Ehemalige Firnisrisse mit Profil b: Die Risse sind in den Abbildungen II.55 bis II.58 (S. 229) und II.59 bis II.60 mit den Pfeilen 2 markiert. Sie sind glatt und zügig, gerade oder ein- und mehrfach gebogen. Ihre Länge beträgt 0,2 bis 1 mm. In Bereich 6 (Abb. II.57 und II.58, S. 229, Pfeile 1 und 2) erkennt man einen Übergang zu einem ehemaligen Firnisriss mit Profil a. Ehemalige Firnisrisse mit Profil c: Sie liegen in Bereich 1 in Verbindung mit schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen vor (Abb. II.55, II.56, S. 229, Pfeile 3), in Bereich 9 ohne Verbindung mit einem Malschichtriss (Abb. II.59, II.60, Pfeil 3). Das abgeflachte Profil er- schwert die Bestimmung der Einzelrissform in der Aufsicht. Die ehemaligen Firnisrisse sind glatt und zügig, ein- und mehrfach gebogen sowie 0,2 bis 0,8 mm lang. Ehemalige Firnisrisse mit Profil d: Ein kurzer Riss ist in Bereich 7 erkennbar (Abbildung II.42, S. 221, Pfeil 4). Er steht in Verbindung mit einem schmalen Malschichtriss, der durch eine Mi- gration von Farbe geschlossen ist. Seine Länge beträgt über 0,6 mm. In Bereich 9 handelt es sich um einen nur 0,1 mm langen Rissabschnitt im Übergang zu einen ehemaligen Firnisriss mit Profil c und in Verbindung mit einem schmalen und oberflächlichen Malschichtriss (Abb. II.59, II.60, Pfeil 4). In beiden Fällen lässt sich der Rissverlauf nicht beschreiben. Ein kurzer Rissabschnitt in Bereich 9 (Abb. II.59, II.60. S. 230, Pfeil 4) geht rechts in einen ehemaligen Firnisriss mit Profil b über. Ehemalige Firnisrisse mit Profil e: In Bereich 5 sind die wenigen ehemaligen Firnisrisse zügig und glatt, gerade oder einfach gebogen und bis zu 0,6 mm lang (Abb. II.52, S. 225. Pfeil 3). In Bereich 8 (Abb. II.53, S. 225) sind sie ebenfalls zügig und glatt, überwiegend aber ein- oder mehrfach gebogen. Ihre Länge beträgt 0,2 bis 1,5 mm. Im Rissverlauf variiert die Breite stellen- weise erheblich. Die Pfeile 5 und 6 markieren einen 0,5 cm langen Rissabschnitt. Die Rissbreite reicht von 0,05 mm (Pfeil 5) bis 0,11 mm (Pfeil 6).

230 Ehemalige Firnisrisse: Rissanordnung in der Aufsicht Ehemalige Firnisrisse mit Profil a: In Bereich 1 bilden die Risse ein geschlossenes, in den Be- reichen 4 bis 8 ein teilweise geschlossenes Netzcraquelé sowie in Bereich 9 ein weitgehend geschlossenes Gittercraquelé. Kürzere und schmalere Risse werden in den Bereichen 1, 7 und 8 zu breiteren und längeren Rissen hin abgelenkt. In Bereich 6 kommt es zu einem Rissan- schluss ohne Ablenkung (Abb. II.57, II.58, S. 229, Pfeil 1 links unten). Ehemalige Firnisrisse mit Profil b: Die Risse formieren sich untereinander zu einem Netzcra- quelé. In dieser Anordnung fügen sie sich z.B. in den Bereichen 1 und 6 in das Netzcraquelé der ehemaligen Firnisrisse mit Profil a ein, in Bereich 9 bilden sie mit diesen zusammen ein ge- meinsames Gitter- und Netzcraquelé. Unterschiedliche Risskonstellationen sind in Bereich 6 zu beobachten (Abb. II.57, II.58, S. 229). Die Pfeile 2 Mitte und rechts deuten auf eine ausge- prägte Ablenkung der Risse untereinander und zu den ehemaligen Firnisrissen mit Profil a, die Pfeile 1 links unten und 2 links unten auf einen ungewöhnlichen Anschluss des ehemaligen Fir- nisrisses mit Profil a an einen ehemaligen Firnisriss mit Profil b. Ehemalige Firnisrisse mit Profil c: In Bereich 1 (Abb. II.55, II.56, S. 219, Pfeile 3) ist ihre An- ordnung am anschaulichsten. Man sieht in einigen Fällen einen gegenseitigen Zusammen- schluss mit Rissablenkung (Pfeil 3 links oben) und einen Anschluss an einen ehemaligen Firnis- riss mit Profil a (Pfeil 3 links unten), ebenfalls mit Rissablenkung. Ein Riss (Pfeil 3 Mitte) liegt isoliert in der Fläche. Ehemalige Firnisrisse mit Profil d: In Bereich 7 (Abb. II.42, II.43. S. 221, Pfeil 4) ist keine Verbindung mit anderen ehemaligen Firnisrissen erkennbar. Der o.g. Rissabschnitt in Bereich 9 (Abb. II.59, II.60. S. 230, Pfeil 4) schließt links unter geringer Rissablenkung an einen ehe- maligen Firnisriss mit Profi a an.

Ehemalige Firnisrisse: Einzelrissverlauf und Rissanordnung in der Aufsicht Mikroskop-Aufnahme: Beleuchtung schräg von links und mit Shellsol T benetzt

Abb. II.61: Bereich 8, Mikroskop-Aufnahme (Aus- schnitt von Abb. II.53, S. 225), Anordnung der ehe- maligen Firnisrisse mit Profil e, Pfeil 1: Überlagerung eines ehemaligen Firnisrisses mit Profil a, Pfeil 2: Anschluss an und Rissablenkung zu ehemaligem Firnisriss mit Profil a, Pfeile 3: gegenseitige Über- lagerung, Pfeil 4: Zusammenschluss ohne Riss- ablenkung oder Verzweigung

231 Ehemalige Firnisrisse mit Profil e: Die Rissanordnung ist unterschiedlich. Die breiteren Risse schließen sich mehrheitlich untereinander und mit den ehemaligen Rissen mit Profil a zusam- men (Abb. II.61, S. 231, vgl. Abb. II.53, S. 225). Eine Überlagerung der ehemaligen Firnisrisse mit Profil a lässt sich an der Stelle von Pfeil 1 beobachten. Ein schmalerer Riss (Pfeil 2) schließt mit ausgeprägter Ablenkung an einen ehemaligen Firnisriss mit Profil a an. Zum Teil überlagern sich schmalere Risse gegenseitig (Pfeile 3 Mitte) und sie überlagern die breiteren Risse (Pfeil 3 links). Pfeil 4 markiert einen Zusammenschluss ohne Rissablenkung oder möglicherweise eine Verzweigung.

Tab. II.8: Übersicht ehemaliger Firnisrisse: Profile, Einzelrisse und Rissanordnung in der Aufsicht, in den Be- reichen 1, 4-9

Tabelle II.8 fasst die Merkmale der ehemaligen Firnisrisse zusammen. Ehemalige Firnisrisse mit den Profilen a und b liegen in allen hier untersuchten Bereichen 1 und 4 bis 9, ehemalige Firnisrisse mit Profil c in der Mehrheit dieser Bereiche vor. Dagegen sind ehemalige Firnisrisse mit den Profilen d und e auf jeweils zwei Bereiche begrenzt. Bei den Firnisrissen mit den Pro- filen a, b und e wechselt die Verbindung zu den Malschichtrissen, während ehemalige Firnis- risse mit den Profilen c und d nur Verbindung mit schmalen und oberflächlichen Malschicht- rissen haben. Teilweise ist keine Verbindung mit den Malschichtrissen erkennbar (Profile b und e). Die Rissbreite variiert erheblich, sowohl zwischen den Profilen (z.B. Profil a und b) als auch zwischen den einzelnen Rissen eines Profils (z.B. Profil c). Nur die ehemaligen Firnisrisse mit Profil a haben eine relevante Tiefe, die maximal die Hälfte der Firnisdicke beträgt. Profil a ver- eint zudem die längsten Einzelrisse. In der Rissanordnung überwiegt ein Netzcraquelé, nur in Bereich 9 formieren sich die ehemaligen Firnisrisse mit Profil a zu einem Gittercraquelé und sind dabei in ein Netzcraquelé eingebunden.

232

Abb. II.62.1-I.62.6: Profile aktueller Firnisrisse, Firnis: hellgrau, Malschicht: hellgrau gesprenkelt, Pfeile: aktueller Firnisrisse, Pfeile 1 bzw. 1 a und 1b in Abb. II.60.6: Rissbreite

Aktuelle Firnisrisse: Profile Drei Profile lassen sich unterscheiden (Abb. II.62.1-II.62.6). Zwei Profile sind in verschiedenen Konstellationen dargestellt, mit und ohne Verbindung mit den ehemaligen Firnisrissen. Für die Verbindung sind exemplarisch die ehemaligen Firnisrisse mit Profil a in Verbindung mit ge- weiteten und tiefen Malschichtrissen und die ehemaligen Firnisrisse mit Profil b in Verbindung mit schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen ausgewählt (vgl. Abb. II.54.1, II.54.3, S. 227). Die Tiefe der aktuellen Firnisrisse ist ungeklärt und wird deshalb in den Zeichnungen ver- einfachend dargestellt. Eine Verbindung mit ehemaligen Firnisrissen mit Profil c (Abb. II.54, II.55, S. 227) wird in den ausgewählten Bereichen nicht festgestellt. Profil a (Abb. II.62.1-II.62.3): Das Profil zeichnet sich durch nicht aufgewölbte Kanten aus. Die Risse haben überwiegend eine Breite von bis zu 0,01 mm, in einem Fall (Bereich 1) eine Breite von 0,02 mm. Sie liegen sowohl in als auch ohne Verbindung mit ehemaligen Firnis- rissen vor. Profil b (Abb. II.62.4, II.62.5): Im Unterschied zu Profil a sind die Risskanten aufgewölbt. Die Risse sind überwiegend bis zu 0,01 mm breit. Vor allem in Verbindung mit ehemaligen Firnis- rissen mit Profil a sind sie teilweise geweitet, mit einer Breite von 0,02 mm.

233 Aktuelle Firnisrisse Mikroskop-Aufnahme: Beleuchtung schräg von links

Abb. II.63: Bereich 8 (Ausschnitt von Abb. II.53, S. 225), Übergänge von Abschnitten aktueller und ehe- maliger Firnisrisse in Verbindung mit einem gewei- teten und tiefen Malschichtriss, Pfeile 1: Abschnitte mit Profil c aktueller Firnisrisse, Pfeile 2: Abschnitte mit Profil a ehemaliger Firnisrisse

Profil c (Abb. II.62.6, S. 233): In den Bereichen 1, 7 und 8 liegen die Risse als kurze Abschnitte im Übergang zu ehemaligen Firnisrisse mit Profil a vor, beide haben Verbindung mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen. Abbildung II.63 zeigt das Rissprofil und die Konstellation in Be- reich 8. Die Pfeile 1 deuten auf die Abschnitte des aktuellen Firnisrisses, die Pfeile 2 auf die angrenzenden Abschnitte des ehemaligen Firnisrisses. Merkmale des Profils c aktueller Firnis- risse sind aufgewölbte und gerundete Ränder und deformierte Rissflächen. Der Abstand der Rissränder (Abb. II.62.6, S. 233, Pfeil 1b) beträgt vielfach 0,02 und über 0,02 mm. Auch die Vertiefung des Firnisses im Umfeld (Pfeil 1a) wird zum Profil c gerechnet. Ihre Breite misst 0,3 bis 0,5 mm. Die Tiefe ist nicht bestimmt. Vermutlich geht die Deformation auf denselben restauratorischen Eingriff zurück, der in unmittelbarer Nähe zur Entstehung der ehemaligen Firnisrisse geführt hatte. Diese Risse sind deshalb älter als die aktuellen Firnisrisse mit den Profilen a und b.

Aktuelle Firnisrisse: Einzelrisse in der Aufsicht Die Einzelrisse werden in den Bereichen 1, 6, 8 und 9 betrachtet. Den Kartierungen der aktu- ellen Firnisrisse sind die gemeinsamen Kartierungen der aktuellen Firnisrisse und der Mal- schichtrisse gegenübergestellt (Abb. II.64-II.71, S. 236f.). Die Malschichtrisse stehen wiede- rum stellvertretend für die ehemaligen Firnisrisse. In den Kartierungen sind schmale aktuelle Firnisrisse (Breite bis 0,01 mm) schwarz, geweitete aktuelle Firnisrisse (Breite ab 0,02 mm) rot gezeichnet. In den Kartierungen werden exemplarisch die Profile einzelner aktueller (Pfeile 1- 3) und ehemaliger Firnisrisse (Pfeile 9-12) angegeben. Aktuelle Firnisrisse in Verbindung mit ehemaligen Firnisrissen: Diese Verbindung liegt in allen vier kartieren Bereiche vor. Dabei haben die aktuellen Firnisrisse überwiegend Verbindung mit den ehemaligen Firnisrissen mit den Profilen a und b, in einem Fall auch mit Profil d. Die aktu- ellen Firnisrisse sind sowohl glatt und zügig als auch leicht gezackt und zügig. In den Be-

234 reichen 1, 6 und 8 sind sie vorwiegend ein- und mehrfach gebogen, in Bereich 9 gerade. Leicht gezackte Einzelrisse oder Rissabschnitte sind in den Abbildungen II.64 bis II.71 (S. 236f.) mit Pfeil 4 markiert. Bemerkenswert ist, dass die zugehörigen ehemaligen Firnisrisse und Mal- schichtrisse überwiegend glatt sind. Die Länge der aktuellen Firnisrisse beträgt 0,1 bis 1,3 mm. Ein Teil ist nur 0,1 bis 0,2 mm lang und damit erheblicher kürzer als die mit ihnen verbundenen, ehemaligen Firnisrisse. Sie haben meist eine Breite von bis zu 0,1 mm und laufen zu beiden Seiten zu Null hin aus. Eine stark variierende Breite hat z.B. ein Riss in Bereich 8 (Abb. II.68, II.69, S. 237, Pfeil 5). Seine Länge misst 0,3 mm, seine Breite reicht von Null bis 0,02 mm. Aktuelle Firnisrisse ohne Verbindung mit ehemaligen Firnisrissen: Diese Risse liegen vorwie- gend in den ausgewählten Bereichen 1, 6 und 8 und nur vereinzelt in Bereich 9 vor. Sie werden den Profilen a und b zugeordnet. Ihre Einzelrisse sind überwiegend zügig und glatt, ein- und mehrfach gebogen sowie 0,2 bis 1,0 mm lang. Auch diese Risse laufen teilweise an ihren Enden zu Null hin aus.

Aktuelle Firnisrisse: Rissanordnung in der Aufsicht Die Rissanordnung wird ebenfalls in den Bereichen 1, 6, 8 und 9 betrachtet und anhand der Kartierungen (Abb. II.62-II.69, S. 236f.) dargestellt. Zusätzlich verdeutlichen Mikroskop-Auf- nahmen der Bereiche 6 und 9 (Abb. II.70-II.73, S. 238) Rissanordnungen in kleineren Bildaus- schnitten. Aktuelle Firnisrisse in Verbindung mit ehemaligen Firnisrissen: Die Risse weisen unterschied- liche Profile auf. In den Bereichen 1 und 8 haben geweitete Risse, einschließlich der Risse mit Profil c, einen wesentlichen Anteil an der Rissanordnung, in den Bereichen 6 und 9 sind sie nicht vorhanden. Die leicht gezackten Risse liegen gänzlich in dieser Verbindung mit ehema- ligen Firnisrissen vor. Gemeinsam formieren sich die Risse in den Bereichen 1, 6 und 8 zu einem teilweise geschlossenen Netzcraquelé, in Bereich 9 zu einer Verbindung von Gitter- und Netzcraquelé. Kürzere Risse sind zu längeren Rissen hin abgelenkt. Die Rissanordnungen sind nur teilweise und deutlich weniger geschlossen als die Anordnungen der ehemaligen Firnis- risse. Wesentlich tragen dazu die zahlreichen kurzen Risse bei, die sich entlang der ehemaligen Firnisrisse aneinander reihen. In allen vier Bereichen kann man mehrfach einen Parallelverlauf und lokale Abweichungen von den ehemaligen Firnisrissen beobachten (Pfeil 6). Eine Beson- derheit ist ein kurzer, versetzt paralleler Verlauf in Bereich 1 (Abb. II.64, I.65, S. 236, Pfeil 7).

235 Aktuelle Firnisrisse: Einzelrissverlauf und Rissanordnung in der Aufsicht, ohne und in Verbindung mit den ehemaligen Firnisrissen und Malschichtrissen Kartierungen: aktuelle geweitete Firnisrisse: rot, aktuelle schmale Firnisrisse: schwarz, geweitete und tiefe Malschichtrisse: grün, schmale und oberflächliche Malschichtrisse: blau Pfeile 1-3: aktuelle Firnisrisse mit verschiedenen Profilen (1: Profil a, 2: Profil b, 3: Profil c), Pfeile 4-7: ver- schiedene Konstellationen aktueller Firnisrisse (4: gezackte Einzelrisse, 5: variierende Rissbreite, 6: Parallel- verlauf und Abweichung von ehemaligen Firnisrissen, 7: versetzt paralleler Verlauf, 8: Überlagerung), ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen (9: Profil a, 10: Profil b, 11: Profil d)

Abb. II.64: Bereich 1, aktuelle Firnisrisse, Kartie- Abb. II.65: Bereich 1, aktuelle Firnisrisse und Mal- rung, Pfeile 1-8: aktuelle Firnisrisse mit verschie- schichtrisse, Kartierung, Pfeile 1-8: aktuelle Firnis- denen Profilen und Konstellationen, Pfeile 9-11: risse mit verschiedenen Profilen und Konstellationen, ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen Pfeile 9-11: ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen

Abb. II.66: Bereich 6, aktuelle Firnisrisse, Kartie- Abb. II.67: Bereich 6, aktuelle Firnisrisse und Mal- rung, Pfeile 1-6: aktuelle Firnisrisse mit verschie- schichtrisse, Kartierung, Pfeile 1-6: aktuelle Firnis- denen Profilen und Konstellationen, Pfeile 9, 10: risse mit verschiedenen Profilen und Konstellationen, ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen Pfeile 9, 10: ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen

236

Abb. II.68: Bereich 8, aktuelle Firnisrisse, Kartie- Abb. II.69: Bereich 8, aktuelle Firnisrisse und Mal- rung, Pfeile 1-6: aktuelle Firnisrisse mit verschiede- schichtrisse, Kartierung, Pfeile 1-6: aktuelle Firnis- nen Profilen und Konstellationen, Pfeile 9, 10: ehe- risse mit verschiedenen Profilen und Konstellationen, malige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen Pfeile 9, 10: ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen

Abb. II.70: Bereich 9, aktuelle Firnisrisse, Kartie- Abb. II.71: Bereich 9, aktuelle Firnisrisse und Mal- rung, Pfeile 1, 4, 6: aktuelle Firnisrisse mit verschie- schichtrisse, Kartierung, Pfeile 1, 4, 6: aktuelle Fir- denen Profilen und Konstellationen, Pfeile 9, 10: nisrisse mit verschiedenen Profilen und Konstellati- ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen onen, Pfeile 9, 10: ehemalige Firnisrisse mit verschie- denen Profilen

Aktuelle Firnisrisse ohne Verbindung mit ehemaligen Firnisrissen: Die Risse schließen sich zu- nächst untereinander teilweise zusammen. Dabei wird eine Rissablenkung sichtbar, nur an einer Stelle eine Überlagerung von Rissen (Bereich 1, Abb. II.64, II.65, S. 236, Pfeil 8). Vielfach ha- ben sie keinen Anschluss, sondern enden ein- oder beidseitig in der Fläche. Zum anderen schlie- ßen die Risse an die o.g. aktuellen Firnisrisse mit Verbindung mit ehemaligen Firnisrissen an, wiederum unter Ablenkung. Damit ordnen sie sich in das Netzcraquelé der Bereiche 1, 6 und 8 sowie in das Netz- und Gittercraquelé des Bereichs 9 ein. Ehemalige Firnisrisse mit den Profilen b, c und d (Abb. II.54.3-II.54.7, S. 227) werden hingegen vielfach überlagert.

237 Aktuelle Firnisrisse: Rissanordnung in der Aufsicht in Verbindung mit ehemaligen Firnisrissen Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. II.72: Bereich 6, Mikroskop-Aufnahme, koaxi- Abb. II.73: Bereich 6, Mikroskop-Aufnahme, UV- ale Beleuchtung, Pfeile 1-12: verschiedene Risse und Anregung, Pfeile 1-12: verschiedene Risse und Risskonstellationen (1-3: aktuelle Firnisrisse, 4-7: Risskonstellationen (1-3: aktuelle Firnisrisse, 4-7: ehemalige Firnisrisse, 8-12: Verbindung, Parallelver- ehemalige Firnisrisse, 8-12: Verbindung, Parallel- lauf, Überlagerung) verlauf, Überlagerung)

Abb. II.74: Bereich 9, Mikroskop-Aufnahme, koaxi- Abb. II.75: Bereich 9, Mikroskop-Aufnahme, UV- ale Beleuchtung, Pfeile 1-7: verschiedene Risse und Anregung, Pfeile 1-7: verschiedene Risse und Riss- Risskonstellationen (1, 2: aktuelle Firnisrisse, 3-5: konstellationen (1, 2: aktuelle Firnisrisse, 3-5: ehe- ehemalige Firnisrisse, 6, 7: Verlaufsänderungen) malige Firnisrisse, 6, 7: Verlaufsänderungen)

Die Abbildungen II.72 und II.73 zeigen Bereich 6 in koaxialer Beleuchtung und UV-Anregung (vgl. Abb. II.57, S. 229, Abb. II.65, S. 236). Die mit den Pfeilen 1 bis 3 markierten aktuellen Firnisrisse haben vorwiegend Profil a und stellenweise Profil b (Abb. II.62.2, II.62.5, S. 233), die mit den Pfeilen 4 bis 7 markierten ehemaligen Firnisrisse Profil b in Verbindung mit schma- len und oberflächlichen Malschichtrissen (Abb. II.54.3, S. 227). An der Stelle von Pfeil 8 sind der aktuelle Firnisriss (Pfeil 1) und der ehemalige Firnisriss (Pfeil 2) verbunden. Dann kommt es zu einem Parallelverlauf (Pfeil 9). Dieser und der an ihn angeschlossene aktuelle Firnisriss überlagern an der Stelle der Pfeile 10 und 11 die ehemaligen Firnisrisse. Der dritte aktuelle Fir-

238 nisriss erfährt bei seiner Überlagerung zweier ehemaliger Firnisrisse eine geringfügige Ablen- kung (Pfeil 12). In Bereich 9 werden zwei lokale Verlaufsänderung der aktuellen Firnisrisse näher betrachtet (Abb. II.74, II.75, S. 238, vgl. Abb. II.59, S. 230 und Abb. II.71, S. 237). Die Pfeile 1 und 2 deuten an jeweils zwei Stellen zweier aktueller Firnisrisse, vermutlich mit Profil a. An der Stelle der Pfeile 3 und 4 liegen ehemalige Firnisrisse mit Profil a und in Verbindung mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen vor, an der Stelle von Pfeil 5 ein ehemaliger Firnisriss mit Profil b und in Verbindung mit einem schmalen und oberflächlichen Malschichtriss (Abb. II.54.1, II.54.3, S. 227). Der erste der beiden aktuellen Firnisrisse ist an der Stelle von Pfeil 1 rechts mit dem ehemaligen Firnisriss mit Profil a verbunden, dann weicht er von dieser Verbindung ab (Pfeil 6) und verläuft in einem kurzen Abschnitt unabhängig (Pfeil 1 Mitte). Der zweite aktuelle Firnisriss hat ebenfalls Verbindung mit dem ehemaligen Firnisriss mit Profil a (Pfeil 2 oben). An der Stelle von Pfeil 7 mündet in den ehemaligen Firnisriss mit Profil b ein (Pfeil 2 Mitte). Die Beispiele verdeutlichen, dass die ehemaligen Firnisrisse und die variierende Firnisdicke den Verlauf der aktuellen Firnisrisse mehrheitlich, aber nicht zwingend bestimmen.

Migration von Firnis Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. II.76: Bereich 4, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. II.77: Bereich 4, Mikroskop-Aufnahme, UV- leuchtung schräg von links, Pfeil 1: tropfenförmige Anregung, Pfeil 1: tropfenförmige Migration, Pfeil 2: Migration, Pfeil 2: wulstförmige Deformation, Pfeil wulstförmige Deformation, Pfeil 3: Kante des ehe- 3: Kante des ehemaligen Firnisrisses, Pfeil 4: aktu- maligen Firnisrisses, Pfeil 4: aktueller Firnisriss eller Firnisriss

Migration von Firnis In den Bereichen 1 und 4 ist eine Migration von Firnis entlang von ehemaligen Firnisrissen mit Profil a zu beobachten. Die Abbildungen II.76 und II.77 von Bereich 4 zeigen diese Migration.

239 Eine tropfenförmige Erhebung des Firnisses (Pfeil 1) hat einem Durchmesser von 0,05 mm, überwiegend sind die Erhebungen aber wulstförmig (Pfeil 2). Pfeil 3 markiert die Kante des ehemaligen Firnisrisses. Der aktuelle Firnisriss (vermutlich Profil a) wird in seinem Verlauf von den Migrationen abgelenkt (Pfeil 4). Die Migration hatte sich während oder nach der Schließung der ehemaligen Firnisrisse und noch vor den aktuellen Firnisrissen gebildet. Sie deutet auf eine Lösemitteleinwirkung einer früheren Restaurierung hin.518

Firnisgirlande Mikroskop-Aufnahme: koaxiale Beleuchtung

Abb. II.78: Bereich 9, Pfeil 1: unterer Rand, Pfeil 2: seitlicher Rand, Pfeil 3: Binnenfläche der Firnis- girlande, Pfeil 4: Fläche außerhalb der Firnisgirlande

Firnisgirlande Die Firnisgirlande ist in Abbildung II.78 in einem größeren Bildausschnitt als in den Ab- bildungen II.59 (S. 230) und II.74 (S. 238) dargestellt, um die strukturellen Unterschiede der Girlande und des Umfelds zu verdeutlichen. Pfeil 1 deutet auf den unteren, Pfeil 2 auf den seit- lichen Rand der Girlande. Dort sind die Deformationen stärker als in der Binnenfläche der Girlande (Pfeil 3) und im Umfeld (Pfeil 4). Offensichtlich korrespondiert die Stärke der borken- artigen Deformationen mit der Dicke des Firnisses. Geprägt werden die Deformationen durch ehemalige Firnisrisse mit Profil a. Ob ein Firnis neu aufgetragen oder der bestehende Firnis re- generiert und damit verflüssigt worden war, bleibt offen.

518 Vgl. Brammer 1987, S. 103. Brammer beobachtet eine Migration von Firnis aus dem Craquelé an dem Gemälde von Ferdinand Bol, Bildnis einer jungen Frau mit Nelke nach dem Auftrag eines Dammar-Terpentinöl-Firnisses.

240 Lokale Firnisdünnung Mikroskop-Aufnahmen: koaxiale Beleuchtung

Abb. II.79: Bereich 3, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil 1: Abb. II.80: Bereich 3, Mikroskop-Aufnahme, Detail unberührtes Umfeld, Pfeil 2: Randbereich der Firnis- von Abb. II.79, Pfeil 1: Dünnung der Höhe des Fir- dünnung, Pfeil 3: gedünnter und nivellierter Firnis nisses, Pfeil 2: erhaltener Rissbereich, Pfeil 3: ge- dünnter Rissbereich, Pfeil 4: freigelegte lokale Pas- tosität der Malschicht

Lokale Firnisdünnung Abbildung II.79 zeigt Bereich 3, den Rand der lokalen Firnisdünnung (vgl. Abb. II.33, S. 216). Pfeil 1 deutet auf das unberührte Umfeld, Pfeil 2 auf den Bereich, in dem der Firnis geringfügig gedünnt ist und Pfeil 3 auf den Bereich der weitgehenden Dünnung und Nivellierung des Fir- nisses. In Abbildung II.80 werden die Merkmale dieser Dünnung näher betrachtet. Sie beginnt an den Höhen des Firnisses (Pfeil 1). Die Ränder des vertieft liegenden, ehemaligen Firnisrisses mit Profil a bleiben zunächst unberührt (Pfeil 2). Bei fortschreitender Dünnung (Pfeil 3) werden die Höhen des Firnisses und die Ränder des ehemaligen Firnisrisses nivelliert. Pfeil 4 markiert eine durch die Firnisdünnung freigelegte Pastosität der Malschicht. Der von der Höhe begin- nende Abtrag, die klaren und unbeschädigten Kanten der Firnisrisse sowie die Glätte der Ober- fläche sind typische Merkmale einer mechanischen Firnisdünnung durch Abschleifen mit Fir- nispulver.519

519 Vgl. Krämer 2009, S. 27, Abb. 4.

241 Schichtenstörungen des Firnisses im Querschliff Die verschiedenen Schichtenstörungen werden anhand der Proben 1a, 1b, 4b, 5a und 8a darge- stellt. Dazu dienen die Kartierungen der Querschliffe (Abb. II.81-II.85, S. 242f.). Grundlage sind die in Kapitel 4.2.4.3 (S. 203-212) dargestellten Schichten und Schichtenfolgen des Fir- nisses.

Schichtgrenzen Klare Schichtgrenzen sind mit Pfeil 1 markiert. Sie finden sich überwiegend zwischen den Schichtenfolgen 3a oder 3b und 4 sowie innerhalb der zum Teil zweischichtigen Schichtenfolge 4. In den Proben 1a, 1b und 4b (Abb. II.81, II.82, Abb. II.83, S. 243) handelt es sich um kurze, in Probe 8a (Abb. II. 85, S. 243) um längere Abschnitte und in Probe 5a um eine durchgehende Schichtgrenze (Abb. II.84, S. 243). Weitere klare Schichtgrenzen liegen in Schichtenfolge 2a von Probe 1b vor (Abb. II.82). Angelöste Schichtgrenzen überwiegen in allen Proben deutlich, in den Proben 1a, 1b und 5a sind sie exemplarisch mit Pfeil 2 markiert (Abb. II.81, II.82, Abb. II.84, S. 243). Aufgelöste Schichtgrenzen werden dort angenommen, wo angelöste Schichtgren- zen offensichtlich unterbrochen sind. Sie werden z.B. in den Proben 1b, 4b und 5a (Abb. II.82 und Abb. II.83, II.84, S. 243, Pfeile 3) verzeichnet.

Schichtenstörungen des Firnisses im Querschliff Kartierungen: Firnis: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. II.81: Probe 1a, Kartierung, Schichtenfolgen Abb. II.82: Probe 1b, Kartierung, Schichtenfolgen des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1-R3, Pfeile: des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1, R2, Pfeile: Schichtgrenzen und Schichtenstörungen (1: klare Schichtgrenzen und Schichtenstörungen (1: klare Schichtgrenze, 2: angelöste Schichtgrenze, 4: wel- Schichtgrenze, 2: angelöste Schichtgrenze, 3: auf- lige Deformation, 6: Schichtenstörung im Rissbe- gelöste Schichtgrenze, 4: wellige Deformation, reich, 8: Luftblase) 5: Migration, 6: Schichtenstörung im Rissbereich, 7: oberflächlicher Abrieb)

242

Abb. II.83: Probe 4b, Kartierung, Schichtenfolgen Abb. II.84: Probe 5a, Kartierung, Schichtenfolgen des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1-R3, Pfeile: des Firnisses: 1a, 3a, 4: unbestimmte Schichtenfolge Schichtgrenzen und Schichtenstörungen (1: klare des Firnisses: ?, Pfeile: Schichtgrenzen und Schich- Schichtgrenze, 3: aufgelöste Schichtgrenze, 4: wel- tenstörungen (1: klare Schichtgrenze, 2: angelöste lige Deformation, 6: Schichtenstörung im Riss- Schichtgrenze, 3: aufgelöste Schichtgrenze, 4: wel- bereich) lige Deformation)

Abb. II.85: Probe 8a, Kartierung, Schichtenfolgen des Firnisses: 1b-3b, 4, Rissbereiche: R1-R3, Pfeile: Schichtgrenzen und Schichtenstörungen (1: klare Schichtgrenze, 4: wellige Deformation, 5: Migra- tion, 6: Schichtenstörung im Rissbereich, 7: ober- flächlicher Abrieb)

Wellige Deformationen der Schichtgrenzen Pfeil 4 deutet in allen Proben auf wellige Deformationen, wobei die Rissbereiche ausgespart sind (Abb. II.81-II.82, S. 242, Abb. II.83-II.85). Zwischen den Proben und Schichtenfolgen des Firnisses bestehen deutliche Unterschiede. In Probe 1a sind die welligen Deformationen auf Schichtenfolge 1a begrenzt, in Probe 8a betreffen sie die Schichtenfolgen 1b und 2b und in den Proben 1b, 4b und 5a die Schichtenfolgen 1a bis 3a. Am stärksten haben sie sich in den Proben 4b und 5a ausgeprägt. Zudem erkennt man in Probe 4b, dass die welligen Deformationen nahe an die Firnisoberfläche heranreichen, auf diese aber keinen Einfluss haben.

243 Migration Eine Migration von Firnis wird in zwei Proben festgestellt. In Probe 1b (Abb. II.82, S. 242) geht sie von Schichtenfolge 2a aus und führt diagonal bis in die mittlere Schicht von Schichten- folge 3a (Pfeil 5). In Probe 8a (Abb. II.85, S. 243) beginnt eine kleinere Deformation in Schich- tenfolge 2b und verläuft diagonal etwa bis zur mittleren Höhe von Schichtenfolge 3b (Pfeil 5).

Rissbereiche Probe 1a (Abb. II.81, S. 242): Pfeil 6 links deutet auf die Auflösung der Schichtgrenzen von Schichtenfolge 3a in unmittelbarer Nähe der Rissflächen von Rissbereich R1. Parallel zu den Rissflächen verläuft eine vertikale Schichtgrenze. Im Rissbereich R3 sind die Schichtgrenzen der Schichtenfolge 3a nicht aufgelöst und reichen bis zu der dort ebenfalls vorhandenen, verti- kalen Schichtgrenze. Der ehemalige Firnisriss ist bis etwa zur Hälfte mit Firnis angefüllt. Schlieren im Firnis (Pfeil 6 unten Mitte) deuten auf eine Migration, die vom mit Firnis gefüllten Malschichtriss ausgeht. Der Firnis im Rissbereich kann im unteren Bereich von den Schichten- folgen 1a und 2a stammen, im oberen Bereich von Schichtenfolge 4, nicht aber von Schich- tenfolge 3a. In den Rissbereichen R1 und R3 lassen die Schichtenfolgen 1a und 3a keine Über- lagerung älterer durch neuere Schichten erkennen. Anders im Rissbereich R2 (Pfeil 6 unten links), dort wird der schmale und oberflächliche, mit Firnis gefüllte Malschichtriss spätestens von Schichtenfolge 2a überlagert. Probe 1b (Abb. II.82, S. 242): Im Rissbereich R1 gehen eine Firnismigration und -deformation von Schichtenfolge 1a aus und führen über die Risskante von Schichtenfolge 2a hinweg bis in die mittlere Höhe von Schichtenfolge 3a. Die zur mittleren Firnisschicht von Schichtenfolge 3a gehörende Rissfläche ist konvex gewölbt. Die Schichtgrenzen von Schichtenfolge 3a enden einerseits vor der Rissfläche, andererseits schließen sie an diese an. Eine Überlagerung von älteren Firnisschichten durch jüngere ist nicht erkennbar. Im Gegenteil wird die jüngere Schich- tenfolge 2a durch die aufsteigende Firnismigration der älteren Schichtenfolge 1a überlagert (Pfeil 6). Probe 4b (Abb. II.81, S. 243): Die Unterschiede zwischen den Rissbereichen und den von den Rissen entfernteren Bereichen der Probe sind gering. In den Rissbereichen R2 (Pfeil 6 links) und R3 (Pfeil 6 rechts) ist in Schichtenfolge 1a das deformierte Profil der ehemaligen Firnis- risse zu erkennen, während Schichtenfolge 3a keine sichtbaren Bezüge zu den beiden Rissbe- reichen hat. Der Firnis im Malschichtriss (Rissbereich R1) enthält vertikale Schlieren. Probe 8a (Abb. II.85, S. 243): Im Rissbereich R1 weist Schichtenfolge 2b eine Rissfläche auf, die in einem Abstand zur Rissfläche des Firnisses verläuft (Pfeil 6). Im Gegensatz dazu sind

244 die Grenzen innerhalb der Schichtenfolge 3b bereits weit vor der Rissfläche des Firnisses aufge- löst. Firnis überlagert Schichtenfolge 2b und füllt die Öffnung des Malschichtrisses. Dieser Firnis kann sowohl von Schichtenfolge 3b als auch von Schichtenfolge 4 stammen. Im Rissbe- reich R2 (Pfeil 6 rechts) sind die Schichtenfolgen 1b und 2b unterbrochen, was auf einen ehe- maligen Firnisriss hindeutet. Hingegen wird Rissbereich R3 (Pfeil 6 links) von Schichtenfolge 2b überlagert.

Luftblasen Im Firnis eingeschlossene Luftblasen sind z.B. in Bereich 6 in der Aufsicht erkennbar (vgl. Abb. II.27, S. 214, Pfeil 2). Die Abbildungen II.81 bis II.85 (S. 242f.) der Proben 1a, 1b, 4b und 8a zeigen angeschliffene Luftblasen, in Probe 1a deutet exemplarisch Pfeil 8 darauf.520 Größe und Form sind verschieden, z.B. rund mit einem Durchmesser von 10 bis 15 µm in Probe 1a, unregelmäßig in Probe 4b oder lang gestreckt mit einer Länge von 100 µm in Probe 1b. Auch die Lage im Firnis variiert, z.B. befindet sich in Probe 1a (Rissbereich R3) eine Luft- blase oberhalb des Malschichtrisses, in Probe 4b (Rissbereich R2) zum Teil im Malschichtriss und in Probe 1a rechts weit von den Rissbereichen entfernt. In den Rissbereichen waren die Luftblasen sicherlich durch ein Überfirnissen oder bei einer Firnisregenerierung eingeschlossen worden, jenseits der Rissbereiche ist ihre Entstehung ungeklärt.

Bereibungen des Firnisses Vermutlich ist der gerundete Rand des Firnisrisses im Rissbereich R1 von Probe 8a auf eine Bereibung zurückzuführen (Abb. II.85, S. 243). Darauf deutet der ungewöhnliche Verlauf der mittleren Grenze von Schichtenfolge 4 hin, die an der Stelle von Pfeil 7 an der Firnisoberfläche endet. Eine ähnliche Schichtenkonstellation liegt in Probe 1b vor (Abb. II.82, S. 242). Die Schichtgrenze endet ebenfalls abseits des Rissbereichs an der Firnisoberfläche (Pfeil 7), jedoch ist die Entstehung dieses Verlaufs unklar. Gegen eine Bereibung des Firnisses an dieser Stelle spricht die aufgewölbte Risskante des Firnisses in unmittelbarer Nähe.

520 Beim Polieren des Querschliffs füllen sich die Luftblasen mit Schleifstaub, so dass sie mit Material gefüllt er- scheinen. In Hellfeld-Beleuchtung sind sie als klar konturierte Vertiefungen erkennbar.

245 Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Veränderungen der Firnis- und Malschichtrisse sowie der Firnisdeformationen Die Entwicklung von einem gealterten bis zum heutigen Zustand wird am Beispiel der ehema- ligen Firnisrisse mit Profil a in Verbindung mit einem geweiteten und tiefen Malschichtriss und eines aktuellen Firnisrisses mit Profil a nachgezeichnet (vgl. Abb. II.54.1, S. 227, Abb. II.62.1. S. 233). Diese Risskonstellation ist in den Bereichen 1, 4, 5, 7 und 8 sowie in Bereich 9 inner- halb der Firnisgirlande vorhanden. Die Veränderungen werden als Folge einer Lösemittelein- wirkung bei einem restauratorischen Eingriff und der Wiederhärtung angesehen. Die Art des Eingriffs wird nicht näher eingegrenzt. Es kann sich um einen Firnisauftrag, um eine Alkohol- bedampfung, einen Auftrag von Lösemitteln wie Terpentinöl oder von Copaivabalsam handeln. Verschiedene Prozesse und Faktoren spielen dabei eine Rolle, ein Lösen des Firnisses im Riss- bereich, ein Schließen von aktuellen Firnisrissen und Füllen von Malschichtrissen mit Firnis, eine horizontale Verschiebung des Firnisses und Weitung der Malschichtrisse. Wesentlicher Schadensfaktor von Rissweitung und borkenartiger Deformationen ist eine Gleit- schicht. Die Untersuchungen im folgenden Kapitel 4.2.6.2 (S. 254-258) weisen darauf hin, dass verschiedene Firnisschichten oder Schichtenfolgen des Firnisses als eine solche Gleitschicht wirken können. Denkbar ist zudem eine verlängerte Lösemittelretention in den Rissbereichen, welche lokal die Wiederhärtung des Firnisses verzögern und damit eine Firnisdeformation so- wie die Rissweitung von Firnis und Malschicht befördern könnte. Die Abbildungen II.86.1 bis II.86.7 (S. 247) zeigen modellhaft den Schichtenaufbau von Firnis und Malschicht im Querschnitt. Der Firnis ist hellgrau gezeichnet, die Schichtenfolgen sind zu- sammengefasst. Die Malschicht wird zusammen mit der Grundierung dargestellt (hellgrau ge- sprenkelt). Die Bildung und Veränderung der Firnisrisse ist mit „a“ bezeichnet, der Malschicht- risse mit „b“. Pfeile zeigen die Bildung, Weitung und Vertiefung der Firnisdeformation sowie die horizontale Verschiebung des Firnisses an.

246

Abb. II.86.1-II.86.7: Rekonstruktionsversuch der Veränderungen an den ehemaligen Firnisrissen und Bildung der aktuellen Firnisrisse; sieben Phasen (1-7), Firnis: hellgrau, Malschicht: hellgrau gesprenkelt, Bildung, Wei- tung und Vertiefung der Firnisdeformation, horizontale Verschiebung des Firnisses: Pfeile

Phase 1 (Abb. II.86.1) stellt einen gealterten Zustand dar. Der Firnisriss (a) geht in einen tiefen, aber noch nicht geweiteten Malschichtriss (b) über. In Phase 2 (Abb. II.86.2) wird der Mal- schichtriss mit Firnis gefüllt und der Firnisriss (a) geschlossen. Mit der Filmhärtung setzt eine Deformation des Firnisses ein (Abb. II.86.3, Phase 3). Die Pfeile zeigen die Richtungen der De- formation an, erstens eine Vertiefung und zweitens eine Weitung im Rissbereich. Phase 3 ent- spricht dem Profil c ehemaliger Firnisrisse (Abb. II.54.5, II.54.6, S. 227). In Phase 4 (Abb. II.86.4) setzt sich die Deformation fort (Pfeile Mitte). Zudem findet eine horizontale Verschie- bung der Firnisschicht statt, der Pfeil rechts steht stellvertretend für beide Richtungen. Parallel entsteht ein oberflächlicher, v-förmiger Firnisriss (a). Rissbildung und Deformation geschehen gleichzeitig, aber auf verschiedenen Ebenen. Die obere Firnisebene ist bereits stärker gehärtet, die untere Ebene hingegen aufgrund der hohen Firnisdicke weiterhin von Lösemittel erweicht und leichter deformierbar. Phase 5 (Abb. II.86.5) beschreibt die zunehmende Deformation des Firnisses (Pfeile) sowie die Weitung und Vertiefung des Firnisrisses (a). Erst in dieser Phase wird auch der Malschichtriss geweitet (b). Die Annahme stützt sich darauf, dass der Malschicht- riss z.B. in Probe 1b (Abb. II.82, S. 242) und Probe 8a (Abb. II.85, S. 243) im heutigen Zustand schmaler als der Firnisriss ist. Das Profil der Phase 5 stimmt mit Profil a ehemaliger Firnisrisse

247 überein (Abb. II.54.1, S. 227). In Phase 6 (Abb. II.86.6, S. 247) findet eine Migration von Firnis statt (Pfeil), die den Firnisriss anfüllt und schließt. Phase 7 (Abb. II.86.2, S. 247) zeigt den heu- tigen Zustand. Ein aktueller Firnisriss (a) liegt innerhalb der Firnisdeformation und reicht bis weit in die Öffnung des mit Firnis gefüllten Malschichtrisses. Ein zweiter aktueller Firnisriss (a) befindet sich abseits des Rissbereichs. Diese beiden Konstellationen sind in den Abbil- dungen II.62.1 und II.62.3 (S. 233) dargestellt.

4.2.5.4 Rekonstruktionsversuch der Restaurierungsgeschichte

Bei dem Rekonstruktionsversuch wird von einer partiell unterschiedlichen Bearbeitung in den wesentlichen Phasen der Restaurierungsgeschichte des Gemäldes ausgegangen. Aussagen kön- nen deshalb für den gemalten Rahmen und die Schichtenfolgen 1a bis 3a des Firnisses getroffen werden, nicht aber für die Bildmitte und die dortigen Schichtenfolgen 1b bis 3b. Offen bleibt, ob die Unterschiede der Schichtenfolgen auf partielle Firnisaufträge, -dünnungen oder -abnah- men oder auf partielle Firnisregenerierungen zurückgehen. Ungeklärt ist die für die zeitliche Einordnung wesentliche Frage, ob die in Resten erhaltene Inventarnummer aus der Zeit der Er- werbung 1752 oder der möglicherweise wiederholten Inventarisierung 1816 stammt. Deshalb werden für die Phasen 1 bis 3 alternative zeitliche Einordnungen formuliert (Tabelle II.9).

Phase Maßnahmen Zeitliche Einordnung I Zeitliche Einordnung II

1 Firnisaufträge der Schichtenfolge 1a nach 1646 bis vor 1752 nach 1646 bis vor 1816 2 Firnisaufträge der Schichtenfolgen 2a nach 1752 bis 1880er Jahre nach 1816 bis 1880er Jahre und 3a 3 lokale mechanische Firnisdünnung nach 1752 bis 1880er Jahre nach 1816 bis 1880er Jahre (Entfernung der Inv.-Nr.) 4 Firnisaufträge der Schichtenfolge 4 1929 bis 1980 1929 bis 1980

Tab. II.9: Versuch der zeitlichen Einordnung der Schichtenfolgen des Firnisses und restauratorischer Maßnah- men, vier Phasen, zeitliche Einordnung I: Auftrag der Nummer des Inv. 1749ff. im Jahr 1752, zeitliche Einord- nung II: Nachtrag der Nummer des Inv. 1749ff. im Jahr 1816

In die Zeit vor 1752 oder 1816 wird der Auftrag von bis zu drei Firnisschichten eingeordnet, die in Schichtenfolge 1a zusammengefasst sind (Phase 1). Die Phase 2 reicht von 1752 oder 1816 bis in die 1880er Jahre, genauer in die Jahre ab 1883 und bis 1888, in denen die fotogra- fische Aufnahme des Gemäldes durch den Kunstverlag Franz Hanfstaengl gefertigt wird. Hier werden bis zu vier Firnisschichten aufgetragen, die den größten Anteil an der heutigen Firnis- dicke haben. Sie sind in den Schichtenfolgen 2a und 3a zusammengefasst. Zudem kommt es zu den wesentlichen Schäden und Veränderungen, der Rissweitung der Malschicht, der Migration

248 von Farbe und den borkenartigen Firnisdeformationen. In denselben Zeitraum wird auch Phase 3, die lokale mechanische Firnisdünnung an der Stelle der ehemaligen Inventarnummer einge- ordnet. Eine Bearbeitung im Rahmen der Restaurierungskampagne durch Hauser d. Ä. und Hauser d. J. 1883 wird ausgeschlossen. Es gibt keine schriftlichen Belege und es erscheint un- wahrscheinlich, dass ein Hauptwerk der Kasseler Sammlung in den Berichten unerwähnt bleibt (vgl. Kap. 2.6, S. 42ff.). Die Phase 4 umfasst die schriftlich dokumentierten Firnisaufträge und Firnisbehandlungen der Jahre 1929, 1956 und 1980, die in Schichtenfolge 4 zusammengefasst werden. Die Objektuntersuchung gibt wichtige Hinweise für die Klärung der Frage, ob das Gemälde entsprechend den Empfehlungen Max Doerners, im Rahmen der Begutachtung mit Kurt Wehlte 1929, mit Copaivabalsam oder Rezepturen auf der Basis von Copaivabalsam regeneriert wor- den war. Zunächst ist dies nicht anhand von schriftlichen Quellen belegbar (Kap. 2.7.2, S. 52- 55). Ein 1929 von Wehlte kurz vor dieser Begutachtung aufgetragener Firnis wird Schichten- folge 4 zugeordnet. Diese Schichtenfolge weist keine Schichtenstörungen auf, die auf eine mög- licherweise wiederholte und mit einer Nachreinigung mit Terpentinöl verbundene Rege- nerierung hindeuten.

249 4.2.6 Wirkung von Lösemitteln auf Firnis und Malschicht

Vorgestellt werden die Ergebnisse der Löseversuche an den Querschliffen der Proben 1a, 1b, 4b und 8a. Die Mikroskop-Aufnahmen in Hellfeld-Beleuchtung sind den grafischen Darstel- lungen gegenübergestellt. Unterschieden wird zwischen schneller und langsamer löslichen Be- reichen. Die grafische Darstellung ist stellenweise vereinfachend (vgl. Kap. 3.3, S. 101f. und Kap. 3.4, S. 107). Pfeil 1 markiert in allen Abbildungen (Abb. II.87-II.102, S. 250-257) die Malschichtoberfläche. Versuchsaufbau und -durchführung sind in Kapitel 3.4 (S. 103-112) be- schrieben. Löseproben am Gemälde werden nicht durchgeführt, da keine Restaurierung geplant ist.

4.2.6.1 Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff

Die Versuche der modellhaften Darstellung des Löseprozesses werden mit 2-Propanol durchge- führt. Die Daten der Einzelversuche finden sich im Anhang (B.2.2, S. 475).

Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff (Löseversuch mit 2-Propanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in 2-Propanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellblau, in 2-Propanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. II.87: Probe 1a, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. II.88: Probe 1a, Kartierung, Schichtenfolgen tenfolgen des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1-R3, des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1-R3, Pfeil 1: Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-6: Teilbereiche Malschichtoberfläche, Pfeile 2-6: Teilbereiche des des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit Firnisses mit verschiedener Löslichkeit

Probe 1a (Abb. II.87, II.88): Die schneller löslichen Bereiche konzentrieren sich auf die untere Hälfte des Firnisses. Schichtenfolge 1a hat ein variierendes Löseverhalten. An der Stelle von

250 Pfeil 1 ist die unterste Firnisschicht schneller, die mittlere langsamer und die obere Firnisschicht wiederum schneller löslich. Dabei erkennt man eine Abweichung von den kartierten Schicht- grenzen. Pfeil 2 weist auf die schneller lösliche Schichtenfolge 2a. Auch das Löseverhalten von Schichtenfolge 3a variiert (Pfeil 3). Schneller löslich sind die obere Ebene der unteren Firnis- schicht, die mittlere Firnisschicht und die untere Ebene der oberen Firnisschicht. In der linken Probenhälfte, zwischen den Rissbereichen R1 und R3, ist der Firnis nur entlang der Schicht- grenzen schneller löslich. Langsamer löslich ist der überwiegende Teil der oberen Firnis- schicht von Schichtenfolge 3a (Pfeil 4) und von Schichtenfolge 4. Pfeil 5 deutet auf den Rissbe- reich R3. Von dort und bis in die Öffnung des Malschichtrisses hinein ist der Firnis schneller löslich. Hingegen ist der Firnis im Rissbereich R1 erst ab Schichtenfolge 1a schneller löslich, nicht aber in der Öffnung des Malschichtrisses (Pfeil 6).

Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff (Löseversuch mit 2-Propanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in 2-Propanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellblau, in 2-Propanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. II.89: Probe 1b, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. II.90: Probe 1b, Kartierung, Schichtenfolgen tenfolgen des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1, R2, des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1, R2, Pfeil 1: Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-5: Teilbereiche Malschichtoberfläche, Pfeile 2-5: Teilbereiche des des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit Firnisses mit verschiedener Löslichkeit

Probe 1b (Abb. II.89, II.90): Schichtenfolge 1a erweist sich in der rechten Probenhälfte als schneller löslich. Dort zeichnen sich zudem zwei schneller lösliche Ebenen oberhalb der Pfeile 1 und 2 ab. Auch Schichtenfolge 2a ist nur in der rechten Probenhälfte schneller löslich (Pfeil 3). Schichtenfolge 3a hat ebenfalls ein unterschiedliches Löseverhalten. Langsamer löslich ist die untere Firnisschicht, überwiegend schneller löslich die mittlere (Pfeil 4) und weitgehend langsamer löslich die obere Firnisschicht. Schichtenfolge 4 zählt zu den langsamer löslichen Bereichen des Firnisses. Pfeil 5 deutet auf einen partiell schneller löslichen Firnis im Rissbe-

251 reich R1 auf der Ebene der mittleren Firnisschicht von Schichtenfolge 3a. Überwiegend ist der Firnis entlang der Rissfläche von Rissbereich R1 aber langsamer löslich.

Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff (Löseversuch mit 2-Propanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in 2-Propanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellblau, in 2-Propanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. II.91: Probe 4b, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. II.92: Probe 4b, Kartierung, Schichtenfolgen tenfolgen des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1-R3, des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1-R3, Pfeil 1: Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-4: Teilbereiche Malschichtoberfläche, Pfeile 2-4: Teilbereiche des des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit Firnisses mit verschiedener Löslichkeit

Probe 4b (Abb. II.91, II.92): Zwischen den Rissbereichen R1 und R2 ist der Versuch durch die Luftblase gestört und wird deshalb dort nicht ausgewertet, d. h. es sind dort keine schneller lös- lichen Bereiche verzeichnet. Schichtenfolge 1a ist langsamer löslich. Schneller löslich ist die untere Firnisschicht von Schichtenfolge 3a. Pfeil 2 deutet auf eine Übereinstimmung mit dem Verlauf der Schichtgrenzen, Pfeil 3 auf eine deutliche Abweichung davon. Langsamer löslich sind die mittlere und obere Firnisschicht von Schichtenfolge 3a und Schichtenfolge 4. Im Riss- bereich R3 ist der Firnis im Malschichtriss und innerhalb der Schichtenfolge 1a langsamer lös- lich (Pfeil 4).

252 Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff (Löseversuch mit 2-Propanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in 2-Propanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellblau, in 2-Propanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. II. 93: Probe 8a, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. II.94: Probe 8a, Kartierung, Schichtenfolgen tenfolgen des Firnisses: 1b-3b, 4, Rissbereiche: R1-R3, des Firnisses: 1b-3b, 4, Rissbereiche: R1-R3, Pfeil 1: Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-5: Teilbereiche Malschichtoberfläche, Pfeile 2-5: Teilbereiche des des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit Firnisses mit verschiedener Löslichkeit

Probe 8a (Abb. II.93, II.94): Schichtenfolge 1b ist überwiegend langsamer löslich. Lediglich in der untersten Firnisschicht erkennt man eine kleine, schneller lösliche Stelle oberhalb von Pfeil 1. Ebenso langsamer löslich ist Schichtenfolge 2b. Das Löseverhalten von Schichtenfolge 3b variiert. In der rechten Probenhälfte ist die untere Firnisschicht in ihrer unteren und mittleren Ebene schneller löslich, in der linken Probenhälfte zeichnen sich zwei getrennte Ebenen schnellerer Löslichkeit ab (Pfeil 4). Beide Bereiche sind voneinander getrennt (Pfeile 2 und 3), vermutlich aufgrund der von Schichtenfolge 2b ausgehenden Migration. Die obere Firnis- schicht von Schichtenfolge 3b ist hingegen langsamer löslich. Auch Schichtenfolge 4 hat ein variierendes Löseverhalten, die untere Firnisschicht ist langsamer, die obere schneller löslich. Überwiegend langsamer löslich ist der Firnis im Rissbereich R1. Pfeil 5 deutet auf die von Fir- nis überlagerte Rissfläche auf der Höhe der unteren Firnisschicht von Schichtenfolge 3b, die sich im Löseversuch deutlich abzeichnet.

Aufgrund der überwiegend angelösten und stellenweise aufgelösten Schichtgrenzen und des variierenden Löseverhalten von Firnisschichten und Schichtenfolgen wird die Möglichkeit einer Firnistrennung ausgeschlossen. Nur partiell wäre eine Firnisdünnung möglich, in Bereich 4 (Probe 4b) bis zur Schichtenfolge 1a und in Bereich 8 (Probe 8a) bis zur Schichtenfolge 2b. Die welligen Deformationen und das variierende Löseverhalten der darüberliegenden Firnis- schichten deuten darauf hin, dass vermutlich kein überzeugendes Resultat erzielt werden kann. Eine Firnisabnahme birgt stellenweise das Risiko von Farbverlusten. Im Bereich 1 besteht bei

253 längerer Lösemitteleinwirkung die Gefahr einer Beschädigung der Malschicht in den Rissbe- reichen. In den Proben 1a und 1b sind die unteren Schichten schneller löslich als die oberen. Zu den schneller löslichen Schichten gehört, vollständig in Probe 1a und teilweise in Probe 1b, auch die unterste Schicht von Schichtenfolge 1a. Firnis im Rissbereich R3 von Probe 1a ist bis in den Malschichtriss hinein schneller löslich. Dieses Löseverhalten fördert das rasche Vor- dringen des Lösemittels in die unteren Ebenen des Firnisses und in die Malschicht. Hingegen sind in Probe 4b die Schichtenfolge 1a und der Firnis in Rissbereich R3 sowie in Probe 8a die Schichtenfolgen 1b und 2b und der Firnis im Rissbereich R3 langsamer löslich.

4.2.6.2 Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen

Für die Versuche wird Ethanol verwendet. Die Angaben zu den Einzelversuchen finden sich im Anhang (B.2.2, S. 475) Der Rekonstruktionsversuch bezieht sich auf eine Firnisregenerie- rung durch Alkoholbedampfung unter einem Pettenkofer-Kasten als eine von mehreren Mög- lichkeiten einer historischen Restaurierung.

Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen (Löseversuch am Quer- schliff mit Ethanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in Ethanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellgrün, in Ethanol langsamer lösliche Be- reiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. II.95: Probe 1a, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. II.96: Probe 1a, Kartierung, Schichtenfolgen tenfolgen des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1-R3, des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1-R3, Pfeil 1: Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-5: Teilbereiche Malschichtoberfläche, Pfeile 2-5: Teilbereiche des des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit Firnisses mit verschiedener Löslichkeit

Probe 1a (Abb. II.95, II.96): Schichtenfolge 1a ist in der unteren und mittleren Schicht überwie- gend schneller löslich (Pfeil 2), in der oberen Schicht überwiegend langsamer löslich. Pfeil 3

254 deutet auf die schneller lösliche Schichtenfolge 2a. Schichtenfolge 3a zeigt wiederum ein auf- fällig unterschiedliches Löseverhalten. Die untere Firnisschicht ist überwiegend langsamer, die mittlere überwiegend schneller löslich, die obere Firnisschicht nur in ihrer unteren Ebene schneller (Pfeil 4) und in ihrer mittleren und oberen Ebene langsamer löslich. Dabei bestehen auch Unterschiede zwischen der linken und rechten Probenhälfte. Schichtenfolge 4 gehört zu den langsamer löslichen Bereichen. Im Rissbereich R1 ist der Firnis ab der mit Pfeil 3 gekenn- zeichneten Stelle bis zur Malschicht schneller löslich. Der schneller lösliche Firnis im Rissbe- reich R3 erstreckt sich von der oberen Ebene von Schichtenfolge 3a bis weit in den Malschicht- riss hinein (Pfeil 5). Dabei zeichnen sich insbesondere links die vertikalen Schichtgrenzen ab. Schließlich erweist sich der Firnis im Rissbereich R2 wiederum langsamer löslich.

Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen (Löseversuch am Quer- schliff mit Ethanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in Ethanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellgrün, in Ethanol langsamer lösliche Be- reiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. II.97: Probe 1b, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. II.98: Probe 1b, Kartierung, Schichtenfolgen tenfolgen des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1, R2, des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1, R2, Pfeil 1: Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-4: Teilbereiche Malschichtoberfläche, Pfeile 2-4: Teilbereiche des des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit Firnisses mit verschiedener Löslichkeit

Probe 1b (Abb. II.97, II.98): Schichtenfolge 1a ist gesamt, Schichtenfolge 2a überwiegend schneller löslich (Pfeil 2). Als weitgehend langsamer löslich stellt sich die untere Firnisschicht von Schichtenfolge 3a dar (Pfeil 3), während die mittlere und obere Schicht schneller löslich sind. Langsamer löslich ist Schichtenfolge 4 (Pfeil 4).

255 Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen (Löseversuch am Quer- schliff mit Ethanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in Ethanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellgrün, in Ethanol langsamer lösliche Be- reiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. II.99: Probe 4b, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. II.100: Probe 4b, Kartierung, Schichtenfolgen tenfolgen des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1-R3, des Firnisses: 1a-3a, 4, Rissbereiche: R1-R3, Pfeil 1: Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-5: Teilbereiche Malschichtoberfläche, Pfeile 2-5: Teilbereiche des des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit Firnisses mit verschiedener Löslichkeit

Probe 4b (Abb. II.99, II.100): Wie schon beim Löseversuch mit 2-Propanol wird der weite Be- reich um die Luftblase zwischen den Rissbereichen R1 und R2 von der Auswertung ausge- nommen. Schichtenfolge 1a ist langsamer löslich. In Schichtenfolge 3a ist die untere Schicht überwiegend schneller, die mittlere Schicht überwiegend (Pfeil 2) langsamer löslich. Die obere Schicht weist eine untere, schneller lösliche sowie eine mittlere und obere, weitgehend lang- samer lösliche Ebene auf (Pfeil 4). Dabei ergeben sich deutliche Abweichungen vom kartierten Verlauf der Schichtgrenzen (Pfeil 4). Anders als im Löseversuch mit 2-Propanol (Abb. II.91, II.92, S. 252) ist der Firnis im Rissbereich R3, im Malschichtriss und innerhalb der Schich- tenfolge 1a des Firnisses, schneller löslich (Pfeil 5). Probe 8a (Abb. II.101, II.102, S. 257): Die schneller und langsamer löslichen Bereiche decken sich hier ausnehmend genau mit dem kartierten Verlauf der Schichtgrenzen. Anders als beim Versuch mit 2-Propanol (Abb. II.93, II.94, S. 253) ist Schichtenfolge 1b in der unteren und obe- ren Schicht schneller und in der mittleren Schicht überwiegend langsamer löslich. Ebenfalls langsamer löslich ist Schichtenfolge 2b (Pfeil 2). In Schichtenfolge 3b erweist sich die untere Schicht als schneller, die obere als langsamer löslich. Auch in Schichtenfolge 4 variiert das Löseverhalten (Pfeil 3), dort ist die untere Schicht langsamer und die obere Schicht schneller löslich. Im Rissbereich reicht der schneller lösliche Firnis von der Höhe der Schichtenfolge 3b (Pfeil 4) bis in den Malschichtriss hinein. Dabei zeichnet sich die Rissfläche der langsamer lös- lichen Schichtenfolgen 1b und 2b ab. Langsamer löslich ist schließlich der Firnis im Rissbereich

256 R3, sowohl auf der Ebene der Malschicht als auch auf der Ebene der Schichtenfolgen 1b und 2b.

Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen (Löseversuch am Quer- schliff mit Ethanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in Ethanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellgrün, in Ethanol langsamer lösliche Be- reiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. II.101: Probe 8a, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. II.102: Probe 8a, Kartierung, Schichtenfolgen tenfolgen des Firnisses: 1b-3b, 4, Rissbereiche: R1-R3, des Firnisses: 1b-3b, 4, Rissbereiche: R1-R3, Pfeil 1: Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-5: Teilbereiche Malschichtoberfläche, Pfeile 2-5: Teilbereiche des des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit Firnisses mit verschiedener Löslichkeit

Zusammengefasst zeigt der Firnis ein differenziertes Löseverhalten. Schneller und langsamer lösliche Firnisschichten wechseln einander ab. Eine Gemeinsamkeit aller Proben ist, dass die obere Hälfte des Firnisses, ein Teil der Schichtenfolgen 3a und 3b und überwiegend Schichtenfolge 4, langsamer löslich ist und sich die schneller löslichen Firnisschichten in der Mitte oder unteren Hälfte des Firnisses, den Schichtenfolgen 1a bis 2a, 1b bis 2b und einem Teil der Schichtenfolgen 3a und 3b, konzentrieren. Die schneller löslichen Firnisschichten hätten also auf verschiedenen Ebenen als Gleitschichten wirken und eine borkenartige De- formation des Firnisses in Folge einer möglichen Firnisregenerierung und bei einer Wieder- härtung begünstigen können. Die Versuche mit den Lösemitteln 2-Propanol und Ethanol haben weitgehend ähnliche, in Teilbereichen aber auch deutlich abweichende Resultate. Die Mal- schicht erweist sich in den Versuchen als langsamer löslich. Auf ihre einzelnen Schichten wird nicht in Detail eingegangen, weil sie keine Zwischenfirnisse enthält.

257 4.2.7 Zusammenfassung

Zum Erhaltungszustand und der Restaurierungsgeschichte des Gemäldes gibt es vergleichs- weise umfangreiche schriftliche Quellen und auch historische Bildquellen. Sie erlauben eine zeitliche Einordnung von Firnisschichten und Schadensentwicklungen. Dennoch ist auch in die- sem Fall die Mehrheit der restauratorischen Eingriffe undokumentiert. Die Malschicht enthält keinen Zwischenfirnis. Der Firnis hat eine Gesamtdicke von 50 µm bis 155 µm. In den untersuchten Bereichen werden zwei bis neun Firnisschichten mit variierender Dicke festgestellt. Die dünnsten Schichten sind bis zu 5 µm, die dicksten Schichten über 40 µm dick. Mehrheitlich beträgt die Dicke der Firnisschichten bis zu 10 µm, weit überwiegend bis zu 15 µm. Vier Schichtenfolgen werden rekonstruiert. Die Schichtenfolgen 1a bis 3a gelten nur für den gemalten Rahmen, die Schichtenfolgen 1b bis 3b für einem Bereich der Bildmitte, die Schichtenfolge 4 gilt für das gesamte Gemälde. Ob ein Schlussfirnis erhalten ist, kann nicht be- stimmt werden, sicherlich wäre er nur in Teilen oder Resten erhalten. Die Mehrzahl der Firnis- schichten ist historisch, die oberste Schicht der stellenweise zweischichtigen Schichtenfolge 4 wird als eine neuere Firnisschicht bestimmt. Die Malschicht weist schmale und oberflächliche und in den meisten Bereichen auch geweitete und tiefe Risse auf. Die maximale Rissbreite beträgt 0,08 mm. Vielfach variiert die Breite im Rissverlauf. Im gemalten Rahmen und der Bildmitte liegt ein weitgehend geschlossenes Netz- craquelé vor, im Bereich des Firnisläufers eine Verbindung aus Gitter- und Netzcraquelé, die ebenfalls weitgehend geschlossen ist. Stellenweise überlagern sich Risse. Die Malschicht lässt eine Migration und Auflösung von Farbe erkennen, die ihren Ursprung sowohl an der Mal- schichtoberfläche als auch im Craquelé hat. Diese Beschädigungen entstehen vor den 1880er Jahren. Die Firnisgilbung ist ausgeprägt und betrifft alle Schichten gleichermaßen. In weiten Bereichen ist der Firnis geringfügig, in der Bildmitte etwas stärker getrübt. Der Firnis enthält Partikel auf- gelöster Farbe, die zum Teil zur Minderung seiner Transparenz beitragen. Vorwiegend in den Rissbereichen sind diverse Luftblasen im Firnis eingeschlossen. Die borkenartigen Deformationen des Firnisses konzentrieren sich auf die dunklen Bereiche des Gemäldes, ohne Zusammenhang mit den malerischen Formen. An dem Firnisläufer wird deutlich, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Firnisdicke und Stärke der Deformationen besteht. Diese borkenartigen Deformationen gehen aus den Vertiefungen ehemaliger Firnisrisse hervor. Die ehemaligen Firnisrisse haben verschiedene Profile und enthalten zum Teil Kanten oder Ränder. Vereinzelt ist auch eine Migration von Firnis erkennbar. Die ehemaligen Firnis-

258 risse sind bis zu 0,6 mm breit, maximal reichen sie bis zur mittleren Ebene des Firnisses. Die Abstände der Kanten und Ränder betragen meist 0,05 bis 0,10 mm. An den Einzelrissen lassen sich Übergänge verschiedener Profile feststellen. Die ehemaligen Firnisrisse sind überwiegend mit Malschichtrissen verbunden und formieren sich ebenfalls überwiegend zu einem weitge- hend geschlossenen Netzcraquelé, im Bereich des Firnisläufers zu einer Verbindung von Netz- und Gittercraquelé, die ebenfalls weitgehend geschlossen ist. Einige Risse überlagern sich bezuglos. Die aktuellen Firnisrisse haben verschiedene Profile. Sie sind überwiegend schmal und stellen- weise geweitet, mit einer Breite von maximal 0,05 mm. Vereinzelt handelt es sich um Rissab- schnitte im Übergang zu ehemaligen Firnisrissen, die nicht geschlossen worden waren. Die Ein- zelrisse haben zum Teil einen ungewöhnlichen, leicht gezackten Verlauf. Die aktuellen Firnisrisse sind zum Teil mit den ehemaligen Firnisrissen verbunden und reihen sich dabei stellenweise in kurzen Einzelrissen aneinander. Überwiegend bilden sie aber, sowohl zu- sammen mit den ehemaligen Firnisrissen als auch unabhängig von diesen, ein teilweise bis weitgehend geschlossenes Netzcraquelé. Mehrfach wird auch eine Überlagerung der ehema- ligen Firnisrisse festgestellt. Die Querschliffe zeigen eine Migration und Auflösung von Farbe sowie vielfältige Schichten- störungen des Firnisses, ein An- und partielles Auflösen sowie eine Deformation von Schicht- grenzen, eine Migration von Firnis, Einschlüsse von Luftblasen im Firnis und Störungen der Schichten in den Rissbereichen. Mit einer lokalen Schichtenauflösung ist auch zu erklären, dass sich Proben von einer gemeinsamen Entnahmestelle in ihrer Schichtenabfolge unterscheiden. Als Ursachen der Schichtenstörungen und Beschädigungen der Malschicht werden Quellungs- und Löseprozesse früherer Restaurierungen angenommen. Ein modellhafter Rekonstruktionsversuch zeigt die Entstehung der ehemaligen Firnisrisse in mehreren Phasen und in Verbindung mit der Weitung der Malschichtrisse. In einem ebenfalls modellhaften Rekonstruktionsversuch einer möglichen Firnisregenerierung durch Alkoholbe- dampfung ergibt sich, dass der mehrschichtige Firnis schneller lösliche Schichten enthält, die als Gleitschichten einer borkenartigen Deformation wirken können. Wesentliche Erkenntnisse über die Restaurierungsgeschichte des Gemäldes und die Schadens- entwicklung des Firnisses erbringen die Bestimmung eines Farbrestes als Teil einer historischen Inventarnummer und der Vergleich des heutigen Zustands mit einer historischen fotografischen Reproduktion des Gemäldes. Die für die Dicke des Firnisses wesentlichen Firnisaufträge der Schichtenfolgen 1a bis 3a, die borkenartigen Deformationen des Firnisses und die Migration von Farbe im Firnis sind bereits vor der fotografischen Aufnahme in den 1880er Jahren

259 vorhanden. Für die Schichtenfolgen 1b bis 3b wird das als sehr wahrscheinlich angenommen. Schichtenfolge 4 hat keinen wesentlichen Einfluss auf diese Schichtenstörungen. Dies wird auf der Grundlage der schriftlichen Quellen der Restaurierungsgeschichte als ein wesentlicher Hin- weis darauf betrachtet, dass man das Gemälde 1929 und in den Folgejahren nicht mit Copaiva- balsam oder Rezepturen auf der Basis von Copaivabalsam regeneriert hatte, so wie dies von Max Doerner im Rahmen der Begutachtung mit Kurt Wehlte 1929 empfohlen worden war. Obwohl keine Restaurierung geplant ist, wird anhand der Querschliffe auch die Möglichkeit einer Firnistrennung, -dünnung oder -abnahme mit 2-Propanol untersucht. Dabei zeigt sich ein uneinheitliches Löseverhalten, das zudem innerhalb kürzester Distanzen variiert. Zum Teil sind die unteren und mittleren Schichten oder Schichtenebenen schneller löslich als die oberen und teilweise ist der Firnis auch in den Rissbereichen schneller löslich. Für den Löseprozess ist auch wesentlich, dass das Löseverhalten von Schichtenfolge 1a in verschiedenen Proben variiert. Aufgrund der mehrheitlich angelösten Schichtgrenzen lässt sich eine Firnistrennung sicherlich nicht durchführen. Im Hinblick auf das variierende Löseverhalten und die vielfältigen Schich- tenstörungen kann eine Firnisdünnung zu keinem überzeugenden Ergebnis führen. Eine mög- liche Firnisabnahme wird als riskant bewertet. Es ist damit zu rechnen, dass der Firnis von sei- nem aktuellen und stellenweise auch von seinem ehemaligen Craquelé aus in Inseln ausge- schwemmt wird und das Lösemittel bis zur gänzlichen Abnahme übermäßig auf die stellenwei- se bereits vorgeschädigte Malschicht wirkt. Die erhebliche Firnisdicke und die im Verhältnis dazu deutlich geringere Firnisdicke in den Rissbereichen verschärfen dieses Problem. Mög- licherweise verbleiben stellenweise Firnisreste auf der Malschichtoberfläche.

260

Abb. III.1: Jacob Jordaens, Das Bohnenfest (Der König trinkt), unsigniert, undatiert, Leinwand, 243 x 373 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, Foto: Hensmanns

4.3 Fallstudie III: Jacob Jordaens, Das Bohnenfest (Der König trinkt)

4.3.1 Einleitung

Künstler und Werk Jacob Jordaens wird 1593 in Antwerpen geboren und stirbt dort 1678. Im Jahr 1615 wird er Meister in der Antwerpener Lukasgilde und führt dort eine umfangreiche Werkstatt. Jordaens gilt nach Rubens und Anthonis van Dyck als führender Meister der flämischen Barockmalerei. Sein Werk umfasst sowohl religiöse und mythologische als auch Genre-Themen auf der Grund- lage von damals geläufigen „formelhaften Wendungen“.521 Zu den Genre-Gemälden zählt auch das Kasseler Bohnenfest (Der König trinkt), das zwischen 1635 und den 1650er Jahren entsteht. Weitere neun Versionen von Jordaens oder seiner Werkstatt sind erhalten.522

521 Vgl. Oßwald 2012, Riedel 2012. 522 Vgl. Riedel 2012, S. 67-70. Neben der Gemäldegalerie Kassel sind dies die Eremitage in St. Petersburg, das Musée du Louvre, Paris, die Musées royaux des Beaux-Arts in Brüssel, das Kunsthistorische Museum in Wien, 261 Provenienz und Sammlungsgeschichte Das Bohnenfest wird im Jahr 1752 erworben, unter der Nummer 747 inventarisiert und im Galeriesaal des Bellevue-Schlosses präsentiert.523 Es steht an erster Stelle der Gemälde, die 1807 für das Musée Napoléon ausgewählt werden.524 Dort ist es, wie auch die beiden Gemälde der Fallstudien I und II, von 1807 bis 1808 in der Ausstellung Statuen, Büsten, Reliefs, Bronzen und andere Antiken, Gemälde, Zeichnungen und Kuriositäten, die von der Großen Armee in den Jahren 1806 und 1807 erobert worden sind … und von 1808 bis 1814 in der Galerie des Musée Napoléon ausgestellt.525 1815 wird das Gemälde restituiert.526 Seinen Standort in Kassel im Galeriesaal des Schlosses Bellevue gibt erst wieder das Inventar von 1875 an. Nach dem Umzug der Sammlung in die Königliche Gemäldegalerie (die heutige Neue Galerie) 1877 ist der zweite Oberlichtsaal der neue Standort.527 Während des Zweiten Weltkriegs wird das Bohnenfest im Hessischen Landesmuseum in Kassel deponiert und nach seiner Restaurierung 1953 dort präsentiert.528 Seit 1974 befindet es sich in der Gemäldegalerie Alte Meister, Schloss Wilhelmshöhe.

Restaurierungsgeschichte Der erste schriftliche Beleg eines restauratorischen Eingriffs ist der Tätigkeitsbericht der Res- tauratoren am Musée Napoléon in Paris von 1807 über eine Doublierung und eine nicht näher beschriebene Restaurierung.529 Während des Zweiten Weltkriegs wird das Gemälde für die Deponierung abgespannt und aufgerollt. Ab 1949 und bis 1953 nehmen Joseph Leiß und Sylvie von Reden die Wiederaufspannung vor. Von Reden beschränkt sich 1953 weitgehend auf konservatorische Maßnahmen und führt zudem eine „Firnisbehandlung“ durch, die sie aber nicht weiter erläutert.530

eine Privatsammlung in New York, das Musée des Beaux-Arts in Tournai, das Bomann-Museum in Celle, das Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig (Jordaens-Werkstatt) und das Nationalmuseum Warschau. 523 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 152; BK Kassel 1783, S. 7. 524 Vgl. Savoy 2003, Bd. 2, S. 399. Die Liste ist datiert auf den 8. bis 16. Januar 1807. 525 Vgl. AK Kassel 2008, S. 241, Abb. 85; Savoy 2011b, S. 9, 242. Zum vollständigen Titel und Originaltitel des historischen Ausstellungskatalogs siehe Kap. 2.3, S. 29 und Anm. 121, S. 29. Eine 1810 datierte Druckgrafik zeigt die Hängung des Kasseler Bohnenfestes in der Grande Galerie des Louvre. 526 Vgl. Savoy 2011b, S. 242. 527 Vgl. BK Kassel 1830, S. 46; Inv. 1875ff.; BK Kassel 1913, S. 33. 528 Vgl. AK Kassel 1956, S. 25; Schnackenburg 1988, S. 113f. 529 Vgl. Ehrenforth o. J.; Savoy 2011b, S. 242. Ehrenforth zitiert eine schriftliche Quelle der Archives Nationales, Paris, Signatur AN, O² 838, 2013 von Natalia Gustavson zur Verfügung. Die Quelle belegt eine Doublierung und Restaurierung des Gemäldes, während nach Savoy keine Maßnahmen belegt sind. 530 Vgl. Leiß: Rechnung und Bericht vom 17. 8. 1949; Reden: Restaurierungsbericht, datiert 17. August - 12. Sep- tember 1953, beide Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 262 Organisatorischer Rahmen der Untersuchung Seit 2011 wird das Bohnenfest im Hinblick auf eine umfassende Konservierung und Restaurie- rung untersucht, wobei die Frage nach einer Abnahme oder Dünnung des Firnisses und der Ab- nahme der großflächigen Übermalungen im Vordergrund stehen. In diesem Rahmen findet auch die mikroskopische Untersuchung dieser Fallstudie statt. Aufgrund der konkreten Fragestellung können auch Löseproben an der Bildoberfläche vorgenommen werden.

4.3.2 Maltechnischer Aufbau und Erhaltungszustand

Das Kasseler Bohnenfest wird um 1635 begonnen und in den 1650er Jahren vollendet. Der komplexe Werkprozess mit mehrfachen Formaterweiterungen und Überarbeitungen ist bereits mehrfach dargestellt.531 Die kunsttechnologische Untersuchung ebenfalls großformatiger Ge- mälde durch Johanneke Verhave deutet darauf hin, dass diese Arbeitsweise typisch für Jordaens und seine Werkstatt ist.532 Für das Kasseler Bohnenfest werden auf der Grundlage einer Unter- suchung von Christiane Ehrenforth drei Phasen der Bildentstehung angenommen.533

Kunsttechnologischer Aufbau

Abb. III.2: Kartierung, Leinwandstücke, Leinwand 1-7 Abb. III.3: Röntgenaufnahme, Leinwand 1, Pfeil: 1 (nach Ehrenforth) Haupt des Bohnenkönigs, Pfeil 2: um 90° gedrehte Frauenfigur, Pfeil 3: Pentiment eines Kruges, Röntgen-Aufnahme: Mohrmann, Risse, HfBK Dresden (Ausschnitt)

531 Vgl. Renger 1989, S. 56, 58; Schnackenburg 1989, S. 40, 42; BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 152; Mandt: unver- öffentlichter Untersuchungsbericht 1990, Archiv MHK, Bestand: Gemälderestaurierung; Ehrenforth o. J. 532 Vgl. Verhave 2008a, Verhave 2008b. Bei den Gemälden handelt es sich um Jacob Jordaens, Das Fährgeld, Copenhagen, Statens Museum for Kunst, Leinwand, 281 x 468 cm und Jacob Jordaens, Das Wunder der Münze im Maul des Fisches, Rijksmuseum Amsterdam, Leinwand, 119 x 197,5 cm. 533 Vgl. Ehrenforth o. J. 263 Abbildung III.2 (S. 263) zeigt die Konstruktion des textilen Bildträgers. Ein Teil der rechten Hälfte des Gemäldes bildet die Fläche für die erste Fassung, offenbar eine Musikalische Gesellschaft.534 Dafür hatte man zwei bereits grundierte und bemalte Leinwandstücke (Leinwände 1 und 2) wiederverwendet. Eine im Röntgenbild sichtbare, um 90° nach rechts ge- drehte Frauenfigur ist Teil der Erstverwendung von Leinwand 1 (Abb. III.3, S. 263). In einer nächsten Phase wird die Komposition der Musikalischen Gesellschaft links und oben erweitert (Leinwände 3 und 4). Die letzte Erweiterungsphase umfasst Anstückungen links, oben und unten (Leinwände 5 bis 7). In diesem Format findet auch die thematische Änderung des Bildes zum Bohnenfest statt. Zu Leinwandnähten, den verschiedenen Aufspannungen und Spannrah- men gibt es keine Befunde. Die Grundierung ist in allen untersuchten Leinwandstücken zwei- schichtig, in der unteren Schicht hellbraun bis beige und in der oberen hellgrau bis grau. Ob eine Vorleimung existiert, ist nicht untersucht. Dieser Grundierungsaufbau wird von Jordaens und seiner Werkstatt bis in die Zeit um 1650 verwendet. Ab 1649 findet ein Wechsel zu einer einschichtigen hellbraunen Grundierung statt.535 Ein solcher Wechsel ist jedoch an den letzten Anstückungen des Kasseler Bohnenfestes, die in diese Zeit fallen, nicht zu verzeichnen. Die Malerei ist mehrschichtig. Die Untermalung hat eine variierende Farbigkeit von braun bis dunkel bzw. schwarz und einen hohen Bindemittelanteil.536 In der Bildmitte enthält die Schich- tenabfolge auch den verworfenen Bildentwurf der Erstverwendung und die übermalten Figuren der Musikalischen Gesellschaft. Der Farbauftrag der hellen Partien ist vielfach streifig pastos, nur vereinzelt sind die Lichter und Glanzpunkte stark pastos aufgesetzt. Mitteltöne und Schattenpartien sind meist dünn und ohne Pinselstruktur aufgetragen. In der ersten Phase ist der Farbauftrag kompakter und die Modellierung der Formen differenzierter. Malerische Brüche zu den Anstückungen und den späteren Überarbeitungen lassen sich nicht erkennen. Das Gemälde ist in einem weitgehend stabilen Zustand. Die originale Leinwand hat diverse Risse und Löcher. Die nach Ehrenforth 1807 in Paris durchgeführte Doublierung besteht bis heute. Dabei hatte man die originalen Spannränder und vermutlich auch die Säume der Lein- wände entfernt. Weder der originale Spannrahmen noch der Keilrahmen von 1807 haben sich erhalten. Der heutige Keilrahmen stammt vermutlich aus den 1950er Jahren, die heutige Auf-

534 Vgl. BK Kassel 1996, Bd. 1, S. 152; Oßwald 2012, S. 45-48. Zu diesem Thema sind insgesamt acht Versionen von Jordaens und seiner Werkstatt erhalten. 535 Vgl. Bredal-Jørgensen u. a. 2012, S. 260f., 267, 275. Nach den Untersuchungen mehrerer Gemälde von Jordaens und seiner Werkstatt ist die hellgraue zweischichtige Grundierung ölgebunden. Die untere Schicht enthält als Hauptbestandteile Kreide, die obere Bleiweiß und Pflanzenschwarz. Auch geringe Anteile von „Buntpig- menten“ sind möglich. Die einschichtige Grundierung der späteren Schaffensphase ist ebenfalls ölgebunden, ihr Hauptbestandteil ist Kreide. 536 Vgl. Speelers/Eikema Hommes 2012, S. 147f. Nach Lidwien Speelers und Margriet van Eikema Hommes sind die Unterlegung und Modellierung der Formen mit halbtransparenter brauner Farbe typisch für die Maltechnik von Jordaens. 264 spannung aus der Zeit um 1974. Die Malschicht zeigt umfangreiche Farbausbrüche, zu einem wesentlichen Teil entlang der Nähte. Die Fehlstellenergänzungen sind in Farbe und Oberfläche unstimmig, in den dunklen Partien ist das Gemälde großflächig lasierend übermalt. Das Mal- schichtcraquelé ist teilweise stark geweitet, hingegen ist die Malschicht nicht schollig. Stellen- weise kann man eine Migration von Farbe aus dem Craquelé und eine Vermischung mit dem Firnis beobachten. Trübungen der Malschichtoberfläche liegen lediglich in einem sehr kleinen Bereich vor. Bei früheren Restaurierungen hatte man die Malschicht vor allem in den hellen Partien großflächig berieben. Daraus kann man schließen, dass ein originaler Firnis nicht oder nur mehr partiell im Hintergrund und in den Schattenpartien erhalten sein kann. Der mehrschichtige Firnis hat eine erhebliche Dicke und ist stark gegilbt. Vereinzelt finden sich Laufspuren. Die Oberfläche ist ungleichmäßig und in weiten Teilen ungewöhnlich matt. Im un- teren Bilddrittel fallen ausgeprägte Deformationen ins Auge, die als „Firnisinseln“ bezeichnet werden. Ähnliche Schadensformen nennt Knut Nicolaus „Perleffekt“.537 Der Firnis ist nicht ge- trübt. Auffällig wenige aktuelle Firnisrisse haben sich gebildet. Schließlich ist kein originaler Zierrahmen erhalten.

4.3.3 Auswahl der untersuchten Bereiche

Zwölf Bereiche des Gemäldes und 14 Querschliffe werden lichtmikroskopisch untersucht. Die Bereiche und Probeentnahmestellen sind erstens in größeren Bildausschnitten (Abb. III.4-III.7, S. 266) und zweitens in ausgewählten Beispielen anhand von Detail-Aufnahmen (Abb. III.8- III.13, S. 267f.) bei verschiedenen Beleuchtungen dargestellt. Im Anhang sind die Koordinaten der Bereiche und Probeentnahmestellen aufgeführt (B.3.1, S. 476). Bereich 12 und Entnahme- stelle für Probe 12 befinden sich in der linken unteren Ecke und sind in den Kartierungen nicht abgebildet. Die Auswahl konzentriert sich auf die Mitteltöne und dunklen Bereiche, welche den weitaus größten Teil der Bildfläche einnehmen. Erfasst sind Bildpartien des ersten Entwurfs auf Lein- wand 1 und der letzten Erweiterung auf den Leinwänden 5 und 7 (Abb. III.2, S. 263). Die Bild- ränder sind für die Rekonstruktion der Schadens- und Restaurierungsgeschichte nicht auf- schlussreich.

537 Vgl. Nicolaus 1998, S. 325f. Abbildung „ganz links oben“. Nicolaus führt den Perleffekt auf Benetzungs- störungen beim Firnisauftrag zurück. 265 Die Stiefel des Boten sind Teil der zweiten Bilderweiterung mit Leinwand 5 (Abb. III.2, S. 263, Abb. III.4, S. 266). Im Stiefel links liegen die Bereiche 1 und 2 und die Entnahmestelle der Proben 1a und 1b, im Stiefel rechts der Bereich 3 und die Entnahmestellen der Proben 3a bis 3c. Abbildung III.8 (S. 267) zeigt im Mittelton und Schatten des Stiefels links einen glatt ver- triebenen Farbauftrag. Die hellen Riemen der Spore sind streifig pastos, die Lichter mit flüs- siger Farbe pastos aufgesetzt. Das Craquelé der Malschicht ist stark geweitet. In den Rissbe- reichen erkennt man die Migration von Farbe und ihre Auflösung im Firnis. In Abbildung III.9 (S. 267) erscheint die Firnisoberfläche matt. Die Schäden und Veränderungen von Firnis und Malschicht sind repräsentativ nicht nur für den Boten, sondern auch für weite Teile der Mittel- töne und Schattenpartien des Gemäldes.

Übersicht der mikroskopisch untersuchten Bereiche und Probeentnahmestellen für Querschliffe Kartierungen

Abb. III.4: Stiefel und Rocksaum des Boten, Kartie- Abb. III.5: Gewand des Arztes, Kartierung, Detail- rung, Detail-Aufnahmen: große dunkle Felder, Mik- aufnahmen: großes dunkles Feld, Mikroskop-Auf- roskop-Aufnahmen der Bereiche 1-3, 11: kleine nahmen des Bereichs 4: kleines schwarzes Feld, Ent- schwarze Felder, Entnahmestellen für Proben 1a, 1b, nahmestellen für Proben 4a und 4b: Pfeil 3a-3c: Pfeile

Abb. III.6: Ärmel des Bohnenkönigs und Karaffe, Abb. III.7: Tischgestell links: Kartierung, Detail-Auf- Kartierung, Detail-Aufnahmen: große dunkle Felder, nahmen: große dunkle Felder, Mikroskop-Aufnah- Mikroskop-Aufnahmen der Bereiche 5-7: kleine men der Bereiche 8, 8a, 9 und 10: kleine schwarze schwarze Felder, Entnahmestelle der Proben 5a und Felder, Entnahmestellen der Proben 8a-8c und 10: 5b: Pfeil Pfeile

266 Im Bereich 4 sowie den Proben 4a und 4b wird der graue Mantel des sich übergebenden Arztes am linken Bildrand untersucht (Abb. III.5, S. 266). Der Arzt und die ihn stützende Frau sind Teil der zweiten Bilderweiterung auf Leinwand 7. Die Pfeife haltende Hand des Arztes reicht bis auf Leinwand 3 (Abb. III.2, S. 263). Die Malschicht des grauen Mantels ist dünn und streifig pastos. Im Vergleich zu den Bereichen 1 bis 3 hat der Firnis einen höheren Glanz, während die Weitung des Malschichtcraquelés und die Migration von Farbe vergleichbar sind.

Untersuchte Bereiche des Gemäldes Detail-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. III.8: Stiefel des Boten links, Beleuchtung Abb. III.9: Stiefel des Boten links, koaxiale Beleuch- schräg von links und rechts, Pfeil 1: Bereich 1, Pfeil tung, Pfeil 1: Bereich 1, Pfeil 2: Bereich 2, Pfeil 3: 2: Bereich 2, Pfeil 3: Entnahmestelle für Proben 1a, Entnahmestelle für Proben 1a, 1b, Maßbalken: 1 cm 1b, Maßbalken: 1 cm

Abb. III.10: Karaffe in der Hand des Bohnenkönigs, Abb. III.11: Karaffe in der Hand des Bohnenkönigs, Beleuchtung schräg von links und rechts, Pfeil 1: Be- koaxiale Beleuchtung, Pfeil 1: Bereich 6, Pfeil 2: Be- reich 6, Pfeil 2: Bereich 7, Pfeil 3: Firnisausbruch, eich 7, Pfeil 3: Firnisausbruch, Maßbalken: 1 cm Maßbalken: 1 cm

267

Abb. III.12: Tischgestell, Beleuchtung schräg von Abb. III.13: Tischgestell, koaxiale Beleuchtung, Pfeil links und rechts, Pfeil 1: Bereich 8a (Firnisinseln), 1: Bereich 8a (Firnisinseln), Pfeil 2: Umfeld ohne Pfeil 2: Umfeld ohne Firnisinseln, Maßbalken: 1 cm Firnisinseln, Maßbalken: 1 cm

Die Figur des Bohnenkönigs ist Bestandteil der ersten Fassung des Gemäldes auf Leinwand 1 (Abb. III.6, S. 266). Untersucht wird der Ärmel des roten Gewands, das der Bohnenkönig unter einem pelzbesetzten, ärmellosen Mantel trägt. Darunter befindet sich die Frauenfigur, die bei der Erstverwendung der Leinwand angelegt worden war (Abb. III.3, S. 263, Pfeil 2). Bereich 5 und die Entnahmestelle der Proben 5a und 5b gehören zum Mittelton des Ärmels. Im Schatten und Mittelton ist die Malschicht glatt vertrieben, in den Höhen streifig pastos. Anders als in weiten Teilen der dunklen Partien des Gemäldes ist das Malschichtcraquelé nicht geweitet und im Gegensatz zu den hellen Partien die Malschicht nicht berieben. Deshalb wird die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass der Ärmel von früheren Abnahmen oder Dünnungen des Firnisses ausgespart worden war und ein Schlussfirnis erhalten sein könnte. Der Bohnenkönig hält eine Glaskaraffe in seiner Hand (Abb. III.6, S. 266). Das Röntgenbild zeigt an dieser Stelle sowohl die Frauenfigur des ersten Bildentwurfs als auch das Pentiment eines Kruges (Abb. III.3. S. 263, Pfeile 2 und 3). In den Schattenpartien der Karaffe ist die Mal- schicht glatt vertrieben, in Mittelton und Helligkeiten streifig pastos und in den Lichtern stark pastos. Der Firnis ist in Bereich 6 besonders matt, im direkt angrenzenden Bereich 7 glänzend (Abb. III.10, III.11, S. 267, Pfeile 1 und 2). In der mikroskopischen Untersuchung werden die Oberflächenstrukturen beider Bereiche verglichen. Feinteilige Absplitterungen entlang der ehe- maligen Firnisrisse (Pfeil 3) werden erst nachträglich bemerkt und können nicht mehr mikros- kopisch untersucht werden. Das Tischgestell links des Boten liegt auf Leinwand 5 und gehört zur zweiten Bilderweiterung (Abb. III.2, S. 263, Abb. III.7, S. 266). Die Malschicht ist dünn und glatt aufgetragen. In den Bereichen 8 und 8a ist der Firnis stark und auffällig deformiert (Abb. III.12, III.13, Pfeil 1). Die Deformation resultiert aus einer Vielzahl von Firnisinseln. Betroffen ist ein weiter Bereich vom

268 Bein des Arztes über das Tischgestell und den dunklen Hintergrund, den Rock und das Knie des Boten bis zum Brotkorb unter der Hand des Boten. Ebenfalls untersucht werden der Über- gangsbereich in Bereich 9 und das nicht betroffene Umfeld in Bereich 10 (Abb. III.12, III.13, S. 268, Pfeil 2). Die Entnahmestelle der Proben 8a bis 8c liegt neben Bereich 8, zudem wird aus dem Bereich 10 eine Probe entnommen. Als Schadensursache kommen eine Benetzungs- störung beim Firnisauftrag538 oder eine Lösemitteleinwirkung auf den bestehenden Firnis bei einem restauratorischen Eingriff in Betracht. Alois Hauser d. J. beobachtet bei einer übermä- ßigen Alkoholbedampfung unter dem Pettenkofer-Kasten vergleichbare Schäden (vgl. Kap. 2.6.5, S. 48).539 Am Rocksaum des Boten, Bereich 11 am oberen Rand von Leinwand 5 und in der Nähe der Naht zu Leinwand 2, wird ein Firnisläufer untersucht (Abb. III.4, S. 266). Der Läufer illustriert den direkten Zusammenhang zwischen hoher Dicke und Rissweitung des Firnisses. Die Mal- schicht ist glatt vertrieben. In der linken unteren Ecke (Bereich 12) sind Inseln einer roten Farbe erhalten, die als Reste der aufgemalten Nummer des Inventars von 1749ff. oder ihres Nachtrags 1816 gedeutet werden. Die Reste sind unleserlich und teilweise übermalt. Für die Annahme, dass es sich um die Inven- tarnummer handelt, sprechen ihre Lage in der linken unteren Ecke (vgl. Kap. 3.2.5, S. 110-117), die Pigmente und der Schichtenaufbau der Malschicht. Die Lage der Entnahmestelle von Probe 12 ist im Anhang (B. 3.1, S. 476) angegeben.

538 Vgl. Nicolaus 1998, S. 325f., Abbildung „ganz links oben“; Kerkhoff/Haagen 1995, S. 198-207, Bild 201.1, S. 201. 539 Vgl. Hauser d. J., Manuskript, Archiv Ferdinand Werner, nach Mandt 1995, S. 227. 269

270 4.3.4 Schichten und Schichtenfolgen

4.3.4.1 Grundierung

Die Abbildungen III.14 bis III.17 zeigen die Grundierung anhand der Querschliffe der Proben 3a, 5a rechts, 8c und 12. Pfeil 1 deutet auf die Grundierungsoberfläche. Die Grundierung ist zweischichtig. Die Schichtdicken sind in Abstufungen von 5 µm angeben (vgl. Kap. 3.7, S. 125f.)

Grundierung und Malschicht im Querschliff Mikroskop-Aufnahmen: Dunkelfeld- und externe Beleuchtung

Abb. III.14: Probe 3a, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil Abb. III.15: Probe 5a rechts, Mikroskop-Aufnahme, 1: Grundierungsoberfläche, Pfeil 2: Untermalung, Pfeil 1: Grundierungsoberfläche, Pfeil 2: Farbschicht Pfeil 3: Malschichtoberfläche der Erstverwendung der Leinwand 1, Pfeil 3: Unter- malung; Pfeil 4: Zwischenfirnis, Pfeil 5: Malschicht- oberfläche

Abb. III.16: Probe 8c rechts, Mikroskop-Aufnahme, Abb. III.17: Probe 12, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil 1: Pfeil 1: Grundierungsoberfläche, Pfeil 2: Unterma- Grundierungsoberfläche, Pfeil 2: vermutliche Unter- lung, Pfeil 3: Malschichtoberfläche malung, Pfeil 3: Zwischenfirnis, Pfeil 4: Malschicht- oberfläche, Pfeil 5: vermutliche Farbschicht der Num- mer des Inv. 1749ff.

271

Tabelle III.1: Schichtenabfolge der Grundierung, Schicht 1: untere Grundierungsschicht, hellbraun, Schicht 2: obere Grundierungsschicht, hellgrau

Tabelle III.1 gibt einen Überblick über die Proben und die Schichtenabfolge. In der Tabelle sind die Proben der Abbildungen III.14 bis III.17 (S. 271) hervorgehoben. Beide Grundierungs- schichten liegen in den Proben 1b, 3a, 3b, 5a, 8b, 8c und 12 vor, nur die obere Schicht in den Proben 1a 3c, 4a, 4b, 5b, 8a und 10. Die untere Schicht ist hellbraun. An den Proben 3a, 8c und 12 erkennt man eine oberflächliche Bindemittelkonzentration (Abb. III.14, III.16, III.17, S. 271). Da die untere Grundierungs- schicht die Leinwandstruktur nivelliert, schwankt ihre Dicke erheblich. Die maximale Dicke beträgt 100 µm und wird in Probe 3a gemessen. Die obere Grundierungsschicht (Tab. III.1, Schicht 2) variiert in ihrem Grauton. In den Proben 3a und 8c ist sie heller, in Probe 12 gering- fügig und in Probe 5a Mitte deutlich dunkler (Abb. III.14-III.17, S. 271). Die Schicht enthält grobkörnige, weiße bis teilweise transparente Partikel und Pflanzenschwarz, das am Querschliff anhand seiner typischen Zellstruktur identifiziert wird. Die variierende Dicke beträgt z.B. in Probe 3a zwischen 70 und 80 µm, in Probe 3b zwischen 20 und 80 µm. Der Nachweis der Grundierung in Probe 12 dient auch zur Bestimmung der Malschicht in Bereich 12 und stützt die Bestimmung der roten Farbinseln als Reste der Nummer des Inventars von 1749ff.

272 4.3.4.2 Malschicht

Auch die Malschicht ist anhand der vier o.g. Proben in den Abbildungen III.14 bis III.17 (S. 271) dargestellt. Pfeile deuten auf die Malschichtoberfläche, auf Zwischenfirnisse (Proben 5a rechts und 12) und die Untermalung. Tabelle III.2 gibt eine Übersicht der Schichtenabfolge aller Proben, in der Tabelle sind die abgebildeten Proben hervorgehoben.

Tab. III.2: Schichtenabfolge der Malschicht, Zwischenfirnisse: „ZF“

Bereich 1: In Probe 1a folgen auf eine braune Untermalung ein dünner Zwischenfirnis und zwei dünne, braune Farbschichten. Hingegen ist in Probe 1b kein Zwischenfirnis erkennbar. Die Untermalung ist hier dunkel, die beiden folgenden Farbschichten sind dünn und haben verschie- dene Brauntöne. Bereich 2: Aus dem Bereich ist keine Probe entnommen. Bereich 3: Die Proben 3a (Abb. III.14, S. 271) und 3b gleichen sich in ihrem Schichtenaufbau. Auf eine dünne, schwarze Untermalung sind eine graue und eine rotbraune Farbschicht aufge- tragen. Die Malschicht in Probe 3c ist nur zweischichtig, mit einer hellbraunen, ersten und einer braunen, zweiten Farbschicht. Bereich 4: Die Proben 4a und 4b haben dieselbe Schichtenabfolge. Auf einer dicken, dunklen Unterlegung liegen ein Zwischenfirnis, dann eine dünne, braune Farbschicht und zuletzt eine sehr dünne, graue Farbschicht. Bereich 5: Die Proben 5a rechts und 5b gleichen sich weitgehend. In Probe 5a rechts (Abb. III.15, S. 271, Pfeil 2) liegt als unterste Schicht eine weiße, dicke Farbschicht vor, die der Unter- legung der Frauenfigur in der Erstverwendung der Leinwand 1 zugeordnet wird. Darauf folgen eine dunkelbraune Untermalung (Pfeil 3) und eine schwarze Farbschicht, dann eine dicke, hellrote Farbschicht. Die fünfte Schicht hat einen hohen Bindemittelanteil und eine indifferent hellbraune Farbe. Bei der sechsten, dünnen und teilweise auslaufenden Schicht handelt es sich vermutlich um einen Zwischenfirnis (Pfeil 4). Die oberste Farbschicht ist dunkelrot und hat

273 wiederum einen hohen Bindemittelanteil. Auffällig ist ihre rote UV-Fluoreszenz. In Probe 5b fehlen die unterste, helle Schicht und der Zwischenfirnis. Bereiche 6 und 7: Von diesen Bereichen liegen keine Querschliff-Proben vor. In der mikrosko- pischen Betrachtung der Bildoberfläche erkennt man in der Öffnung der geweiteten Risse eine helle Schicht, die möglicherweise ebenfalls zur verworfenen Komposition der Erstverwendung der Leinwand 1 oder zum Pentiment des Krugs gehört. Die weiteren Schichten sind eine dunkle Unterlegung und eine graue Farbschicht. Bereiche 8 und 8a: In den Proben 8a und 8b sowie 8c rechts (Abb. III.16, S. 271, Pfeil 2) ist die Untermalung rotbraun. In den Proben 8a und 8c folgen darauf zwei braune Farbschichten, in Probe 8b ein Zwischenfirnis und eine braune Farbschicht. Bereich 9: Aus dem Bereich ist keine Probe entnommen. Bereich 10: Die Malerei ist in Probe 10 nur zweischichtig, mit einer dunklen Untermalung und einer braunen, oberen Farbschicht. Bereich 11: Auch von diesem Bereich liegt keine Probe vor. Die Malerei ist augenscheinlich zweischichtig. Man erkennt in der Öffnung der geweiteten Malschichtrisse eine dunkle Unter- malung. Darauf liegt eine braune Farbschicht. Bereich 12: In dem beschädigten und übermalten Bereich wird eine dreischichtige Malschicht festgestellt. Probe 12 enthält eine dunkle Untermalung, einen Zwischenfirnis (Abb. III.17, S. 271, Pfeile 2 und 3) und zuletzt eine dünne, dunkle Farbschicht.

Die Untersuchung ergibt, dass die Untermalung in ihrer Farbigkeit zwischen hellbraun, braun und dunkel bzw. schwarz wechselt, teilweise einen hohen Bindemittelanteil hat und einzelne Bereiche ausspart.

Tab. III.3: Gesamtdicke der Malschicht und Anzahl der Schichten (Farbschichten und Zwischenfirnisse)

Tabelle III. 3 fasst die Gesamtdicke der Malschicht und die Anzahl der Schichten aller Proben zusammen. Diese Gesamtdicke wird in Abstufungen von 5 µm angegeben (vgl. Kap. 3.7, S. 125f.). Wie in Tabelle III.2 (S. 273) sind die abgebildeten Proben hervorgehoben. Die Mal- schicht hat überwiegend eine Dicke von 30 bis 60 µm. Wesentlich höher ist sie in den Proben 5a und 5b (120-210 µm), geringer in Probe 12 (20-35 µm). Ein direkter Zusammenhang zwi-

274 schen Dicke und Anzahl der Schichten kann im Vergleich der Probe 5a (180-210 µm und 7 Schichten) und Probe 3c (35-40 µm, 2 Schichten) festgestellt werden. Hingegen ist die Mal- schicht in den Proben 8b und 8c gleichermaßen dreischichtig, aber unterschiedlich dick (40-45 µm und 40-60 µm).

Partielle Zwischenfirnisse Sechs von zwölf untersuchten Proben enthalten Zwischenfirnisse, die deshalb als partiell be- stimmt werden. Die Zwischenfirnisse sind in Tabelle III.2 (S. 273) verzeichnet. Abgebildet und dargestellt sind sie auch in den Mikroskop-Aufnahmen unter UV-Anregung und den Kartie- rungen des folgenden Kapitels (Abb. III.18, III.19, III.22-III.25, III.28 und III. 29, S. 276f.). Die Dicke beträgt bis zu 10 µm. In den Proben 1a, 4a, 4b, 8b und 12 folgt der Zwischenfirnis der unteren Farbschicht, der braunen bis dunklen Untermalung, und fluoresziert unter UV-An- regung im Vergleich zu den Farbschichten hell. Gegenüber dem Firnis ist seine UV-Flu- oreszenz deutlich schwächer. Der Zwischenfirnis in Probe 5a liegt unterhalb der obersten Farb- schicht und erscheint unter UV-Anregung dunkel. Dies deutet auf unterschiedliche Firnis- materialien hin. In den Proben 1a, 4b und 5a laufen die Schichten zu Null hin aus. Dies könnte erklären, warum weitere Proben von denselben Entnahmestellen, Proben 1b, 5b, 8a und 8c, keine Zwischenfirnisse enthalten. Allerdings wirft dies die Frage auf, ob die Zwischenfirnisse auf der Untermalung partiell aufgetragen sind oder ob ein ganzflächiger, aber partiell unterbro- chener Auftrag vorliegt. Der Zwischenfirnis in Bereich 5 ist sicherlich partiell aufgetragen.

4.3.4.3 Firnis

Die Abbildungen III.18 bis III.29 (S. 276f.) zeigen die Proben 1a, 3c, 4b, 5a, 8a und 12 in der Gegenüberstellung der Mikroskop-Aufnahmen bei UV-Anregung und der Kartierungen. In den Abbildungen deutet Pfeil 1 die Malschichtoberfläche. Zudem sind die Schichtenfolgen des Fir- nisses vermerkt. Die Tabellen III.4 bis III.6 (S. 278f.) geben einen Überblick über die Gesamt- dicke, die Anzahl, Dicke und UV-Fluoreszenz der Firnisschichten sowie den Rekonstruktions- versuch der Schichtenfolgen des Firnisses aller untersuchten Proben. Die Dicke des Firnisses und der Firnisschichten werden in Abstufungen von 5 µm angegeben (vgl. Kap. 3.7, S. 125f.). In den Tabellen sind die rote Farbschicht der vermutlichen Inventarnummer und die Überma- lungen der Probe 12 als rote und schwarze Horizontal-Linien verzeichnet.

275 Schichten und Schichtenfolgen des Firnisses im Querschliff Mikroskop-Aufnahmen: UV-Anregung Kartierungen: Firnis: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau, Zwischenfirnisse: grau, Farbschicht der vermutlichen Nummer des Inv. 1749ff. und Übermalungsschichten in Probe 12: hellgrau

Abb. III.18: Probe 1a, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. III.19: Probe 1a, Kartierung, Schichtenfolgen tenfolgen des Firnisses: 2-5, Rissbereiche: R1-R4, des Firnisses: 2-5, Rissbereiche: R1-R4, Pfeil 1: Mal- Pfeil 1: Malschichtoberfläche schichtoberfläche

Abb. III.20: Probe 3c, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. III.21: Probe 3c, Kartierung, Schichtenfolgen tenfolgen des Firnisses: 1, 3-5, Rissbereich: R1, Pfeil des Firnisses: 1, 3-5, Rissbereich: R1, Pfeil 1: Mal- 1: Malschichtoberfläche schichtoberfläche

Abb. III.22: Probe 4b, Mikroskop-Aufnahme, Abb. III.23: Probe 4b, Kartierung, Schichtenfolgen Schichtenfolgen des Firnisses: 1-5, Rissbereich: des Firnisses: 1-5, Rissbereich: R1, Pfeil 1: Mal- R1, Pfeil 1: Malschichtoberfläche schichtoberfläche

276

Abb. III.24: Probe 5a, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. III.25: Probe 5a, Kartierung, Schichtenfolgen tenfolgen des Firnisses: 2-5, Rissbereich: R1, Pfeil 1: des Firnisses: 2-5, Rissbereich: R1, Pfeil 1: Mal- Malschichtoberfläche, Pfeil 2: vermutliche Runzel schichtoberfläche, Pfeil 2: vermutliche Runzel

Abb. III.26: Probe 8a rechts, Mikroskop-Aufnahme, Abb. III.27: Probe 8a rechts, Kartierung, Schich- Schichtenfolgen des Firnisses: 3-5, Rissbereiche: R1- tenfolgen des Firnisses: 3-5, Rissbereiche R1-R3, R3, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Farb- Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Farbschliere schliere

Abb. III.28: Probe 12, Mikroskop-Aufnahme, Abb. III.29: Probe 12, Kartierung, Schichtenfolgen Schichtenfolgen des Firnisses: 2-5, Rissbereiche: R1, des Firnisses: 2-5, Rissbereiche R1, R2, Pfeil 1: R2, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: vermutl. Malschichtoberfläche, Pfeil 2: vermutl. Farbschicht Farbschicht der Nummer des Inv. 1749ff., Pfeil 3: der Nummer des Inv. 1749ff., Pfeil 3: Übermalungs- Übermalungsschicht schicht

277 Gesamtdicke Die Gesamtdicke des Firnisses ist in Tabelle III.4 angeben. Sie beträgt mehrheitlich zwischen 25 und 50 µm. Die höchste Dicke wird in Probe 3c gemessen (65 µm), die niedrigste in den Proben 5b, 8b und 8c (15 µm). In Probe 12 wird keine Messung vorgenommen, da die Überma- lungen einen wesentlichen Anteil an der Firnisdicke haben.

Tab. III.4: Gesamtdicke des Firnisses (in Abstufungen von 5 µm) und Anzahl der Firnisschichten

Anzahl der Firnisschichten Überwiegend lassen sich drei (Proben 1b, 3a, 3b, 5b, 8b und 10) oder vier Firnisschichten (Proben 1a, 3c, 4a, 5a und 8c) feststellen (Tab. III.4). Sechs Schichten liegen in den Proben 4b und 12 vor. Proben von derselben Entnahmestelle, z.B. die Proben 4a und 4b, weisen eine unter- schiedliche Anzahl von Firnisschichten auf. Ein direkter Zusammenhang zwischen Dicke und Anzahl der Schichten besteht nicht. Beispielsweise beinhaltet der Firnis in Probe 4b sechs Schichten und ebenso ist dick wie in Probe 10 mit drei Schichten. Drei Schichten beinhalten sowohl Probe 3a (Firnisdicke 25-35 µm) als auch Probe 8b (Firnisdicke 15-20 µm).

Tab. III.5: Dicke der Firnisschichten, Abstufungen von 5 µm und in den Schichtdicken 1 bis 6, farbig kontras- tiert (siehe Legende), Schichten mit nicht bestimmter Dicke: „?“, vermutliche Farbschicht der Nummer des Inv. 1749ff. in Probe 12: rote Horizontal-Linie, Übermalungsschichten in Probe 12: schwarze Horizontal-Linien

278 Dicke der Firnisschichten Tabelle III.5 (S. 278) gibt einen Überblick über die Dicke der Firnisschichten aller Proben. Bei stark deformierten Schichten und den Firnisinseln in den Proben 8a bis 8c sind stark verein- fachend mittlere Werte angegeben. Mit „?“ sind Schichten verzeichnet, deren Dicke nicht be- stimmt werden kann. Die dünnsten Schichten messen bis zu 5 µm, die dicksten Schichten 25 bis 30 µm. Dabei sind die Schichten mehrheitlich bis zu 10 µm und weit überwiegend bis zu 15 µm dick. Die Firnisdicke variiert zwischen Proben derselben Entnahmestelle. Beispielsweise misst Firnisschicht 2 in Probe 3a 5 bis 10 µm, in Probe 3b hingegen 15 bis 20 µm oder Firnis- schicht 2 in Probe 8a 25 bis 30 µm und in Probe 8b nur bis zu 5 µm. Gleich sind die Dicken beispielsweise in den Firnisschichten 2 und 3 der Proben 1a und 1b.

Tab. III.6: UV-Fluoreszenz der Firnisschichten und Schichtenfolgen des Firnisses 1 bis 5, vermutliche Farb- schicht der Nummer des Inv. 1749ff. in Probe 12: rote Horizontal-Linie, Übermalungen in Probe 12: schwarze Horizontal-Linien

UV-Fluoreszenz der Firnisschichten Tabelle III.6 fasst die UV-Fluoreszenz der Firnisschichten aller Proben zusammen. Die Proben 1b, 3a, 3b, 4a und 5b bis 10 zeigen über alle Schichten hinweg eine helle UV-Fluoreszenz. In den Proben 1a, 3c, 4b, 5a und 12 gilt dies für die Mehrzahl der Schichten. In den Schichten sind zum Teil Schlieren aufgelöster Farbe enthalten, die unter UV-Anregung dunkel erscheinen (Abb. III.26, S. 277, Pfeil 2). Grau fluoresziert die Firnisschicht 1 in den Proben 1a, 5a und 12 sowie die Firnisschicht 2 in Probe 4b. Eine auffällig blaue Fluoreszenz wird in Firnisschicht 1 von Probe 3c (Abb. III.20, S. 276) sowie in einem Teilbereich von Probe 4b (Abb. III.22, S. 276) festgestellt.

279 Rekonstruktionsversuch von Schichtenfolgen In dem Rekonstruktionsversuch werden fünf Schichtenfolgen des Firnisses bestimmt (Tab. III.6, S. 279). Die in Probe 12 nicht zuzuordnende Schichten sind in der Tabelle mit einem „?“ angegeben. Die Schichtenfolgen beinhalten überwiegend nur eine Firnisschicht, vereinzelt auch zwei Schichten. Schichtenfolge 1: Die blau fluoreszierende Firnisschicht 1 in den Proben 3c und 4b wird als Schichtenfolge 1 bestimmt. Beide Proben stammen aus dem Bereich der letzten Erweiterung. In Probe 3c handelt es sich um eine durchgängige Schicht, in Probe 4b um einen Firnisrest (Abb. III.20-III.23, S. 276). Schichtenfolge 2: Diese Schichtenfolge ist ebenfalls einschichtig und besteht aus der grau fluo- reszierenden Firnisschicht in den Proben 1a, 4b, 5a und 12 (Abb. III.18-III.19, S. 276, Abb. III.22-III.25, III.28, III.29, S. 277). Es sind Abschnitte oder Reste einer Schicht. In Probe 4b liegt sie über der Schichtenfolge 1. Schichtenfolge 3: Sie liegt in allen Proben vor, ist überwiegend einschichtig und nur in Probe 4b zweischichtig. In der Mehrzahl der Proben (Proben 1b-3b, 5b-10) bildet sie die unterste Schicht, in den Proben 1a, 4b, 5a und 12 folgt sie auf Schichtenfolge 2, in Probe 3c auf Schichtenfolge 1. Merkmale sind eine helle UV-Fluoreszenz sowie bei der Mehrzahl der Proben (Proben 1a, 3a-5b, 8a rechts, 8c und 10) wellenartige Deformationen der oberen Schicht- grenzen. Beispielhaft zeigen dies die Abbildungen III.18 und III.19 (S. 276) von Probe 1a. Schichtenfolge 4: Die Schichtenfolge ist ebenfalls einschichtig und in allen Proben vorhanden. Merkmale sind eine helle UV-Fluoreszenz und in den o.g. Proben wellenartige Deformationen der mit Schichtenfolge 3 gemeinsamen Grenzen. Schichtenfolge 5: Auch diese Schichtenfolge ist in allen Proben enthalten. Vorwiegend ist sie einschichtig, in den Proben 8a und 8c rechts zweischichtig. Die UV-Fluoreszenz ist hell. Merk- male sind zudem eine geringe Dicke und stellenweise erhaltene, klare Schichtgrenzen. Die Untersuchung verdeutlicht, dass die Schichtenfolgen des Firnisses des Bohnenfestes trotz des erheblichen Bildformats, des komplexen Werkprozesses und des variierenden Erhaltungs- zustands weitgehend einheitlich sind.

Versuch einer zeitlichen Einordnung der Schichten und Schichtenfolgen Ein Schlussfirnis ist nicht nachgewiesen. Die einschichtige Schichtenfolge 1 gehört bereits zu den historischen Firnisschichten. Dies verdeutlicht die Lage innerhalb des Malschichtrisses von Probe 4b (Abb. III.22, III.23, S. 276). Die rote Farbschicht in Probe 12 wird als Rest der Num- mer 747 des Inventars 1749ff. betrachtet. Dafür spricht zunächst, dass an dieser Stelle die Mal-

280 schicht erhalten ist. Wie in Querschliffen aufgemalter Inventarnummern anderer Gemälde der Galerie, z.B. von Douven, Susanna und die beiden Alten (Abb. I.24, S. 120), enthält die Farb- schicht grobe rote Pigmente und erscheint unter UV-Anregung dunkelrot. Aufgetragen hatte man die Nummer entweder beim Erwerb des Gemäldes 1752 oder 1816 bei seiner erneuten In- ventarisierung und möglichen Erneuerung. Sie wird als Leitschicht für eine zeitliche Einord- nung der Schichtenfolgen genutzt. Danach werden die Schichtenfolgen 1 bis 3 in die Zeit vor 1752 oder 1816 eingeordnet, die Schichtenfolgen 4 bis 5 in die Zeit danach. Unklar ist, ob die Schichtenfolge 5 bzw. die oberste Schicht von Schichtenfolge 5 in den Proben 8a und 8c der jüngsten dokumentieren Restaurierung von 1953 zugeordnet werden kann. Die als „Firnisbe- handlung“ bezeichnete Maßnahme lässt offen, ob sie mit einem Firnisauftrag verbunden ist. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Firnis des Gemäldes in allen untersuchten Pro- ben ausschließlich historische Firnisschichten enthält.

4.3.5 Schäden und Veränderungen

4.3.5.1 Grundierung

Die Grundierung ist stabil und hat eine ausreichende Haftung zum Bildträger und zur Mal- schicht. Die auch die Grundierung betreffende Rissbildung wird zusammenfassend im folgen- den Punkt beschrieben. Die Proben 3b und 8a weisen eine geringfügige Migration der oberen grauen Grundierungsschicht in den Rissbereichen auf.

4.3.5.2 Malschicht

Malschichtrisse Die Rissbildung der Malschicht unterscheidet sich in den einzelnen Bereichen des Gemäldes. Dabei sind die Bereiche 1 bis 3 repräsentativ für weite Teile des Gemäldes. Bereich 5 stellt hin- gegen eine lokale Besonderheit dar. Wie in Kapitel 3.2 (S. 91f.) beschrieben, wird zwischen geweiteten und tiefen, bis zum Bildträger reichenden Rissen mit einer Breite von 0,03 mm und

281 schmalen und oberflächlichen, in der Malschicht oder Grundierung endenden Rissen mit einer Breite von bis zu 0,02 mm unterschieden.

Malschichtrisse im Querschliff Mikroskop-Aufnahmen: Dunkelfeld- und externe Beleuchtung

Abb. III.30: Probe 3c, Mikroskop-Aufnahme, tiefer Abb. III.31: Probe 3b Mitte, Mikroskop-Aufnahme, und geweiteter Malschichtriss, v-förmiges Profil, tiefer und geweiteter Malschichtriss, Randflucht Rissbereich: R1, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil unten, Rissbereich: R3, Pfeil 1: Malschichtober- 2: Grundierungsoberfläche, Pfeil 3: Risskante, Pfeil fläche, Pfeil 2: dunkle Untermalung, Pfeil 3: Grun- 4: Rissfläche dierungsoberfläche, Pfeil 4: Risskante, Pfeil 5: schmaler Riss in der Grundierung

Abb. III.32: Probe 1a, Mikroskop-Aufnahme, schma- Abb. III.33: Probe 3b links, Mikroskop-Aufnahme, le und oberflächliche Malschichtrisse, v-förmiges geweiteter und oberflächlicher Malschichtriss, v- Profil, Rissbereiche: R1-R4, Pfeil 1: Malschicht- förmiges Profil, Rissbereiche: R1, R2, Pfeil 1: Mal- oberfläche, Pfeil 2: dunkle Untermalung, Pfeil 3: schichtoberfläche, Pfeil 2: dunkle Untermalung, Pfeil Grundierungsoberfläche, Pfeil 4: Risskante, Pfeil 5: 3: Grundierungsoberfläche, Pfeil 4: Rissrand, Pfeil 5: Rissrand, Pfeile 6, 7: Rissende Rissende

Malschichtrisse: Profile Die Profile sind in den Abbildungen III.30 bis III.33 anhand von Mikroskop-Aufnahmen der Querschliffe (Proben 3c, 3b Mitte, 1a und 3b links) und in den Abbildungen III.34.1 bis III.34.3 (S. 284) zeichnerisch dargestellt.

282 Geweitete und tiefe Risse: Abbildung 34.1 (S. 284) zeigt ein v-förmig geweitetes Profil mit auf- gewölbten Kanten. Ein entsprechendes Profil, jedoch ohne aufgewölbte Kanten, ist in Probe 3c erfasst (Abb. III.30, S. 282). Pfeil 3 deutet auf die Risskante, Pfeil 4 auf die schräge Fläche des stark geweiteten Risses. Das Profil in Abbildung 34.2 (S. 284) verbindet zwei Ebenen. Bei der oberen Ebene handelt es sich um eine Randflucht unten. Pfeil 1 deutet auf den Übergang zur unteren Ebene, in welcher der Riss in geringer Breite verläuft (Pfeil 2). Das Profil ist ebenfalls mit aufgewölbten Kanten gezeichnet. Teilweise ist es in Probe 1a (Abb. III.30, S. 282, Riss- bereich R1) und vollständig in Probe 3b Mitte (Abb. III.31, S. 282, Rissbereich R3) erfasst. Die Risskanten von Probe 3b Mitte (Pfeile 4) sind stark aufgewölbt. Die Rissbreite beträgt 120 µm (0,12 mm). In der Rissöffnung ist die Grundierung auf einer Breite von 90 µm (0,09 mm) frei- gelegt, der in die Grundierung weiterführende Riss ist unter 5 µm (unter 0,01 mm) breit. Die Randflucht unten ist auf eine horizontale Verschiebung der mittleren und oberen Farbschicht zurückzuführen, bei welcher die dunkle Untermalung (Pfeil 3) als Gleitschicht gewirkt hatte. Ein Zusammenhang mit einer Lösemittelmitteleinwirkung bei einer früheren Restaurierung wird aufgrund der ebenfalls zu beobachtenden Auflösung und Migration von Farbe ange- nommen. Die teilweise erhebliche Rissbreite beträgt in den Bereichen 1, 4 und 6 überwiegend 0,05 bis 0,10 mm, in Bereich 4 erreicht sie 0,15 mm (Abb. III.36, S. 284, Pfeil 2), in Bereich 3, von dem die Probe 3b stammt, ist sie mit 0,20 mm am höchsten. Im Gegensatz dazu sind die Risse in Bereich 5 nicht breiter als 0,03 mm (Abb. III.37, S. 285). Schmale und oberflächliche Risse: Abbildung III.34.3 (S. 284) stellt das v-förmige Profil zeich- nerisch dar. Probe 1a (Abb. III.32, S. 283) beinhaltet zwei schmale und oberflächliche Risse. Ein Riss (Rissbereich R1) hat aufgewölbte Kanten (Pfeil 4), eine Breite von 10 µm (0,01 mm) und endet innerhalb der oberen Farbschicht (Pfeil 6 Mitte), ein zweiter Riss (Rissbereich R4) weist Ränder auf (Pfeil 5), seine Breite beträgt 8 µm (0,01 mm) und er reicht bis zur mittleren Farbschicht (Pfeil 7). Überwiegend haben die Risse eine Breite von bis zu 0,01 mm und er- reichen nur vereinzelt eine Breite von 0,02 mm. Im Verhältnis zur Tiefe ist ihre Weitung erheb- lich. Übergänge beider Rissformen: Ein geweiteter und gleichzeitig oberflächlicher Riss ist in Probe 3b links erfasst (Abbildung III.34, S. 284). Pfeil 4 deutet auf den weit gerundeten Rissrand links. Beide Ränder sind leicht aufgewölbt. Der Riss hat eine Breite von mehr als 25 µm (0,03 mm) und reicht bis zur Grundierungsoberfläche (Pfeil 5). Vermutlich trägt die dunkle Unterma- lung (Pfeil 2) wesentlich zur Rissweitung bei.

283

Abb. III.34.1-III.34.3: Rissprofile der Malschicht, Zeichnungen, Malschicht: grau gesprenkelt

Malschichtrisse: Einzelrisse in der Aufsicht Die Abbildungen III.35 und III.36 sowie III.37 und III.38 (S. 285) zeigen die Kartierungen der Malschichtrisse anhand der Mikroskop-Aufnahmen der Bildoberfläche. Ausgewählt sind die Bereiche 1 und 4 bis 6. Geweitete und tiefe Risse: Die Risse sind überwiegend glatt und zügig, teilweise auch leicht gezackt und zügig, z.B. in Bereich 6 (Abb. III.38, S. 285, Pfeil 1) sowie gerade oder ein- und mehrfach gebogen. In Bereich 6 ist die Biegung ausgeprägter (Pfeil 3). Die Risslänge beträgt meist 1 bis 2 mm, maximal über 4,5 mm. Auffällig ist die variierende Breite im Rissverlauf. Exemplarisch zeigt dies ein Riss in Bereich 4 (Abb. III. 36). Auf einer Länge von 0,5 mm reicht die Breite von 0,03 mm (Pfeil 1) bis 0,11 mm (Pfeil 2).

Malschichtrisse: Einzelrisse und Rissanordnungen in der Aufsicht Kartierungen: geweitete und tiefe Malschichtrisse: grün, schmale und oberflächliche Malschichtrisse: blau

Abb. III.35: Bereich 1, Kartierung, Pfeil 1: leicht ge- Abb. III.36: Bereich 4, Kartierung, Pfeile 1, 2: vari- zackter Einzelriss, Pfeile 2, 3: Parallelverlauf von ierende Rissbreite, Pfeil 3: Übergang eines schmalen Rissen, Pfeile 4, 5: Überlagerung von Rissen, Pfeil 6: und oberflächlichen sowie geweiteten und tiefen Rissverzweigung Risses, Pfeil 4: Rissverzweigung, Pfeil 5: isolierter Riss

284

Abb. III.37: Bereich 5, Kartierung, Pfeil 1: Anschluss Abb. III.38: Bereich 6, Kartierung, Pfeile 1, 5: leicht geweiteter und tiefer Risse, Pfeil 2: Rissablenkung, gezackte Einzelrisse, Pfeil 2: maximale Rissbreite, Pfeil 3: Übergang eines schmalen und oberfläch- Pfeil 3: starke Biegung, Pfeil 4: glatter Einzelriss, lichen sowie geweiteten und tiefen Risses, Pfeil 4: Pfeile 6, 11: Übergang eines schmalen und oberfläch- Rissverzweigung lichen sowie geweiteten und tiefen Risses, Pfeile 7, 10: Rissablenkung, Pfeil 8: einseitig in der Fläche endender Riss, Pfeil 9: Rissverzweigung

Schmale und oberflächliche Risse: Sie sind ebenfalls mehrheitlich glatt und zügig, vereinzelt auch leicht gezackt. Abbildung III.38 (Pfeile 4 und 5) zeigt dies in Bereich 6. In den Bereichen 1, 4 und 6 liegt überwiegend eine leichte, ein- oder mehrfache Biegung vor, während die Risse in Bereich 5 (Abb. III.37) weitgehend gerade sind. Übergänge zwischen 0,02 mm breiten Riss- abschnitten und geweiteten und tiefen Risse mit einer Breite von 0,03 mm zeigen z.B. die Bereiche 4, 5 und 6 (Abb. III.36, S. 284, Pfeil 3, Abb. III.37, Pfeil 3, Abb. III.38, Pfeile 6 und 11). Vorwiegend haben die Risse eine Länge von 0,3 bis 0,5 mm, dabei fällt z.B. in Bereich 1 eine deutliche Zahl von Rissen mit einer Länge von nur 0,1 bis 0,2 mm auf. In Bereich 5 finden sich die längsten Risse (bis 1,4 mm), hingegen keine kürzeren Risse.

Malschichtrisse: Rissanordnung in der Aufsicht Geweitete und tiefe Risse: Die Risse sind überwiegend in einem weitgehend geschlossenen Netzcraquelé angeordnet. Die Bereiche 1, 4 und 6 (Abb. III.35, III. 36 S. 284, Abb. III.38) zei- gen dies exemplarisch. Zu dem Zusammenschluss tragen auch die schmalen und oberfläch- lichen Risse bei, in welche einige der geweiteten und tiefen Risse übergehen. Einer der wenigen Risse, die einseitig in der Fläche enden, an der Spitze im Übergang zu einem schmalen und oberflächlichen Riss, kann man in Bereich 6 erkennen (Abb. III.38, Pfeil 8). Die Rissablenkung ist überwiegend nur gering, ausgeprägter ist sie in Bereich 6 (Pfeile 3, 7). Zu beobachten sind außerdem ein stellenweiser Parallelverlauf und eine Rissverzweigung in Bereich 1 (Abb. III.35, S. 284, Pfeil 6). Die Rissanordnung von Bereich 5 ist deutlich verschieden. Das weitgehend ge- schlossene Netzcraquelé ist erst in einer größeren Bildfläche erkennbar, während in Abbildung

285 III.37 (S. 285) nur ein Zusammenschluss zweier Risse erfasst ist. Die Rissablenkung ist minimal (Pfeil 1). Unweit davon entfernt befindet sich eine Rissverzweigung (Pfeil 4). Schmale und oberflächliche Risse: In den ausgewählten Bereichen 1, 4 und 6 bilden sie mehr- heitlich untereinander und gemeinsam mit den geweiteten und tiefen Malschichtrissen ein teil- weise bis weitgehend geschlossenes Netzcraquelé. Bei einem wesentlichen Teil der Risse ist der Zusammenschluss beidseitig, teilweise enden die Risse auch einseitig in der Fläche oder liegen isoliert in der Fläche, z.B. in Bereich 4 (Abb. III.36, S. 284, Pfeil 5). Überwiegend findet beim Anschluss oder bei der Annäherung untereinander oder an die geweiteten und tiefen Risse eine Ablenkung statt. In Abbildung III.37 von Bereich 5 (S. 285) deutet Pfeil 2 in auf eine be- treffende Stelle, in Abbildung III.38 von Bereich 6 (S. 285) Pfeil 10. Abgelenkt werden die Risse auch, wenn sie, vom einem Übergang in geweitete und tiefe Risse ausgehend, im weiteren Verlauf an ebenfalls geweitete und tiefe Riss anschließen, z.B. in Bereich 6 (Abb. III.38, S. 285, Pfeil 11). Im Gegensatz dazu kann man in Bereich 1 vereinzelt beobachten, dass Risse sich gegenseitig oder die geweiteten und tiefen Risse überlagern (Abb. III.35, S. 284, Pfeile 4 und 5). Eine Verzweigung zusammen mit zwei geweiteten und tiefen Rissen zeigt Abbildung III.35 von Bereich 1 (S. 284, Pfeil 6), eine weitere, von einem geweiteten und tiefen Rissabschnitt ausgehende Verzweigung Abbildung III.36 von Bereich 4 (S. 284, Pfeil 4).

Die Darstellung verdeutlicht, dass die Rissbildung der Malschicht in den meisten Bereichen des Gemäldes ähnlich ist. Die Rissbildung hat verschiedene Phasen durchlaufen. Die zum Teil extrem geweiteten und tiefen Malschichtrisse sind vermutlich älter als die schmalen und ober- flächlichen Risse. Zudem weisen vereinzelte Überlagerungen auf besondere Umstände der Rissbildung hin, wie sie in Fallstudie I (S. 150f.) modellhaft skizziert sind. Das abweichende Malschichtcraquelé in Bereich 5 kann möglicherweise auf die im Vergleich zu den anderen Be- reichen wesentlich dickere Malschicht zurückzuführen sein (Tab. III.3, S. 274).

Migration und Auflösung von Farbe Die Migration und Auflösung von Farbe ist exemplarisch in den Bereichen 3, 4 und 8 darge- stellt. Abbildung III.39 (S. 287) zeigt einen geweiteten und tiefen Malschichtriss in Bereich 4. Pfeil 1 deutet auf die Risskante, Pfeil 2 auf die Migration der Farbe der dunklen Untermalung in die Rissöffnung, Pfeil 3 auf die stellenweise freiliegende Grundierung. In Probe 4a (Abb. III.40, S. 287) ist ein solcher Rissbereich erfasst. Die Farbe der dunklen Untermalung (Pfeil 2) füllt die Rissöffnung (Pfeil 4), migriert aber nicht über die Malschichtoberfläche hinaus in den Firnis.

286 Malschicht: Rissweitung und Migration von Farbe Mikroskop-Aufnahmen (Bereiche): Beleuchtung schräg von links und Shellsol T benetzt Mikroskop-Aufnahme (Probe): Dunkelfeld- und externe Beleuchtung

Abb. III.39: Bereich 4, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil Abb. III.40: Probe 4a, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil 1: 1: Risskante, Pfeil 2: Migration von dunkler Farbe, Malschichtoberfläche, Pfeil 2: dunkle Untermalung, Pfeil 3: freiliegende Grundierungsoberfläche Pfeil 3: Grundierungsoberfläche, Pfeil 4: oberfläch- licher Malschichtriss und Migration von Farbe, Pfeil 5: Firnisoberfläche

Abb. III.41: Bereich 3, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil Abb. III.42: Bereich 8, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil 1: Risskante, Pfeil 2: Migration von dunkler Farbe, 1: Malschichtriss, Pfeil 2: Migration von dunkelbrau- Pfeil 3: freiliegende Grundierungsoberfläche, Pfeil 4: ner Farbe aus dem Malschichtriss und im Firnis auf- wulstförmige Migration von dunkler Farbe, Pfeil 5: gelöste Farbe im Firnis eingebettete Luftblase

Ausgeprägter ist diese Migration in Bereich 3 (Abb. III.41). Die Pfeile 1, 3 deuten zunächst auf einen Rissabschnitt mit geringer Migration und freiliegender Grundierung, Pfeil 2 auf eine stär- kere Migration innerhalb der Rissöffnung (Pfeil 2). Probe 3b zeigt dies im Querschliff (Abb. III. 31 und III.33, S. 282). An einem anderen Rissabschnitt von Bereich 3 reicht die migrierte Farbe der dunklen Untermalung über die Risskanten und steigt als Wulst in den Firnis auf (Pfeil 4). Der Rissverlauf ist dort nicht mehr erkennbar. In Bereich 8 ist die Migration mit einer Auf- lösung der Farbe im Firnis verbunden (Abb. III.42). Pfeil 1 deutet auf einen Malschichtriss, dessen Öffnung von brauner Farbe der Untermalung (vgl. Abb. III.16, S. 271, Probe 8c) ange- füllt wird, Pfeil 2 auf ausgedehnte Farbschlieren (Pfeil 2). Die dadurch bewirkte Firnistrübung

287 ist im Kontrast mit einem Bereich erkennbar, in dem sich der Verlauf der Malschichtrisse deutlich gegenüber der grobkörnigen Malschicht abzeichnet (Pfeil 1).

Malschicht: Bereibungen und Trübung Mikroskop-Aufnahmen: Beleuchtung schräg von links und mit Shellsol T benetzt

Abb. III.43: Bereich 7, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil Abb. III.44, Bereich 11, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil 1: Risskante, Pfeil 2: abgeflachter Rissrand, Pfeil 3: 1: Trübung, Pfeil 2: Rissbildung innerhalb der Trü- lokaler Abrieb bung, Pfeil 3: Rissbildung im nicht getrübten Umfeld

Bereibungen der Malschicht Für die Untersuchung ist Bereich 7 ausgewählt, der bei normaler Betrachtung keine offensicht- lichen Bereibungen aufweist. Dennoch lassen sich in der mikroskopischen Untersuchung ent- sprechende Veränderungen feststellen. Sie deuten auf eine Firnisabnahme in diesem Bereich hin, die weiter vermuten lässt, dass dort kein Schlussfirnis erhalten ist. Pfeil 1 (Abb. III.43) zeigt auf einen Malschichtriss ohne Bereibung und mit klaren Kanten. An der schrägen Riss- fläche erkennt man die Schichtenabfolge. Die oberste Farbschicht ist grau und grobkörnig, die mittlere hellbraun und die untere hell. Dabei handelt es sich vermutlich um das Pentiment des Kruges anstelle der heutigen Karaffe, nicht um die Grundierung. In einem beriebenen Rissab- schnitt (Pfeil 2) sind die hellbraune, mittlere und die helle, untere Farbschicht stellenweise frei- gelegt. An der Stelle von Pfeil 3 ist die Malschicht abseits eines Risses bis zur hellbraunen, mittleren Farbschicht berieben.

Trübung der Malschicht Die großflächigen, teilweise lasierenden Übermalungen des Bohnenfestes und die bewegte Sammlungs- und Restaurierungsgeschichte legten die Vermutung nahe, dass große Bildbe- reiche durch Trübung beschädigt sein könnten. Bei der mikroskopischen Untersuchung zeich-

288 net sich jedoch lediglich in Bereich 11 eine minimale partielle Trübung ab (Abb. III.44, Pfeil 1). Die Pfeile 2 und 3 deuten auf eine Rissbildung innerhalb und außerhalb des getrübten Be- reichs. Die stellenweise dunklen Rissflächen geben einen Hinweis darauf, dass die Trübung nur oberflächlich ist, an anderen Stellen sind sie durch Migration von Farbe gefüllt.

Übermalungen Bei der Auswahl der untersuchten Bereiche werden übermalte Bereiche möglichst ausgeklam- mert. Ausnahme ist Bereich 12, wo vermutlichen Reste der historischen Inventarnummer in einem weitgehend übermalten Zustand vorliegen. In Probe 12 (Abb. III.28, III.29, S. 277) er- kennt man im Firnis eingebettet die Farbschicht der vermuteten Inventarnummer und zwei Farbschichten der Übermalung. Die Übermalungsschichten werden einer oder zwei Restau- rierungen in der Zeit nach 1752 oder 1816 zugeordnet.

4.3.5.3 Firnis

Gilbung Die Gilbung ist stark ausgeprägt und wirkt in den hellen Bereichen ungleichmäßig. Die Quer- schliffe werden im schrägen Durchlicht daraufhin untersucht, ob sich die Gilbung auf einzelne Schichtenfolgen oder -ebenen konzentriert. Dies ist nicht der Fall. Auf eine fotografische Doku- mentation wird verzichtet.

Trübung Eine geringfügige Trübung resultiert aus der Auflösung von Farbe im Firnis, wie sie im Kapitel 3.5.5.2 beschrieben und in Abbildung III.42 (S. 287, Pfeil 2) dargestellt ist. Eine Trübung des Firnisses in der Form von Mikrorissen oder Schichtentrennungen ist nicht feststellbar.

Rissbildung Die Darstellung gliedert sich erstens in ehemalige und aktuelle Firnisrisse sowie zweitens in Profil, Einzelrisse und Rissanordnung in der Aufsicht. Aus einem Teil der ehemaligen Firnis- risse resultieren die Vertiefungen der borkenartigen Firnisdeformationen. Auch die Firnisinseln stehen mit ihnen in Zusammenhang. Untersucht werden zudem die Verbindungen und Über- lagerungen der ehemaligen und aktuellen Firnisrisse.

289 Ehemalige Firnisrisse: Profile Fünf Profile ehemaliger Firnisrisse werden unterschieden und in verschiedenen Konstellationen zeichnerisch dargestellt, in Verbindung mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen (Abb. III.45.1-III.45.5), mit schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen (Abb. III.45.6-45.8) und ohne Verbindung mit Malschichtrissen (Abb. III.45.9 bis III.45.11).

Abb. III.45.1-III.45.11: Profile ehemaliger Firnisrisse; Firnis: hellgrau, Malschicht hellgrau gesprenkelt

Profil a (Abb. III.45.1, III.45.6 und III.45.10): Merkmale dieses Profils sind eine Vertiefung und aufgewölbte Risskanten oder -ränder. Die Risse prägen maßgeblich die borkenartige Deformation des Firnisses. Eine Verbindung mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen besteht

290 in den Bereichen 1 bis 4, 7, 9 und 10 und ist in den Proben 1a, 2a, 3a und 10 erfasst. Die Risse (Abb. III.45.1, S. 290, Pfeil 1a) sind 0,15 bis 0,35 mm breit, der Abstand der Risskanten oder - ränder (Pfeil 1b) misst 0,03 bis 0,06 mm, die Tiefe (Pfeil 2) beträgt etwa ein Drittel bis die Hälfte der Firnisdicke. An einer Stelle von Bereich 2 (Abb. III.46, III.47, S. 293, Pfeil 3) ist die Verbindung mit schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen erkennbar. Die Breite (Abb. III.45.6, S. 290, Pfeil 1a) reicht von 0,10 bis 0,15 mm, der Abstand der Risskanten (Pfeil 1b) von 0,02 bis 0,04 mm. Die Tiefe ist nicht bestimmt. In Bereich 10 (Abb. III.56, III.57, S. 294, Pfeil 2) hat sich ein Riss ohne Verbindung mit einem Malschichtriss gebildet (Abb. III.45.10, S. 290), mit einer Breite von 0,20 mm und einem Abstand der Risskanten von 0,02 mm. Profil b (Abb. III.45.2, III.45.7 und III.45.11, S. 290): Das Profil zeichnet sich durch eine weit gerundete Vertiefung aus. Es ist in den Bereichen 1 bis 11 vorhanden, jedoch in keinem Quer- schliff erfasst. Die Breite beträgt in Verbindung mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen 0,03 bis 0,30 mm (Abb. III.45.2, S. 290, Pfeil 1). In den Bereichen 3, 5 und 11 erkennt man eine Verbindung mit schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen. Die Breite misst 0,02 bis 0,08 mm (Abb. III.45.7, S. 290, Pfeil 1). Ein Riss ohne Verbindung mit einem Malschichtriss (Abb. III.45.11 S. 290) wird in Bereich 10 festgestellt (Abb. III.56, III.57, S. 294, Pfeil 5) und ist 0,05 bis 0,07 mm breit. Die Risstiefe kann nicht bestimmt werden. Profil c (Abb. III.45.3, III.45.8, S. 290): Der Firnis ist über den Malschichtrissen geschlossen und vollständig nivelliert. Risse mit diesem Profil in Verbindung mit geweiteten und tiefen so- wie mit schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen sind in den Bereichen 1 bis 4 und 6 bis 11 und z.B. in Probe 1a (Abb. III.18, III.19, S. 276, Rissbereiche R2-R4) und Probe 3b Mitte (Abb. III.31, S. 282, Rissbereich R3) erkennbar. Die Konstellation ohne einen zugehörigen Malschichtriss ist nicht nachgewiesen. Profil d (Abb. III.45.4, S. 290): Das Profil hat eine ausgeprägte, stark geweitete Vertiefung und ähnlich wie Profil a aufgewölbte Risskanten oder -ränder. Betreffende Risse finden sich in Be- reich 9 in Verbindung mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen. Die Rissbreite reicht von 0,30 bis 0,40 mm (Pfeil 1a), der Abstand der Risskanten von 0,04 bis 0,05 mm (Pfeil 1b). Die Tiefe (Pfeil 2) ist nicht bestimmt, vermutlich beträgt sie über die Hälfte der Firnisdicke. Profil e (Abb. III.45.5, III.45.9, S. 290): Merkmale des Profils sind stark aufgewölbte und ge- rundete Rissränder. Risse mit Profil e liegen in Bereich 7 und in Bereich 8 in Partien mit ge- ringer Firnisdicke und abseits der Firnisinseln vor. Die geringe Firnisdicke ist auch in den Pro- filzeichnungen wiedergegeben. Verbindung besteht sowohl mit schmalen und oberflächlichen als auch mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen. In Bereich 7 sind die ehemaligen Firnis- risse 0,06 bis 0,07 mm breit, in Bereich 8 zwischen 0,02 und 0,04 mm. Abbildung III.97 von

291 Probe 8c zeigt das Profil im Querschliff (S. 312, Rissbereich R1). Der zugehörige Mal- schichtriss ist geweitet und oberflächlich. Die Erhebung der aufgewölbten Ränder und die Risstiefe (Abb. III.45.5, III.45.9, S. 290, Pfeil 2) betragen zwischen 5 und 10 µm.

Ehemalige Firnisrisse: Einzelrisse in der Aufsicht Die Einzelrisse werden in den Bereichen 2, 4, 5, 8, 9 und 10 in der Gegenüberstellung der Mi- kroskop-Aufnahmen bei koaxialer Beleuchtung und der Kartierung der Malschichtrisse auf der Grundlage dieser Aufnahmen dargestellt (Abb. III.46-III.57, S. 293f.). Pfeile deuten auf Ein- zelrisse oder Abschnitte von ehemaligen Firnisrissen mit den Profilen a bis e. Die Kartierungen verdeutlichen, ob ein Bezug zu einem geweiteten und tiefen oder schmalen und oberfläch- lichen Malschichtriss vorliegt. Ehemalige Firnisrisse mit Profil a: Die Risse sind überwiegend glatt und zügig, selten leicht ge- zackt und zügig sowie gerade oder ein- und mehrfach gebogen. In den Bereichen 1, 2, 4, 9 und 10 (III.46-III.49, S. 293, Abb. III.54-III.57, S. 294) haben Einzelrisse und Rissabschnitte mit Profil a eine Länge von 0,7 bis 3 mm, in den Bereichen 3 und 7 eine Länge von nur bis zu 0,5 mm. Im Rissverlauf variiert stellenweise die Breite und es wechselt die Verbindung mit den Malschichtrissen. Beispielsweise ist ein Riss in Bereich 2 (Abb. III.46, III.47, S. 293) an der Stelle von Pfeil 2 mit einem schmalen und oberflächlichen Malschichtriss verbunden und 0,2 mm breit, an der Stelle von Pfeil 4 hat er eine Verbindung mit einem geweiteten und tiefen Mal- schichtriss und eine Breite von 0,3 mm. Ehemalige Firnisrisse mit Profil b: Die Risse sind überwiegend glatt und zügig sowie gerade oder ein- und mehrfach gebogen. In den Bereichen 2, 3, 5, 6, 9 und 10 haben die Risse in ihrer gesamten Länge oder in längeren Abschnitten von 0,5 bis 2 mm dieses Profil (Abb. III.46, III.47, III.50, III.51, S. 293, Abb. III.54-III.57, S. 294), in den Bereichen 1, 4, 7 und 8 (Abb. III.48, III.49, S. 293, Abb. III.52, III.53, S. 294) handelt es sich nur um kürzere Rissabschnitte von bis zu 0,5 mm Länge. Die vielfältigen Übergänge zu anderen Rissformen und Risskons- tellationen werden anhand von drei Beispielen illustriert. Am deutlichsten erkennbar ist die Ein- zelform in Bereich 2 (Abb. III.46, III.47, S. 293,). Der Riss (Pfeil 5) geht in einen ehemaligen Firnisriss mit Profil a (Pfeil 1) über, beide haben Verbindung mit einem geweiteten und tiefen Malschichtriss. Der Übergangsbereich wird von einem ehemaligen Firnisriss mit Profil a (Pfeile 2 und 4) überlagert (Pfeil 11).

292 Ehemalige Firnisrisse: Profile, Einzelrisse und Rissanordnung in der Aufsicht, in Verbindung mit den Malschichtrissen Mikroskop-Aufnahmen: koaxiale Beleuchtung Kartierung: mit Mikroskop-Aufnahme in koaxialer Beleuchtung, geweitete und tiefe Malschichtrisse: grün, schmale und oberflächliche Malschichtrisse: blau

Abb. III.46: Bereich 2, Mikroskop-Aufnahme, Pfeile Abb. III.47: Bereich 2, Kartierung, Pfeile 1-7: ehe- 1-7: ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen malige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen (1-4: (1-4: Profil a, 5: Profil b, 6, 7: Profil c), Pfeile 8-10: Profil a, 5: Profil b, 6, 7: Profil c), Pfeile 8-10: ver- verschiedene Konstellationen (8: Ablenkung, 9-11: schiedene Konstellationen (8: Ablenkung, 9-11: Überlagerung) Überlagerung)

Abb. III.48: Bereich 4, Mikroskop-Aufnahme, Pfeile Abb. III.49: Bereich 4, Kartierung, Pfeile 1-4: ehe- 1-4: ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen malige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen (1: (1: Profil a, 2: Profil b, 3, 4: Profil c), Pfeile 5, 6: ver- Profil a, 2: Profil b, 3, 4: Profil c), Pfeile 5, 6: ver- schiedene Konstellationen (5: Auslaufen in der schiedene Konstellationen (5: Auslaufen in der Fläche, 6: Parallelverlauf) Fläche, 6: Parallelverlauf)

Abb. III.50: Bereich 5, Mikroskop-Aufnahme, Pfeile Abb. III.51: Bereich 5, Kartierung, Pfeile 1-5: ehe- 1-5: ehemalige Firnisrisse mit Profil b malige Firnisrisse mit Profil b

293

Abb. III.52: Bereich 8, Mikroskop-Aufnahme, Pfeile Abb. III.53: Bereich 8, Kartierung, Pfeile 1-6: ehe- 1-6: ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen malige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen (1: (1: Profil b, 2, 3: Profil c, 4-6: Profil e) Profil b, 2, 3: Profil c, 4-6: Profil e)

Abb. III.54: Bereich 9, Mikroskop-Aufnahme, Pfeile Abb. III.55: Bereich 9, Kartierung, Pfeile 1-6: ehe- 1-6: ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen malige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen (1: Pro- (1: Profil a, 2: Profil b, 3, 4: Profil c, 5, 6: Profil d) fil a, 2: Profil b, 3, 4: Profil c, 5, 6: Profil d)

Abb. III.56: Bereich 10, Mikroskop-Aufnahme, Abb. III.57: Bereich 10, Kartierung, Pfeile 1-7: ehe- Pfeile 1-7: ehemalige Firnisrisse mit verschiedenen malige Firnisrisse mit verschiedenen Profilen (1, 2: Profilen (1, 2: Profil a, 3-6: Profil b, 7,8: Profil c) Profil a, 3-6: Profil b, 7, 8: Profil c)

In Bereich 10 (Abb. III.56, III.57) deutet Pfeil 4 auf einen Rissabschnitt. Im weiteren Verlauf (Pfeil 7) kommt es zu einem Übergang zu einem ehemaligen Firnisriss mit Profil c, vermutlich

294 im Zusammenhang mit der abnehmenden Breite des zugehörigen, geweiteten und tiefen Mal- schichtrisses und seines Übergangs zu einem schmalen und oberflächlichen Malschichtriss (Pfeil 8). In Bereich 5 ändern sich ebenfalls die Profile der Malschichtrisse, aber das Profil b des ehemaligen Firnisrisses bleibt unverändert (Abb. III.50, III.51, S. 293). Die Pfeile 2 und 4 deuten auf die Verbindung mit einem geweiteten und tiefen, Pfeil 3 deutet auf den kurzen Ab- schnitt der Verbindung mit einem schmalen und oberflächlichen Malschichtriss. Runzeln des Firnisses überlagern und verunklären das Profil. Ehemalige Firnisrisse mit Profil c: Die Einzelform ist sowohl glatt und zügig als auch leicht ge- zackt und zügig, gerade und ein- oder mehrfach gebogen. Die Länge beträgt bis zu 1,0 mm. In Bereich 4 geht ein Riss in einen ehemaligen Firnisriss mit Profil b über (Abb. III.48, III.49, S. 293, Pfeile 1 und 2). Übergänge finden in Bereich 8 zu ehemaligen Firnisrissen mit Profil e statt (Abb. III.52, III.53, S, 294, Pfeile 2 und 3). Eine wechselnde Verbindung mit den Malschicht- rissen innerhalb des Rissverlaufs und ohne Änderung des Profils liegt in Bereich 9 vor (Abb. III.54, III.55, S. 294). Pfeil 3 deutet auf die Verbindung mit einem geweiteten und tiefen, Pfeil 4 auf die Verbindung mit einem schmalen und oberflächlichen Malschichtriss. Ehemalige Firnisrisse mit Profil d: In Bereich 9 (Abb. III.54, III.55, S. 294) sind Abschnitte zweier Einzelrisse mit den Pfeilen 5 und 6 markiert. Diese Rissabschnitte sind glatt und zügig sowie einfach gebogen. Ihre Länge beträgt 0,8 und 1,0 mm. Der obere Riss (Pfeil 6) geht an seinem rechten Ende in einen kurzen Rissabschnitt mit Profil b über. Dieser Übergang ist mit einer abnehmenden Breite des ehemaligen Firnisrisses und des zugehörigen Malschichtrisses verbunden. Ehemalige Firnisrisse mit Profil e: Die Einzelrisse sind in den Abbildungen III.52 und III.53 (S. 294) von Bereich 8 mit den Pfeilen 4 bis 6 gekennzeichnet. Sie sind leicht gezackt und zügig sowie mehrfach gebogen und bis zu 0,7 mm lang. Im Rissverlauf variiert die Breite. Die Pfeile 4 und 5 markieren einen Rissabschnitt von 0,6 mm Länge, dessen Breite von 0,01 mm (oberhalb von Pfeil 5) bis 0,03 mm (Pfeil 4) reicht. Ein weiterer, 0,3 mm langer Riss hat links von Pfeil 6 eine Breite von 0,01 mm, rechts davon läuft er zusammen mit dem verbundenen, schmalen und oberflächlichen Malschichtriss zu Null hin aus.

Ehemalige Firnisrisse: Rissanordnung in der Aufsicht Für die Darstellung dienen ebenfalls die Mikroskop-Aufnahmen bei koaxialer Beleuchtung und die Kartierungen der Bereiche 2, 4, 5, 8, 9 und 10 (Abb. III.46-III.57, S. 293f.). Ehemalige Firnisrisse mit Profil a: Sie bilden keine eigenständige Rissanordnung, sondern sind in den Bereichen 1 bis 4, 7 und 10 gemeinsam mit den ehemaligen Rissen mit Profil b und c

295 (Abb. III.46-IIII.49, S. 293, und Abb.III.56, IIII.57, S. 294), in Bereich 9 mit ehemaligen Fir- nisrissen mit Profil d (Abb.III.54, Abb. IIII.55, S. 294) Bestandteil eines teilweise geschlos- senen Netzcraquelés. Eine Überlagerung zeigen die Abbildungen III.56 und III.57 (S. 294) von Bereich 10. Ein Riss mit Profil a verläuft horizontal, in und ohne Verbindung mit den Mal- schichtrissen (Pfeile 1 und 2). Der vertikale Riss hat Profil b (Pfeil 6). In den Bereichen 5, 6, 8 und 11 sind Risse mit Profil a nicht vorhanden. Ehemalige Firnisrisse mit Profil b: In den Bereichen 1 bis 4 und 6 bis 11 (Abb. III.46-III.49, S. 293, Abb. III.52-III.57, S. 294) und in Verbindung mit den geweiteten und tiefen Malschicht- rissen sind die Risse stellenweise mit den ehemaligen Firnisrissen mit den Profilen a, c und e (Bereiche 8 und 11) sowie d (Bereich 9) verbunden und bilden in diesen Konstellationen das o.g., teilweise geschlossene Netzcraquelé. In Bereich 5 besteht die Rissanordnung nur aus Rissen mit Profil b. Sie formieren sich zu einem geschlossenen Netzcraquelé (Abb. III.50, III.51, S. 293). Pfeil 5 deutet auf einen Riss, der mit einer geringen Rissablenkung an einen breiteren Riss (Pfeil 1) anschließt. An anderer Stelle überlagern sich letzterer (Pfeil 1) und ein weiterer Riss (Pfeil 2). Die Verzweigung der Malschichtrisse wiederholt sich im ehemaligen Firnisriss nicht. Ehemalige Firnisrisse mit Profil c: Auch sie sind Teil des o.g. gemeinsamen, teilweise geschlos- senen Netzcraquelés in der Verbindung mit den Profilen a, b und im Übergang zu den Rissen mit den Profilen e und d. Beispielhaft sind in Bereich 2 (Abb. III.46, III.47, S. 293) eine Rissab- lenkung und Überlagerung (Pfeile 8-10) sowie in Bereich 4 (Abb. III.48, III.49, S. 293) ein Auslaufen in der Fläche (Pfeil 5) und ein vereinzelter Parallelverlauf (Pfeil 6) verzeichnet. Ehemalige Firnisrisse mit Profil d: Die Risse bilden in Bereich 9 zusammen mit Rissen mit den Profilen a, b und c ein teilweise geschlossenes Netzcraquelé, in Verbindung mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen (Abb. III.54, III.55, S. 293, Pfeile 5 und 6). In den Abbildungen III.54 und III.55 (S. 294) erkennt man die Ablenkung zu einem Riss mit Profil a (Pfeil 1) hin. Der abgelenkte Riss (Pfeil 6) hat vorwiegend Profil d und nur am Anschluss Profil b. Ehemalige Firnisrisse mit Profil e: Sie schließen sich in Teilflächen von Bereich 7 und Bereich 8 (Abb. III.52-III.53, S. 294, Pfeile 4 bis 6) gemeinsam mit Rissen mit den Profilen b und c zu einem ebenfalls teilweise geschlossenen Netzcraquelé zusammen.

296

Tab. III.7: Übersicht ehemaliger Firnisrisse: Profile, Einzelrisse und Rissanordnungen in der Aufsicht in den Bereichen 1 bis 11

In Tabelle III.7 sind die Merkmale der ehemaligen Firnisrisse zusammengefasst. Die ehema- ligen Firnisrisse haben ein Netzcraquelé gemeinsam, das abhängig von den Bereichen teil- weise, weitgehend oder gänzlich geschlossen ist. In der überwiegenden Mehrheit der Bereiche weisen die Risse verschiedene, vielfach auch innerhalb von Einzelrissen wechselnde Profile auf. Die Verbindungen mit den Malschichtrissen sind vielfältig und ebenfalls wechselnd. Risse mit den Profilen a bis e haben Verbindung mit geweiteten und tiefen wie auch mit schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen, die Risse mit den Profilen a und b verlaufen zum Teil auch ohne Verbindung mit Malschichtrissen. Risse mit Profil b sind in allen, Risse mit den Pro- filen a und c in der Mehrheit der Bereiche vorhanden. Die borkenartige Firnisoberfläche des Gemäldes wird überwiegend von den Rissen mit Profil a bestimmt, in den Randbereichen der inselartigen Firnisdeformationen (Bereich 9) zusätzlich von Rissen mit Profil d. Risse mit den Profilen d und e liegen nur in einem begrenzten Bereich vor.

Aktuelle Firnisrisse: Profile Die aktuellen Firnisrisse haben verschiedene Profile, die in den Abbildungen III.58.1 bis III. 58.6 (S. 298) vereinfachend und in verschiedenen Konstellationen gezeichnet sind. Es wird un- terschieden zwischen schmalen Rissen mit einer Breite bis 0,01 mm und geweiteten Rissen mit einer Breite ab 0,02 mm. Profil a: Das Profil weist Risskanten oder leicht gerundete Rissränder auf. Die Rissbreite beträgt überwiegend bis zu 0,01 mm, selten bis zu 0,02 mm. Die Risse sind vielfach mit den ehemaligen Firnisrissen mit Profil a, vereinzelt auch mit den ehemaligen Firnisrissen mit den Profilen b und c verbunden. Diese Konstellation ist in den Abbildungen Abb. III.58.1 bis III.58.3 (S. 298)

297 beispielhaft in der Verbindung mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen dargestellt. Die Riss- tiefe ist ungeklärt. Abbildung III.58.4 illustriert den Fall ohne Verbindung mit einem ehema- ligen Firnisriss oder einem Malschichtriss. Das Rissprofil endet an der Malschichtoberfläche.

Abb. III.58.1-III.58.6: Profile aktueller Firnisrisse; Firnis: grau, Malschicht: grau gesprenkelt, Pfeile: aktuelle Firnisrisse

Profil b (Abb. III.58.5): Das Profil zeichnet sich durch eine v-förmige Weitung aus. Die Riss- kanten sind aufgewölbt, das Rissumfeld ist zum Teil vertieft. In Bereich 3 beträgt die Rissbreite bis zu 0,02 mm, in Bereich 11 bis zu 0,05 mm. Das Rissprofil hat keine Verbindung mit den ehemaligen Firnisrissen oder den Malschichtrissen und reicht bis zur Malschichtoberfläche. In Abbildung III.59 (S. 299, koaxiale Beleuchtung) erkennt man die aufgewölbten Kanten und das vertiefte Umfeld, in Abbildung III.60 (S. 299, UV-Anregung) die Rissöffnung im Kontrast zur hellen Fluoreszenz der Risskanten. Profil c (Abb. III.58.6): Das ungewöhnliche Profil liegt nur in den Bereichen 8 und 8a an den Firnisinseln vor und wird als Randflucht oben bezeichnet (vgl. Kap. 3.2, S. 93). Merkmale sind eine extreme Weitung und eine sehr geringe Tiefe. Die Breite beträgt bis zu 0,17 mm, die Ränder sind aufgewölbt. Das Profil ist in Probe 8a nicht erfasst, so dass die Tiefe nicht bestimmt werden kann. Die Pfeile 1 und 2 deuten in den Abbildungen III.61 und III.62 (S. 299) von Be- reich 8a auf die Kanten zweier Risse. In koaxialer Beleuchtung zeichnen sich die aufgewölb- ten Kanten und die flachen Rissöffnungen ab. Unter UV-Anregung erkennt man helle Stege

298 orthogonal zum Rissverlauf. Ihre spitz zulaufenden und auslaufenden Formen sind Resultat der Rissweitung und deuten auf einen erweichten und leichter deformierbaren Zustand des Firnisses unterhalb der Firnisoberfläche hin.

Aktuelle Firnisrisse: Profile und Einzelformen in der Aufsicht Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. III.59: Bereich 3, Mikroskop-Aufnahme, ko- Abb. III.60: Bereich 3, Mikroskop-Aufnahme, UV- axiale Beleuchtung, Pfeile: aktuelle Firnisrisse mit Anregung, Pfeile: aktuelle Firnisrisse mit Profil b Profil b

Abb. III.61: Bereich 8a, Mikroskop-Aufnahme, ko- Abb. III. 62: Bereich 8a, Mikroskop-Aufnahme, UV- axiale Beleuchtung, Pfeile 1, 2: Kanten der aktuellen Anregung, Pfeile 1, 2: Kanten der aktuellen Firnis- Firnisrisse mit Profil c (Randflucht oben) risse mit Profil c (Randflucht oben)

Aktuelle Firnisrisse: Einzelrisse in der Aufsicht Die Einzelformen in der Aufsicht sind anhand der Bereiche 1 bis 3, 5, 8 und 10 dargestellt, in der Gegenüberstellung der Kartierungen ohne Malschichtrisse und gemeinsam mit den Mal- schichtrissen, die stellvertretend für die ehemaligen Firnisrisse stehen. In den Kartierungen werden schmale Firnisrisse schwarz, geweitete Firnisrisse rot gezeichnet. Aktuelle Firnisrisse mit Profil a: Sie sind überwiegend glatt und zügig, zum Teil auch leicht ge- zackt und zügig sowie gerade bis ein- oder mehrfach gebogen. Eine glatte Einzelform haben die Risse z.B. in Bereich 5 (Abb. III.69, III.70, S. 301), während z.B. in Bereich 8 (Abb. III.71,

299 III.72, S. 302, Pfeil 4) oder in Bereich 10 (Abb. III.73, III.74, S. 302, Pfeil 7) leicht gezackte Risse überwiegen. Eine extreme Biegung liegt in Bereich 1 (Abb. III.63, III.64, S. 300, Pfeile 2 und 3) am Zusammenschluss von Abschnitten geweiteter und tiefer Malschichtrisse vor. Die Länge der Risse beträgt 0,1 bis zu 1,4 mm in Bereich 1 (Abb. III.63, III.64, Pfeil 1). Stellenweise ist eine variierende Breite beobachten. Beispielsweise in Bereich 10 (Abb. III.73, III.74, S. 302) deutet Pfeil 2 auf einen 0,1 mm langen Rissabschnitt, dessen Breite von unter 0,01 mm auf 0,02 mm (rot kartiert) ansteigt. Bereich 2 (Abb. III.65, III.66, S. 301) zeigt die im Rissverlauf wechselnden Verbindungen mit den ehemaligen Firnisrissen und den Malschichtrissen. So hat der Riss an den Stellen der Pfeile 1, 2 und 4 Verbindung mit einem ehemaligen Firnisriss mit Profil a, wobei die zugehörigen Malschichtrisse sowohl geweitet und tief (Pfeile 1, 2) als auch schmal und oberflächlich (Pfeil 4) sind, an einem kurzen Rissabschnitt (Pfeil 6) verläuft er ohne Verbindung mit einem ehemaligen Firnisriss und Malschichtriss. Aktuelle Firnisrisse mit Profil b: Die Risse sind überwiegend glatt und zügig, zum Teil auch leicht gezackt und zügig sowie gerade bis ein- oder mehrfach gebogen. In Bereich 3 (Abb. III.67, III.68, S. 301, Pfeile 4 bis 6) beträgt die Rissbreite bis zu 0,01 mm und die Risslänge unter 0,1 bis zu 0,7 mm. Die Risse gehen zum Teil in die aktuellen Firnisrisse mit Profil a über.

Aktuelle Firnisrisse: Einzelform und Anordnung in der Aufsicht, ohne und mit Verbindung zu den ehemaligen Firnisrissen und den Malschichtrissen Kartierungen: aktuelle schmale Firnisrisse: schwarz, aktuelle geweitete Firnisrisse: rot, geweitete und tiefe Malschichtrisse: grün, schmale und oberflächliche Malschichtrisse: blau

Abb. III.63: Bereich 1, Kartierung, aktuelle Firnis- Abb. III.64: Bereich 1, Kartierung, aktuelle Firnis- risse, Pfeile 1-4: versch. Profile und Konstellationen risse und Malschichtrisse, Pfeile 1-4: versch. Profile der aktuellen Firnisrisse (1: Profil a in Verbindung m. und Konstellationen der aktuellen Firnisrisse (1: Pro- ehem. Firnisriss Profil a, 2: Profil a in Verbindung m. fil a in Verbindung m. ehem. Firnisriss Profil a, 2: ehem. Firnisriss Profil c, 3: Unterbrechung, 4: ge- Profil a in Verbindung m. ehem. Firnisriss Profil c, 3: zackter Rissverlauf) Unterbrechung, 4: gezackter Rissverlauf)

300

Abb. III.65: Bereich 2, Kartierung, aktuelle Firnis- Abb. III.66: Bereich 2, Kartierung, aktuelle Firnis- risse, Pfeile 1-7: versch. Profile und Konstellationen risse und Malschichtrisse, Pfeile 1-7: versch. Profile der aktuellen Firnisrisse (1-5: Profil a in Verbindung und Konstellationen der aktuellen Firnisrisse (1-5: m. ehem. Firnisriss Profil a, 6: Profil a ohne Verbin- Profil a in Verbindung. m. ehem. Firnisriss Profil a, dung mit ehem. Firnisriss, 7: gegenseitige Ablen- 6: Profil a ohne Verbindung mit ehem. Firnisriss, 7: kung versetzt paralleler Risse) gegenseitige Ablenkung versetzt paralleler Risse)

Abb. III.67: Bereich 3, Kartierung, aktuelle Firnis- Abb. III.68: Bereich 3, Kartierung, aktuelle Firnis- risse, Pfeile 1-6: versch. Profile und Konstellationen risse und Malschichtrisse, Pfeile 1-6: versch. Profile der aktuellen Firnisrisse (1-3: Profil a ohne ehem. und Konstellationen der aktuellen Firnisrisse (1-3: Firnisrisse, 4-6: Profil b ohne ehem. Firnisrisse) Profil a ohne ehem. Firnisrisse, 4-6: Profil b ohne ehem. Firnisrisse)

Abb. III.69: Bereich 5, Kartierung, aktuelle Firnis- Abb. III.70: Bereich 5, Kartierung, aktuelle Firnis- risse, Pfeile 1-6: versch. Profile und Konstellationen risse und Malschichtrisse, Pfeile 1-6: versch. Profile der aktuellen Firnisrisse (1: Profil a in Verbindung m. und Konstellationen der aktuellen Firnisrisse (1: Pro- ehem. Firnisriss Profil b, 2: Profil a ohne Verbindung fil a in Verbindung m. ehem. Firnisriss Profil b, 2: m. ehem. Firnisriss, 3: Überlagerung, 4: Annäherung Profil a ohne Verbindung m. ehem. Firnisriss, 3: ohne Rissablenkung, 5: Parallelverlauf, 6: variierende Überlagerung, 4: Annäherung ohne Rissablenkung, Rissbreite) 5: Parallelverlauf, 6: variierende Rissbreite)

301

Abb. III.71: Bereich 8, Kartierung, aktuelle Firnis- Abb. III.72: Bereich 8, Kartierung, aktuelle Firnis- risse, Pfeile 1-5: versch. Profile und Konstellationen risse und Malschichtrisse, Pfeile 1-5: versch. Profile der aktuellen Firnisrisse (1: Profil a in Verbindung. und Konstellationen der aktuellen Firnisrisse (1: Pro- m. ehem. Firnisriss Profil c, 2: Profil c in Verbin- fil a in Verbindung m. ehem. Firnisriss Profil c, 2: dung m. ehem. Firnisriss Profil c, 3: Profil c in Ver- Profil c in Verbindung m. ehem. Firnisriss Profil c, 3: bindung m. ehem. Firnisriss Profil b, 4: gezackter Profil c in Verbindung. m. ehem. Firnisriss Profil b, Verlauf, 5: Unterbrechung) 4: gezackter Verlauf, 5: Unterbrechung)

Abb. III.73: Bereich 10, Kartierung, aktuelle Firnis- Abb. III.74: Bereich 10, Kartierung, aktuelle Firnis- risse, Pfeile 1-7: versch. Profile und Konstellationen risse und Malschichtrisse, Pfeile 1-7: versch. Profile der aktuellen Firnisrisse (1: Profil a in Verbindung m. und Konstellationen der aktuellen Firnisrisse (1: Pro- ehem. Firnisriss Profil a, 2: Profil a ohne Verbindung fil a in Verbindung m. ehem. Firnisriss Profil a, 2: mit ehem. Firnisriss, 3: Unterbrechung, 4: Überlage- Profil a ohne Verbindung mit ehem. Firnisriss, 3: rung, 5: Parallelverlauf und Abweichung, 6: Wei- Unterbrechung, 4: Überlagerung, 5: Parallelverlauf tung, 7: gezackter Verlauf) und Abweichung, 6: Weitung, 7: gezackter Verlauf)

Aktuelle Firnisrisse mit Profil c: Die Abbildungen III.71 und III.72 zeigen zwei Einzelrisse in Bereich 8. Sie sind glatt und zügig sowie gerade (Pfeil 2) und zweifach gebogen (Pfeil 3). Der mit Pfeil 2 markierte Riss hat eine maximale Breite von 0,1 mm und läuft an beiden Seiten zu Null hin aus. In Relation zu Länge von 0,7 mm ergibt sich daraus eine stark differierende Breite. Der zweite Riss (Pfeil 3) hat zu beiden Seiten einen Übergang zu aktuellen Firnisrissen mit Profil a.

302 Aktuelle Firnisrisse: Rissanordnung in der Aufsicht Aktuelle Firnisrisse mit Profil a: Die Rissanordnung variiert in den verschiedenen Bereichen. In den Bereichen 1 und 3 liegen wenige, isolierte oder nur einseitig aneinander angeschlossene Risse vor. Teilweise geschlossen ist das Netzcraquelé in den Bereichen 2 und 4 bis 11. Einen ungewöhnlichen Zusammenschluss erkennt man in Bereich 2 (Abb. III.65, III.66, S. 301). An die ausgeprägte Biegung eines Risses (Pfeile 3, 5) schließt ein zweiter Riss (Pfeil 4) an. Ein Sonderfall ist die gegenseitige Ablenkung zweier versetzt paralleler Risse (Pfeile 6 und 7). Eine Überlagerung, eine Biegung entgegen der üblichen Rissablenkung und möglicherweise auch eine Verzweigung sind in Bereich 5 zu beobachten (Abb. III.69, III.70, S. 301, Pfeile 3 und 5). Mehrfach reihen sich kürzere Risse aneinander. In den Bereichen 8 und 10 ist diese Anordnung als Unterbrechung kartiert (Abb. III.71, III.72, S. 302, Pfeil 5, Abb. III.73, III.74, S. 302, Pfeil 3). Auch verschiedene Konstellationen mit den Malschichtrissen und ehemaligen Firnisrissen werden deutlich. Unabhängig verlaufen die Risse in den Bereichen 3 und 5. Eine mehrheitliche Verbindung mit Malschichtrissen und ehemaligen Firnisrissen mit den Profilen a, b und c be- steht in den Bereichen 1, 2, 8 und 10. Beispielsweise in Bereich 1 (Abb. III.63, III.64, S. 300) verbinden sich Risse mit einem ehemaligen Firnisriss mit Profil a, in Verbindung mit einem ge- weiteten und tiefem Malschichtriss (Pfeil 1) und an anderer Stelle (Pfeil 2) mit einem ehema- ligen Firnisriss mit Profil c, in Verbindung mit einem schmalen und oberflächlichen Mal- schichtriss. Beispiele vereinzelter Abweichungen sind in Bereich 5 (Abb. III.69, III.70, S. 301, Pfeil 5) ein Parallelverlauf zu einem Malschicht- und ehemaligen Firnisriss oder in Bereich 10 (Abb. III.73, III.74, S. 302, Pfeil 4) der Verlauf eines Rissabschnittes abseits des Anschlusses von Malschicht- und ehemaligen Firnisrissen. Aktuelle Firnisrisse mit Profil b: Die Risse liegen in Bereich 3 (Abb. III.67, III.68, S. 301, Pfeile 4-6) entweder isoliert und ohne Vorzugsrichtung in der Fläche, sind untereinander oder mit kur- zen aktuellen Firnisrissen mit Profil a (Pfeile 2 und 3) einseitig zusammengeschlossen. Sie haben keine Verbindung mit den ehemaligen Firnisrissen und den Malschichtrissen, sondern überlagern sie mehrfach (Pfeil 6). Aktuelle Firnisrisse mit Profil c: In Bereich 8 (Abb. III.71, III.72, S. 302) hat der mit Pfeil 2 markierte Riss Verbindung mit einem ehemaligen Firnisriss mit Profil c und einem geweiteten und tiefen Malschichtriss, ist aber gegenüber den aktuellen Firnisrissen im Umfeld isoliert. Der mit Pfeil 3 markierte Riss (Pfeil 3) ist ebenfalls mit einem geweiteten und tiefen Malschichtriss und zudem mit einem ehemaligen Firnisriss mit Profil b verbunden.

303 Mattigkeit und Runzeln Bei normaler Betrachtung erscheinen weite Bereiche des Gemäldes matt. Der Grad der Mattig- keit variiert. Besonders auffällig sind die Unterschiede an der Stelle der Karaffe in der Hand des Bohnenkönigs (Abb. III.10, III.11, S. 267). In Bereich 6 ist der Firnis besonders matt, in Bereich 7 ist er glänzender. Diesen beiden Bereichen wird Bereich 5 gegenübergestellt, der zum einen im weiteren Umfeld liegt und zum anderen im Grad seiner Mattigkeit als repräsentativ für weite Teile der Bildfläche angesehen wird. Mikroskop-Aufnahmen zeigen die drei Bereiche in verschiedenen Beleuchtungs- und Aufnahmesituationen (Abb. III.75, III.76, Abb. III.77- III.80, S. 305). Die koaxiale Beleuchtung verdeutlicht, dass die sichtbare Mattigkeit mit feinsten Runzeln in Bezug steht. In Bereich 6 sind die Runzeln vor allem dichter angeordnet als in den Bereichen 5 und 7. Nach Klopfer werden die Runzeln anhand ihres Profils und in Anlehnung an die Darstellung von Rissen zudem in ihrer Einzelform und Anordnung in der Fläche be- schrieben.540

Firnis: Mattigkeit und Runzelbildung Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. III.75: Bereich 6, Mikroskop-Aufnahme, ko- Abb. III.76: Bereich 6, Mikroskop-Aufnahme, Be- axiale Beleuchtung, Pfeile 1-5: Runzeln (1-2: Breite, leuchtung schräg von links und mit Shellsol T be- 3: starke Biegung, 4: Orientierung an ehem. Firnis- netzt, Pfeile 1-5: Runzeln (1-2: Breite, 3: starke Bie- riss, 5: Verzweigung und Überlagerung eines ehem. gung, 4: Orientierung an ehem. Firnisriss, 5: Ver- Firnisrisses) Pfeil 6: lokale Erhebung zweigung und Überlagerung eines ehem. Firnis- risses), Pfeil 6: lokale Erhebung

540 Vgl. Klopfer 1976, S. 131f., Abb. 3.6.1 A, S. 131, 139-144, Abb. 3.7.1, S. 139. 304

Abb. III.77: Bereich 7, Mikroskop-Aufnahme, ko- Abb. III.78: Bereich 7, Mikroskop-Aufnahme, Be- axiale Beleuchtung, Pfeile 1-3: Runzeln leuchtung schräg von links und mit Shellsol T be- netzt, Pfeile 1-3: Runzeln

Abb. III.79: Bereich 5, Mikroskop-Aufnahme, ko- Abb. III.80: Bereich 5, Mikroskop-Aufnahme, Be- axiale Beleuchtung, Pfeile 1-4: Runzeln (1: Verzwei- leuchtung schräg von links und mit Shellsol T be- gung, 2: Parallelverlauf, 3, 4: Orientierung an ehem. netzt, Pfeile 1-4: Runzeln (1: Verzweigung, 2: Paral- Firnisriss) Pfeil 5: glatte Firnisoberfläche lelverlauf, 3, 4: Orientierung an ehem. Firnisriss) Pfeil 5: glatte Firnisoberfläche

Das Profil der Runzeln ist gerundet und hat fließende Übergänge zur ebenen Fläche. Die Breite beträgt in Bereich 6 (Abb. III.75, Abb. III.76, S. 304) 0,04 mm, in Bereich 7 (Abb. III.77, Abb. III.78) 0,02 bis 0,03 mm und in Bereich 5 (Abb. III.79, Abb. III.80) 0,02 bis 0,04 mm. Die Ein- zelformen verlaufen glatt und zügig oder glatt und wild, z.B. in Bereich 6 (Abb. III.75, Abb. III.76, S. 304, Pfeile 3, 5). Eine ein- bis mehrfache Verzweigung, z.B. in Bereich 5 (Abb. III.79, III.80, Pfeil 1), wird als Bestandteil der Einzelform betrachtet. Die Länge reicht überwiegend von 0,1 bis 0,4 mm. In Bereich 6 deutet Pfeil 6 auf eine kugelförmige Erhebung mit demselben Profil (Abb. III.75, III.76, S. 304, Pfeil 6). Der wesentliche Unterschied zwischen den Be- reichen wird der flächigen Anordnung gesehen. In Bereich 6 liegen die Runzeln dicht neben- einander und bedecken so die gesamte Fläche, während sich die wenigen Runzeln in Bereich 7 an mehreren Stellen konzentrieren. Eine nochmals andere Anordnung haben die Runzeln in Be- reich 5. Sie umschließen unregelmäßige Flächen mit glatter Oberfläche und einem Durchmesser

305 von 0,1 bis 0,5 mm. Dabei reihen sie sich aneinander und liegen parallel zueinander (Abb. III.79, III.80, S. 305, Pfeile 1, 2). Stellenweise orientieren sich die Runzeln am Verlauf der ehe- maligen Firnisrisse mit Profil b. Pfeil 4 deutet in Bereich 6 (Abb. III.75, III.76, S. 304) auf einen Parallelverlauf, die Pfeile 3 und 4 in Bereich 5 (Abb. III.79, III.80, S. 305) auf Rich- tungsänderungen, ähnlich der Rissablenkung. In Bereich 6 überlagert eine Runzel einen ehe- maligen Firnisriss mit Profil c (Abb. III.75, III.76, S. 304, Pfeil 5). Beides deutet darauf hin, dass die Runzeln nach der Schließung der ehemaligen Firnisrisse entstanden waren.

Firnisinseln Die Firnisinseln sind in einer Fläche des Gemäldes vorhanden, die vom Knie des Betrunkenen links über das Tischgestell, dann weiter zu den Stiefeln, dem Knie und dem Gewand des Boten und schließlich bis zum Brotkorb und bis knapp unterhalb der Hand des Boten reicht. Sie befin- den sich damit auf Leinwandstücken von verschiedenen Phasen der Bilderweiterung.

Firnisinseln Detail-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. III.81: Tischgestell, Detail-Aufnahme, koaxiale Abb. III.82: Tischgestell, Detail-Aufnahme, UV- Beleuchtung, Pfeil 1: Position von Bereich 8a, Pfeil Anre-gung, Pfeil 1: Position von Bereich 8a, Pfeil 2: 2: Schlieren, Pfeil 3: Firnisinsel, Pfeil 4: Bereich mit Schlieren, Pfeil 3: Firnisinsel, Pfeil 4: Bereich mit geringer Firnisdicke, Pfeil 5: Weitung ehemaliger geringer Firnisdicke, Pfeil 5: Weitung ehemaliger Firnisrisse, Pfeil 6: nicht betroffenes Umfeld, Maß- Firnisrisse, Pfeil 6: nicht betroffenes Umfeld, Maß- balken: 1 cm balken: 1 cm

Detail-Aufnahmen in koaxialer Beleuchtung und UV-Anregung (Abb. III.81, III.82) zeigen ausgeprägte Firnisinseln im Umfeld von Bereich 8a (Pfeil 1). Hell fluoreszierende Schlieren (Pfeil 2) lassen einen Zusammenhang mit dem Lösen des Firnisses bei einem restauratorischen Eingriff vermuten. Die Firnisinseln (Pfeil 3) zeichnen sich durch eine Erhebung in der Mitte und eine unregelmäßig verzweigte Kontur aus. Die daran angrenzenden Flächen (Pfeil 4) haben eine geringere Firnisdicke und UV-Fluoreszenz. Pfeil 5 markiert den Rand des Bereichs der

306 Firnisinseln und deutet gleichzeitig auf einen ehemaligen Firnisriss mit Profil d, wie er in Be- reich 9 (Abb. III.54, III.55, S. 294) erfasst ist. Pfeil 6 zeigt auf das von diesem Schadens- phänomen unberührte Umfeld, das dem etwas weiter entfernten Bereich 10 (Abb. III.56, III.57, S. 294) entspricht.

Firnisinseln Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. III.83: Bereich 8a, Mikroskop-Aufnahme, ko- Abb. III.84: Bereich 8a, Mikroskop-Aufnahme, UV- axiale Beleuchtung, Pfeil 1: Firnisinsel, Pfeil 2: Be- Anregung, Pfeil 1: Firnisinsel, Pfeil 2: Bereich mit reich mit geringerer Firnisdicke, Pfeile 3: Übergangs- geringerer Firnisdicke, Pfeil 3: Übergangsbereich bereich

Abb. III.85: Bereich 8, Mikroskop-Aufnahme, ko- Abb. III.86: Bereich 8, Mikroskop-Aufnahme, UV- axiale Beleuchtung, Pfeil 1: Firnisinsel, Pfeil 2: Be- Anregung, Pfeil 1: Firnisinsel, Pfeil 2: Bereich mit reich mit geringerer Firnisdicke, Pfeil: 3: Übergangs- geringerer Firnisdicke, Pfeil 3: Übergangsbereich, bereich, Pfeil 4: Schlieren, Pfeil 5: minimale Firnis- Pfeil 4: Schlieren, Pfeil 5: minimale Firnisdicke dicke

Die Mikroskop-Aufnahmen (Abb. III.83-III.86) zeigen die Bereiche 8 und 8a ebenfalls in ko- axialer Beleuchtung und UV-Anregung. Die Inseln (Pfeil 1) sind weitgehend ohne ehemalige Firnisrisse. In den Bereichen mit geringerer Firnisdicke (Pfeil 2) zeichnen sich ehemalige Fir- nisrisse mit den Profilen b und e ab. Die Übergänge zu den Firnisinseln sind fließend (Pfeil 3). In Bereich 8 erkennt man an einem Übergangsbereich geringfügige Schlieren (Pfeil 4). In

307 Kapitel 4.3.3 (S. 265) sind die generell möglichen Ursachen genannt. Eine Benetzungsstörung beim Firnisauftrag erscheint als unwahrscheinlich, weil in den Proben 8a bis 8c gegenüber dem Umfeld, Bereich 10, und der zugehörigen Probe 10 keine zusätzliche Firnisschicht nachge- wiesen ist. Wahrscheinlicher ist eine Alkohol-Bedampfung unter dem Pettenkofer-Kasten oder mit einer Apparatur nach der „Friesʼschen Methode“, die sich nach Hauser d. J. insbesondere für die Regenerierung großformatiger Gemälde eignet.541 An der Bildoberfläche sind keine Konturen eines auf die Bildoberfläche aufgelegt Kastens erkennbar. Die Bereiche mit geringerer Firnisdicke weisen als weiteres Merkmal die o.g. Runzeln auf, während die Firnisinseln nicht von der Runzelbildung betroffen sind. Die unterschiedliche Schadensentwicklung kann nicht alleine mit den abweichenden Firnisdicken erklärt werden. Es wird aber angenommen, dass die Runzeln nach den Firnisinseln entstanden waren.

Firnis: Migration Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen und Aufnahmesituationen

Abb. III.87: Bereich 4, Mikroskop-Aufnahme, koaxi- Abb. III.88: Bereich 4, Mikroskop-Aufnahme, Be- ale Beleuchtung, Pfeile 1, 2: vermutliche Pigmente leuchtung schräg von links und mit Shellsol T be- an der Firnisoberfläche netzt, Pfeile 1, 2: vermutliche Pigmente an der Firnis- oberfläche

Migration von Firnis Die Migration von Farbe aus dem Malschichtcraquelé sowie die Auflösung der aufgestiegenen Farbe im Firnis in den Bereichen 3 und 8 sind bereits in Kapitel 4.3.5.2 beschrieben (vgl. Abb. III.41, III.42, S. 287). Beides lässt indirekt auch auf eine Migration von Firnis schließen. In Be- reich 4 liegt entlang der ehemaligen Firnisrisse mit wechselnden Profilen eine Vielzahl von punktuellen Erhebungen vor (Abb. III.87, Pfeile 1, 2). In ihnen werden feinste Pigmentpartikel gesehen, die ihren Ursprung in der Migration dunkler Farbe der Untermalung aus dem Mal-

541 Vgl. Hauser d. J., Manuskript, Archiv Ferdinand Werner, Worms, nach Mandt 1995, S. 227. 308 schichtcraquelé haben und durch Strömungen des gelösten Firnisses im Rissbereich an die Fir- nisoberfläche transportiert worden waren. Bei normaler Beleuchtung sind allerdings keine Par- tikel erkennbar (Abb. III.88, S. 308).

Einschluss von Luftblasen Im Firnis eingeschlossene Luftblasen finden sich innerhalb der Öffnungen der geweiteten Mal- schichtrisse. Abbildung III.41 (S. 287) zeigt solche Luftblasen in Bereich 3. Sie haben eine Breite von 0,02 bis 0,03 mm und eine Länge von 0,1 bis 0,5 mm, bei einer Breite der Mal- schichtrisse von 0,03 bis 0,04 mm. Eine Blase (Pfeil 5) verzweigt sich am Zusammenschluss der Malschichtrisse, an anderer Stelle der Malschichtrisse reihen sich mehrere kleinere Blasen aneinander.

Absplitterungen Im Umfeld der Bereiche 6 und 7 liegen minimale Absplitterungen entlang von ehemaligen Fir- nisrissen vor. Die Absplitterungen sind nicht in Mikroskop-Aufnahmen erfasst. In den Detail- aufnahmen (Abb. III.89, III.90) deuten die Pfeile 1 und 2 auf zwei Ausbrüche. Ihre Einzelform ist rund bis oval. Die Länge beträgt 2 mm (Pfeil 1) und 1 mm (Pfeil 2), die Breite bis zu 1 mm. Die scharfen Konturen der Ausbrüche und die unter UV-Anregung dunkel erscheinenden Teilbereiche der Ausbrüche deuten darauf hin, dass nach ihrer Entstehung kein weiterer Firnis aufgetragen worden war. Vermutlich handelt es sich um die jüngsten Schäden des Firnisses.

Firnis: Absplitterungen Detail-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. III.89: Bereiche 6 und 7, Detail-Aufnahme, ko- Abb. III.90: Bereiche 6 und 7, Detail-Aufnahme, axiale Beleuchtung, Pfeile 1, 2: Firnisausbrüche, UV-Anregung, Pfeile 1, 2: Firnisausbrüche, Pfeil 3: Pfeil 3: Bereich 7, Pfeil 4: Bereich 6, Maßbalken: 1 Bereich 7, Pfeil 4: Bereich 6, Maßbalken: 1 cm cm

309 Schichtenstörungen des Firnisses im Querschliff Die verschiedenartigen Schichtenstörungen werden anhand der Proben 1a, 3a, 3b Mitte, 3c, 4a links, 8a rechts, 8c links und 10 dargestellt. Dazu dienen die Kartierungen der Mikroskop-Auf- nahmen (Abb. III.91-III.94, Abb. III.95-III.98, S. 311). Grundlage sind die in Kapitel 4.3.4.3 (S. 275-281) dargestellten Schichten und Schichtenfolgen des Firnisses.

Schichtenstörungen des Firnisses im Querschliff Kartierungen: Firnis: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. III.91: Probe 1a, Kartierung, Schichtenfolgen Abb. III.92: Probe 3a, Kartierung, Schichtenfolgen des Firnisses: 2-5, Rissbereiche: R1-R4, Pfeile: des Firnisses: 3-5, Rissbereich: R1, Pfeile: Schicht- Schichtgrenzen und Schichtenstörungen (1: klare grenzen und Schichtenstörungen (1: klare Schicht- Schichtgrenze, Pfeil 2: angelöste Schichtgrenze, grenze, 2: angelöste Schichtgrenze, 3: aufgelöste 3:wellige Deformation, 4, 5: Schichtenstörung im Schichtgrenze, 4:wellige Deformation, 5, 6: Schich- Rissbereich) tenstörung im Rissbereich)

Abb. III.93: Probe 3b Mitte, Kartierung, Schichten- Abb. III.94: Probe 3c, Kartierung, Schichtenfolgen folgen des Firnisses: 3-5, Rissbereich: R3, Pfeile: des Firnisses: 1, 3-5, Rissbereich: R1, Pfeile: Schicht- Schichtenstörungen (1:wellige Deformation, 2: Mi- grenzen und Schichtenstörungen (1: klare Schicht- gration, 3: Schichtenstörung im Rissbereich) grenze, 2:wellige Deformation, 3: Migration, 4: Schichtenstörung im Rissbereich)

310

Abb. III.95: Probe 4a links, Kartierung,: Schichten- Abb. III.96: Probe 8a rechts, Kartierung, Schichten- folgen des Firnisses: 3-5, Rissbereiche: R1, R2, folgen des Firnisses: 3-5, Rissbereiche: R1-R3, Pfeile: Schichtenstörungen (1:wellige De-formation, Pfeile: Schichtenstörungen (1:wellige Deformation, 2: Schichtenstörung im Rissbereich, 3: Runzel) 2: Migration, 3: Schichtenstörung im Rissbereich)

Abb. III.97: Probe 8c links, Kartierung, Schichten- Abb. III.98: Probe 10, Kartierung,: Schichtenfolgen folgen des Firnisses: 3-5, Rissbereich: R1, Pfeile: des Firnisses: 3-5, Rissbereich: R1, Pfeile: Schicht- Schichtenstörungen (1: Schichtenstörung im Riss- grenzen und Schichtenstörungen (1: aufgelöste bereich, 2: Luftblase) Schichtgrenze, 2:wellige Deformation, 3: Schichten- störung im Rissbereich)

Schichtgrenzen Nur wenige klare Schichtgrenzen haben sich erhalten. In Abbildung III.94 (S. 310) von Probe 3c weist Pfeil 1 auf die Grenze der Schichtenfolgen 1 und 3, die bis zum Rissbereich R1 durch- gängig klar und dabei weitgehend eben ist. Ebenfalls klar, aber uneben ist die Grenze der Schichtenfolgen 2 und 3 in den Rissbereichen R3 und R4 von Probe 1a (Abb. III.91, S. 310, Pfeil 1). Bei Schichtenfolge 2 handelt es sich um Firnisreste. Überwiegend sind die Schicht- grenzen des Firnisses angelöst. Dies ist entlang der Grenze der Schichtenfolgen 3 und 4 von allen dargestellten Proben der Fall. Mehrfach ist zu beobachten, dass sich der Erhaltungszustand der Schichtgrenzen innerhalb kurzer Probenabschnitte verändert. Beispielsweise in Probe 3a (Abb. III.92, S. 310) wechseln an der Grenze der Schichtenfolgen 4 und 5 klare (Pfeil 1), an- gelöste (Pfeil 2) und aufgelöste Abschnitte (Pfeil 3) einander ab. Dabei sind die aufgelösten Schichtgrenzen als Unterbrechung der angelösten Schichtgrenzen erkennbar.

311 Wellige Deformationen der Schichtgrenzen und Migration von Firnis Wellige Deformationen haben sich vor allem an den Grenzen der Schichtenfolgen 3 und 4 gebil- det, in unterschiedlicher Stärke. Beispielsweise in den Proben 1a und 4a links sind sie geringer (Abb. III.91, S. 310, Abb. III.95, S. 311). Stärker ausgeprägte Wellen kann man in Probe 3a (Abb. III.92, S. 310, Pfeil 4) erkennen. Zudem weisen die Wellenberge eine Neigung auf, die vom Rissbereich weg orientiert ist. Extrem gewellt sind die Schichtgrenzen in Probe 3c (Abb. III.94, S. 310). Pfeil 4 markiert eine Stelle, an der die Schichtenfolgen 3 und 4 vermutlich noch in ihrer ursprünglichen Reihenfolge vorliegen, während sie in unmittelbarer Nähe mehrfach umgekehrt und übereinander gelagert sind. Probe 4a links belegt ein lokales Auftreten (Abb. III.95, S. 311). Der wellige Verlauf der Grenze der Schichtenfolgen 3 und 4 geht im linken Teil der Probe in einen geraden Verlauf über. Eine Migration von Firnis jenseits der Rissbereiche lässt sich wiederum in Probe 3c beobachten. Sie entwickelt sich aus der welligen Deformation und zeichnet sich dadurch aus, dass sie über etwa zwei Drittel der gesamten Firnisdicke reicht. Eine schlierenartige Migration geht in Probe 8a rechts (Abb. IIII.96, S. 311, Pfeil 2) von Schichtenfolge 3 aus und reicht bis weit in Schich- tenfolge 4 hinein. Bemerkenswert ist schließlich, dass die zum Teil sehr ausgeprägten Deforma- tionen und die Migrationen innerhalb von Schichtenfolge 4 vollständig nivelliert werden und damit keinen Einfluss auf die Bildoberfläche haben.

Rissbereiche Schichtenfolge 1 von Probe 3c (Abb. III.94, S. 310) endet am Rand des stark geweiteten Mal- schichtrisses. Der Randbereich ist durch an- und aufgelöste Schichtgrenzen sowie durch eine Migration von Farbe und Firnis, u.a. der Schichtenfolge 1, verunklärt (Pfeil 4). In Probe 1a (Abb. III.91, S. 310, Pfeil 4) füllt bereits Schichtenfolge 2 den schmalen und oberflächlichen Malschichtriss in Rissbereich R4, wobei ihre obere Schichtgrenze die Vertiefung des Mal- schichtrisses abbildet. Schichtenfolge 3 nivelliert diesen Rissbereich und die ebenfalls schmalen und oberflächlichen Malschichtrisse in den Rissbereichen R2 und R3 vollständig. Ge- meinsam ist den abgebildeten Proben 1a, 3a bis 4a links, 8a rechts und 10 (Abb. III.91-III.94, S. 310, Abb. III.95, III.96 und III.98, S. 311), dass die Malschichtrisse von Firnis der Schich- tenfolgen 3 und 4 angefüllt und teilweise oder vollständig nivelliert werden. Innerhalb der Rissöffnung der Malschicht verlaufen die Schichtgrenzen des Firnisses ungleich- mäßig diagonal oder vertikal. In Probe 3a (Abb. III.92, S. 310) wird eine Strömung des Firnisses von der Mitte des Malschichtrisses (Pfeil 6) und über seine aufgewölbte Kante hinweg deutlich. Dies zeigt die Orientierung der wellenartigen Deformation an der Risskante (Pfeil 5) und auch

312 der folgenden Deformationen (Pfeil 4). Ebenfalls eine Migration von Firnis aus dem Rissbe- reich weisen die Proben 3b Mitte (Abb. III.93, S. 310, Pfeil 3) und 8a rechts (III.96, S. 311, Pfeil 3) auf. In Probe 3b Mitte ist nochmals eine seitliche Orientierung der Deformation erkenn- bar. Das Profil e ehemaliger Firnisrisse ist in Probe 8c links (Abb. 97, S. 311, Pfeil 6) erfasst. Der für dieses Profil charakteristische, aufgewölbte Rand wird von Schichtenfolge 3 gebildet, wäh- rend die Schichtenfolgen 4 und 5 das Profil wieder etwas nivellieren.

Runzeln Querschliffproben aus dem am stärksten betroffenen Bereich 6 liegen nicht vor. An der Firnis- oberfläche der noch nicht eingebetteten Probe 4a war eine ausgeprägte, senkrecht zur geplanten Anschliffebene verlaufende Runzel festgestellt worden. Die Runzel ist in Abbildung III.95 (S. 311) mit Pfeil 3 gekennzeichnet. Ihre Erhebung ist sehr gering und beträgt weniger als 5 µm. Sie zeichnet sich sowohl in der Grenze der Schichtenfolgen 4 und 5 als auch in Schichtenfolge 5 ab. Mit der ausgeprägte Schichtenstörung, wie sie Peter von den Kerkhoff und Helmut Haagen in ihrem Fallbeispiel darstellen, ist das Profil der vorliegenden Runzel nicht vergleichbar (vgl. Kap. 3.1, S. 90).542

Firnisinseln Die Firnisinseln, die angrenzenden Bereiche mit dünnerem Firnis und das nicht betroffene Um- feld werden mit den Proben 8a rechts, 8c links und 10 dargestellt. In Probe 8a rechts (Abb. III.96, S. 311) deckt sich der Scheitel einer Firnisinsel mit dem Rissbereich R1. Die Firnisdicke beträgt dort 50 µm. Nach rechts nimmt die Firnisdicke kontinuierlich ab und beträgt am rechten Rand der Abbildung 20 bis 25 µm. Probe 8c links (Abb. III.97, S. 311) zeigt den Bereich mit dünnerem Firnis. Abseits von Rissbereich R1 ist der Firnis 15 bis 20 µm dick. Die Firnisdicke von Probe 10 (Abb. III.98, S. 311) misst 25 bis 35 µm und liegt damit zwischen den in den Pro- ben 8a rechts und 8c links gemessenen Dicken. In allen drei Proben sind die Schichtenfolgen 3 bis 5 enthalten. Die Möglichkeit einer Benet- zungsstörung durch einen partiellen Firnisauftrag kann deshalb ausgeschlossen werden. Die Firnisinseln einerseits und die Bereiche mit dünnerem Firnis andererseits stehen in Zusammen- hang mit den Schichtenfolgen 3 und 4, während Schichtenfolge 5 aufgrund ihrer geringen Dicke keine Rolle spielt. Vermutet wird, dass eine Lösemitteleinwirkung Schichtenfolgen 3 und 4 gleichermaßen erweicht und die Deformation zur Folge hatte. Probe 8a rechts (Abb. III.96, S.

542 Vgl. Kerkhoff/Haagen 1995, S. 218f., Abb. 219.2., S. 219. 313 311) gibt einen Hinweis auf eine horizontale Verschiebung des Firnisses. Die Migration von Schichtenfolge 3 (Pfeil 2) hat eine Orientierung zum Scheitel der Firnisinsel (Rissbereich R1) hin. Der Vergleich der beiden Proben 8a rechts und 8c links (Abb. III.97, S. 311) deutet darauf hin, dass die höhere Dicke der Firnisinseln auf die Schichtenfolge 4 zurückzuführen ist. Hinge- gen ergibt der Vergleich der beiden Proben mit Probe 10, unter Berücksichtigung seiner ausge- prägten welligen Deformationen, ein anderes Verhältnis der Schichtenfolgen (Abb. III.98, S. 311). In Probe 10 ist Schichtenfolge 3 (15-20 µm) dicker als Schichtenfolge 4 (10-15 µm).

Luftblasen Eine eingeschlossene Luftblase ist in Probe 8c erfasst (Abb. III.97, S. 311, Pfeil 2). Sie ist oval, hat einen Durchmesser von max. 15 µm und liegt innerhalb der Öffnung eines Malschichtrisses. Der die Luftblase umgebende Firnis wird Schichtenfolge 3 zugeordnet.

314 Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Veränderungen der Firnis- und Malschichtrisse sowie der Firnisdeformationen Ausgangspunkt des modellhaften Rekonstruktionsversuchs ist ein mehrschichtiger Firnis in einem gealterten Zustand. Wesentlich sind dabei die Schichtenfolgen 3 und 4 des Firnisses. Die Veränderungen und Deformationen werden als Folge einer Lösemitteleinwirkung und der an- schließenden Wiederhärtung betrachtet. Die Art des restauratorischen Eingriffs mit Lösemittel- einwirkung wird nicht näher eingegrenzt. Es kann sich um einen Firnisauftrag, um eine Be- dampfung mit Ethanol, einen Auftrag von Lösemitteln wie Terpentinöl oder von Copaviabal- sam handeln. Verschiedene Prozesse und Faktoren spielen eine Rolle, ein Lösen des Firnisses im Rissbereich, ein Schließen von aktuellen Firnisrissen, ein Füllen von Malschichtrissen mit Firnis, eine hori- zontale Verschiebung des Firnisses und Weitung der Malschichtrisse. Wesentlicher Schadens- faktor von Rissweitung und borkenartiger Deformation ist eine Gleitschicht (vgl. Kap. 3.1, S. 79f.). Wie z.B. in Kapitel 4.3.5.2 (Abb. 31, S. 282) anhand von Probe 3b Mitte gezeigt wird, kann die dunkle Untermalung als eine solche Gleitschicht wirken. Gleiches gilt für Schichten und Schichtenfolgen des Firnisses (vgl. Kap. 4.3.6.2, S. 328-332). Als weitere wichtige Scha- denseinflüsse werden eine verlängerte Lösemittelretention in den mit Firnis gefüllten Rissbe- reichen und in den unteren Ebenen des dicken Firnisses bei gleichzeitiger beginnender Wieder- härtung an der Firnisoberfläche angenommen. Der modellhafte Rekonstruktionsversuch konzentriert sich auf die ehemaligen Firnisrisse in Verbindung mit den geweiteten und tiefen Malschichtrissen. Wie in Kapitel 4.3.5.3 (S. 290- 297) dargestellt, wechseln im Verlauf ehemaliger Firnisrisse vielfach die Profile. Diese enge Verbindung bildet die Grundlage dafür, eine gemeinsame Entwicklung der Profile a bis d ehe- maliger Firnisrisse zu skizzieren. Vereinfachend ist der mehrschichtige Firnis hellgrau, die Mal- schicht hellgrau gesprenkelt gezeichnet. In den Zeichnungen sind Bildung, Weitung und Schließen der Firnisrisse mit „a“, der Malschichtrisse mit „b“ angegeben. Die Pfeile illustrieren die Bildung, Weitung und Vertiefung von Firnisdeformationen und die horizontale Verschie- bung des Firnisses. In Phase 1 (Abb. III.99.1, S. 316) ist der gealterte Zustand dargestellt. Ein aktueller Firnisriss (a) geht in einen schmalen und tiefen Malschichtriss (b) über. In Phase 2 (Abb. III.99.2, S. 316) füllt Firnis den Malschichtriss und schließt den Firnisriss (a). An der Stelle des nun ehemaligen Firnisrisses ist die Firnisoberfläche eben. Abbildung III.99.3 (S. 316) zeigt Phase 3. Der Mal- schichtriss (b) wird geweitet, hingegen bleibt die Firnisoberfläche unverändert. Die dem Firnis gegenläufige horizontale Bewegung der Malschicht bei der Rissweitung kann durch einen er-

315 weichten Zustand des gesamten Firnisses oder einer Firnisschicht ermöglicht werden. In den Phasen 2 und 3 entsteht das Profil c ehemaliger Firnisrisse.

Abb. III.99.1-III.99.8: Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Veränderungen der Firnis- und Malschichtrisse sowie der Firnisdeformationen, acht Phasen (1-8), Firnis: hellgrau, Malschicht: hellgrau gesprenkelt, Bildung, Weitung und Vertiefung von Firnisdeformationen sowie horizontale Verschiebung des Firnisses: Pfeile

In Phase 4 (Abb. III.99.4) schreitet die Weitung des Malschichtrisses (b) fort. Es wird angenom- men, dass sich dabei eine Randflucht unten bildet, unter dem Einfluss der Untermalung als Gleitschicht, die aber in der vereinfachenden Profilzeichnung nicht dargestellt ist. Bei der Wie- derhärtung bildet sich eine Firnisdeformation (Pfeile). Zu der Deformation trägt mög- licherweise eine verlängerte Retention des Lösemittels im Rissbereich bei, so dass der Firnis dort leichter deformierbar ist als im Umfeld. Phase 4 stimmt mit Profil b ehemaliger Firnisrisse überein. In Phase 5 (Abb. III.99.5) entsteht ein oberflächlicher Firnisriss (a). Grundlage dafür ist die Annahme, dass der Firnis aufgrund seiner höheren Dicke zunächst nur oberflächlich här- tet und in der unteren Ebene noch erweicht ist. Mit der fortschreitenden Härtung des Firnisses in Phase 6 (Abb. III.99.6) wird die Firnisdeformation geweitet und vertieft (Pfeile). Zudem wird der oberflächliche Firnisriss geweitet (a). Die bereits weitgehend gehärteten Risskanten wölben

316 sich dabei auf. Resultat ist das Profil a ehemaliger Firnisrisse. In Phase 7 (Abb. III.99.7, S. 316) finden nochmals eine Weitung des oberflächlichen Firnisrisses sowie Weitung und Vertiefung der Firnisdeformation statt, die von einer horizontalen Verschiebung des Firnisses begleitet sind (Pfeile). Der Firnis ist nur oberflächlich gehärtet und in der unteren oder mittleren Schich- tenebene erweicht. Der Malschichtriss bleibt dabei unverändert. In dieser Phase bildet sich das Profil d ehemaliger Firnisrisse, das für Bereich 9 typisch ist. Zuletzt entsteht in Phase 8 (Abb. III.99.8, S. 316) ein aktueller Firnisriss (a). Der modellhafte Rekonstruktionsversuch deutet darauf hin, dass die Profile a bis d ehemaliger Firnisrisse einen gemeinsamen Ursprung haben, dann aber Einzelrisse oder Rissabschnitte in bestimmten Phasen unverändert bleiben oder sich über mehrere Phasen weiter verändern. Die Ursachen dafür sind unklar. Sie können auf lokale Unterschiede des Schichtenaufbaus, der Riss- bildung von Firnis und Malschicht, die variierende Wirkung der Lösemittel bzw. lösenden Be- standteile oder, wie im Fall von Phase 7, auf partielle restauratorische Eingriffe zurückzuführen sein.

4.3.5.4 Rekonstruktionsversuch der Restaurierungsgeschichte

Das Gemälde erfährt mehrere Restaurierungen, wobei aber Eingriffe am Firnis bis in das Jahr 1953 nicht schriftlich dokumentiert sind. Wie in Kapitel 4.3.4.3 (S. 280f.) dargestellt ist, sind zwei unterschiedliche zeitliche Einordnungen der Schichtenfolgen des Firnisses möglich. Diese beiden Möglichkeiten ergeben sich aus der offenen Frage, ob die Reste der Nummer des Inv. 1749ff. aus dem Jahr 1752 stammen (zeitliche Einordnung I) oder ob bei der Restaurierung in Paris 1807 eine Firnisabnahme vorgenommen, in diesem Zuge die Nummer entfernt und nach der Restitution 1816 wieder erneuert worden war (zeitliche Einordnung II). Tabelle III.8 (S. 318) gibt eine Übersicht über die restauratorischen Maßnahmen und ihre alter- nativen zeitlichen Einordnungen. Phase 1 stellt die Abnahme des Schlussfirnisses und den Auf- trag eines Firnisses (Schichtenfolge 1) dar. In Phase 2 wird der Firnis wiederum abgenommen und das Gemälde erneut gefirnisst (Schichtenfolge 2). Firnisabnahmen und Neufirnisse sind in jeweils in einer Phase zusammengefasst. Die beiden Phasen werden in die weite Zeitspanne nach den 1650er Jahren bis vor 1752 oder 1807 eingeordnet. Die Abnahme von Schichtenfolge 2 und der Auftrag von Schichtenfolge 3 des Firnisses findet entweder vor 1752 oder im Jahr 1807 in Paris statt (Phase 3).

317 Phasen Maßnahmen zeitliche Einordnung I zeitliche Einordnung II

1 Firnisabnahme und Firnisauftrag der vor 1752 vor 1807 Schichtenfolge 1 2 Firnisabnahme (mit Firnisresten) und vor 1752 vor 1807 Firnisauftrag der Schichtenfolge 2 3 Firnisabnahme (mit Firnisresten) und vor 1752 1807 Firnisauftrag der Schichtenfolge 3 4 Firnisauftrag der Schichtenfolge 4 1752 bis vor 1953 1816 bis vor 1953 5 partielle Lösemittelanwendung nach 1752 bis vor 1953 nach 1816 bis vor 1953 6 Firnisaufträge der Schichtenfolge 5, nach 1752 bis vor 1953 nach 1816 bis vor 1953 Lösemittelanwendung ? oder 1953 oder 1953

Tab. III.8: Versuch der zeitlichen Einordnung der Schichtenfolgen des Firnisses und restauratorischen Maß- nahmen, sechs Phasen: 1-6, zeitliche Einordnung I: Auftrag der in Resten erhaltenen Nummer des Inv. 1749ff. im Jahr 1752, zeitliche Einordnung II: Erneuerung der entfernten Nummer des Inv. 1749ff. im Jahr 1816

Phase 4 stellt den Auftrag von Schichtenfolge 4 des Firnisses dar, entweder nach 1752 oder nach 1816 bis in die Zeit vor 1953. Die Schichtenfolgen 3 und 4 haben gemeinsam verschiedene Veränderungen erfahren, das An- und Auflösen der Schichtgrenzen, wellige Deformation der Schichtgrenzen und die Migration von Farbe und Firnis. Für einige Veränderungen lässt sich eine zeitliche Abfolge skizzieren. Sie beginnt mit der Bildung der ehemaligen Firnisrisse, dar- auf folgen die Migration von Farbe und Firnis und die Firnisinseln in den Bereichen 8 und 8a. Von den möglichen restauratorischen Eingriffen ist die partielle Lösemittelanwendung in den Bereichen 8 und 8a als Phase 5 angeführt. Phase 6 fasst die beiden Firnisaufträge von Schichtenfolge 5 zusammen. Ihre zeitliche Einord- nung ergibt sich aus der offenen Frage, ob bei der ersten schriftlich dokumentierten Restau- rierung 1953, einer „Firnisbehandlung“, ein Firnis aufgetragen worden war oder nicht. Im letz- teren Fall wäre eine Lösemittelanwendung denkbar. Demnach können die Firnisschichten sowohl aus der Zeit vor 1953 als auch aus dem Jahr 1953 stammen. Die Runzeln und die Mattig- keit des Firnisses sind möglicherweise Folgen dieser „Firnisbehandlung“.

318 4.3.6 Wirkung von Lösemitteln auf Firnis und Malschicht

4.3.6.1 Löseverhalten des Firnisses

Für die Untersuchung des Löseverhaltens wird 2-Propanol verwendet. Dabei werden Lösever- suche an der Bildoberfläche und eine modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Quer- schliff vorgenommen und miteinander verglichen.

Löseversuche an der Bildoberfläche Die Versuche werden anhand der bereits im Vorzustand untersuchten Bereiche 1, 4, 5 und 8 in der Gegenüberstellung der Mikroskop-Aufnahmen bei Beleuchtung schräg von links und unter UV-Anregung dargestellt. Die Durchführung der Versuche an der Bildoberfläche ist in Kapitel 3.7 (S. 126) beschrieben. Die Versuchsdaten finden sich im Anhang (B.3.2, S. 477f.).

Löseversuch an der Bildoberfläche (2-Propanol) Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. III.100: Bereich 1, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. III.101: Bereich 1, Mikroskop-Aufnahme, UV- leuchtung schräg von links, Pfeil 1: unberührter Anregung, Pfeil 1: unberührter Firnis, Pfeile 2-7: Firnis, Pfeile 2-7: Fläche des Löseversuchs (2: Fläche des Löseversuchs (2: Schwemmrand, 3: Fir- Schwemmrand, 3: Firnisreste, 4: freigelegte Mal- nisreste, 4: freigelegte Malschicht, 5-6: Riss mit mi- schicht, 5-6: Riss mit migrierter Farbe und Firnis- grierter Farbe und Firnisresten, 7: Riss ohne Firnis- resten, 7: Riss ohne Firnisreste) reste)

Bereich 1 (Abb. III.100, III.101): Pfeil 1 deutet auf den unberührten Firnis außerhalb der Pro- benfläche, Pfeil 2 auf den Schwemmrand des gelösten Firnisses, Pfeil 3 auf Firnisreste des Löseversuchs und Pfeil 4 auf den Bereich mit vollständig freigelegter Malschicht. Der Rand- bereich des Löseversuchs zwischen den Pfeilen 1 und 2 hat einen fließenden Übergang und zeigt keine Separierung des Firnisses in Schollen. Die Malschichtoberfläche ist rau. Die mi-

319 grierte Farbe und der Firnis in den geweiteten Malschichtrissen bleiben weitgehend erhalten (Pfeil 5) und werden nur zum Teil (Pfeil 6) ausgeschwemmt. Pfeil 7 deutet auf einen Mal- schichtriss mit weitgehend ausgeschwemmtem Firnis. Die Risskanten der Malschicht sind durch den Löseprozess nicht angegriffen.

Löseversuch an der Bildoberfläche (2-Propanol) Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. III.102: Bereich 4, Mikroskop-Aufnahme, Abb. III.103: Bereich 4, Mikroskop-Aufnahme, UV- Beleuchtung schräg von links, Pfeil 1: unberührter Anregung, Pfeil 1: unberührter Firnis, Pfeile 2-6: Firnis, Pfeile 2-6: Fläche des Löseversuchs (2: Fläche des Löseversuchs (2: Schwemmrand, 3: frei- Schwemmrand, 3: freigelegte Malschicht, 4-5: Riss gelegte Malschicht, 4-5: Riss mit migrierter Farbe mit migrierter Farbe und Firnisresten, 6: Riss ohne und Firnisresten, 6: Riss ohne Firnisreste) Firnisreste)

Bereich 4 (Abb. III.102, III.103): Ebenfalls mit Pfeil 1 ist das unberührte Probenumfeld ver- zeichnet, mit Pfeil 2 der Schwemmrand des gelösten Firnisses. Im Probefeld ist die Malschicht- oberfläche vollständig freigelegt und erscheint an der Stelle von Pfeil 3 rau. In den geweiteten Malschichtrissen ist der Firnis weitgehend ausgeschwemmt (Pfeil 4). Darauf deutet die im Ver- gleich zu Bereich 1 (Abb. III.101, S. 319, Pfeil 5) geringere UV-Fluoreszenz hin. Die migrierte Farbe der Untermalung ist weiterhin vorhanden. Pfeil 6 deutet auf einen Riss, aus dessen Öff- nung der Firnis weitgehend ausgeschwemmt ist. Im Gegensatz zu einem vergleichbaren Riss in Bereich 1 (Abb. III.101, S. 319, Pfeil 7) ist hier keine UV-Fluoreszenz mehr erkennbar.

320 Löseversuch an der Bildoberfläche (2-Propanol) Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. III.104: Bereich 5, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. III.105: Bereich 5, Mikroskop-Aufnahme, UV- leuchtung schräg von links, Pfeil 1: unberührter Anregung, Pfeil 1: unberührter Firnis, Pfeile 2-6: Firnis, Pfeile 2-6: Fläche des Löseversuchs (2: Fläche des Löseversuchs (2: Schwemmrand, 3: frei- Schwemmrand, 3: freigelegte Malschicht, 4: Riss gelegte Malschicht, 4: Riss mit Firnisresten, 5: Riss mit Firnisresten, 5: Riss ohne Firnisreste, 6: Rissbil- ohne Firnisreste, 6: Rissbildung, 7: Abrieb der oberen dung, 7: Abrieb der oberen Farbschicht) Farbschicht)

Bereich 5 (Abb. III.104, III.105): Pfeil 1 deutet auf das Probenumfeld, Pfeil 2 auf den Rand- bereich und Pfeil 3 auf die vollständig freigelegte Malschicht in der Probenmitte. Unter UV- Anregung erkennt man eine feinteilige Unregelmäßigkeit des gedünnten Firnisses, die mög- licherweise auf einen ungleichmäßigen Lösevorgang hindeutet. Im Abschnitt eines Malschicht- risses haben sich Firnisreste erhalten (Pfeil 4), während ein vergleichbarer Malschichtriss (Pfeil 5) ohne Firnisreste ist. Die Risskanten sind vom Lösemittel nicht angegriffen. Die oberste Farbschicht weist eine feinteilige Rissbildung auf (Pfeil 6). An der Stelle von Pfeil 7 deutet eine verringerte UV-Fluoreszenz auf einen Abrieb der obersten Farbschicht hin. Dieser vermutliche Abrieb ist im Vorzustand nicht nachzuweisen. Bereich 8 (Abb. III.106, III.107, S. 322): Der abgebildete Bereich liegt in der Teilfläche mit dünnem Firnis. Die Abbildungen zeigen nur das Resultat des Löseversuchs, der Randbereich und das von Lösemittel unberührte Umfeld liegen außerhalb der Abbildungen. Der Firnis ist nur stellenweise bis auf die Malschicht abgenommen, zum Teil bleiben umfangreiche Firnis- reste. Die angrenzenden Firnisinseln (nicht abgebildet) werden bei dem Löseversuch nur wenig reduziert und sind somit noch als Reste mit erheblicher Dicke vorhanden. Ihre vollständige Abnahme würde eine wesentlich längere Einwirkungszeit des Lösemittels erfordern. Pfeil 1 zeigt auf den markanten Rand des hell fluoreszierenden Firnisrestes, Pfeil 2 auf die vollständig freigelegte Malschichtoberfläche. Der Firnisrest hat eine kompakte Oberfläche und nivelliert an der Stelle von Pfeil 3 einen Malschichtriss. Rechts erkennt man einen Malschichtriss, der in einem Abschnitt teilweise mit Firnis gefüllt ist (Pfeil 4). Bei einem beginnenden Lösen des Fir-

321 nisses wird die Risskante freigelegt (Pfeil 5). Im Bereich der vollständigen Firnisabnahme (Pfeil 6) ist der Firnis auch aus dem Malschichtriss weitgehend ausgeschwemmt. Der freigelegte Mal- schichtriss hat klare Kanten.

Löseversuch an der Bildoberfläche (2-Propanol) Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. III.106: Bereich 8, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. III.107: Bereich 8, Mikroskop-Aufnahme, UV- leuchtung schräg von links, Pfeile 1-6: Fläche des Anregung, Pfeile 1-6: Fläche des Löseversuchs (1: Löseversuchs (1: Firnisrest, 2: freigelegte Mal- Firnisrest, 2: freigelegte Malschicht, 3: mit Firnis schicht, 3: mit Firnis gefüllter Riss, 4: Rissabschnitt gefüllter Riss, 4: Rissabschnitt mit Firnisresten, 5: mit Firnisresten, 5: freigelegte Risskante, 6: Riss- freigelegte Risskante, 6: Rissabschnitt ohne Firnis- abschnitt ohne Firnisreste reste

Die vier Löseversuche an der Bildoberfläche zeigen, dass mit 2-Propanol nur teilweise ein gleichmäßiges Lösen des Firnisses stattfindet und dass weder eine gleichmäßige Firnisdünnung noch eine Firnistrennung erreicht werden kann. Möglicherweise wird in Bereich 5 die untere Ebene des Firnisses in feinsten Schollen abgeschwemmt, allerdings ohne einen erkennbaren Einfluss auf den Löseprozess. In Bereich 1 bleiben minimale, in Bereich 8 erhebliche Firnis- reste. Der Firnis und die migrierte Farbe in den geweiteten Malschichtrissen werden vielfach nur geringfügig ausgeschwemmt. Die Malschicht wird im Bereich des Craquelés nicht be- rieben. In Bereich 5 kann ein minimaler Abrieb an der Malschichtoberfläche nicht ausge- schlossen werden, wird aber als unwahrscheinlich betrachtet.

322 Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff Vorgestellt werden die Ergebnisse der Löseversuche an den Querschliffen der Proben 1a, 4b, 5a rechts, 8c rechts und 10. Die Mikroskop-Aufnahmen in koaxialer Beleuchtung sind den Kar- tierungen gegenübergestellt (Abb. III.108-III.115, S. 323-326). Unterschieden wird zwischen schneller und langsamer löslichen Bereichen des Firnisses und des Zwischenfirnisses. Kapitel 3.4 (S. 103-112) beschreibt Versuchsaufbau und -durchführung. Die grafische Darstellung ist stellenweise vereinfachend (vgl. Kap. 3.3, S. 101f. und Kap. 3.4, S. 107). Die Versuchsdaten finden sich im Anhang (B.3.3, S. 477f.). Pfeil 1 markiert die Malschichtoberfläche.

Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff (Löseversuch mit 2-Propanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in 2-Propanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellblau, in 2-Propanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß und des Zwischenfirnisses: grau, Farbschichten und Grundierung: hellgrau

Abb. III.108: Probe 1a, Mikroskop-Aufnahme, Abb. III.109: Probe 1a, Kartierung, , Schichtenfolgen Schichtenfolgen des Firnisses: 2-5, Rissbereiche: R1- des Firnisses: 2-5, Rissbereiche: R1-R4, Pfeil 1: Mal- R4, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Zwischen- schichtoberfläche, Pfeil 2: Zwischenfirnis, Pfeile 3-8: firnis, Pfeile 3-8: Teilbereiche des Firnisses mit ver- Teilbereiche des Firnisses mit verschiedener Lös- schiedener Löslichkeit lichkeit

Probe 1a (Abb. III.108, III.109): Der partielle Zwischenfirnis (Pfeil 2) ist langsamer löslich. Schichtenfolge 2 des Firnisses und die untere Ebene von Schichtenfolge 3 sind langsamer lös- lich. Schneller löslich ist die obere Ebene von Schichtenfolge 3 (Pfeil 3). Das variierende Löse- verhalten der Schichtenfolge 3 hat keine Entsprechung mit den kartierten Schichtgrenzen. An der unteren Grenze des schneller löslichen Bereichs markiert sich an der Stelle von Rissbereich R3 eine Vertiefung, die vermutlich mit dem v-förmigen Malschichtriss verbunden ist (Pfeil 4), während in den Rissbereichen R2 und R4 keine entsprechenden Vertiefungen erkennbar sind. Die obere Grenze deckt sich weitgehend mit der Grenze der Schichtenfolgen 3 und 4. In der Nähe des Rissbereichs R1 reicht sie bis in Schichtenfolge 4 hinein (Pfeil 5). Oberhalb des Randes des Malschichtrisses (Rissbereich R1, Pfeil 6) endet der schneller lösliche Bereich.

323 Möglicherweise markiert sich darin die ehemalige Fläche des Firnisrisses. Überwiegend lang- samer löslich ist Schichtenfolge 4. Pfeil 7 zeigt auf die schneller lösliche Schichtenfolge 5. Der Firnis im Rissbereich R1 und in der Öffnung des Malschichtrisses (Pfeil 8) ist überwiegend langsamer löslich.

Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff (Löseversuch mit 2-Propanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in 2-Propanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellblau, in 2-Propanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß und des Zwischenfirnisses: grau, Farbschichten und Grundierung: hellgrau

Abb. III.110: Probe 4b, Mikroskop-Aufnahme, Abb. III.111: Probe 4b, Kartierung, Schichtenfolgen Schichtenfolgen des Firnisses: 1-5, Rissbereich: R1, des Firnisses: 1-5, Rissbereich: R1, Pfeil 1: Mal- Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Zwischen- schichtoberfläche, Pfeil 2: Zwischenfirnis, Pfeile 3-7: firnis, Pfeile 3-7: Teilbereiche des Firnisses mit Teilbereiche des Firnisses mit verschiedener Lös- verschiedener Löslichkeit lichkeit

Probe 4b (Abb. III.110, III.111): Pfeil 2 deutet auf den langsamer löslichen Zwischenfirnis. Die Schichtenfolgen 1 und 2 des Firnisses (Pfeil 3) füllen zusammen mit migrierter Farbe der Unter- malung die Öffnung des extrem geweiteten Malschichtrisses und sind ebenfalls langsamer lös- lich. Schichtenfolge 3 stellt den gesamten, schneller löslichen Bereich des Firnisses der Probe dar. Im Rissbereich R1 zeichnet sich darin die Grenze zur Schichtenfolge 2 (Pfeile 4 und 5) ab. Pfeil 6 deutet auf die Grenze der Schichtenfolge 4. Die Schichtenfolgen 4 und 5 sind langsamer löslich (Pfeil 7). Probe 5a rechts (Abb. III.112, III.113, S. 325): Der Zwischenfirnis (Pfeile 2, 3) ist ebenfalls langsamer löslich. In der Probe rechts enthält der Firnis, anders als in der Probenmitte (vgl. Abb. III.24, III.25, S. 277), die Schichtenfolgen 3 bis 5, nicht aber Schichtenfolge 2. Die schneller löslichen Bereiche der Schichtenfolge 3 liegen links des Rissbereichs R2 in der unte- ren Ebene (Pfeil 4), rechts des Rissbereichs nur in einem Teil dieser unteren Ebene (Pfeil 5). Die deutlichen Grenzen des Löseverhaltens haben keine Entsprechung in unter UV-Anregung erkennbaren Schichtgrenzen. Die Schichtenfolgen 4 und 5, die nur im Rissbereich und rechts

324 zuzuordnen sind, erweisen sich als langsamer löslich (Pfeil 6). Der Firnis im Rissbereich ist, bis auf einige kleinere Stellen (Pfeil 7), langsamer löslich. Zu diesen Stellen gehört auch ein Ausläufer der schneller löslichen, unteren Ebene von Schichtenfolge 3 (Pfeil 8).

Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff (Löseversuch mit 2-Propanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in 2-Propanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellblau, in 2-Propanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß und des Zwischenfirnisses: grau, Farbschichten und Grundierung: hellgrau

Abb. III.112: Probe 5a rechts, Mikroskop-Aufnahme, Abb. III.113: Probe 5a rechts, Kartierung, Schichten- Schichtenfolgen des Firnisses: 3-5, Rissbereich: R2, folgen des Firnisses: 3-5, Rissbereich: R2, Pfeil 1: Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2, 3: Zwischen- Malschichtoberfläche, Pfeile 2, 3: Zwischenfirnis, firnis, Pfeile 4-8: Teilbereiche des Firnisses mit ver- Pfeile 4-8: Teilbereiche des Firnisses mit verschie- schiedener Löslichkeit dener Löslichkeit

Probe 8c rechts (Abb. III.114, III.115, S. 326): Ein schneller löslicher Bereich umfasst Schich- tenfolge 3 und teilweise auch die untere Ebene von Schichtenfolge 4 (Pfeil 2). Pfeil 3 deutet auf den Rissrand der Malschicht, an dem nur Schichtenfolge 3 schneller löslich ist. Dement- sprechend ist Schichtenfolge 4 in der Probe links in ihrer oberen Ebene und nahe des Rissbe- reichs R2 über ihre gesamte Dicke hinweg langsamer löslich (Pfeil 4). Die in diesem Teil der Probe zweischichtige Schichtenfolge 5 wird links (Pfeil 5) als langsamer und rechts (Pfeil 6) als schneller löslich bestimmt. Der Firnis im Rissbereich und in der Öffnung des Malschicht- risses zeigt sich als überwiegend langsamer (Pfeil 7), in einem Teilbereich, der Schichtenfolge 4 zugeordnet wird (Pfeil 8), als schneller löslich.

325 Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff (Löseversuch mit 2-Propanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in 2-Propanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellblau, in 2-Propanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. III.114: Probe 8c rechts, Mikroskop-Aufnahme, Abb. III.115: Probe 8c rechts, Kartierung, Schichten- Schichtenfolgen des Firnisses: 3-5, Rissbereich: R2, folgen des Firnisses: 3-5, Rissbereich: R2, Pfeil 1: Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-8: Teilbe- Malschichtoberfläche, Pfeile 2-8: Teilbereiche des reiche des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit Firnisses mit verschiedener Löslichkeit

Probe 10 (Abb. III.116, III.117): Die Schichtenfolgen 3 und 4 sind stellenweise in ihrer unteren Ebene schneller löslich (Pfeile 2 und 3). Dabei zeichnet sich ihre wellige Schichtgrenze ab. Langsamer löslich sind Schichtenfolge 5 und der Firnis im Rissbereich R1.

Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff (Löseversuch mit 2-Propanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in 2-Propanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellblau, in 2-Propanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. III.116: Probe 10, Mikroskop-Aufnahme, Abb. III.117: Probe 10, Kartierung, Schichtenfolgen Schichtenfolgen des Firnisses: 3-5, Rissbereich: R1, des Firnisses: 3-5, Rissbereich: R1, Pfeil 1: Mal- Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2, 3: Teilbe- schichtoberfläche, Pfeile 2, 3: Teilbereiche des Fir- reiche des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit nisses mit verschiedener Löslichkeit

326 Als Gemeinsamkeit der vorgestellten Querschliffe kann man feststellen, dass sich die schneller löslichen Bereiche in der mittleren und unteren Ebene des Firnisses konzentrieren, während die obere Ebene überwiegend langsamer löslich ist. Im Vergleich der Proben zeigen sich Gemein- samkeiten und Differenzen. Die Schichtenfolge 1 in Probe 4b ist, ebenso wie die Schichtenfolge 2 in den Proben 1a und 4b, langsamer löslich. Schichtenfolge 3 erweist sich in den Proben 4b und 8c rechts in ihrer gesamten Dicke, in den Proben 5a rechts und 10 in der unteren Ebene und in Probe 1a in der oberen Ebene als schneller löslich. Als generell vorwiegend langsamer löslich wird Schichtenfolge 4 betrachtet. Sie besitzt dieses Löseverhalten über ihre gesamte Schicht hinweg in den Proben 4b und 5a rechts, in Probe 1a in ihren überwiegenden Teilen und in den Proben 8c rechts und 10 in ihrer oberen Ebene. Schichtenfolge 5 ist in den Proben 4b, 5a rechts und 10 gänzlich und in Probe 8c rechts überwiegend langsamer löslich, hingegen in Probe 1a überwiegend schneller löslich. Auch in den Rissbereichen variiert das Löseverhalten. Der dor- tige Firnis ist Probe 10 gänzlich, in den Proben 1a, 5a, 8c überwiegend und in Probe 4b auf der Ebene der Schichtenfolgen 1 und 2 langsamer löslich. Schließlich gehören die Zwischenfirnisse (Proben 1a, 4b und 5a rechts) sowie die migrierte und teilweise mit Firnis vermengte Farbe zu den langsamer löslichen Bereichen.

Die Resultate der Löseversuche an der Bildoberfläche und an den Querschliffen sind sowohl entsprechend als auch abweichend. Zu den Entsprechungen gehören in Bereich 1 die stellenwei- se erhaltenen Firnisreste. Dabei kann es sich um die in Probe 1a langsamer löslichen Schichten- folgen 2 und 3 handeln. Deutliche Firnisreste in der Öffnung der Malschichtrisse stehen in Ein- klang mit dem Löseverhalten des Firnisses z.B. im Rissbereich 1 von Probe 1a. Bereich 4 weist nur in der Öffnung der Malschichtrisse geringe Firnisreste auf. Auch dies korrespondiert z.B. mit dem Löseverhalten in Probe 4b. Das in Bereich 5 beobachtete schollenartige Ablösen der Firnisebene bestätigt sich in Probe 5a rechts nicht, im Gegenteil ist die untere Schichtenebene schneller löslich. In Bereich 5 ist der Firnis weit aus den Malschichtrissen ausgeschwemmt, während er in Probe 5a rechts mehrheitlich langsamer löslich ist. Der vermutliche Farbabrieb in Bereich 5 lässt sich in Probe 5a rechts nicht mit einer erhöhten Lösemittelempfindlichkeit der Malschicht in Bezug setzen. Der dortige Zwischenfirnis ist langsamer löslich. In Probe 8c rechts ist die untere Firnisebene schneller löslich, bei den Löseversuchen in Bereich 8 bleiben erhebliche Firnisreste. In Probe 10 überwiegen die langsamer löslichen Ebenen gegenüber den teilweise schneller löslichen unteren Ebenen der Schichtenfolgen 3 und 4. Diese Konstellation lässt ein ungleichmäßiges Löseverhalten und Ausschwemmen des Firnisses in Inseln erwarten, jedoch gibt es zu diesem Bereich keine Löseprobe an der Bildoberfläche.

327 4.3.6.2 Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen

Für die Untersuchung des Löseverhaltens wird Ethanol verwendet. Der Rekonstruktions- versuch bezieht sich auf eine Firnisregenerierung durch Alkoholbedampfung unter dem Petten- kofer-Kasten als eine von mehreren Möglichkeiten einer historischen Restaurierung. Ausge- wählt werden die o.g. Proben 1a, 4a, 5b rechts, 8c rechts und Probe 10. Die Mikroskop-Aufnah- men in koaxialer Beleuchtung sind den Kartierungen gegenübergestellt (Abb. III.116-III.125, S. 328-332). Unterschieden wird zwischen schneller und langsamer löslichen Bereichen des Firnisses und des Zwischenfirnisses. Kapitel 3.4 (S. 103-112) beschreibt Aufbau und Durchfüh- rung der Versuche. Die grafische Darstellung ist stellenweise vereinfachend (vgl. Kap. 3.3, S. 101f. und Kap. 3.4, S. 107). Die Versuchsdaten finden sich im Anhang (B.3.3, S. 477f.). Pfeil 1 markiert die Malschichtoberfläche.

Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen (Löseversuch am Quer- schliff mit Ethanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in Ethanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellgrün, in Ethanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß und des Zwischenfirnisses: grau, Farbschichten und Grundierung: hellgrau

Abb. III.118: Probe 1a, Mikroskop-Aufnahme, Abb. III.119: Probe 1a, Kartierung, Schichtenfolgen Schichtenfolgen des Firnisses: 2-5, Rissbereiche: R1- des Firnisses: 2-5, Rissbereiche: R1-R4, Pfeil 1: Mal- R4, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Zwischen- schichtoberfläche, Pfeil 2: Zwischenfirnis, Pfeile 3-5: firnis, Pfeile 3-5: Teilbereiche des Firnisses mit ver- Teilbereiche des Firnisses mit verschiedener Löslich- schiedener Löslichkeit keit

Probe 1a (Abb. III.118, III.119): Langsamer löslich ist zunächst der dünne, auslaufende Zwi- schenfirnis (Pfeil 2). Ebenfalls langsamer löslich sind Schichtenfolge 2 und die untere Ebene von Schichtenfolge 3 in der rechten Probenhälfte und links nahe dem Rissbereich R1. Der schneller lösliche Bereich umfasst an den genannten Stellen die obere Ebene von Schichten- folge 3 sowie die Schichtenfolgen 4 und 5 (Pfeil 3). Der Firnis im Rissbereich R1 und innerhalb

328 des Malschichtrisses ist überwiegend langsamer (Pfeil 4) und nur in einem Teilbereich (Pfeil 5) schneller löslich. Der auffälligste Unterschied zum Versuch in Kapitel 4.3.6.1 (Abb. III.108, III.109, S. 323) ist die schnellere Löslichkeit der Schichtenfolge 4.

Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen (Löseversuch am Quer- schliff mit Ethanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in Ethanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellgrün, in Ethanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß und des Zwischenfirnisses: grau, Farbschichten und Grundierung: hellgrau

Abb. III.120: Probe 4b, Mikroskop-Aufnahme, Abb. III.121: Probe 4b, Kartierung, Schichtenfolgen Schichtenfolgen des Firnisses: 3-5, Rissbereich: R1, des Firnisses: 3-5, Rissbereich: R1, Pfeil 1: Mal- Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Zwischen- schichtoberfläche, Pfeil 2: Zwischenfirnis, Pfeile 3-5: firnis, Pfeile 3-5: Teilbereiche des Firnisses mit ver- Teilbereiche des Firnisses mit verschiedener Löslich- schiedener Löslichkeit keit

Probe 4b (Abb. III.120, III.121): Auch in dieser Probe ist der Zwischenfirnis langsamer löslich (Pfeil 2). Die Schichtenfolgen 1 und 2 im Malschichtriss (Rissbereich R1) sind langsamer lös- lich (Pfeil 3). Der schneller lösliche Bereich deckt sich mit Schichtenfolge 3 (Pfeil 4). Die Schichtenfolgen 4 und 5 sind langsamer löslich (Pfeil 5). Bemerkenswert ist, dass sich die Re- sultate dieses und des Löseversuchs in Kapitel 4.3.6.1 (Abb. III.110, III.111, S. 327) nahezu gleichen.

329 Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen (Löseversuch am Quers- chliff mit Ethanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in Ethanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellgrün, in Ethanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß und des Zwischenfirnisses: grau, Farbschichten und Grundierung: hellgrau

Abb. III.122: Probe 5a rechts, Mikroskop-Aufnahme, Abb. III.123: Probe 5a rechts, Kartierung, Schichten- Schichtenfolgen des Firnisses: 3-5, Rissbereich: R2, folgen des Firnisses: 3-5, Rissbereich: R2, Pfeil 1: Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2, 3: Zwischen- Malschichtoberfläche, Pfeile 2, 3: Zwischenfirnis, firnis, Pfeile 3-10: Teilbereiche des Firnisses mit Pfeile 4-10: Teilbereiche des Firnisses mit verschie- verschiedener Löslichkeit dener Löslichkeit

Probe 5a rechts (Abb. III.122, III.123): Der Zwischenfirnis ist langsamer löslich (Pfeile 2, 3). Das Löseverhalten des Firnisses zu beiden Seiten des Rissbereichs R2 unterscheidet sich. Links ist die untere Ebene von Schichtenfolge 3 schneller, die obere Ebene langsamer löslich (Pfeile 4, 5). Rechts zeigen sich innerhalb von Schichtenfolge 3 vier Ebenen mit wechselndem Löse- verhalten, beginnend mit einer unteren, langsamer löslichen Ebene (Pfeil 6). Der Verlauf dieser Ebenen weicht deutlich von den kartierten Schichtgrenzen des Firnisses ab. Links ist die oberste Schichtenebene schneller löslich (Pfeil 7), wobei unklar ist, ob es sich um Schichtenfolge 4 oder 5 handelt. Rechts und im Rissbereich R2 decken sich die schneller löslichen Bereiche zum Teil mit den Schichtenfolgen 4 und 5 (Pfeile 8, 9). Ebenfalls stellenweise schneller löslich ist der Firnis im Rissbereich und innerhalb des Malschichtrisses (Pfeil 10). Die wesentlichen Un- terschiede zum Löseversuch in Kapitel 4.3.6.1 (Abb. III.112, III.113, S. 325) bestehen in der schnelleren Löslichkeit der obersten Ebene des Firnisses sowie im mehrfachen Wechsel der Löslichkeit in Schichtenfolge 3 rechts und im Rissbereich.

330 Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen (Löseversuch am Quer- schliff mit Ethanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in Ethanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellgrün, in Ethanol langsamer lösliche Be- reiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. III.124: Probe 8c rechts, Mikroskop-Aufnahme, Abb. III.125: Probe 8c rechts, Kartierung, Schich- Schichtenfolgen des Firnisses: 3-5, Rissbereich: R2, tenfolgen des Firnisses: 3-5, Rissbereich: R2, Pfeil 1: Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-5: Teilbe- Malschichtoberfläche, Pfeile 2-5: Teilbereiche des reiche des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit Firnisses mit verschiedener Löslichkeit

Probe 8c rechts (Abb. III.124, III.125): Links von Rissbereich R2 ist Schichtenfolge 3 überwie- gend schneller löslich (Pfeil 2), mit Ausnahme von kleinen Teilflächen. Schichtenfolge 4 ist in der linken Probenhälfte vollständig, in der Probenmitte (Pfeil 3) und dem Rissbereich R2 (Pfeil 4) nur in der unteren Ebene schneller löslich. Die stellenweise zweischichtige Schichtenfolge 5 wechselt in ihrem Verlauf das Löseverhalten und ist links und rechts schneller, in der Proben- mitte (Pfeil 4) langsamer löslich. Der Rissbereich R2 ist geprägt von der schnelleren Löslichkeit einer Teilfläche, die Schichtenfolge 4 zugeordnet wird (Pfeil 5). Die schneller löslichen Be- reiche des Firnisses sind hier ausgedehnter als im Löseversuch des Kapitels 4.3.6.1 (Abb. III.114, III.115, S. 326) und reichen stellenweise über die gesamte Firnisschicht. Probe 10 (Abb. III.126, Abb. III. 127, S. 332): Schichtenfolge 3 ist in der unteren Ebene schneller (Pfeil 2) und in der oberen Ebene (Pfeil 3) langsamer löslich. Die Grenze dieser beiden Ebenen korrespondiert mit der welligen Grenze der Schichtenfolgen 3 und 4, der auch die untere, schneller lösliche Ebene von Schichtenfolge 4 folgt (Pfeil 4). Recht umfasst der schneller lösliche Bereich die gesamte Dicke der Schichtenfolge 4 (Pfeil 5). Langsamer löslich ist Schichtenfolge 5. Der Firnis im Rissbereich R1 beinhaltet einen vertikal verlaufenden, schneller löslichen Bereich (Pfeil 6). Oberhalb des Malschichtrisses ist der Firnis, der keiner Schichtenfolge zugeordnet werden kann, langsamer löslich. Insgesamt betrachtet sind die schneller löslichen Bereiche der Probe 10 ausgedehnter als im Versuch mit 2-Propanol (Abb. III.116, III.117, S. 326).

331 Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen (Löseversuch am Quer- schliff mit Ethanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in Ethanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellgrün, in Ethanol langsamer lösliche Be- reiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. III.124: Probe 10, Mikroskop-Aufnahme, Abb. III.125: Probe 10, Kartierung, Schichtenfolgen Schichtenfolgen des Firnisses: 3-5, Rissbereich: R1, des Firnisses: 3-5, Rissbereich: R1, Pfeil 1: Mal- Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-6: Teilbe- schichtoberfläche, Pfeile 2-6: Teilbereiche des Fir- reiche des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit nisses mit verschiedener Löslichkeit

Ein Löseverhalten und eine Schichtenkonstellation, die bei einer Lösemitteleinwirkung eine borkenartige Deformation des Firnisses begünstigt, sind vor allem in Probe 10 feststellbar. Dort können mehrere dünne, schneller lösliche Ebenen, insbesondere die unterste Ebene, als Gleit- schichten gegenüber deutlich dickeren, langsamer löslichen Schichten wirken. Ausgeprägte De- formationen im Rissbereich, wie in den Profilen a und d ehemaliger Firnisrisse, sind damit erklärbar. In den Proben 4b, 5a rechts und stellenweise in Probe 8c rechts ist diese Konstellation ebenfalls vorhanden, wobei die schneller löslichen Ebenen dicker als die langsamer löslichen Ebenen sind. Diese Unterschiede in der Dicke der Schichtenfolgen haben möglicherweise Ein- fluss auf die Stärke der Firnisdeformation. Der Löseversuch an Probe 1a hat ein abweichendes Ergebnis. Nur die obere Ebene des Firnisses ist schneller löslich, so dass sich die Firnisde- formation nicht aus der Wirkung einer Gleitschicht erklären lässt. Der langsamer lösliche Zwischenfirnis hat keinen nachweisbaren Anteil an den Firnisdeformationen im Rissbereich. Als mögliche Ursache für die Runzelbildung wird eine Lösemitteleinwirkung auf die oberen Firnisschichten betrachtet. Die Proben 4b, 5a rechts, 8c rechts und 10 enthalten Schichten oder Schichtenebenen mit entsprechend variierender Löslichkeit, allerdings sind in den Proben bzw. Probebereichen keine Runzeln zu erkennen. Probe 1a bietet in seinem einheitlichen Lösever- halten der oberen Firnisebene keine Grundlage für eine Runzelbildung.

332 4.3.7 Zusammenfassung

Das Gemälde hat eine komplexe Entstehungsgeschichte. Trotz des langen Entstehungspro- zesses, der mehrfachen Formaterweiterungen und Veränderungen ist der Schichtenaufbau der Grundierung gleich. Die Malschicht weist partielle Zwischenfirnisse mit Dicken von bis zu 10 µm auf. Eine unterschiedliche UV-Fluoreszenz deutet auf verschiedene Firnismaterialien hin. Der Firnis hat eine Dicke von 15 bis 65 µm und enthält in den untersuchten Bereichen drei bis sechs Firnisschichten. Ihre geringste Dicke misst bis zu 5 µm, ihre größte Dicke 25 bis 30 µm. Mehrheitlich sind die Firnisschichten bis zu 10 µm dick, weit überwiegend bis zu 15 µm. Fünf Schichtenfolgen werden rekonstruiert. Das Gemälde hat drei Firnisabnahmen erfahren. Ein Schlussfirnis ist nicht nachgewiesen. Alle Firnisschichten sind historisch. Die Malschichtrisse haben eine Breite von bis zu 0,20 mm. Eine Rissweitung und die Bildung eines besonderen Profils, einer Randflucht unten, werden als Folge einer Lösemitteleinwirkung auf die bindemittelreiche Untermalung betrachtet. Die Untermalung zeigt eine Migration aus dem Craquelé und Auflösung im Firnis. Auffällige Merkmale mehrerer Einzelrisse sind eine variierende Breite und ein leicht gezackter Verlauf. Die Malschicht weist ein teilweise bis weit- gehend geschlossenes Netzcraquelé auf. Einige Risse sind vermutlich verzweigt, andere über- lagern sich. Der Firnis ist gegilbt und durch Pigmente aufgelöster Farbe getrübt. Verschiedenartige Firnis- deformationen lassen sich feststellen. Die borkenartigen Deformationen resultieren aus den Vertiefungen ehemaliger Firnisrisse. Sie haben unterschiedliche Profile. Die Vertiefungen sind bis zu 0,40 mm breit und reichen maximal bis zur Mitte des Firnisses. Besonderheiten der Ein- zelrisse sind eine im Verlauf variierende Breite und wechselnde Profile. Die ehemaligen Firnis- risse sind zum Teil mit den Malschichtrissen verbunden, zu einem anderen Teil verlaufen sie von diesen unabhängig und bilden in dieser Konstellation ein teilweise bis weitgehend ge- schlossenes Netzcraquelé. Die aktuellen Firnisrisse haben ebenfalls verschiedene Profile, dar- unter als lokalen Sonderfall eine Randflucht oben, und sie haben dabei überwiegend eine Breite von bis zu 0,01 mm, in Einzelfällen bis zu 0,05 mm und im Fall der Randflucht oben bis zu 0,17 mm. Die Risse formieren sich zu einem teilweise geschlossenen Netzcraquelé oder liegen isoliert in der Fläche. Sie haben zum Teil Verbindung mit ehemaligen Firnisrissen und ver- laufen dabei zum Teil in einer Reihung kurzer Einzelrisse. An einer Stelle liegt eine gegensei- tige Rissablenkung versetzt paralleler Risse vor. Die ungewöhnliche Mattigkeit des Firnisses resultiert aus Runzeln mit einer Breite von 0,02 bis 0,04 mm und einer überwiegenden Länge von 0,1 bis 0,4 mm. Graduelle Unterschiede dieser

333 Mattigkeit werden auf die variierende Dichte der Runzeln zurückgeführt. Die Runzeln bilden sich aus den obersten Firnisschichten, vermutlich infolge einer Lösemitteleinwirkung. Die Firnisinseln werden Folge einer partiellen Lösemitteleinwirkung gedeutet. Sie entwickeln sich aus der bestehenden Schichtenkonstellation, nicht durch einen Firnisauftrag, und nehmen an den deformierten ehemaligen Firnisrissen ihren Anfang. Die Querschliffe zeigen vielfältige Schichtenstörungen des Firnisses. Dazu zählen eine weitge- hende An- und Auflösung der Grenzen und ungewöhnliche wellige Deformationen, die aber die Firnisoberfläche nicht beeinflussen. Den Schichtenfolgen 3 und 4, die auch den wesent- lichen Anteil an der Dicke des Firnisses haben, sind die Deformationen in den Bereichen der ehemaligen Firnisrisse und der Firnisinseln zuzuordnen. Auf der Grundlage der schriftlichen Quellen der Restaurierungsgeschichte und der Identifizierung von Farbresten der Nummer des Inv. 1749ff. kann die schadenswirksame Lösemitteleinwirkung in die Zeit nach 1749 oder nach 1816 eingeordnet werden. In einem Rekonstruktionsversuch wird die Entstehung der deformierten ehemaligen Firnisrisse nachgezeichnet. Sie findet infolge einer Lösemitteleinwirkung in mehreren Phasen und unter dem Einfluss einer parallelen Weitung von Malschichtrissen statt. In der modellhaften Rekonst- ruktion einer Alkoholbedampfung unter dem Pettenkofer-Kasten zeigt der Firnis in mehreren Schichtenfolgen bzw. Ebenen der Schichtenfolgen ein unterschiedliches Löseverhalten in Etha- nol, das möglicherweise die borkenartigen Firnisdeformationen befördert hatte. Zum Teil kann das unterschiedliche Löseverhalten der Schichtenfolgen und Schichtenebenen auch als Grund- lage für die Runzelbildung betrachtet werden. Einige Proben enthalten hingegen keine schneller löslichen Schichten, die als Gleitschichten einer Deformation des Firnisses wirken können. Die Löseversuche an der Bildoberfläche und die modellhaften Versuche am Querschliff mit 2- Propanol verdeutlichen, dass keine Firnistrennung oder Freilegung einer unteren, gut erhaltenen Firnisschicht, sondern nur eine Firnisabnahme möglich ist. Das variierende Löseverhalten in- nerhalb der Firnisschicht beeinflusst den Löseprozess nicht wesentlich. Ein Ausschwemmen von Firnisinseln findet in einem minimalen und nicht schadenswirksamen Umfang statt. Hin- gegen muss mit langsamer löslichen Firnisresten gerechnet werden, deren flächige Ausdehnung jedoch unbestimmt ist. Der Firnis in den geweiteten Malschichtrissen bleibt bei einer Firnis- abnahme nur teilweise erhalten. Die Zwischenfirnisse sind langsamer löslich.

334

Abb. IV.1: Melchior de Hondecoeter (1636-1695), Die weiße Henne mit Küchlein, signiert, undatiert, Leinwand, 140 x 155,5 cm, Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Hensmanns

4.4 Fallstudie IV: Melchior de Hondecoeter, Die weiße Henne mit Küchlein

4.4.1 Einleitung

Künstler und Werk Melchior de (oder dʼ) Hondecoeter wird 1636 in Utrecht geboren und stirbt 1695 in Amsterdam. Seine künstlerische Ausbildung erhält er bei seinem Vater Gysbert de Hondecoeter und seinem Onkel Jan Baptist Weenix. Hondecoeter lebt von 1659 bis 1663 in Den Haag und dann bis zu seinem Tod in Amsterdam.543 Er ist Spezialist für dekorative Vogelstillleben. Die Gemälde sind

543 Vgl. BK Kassel 1996, S. 147, Mai/Paarlberg/Weber 2007, S. 339. 335

meist großformatig und dekorativ. Wiederkehrende Bildmotive sind heimische und exotische Vögel im Vordergrund einer Parklandschaft. Hondecoeter datiert seine Gemälde selten, wie auch in diesem Fall.544 Die Kasseler Galerie besitzt vier weitere Werke des Künstlers, den Kampf zwischen Hahn und Truthahn von 1668, eines der wenigen vom Künstler datierten Werke, sowie die Gemälde Der weiße Pfau, Ein Hahnenkampf und Das Vogelkonzert, das ebenfalls der Bestandsliste der Gemälde mit stark gegilbten und borkenartig deformierten Firnissen angehört (Anhang A.4.1, S. 467).

Provenienz und Sammlungsgeschichte Das Gemälde wird 1827 von Kurfürst Wilhelm II. „auf der Auktion Campe in Leipzig“ erwor- ben und damit deutlich später als die Gemälde der Fallstudien I bis III.545 Im Inventar 1816ff. wird es mit der Nummer 2032 eingetragen. Auf dem Gemälde selbst ist keine aufgemalte Inventarnummer vorhanden. Laut dem Galeriekatalog von 1830 ist Die weiße Henne mit Küchlein in Schloss Wilhelmshöhe ausgestellt.546 Keinen genauen Standort gibt das Inventar von 1875ff. an.547 Wie eine Fotografie um 1900 belegt, ist das Werk in einem Oberlichtsaal der Königlichen Gemäldegalerie, der heutigen Neuen Galerie, ausgestellt, vermutlich ab 1911 wird es in eines der Kabinette der Galerie umgehängt.548 1942 erfolgt die kriegsbedingte Ausla- gerung nach Wien. Von dort kommt es 1956 als Exponat zur Ausstellung Die Kasseler Gemälde kehren zurück im Hessischen Landesmuseum Kassel.549 Dort befindet es sich bis 1959. Seit dieser Zeit sind keine Angaben mehr verfügbar. Aktuell wird es im Depot der Gemäldegalerie aufbewahrt.

Restaurierungsgeschichte Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts gibt es keine schriftlichen Dokumente. 1956 nimmt von Reden eine „Firnisbehandlung“ vor.550 Diese wird etwas detaillierter als „[l]okale Firnisbehan- dlung und Firnis“ beschrieben.551 1959 fällt das Gemälde „in der Halle des Landesmuseums

544 Vgl. Rikken 2009, S. 5f. 545 Vgl. BK Kassel 1996, S. 148, vgl. ebd., S. 19f. Am oberen Spannrand befinden sich Reste eines nicht lesbaren Siegels. 546 Vgl. BK Kassel 1830, S. 97f., Nr. 580. 547 Vgl. Inv. 1875ff., S. 133. 548 Vgl. Lange 2014, S. 83; BK Kassel 1913, S. 30. 549 Vgl. AK Kassel, 1956, S. 7, 14. Helm: Objekt- und Standortliste: „Anlage 1“, mit handschriftlichen Zusätzen, datiert 24. 6. 1942, S. 9, Archiv MHK, Aktenbestand: Auslagerung von Kunstgut im 2. Weltkrieg, I, 2. Objekt- listen; Schreiben vom 24. Januar 1947 (Abschrift): „Aufstellung der am 19. 11. 1942 nach Wien überführten Ge- mälde aus dem Besitz der Staatlichen Gemäldegalerie Kassel“, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestau- rierung. 550 Vgl. Reden: Restaurierungsbericht, 1956, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 551 Vgl. Reden: Restaurierungsbericht, datiert 20. Februar - 6. März 1956, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemäl- derestaurierung. 336

von der Wand […], ohne besonderen Schaden. Auch jetzt konnte das Bild nicht restauriert wer- den, obwohl dies notwendig wäre (der obere Rand der Leinwand z.B. ist nicht umgeschlagen um den Keilrahmen, sondern nur mit kleinen Nägeln darauf befestigt)“.552

4.4.2 Maltechnischer Aufbau, Erhaltungszustand und Zwischenstand der aktuellen Konservierung und Restaurierung

4.4.2.1 Maltechnischer Aufbau

Der textile Bildträger des Gemäldes ist in Leinenbindung gewebt und hat eine Dichte von 13 Schussfäden und 10 Kettfäden pro Quadratzentimeter.553 Die Kettfäden verlaufen waagrecht, die Schussfäden senkrecht, wie fragmentarisch erhaltene Webkanten zeigen. Die Bahnbreite des Gewebes misst 140 cm. Die Abstände der Aufspannungspunkte messen mehrheitlich 7 bis 13 cm, sichtbar an Spanngirlanden und -stegen. Der verlorene, vermutlich originale Spannrah- men zeichnet sich zum Teil im Malschichtcraquelé ab. Vermutlich hatte er ein Mittelkreuz und ca. 7 cm breite Rahmenschenkel. Ob eine Vorleimung vorliegt, wird nicht näher untersucht. Die Leinwand ist vorgrundiert. Die untere dunkelbraune Grundierung reicht bis zum Gewebe- rand. Stellenweise ist sie durch das Gewebe gedrückt. Nach dem Aufspannen folgt ein weite- rer, nur bis zur Bildkante reichender hellbrauner Grundierungsauftrag. Nach Rikken sind in Untersuchungen anderer Gemälde von Hondecoeter dunkel- und rotbraune Grundierungen be- legt.554 Die Malerei ist mehrschichtig und enthält partielle Zwischenfirnisse. An einigen Stellen liegt eine dunkle streifige Untermalung frei. Die Malschicht hat überwiegend eine glatte bis leicht pastose Oberfläche und nur wenige stärkere Pastositäten. Eine Besonderheit des Gemäldes ist ein ausgedehntes Pentiment, ein Flamingo, im Himmel und im heutigen Landschaftsausblick. Die Abbildungen IV.2 und IV.3 (S. 338) zeigen den betreffenden Bildausschnitt in normaler Beleuchtung und als Infrarot-Reflektografie. Pfeil 1 deutet auf den Kopf, Pfeil 2 auf den ange- hobenen Fuß und Pfeil 3 auf den Standfuß. Der Flamingo war bis zu seiner Übermalung in seinen Formdetails und Helldunkel-Werten bereits weit ausgearbeitet worden. Bemerkenswert

552 Reden: Bericht, 1959, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestaurierung. 553 Vgl. Binzer: Untersuchungs- und Restaurierungsbericht, 2007, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälderestau- rierung. 554 Vgl. Rikken 2009, S. 55. 337

ist dabei das lokale Pentiment des Standfußes (Pfeil 4). Ein Flamingo in gleicher Haltung wie in der Infrarot-Reflektografie des Kasseler Gemäldes findet sich auf zwei weiteren Werken Hondecoeters in München und in Amsterdam.555 Die Zwischenfirnisse waren zum einen wäh- rend der Ausarbeitung des Flamingos und zum anderen vor und während der Überarbeitung zu einem offenen Landschaftsausblick aufgetragen worden. Ein Schlussfirnis ist nicht nachge- wiesen.

Maltechnischer Aufbau: Pentiment im Landschaftsausblick und Himmel Detail-Aufnahmen

Abb. IV.2: Detail-Aufnahme, Pfeile 1-4: Position des Abb. IV.3: Detail- Aufnahme, Infrarot-Reflektogra- Flamingos (1: Kopf, 2: angehobener Fuß, 3: Stand- fie, Pfeile 1-4: Flamingo (1: Kopf, 2: angehobener fuß, 4: Pentiment des Standfußes), Gemäldegalerie Fuß, 3: Standfuß, 4: Pentiment des Standfußes), Mu- Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, seumslandschaft Hessen Kassel, Gemälderestaurie- Foto: Hensmanns (Ausschnitt) rung, Foto: Hack (Ausschnitt)

555 Vgl. Binzer: Untersuchungs- und Restaurierungsbericht, 2007, Archiv MHK: Aktenbestand Gemälderestau- rierung; BK München 1986, S. 254f.; Rikken 2009, S. 42f., Abb. 37, S. 43. Binzer nennt die Gemälde Vogelpark, Leinwand, 339,5 x 524,5 cm, undatiert, Alte Pinakothek München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen und Ein Pelikan und andere Vögel an einem Teich (Die schwimmende Feder), Leinwand, 159 x 144 cm, Rijksmuseum Amsterdam. 338

4.4.2.2 Erhaltungszustand

Das Gemälde ist bemerkenswerter Weise undoubliert. Eine Vielzahl von Nagellöchern belegt ein mehrfaches Ab- und Aufspannen. Der heutige Spannrahmen hat eine vertikale Strebe, die Leisten sind etwas breiter als die des verlorenen, vermutlich originalen Spannrahmens. Von Reden dokumentiert 1959, dass der obere, flach anliegende Rand von vorne angenagelt ist.556 Im heutigen Zustand ist vor allem dort die Aufspannung ausgerissen, so dass die Leinwand ohne Spannung in weiten Falten durchhängt. Ein Leinwandriss ist mit einem Gewebeflicken und Wachs als Klebemittel hinterlegt. Der Flicken stammt vermutlich aus der Zeit vor 1959, da das Bild laut von Reden bei seinem Absturz 1959 keine Beschädigung erlitten hatte.557 Das Malschichtcraquelé variiert in den verschieden Bereichen des Bildes. In der rechten Bild- hälfte hat es eine horizontale, in der Mitte der linken Bildhälfte und im eingehend untersuchten Landschaftsausblick eine vertikale Vorzugsrichtung.558 In der mikroskopischen Untersuchung des Craquelés ist diese Besonderheit nicht erkennbar. Im Bereich des Landschaftsausblicks und des Pentiments liegen stark geweitete Malschichtrisse vor. Dieser Bereich umfasst die Bäume vor der Villa und Teile der Villa, die Wiese, die Balustrade und das Waldstück im Hintergrund sowie das Säulenfragment und einen Teil des Architekturfragments im Vordergrund. In weiten Bereichen ist die Malschicht stark schollig. Die Kanten der Farbschollen überlappen sich stellenweise. Einige größere Ausbrüche sind am Leinwandriss und am Bildrand festzustellen, zudem Farblockerungen und kleinste Ausbrüche auf der gesamten Bildfläche. Im Bereich der weißen Henne liegt eine Schichtentrennung der Malschicht vor. Der Himmel erscheint im Bereich des Flamingos stark gegilbt, möglicherweise aufgrund des Zwischenfirnisses.559 Die Malschicht ist nicht durch Lösemitteleinwirkung berieben und nicht getrübt. Der Firnis ist mehrschichtig und stark gegilbt. Anders als in Fallstudie I spart die Firnisgilbung den Bildrand nicht aus. Der Firnis weist stellenweise, vor allem im Landschaftsausblick und Bildvorder- grund, borkenartige Deformationen auf. Ein Zierrahmen ist nicht erhalten. Aufgrund seines nicht ausstellungsfähigen Zustands befindet sich Die weiße Henne mit Küchlein dauerhaft im Depot der Gemäldegalerie Alte Meister.

556 Vgl. Reden: Bericht, 1959, Archiv MHK, Bestand: Gemälderestaurierung. 557 Vgl. ebd. 558 Die wechselnden Vorzugsrichtungen deuten darauf hin, dass man das abgespannte Gemälde in verschiedene Richtungen gebogen oder gerollt hatte. 559 Vgl. Wenders de Calisse 2011, S. 76. Nach Wenders de Calisse weist Jean-Baptiste Oudry (1686-1755) in sei- nem Traktat auf die Gilbung bei Zwischenfirnissen mit fettem Öl hin. Die Bindemittel der Zwischenfirnisse dieses Gemälde sind allerdings nicht bestimmt. 339

4.4.2.3 Zwischenstand der aktuellen Konservierung und Restaurierung

Das Gemälde ist als Exponat für eine Sonderausstellung Vom Adel der Malerei. Holland um 1700 vorgesehen, die 2007 in der Kasseler Gemäldegalerie und zwei weiteren Orten stattfindet. Man entscheidet sich 2006 für eine umfassende Konservierung und Restaurierung.560 Die erst- malige eingehende Untersuchung und die Konzeption nimmt die damalige Volontärin der Ge- mälderestaurierung, Kerstin Binzer, vor. Sie führt die aufwendige Konservierung des textilen Bildträgers durch und beginnt mit der Firnisabnahme.561 Von 2007 bis 2008 führt die ehemalige Kollegin in der Gemälderestaurierung, Pia Maria Hilsenbeck, die Arbeit fort.562 Für die Fir- nisabnahme in den Bereichen außerhalb des Pentiments dient eine Lösemittelmischung aus 2- Propanol und Ethanol (2 + 1 VT). Eine wesentliche Schwierigkeit besteht zunächst darin, dass gelöster Firnis in das geweitete Craquelé fließt und die Leinwand tränkt. Für die Anwendung des Lösemittelgemisches werden auf Stäbchen aufgesteckte Miniaturschwämme, aus „Blitzfix- Schwamm“ ausgestanzte, zylinderförmige Stücke mit einem Durchmesser von 5 mm, verwen- det.563 Der gelöste Firnis kann besser als mit einem Wattebausch abgesaugt und das Abfließen der Firnislösung in die Leinwand gemindert werden. An etwa einem Drittel der Bildfläche wird die Firnisabnahme in dieser Weise vorgenommen. Dabei zeigt sich ein inselartiges Aus- schwemmen der Firnisschicht, das aber aufgrund der Unempfindlichkeit der Malschicht gegen- über der Lösemittelmischung zunächst kein Problem darstellt. Im Bereich des Landschafts- ausblicks und des Pentiments in einer Fläche von ca. 30 x 50 cm werden jedoch bei Proben erhebliche Farbverluste verzeichnet, so dass von einer Firnisabnahme mit Lösemitteln Abstand genommen wird. Dort wird eine mechanische Firnisdünnung durch Abschleifen mit pulveri- siertem Mastix getestet und begonnen.564 Die Fallstudie berichtet somit von einer bislang nicht abgeschlossenen Restaurierung, die sich im Laufe der Arbeit als außergewöhnlich schwierig und aufwendig erweist und eine wesentliche Konzeptionsänderung erfordert.565

560 Vgl. Mai/Paarlberg/Weber 2007. Die Ausstellung findet in Kassel vom 21. 6. bis 30. 9. 2007 statt, weitere Ausstellungsorte sind Köln und Dordrechts (mit dem Ausstellungstitel De kroon op het werk. Hollandse schilder- kunst 1670-1750). 561 Vgl. Binzer: Zustandsbericht und Maßnahmenkatalog vom 20. März 2007 und Bericht, 2007, Archiv MHK, Bestand: Gemälderestaurierung. Die konservatorischen Maßnahmen sind: Abspannen der Leinwand, Randdoub- lierung mit Beva® 371-Heißsiegelkleber beschichteter, weitmaschiger Leinwand, Abnahme der Leinwandflicken, Schließen des Leinwandrisses durch Einzelfadenverklebung und Fadenbrücken, Wiederaufspannen auf den vor- handenen Keilrahmen. 562 Vgl. Hilsenbeck: Bericht 2008, Archiv MHK, Bestand: Gemälderestaurierung. 563 Die Miniatur-Schwämme werden vorbereitend mehrfach in destilliertem Wasser ausgespült, ausgedrückt und im noch minimal feuchten Zustand in Lösemittel getaucht. 564 Vgl. Krämer 2009, S. 29f., Krämer 2017, 32f. 565 Der Firnis ist bislang bis zu einem Drittel der Fläche abgenommen, im Bereich der mechanischen Firnisdün- nung ist etwa ein Viertel der Fläche bearbeitet. 340

4.4.3 Auswahl der untersuchten Bereiche

Neun Bereiche und acht Querschliffe des Gemäldes werden lichtmikroskopisch untersucht. Die Bereiche und Probeentnahmestellen sind in den Abbildungen IV.4 bis IV.6 und IV.7 bis IV.14 (S. 342f.) verzeichnet. Im Anhang sind die Koordinaten der Bereiche und Entnahmestellen auf- geführt (B.4.1, S. 479).

Untersuchte Bereiche und Probeentnahmestellen für Querschliffe Kartierungen

Abb. IV.4: Landschaftsausblick und Himmel, Abb. IV.5: Hahn rechts, Kartierung, mikroskopisch Kartierung, mikroskopisch untersuchte Bereiche 1-6: untersuchte Bereiche 7 und 8: dunkle Rechtecke, dunkle Rechtecke, entsprechend den Bildausschnitten entsprechend den Bildausschnitten der Mikroskop- der Mikroskop-Aufnahmen 90° nach rechts gedreht, Aufnahmen 90° nach links gedreht, Entnahmestellen Entnahmestellen der Proben 1a-5: Pfeile der Proben 7a-8b: Pfeile

Abb. IV.6: Fuß des Hahns, rechter Bildrand, Kartierung, mikroskopisch untersuchter Bereich 9: dunkles Rechteck, entsprechend dem Bildausschnitt der Mikroskop-Aufnahmen 90° nach links gedreht, Entnahmestelle der Probe 9: Pfeil

341

Von den Bereichen 1, 7 und 8 werden jeweils zwei Proben entnommen, von den Bereichen 2 bis 4 und 6 hingegen keine Proben. Die Mikroskop-Aufnahmen sind aufgrund der Bildgröße vom nächst gelegenen Bildrand aus aufgenommen. Daraus folgt, dass die Bildausschnitte ge- genüber der Bildfläche gedreht sind, bei den Bereichen 1 bis 6 (aufgenommen vom linken Bild- rand aus) um 90° nach rechts, bei den Bereichen 7 bis 9 (aufgenommen vom rechten Bildrand aus) um 90° nach links. Die Angaben dazu finden sich im Bildkatalog dieser Fallstudie, in den Abbildungsunterschriften dieses Kapitels wird darauf verzichtet. Auf die Auswertung der Mik- roskop-Aufnahmen der Bildoberfläche hat die Drehung keinen Einfluss, weil die untersuchten Rissbildungen und Deformationen ohne Vorzugsrichtung sind.

Untersuchte Bereiche des Gemäldes Detail-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. IV.7: Landschaftsausblick, Beleuchtung schräg Abb. IV.8: Landschaftsausblick, koaxiale Beleuch- von links und rechts, Pfeil 1: Bereich 1, Pfeil 2: Be- tung, Pfeil 1: Bereich 1, Pfeil 2: Bereich 2, Pfeil 3: reich 2, Pfeil 3: Entnahmestelle für Proben 1a, 1b, Entnahmestelle für Proben 1a, 1b, Maßbalken: 1 cm Maßbalken: 1 cm

Abb. IV.9: Landschaftsausblick, partielle mecha- Abb. IV.10: Landschaftsausblick, koaxiale Beleuch- nische Firnisdünnung, Beleuchtung schräg von links tung partielle mechanische Firnisdünnung, Pfeil 1: und rechts, Pfeil 1: Bereich 4, Pfeil 2: Bereich 1, Bereich 4, Pfeil 2: Bereich 1, Maßbalken: 1 cm Maßbalken: 1 cm

342

Abb. IV.11: Himmel, Beleuchtung schräg von links Abb. IV.12: Himmel, koaxiale Beleuchtung, Pfeil 1: und rechts, Pfeil 1: Bereich 5, Pfeil 2: Bereich 6, Bereich 5, Pfeil 2: Bereich 6, Pfeil 3: Entnahmestelle Pfeil 3: Entnahmestelle für Probe 5, Maßbalken: 1 für Probe 5, Maßbalken: 1 cm cm

Abb. IV.13: Hals des Hahns, Beleuchtung schräg von Abb. IV.14: Hals des Hahns, koaxiale Beleuchtung, links und rechts, Pfeil 1: Bereich 7, Pfeil 2: Entnah- Pfeil 1: Bereich 7, Pfeil 2: Entnahmestelle für Proben mestelle für Proben 7a und 7b, Maßbalken: 1 cm 7a und 7b, Maßbalken: 1 cm

Im Blattwerk des Landschaftsausblicks liegt die dunkle streifige Untermalung stellenweise frei. Die Bäume und Sträucher unterhalb der Villa sind mit einer dunkelgrünen dünnen Farbschicht flächig unterlegt, einzelne Blätter mit transparenter, intensiv grüner Farbe in variierenden Schichtdicken angelegt sowie durch einen grünen deckenden Auftrag und hellgelbe, leicht pas- tos aufgetupfte Lichter akzentuiert. Abbildung IV.4 (S. 341) gibt eine Übersicht der dort unter- suchten Bereiche. Bereich 1 zeigt exemplarisch die Rissweitung von Malschicht und Firnis sowie die borkenartigen Deformationen des Firnisses (Abb. IV.7, IV.8, S. 342, Pfeil 1). Stellen- weise scheint die hellrote Farbe des Flamingos durch oder ist in der Öffnung der geweiteten Malschichtrisse erkennbar. In Bereich 2 (Pfeil 2) ist eine Migration des Zwischenfirnisses erfasst, wie sie die in unmittelbarer Nähe (Pfeil 3) entnommene Probe 1a im Querschliff zeigt. Bereich 3 liegt innerhalb der Fläche der mechanischen Firnisdünnung (Abb. IV.4, S. 341) an einer Stelle, an der die Malschicht freigelegt und angeschliffen ist. Bereich 4 befindet sich am

343

Rand der mechanischen Firnisdünnung und illustriert die lokale Nivellierung der Erhebungen der Firnisoberfläche zu Beginn der Firnisdünnung (Abb. IV.9, IV.10, S. 342). Der Himmel zeigt leichte Pastositäten eines breiten Pinsels. Auch an dieser Stelle scheint das hellrote Federkleid des Flamingos durch. Die untersuchten Bereiche 5 und 6 liegen im von der tief stehenden Sonne rot gefärbten Horizont und so nahe beieinander, dass die zugehörige Probe 5 für beide Bereiche Gültigkeit hat (Abb. IV.4, S 341, Abb. IV.11, IV.12, S. 343). In Bereich 5 hat die obere Farbschicht Wulste gebildet. Der Firnis ist in beiden Bereichen entlang des Cra- quelés deformiert, aber deutlich weniger als in den Bereichen 1 und 2. Der Hahn am rechten Bildrand ist in der Komposition angeschnitten. Sein Gefieder ist in den hellen Bereichen mit schmalen und sich überlagernden Pinselstrichen unterschiedlicher Schat- tierungen modelliert. Die Pinselzüge sind nicht zu Farbübergängen miteinander vertrieben. Ein auffälliges Gestaltungsmerkmal der Federn ist der leichte Aufstrich von Farbe, die in Inseln an den Höhen des Untergrundes anhaftet.566 Der Farbauftrag ist vorwiegend dünn. Die Brust des Hahns ist dunkelbraun unterlegt, die Zeichnung des Gefieders mit dünner und flüssiger, schwarzer Farbe gemalt. Die als Farbtupfer aufgesetzten Lichter der Beine und Füße (Abb. IV.6, S. 341) gehören zu den stärksten Pastositäten des gesamten Bildes. Abbildung IV.5 (S. 341) zeigt Bereich 7 am Hals und Bereich 8 am Flügel des Hahns sowie die zugehörigen Ent- nahmestellen der Querschliffe. In Bereich 7 sind die Malschichtrisse stark geweitet. Der Firnis ist borkenartig deformiert (Abb. IV.13, IV.14, S. 343). Hingegen sind in Bereich 8 die Mal- schichtrisse nicht geweitet und die Firnisdeformationen geringer. In diesem Bereich fallen feinste Firnistropfen auf. Sie werden als Spuren eines gespritzten Firnisauftrags angesehen und spielen beim Versuch der zeitlichen Einordnung der Firnisschichten eine Rolle (vgl. Kap. 4.4.4.3, S. 353 und Kap. 4.4.5.3, S. 377ff., 383). Der ausgewählte Bereich 9 am rechten Bildrand zeigt eine breite Steinstufe, die zu dem Architekturfragment rechts gehört und auf die der Hahn seinen Fuß setzt (Abb. IV.6, S. 341). Die braune Fläche der Stufe ist gegliedert durch hellbraune Höhungen an der Kante und den Schlagschatten des Hahns. Die Malschichtoberfläche ist überwiegend glatt. Die hellbraune Grundierung scheint durch den dünnen Farbauftrag hindurch. In diesem Bereich wird bei- spielhaft für weite Bereiche des Bildrandes eine Abschabung der Malschicht und Grundierung untersucht. Die Abschabung war wie in Fallstudie I beim Einrahmen entstanden und es wird vermutet, dass Malschicht und Grundierung zu diesem Zeitpunkt durch Lösemitteleinwirkung einer Restaurierung erweicht gewesen waren.

566 Vgl. Wenders de Calisse 2011, S. 73. Wenders de Calisse stellte diese spezielle Auftragstechnik bei dem Flügel eines Puttos in einem Gemälde von Antoine Watteau (1684-1721) fest. 344

4.4.4 Schichten und Schichtenfolgen

4.4.4.1 Grundierung

Die Abbildungen IV.15 bis IV.18 zeigen die zweischichtige Grundierung anhand der Quer- schliffe der ausgewählten Proben 1b, 5, 7a und 8a. Pfeil 1 deutet auf die Grundierungsober- fläche.

Grundierung und Malschicht im Querschliff Mikroskop-Aufnahmen: Dunkelfeld- und externe Beleuchtung

Abb. IV.15: Probe 1b, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil 1: Abb. IV.16: Probe 5, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil 1: Grundierungsoberfläche, Pfeil 2: untere Farbschicht Grundierungsoberfläche, Pfeil 2: untere Farbschicht des Pentiments, Pfeil 3: Malschichtoberfläche des Pentiments, Pfeil 3: Malschichtoberfläche

Abb. IV.17: Probe 7a rechts, Mikroskop-Aufnahme, Abb. IV.18: Probe 8a, Mikroskop-Aufnahme, Pfeil 1: Pfeil 1: Grundierungsoberfläche, Pfeil 2: Malschicht- Grundierungsoberfläche, Pfeil 2: Malschichtober- oberfläche fläche

Die untere, dunkelbraune Schicht enthält grobe, weiße und stellenweise transparente sowie braune, ebenfalls grobe und stellenweise transparente Partikel. Sie ist in Probe 8a vollständig erfasst und hat in dieser Probe eine Dicke von bis zu 235 µm. Auch in der oberen, hellbraunen

345

Grundierungsschicht sind weiße und stellenweise transparente Partikel eingebettet. Der Auftrag ist erheblich dünner und misst überwiegend 50 bis 70 µm. Die Schichtenabfolge der Grundie- rung aller Proben ist in Tabelle IV.1 zusammengefasst. Die abgebildeten Proben sind in dieser Tabelle, ebenso wie in den folgenden Tabellen des Kapitels 4.4.4, hervorgehoben.

Tab. IV.1: Schichtenabfolge der Grundierung

4.4.4.2 Malschicht

Auch die Malschicht ist anhand der vier Proben in den Abbildungen IV.15 bis IV.18 (S. 345) dargestellt. In den Proben 1b und 5 deutet Pfeil 2 auf die untere Farbschicht des Pentiments, Pfeil 3 auf die Malschichtoberfläche, in den Proben 7a und 8a ist die Malschichtoberfläche mit Pfeil 2 markiert.

Tab. IV.2: Schichtenabfolge der Malschicht, Farbschichten des Pentiments zusätzlich mit „P“ bezeichnet, ein Zwischenfirnis des Pentiments mit „ZF-P“, weitere Zwischenfirnisse mit „ZF“

Tabelle IV.2 gibt einen Überblick über die Abfolge der Einzelschichten der einzelnen Proben. Die Farbschichten des Pentiments, des Flamingos, sind mit „P“ bezeichnet, ein Zwischenfirnis

346

des Pentiments mit „ZF-P“. In den Proben 1a und 1b sind weitere Zwischenfirnisse der Über- arbeitung („ZF“) vorhanden. Tabelle IV.3 fasst die Gesamtdicke der Malschicht sowie die An- zahl der Farbschichten und Zwischenfirnisse aller Proben zusammen. Die Dicke ist in Abstu- fungen von 5 µm angegeben (vgl. Kap. 3.7, S. 125f.). Bereich 1 (Probe 1a und Probe 1b, Abb. IV.15, S. 345): Die unterste Farbschicht ist hellrot. Die zweite Schicht ist dunkelrot und hat einen hohen Bindemittelanteil. Sie ist in Probe 1a die obers- te Schicht des Pentiments, in Probe 1b folgen darauf ein Zwischenfirnis und eine hellrote, dünne Farbschicht. Auch die Schichten der Überarbeitung weichen voneinander ab. In Probe 1a liegen zunächst zwei Zwischenfirnisse vor, dann eine grüngraue Farbschicht, ein Zwischenfirnis und schließlich eine ebenfalls grüngraue Farbschicht. In Probe 1b wechseln sich drei Zwischenfir- nisse und drei grüngraue Farbschichten ab. Bereiche 5 und 6 (Probe 5, Abb. IV.16, S. 345): Wie in Probe 1b werden eine hellrote und eine dunkelrote, bindemittelreiche Farbschicht zum Pentiment gerechnet. Der Himmel ist zwei- schichtig, mit zwei hellen Farbschichten. Bereich 7 (Probe 7a, Abb. IV.17, S. 345 und Probe 7b): Die Malschicht beinhaltet eine dun- kelbraune, bindemittelreiche Schicht, vermutlich die streifige Unterlegung. Darauf sind eine hellrote Farbschicht und eine ebenfalls hellrote, bindemittelreiche Farbschicht aufgetragen. Bereich 8 (Probe 8a, Abb. IV.18, S. 345 und Probe 8b): Auf eine helle Unterlegung folgen zwei hellrote, dünne Farbschichten. Die oberste Schicht bildet eine sehr dünne, vermutlich graue Farbschicht. Am rechten Rand von Probe 8a ist möglicherweise ein kleiner Teil der gelben, streifigen Farbschicht erfasst (nicht in die Kartierung aufgenommen). Bereich 9 (Probe 9): Die beiden dünnen Farbschichten sind grau bis braungrau.

Tab. IV.3: Gesamtdicke der Malschicht (in Abstufungen von 5 µm) und Anzahl der Schichten (Farbschichten und Zwischenfirnisse)

Gesamtdicke der Malschicht und Anzahl der Schichten stehen nur teilweise in einem direkten Bezug zueinander. Die höchste Dicke der Malschicht (90 µm) hat Proben 1b aus dem Bereich des Pentiments, die geringste Dicke (15 µm) Probe 9 vom rechten Bildrand. Bei den Proben

347

von derselben Entnahmestelle, z.B. Proben 7a und 7b, stimmt die Anzahl der Schichten überein (3 Schichten), während die Dicke der Malschicht abweicht (35-50 µm und 55-65 µm).

Partielle Zwischenfirnisse Partielle Zwischenfirnisse sind in den Proben 1a und 1b enthalten und weichen in Anzahl, Lage innerhalb der Schichtenabfolge und UV-Fluoreszenz voneinander ab (Tab. IV.2, S. 346). Ihre Dicke wird in Abstufungen von 5 µm angegeben (vgl. Kap. 3.7, S. 125f.). Probe 1a (Abb. IV.19, IV.20, S. 349): Die Probe enthält drei Zwischenfirnisse, die zur Über- arbeitung gezählt werden. Der unterste Zwischenfirnis (Schicht 3) hat eine graue UV-Fluores- zenz, seine Dicke beträgt mehrheitlich zwischen 5 und 10 µm. Der mittlere Zwischenfirnis (Schicht 4) fluoresziert hell und ist 15 bis 20 µm dick, der obere Zwischenfirnis (Schicht 6) zeigt diesselbe UV-Fluoreszenz, er misst bis zu 5 µm und läuft zu Null hin aus. Probe 1b (Abb. IV.21, IV.22, S. 349): Der unterste von insgesamt vier Zwischenfirnissen dieser Probe (Schicht 3) ist Teil der Schichtenabfolge des verworfenen Flamingos. Er hat eine helle UV-Fluoreszenz und eine Dicke von 5 bis 10 µm. Die drei folgenden Zwischenfirnisse sind Teil der Überarbeitung. Sie fluoreszieren ebenfalls hell und haben eine Dicke von bis zu 5 µm (Schichten 5 und 7) und bis zu 10 µm (Schicht 9). Die beiden Proben zeigen, dass die Zwischenfirnisse auf einen Teil des Pentiments begrenzt sind und verschiedenen Phasen der Bildentstehung angehören. Mehrheitlich ist ihre UV-Flu- oreszenz hell, die abweichende UV-Fluoreszenz in einem Zwischenfirnis deutet auf die Ver- wendung unterschiedlicher Firnismaterialien hin. Die abweichenden Schichtenabfolgen des Pentiments und der Überarbeitung ungeklärt. Beispielsweise in Probe 1a kann es sich um einen zweischichtigen Zwischenfirnis oder um ein Auslaufen der in Probe 1b vorhanden Farbschicht zu Null hin handeln.

4.4.4.3 Firnis

Die Abbildungen IV.19 bis IV.30 (S. 349f.) zeigen die o.g. Proben 1a bis 8a sowie zusätzlich Probe 9 in der Gegenüberstellung der Mikroskop-Aufnahmen unter UV-Anregung und der Kar- tierungen. Pfeile deuten auf die Malschichtoberfläche. In den Mikroskop-Aufnahmen und den Kartierungen sind die Schichtenfolgen des Firnisses verzeichnet. Die Tabellen IV.4 bis IV.6 (S. 351f.) geben einen Überblick über die Gesamtdicke des Firnisses, über die Anzahl, Dicke und UV-Fluoreszenz der einzelnen Firnisschichten sowie über den Rekonstruktionsversuch der

348

Schichtenfolgen des Firnisses aller Proben. Die Dicke des Firnisses und der Firnisschichten ist in Abstufungen von 5 µm angegeben (vgl. Kap. 3.7, S. 125f.).

Schichten und Schichtenfolgen des Firnisses im Querschliff Mikroskop-Aufnahmen: UV-Anregung Kartierungen: Firnis: weiß, Malschicht oder Farbschichten und Grundierung: hellgrau, Zwischenfirnisse: grau

Abb. IV.19: Probe 1a, Mikroskop-Aufnahme, Rissbe- Abb. IV.20: Probe 1a, Kartierung, Rissbereiche: R1, reiche: R1, R2, Schichtenfolgen des Firnisses: 1, 2, R2, Schichtenfolgen des Firnisses: 1, 2, Pfeil: Mal- Pfeil: Malschichtoberfläche schichtoberfläche

Abb. IV.21: Probe 1b, Mikroskop-Aufnahme, Riss- Abb. IV.22: Probe 1b, Kartierung, Rissbereich: R1, bereich: R1, Schichtenfolgen des Firnisses: 1, 2, Schichtenfolgen des Firnisses: 1, 2, Pfeil: Mal- Pfeil: Malschichtoberfläche schichtoberfläche

Abb. IV.23: Probe 5, Mikroskop-Aufnahme, Riss- Abb. IV.24: Probe 5, Kartierung, Rissbereiche: R1- bereiche: R1-R3, Schichtenfolgen des Firnisses: 1, 2, R3, Schichtenfolgen des Firnisses: 1, 2, Pfeil: Mal- Pfeil: Malschichtoberfläche schichtoberfläche

349

Abb. IV.25: Probe 7a rechts, Mikroskop-Aufnahme, Abb. IV.26: Probe 7a rechts, Kartierung, Rissbe- Rissbereiche: R1, R2, Schichtenfolgen des Firnisses: reiche: R1, R2, Schichtenfolgen des Firnisses: 1, 2, 1, 2, Pfeil: Malschichtoberfläche Pfeil: Malschichtoberfläche

Abb. IV.27: Probe 8a, Mikroskop-Aufnahme, Riss- Abb. IV.28: Probe 8a, Kartierung, Rissbereiche: R1- bereiche: R1-R4, Schichtenfolgen des Firnisses: 1, 2, R4, Schichtenfolgen des Firnisses: 1, 2, Pfeil: Mal- Pfeil: Malschichtoberfläche schichtoberfläche

Abb. IV.29: Probe 9, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. IV.30: Probe 9, Kartierung, Schichtenfolgen des tenfolgen des Firnisses: 1, 2, Pfeil: Malschichtober- Firnisses: 1, 2, Pfeil: Malschichtoberfläche fläche

350

Tab. IV.4: Gesamtdicke des Firnisses (in Abstufungen von 5 µm) und Anzahl der Firnisschichten

Gesamtdicke Die Gesamtdicke des Firnisses variiert in den verschiedenen Bereichen (Tab. IV.4). Die höchste Dicke (60 µm) wird in Probe 1b, die geringste (5 µm) in Probe 7b festgestellt. Zudem ist in Proben von derselben Entnahmestelle die Firnisdicke verschieden, z.B. in Probe 7a (10-20 µm) und Probe 7b (5-15 µm).

Anzahl der Firnisschichten In der Mehrheit der Proben sind vier Firnisschichten erkennbar, in den Proben 7a und 8b nur zwei Schichten (Tab. IV.4). Diese geringere Anzahl gegenüber den Proben derselben Entnah- mestelle wird auf eine lokale Auflösung ehemaliger Schichtgrenzen zurückgeführt. Zwischen Dicke und Anzahl der Schichten besteht kein eindeutiger Zusammenhang. Beispielsweise ha- ben die Proben 1b und 9 eine unterschiedliche Dicke (25-40 µm und bis 10-20 µm), beinhalten aber gleichermaßen vier Firnisschichten, während bei den Proben 7a und 9 die Dicke (10 bis 20 µm) gleich ist und die Anzahl der Schichten (2 und 4) differiert.

Tab. IV.5: Dicke der Firnisschichten, in Abstufungen von 5 µm und in den Schichtdicken 1 bis 4, farbig kontrastiert (siehe Legende), Firnisschichten nicht bestimmte Dicke: „?“

351

Dicke von Firnisschichten Die Firnisschichten haben eine variierende Dicke (Tab. IV.5, S. 351). Die dünnsten Firnis- schichten erreichen 5 µm, die dicksten Schichten messen zwischen 15 und 20 µm. Die Mehrheit der Schichten ist bis zu 10 µm dick, die weit überwiegende Zahl bis zu 15 µm. Hinsichtlich ihrer Dicke nicht bestimmbar sind drei Schichten in Probe 7b, da sie im Bereich eines Mal- schichtrisses und einer Vertiefung der Malschichtoberfläche liegen. Die Dicke der oberen Fir- nisschicht und die Gesamtdicke des Firnisses sind an anderer Stelle gemessen. Die Tabelle zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Proben derselben Entnahmestelle. Beispielsweise sind in den Proben 1a und 1b die Firnisschichten 1, 2 und 4 gleich dick, während in den Proben 8a und 8b Firnischicht 1 eine erheblich abweichende Dicke hat.

Tab. IV.6: UV-Fluoreszenz der Firnisschichten und Bestimmung der Schichtenfolgen 1 und 2: Ziffern 1 und 2

UV-Fluoreszenz der Firnisschichten Tabelle IV.6 gibt einen Überblick über die UV-Fluoreszenz aller Proben. Insgesamt vier UV- Fluoreszenz-Farben werden unterschieden. In der Reihe ihrer Häufigkeit sind dies eine helle, eine hellgelbe, eine hellblaue und eine graue UV-Fluoreszenz. Hell fluoreszierende Firnis- schichten finden sich in den Proben 1a, 1b, 5, 7b, 8a und 9, hellgelb fluoreszierende Schichten in allen Proben, hellblau fluoreszierende Schichten in den Proben 1a, 1b und 7a bis 9. Einzig in Probe 5 ist eine Schicht mit grauer UV-Fluoreszenz zu erkennen. Es handelt sich um die oberste Schicht, während in den übrigen Proben die oberste Schicht hellblau fluoresziert, unabhängig von der Anzahl der Schichten. Die Proben 1a und 1b gleichen sich hinsichtlich ihrer UV-Fluo- reszenz, nicht aber die Proben 7a und 7b sowie 8a und 8b. In Verbindung mit der ebenfalls ab- weichenden Anzahl der Schichten kann für die Proben 7a und 8b angenommen werden, dass sich die Schichten 1 bis 3 unter Lösemitteleinwirkung zu einer einzigen Schicht verbunden hat- ten und diese die hellgelbe UV-Fluoreszenz der vormaligen Schicht 3 angenommen hatte.

352

Rekonstruktionsversuch von Schichtenfolgen In dem Rekonstruktionsversuch werden zwei Schichtenfolgen des Firnisses bestimmt und in der Tabelle IV.6 (S. 352) dargestellt. Für die Bestimmung wird die hellgelb fluoreszierende Fir- nisschicht als Leitschicht genutzt. Schichtenfolge 1: Die Schichtenfolge ist in den Proben 7a und 8b einschichtig, in den Proben 1a, 1b und 5 zweischichtig sowie in den Proben 7b, 8a und 9 dreischichtig. Dabei stellt die hell- gelb fluoreszierenden Firnisschicht in den Proben 7a und 8b die einzige Schicht dar. In den üb- rigen Proben ist sie die oberste Schicht, die darunterliegenden Firnischichten haben eine helle UV-Fluoreszenz. Schichtenfolge 2: Sie ist in den Proben 7a bis 9 einschichtig, in den Proben 1a, 1b und 5 zwei- schichtig. Gemeinsamkeit sind eine geringe Dicke. Die Schicht (Proben 7a-9) bzw. die obere Schicht (Proben 1a, 1b und 5) fluoresziert mehrheitlich hellblau, nur in Probe 5 grau. Die untere Firnisschicht in den Proben 1a, 1b und 5 hat eine helle UV-Fluoreszenz.

Versuch einer zeitlichen Einordnung der Schichten und Schichtenfolgen Ein Schlussfirnis ist nicht nachweisbar. Da sich auf dem Gemälde keine aufgemalte Inven- tarnummer befindet, kann keine zeitliche Unterscheidung der Firnisaufträge vor und nach 1827, dem Erwerbungsjahr des Gemäldes, getroffen werden. Die ältesten Firnisschichten werden in den Proben 7b, 8a und 9 vermutet. Die Schichtenfolge 1 ist dort dreischichtig und die untersten Schichten bzw. deren Reste haben eine geringe Dicke. Schichtenfolge 2 wird der Restaurierung 1956 zugeordnet. Die schriflichen Quellen belegen zwei Maßnahmen. Die untere Schicht in den Proben 1a, 1b und 5 wird als Firnisauftrag im Zuge der partiellen Firnisbehandlung betrach- tet. Die Vermutung stützt sich auf dokumentierte Firnisregenerierungen anderer Gemälde, die von Reden in dieser Weise vornimmt (vgl. Kap. 2.9.2, S. 70f.). Bei der oberen Schicht bzw. der einzigen Schicht dieser Schichtenfolge in den weiteren Proben handelt es sich um den ebenfalls dokumentierten Firnisauftrag von 1956. Wie im Folgenden eingehend dargestellt wird, erhält der neu aufgetragene Firnis einen weiteren Spritzfirnis, der aber im Querschliff nicht als Schicht erkennbar ist und an dieser Stelle ausgeklammert wird. Die vorhandenen Firnisschichten sind historisch.

353

4.4.5 Schäden und Veränderungen

4.4.5.1 Grundierung

Die Grundierung weist keine Schäden auf und hat eine ausreichende Haftung zum textilen Bild- träger. Die zum Teil auch die Grundierung betreffende Rissbildung ist zusammenfassend im folgenden Punkt beschrieben.

4.4.5.2 Malschicht

Malschichtrisse Die Rissbildung der Malschicht unterscheidet sich in den verschiedenen Bereichen des Gemäl- des. Die Bereiche 1, 2 und 5 repräsentieren den Bereich des Pentiments, die Bereiche 7 bis 8 das Umfeld. Ausgeklammert sind hier die Bereiche 2 und 3 der mechanischen Firnisdünnung. Wie in Kapitel 3.2 (S. 91) beschrieben, wird unterschieden zwischen geweiteten und tiefen, bis zum Bildträger reichenden Rissen mit einer Breite ab 0,03 mm und schmalen und oberfläch- lichen Rissen, die innerhalb der Malschicht oder der Grundierung enden und bis zu 0,02 mm breit sind. Zudem werden Übergänge beider Rissformen dargestellt.

Malschichtrisse: Profile Die vielfältigen Rissprofile sind in den Abbildungen IV.31.1 bis IV.31.6 (S. 355) zeichnerisch dargestellt. Geweitete und tiefe Risse: Die Profile variieren in den verschiedenen Bereichen. Abbildung IV.31.1 (S. 355) zeigt ein typisches Profil in Bereich 5 mit einem parallelen Verlauf der Riss- flächen und klaren Kanten. Ob es sich um eine Randflucht unten handelt, kann anhand der Probe nicht geklärt werden. Die Malschichtoberfläche ist im Rissbereich vertieft. Die Breite beträgt 0,03 mm. In Bereich 7 (Abb. IV.31.2, S. 355) verlaufen die Risskanten nur in der unte- ren Ebene parallel, in der oberen Ebene ist der Riss v-förmig geweitet. Der Pfeil deutet auf die Risskante, die ebenfalls vertieft ist. An der Stelle von Probe 7a rechts ist der Riss über 0,04 mm breit. Ein Rissprofil (Abb. IV.31.3) in den Bereichen 1 und 7 kann in seiner oberen Ebene als Randflucht unten beschrieben werden und setzt sich in einer wesentlich geringeren Breite in

354

die Tiefe fort. Pfeil 1 deutet auf die Risskante, Pfeil 2 auf die Ebene der horizontalen Verschie- bung der Farbschichten. Auch hier liegen die Risskanten vertieft. Die Breite beträgt bis zu 0,14 mm. In Abbildung IV.31.4 ist ein für Bereich 8 typisches Profil mit aufgewölbten und gerun- deten Rissrändern skizziert. Die Weitung ist in der oberen Ebene v-förmig. Die Breite misst bis zu 0,09 mm.

Abb. IV.31.1-IV.31.6: Rissprofile der Malschicht, Zeichnungen, Malschicht: grau gesprenkelt

Schmale und oberflächliche Risse: Abb. IV.31.6 zeigt ein v-förmiges Profil. Die Kanten sind nicht aufgewölbt. Beispielsweise in Probe 5 hat der Riss eine Breite von unter 0,01 mm und endet innerhalb der oberen Farbschicht (Abb. IV.23, IV.24, S. 349, Rissbereich R2), in Probe 8a ist ein bis in die obere Grundierungsschicht reichender, 0,01 mm breiter Riss erfasst (Abb. IV.27, IV.28, S. 350, Rissbereich R2). Übergänge beider Rissformen: In den Bereichen 1 und 2 liegen geweitete, aber oberflächliche Risse vor (Abb. IV.31.5), die in ihrem gesamten Profil eine Randflucht unten darstellen. Die Kanten sind aufgewölbt. Ein solcher Riss ist in Probe 1a erfasst (Abb. IV.19, IV.20, S. 349, Rissbereich R2). Er hat eine Breite von 38 µm (0,04 mm) und endet innerhalb der Malschicht.

Malschichtrisse: Einzelrisse in der Aufsicht Die Abbildungen IV.32 bis IV.35 (S. 356) zeigen die Kartierungen der Malschichtrisse anhand der Mikroskop-Aufnahmen der Bildoberfläche. Ausgewählt sind die Bereiche 1, 5, 7 und 8. Vereinfachend werden die o.g. Übergangsformen, geweitete und oberflächliche Risse, in den Kartierungen gemeinsam mit den geweiteten und tiefen Rissen dargestellt.

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Malschichtrisse: Einzelrisse und Anordnungen in der Aufsicht Kartierungen: geweitete und tiefe bzw. oberflächliche Malschichtrisse: grün, schmale und oberflächliche Malschichtrisse: blau

Abb. IV.32: Bereich 1, Kartierung, Pfeil 1: gerader Abb. IV.33: Bereich 5, Kartierung, Pfeil 1: langer Rissabschnitt, Pfeile 2, 3: variierende Rissbreite, Einzelriss, Pfeile 2, 3: Rissablenkung, Pfeil 4: ver- Pfeil 4: Übergang von Rissen, Pfeil 5: einseitiges mutliche Verzweigung Auslaufen in der Fläche; Pfeil 6: beidseitiges Aus- laufen in der Fläche und variierende Rissbreite, Pfeil 7: Zusammenschluss mit Rissablenkung, Pfeil 8: ver- mutliche Verzweigung

Abb. IV.34: Bereich 7, Kartierung, Pfeile 1, 3: ausge- Abb. IV.35: Bereich 8, Kartierung, Pfeil 1: leicht ge- prägte Biegung, Pfeil 2: leicht gezackter Einzelriss, zackter Einzelriss, Pfeil 2: gerader Einzelriss, Pfeile Pfeil 4: vermutliche Verzweigung, Pfeile 5, 6: Über- 3, 4: Übergang von Rissen, Pfeil 5: Anschluss ohne lagerung von Rissen, Pfeil 7: Versatz, Pfeil 8: An- Ablenkung, Pfeile 6, 7: Parallelverlauf schluss ohne Ablenkung

Geweitete und tiefe oder oberflächliche Risse: Die Risse sind überwiegend leicht gezackt und zügig sowie ein- bis mehrfach gebogen. Ein leicht gezackter Riss liegt z.B. in Bereich 8 vor (Abb. IV.35, Pfeil 1), eine ausgeprägte Biegung in Bereich 7 (Abb. IV.34, Pfeil 1), ein gerader Rissabschnitt in Bereich 1 links oben (Abb. IV.32, Pfeil 1). Die Länge misst vielfach 1 bis 2 mm, in den Bereichen 7 und 8 reichen die Risse über den Bildausschnitt hinaus. Vielfach wech- selt die Rissbreite. Beispielsweise zeigt Abbildung IV.32 von Bereich 1 einen Rissabschnitt mit 1 mm Länge sowie einer Breite von 0,03 mm (Pfeil 2) und 0,09 mm (Pfeil 3).

356

Schmale und oberflächliche Risse: Sie sind überwiegend glatt und zügig sowie gerade oder ein- bis mehrfach gebogen. In Abbildung IV.34 (S. 356) von Bereich 7 deutet Pfeil 2 auf einen leicht gezackten Rissabschnitt, Pfeil 3 auf eine ausgeprägte Biegung. Ein gerader Riss in Bereich 8 ist in Abbildung IV.35 (S. 356) mit Pfeil 2 markiert. Die Länge der Risse beträgt überwiegend 0,5 bis 1 mm. Ein Riss in Bereich 5 ist mit über 2 mm deutlich länger (Abb. IV.33, S. 356, Pfeil 1). Vielfach gehen Rissabschnitte mit einer Breite von 0,02 mm in geweitete und tiefe oder oberflächliche Risse (Breite 0,03 mm) über, z.B. in Bereich 1 (Abb. IV.32, S. 356, Pfeil 4) oder beidseitig in Bereich 8 (Abb. IV.35, S. 356, Pfeile 5 und 6). Ein deutlicher Anteil der Risse läuft an einer Seite zu Null hin aus, z.B. in Bereich 1 (Abb. IV.32, S. 356, Pfeil 5). Ebenfalls in Bereich 1 deutet Pfeil 6 auf einen Riss, der an beiden Enden zu Null hin ausläuft. Zudem ist dort eine variierende Breite von Null bis 0,02 mm bei einer Länge von 0,9 mm zu verzeichnen.

Malschichtrisse: Rissanordnung in der Aufsicht Geweitete und tiefe oder oberflächliche Risse: In den einzelnen Bereichen variiert die flächige Anordnung der Risse deutlich. In Bereich 5 liegen die Risse voneinander isoliert in der Fläche, in den Bereichen 1 und 8 verbinden sich die wenigen Risse zu einem teilweise geschlossenen Netzcraquelé. Ein weitgehend geschlossenes Netzcraquelé hat sich in Bereich 7 gebildet. In diesem Bereich wird auch deutlich, dass die kürzeren Risse an die längeren anschließen. Die Rissbreite spielt dabei zum Teil keine Rolle. In Bereich 1 schließt ein breiterer Riss an einen schmaleren an (Abb. IV.32, S. 256, Pfeil 7). Eine Rissablenkung bei der Annäherung oder beim Anschluss ist nur gering ausgeprägt. Rissanordnungen in den Bereichen 1 und 7 lassen an- nehmen, dass eine Verzweigung vorliegt (Abb. IV.32, S. 256, Pfeil 8, Abb. IV.34, S. 256, Pfeil 4). Ebenfalls in Bereich 7 ist an einer Stelle eine Überlagerung zu vermuten (Abb. IV.34, S. 256, Pfeil 5). Pfeil 7 deutet auf den Versatz eines Risses, der seine Ursache vermutlich in der Überlagerung eines bereits bestehenden, schmalen und oberflächlichen Risses hat. Schmale und oberflächliche Risse: Die Risse schließen sowohl aneinander als auch an die ge- weiteten und tiefen oder oberflächlichen Risse an und bilden so untereinander und zusammen mit den geweiteten und tiefen oder oberflächlichen Rissen ein teilweise bis weitgehend ge- schlossenes Netzcraquelé. Stellenweise ist dabei eine Rissablenkung erkennbar, z.B. in Bereich 5 (Abb. IV. 33, S. 256, Pfeile 2 und 3), an anderen Stellen (Bereiche 7 und 8) findet ein An- schluss ohne die zu erwartende Ablenkung statt (Abb. IV.34, S. 356, Pfeil 8, Abb. IV.35, S. 356, Pfeil 5). Eine ebenfalls denkbare Verzweigung wird wegen der verschiedenen Rissprofile an diesen beiden Stellen ausgeschlossen. Viele Risse enden einseitig in der Fläche, einige Risse liegen isoliert in der Fläche. Eine Überlagerung wird in Bereich 7 an einer Stelle vermutet (Abb.

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IV.34, S. 356, Pfeil 6). Mehrfach verlaufen in Bereich 8 Risse oder Rissabschnitte parallel, überwiegend zu den Rissen mit demselben Profil (Abb. IV.35, S. 356, Pfeile 6 und 7).

Rekonstruktionsversuch der Rissentwicklung In der ersten Phase sind die Risse vermutlich schmal und oberflächlich und schließen sich teil- weise zusammen oder liegen isoliert in der Fläche. In einer zweiten Phase verlängern, weiten und vertiefen sich die bestehenden Risse, neue schmale und oberflächliche Risse kommen hinzu und schließen aneinander und an die geweiteten Risse an. Auch sie weiten sich geringfügig. Die Weitung und Vertiefung von Rissen variiert deutlich, im Einzelfall (Bereich 7) bleiben Risse der ersten Phase schmal und Risse späterer Phasen erfahren in unmittelbarer Nähe eine Weitung. Eine dritte Phase markiert in Bereich 8 die Bildung von parallelen Rissen.

Migration, Deformation und Auflösung von Schichten Im Bereich des Landschaftsausblicks hat sich eine Migration des Zwischenfirnisses gebildet. Abbildung IV.36 (S. 359) von Bereich 2 zeigt eine runde Erhebung von Firnis, die über den Rand des geweiteten und oberflächlichen Malschichtrisses reicht. Der Malschichtriss ist an die- ser Stelle 0,09 mm, die Migration des Firnisses 0,10 mm breit. In den Abbildungen IV. 36 und IV.37 (S. 359) erkennt man die hellrote Farbschicht des Flamingos, in der sich der Mal- schichtriss nicht fortsetzt (Pfeil 2). Pfeil 3 markiert eine Stelle abseits des Risses, an der diese hellrote Farbschicht durch die dünne, oberste Farbschicht scheint. Eine entsprechende Riss- konstellation ist in Probe 1a erfasst (Abb. IV.38, IV.39, S. 359). Pfeil 1 deutet auf die beiden Farbschichten des Flamingos, Pfeil 2 auf den Zwischenfirnis. Der Malschichtriss hat einen Übergang zum Firnisriss. Die Risskante ist mit Pfeil 3 markiert. Die Migration des Zwischen- firnisses (Pfeil 4) zeichnet sich unter UV-Anregung als eine gerundete Form ab. Sie reicht nicht über den Riss hinaus, sondern endet knapp unterhalb der Firnisoberfläche. Darüber liegt eine Firnisschicht, die obere Schicht von Schichtenfolge 2. Auf der Grundlage dieser Schichtenkons- tellation und der zeitlichen Einordnung der Firnisschichten (Kap. 4.4.4.3, S. 353) muss man schließen, dass die Firnismigration nach der partiellen Firnisbehandlung und vor dem ganzflä- chigen Firnisauftrag der Restaurierung im Jahr 1956 entsteht. Probe 1b zeigt abseits eines Rissbereichs eine Migration, die von den wellig deformierten, obe- ren Farbschichten ausgeht und über die Firnisoberfläche hinausreicht (Abb. IV.21, IV.22, S. 349). Sie ist nicht von Firnis überdeckt, deshalb wird angenommen, dass sie sich ebenfalls 1956 bildet.

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Malschicht: Migration, Deformation und Auflösung von Schichten Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen und Aufnahmesituationen

Abb. IV.36: Bereich 2, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. IV.37: Bereich 2, Mikroskop-Aufnahme, Be- leuchtung schräg von links, Pfeil 1: Migration des leuchtung schräg von links und mit Shellsol T be- Zwischenfirnisses, Pfeil 2: geweiteter und oberfläch- netzt, Pfeil 1: Migration des Zwischenfirnisses, Pfeil licher Malschichtriss (Randflucht unten), Pfeil 3: 2: geweiteter und oberflächlicher Malschichtriss durchscheinende rote Farbschicht (Randflucht unten), Pfeil 3: durchscheinende rote Farbschicht

Abb. IV.38: Probe 1a, Mikroskop-Aufnahme, Dun- Abb. IV.39: Probe 1a, Mikroskop-Aufnahme, UV- kelfeld- und externe Beleuchtung, Pfeil 1: rote Farb- Anregung, Pfeil 1: rote Farbschichten des Flamingos, schichten des Flamingos, Pfeil 2: Zwischenfirnis, Pfeil 2: Zwischenfirnis, Pfeil 3: Risskante, Pfeil 4: Pfeil 3: Risskante, Pfeil 4: Migration des Zwischen- Migration des Zwischenfirnisses firnisses

In Bereich 5 haben sich zwei Wulste mit einer Breite von bis zu 0,05 mm gebildet (Abb. IV.40, S. 360, Pfeile 1 und 2). Sie reichen bis nahe an die Oberfläche des Firnisses. Anhand der in Pro- be 5 gemessenen Firnisdicke von rund 30 µm kann auf die Höhe der Migration geschlossen werden. Unter UV-Anregung zeichnen sich anstelle der Wulste Malschichtrisse ab, aus denen die Farbe migriert ist (Abb. IV.41, S. 360). Diese Konstellation wird als Verbindung von Wulst und Malschichtriss betrachtet. An der Stelle von Pfeil 1 ist diese Verbindung 0,06 mm, an der Stelle von Pfeil 2 0,04 mm breit. Beide Verläufe sind in dieser Verbindung glatt und zügig, ein- und mehrfach gebogen. Bei dem Anschluss (Pfeil 3) ist eine ausgeprägte Ablenkung erkennbar.

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Malschicht: Migration, Deformation und Auflösung von Schichten Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen und Aufnahmesituationen

Abb. IV.40: Bereich 5, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. IV.41: Bereich 5, Mikroskop-Aufnahme, UV- leuchtung schräg von links und mit Shellsol T be- Anregung, Pfeile 1 und 2: Malschichtrisse und wulst- netzt, Pfeile 1 und 2: Malschichtrisse und wulstför- förmige Migration, Pfeil 3: Anschluss mige Migration, Pfeil 3: Anschluss

In Probe 7b erkennt man eine wellige Deformation, die von der Grenze der beiden Grundie- rungsschichten bis zur Malschichtoberfläche reicht (Abb. IV.42, Pfeile 1 bis 4). Für eine Ent- stehung durch einen restauratorischen Eingriff mit Lösemittelanwendung spricht, dass die nach- folgenden Schichten die Deformationen der unteren Schichten nicht nivellieren. Der Mal- schichtriss ist oberflächlich geweitet und setzt sich in minimaler Breite, nach rechts versetzt und schräg verlaufend, bis in die Grundierung fort (Pfeil 9, vgl. Abb. IV.31.3, S. 355).

Malschicht: Migration, Deformation und Auflösung von Schichten Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. IV.42: Probe 7b, Mikroskop-Aufnahme, Dun- Abb. IV.43: Probe 7b, Mikroskop-Aufnahme, UV- kelfeld- und externe Beleuchtung, Pfeile 1-4: wellige Anregung, Pfeile 1-4: wellige Deformation von Deformation von Grundierungs- und Farbschichten, Grundierungs- und Farbschichten, Pfeil 5: dunkle Pfeil 5: dunkle Untermalung, Pfeile 6-8: Migration Untermalung, Pfeile 6-8: Migration der dunklen der dunklen Untermalung, Pfeil 9: schmaler unterer Untermalung, 9: schmaler unterer Rissabschnitt Rissabschnitt

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Die dunkle Untermalung (Pfeil 5) ist von einer Migration betroffen. Unter UV-Anregung (Abb. IV.43, S. 360) erkennt man, dass die Farbe der Untermalung die Öffnung des Malschichtrisses anfüllt (Pfeil 6) und in Schlieren im Firnis aufsteigt (Pfeile 7 und 8). Die mit der Farbe vermeng- ten Firnisschichten werden Schichtenfolge 1 zugeordnet.

Malschicht: Abschabung am Bildrand Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen und Aufnahmesituationen

Abb. IV.44: Bereich 9, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. IV.45: Bereich 9, Mikroskop-Aufnahme, koaxi- leuchtung schräg von links, Pfeil 1: Bildrand, Pfeil 2: ale Beleuchtung, Pfeil 1: Bildrand, Pfeil 2: Bildmitte, Bildmitte, Pfeil 3: freigelegte Grundierung, Pfeil 4: Pfeil 3: freigelegte Grundierung, Pfeil 4: Wulst aus Wulst aus Grundierung und Farbe Grundierung und Farbe

Abb. IV.46: Probe 9, Mikroskop-Aufnahme, Dunkel- Abb. IV.47: Probe 9, Mikroskop-Aufnahme, UV-An- feld- und externe Beleuchtung, Pfeil 1: Bildrand, regung, Pfeil 1: Bildrand, Pfeil 2: Bildmitte, Pfeil 3: Pfeil 2: Bildmitte, Pfeil 3: freigelegte Grundierung, freigelegte Grundierung, Pfeil 4: Wulst aus Grundie- Pfeil 4: Wulst aus Grundierung und Farbe, Pfeil 5: rung und Farbe, Pfeil 5: Grundierungsoberfläche, Grundierungsoberfläche, Pfeil 6: Deformation der Pfeil 6: Deformation der Malschicht Malschicht

Abschabung am Bildrand Ebenso wie in Fallstudie I liegen an allen Bildrändern ausgeprägte Abschabungen vor. Farbe und Grundierung sind in einer Breite von 1 bis 2 mm zur Bildmitte hin geschoben. Die Abbil- dungen IV.44 und IV.45 zeigen Bereich 9. Die Pfeile 1 und 2 markieren die Position des mik-

361

roskopischen Bildausschnitts. Pfeil 3 deutet auf den Abriss der Malschicht. Darüber liegt die Grundierung frei. An der Stelle von Pfeil 4 sind die Grundierung und die Farbschichten zu einem Wulst zusammengeschoben. Die Erhebung zeichnet sich in koaxialer Beleuchtung (Abb. IV.45, S. 361) ab. In den Abbildungen IV.46 und IV.47 (S. 361) von Probe 9 sind ebenfalls die Positionen (Bildrand, Bildmitte) mit den Pfeilen 1 und 2 angegeben. Pfeil 3 deutet auf einen Probenabschnitt, in dem die Malschicht abgeschabt ist, Pfeil 4 auf den Wulst, Pfeil 5 auf die Grundierungsoberfläche im mechanisch nicht beschädigten Abschnitt der Probe und Pfeil 6 auf eine Aufwölbung der Malschicht an der Flanke des Wulstes. Die Beschädigung dokumentiert einen weichen und leicht verformbaren Zustand der oberen Grundierungsschicht und der Mal- schicht. Anhand der Schichtenabfolge des Firnisses wird die Abschabung in die Zeit des ersten restauratorischen Eingriffs mit Lösemittelanwendung eingeordnet. Bereits die unterste Firnis- schicht von Schichtenfolge 1 nivelliert den Wulst der Abschabung. Eine Beschädigung wäh- rend der Bildentstehung oder unmittelbar nach der Fertigstellung wird als unwahrscheinlich be- trachtet, weil nicht nur die Malschicht, sondern auch die Grundierung erweicht worden war.

Übermalungen und Retuschen Übermalungen und Fehlstellenergänzungen beschränken sich auf die Farbausbrüche. Sie sind aufgrund ihrer unstimmigen Farbe und Oberfläche deutlich erkennbar. Lasierende Überma- lungen größerer Flächen gibt es hingegen nicht.

362

4.4.5.3 Firnis

Gilbung Der Firnis ist stark gegilbt. Bei normaler Betrachtung ist diese Gilbung gleichmäßig. An den Querschliffen sind im schrägen Durchlicht Unterschiede zwischen den Schichtenfolgen des Fir- nisses erkennbar. Beispielsweise in Probe 1a (Abb. IV.48) erscheint die Schichtenfolge 1 (Pfeil 3) stärker gegilbt als Schichtenfolge 2 (Pfeil 4).

Firnisgilbung im Querschliff Mikroskop-Aufnahme: schräges Durchlicht mit externer Beleuchtung

Abb. IV.48: Probe 1a, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeil 2: Firnisoberfläche, Pfeil 3: Schichtenfolge 1 des Firnisses mit stärkerer Gilbung, Pfeil 4: Schich- tenfolge 2 des Firnisses mit geringerer Gilbung, Pfeile 5, 6: ehemalige Schichtentrennung des Fir- nisses und Luftblasen im Firnis

Trübung Der Firnis ist nicht getrübt. 1956 war hingegen eine Trübung festgestellt und eine partielle Fir- nisbehandlung vorgenommen worden. Probe 1a gibt möglicherweise einen Hinweis auf die ehemalige Trübung und die damalige Behandlung (Abb. IV.48). Die Pfeile 5 und 6 deuten auf zwei lokale Schichtentrennungen. Sie verlaufend horizontal innerhalb von Schichtenfolge 1 des Firnisses. Innerhalb dieser Schichtentrennungen erkennt man Luftblasen, die möglicherweise beim Einfließen von Firnislösung in die Schichtentrennungen eingeschlossen worden waren. Die Grenzflächen der Schichtentrennung sind klar, so dass man ein Anlösen und Verfließen des bestehenden Firnisses durch die eingeflossene Firnislösung ausschließen kann.

Rissbildung Die Darstellung gliedert sich erstens in ehemalige und aktuelle Firnisrisse und zweitens in Profil, Einzelrisse und Rissanordnung in der Aufsicht. Ein Teil der ehemaligen Firnisrisse bildet gleichzeitig auch die Vertiefungen der borkenartigen Firnisdeformationen. Zudem werden die Verbindungen und Abweichungen der ehemaligen und aktuellen Firnisrissen und Malschicht- risse in den ausgewählten Bereichen 1, 2 und 5 bis 8 dargestellt.

363

Abb. IV.49.1-IV.49.7: Profile ehemaliger Firnisrisse in Verbindung mit geweiteten und tiefen oder oberfläch- lichen Malschichtrissen, Firnis: hellgrau, Malschicht: hellgrau gesprenkelt, Pfeile 1 bzw. 1a: Rissbreite, Pfeile 1b: Vertiefung oder Abstand der Risskanten, Pfeile 2: Risstiefe

Ehemalige Firnisrisse: Profile Sieben Profile ehemaliger Firnisrisse werden in den Abbildungen IV.49.1 bis IV.49.7 zeich- nerisch dargestellt. Dabei ist die Malschicht summarisch gezeichnet, ohne Differenzierung von Zwischenfirnissen und Farbschichten und in einer von überwiegend mehreren Konstellationen mit den Malschichtrissen. Die Profile der Malschichtrisse werden ebenfalls vereinfacht (Abb. IV.31.1-IV.31.6, S. 355). Profil a (Abb. IV.49.1): Das Profil wird in den Bereichen 1 und 2 in vier Konstellationen festge- stellt, in Verbindung mit geweiteten und tiefen (Abb. IV.49.1), geweiteten und oberflächlichen, schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen und ohne Verbindung zu Malschichtrissen (Be- reich 2). Die ehemaligen Firnisrisse liegen vertieft in der Fläche. Die Breite (Pfeil 1a) beträgt überwiegend 0,4 bis 0,5 mm. Die Risskanten oder -ränder sind stark aufgewölbt. Ihr Abstand (Pfeil 1b) misst überwiegend 0,07 bis 0,10 mm und ist geringer als die Breite der Malschicht-

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risse an der jeweiligen Stelle. Der Firnis innerhalb der Rissöffnung hat eine unregelmäßige Oberfläche, die vermutlich auch auf die Migration des Zwischenfirnisses zurückzuführen ist (Kap. 4.4.5.2, S. 358, Abb. IV.38, IV.39, S. 359). Das Profil hat eine nur geringe Tiefe (Abb. IV.49.1, S. 364, Pfeil 2). In Probe 1b beträgt sie 10 µm (0,01 mm) bei einer Firnisdicke von 25 bis 40 µm (Tab. IV.4, S. 351). Profil b (Abb. IV.49.2, S. 364): Es liegt ebenfalls in den Bereichen 1 und 2 vor, in Verbindung mit geweiteten und tiefen bzw. oberflächlichen Malschichtrissen (Abb. IV.49.2, S. 364), mit schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen sowie ohne Verbindung zu Malschichtrissen. Die ehemaligen Risskanten oder -ränder sind aufgewölbt und haben einen Abstand (Pfeil 1) von 0,02 bis 0,05 mm. Da unklar bleibt, ob das Profil in Probe 1a (Rissbereich R1) erfasst ist, kann die Erhebung (Pfeil 2) nicht bestimmt werden. An anderen Proben liegt das Profil nicht vor. Profil c (Abb. IV.49.3, S. 364): Das Profil hat sich in den Bereichen 5 und 6 in Verbindung mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen gebildet, in Bereich 7 in einem kurzen Rissabschnitt in Verbindung mit einem schmalen und oberflächlichen Malschichtriss. Im Bereich der Mal- schichtrisse weist der Firnis eine geringe zusätzliche Vertiefung auf (Pfeil 1b), die ebenso breit ist wie die Malschichtrisse und meist 0,03 bis 0,04 mm misst. Der Firnis führt in sehr geringer Dicke und absatzlos über die Risskanten der Malschicht und weiter in einer flachen Rundung bis zur ebenen Firnisoberfläche. Die Rissbreite (Pfeil 1a) beträgt rund 0,5 mm. Die Tiefe (Pfeil 2) geht in den Bereichen 5 und 6 geringfügig über die Firnisdicke hinaus. Das Profil ist in Probe 5 (Abb. IV.23, IV.24, S. 349, Rissbereich R1) erfasst, die Firnisdicke reicht von 20 bis 30 µm (Tab. IV.4, S. 351). Profil d (Abb. IV.49.4, S. 364): Es liegt in Bereich 7 in Verbindung mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen vor, ist jedoch in den Proben 7a und 7b nicht vorhanden. Die Zeichnung zeigt vereinfachend einen Malschichtriss mit einer Randflucht unten in seiner oberen Ebene (vgl. Abb. IV.31.3, S. 355). Die zusätzliche Vertiefung des Firnisses folgt diesem oberen Abschnitt des Malschichtrisses und reicht dabei an die Rissflächen und den Rissgrund heran. Sie misst zwischen 0,06 bis 0,09 mm (Pfeil 1b). Von dieser Vertiefung aus verläuft der Firnis über die Risskanten oder -ränder der Malschicht hinweg und in einer ausgeprägten Rundung bis zur ebe- nen Firnisoberfläche. Pfeil 1a zeigt die Rissbreite von 0,2 bis 0,3 mm. Die Tiefe des Profils (Pfeil 2) übersteigt wegen der o.g. Vertiefung die Firnisdicke, die in Probe 7a rechts zwischen 10 und 20 µm beträgt (Tab. IV.4, S. 351). In Bereich 8 liegt ein Übergang eines Rissabschnitts zu einem erheblich längeren, ehemaligen Firnisriss mit Profil e vor (Abb. IV.56, IV.57, S. 367, Pfeile 1 und 2).

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Profil e (Abb. IV.49.5, S. 364): In den Bereichen 5, 6 und 8 wird ein Profil bestimmt, das sowohl mit geweiteten und tiefen (Abb. IV.49.5, S. 364) als auch mit schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen in Verbindung steht, aber auch ohne Verbindung mit Malschichtrissen ist. Die Risskanten liegen eben in der Fläche und sind nur vereinzelt leicht aufgewölbt. Die Breite (Pfeil 1) beträgt 0,03 bis 0,05 mm. Die Tiefe (Pfeil 2) ist gering. Das Profil ist in keiner Probe erfasst. Profil f (Abb. IV.49.6, S. 364): Das Profil hat sich in den Bereichen 1, 2 und 5 bis 7 ohne Ver- bindung mit Malschichtrissen, in Bereich 7 auch in Verbindung mit geweiteten und tiefen Mal- schichtrissen sowie in Bereich 8 in Verbindung mit schmalen und oberflächlichen Malschicht- rissen gebildet. Die Breite (Pfeil 1) misst zwischen 0,01 und 0,09 mm, die Tiefe (Pfeil 2) ist ebenfalls gering, aber unbestimmt, da das Profil in keiner Probe erfasst ist. Profil g (Abb. IV.49.7, S. 364): Das Profil, die vollständige Nivellierung des Firnisses, ist in den Bereichen 5 und 8 in Verbindung mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen (Abb. IV.49.7, S. 364) und in den Bereichen 5 bis 8 in Verbindung mit schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen erkennbar sowie in Probe 8a (Abb. IV.27, IV.28, S. 350, Rissbereich R2) er- fasst. Eine Rissbreite ist nicht angegeben.

Ehemalige Firnisrisse: Einzelrisse in der Aufsicht Die Einzelrisse sind in den Bereichen 1, 6, 7 und 8 in der Gegenüberstellung der Mikroskop- Aufnahmen in koaxialer Beleuchtung und der Kartierung der Malschichtrisse auf der Grundlage dieser Aufnahmen dargestellt (Abb. IV.50, IV.51, Abb. IV.52-IV.57, S. 367).

Ehemalige Firnisrisse: Einzelrisse und Rissanordnungen in der Aufsicht, in Verbindung mit Mal- schichtrissen Mikroskop-Aufnahmen: koaxiale Beleuchtung Kartierungen: mit Mikroskop-Aufnahmen in koaxialer Beleuchtung, geweitete und tiefe bzw. oberflächliche Malschichtrisse: grün, schmale und oberflächliche Malschichtrisse: blau

Abb. IV.50: Bereich 1, Mikroskop-Aufnahme, Pfeile Abb. IV.51: Bereich 1, Kartierung, Pfeile 1-6: ehe- 1-6: ehemalige Firnisrisse (1, 2: Profil a, 3-5: Profil malige Firnisrisse (1, 2: Profil a, 3-5: Profil b, 6: Pro- b, 6: Profil f), Pfeil 7: starke Biegung, Pfeile 8, 9: fil f), Pfeil 7: starke Biegung, Pfeile 8, 9: Rissablen- Rissablenkung, Pfeil 10: Verzweigung kung, Pfeil 10: Verzweigung

366

Abb. IV.52: Bereich 6, Mikroskop-Aufnahme, Pfeile Abb. IV.53: Bereich 6, Kartierung, Pfeile 1-9: ehe- 1-9: ehemalige Firnisrisse (1: Profil c, 2-6: Profil e, 7, malige Firnisrisse (1: Profil c, 2-6: Profil e, 7, 8: Pro- 8: Profil f, 9: Profil g), Pfeil 10: Rissende, Pfeil 11: fil f, 9: Profil g), Pfeil 10: Rissende, Pfeil 11: isolier- isolierter Riss ter Riss

Abb. IV.54: Bereich 7, Mikroskop-Aufnahme, Pfeile Abb. IV.55: Bereich 7, Kartierung, Pfeile 1-10: ehe- 1-10: ehemalige Firnisrisse (1-3: Profil c, 4, 5: Profil malige Firnisrisse (1-3: Profil c, 4, 5: Profil d, 6, 7: d, 6, 7: Profil f, 8-10: Profil g) Profil f, 8-10: Profil g)

Abb. IV.56: Bereich 8, Mikroskop-Aufnahme, Pfeile Abb. IV.57: Bereich 8, Kartierung, Pfeile 1-7: ehe- 1-7: ehemalige Firnisrisse (1: Profil d, 2-4: Profil e, malige Firnisrisse (1: Profil d, 2-4: Profil e, 5: Profil 5: Profil f, 6, 7: Profil g), Pfeil 8: Parallelverlauf f, 6, 7: Profil g), Pfeil 8: Parallelverlauf

Ehemalige Firnisrisse mit Profil a: Die Abbildungen IV.50 und IV.51 (S. 366) von Bereich 1 zeigen die Risse überwiegend in Verbindung mit geweiteten, tiefen oder oberflächlichen (Pfeil 1), stellenweise auch in Verbindung mit schmalen und oberflächlichen Malschichtrissen (Pfeil

367

2). Die Risse sind glatt und zügig sowie ein- bis mehrfach gebogen. Die Länge beträgt in Be- reich 1 über 3 mm. Die variierende Rissbreite wird anhand des Abstands der Risskanten (vgl. Abb. IV.49.1, S. 364, Pfeil 1b) dargestellt und reicht z.B. an einem Rissabschnitt mit einer Länge von 0,6 mm von 0,13 mm (Pfeil 1) bis 0,08 mm (Pfeil 2). In diesem Rissabschnitt kommt es mit abnehmender Breite zu einem Übergang der zugehörigen Malschichtrisse, von geweitet und tief oder oberflächlich zu schmal und oberflächlich. Ehemalige Firnisrisse mit Profil b: In Bereich 1 (Abb. IV.50, IV.51, S. 366) deuten die Pfeile 3 bis 5 exemplarisch auf zwei unterschiedliche Verbindungen mit Malschichtrissen und eine Konstellation ohne Malschichtrisse. Die Risse sind zügig und glatt sowie gerade bis ein- und mehrfach gebogen. Die Länge beträgt mehrheitlich zwischen 0,5 und 1,2 mm. Pfeil 7 zeigt auf eine starke Biegung. Die stark variierende Rissbreite ist z.B. in einem 0,4 mm langen Rissab- schnitt zwischen den Pfeilen 5 und 7 erkennbar und misst 0,16 mm (Pfeil 5) und 0,08 mm (Pfeil 7). Mit der variierenden Breite des mit Pfeil 3 markierten Risses wechseln auch die Profile der zugehörigen Malschichtrisse. Ehemalige Firnisrisse mit Profil c: Die Risse sind in den Bereichen 5 bis 7 mehrheitlich mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen, zu einem geringen Teil auch mit schmalen und ober- flächlichen Malschichtrissen oder Rissabschnitten verbunden. Dargestellt sind sie in den Abbil- dungen IV.54 und IV.55 von Bereich 7 (S. 367, Pfeile 1-3). Die Risse sind zügig und glatt sowie gerade bis ein- und mehrfach gebogen. Pfeil 2 deutet auf eine starke Biegung. Die Risslänge reicht von 0,5 bis über 2 mm. Pfeil 3 zeigt eine wechselnde Verbindung mit Malschichtrissen. Ehemalige Firnisrisse mit Profil d: Die Risse sind in Bereich 7 vorhanden (Abb. IV.54, IV.55, S. 367). Der mit den Pfeilen 4 und 5 markierte Riss ist zügig und leicht gezackt sowie mehrfach gebogen. Seine Länge beträgt 2 mm. In Bereich 8 liegt ein kurzer Rissabschnitt vor, der in einen ehemaligen Firnisriss mit Profil e übergeht (Abb. IV.56, IV.57, S. 367, Pfeile 1, 2). Ehemalige Firnisrisse mit Profil e: In Bereich 6 (Abb. IV.52, IV. 53, S. 367) deutet Pfeil 2 auf einen Riss, der mit einem schmalen und oberflächlichen Malschichtriss verbunden ist. Er ist zügig und glatt, an einer Stelle gezackt sowie gerade bis leicht gebogen. Seine Länge beträgt über 2 mm. Besonders fallen Risse ohne Verbindung mit Malschichtrissen ins Auge. Sie sind ebenfalls zügig und glatt, gerade bis mehrfach gebogen. Stellenweise ist die Biegung sehr aus- geprägt, bis hin zu einer Schleife (Pfeile 3, 4). Im Rissverlauf ändert sich zum Teil wiederholt die Breite (Pfeile 5, 6). Die Risslänge beträgt 0,3 bis 1,7 mm. In Bereich 8 sind zwei betreffende Risse mit den Pfeilen 2 und 3 markiert (Abb. IV.56, IV.57, S. 367). Die Risse sind zügig und glatt, einfach oder mehrfach gebogen sowie über 2 mm und über 3 mm lang. In Bereich 5 (nicht abgebildet) besteht ein Übergang zu einem ehemaligen Firnisriss mit Profil c.

368

Ehemalige Firnisrisse mit Profil f: Die Risse sind zügig und glatt, gerade bis ein- oder mehrfach gebogen. Ihre Länge beträgt 0,7 mm in Bereich 1 (Abb. IV.50, IV.51, S. 366, Pfeil 6), 0,1 bis 0,3 mm in Bereich 6 (Abb. IV.52, IV.53, S. 367, Pfeile 7 und 8), 0,2 bis 0,3 mm in Bereich 7 (Abb. IV.54, IV.55, S. 367, Pfeile 6 und 7) und 0,8 mm in Bereich 8 (Abb. IV.56, IV.57, S. 367, Pfeil 5). In Bereich 7 weist ein Rissabschnitt zu beiden Seiten einen Übergang zu Profil c ehemaliger Firnisrisse auf (Abb. IV.54, IV.55, S. 367, Pfeil 6). Ehemalige Firnisrisse mit Profil g: Wiederum sind die Risse zügig und glatt, gerade bis ein- oder mehrfach gebogen, wobei die Biegung gering ist. Die Länge reicht von 0,2 und 1 mm in Bereich 7 (Abb. IV.54, IV.55, S. 367, Pfeile 8 bis 10) und von 0,5 bis 0,9 mm in Bereich 8 (Abb. IV.56, IV.57, S. 366, Pfeile 6 und 7). Wiederum in Bereich 7 gibt es einen Übergang zu Profil c ehemaliger Firnisrisse (Pfeil 8). In Bereich 6 (Abb. IV.52, IV.53, S. 367, Pfeil 9) ist nur ein kurzer Abschnitt feststellbar, der beidseitig in ehemalige Firnisrisse mit Profil f übergeht.

Ehemalige Firnisrisse: Rissanordnung in der Aufsicht Ehemalige Firnisrisse mit Profil a: Die wenigen Risse bilden ein weites, weitgehend geschlos- senes Netzcraquelé. In den Abbildungen IV.50 und IV.51 (S. 366) deutet Pfeil 8 auf eine Riss- ablenkung, wobei ungewöhnlicher Weise der breitere zum schmaleren Riss hin abgelenkt ist. An der Stelle von Pfeil 10 wird eine Rissverzweigung beobachtet. Der abzweigende, kurze Riss läuft in der Fläche zu Null hin aus. Ehemalige Firnisrisse mit Profil b: Die Risse formieren sich zu einem weitgehend geschlos- senen Netzcraquelé und schließen zudem an die Risse mit Profil a an. In den Abbildungen IV.50 und IV.51 (S. 366) von Bereich 1 deutet Pfeil 9 auf die ausgeprägte Ablenkung eines kurzen Risses. Einige Risse laufen einseitig in der Fläche aus (Pfeil 5). Ehemalige Firnisrisse mit Profil c: In den Bereichen 5 und 6 liegen die wenigen Risse isoliert in der Fläche. In Bereich 6 verlaufen sie vertikal, dennoch zeigt das weitere Umfeld, dass keine Vorzugsrichtung vorliegt. Die Abbildungen IV.52 und IV.53 (S. 367) von Bereich 6 zeigen in der Fläche auslaufende Rissenden (Pfeil 10). Deutlich verschieden ist die Rissanordnung in Be- reich 7 (Abb. IV.54, IV.55, S. 367). Die Risse bilden ein weitgehend geschlossenes Netzcraque- lé und schließen auch an die ehemaligen Firnisrisse mit Profil d an. Dabei kann man vorwie- gend eine ausgeprägte Rissablenkung beobachten, sowohl untereinander als auch zu den ehe- maligen Firnisrissen mit Profil d, beispielsweise an den Stellen der Pfeile 2 und 3. Ehemalige Firnisrisse mit Profil d: In Bereich 7 schließen die Risse nicht aneinander an, bilden aber zusammen mit den ehemaligen Firnisrissen mit Profil c ein weitgehend geschlossenes Netzcraquelé (Abb. IV.54, IV.55, S. 367).

369

Ehemalige Firnisrisse mit Profil e: In Bereich 6 (Abb. IV.52, Abb. 53, S. 367) bilden die Risse zusammen mit den Abschnitten ehemaliger Firnisrisse mit Profil f ein weitgehend geschlos- senes Netzcraquelé. Ein weites, in den Abbildungen IV.56 und IV.57 (S. 367) mit nur in we- nigen Rissen darstellbares Netzcraquelé liegt in Bereich 8 vor. Der kürzere Rissabschnitt (Pfeil 4) ist zu dem längeren Riss (Pfeil 3) hin abgelenkt. In das Craquelés ordnet sich auch der kurze Abschnitt des ehemaligen Firnisrisses mit Profil d ein (Pfeile 1 und 2). Ehemalige Firnisrisse mit Profil f: Ein längerer Riss schließt in Bereich 1 an ehemalige Firnis- risse mit Profil a und b an (Abb. IV.50, IV.51, S. 367, Pfeil 6). In Bereich 6 sind die Risse mit den ehemaligen Firnisrissen mit Profil e Teil eines weitgehend geschlossenen Netzcraquelés, teilweise schließen sie sich untereinander zusammen (Pfeil 8). Risse enden auch einseitig in der Fläche oder gehen möglicherweise in Profil g ehemaliger Firnisrisse über. Ein Riss (Pfeil 11) liegt isoliert in der Fläche. Einen Parallelverlauf zu einem ehemaligen Firnisriss, vermutlich mit Profil e, kann man in Bereich 8 erkennen (Abb. IV.56, IV.57, S. 367, Pfeil 8). Ehemalige Firnisrisse mit Profil g: In Bereich 6 ist nur der o.g. Übergang eines Rissabschnitts mit ehemaligen Firnisrissen mit Profil f erkennbar (Abb. IV.52, IV. 53, S. 367, Pfeil 9). Zwei Risse schließen in Bereich 7 an ehemalige Firnisrisse mit Profil c an (Abb. IV.54, IV.55, S. 367, Pfeile 9, 10), ein Riss (Pfeil 10) ohne Rissablenkung. In Bereich 8 (Abb. IV.52, IV. 53, S. 367) schließen ein Riss mit geringer Rissablenkung (Pfeil 6) und ein anderer ohne Ablenkung (Pfeil 7) beidseitig an ehemalige Firnisrisse mit Profil e an. In der Abbildung links enden drei Risse einseitig in der Fläche (ohne Pfeile), noch vor einem gemeinsamen Zusammenschluss.

370

Tabelle IV.7: Übersicht ehemaliger Firnisrisse: Profile, Einzelrisse und Rissanordnungen in der Aufsicht, in den Bereichen 1, 2, 5-8, Profile a-g

In Tabelle IV.7 sind die Merkmale der ehemaligen Firnisrisse in den untersuchten Bereichen zusammengefasst. Verschiedene Rissprofile lassen sich feststellen. Sonderfall ist Profil b, da seine Deformation erhaben ist. Die Risse formieren sich zu einem Netzcraquelé, das mehrheit- lich weitgehend geschlossen ist. Die Bereiche vereinen dabei Risse mit unterschiedlichen und lokal wechselnden Profilen. Nur in den Bereichen 1 und 2 finden sich die Profile a und b, in Bereich 7 und vereinzelt in Bereich 8 wird das Profil d festgestellt. Hingegen sind Risse mit den Profilen in c, e und g in mehreren Bereichen und Profil f in allen Bereichen vertreten. Über- wiegend lassen sich variierende Bezüge zu den Malschichtrissen feststellen. Risse mit den Profilen a, b, e und f haben Verbindung mit geweiteten und tiefen, in den Bereichen 1 und 2 auch mit geweiteten und oberflächlichen Malschichtrissen sowie mit schmalen und ober- flächlichen Malschichtrissen oder sie verlaufen ohne Verbindung mit Malschichtrissen. Risse mit den Profilen c, d und g treten nur in Verbindung mit Malschichtrissen auf. Die borkenartige Firnisoberfläche wird vor allem durch die Risse mit den Profilen a, c und d geprägt. Ihre Breite ist wesentlich größer als die der Risse mit den Profilen b, e und f und der Malschichtrisse. Pro- file c und d haben eine größere Tiefe als Profil a. Die in einzelnen Bereichen und Proben vari- ierende Firnisdicke hat dabei einen wesentlichen Einfluss.

371

Abb. IV.58.1-IV.58.6: Profile aktueller Firnisrisse, in Verbindung oder ohne Verbindung mit Malschichtrissen und ehemaligen Firnisrissen, mit Übergang zu Malschichtrissen, Firnis: hellgrau, Malschicht: hellgrau gespren- kelt

Aktuelle Firnisrisse: Profile Die aktuellen Firnisrisse haben verschiedene Profile. Zudem wird unterschieden zwischen schmalen Rissen mit einer Breite bis 0,01 mm und geweiteten Rissen mit einer Breite ab 0,02 mm.

Aktuelle Firnisrisse Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen und Aufnahmesituationen

Abb. IV.59: Probe 7a, Mikroskop-Aufnahme, Beleu- Abb. IV.60: Probe 7a, Mikroskop-Aufnahme, koaxi- chtung schräg von links, Aufsicht auf die Probe vor ale Beleuchtung, Aufsicht auf die Proben vor der der Einbettung, Linie und Pfeil links: Anschliffrich- Einbettung, Linie und Pfeil links: Anschliffrichtung tung und -ebene des Querschliffs, Pfeile: Rissbe- und -ebene des Querschliffs, Pfeile: Rissbereiche R1- reiche R1-R4 R4

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Abb. IV.61: Probe 7a links, Mikroskop-Aufnahme, Abb. IV.62: Probe 7a links, Mikroskop-Aufnahme, Dunkelfeld- und externe Beleuchtung, Pfeil: Mal- UV-Anregung, Pfeil: Malschichtoberfläche, Rissbe- schichtoberfläche, Rissbereiche: R3, R4 reiche: R3, R4

Profil a: Das Profil zeichnet sich durch Risskanten und eine ebene Firnisoberfläche im Riss- bereich aus. Die Breite reicht von unter 0,01 mm bis 0,03 mm. Teilweise ist eine v-förmige Weitung feststellbar. Vier Konstellationen werden unterschieden. Die Abbildungen IV.58.1 und IV.58.2 (S. 372) zeigen beispielhaft Konstellationen mit den Profilen a und e ehemaliger Firnisrisse sowie mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen. Eine dritte Konstellation ist in Abbildung IV.58.3 (S. 372) skizziert. Die aktuellen Firnisrisse gehen in schmale und ober- flächliche Malschichtrisse über und sind dabei ohne Verbindung mit ehemaligen Firnisrissen. Dieses Profil wird anhand von Probe 7a links eingehender betrachtet. Die Abbildungen IV.59 und IV.60 (S. 372) zeigen die noch nicht eingebettete Probe in der Aufsicht. Die Linie markiert die spätere Anschliffebene des Querschliffs, ein Pfeil deutet auf den Rissbereich R4. Man er- kennt bei koaxialer Beleuchtung (Abb. 60, S. 373) die weitgehend ebene Firnisoberfläche. Im Querschliff (Abb. 61, 62, Rissbereich R4) betrachtet ist der Riss schmal (Breite 4 µm bzw. unter 0,01 mm) und geht in einen ebenfalls schmalen Malschichtriss über, der in der oberen Farb- schicht endet. Viertens liegen die aktuellen Firnisrisse ohne Verbindung mit ehemaligen Firnis- rissen und Malschichtrissen vor (Abb. IV.58.4, S. 372). Profil b: Seine Merkmale sind aufgewölbte Risskanten und eine v-förmige Weitung. Die Breite reicht von unter 0,01 bis zu 0,02 mm. Die Abbildungen 58.5 und IV.58.6 (S. 372) zeigen zwei Konstellationen, erstens im Übergang zu einem schmalen und oberflächlichen Malschichtriss sowie zweitens ohne Verbindung mit oder Übergang zu einem Malschichtriss. Die Risse haben dabei keine Verbindung mit ehemaligen Firnisrissen. Das Profil mit Übergang zu einem Mal- schichtriss ist in ebenfalls Probe 7a erfasst. In der Aufsicht (Abb. IV.59, IV,60, Rissbereich R3, S. 372) zeichnen sich die aufgewölbten Risskanten deutlich ab, während sie im Querschliff

373

(Abb. IV.61 und IV.62, Rissbereich R3, S. 373) als nur wenig aufgewölbt erscheinen. Der Riss hat eine Breite von 16 µm (entsprechend 0,02 mm) und ist damit geweitet.

Aktuelle Firnisrisse: Einzelrisse in der Aufsicht Die Einzelformen in der Aufsicht sind anhand der Bereiche 1 und 6 bis 8 dargestellt, in der Gegenüberstellung der Kartierungen ohne Malschichtrisse und gemeinsam mit den Malschicht- rissen, die stellvertretend und vereinfachend für die ehemaligen Firnisrisse stehen. In den Kar- tierungen werden schmale und geweitete Risse unterschieden. Die verschiedenen Rissprofile lassen sich in der Aufsicht nur lokal darstellen. Aktuelle geweitete Firnisrisse: Die Risse sind glatt bis leicht gezackt, z.B. in Bereich 8 Mitte, (Abb IV.69, IV. 70, S. 376) und zügig sowie ein- bis mehrfach gebogen. Die Länge beträgt überwiegend zwischen 0,2 und 0,7 mm. Vor allem in Bereich 8 finden sich mehrere Risse mit einer Länge von unter 0,1 mm (Abb IV.69, IV. 70, S. 376, Pfeil 2). Der längste Riss misst 1,7 mm und wird in Bereich 1 festgestellt (Abb. IV.63, IV.64, S. 375, Pfeil 7). Im Rissverlauf ändert sich vielfach die Rissbreite und es findet ein Übergang zu schmalen aktuellen Firnisrissen statt. Beispielsweise deutet Pfeil 6 in den Abbildungen IV.67 und IV. 68 (S. 376) von Bereich 7 auf einen Riss mit einer Gesamtlänge von 0,6 mm, der in der Mitte 0,02 mm und zu beiden Seiten unter 0,01 mm breit ist. Aktuelle schmale Firnisrisse: Sie sind überwiegend glatt und zügig sowie ein- bis mehrfach ge- bogen. Einer der vereinzelten, gezackten Risse ist in den Abbildungen IV. 63 und IV. 64 (S. 375) von Bereich 1 verzeichnet. Stark ausgeprägt ist die Biegung in Bereich 6 (Abb. IV.65, IV.66, S. 375, Pfeil 7). Die Risslänge beträgt in den Bereichen 1 und 8 mehrheitlich 0,3 bis 1,0 mm, in Bereich 6 meist 0,3 bis 1,2 mm und in Bereich 7 meist 0,1 bis 0,8 mm. Der längste Riss misst 2,4 mm (Bereich 6, Abb. IV.65, IV.66, S. 375, Pfeil 7). In allen Bereichen gibt es Risse oder Rissabschnitte mit einer Länge von nur bis zu 0,1 mm. Auch eine variierende Breite bis zu 0,01 mm ist erkennbar. Die betreffenden Risse sind gleichzeitig auch länger und sie gehen zum Teil als Rissabschnitte in die aktuellen geweiteten Firnisrisse mit einer Breite von 0,02 mm über, z.B. in Bereich 6 (Pfeile 2 und 5).

374

Aktuelle Firnisrisse: Einzelform und Anordnung in der Aufsicht, ohne und in Verbindung mit den ehemaligen Firnisrissen und den Malschichtrissen Kartierungen: aktuelle schmale Firnisrisse: schwarz, aktuelle geweitete Firnisrisse: rot, geweitete und tiefe Malschichtrisse: grün, schmale und oberflächliche Malschichtrisse: blau

Abb. IV.63: Bereich 1, Kartierung, aktuelle Firnis- Abb. IV.64: Bereich 1, Kartierung, aktuelle Firnis- risse, Pfeile 1-7: versch. Profile und Konstellationen risse und Malschichtrisse, Pfeile 1-7: versch. Profile der aktuellen Firnisrisse (1: Profil a ohne Verbindung und Konstellationen der aktuellen Firnisrisse (1: Pro- mit ehem. Firnisriss, 2: Profil a (?), in Verbindung fil a ohne Verbindung mit ehem. Firnisriss, 2: Profil a mit ehem. Firnisriss Profil a, 3: Profil a (?), in (?), in Verbindung mit ehem. Firnisriss Profil a, 3: Verbindung mit ehem. Firnisriss Profil b, 4: Profil b, Profil a (?), in Verbindung mit ehem. Firnisriss Pro- 5: Weitung, 6: Reihung kurzer Risse, 7: gezackter fil b, 4: Profil b, 5: Weitung, 6: Reihung kurzer Risse, Rissverlauf) 7: gezackter Rissverlauf)

Abb. IV.65: Bereich 6, Kartierung, aktuelle Firnis- Abb. IV.66: Bereich 6, Kartierung, aktuelle Firnis- risse, Pfeile 1-7: versch. Profile und Konstellationen risse und Malschichtrisse, Pfeile 1-7: verschiedene der aktuellen Firnisrisse (1: Profil a (?), in Verbin- Profile und Konstellationen der aktuellen Firnisrisse dung mit ehem. Firnisriss Profil c, 2: Profil a (?), in (1: Profil a (?), in Verbindung mit ehem. Firnisriss Verbindung mit ehem. Firnisriss Profil e, 3: Profil a Profil c, 2: Profil a (?), in Verbindung mit ehem. Fir- (?), in Verbindung mit ehem. Firnisriss Profil f, 4: nisriss Profil e, 3: Profil a (?), in Verbindung mit Parallelverlauf, 5: Weitung, 6: Anschluss ohne ehem. Firnisriss Profil f, 4: Parallelverlauf, 5: Wei- Rissablenkung, 7: starke Biegung) tung, 6: Anschluss ohne Rissablenkung, 7: starke Biegung)

375

Abb. IV.67: Bereich 7, Kartierung, aktuelle Firnis- Abb. IV.68: Bereich 7, Kartierung, aktuelle Firnis- risse, Pfeile 1-10: versch. Profile und Konstellationen risse und Malschichtrisse, Pfeile 1-10: verschiedene der aktuellen Firnisrisse (1: Profil a, in Verbindung Profile und Konstellationen der aktuellen Firnisrisse mit ehem. Firnisriss Profil d, 2: Profil a, in Verbin- (1: Profil a , in Verbindung mit ehem. Firnisriss Pro- dung mit ehem. Firnisriss Profil f, 3: Profil a, ohne fil d, 2: Profil a, in Verbindung mit ehem. Firnisriss Verbindung mit ehem. Firnisriss, 4: Profil b, 5: ge- Profil f, 3: Profil a, ohne Verbindung mit ehem. Fir- zackter Rissverlauf, 6: Weitung, 7: Rissablenkung, 8, nisriss, 4: Profil b, 5: gezackter Rissverlauf, 6: Wei- 9: Überlagerung, 10: Reihung kurzer Risse) tung, 7: Rissablenkung, 8, 9: Überlagerung, 10: Reihung kurzer Risse)

Abb. IV.69: Bereich 8, Kartierung, aktuelle Firnis- Abb. IV.70: Bereich 8, Kartierung, aktuelle Firnis- risse, Pfeile 1-7: versch. Profile und Konstellationen risse und Malschichtrisse, Pfeile 1-7: verschiedene der aktuellen Firnisrisse (1, 2: Profil a, in Verbindung Profile und Konstellationen der aktuellen Firnisrisse mit ehem. Firnisriss Profil e, 3: Profil a, ohne Verbin- (1, 2: Profil a, in Verbindung mit ehem. Firnisriss dung mit ehem. Firnisriss, 4: Profil b, 5: gezackter Profil e, 3: Profil a, ohne Verbindung mit ehem. Fir- Rissverlauf, 6: Reihung kurzer Risse, 7: Anschluss nisriss, 4: Profil b, 5: gezackter Rissverlauf, 6: Rei- ohne Rissablenkung) hung kurzer Risse, 7: Anschluss ohne Rissablenkung)

Aktuelle Firnisrisse: Rissanordnung in der Aufsicht Aktuelle geweitete Firnisrisse: Die Risse liegen teilweise voneinander getrennt, teilweise sind sie auch einseitig, in den Bereichen 6 und 7 beidseitig zusammengeschlossen, u.a. mit Rissab- lenkung (Abb. IV.67 IV. 68, Pfeil 7). Teilweise ordnen sie sich auch in einer Reihung kurzer Risse oder Rissabschnitte, z.B. in Bereich 8 (Abb. IV.69, IV.70, Pfeil 6). Die Risse enden je- doch bis auf Ausnahmen nicht in der Fläche, sondern schließen an die aktuellen, schmalen Fir- nisrisse an. Eine Vorzugsrichtung ist nicht erkennbar. Mehrheitlich besteht eine Verbindung mit den geweiteten und tiefen oder oberflächlichen Malschichtrissen.

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Aktuelle schmale Firnisrisse: Die Risse formieren sich mit den geweiteten aktuellen Firnis- rissen zu einem Netzcraquele, das in Bereich 1 (Abb. IV.63, IV.64, S. 375) teilweise und in Be- reich 8 (Abb. IV.69, IV.70, S. 376) weitgehend geschlossen ist. Beispielsweise in Bereich 7 (Abb. IV.67, IV. 68, Pfeil 7, S. 376) erkennt man eine ausgeprägte Ablenkung. Die Risse wer- den erstens zu den Rissen größerer Länge und Breite sowie zweitens zu den aktuellen, gewei- teten Rissen hin abgelenkt. Teilweise enden Risse einseitig in der Fläche. In Bereich 1 erkennt man isolierte Risse (Abb. IV.63, IV.64, S. 375, Pfeil 6), in Bereich 7 eine Reihung kurzer Risse (Abb. IV.67, IV.68, S. 376, Pfeil 10). Pfeil 7 in Bereich 8 (Abb. IV.69, IV. 70, S. 376) markiert eine Stelle, an der ein Anschluss ohne Rissablenkung vermutet wird. Zum Teil bestehen Verbin- dungen zu den Malschicht- und ehemaligen Firnisrissen, vielleicht auch Übergänge zu Mal- schichtrissen wie in Probe 7a links. Überwiegend jedoch verlaufen die aktuellen Risse unab- hängig von diesen.

Spritznebel eines Firnisauftrags Mikroskop-Aufnahmen: koaxiale Beleuchtung

Abb. IV.71: Bereich 7, Mikroskop-Aufnahme, Abb. IV.72: Bereich 8, Mikroskop-Aufnahme, Spritznebel, Pfeile 1, 2: durch Kontakt mit Riss- Spritznebel, Pfeil 1: Tropfen über einem Malschicht- kante deformierte Tropfen riss, Pfeil 2: durch Kontakt mit Risskante deformierte Tropfen, Pfeile 3, 4: überlagerte Tropfen

Spritznebel eines Firnisauftrags In den Bereichen 7 und 8 zeichnen sich in koaxialer Beleuchtung kugelige bis kraterartige Tropfen mit einem Durchmesser von 0,02 bis 0,2 mm ab. In der Lack- und Anstrichtechnologie werden vergleichbare Störungen als Spritznebel beschrieben.567 Die kraterartigen Formen lassen sich durch Strömungen bei der Lösemittelverdunstung und Firnishärtung erklären (Vgl.

567 Vgl. Kerkhoff 1996, S. 48f., Abb. 49/1, 49/2, S. 49. Van den Kerkhoff zeigt „kugelförmige[.] Stukturen“ eines „Decklackspritznebel[s]“ auf einer ebenen Lackoberfläche in der Aufsicht. Sie haben einen Durchmesser von 50 bis 100 µm, was 0,05 bis 0,1 mm entspricht. 377

Kap. 3.1, S. 86-89). An zwei Werken der Kasseler Gemäldegalerie liegen vergleichbare Firnis- tropfen vor, Bartholomeus Breenberg, Christus und der reiche Jüngling und Adriaen van de Velde, Der Strand von Scheveningen.568 Wesentlich für die weitere Untersuchung dieser Fall- studie ist die Konstellation der Tropfen und der aktuellen Firnisrisse. In Bereich 8 überdeckt ein Tropfen einen Riss (Abb. IV.72, S.378, Pfeil 1). Mehrere Tropfen in den Bereichen 7 und 8 haben Kontakt zu den Risskanten und werden dadurch deformiert (Abb. IV.71, Pfeile 1 und 2, Abb. IV.72, Pfeil 2, beide S. 378). Teilweise überlagern Tropfen einander (Abb. IV.72, S.378, Pfeile 3 und 4). Hingegen sind die Tropfen in den Querschliffen nicht erkennbar. Im Fall von Probe 7a zeigen die Abbildungen IV.59 und IV.60 (S. 372), dass mehrere Tropfen entlang der Anschliffebene liegen, in den Abbildungen IV.61 und IV.62 (S. 373) zeichnen sich keine Erhebungen ab. Vermutlich handelt es sich um eine bewusste Mattierung des 1956 aufgetragenen Firnisses, nicht um einen fehlerhaften Auftrag (vgl. Kap. 2.9.2, S. 73f.).569 Allerdings gibt die Doku- mentation von Sylvie von Reden zu diesem Gemälde darüber keine Auskunft. Die Spritztechnik ist seit den 1930er Jahren geläufig, so dass sich keine Anhaltspunkte für eine aussagekräftige zeitliche Eingrenzung bieten.570 Unbekannt ist, wann eine Spritzanlage für die Kasseler Gemäl- derestaurierung erworben worden war. Schließlich könnte auch ein einfaches und älteres Werk- zeug zum Aufsprühen von Firnis, ein Fixierröhrchen, verwendet worden sein.571 Die Überlagerung des aktuellen Firniscraquelés durch die Firnistropfen und ihre Anlagerung an das Craquelé werfen die Frage auf, in welchem zeitlichen Bezug die vermutliche Mattierung zu dem obersten Firnisauftrag (Schichtenfolge 2) steht. Dabei wird von der Mattierung eines zu glänzend erscheinenden Neufirnisses, nicht eines bereits vorhandenen, älteren Firnisses ausge- gangen. Im vorliegenden Fall gibt von Reden die Bearbeitungszeit mit rund einem Monat an.572 Wie die Untersuchungen von Zumbühl, Knochenmuss und Wülfert modellhaft zeigen, können anfängliche und ausgebildete Firniscraquelés innerhalb von wenigen Monaten oder sogar schon während der Filmhärtung entstehen.573

568 Bei dem Gemälde Der Strand von Scheveningen von Adriaen van de Velde war dies von Anne Harmssen, MHK, festgestellt worden. Die Bildakten geben keine Auskunft über die Auftragstechnik des Firnisses. 569 Vgl. Wehlte 1967, S. 680. 570 Vgl. Koch 1952, S. 592-597; Doerner 1960, S. 190; Chiron o. J., S. 26, Hierholzer 2010, S. 199f. Nach Hier- holzer ist die Farbspritztechnik „spätestens seit 1931“ im Malerhandwerk etabliert. Koch datiert die Einführung von Spritzpistolen in die späten 1930er Jahre. Die Firma Chiron beginnt 1947 die „Entwicklung und Herstellung“ eines Teils der von Koch genannten Spritzpistolen. Alice Reger, Fa. Chiron GmbH & Co. KG, stellte mir freund- licherweise die Literatur zur Verfügung. 571 Vgl. Wehlte 1967, S. 540. 572 Vgl. Reden: Restaurierungsbericht, datiert 20. Februar - 6. März 1956, Archiv MHK, Aktenbestand: Gemälde- restaurierung. 573 Vgl. Zumbühl/Knochenmuss/Wülfert 1998, S. 216f., Abb. 12, 13, S. 216. Die modellhaften Versuche werden mit einem Dammarfirnis-Aufstrich vorgenommen. Nach 15 Wochen zeigen sich, abhängig von den Versuchs- 378

Schichtenstörungen des Firnisses im Querschliff Die verschiedenartigen Schichtenstörungen werden anhand der Proben 1a bis 9 betrachtet. Dazu dienen die Kartierungen der Mikroskop-Aufnahmen (Abb. IV.73 und IV.76 sowie IV.77 bis IV.80, S. 380). Grundlage sind die in Kapitel 4.4.4.3 (S. 348-353) dargestellten Schichten und Schichtenfolgen des Firnisses.

Schichtenstörungen des Firnisses im Querschliff Kartierungen: Firnis: weiß, Malschicht oder Farbschichten und Grundierung: hellgrau, Zwischenfirnisse: grau

Abb. IV.73: Probe 1a, Kartierung, Schichtenfolgen Abb. IV.74: Probe 1b, Kartierung, Schichtenfolgen des Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1, R2:, Pfeil 1: des Firnisses: 1, 2:, Rissbereich: R1, Pfeil 1: klare klare Schichtgrenze, Pfeil 2: angelöste Schichtgrenze, Schichtgrenze Pfeil 4: wellige Deformation, Pfeil 5: Schichtenstö- rung im Rissbereich, Pfeil 6: ehemalige Schichten- trennung, Pfeil 7: Luftblase

Abb. IV.75: Probe 5, Kartierung, Schichtenfolgen des Abb. IV.76: Probe 7a rechts, Kartierung, Schich- Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1-R3:, Pfeil 1: ange- tenfolgen des Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1, R2, löste Schichtgrenze, Pfeil 2: aufgelöste Schichtgren- Pfeil 1: angelöste Schichtgrenze, Pfeil 2: aufgelöste ze, Pfeil 3: wellige Deformation Schichtgrenze

bedingungen erste Risse oder ein geschlossenes Rissnetz, auch eine Rissbildung bereits bei der Filmhärtung wird beobachtet. 379

Abb. IV.77: Probe 7b, Kartierung, Schichtenfolgen Abb. IV.78: Probe 8a, Kartierung, Schichtenfolgen des Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1-R3:, Pfeil 1: des Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1-R4, Pfeil 1: klare Schichtgrenze, Pfeil 2: angelöste Schichtgrenze, klare Schichtgrenze, Pfeil 2: angelöste Schichtgrenze, Pfeil 3: aufgelöste Schichtgrenze Pfeil 3: aufgelöste Schichtgrenze

Abb. IV.79: Probe 8b, Kartierung, Schichtenfolgen Abb. IV.80: Probe 9, Kartierung, Schichtenfolgen des des Firnisses: 1-2, Rissbereiche: R1, R2, Pfeil 1: an- Firnisses: 1-2, Pfeil 1: klare Schichtgrenze, Pfeil 2: gelöste Schichtgrenze, Pfeil 2: Luftblase angelöste Schichtgrenze

380

Schichtgrenzen Der Erhaltungszustand der Schichtgrenzen variiert vielfach, sowohl innerhalb einer Probe als auch zwischen den Proben von derselben Entnahmestelle. Links in Probe 1a (Abbildung IV.73 S. 379) ist die Grenze der beiden Schichten von Schichtenfolge 1 angelöst, während die Gren- zen zwischen den Schichtenfolgen 1 und 2 und innerhalb von Schichtenfolge 2 klar sind (Pfeil 1). Hingegen hat sich in der rechten Probehälfte nur die Grenze der beiden Schichtenfolgen in einem angelösten Zustand erhalten (Pfeil 2). Probe 5 (Abb. IV.75, S. 379) weist angelöste (Pfeil 2) und, vor allem innerhalb von Schichtenfolge 1, stellenweise aufgelöste Grenzen auf (Pfeil 3). In Probe 7a rechts (Abb. IV.76, S. 379, Pfeil 2) liegt die Grenze der Schichtenfolgen 1 und 2 in einem überwiegend angelösten Zustand vor, während diese Grenze in Probe 7b (Abb. IV.77, S. 380, Pfeil 1) überwiegend klar ist. Die Grenzen der Firnisschichten von Schich- tenfolge 1 sind an- und stellenweise aufgelöst (Pfeile 2 und 3). In Probe 8a ist die Grenze der Schichtenfolgen 1 und 2 vorwiegend angelöst und stellenweise klar (Abb. IV.78, S. 380, Pfeile 1, 2), in Probe 8b durchgehend angelöst (Abb. IV.79, S. 380, Pfeil 1). Schichtenfolge 1 stellt sich innerhalb von Probe 8a unterschiedlich dar. Rechts sind die Grenzen der Firnisschichten in angelöstem Zustand erhalten (Pfeil 3), links gänzlich aufgelöst. Dieser Unterschied weist deutlich auf die unterschiedliche Wirkung einer Lösemittelwirkung innerhalb des Firnisses hin. In Probe 9 (Abb. IV.80, S. 380) sind die Schichtgrenzen am besten erhalten. An der Stelle der zusammengeschobenen Grundierung sind sie klar (Pfeil 1), links sind die Grenzen innerhalb Schichtenfolge 1 sowie zwischen den Schichtenfolgen angelöst (Pfeil 2). Während es in einer frühen Phase der Restaurierungsgeschichte zu einer tiefen Lösemitteleinwirkung und Randab- schabung gekommen war, ist der Bereich offenbar zu späteren Zeiten in geringerem Maße Lösemitteln ausgesetzt als die übrigen untersuchten Bereiche.

Deformationen Innerhalb des Firnisses sind die Schichtgrenzen nur wenig deformiert. Geringe wellige Defor- mationen lassen sich in Probe 1a innerhalb von Schichtenfolge 1 (Abb. IV.73, S. 379, Pfeil 4) und in Probe 5 (Abb. IV.75, S. 379, Pfeil 3) an der Grenze der beiden Schichtenfolge und inner- halb von Schichtenfolge 2 feststellen. Die Deformationen haben keine Wirkung auf die Firnis- oberfläche.

Rissbereiche In Probe 1a (Abb. IV.73, S. 379) wird der ehemalige Firnisriss im Rissbereich R2 dem Profil a zugeordnet, obwohl die Vertiefung im Rissumfeld nur gering ist. An den Rissflächen erkennt

381

man den Übergang zum Malschichtriss, der bis zum oberen Zwischenfirnis reicht. Die Riss- öffnung wird zum einen vom migrierten Zwischenfirnis als auch vom Firnis der oberen Schicht von Schichtenfolge 2 gefüllt. Die klaren Grenzen der Rissflächen gegenüber den zum Teil ange- lösten Schichtgrenzen weisen deutlich auf eine spätere Entstehung des Risses hin. Der Riss- bereich ist ohne einen aktuellen Firnisriss. Der ehemalige Firnisriss in Rissbereich R1 hat vermutlich Profil b. Der Riss endet an der Grenze der Firnisschichten von Schichtenfolge 1 und oberhalb der ehemaligen Schichtentrennung des Firnisses (Pfeil 6). Er ist vermutlich ebenfalls von der oberen Schicht der Schichtenfolge 2 angefüllt. Das Rissprofil von Probe 1b (Abb. IV.74, S. 379, Rissbereich R1) lässt sich nicht einordnen. Die Firnisschichten in Rissnähe werden Schichtenfolge 2 zugeordnet. Wie in Probe 1a (Rissbe- reich R2 links) endet die untere Firnisschicht an der Kante des Malschichtrisses, die obere Fir- nisschicht läuft dort aus und verläuft vermutlich jenseits der Kante weiter. Probe 5 (Abb. IV.75, S. 379) weist an der Stelle von Rissbereich R1 das Profil c ehemaliger Firnisrisse auf. Die Abnahme der Firnisdicke im Rissumfeld geht wesentlich von Schichten- folge 1 aus. Ehemalige Firnisrisse mit Profil g sind in den Rissbereichen R2 und R3 anhand der angelösten Rissflächen erkennbar. Die Risse beginnen in der unteren Schicht von Schichtenfol- ge 2 und werden von ihrer oberen Schicht gefüllt und nivelliert. Rissbereich R1 in Probe 7a wird als Profil f ehemaliger Firnisrisse bestimmt (Abb. IV.76, S. 379). Beide Schichtenfolgen des Firnisses überlagern und nivellieren den stark geweiteten Mal- schichtriss und schließen die Migration von Farbe ein. Bei der vertikalen Schichtgrenze kann es sich um eine Rissfläche von Schichtenfolge 1 handeln. Probe 7b (Abb. IV.77, S. 380) zeigt in Rissbereich R3 ebenfalls das Profil f ehemaliger Firnis- risse. Die untere und mittlere Schicht von Schichtenfolge 1 werden durch eine Migration von Farbe getrennt, die ihren Ursprung in der Untermalung hat. Schichtgrenzen belegen, dass die folgenden Firnisschichten die Vertiefung überlagern und verringern. In Rissbereich R1 von Probe 8a (Abb. IV.78, S. 380) erkennt man Profil g ehemaliger Firnis- risse. Vermutlich füllt bereits die untere Firnisschicht von Schichtenfolge 1 den Malschichtriss, die obere Schicht von dieser Schichtenfolge führt bereits bezugslos über den Rissbereich hin- weg. Probe 8b (Abb. IV.79, S. 380): Für diesen Bereich untypisch hat der ehemalige Firnisriss im Rissbereich R1 das Profil c (vgl. Tab. IV.7, S. 371), welches auch in Probe 5 vorliegt (Abb. IV.76, S. 379, Rissbereich R1). Die Abnahme der Firnisdicke zum Rissrand der Malschicht findet in Schichtenfolge 1 statt und der Firnis hat an diesem Rand eine minimale Dicke.

382

Abschabung am Bildrand Anders als in Fallstudie I (vgl. Kap. 4.1.5.3, S. 175) weist der Firnis keine Deformationen in- folge der Randabschabung auf. Abbildung IV.80 (S. 380) zeigt in der Mitte von Probe 9 die aus der Abschabung resultierende Erhebung der Grundierung und Farbe sowie rechts die durch die Abschabung freigelegte Grundierung. Darauf liegt die untere Schicht von Schichtenfolge 1 und nivelliert bereits zum Teil diese Erhebung. Aufgrund dieser Schichtenkonstellation wird die Abschabung in die Zeit vor dem Auftrag der ersten Firnisschicht von Schichtenfolge 1 datiert. Die folgenden Firnisschichten nivellieren die Erhebung schließlich vollständig.

Vermutliche lokale Schichtentrennung In der linken Hälfte von Probe 1a wird an zwei Stellen eine ehemalige lokale Schichtentren- nung vermutet. Sie zeichnet sich klar im schrägen Durchlicht ab (Abb. IV.48, S. 363, Pfeile 5 und 6), aber nur undeutlich bei UV-Anregung (Abb. IV.19, S. 349). Die Schichtentrennung liegt innerhalb der unteren Schicht von Schichtenfolge 1 und ist mit Firnis gefüllt. Beim Auftrag dieses Firnisses waren die Luftblasen eingeschlossen worden (Abb. IV.73, S. 379, Pfeile 6 und 7). Die Schichtentrennungen zeigen in den vorliegenden Probenanschliffen keine Verbindung zu einem ehemaligen Firnisriss, so dass unklar bleibt, auf welchem Wege die Firnislösung dort- hin gelangt war.

Luftblasen Die Luftblasen in Probe 1a sind mit der o.g. ehemaligen Schichtentrennungen verbunden. Pfeil 7 in Abbildung 76 (S. 359) deutet auf die größte dieser Luftblasen, die 11 x 22 µm misst. Eine weitere Luftblase ist in Probe 8b erfasst (Abb. IV.79, S. 381, Pfeil 2). Sie liegt im Firnis, der im Rissbereich R1 den Malschichtriss füllt und auf der Höhe der Luftblase Schichtenfolge 1 zugeordnet wird. Die Luftblase hat eine unregelmäßige, runde Form, ihre Höhe beträgt bis zu 98 µm und ihre Breite bis zu 19 µm.

Spritznebel eines Firnisauftrags Wie bereits beschrieben, sind die Tropfen eines gespritzten Firnisauftrags in der Aufsicht der Bildoberfläche (Bereiche 7 und 8) und den Proben (z.B. Probe 7a) unter koaxialer Beleuchtung darstellbar. An der Firnisoberfläche der eingebetteten und angeschliffenen Proben zeichnen sich diese Tropfen nicht ab, obwohl davon ausgegangen werden kann, dass beispielsweise in Probe 7 einer dieser Tropfen im Querschliff erfasst ist (Abb. IV.59-IV.60, S. 372). Die Ur- sachen sind unklar.

383

Modellhafte Rekonstruktionsversuche der Veränderungen der Firnis- und Malschichtrisse sowie der Firnisdeformationen In dem modellhaften Rekonstruktionsversuch werden die Bereiche 1, 6 und 7 betrachtet. Aus- gangspunkt ist ein mehrschichtiger Firnis in einem gealterten Zustand. Die Veränderungen und Deformationen werden als Folge einer Lösemitteleinwirkung und der Wiederhärtung an- gesehen. Die Art des restauratorischen Eingriffs mit Lösemitteleinwirkung wird nicht näher eingegrenzt. Es kann sich um einen Firnisauftrag, um eine Bedampfung mit Ethanol, einen Auf- trag von Lösemitteln wie Terpentinöl oder von Copaivabalsam handeln. Verschiedene Prozesse und Faktoren spielen eine Rolle, das Füllen von Malschichtrissen mit Firnis und das Schließen von Firnisrissen, eine horizontale Verschiebung des Firnisses und eine Weitung der Malschichtrisse. Wesentlicher Faktor von Rissweitung und borkenartigen Deformationen ist eine Gleitschicht (vgl. Kap. 3.1, S. 79f.). Wie die Untersuchungen im folgen- den Kapitel 4.4.6.3 (S. 396) zeigen, können Firnisschichten und die Zwischenfirnisse in den Proben 1a und 1b als eine solche Gleitschicht wirken. Bei der dunklen Untermalung deutet die Auflösung in den Rissbereichen im heutigen Zustand auf diese Möglichkeit hin. Als weitere mögliche Faktoren werden eine verlängerte Lösemittelretention in den mit Firnis gefüllten Rissbereichen, den Zwischenfirnissen und der Untermalung sowie in den unteren Ebe- nen des Firnisses bei gleichzeitiger beginnender Wiederhärtung an der Firnisoberfläche ange- nommen. Die Rekonstruktionsversuche beziehen sich auf die Firnisschichten der Schichten- folge 1. Schichtenfolge 2 wird ausgeklammert, weil sie die Deformationen nicht wesentlich be- einflusst. Vereinfachend ist der mehrschichtige Firnis hellgrau gezeichnet, die Malschicht bzw. die obers- te Farbschicht in den Abbildungen IV.81.1 bis IV.81.6 (S. 385) hellgrau gesprenkelt und der Zwischenfirnis grau (Abb. IV.81.1-IV.81.6, S. 385). In den Abbildungen zeigt „a“ die Bildung, Weitung und Schließung der Firnisrisse an, „b“ die Bildung und Weitung der Malschichtrisse. Die Bildung, Weitung und Vertiefung der Firnisdeformation sowie die horizontale Verschie- bung des Firnisses werden mit Pfeilen veranschaulicht.

384

Abb. IV.81.1-IV.81.6: Rekonstruktionsversuch der Rissentwicklung im Bereich 1; Phasen 1 bis 6; Firnis: hellgrau, Zwischenfirnis: grau, Farbschicht: hellgrau gesprenkelt

Bereich 1: Zu Beginn der Entwicklung, Phase 1 (Abb. IV.81.1), liegt ein Firnisriss (a), aber kein Malschichtriss vor. In Phase 2 (Abb. IV.81.2) kommt es zum Schließen des Firnisrisses (a). Phase 3 (Abb. IV.81.3) zeigt eine Firnisdeformation (Pfeile), durch die das Profil f ehe- maliger Firnisrisse entsteht. Phase 4 vereint die Bildung eines Firnisrisses und eines oberfläch- lichen und schmalen Malschichtrisses (Abb. IV.81.4, a und b). Firnis- und Malschichtriss gehen ineinander über. In Phase 5 (Abb. IV.81.5) weitet und vertieft sich dieser gemeinsame Riss und erreicht den Zwischenfirnis (a, b und Pfeile). Die gemeinsamen Rissflächen sind im Querschliff von Probe 1a (Abb. IV.73, S. 379, Rissbereich R2) erkennbar. Befördert durch die Wirkung des durch Lösemittel erweichten Zwischenfirnisses als Gleitschicht findet eine Rissweitung statt, gleichzeitig kommt es zu einer horizontalen Verschiebung des Firnisses, gemeinsam mit der Farbschicht (Pfeile). Der erweichte Zwischenfirnis steigt in diesem Riss auf. Phase 6 (Abb. IV.81.6) zeigt die nochmalige Weitung des Rissbereichs (a und b). Die Migration des Zwischenfirnis endet unterhalb der Firnisoberfläche. Dieser Zustand entspricht, unter Berück- sichtigung der ausgeklammerten Schichtenfolge 2, dem Profil a ehemaliger Firnisrisse in Ver- bindung mit geweiteten und tiefen Malschichtrissen, wie es in Probe 1a (Abb. IV.73, S. 379, Rissbereich R2) erfasst ist. In Probe 1a füllt Schichtenfolge 2 schließlich die Rissöffnung an (ohne Abbildung). Möglich ist auch eine Migration des Zwischenfirnisses über den Riss hinaus, wie in Bereich 2 an der Bildoberfläche erkennbar (Abb. IV.36, IV.37, S. 359).

385

Abb. IV.82.1-IV.82.5.: Rekonstruktionsversuch der Rissentwicklung im Bereich 6, Phasen 1 bis 5, Firnis: hell- grau, Malschicht: hellgrau gesprenkelt

Bereich 6: Ausgangspunkt der Entwicklung (Phase 1, Abb. IV.82.1) sind ein Firnisriss (a) und ein schmaler und oberflächlicher Malschichtriss (b), die ineinander übergehen. In Phase 2 (Abb. IV.82.2) wird der Firnisriss geschlossen und der Malschichtriss mit Firnis gefüllt. Der Zustand entspricht Profil g ehemaliger Firnisrisse. In Phase 3 (Abb. IV.82.3) beginnen die Weitung und Vertiefung des Malschichtrisses (b) und die Deformation des ehemaligen Firnisrisses (Pfeile). Das Profil entspricht nun dem Profil f ehemaliger Firnisrisse. Die Veränderungen setzen sich in Phase 4 (Abb. IV.82.4) fort. Der Malschichtriss (b) wird in Phase 5 (Abb. IV.82.5) noch ein- mal geweitet. Zudem verstärkt sich die Weitung und Vertiefung der Firnisdeformationen und es findet eine horizonale Verschiebung des Firnisses statt (Pfeile). Am Ende dieser Entwicklung steht das Profil c ehemaliger Firnisrisse (Abb. IV.49.3, S. 364) mit seiner weiten Vertiefung. Die Annäherung an die Kante des Malschichtrisses und die Vertiefung über dessen Öffnung setzen voraus, dass der Firnis auch bei fortschreitender Wiederhärtung und geringer Dicke an diesen Stellen noch erweicht ist.

386

Abb. IV.83.1-IV.83.6: Rekonstruktionsversuch der Rissentwicklung im Bereich 7, Phasen 1 bis 6, Firnis: hell- grau, Malschicht: hellgrau gesprenkelt

Bereich 7: Die Phasen 1 und 2 (Abb. IV.83.1 und IV.83.2) dieses Bereichs stellen sich wie in Bereich 6 dar. Mit den Phasen 3 und 4 (Abb. IV.83.3 und IV.83.4) werden eine Weitung und Vertiefung des Malschichtrisses und eine dem Profil f ehemaliger Firnisrisse entsprechende Firnisdeformation dargestellt. Diese Entwicklung setzt sich in den Phasen 5 und 6 (Abb. IV.83.5, IV.83.6) fort. Im Unterschied zur rekonstruierten Entwicklung in Bereich 6 (Abb. IV.82.4, IV.82.5, S. 386) findet gemeinsam mit der Weitung und Vertiefung des ehemaligen Firnisrisses auch eine starke Weitung des Malschichtrisses statt. Die Firnisdeformation ist stärker auf das Rissumfeld begrenzt. Die Schichtenstörungen der Malschicht deuten auf die Wirkung der Untermalung als Gleitschicht bei einer Rissweitung hin. Am Ende der Entwick- lung (Phase 6) liegt ein ehemaliger Firnisriss mit Profil d vor.

387

4.4.5.4 Rekonstruktionsversuch der Restaurierungsgeschichte

Die schriftlichen Quellen und Primärquellen der Restaurierungsgeschichte geben nur wenige Anhaltspunkte für eine zeitliche Einordnung. Das Gemälde weist keine aufgemalte Inventar- nummer auf, so dass zwischen der Zeit vor und nach der Erwerbung 1827 nicht unterschieden werden kann. Der erste dokumentierte restauratorische Eingriff wird erst 1956 vorgenommen. Die sporadischen Angaben der durchgeführten Maßnahmen sind nicht vollständig mit den Ob- jektbefunden in Einklang zu bringen. Tabelle IV.8 gibt einen Überblick über den Versuch einer zeitlichen Einordnung der Firnisschichten und Schichtenfolgen des Firnissses.

Phasen Maßnahmen zeitliche Einordnung

1 Firnisabnahme und Firnisauftrag der 1. Schicht von Schichten- vor 1956 folge 1 2 Firnisauftrag der 2. Schicht von Schichtenfolge 1 vor 1956 3 Firnisauftrag der 3. Schicht von Schichtenfolge 1 vor 1956 4 partieller Firnisauftrag der ersten Schicht von Schichtenfolge 2 1956 (im Landschaftsausblick) 5 Firnisauftrag der 2. Schicht von Schichtenfolge 2 1956 6 Spritznebel, Firnisauftrag der Schichtenfolge 2 1956

Tab. VI.8: Versuch der zeitlichen Einordnung der Firnisschichten und Schichtenfolgen des Firnisses

Die Phasen 1 bis 3 umfassen eine weite Zeitspanne der Restaurierungsgeschichte, die von der Entstehung des Gemäldes bis in die Zeit vor dem ersten dokumentierten Eingriff 1956 reicht. In Phase 1 finden drei Ereignisse statt. Als erster restauratorischer Eingriff wird die Abnahme des Schlussfirnisses angenommen. Im Zuge oder im Anschluss an eine tiefreichende Löse- mitteleinwirkung kommt es zur Erweichung von Grundierung und Malschicht, die durch die Randabschabung in Bereich 9 dokumentiert ist. Darauf folgt die erste Firnisschicht von Schichtenfolge 1. Phase 2 ist der Auftrag der zweiten, Phase 3 der Auftrag der dritten Firnis- schicht von Schichtenfolge 1. Mit Schichtenfolge 1 des Firnisses sind wesentliche Schäden und Veränderungen verbunden, das An- und Auflösen von Schichtgrenzen, das Schließen von Fir- nisrissen und die Deformationen des Firnisses im Bereich der ehemaligen Firnisrisse, die Weitung der Malschichtrisse und die Migration der Untermalung. Sie weisen, wie die Randab- schabung, auf eine tiefreichende Lösemitteleinwirkung hin, die nicht nur den Firnis, sondern auch die Malschicht betrifft. Das zweite Kapitel der Restaurierungsgeschichte dieses Gemäldes wird mit Schichtenfolge 2 des Firnisses verbunden und mit der Restaurierung von 1956 in Bezug gesetzt. Vermutlich nimmt von Reden im Bereich des Landschaftsausblicks eine Firnisregenerierung durch einen

388

partiellen Firnisauftrag vor (Phase 4). Es handelt sich um Firnisschicht 1 der Schichtenfolge 2. Möglicherweise werden dabei die Schichtentrennungen des Firnisses in Schichtenfolge 1 mit Firnis gefüllt und die Luftblasen dort eingeschlossen. Als eine Wirkung dieses Auftrags wird die Rissbildung und Migration des Zwischenfirnisses in den Bereichen 1 und 2 bestimmt. Da- rauf folgt ein ganzflächiger Firnisauftrag, Firnisschicht 2 der Schichtenfolge 2 (Phase 5). Dieser Auftrag führt noch während der restauratorischen Bearbeitung in den Bereichen 7 und 8 zu einer ausgeprägten Rissbildung des Firnisses. Ebenfalls kurz nach dem Firnisausftrag wird die Migration von Farbe in Bereich 1 (Probe 1b) vermutet. Der neu aufgetragene Firnis wird zuletzt durch einen gespritzten Firnisauftrag mattiert, ohne dass eine zusammenhängende, im Quer- schliff nachweisbare Schicht entsteht (Phase 6).

4.4.6 Wirkung von Lösemitteln auf Firnis und Malschicht

4.4.6.1 Löseverhalten des Firnisses

Für die Untersuchung des Löseverhaltens wird 2-Propanol verwendet. Die laufende Restau- rierung des Gemäldes ermöglicht Löseversuche an der Bildoberfläche in den noch nicht bear- beiteten Bereichen. Zudem wird eine modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Quer- schliff vorgenommen und den Versuchen an der Bildoberfläche gegenübergestellt.

Löseversuche an der Bildoberfläche Die Versuche werden anhand der bereits im Vorzustand untersuchten Bereiche 1, 6 und 7 in der Gegenüberstellung der Mikroskop-Aufnahmen bei schräger Beleuchtung von links und in UV-Anregung dargestellt. Die koaxiale Beleuchtung erweist sich hier als weniger aufschluss- reich als die schräge Beleuchtung. Die Durchführung der Versuche ist in Kapitel 3.7 (S. 126) beschrieben. Die Versuchsdaten finden sich im Anhang (B.4.2, S. 480).

389

Löseversuch an der Bildoberfläche (2-Propanol) Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. IV.84: Bereich 1, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. IV.85: Bereich 1, Mikroskop-Aufnahme, UV- leuchtung schräg von links, Pfeil 1: ausge- Anregung, Pfeil 1: ausgeschwemmter Firnisriss, Pfeil schwemmter Firnisriss, Pfeil 2: Firnisinsel, Pfeil 3: 2: Firnisinsel, Pfeil 3: Riss mit Firnisresten, Pfeil 4: Riss mit Firnisresten, Pfeil 4: freigelegte untere freigelegte untere Farbschicht, Pfeil 5: freigelegter Farbschicht, Pfeil 5: freigelegter Zwischenfirnis, Zwischenfirnis, Pfeil 6: freigelegte obere Farb- Pfeil 6: freigelegte obere Farbschicht schicht

Bereich 1 (Abb. IV.84, IV.85): Der unberührte Firnis und Schwemmrand des Löseversuchs sind in den Abbildungen nicht erfasst. Der Löseprozess beginnt an ehemaligen und aktuellen Rissen, beispielsweise an der Stelle von Pfeil 1. Die verbleibenden, scharf konturierten Firnis- inseln sind anhand ihrer hellen UV-Fluoreszenz erkennbar (Pfeil 2). Ihre Oberfläche erscheint bei seitlicher Beleuchtung rau. Entlang des Malschichtrisses ist der Firnis tief ausgeschwemmt (Pfeil 3). Der Vergleich mit dem Vorzustand belegt Verluste entlang der Risskanten der grünen Farbschicht. Die hellrote Farbschicht des Flamingos liegt frei (Pfeil 4). Ausgehend von dieser Farbschicht erkennt man den freigelegten Zwischenfirnis mit heller Fluoreszenz (Pfeil 5) und die oberste, grüne Farbschicht, die unter UV-Anregung dunkel erscheint (Pfeil 6). In Probe 1a handelt es sich dabei um eine Farbschicht (Abb. IV.19, IV. 20, S. 349), in Probe 1b um drei Farbschichten im Wechsel mit Zwischenfirnissen (Abb. IV.21, IV. 22, S. 349).

390

Löseversuch an der Bildoberfläche (2-Propanol) Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. IV.86: Bereich 6, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. IV.87: Bereich 6, Mikroskop-Aufnahme, UV- leuchtung schräg von links, Pfeil 1: ausge- Anregung, Pfeil 1: ausgeschwemmter Firnisriss, Pfeil schwemmter Firnisriss, Pfeil 2: ausgeschwemmte 2: ausgeschwemmte Firnisinsel, Pfeil 3: freigelegte Firnisinsel, Pfeil 3: freigelegte Malschichtoberfläche, Malschichtoberfläche, Pfeil 4: raue Firnisoberfläche, Pfeil 4: raue Firnisoberfläche, Pfeil 5: Riss mit Pfeil 5: Riss mit Firnisresten, Pfeil 6: Riss ohne Fir- Firnisresten, Pfeil 6: Riss ohne Firnisreste, Pfeil 7: nisreste, Pfeil 7: freiliegende untere Farbschicht freiliegende untere Farbschicht

Bereich 6 (Abb. IV.86, IV.87): Auch in diesem Bereich füllt die Löseprobe den Bildausschnitt vollständig aus. Der Löseprozess beginnt wiederum an den ehemaligen und aktuellen Firnis- rissen (Pfeil 1), nicht an der Firnisoberfläche. Pfeil 2 zeigt auf die Kante einer Firnisinsel. Ent- lang des horizonalen Risses ist die Malschichtoberfläche freigelegt (Pfeil 3). Die ungleich- mäßige UV-Fluoreszenz von Firnisresten deutet darauf hin, dass der Firnis nicht gelöst, sondern vielmehr in Form kleinster Partikel abgeschwemmt wird (Pfeil 4). Im oberen Teil des vertikalen Malschichtrisses ist noch Firnis vorhanden (Pfeil 5), während er im unteren Teil weitgehend ausgeschwemmt ist (Pfeil 6). Im Bereich der freigelegten Malschichtoberfläche liegt die hellrote Farbschicht des Flamingos frei (Pfeil 7), was allerdings bereits im Vorzustand erkenn- bar ist und keine Bereibung der Malschicht bei diesem Löseversuch bedeutet. Bereich 7 (Abb. IV.88, IV.89, S. 392): Der Rand der Löseprobe befindet sich außerhalb des Bildausschnitts. Der Firnis wird entlang der aktuellen Firnisrisse abgeschwemmt. Abbildung IV.88 (S. 392) zeigt die Vertiefung, Abbildung IV.89 (S. 392) die klaren Risskanten und die zunehmende Weitung zweier Risse (Pfeile 1 und 2). Der Firnis hat eine raue Oberfläche, deren Struktur auch in UV-Anregung erkennbar ist (Pfeil 3). Im Malschichtcraquelé hat sich zum Teil Firnis erhalten (Pfeil 4), zum anderen Teil ist er tief ausgeschwemmt. Deutlich wird dies daran, dass die Oberfläche des Firnisses in der Rissöffnung unterhalb der Schärfeebene liegt und un- scharf abgebildet wird (Pfeil 5). Die an der Stelle von Pfeil 6 freigelegte Malschichtoberfläche ist nicht beschädigt. 391

Löseversuch an der Bildoberfläche (2-Propanol) Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen

Abb. IV.88: Bereich 7, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. IV.89: Bereich 7, Mikroskop-Aufnahme, UV- leuchtung schräg von links, Pfeile 1, 2: ausge- Anregung, Pfeile 1, 2: ausgeschwemmte Firnisrisse, schwemmte Firnisrisse, Pfeil 3: ausgeschwemmte Pfeil 3: ausgeschwemmte Firnisinsel und raue Fir- Firnisinsel und raue Firnisoberfläche, Pfeil 4: Riss nisoberfläche, Pfeil 4: Riss mit Firnisresten, Pfeil 5: mit Firnisresten, Pfeil 5: Riss ohne Firnisreste, Pfeil Riss ohne Firnisreste, Pfeil 6: freigelegte 6: freigelegte Malschichtoberfläche Malschichtoberfläche

Der Firnis löst sich nicht gleichmäßig, sondern vorwiegend von den ehemaligen und aktuellen Firnisrissen aus. Dabei werden Firnisinseln ausgeschwemmt. Bis der Firnis vollständig abgelöst ist, wirkt das Lösemittel auf die Risskanten und -ränder der Malschicht, die zwischen den Fir- nisinseln bereits freiliegt, direkt ein. Der dargestellte Löseprozess zeigt zunächst, dass sich mit einer Firnisdünnung kein befriedigendes Resultat erzielen lässt und ein Firnistrennung nicht realisierbar ist. Mit 2-Propanol kann nur in den Bereichen eine Firnisabnahme durchgeführt werden, in denen die Malschicht gegenüber einer massiven Lösemitteleinwirkung unempfind- lich ist. Hingegen zeichnen sich im Landschaftsausblicks bereits vor der vollständigen Abnahme des Firnisses erhebliche Verluste der oberen Farbschichten entlang der Malschichtrisse ab.

Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff Für die Versuche sind die Proben 1a, 5, 7a und 8b ausgewählt. Die Mikroskop-Aufnahmen in koaxialer Beleuchtung sind den Kartierungen gegenübergestellt (Abb IV.90-IV.97, S. 393ff.). Es wird zwischen schneller und langsamer löslichen Bereichen des Firnisses und der Zwischen- firnisse unterschieden. Kapitel 3.4 (S. 103-112) beschreibt Versuchsaubau und -durchführung. Die grafische Darstellung ist stellenweise vereinfachend (vgl. Kap. 3.3, S. 101f. und Kap. 3.4, S. 107). Die Versuchsdaten finden sich im Anhang (B.4.3, S. 480). Pfeil 1 deutet auf die Mal- schichtoberfläche.

392

Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff (Löseversuch mit 2-Propanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in 2-Propanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses und der Zwischenfirnisse: hellblau, in 2- Propanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß und der Zwischenfirnisse: grau, Farbschichten und Grundierung: hellgrau

Abb. IV.90: Probe 1a, Mikroskop-Aufnahme, Abb. IV.91: Probe 1a, Kartierung, Schichtenfolgen Schichtenfolgen des Firnisses: 1,2, Rissbereiche: R1, des Firnisses: 1,2, Rissbereiche: R1, R2, Pfeil 1: R2, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-6: Teil- Malschichtoberfläche, Pfeile 2-6: Teilbereiche der bereiche der Zwischenfirnisse mit verschiedener Zwischenfirnisse mit verschiedener Löslichkeit, Löslichkeit, Pfeile 7-10: Teilbereiche des Firnisses Pfeile 7-10: Teilbereiche des Firnisses mit verschie- mit verschiedener Löslichkeit dener Löslichkeit

Probe 1a (Abb. IV.90, VI.91): Die drei Zwischenfirnisse haben ein unterschiedliches Löse- verhalten. Langsamer löslich sind der untere Zwischenfirnis (Pfeil 2). Hingegen erweist sich der mittlere Zwischenfirnis in seiner unteren und mittleren Ebene als weitgehend schneller lös- lich (Pfeil 3), einschließlich der Migration im Rissbereich R2 (Pfeil 4). Langsamer löslich sind die obere Ebene des mittleren Zwischenfirnisses (Pfeil 5) und der obere, dünne und nicht durch- gängige Zwischenfirnis (Pfeil 6). In der rechten Probenhälfte ist der Firnis langsamer löslich (Pfeil 7), in der Mitte und links variiert das Löseverhalten. In der mittleren Ebene der unteren Schicht von Schichtenfolge 1 und dem Umfeld der Luftblasen ist der Firnis schneller löslich (Pfeil 8). Schneller löslich sind auch Teile des Firnisses im Rissbereich R2 (Pfeil 9) und der oberen Schicht von Schichtenfolge 2 (Pfeil 10).

393

Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff (Löseversuch mit 2-Propanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in 2-Propanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellblau, in 2-Propanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. IV.92: Probe 5, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. IV.93: Probe 5, Kartierung, Schichtenfolgen des tenfolgen des Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1-R3, Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1-R3, Pfeil 1: Mal- Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-4: Teilbe- schichtoberfläche, Pfeile 2-4: Teilbereiche des Fir- reiche des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit nisses mit verschiedener Löslichkeit

Probe 5 (Abb. IV.92, IV.93): Nur die untere Schicht von Schichtenfolge 1 ist in ihrer unteren und mittleren Ebene schneller löslich (Pfeil 2). Dieser Bereich läuft zwischen den Rissbereichen R1 und R2 aus (Pfeil 3). In der oberen Ebene dieser Schicht (Pfeil 4) sowie in der oberen Schicht von Schichtenfolge 1 und in Schichtenfolge 2 ist der Firnis langsamer löslich.

Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff (Löseversuch mit 2-Propanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in 2-Propanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellblau, in 2-Propanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. IV.94: Probe 7a, Mikroskop-Aufnahme, Schich- Abb. IV.95: Probe 7a, Kartierung, Schichtenfolgen tenfolgen des Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1, R2, des Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1, R2, Pfeil 1: Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-6: Teilbereiche Malschichtoberfläche, Pfeile 2-6: Teilbereiche des des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit Firnisses mit verschiedener Löslichkeit

394

Probe 7a (Abb. IV.94, IV.95, S. 394): Die untere Ebene der Schichtenfolge 1 erweist sich als schneller löslich (Pfeil 2). Dabei sind der ebene Verlauf und die gleichmäßige Dicke in der Pro- be links und Mitte auffällig. Die Ebene läuft in der Probe rechts am Rissrand der Malschicht aus (Rissbereich R1, Pfeil 3). Die obere Ebene dieser Schichtenfolge ist langsamer löslich (Pfeil 4). In Schichtenfolge 2 liegen neben den überwiegend schneller löslichen Abschnitten auch kürzere, langsamer löslichen Abschnitte (Pfeil 5) vor. Im Rissbereich R1 ist ein kleiner Bereich, der Schichtenfolge 1 zugeordnet wird, schneller löslich (Pfeil 6).

Modellhafte Darstellung des Löseprozesses am Querschliff (Löseversuch mit 2-Propanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in 2-Propanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellblau, in 2-Propanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. IV.96: Probe 8b, Mikroskop-Aufnahme, Abb. IV.97: Probe 8b, Kartierung, Schichtenfolgen Schichtenfolgen des Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1, des Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1, R2, Pfeil 1: R2, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-7: Teil- Malschichtoberfläche, Pfeile 2-7: Teilbereiche des bereiche des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit Firnisses mit verschiedener Löslichkeit

Probe 8b (Abb. IV.96, IV.97): Auch in dieser Probe ist die untere Ebene von Schichtenfolge 1 schneller löslich (Pfeil 2). Diese Ebene umfasst am linken Probenrand etwa ein Drittel der Dicke von Schichtenfolge 1, in der Probenmitte läuft sie aus (Pfeil 3). Wie in Probe 7a zeichnet sich eine klare und gerade verlaufende Grenze zur der langsamer löslichen, mittleren Ebene ab (Pfeil 4). Schichtenfolge 2 erweist sich in Abschnitten als schneller (Pfeil 5) oder langsamer (Pfeil 6) löslich. Der im Malschichtriss liegende Firnis, der Schichtenfolge 1 zugeordnet wird, ist langsamer löslich (Rissbereich R1). Die Luftblase (Pfeil 7) beeinflusst das Löseverhalten nicht wesentlich.

Zusammenfassend kann als Gemeinsamkeit der vorgestellten Proben eine untere, durchgehend oder teilweise schneller lösliche und eine obere, langsamer lösliche Ebene von Schichtenfolge

395

1 festgestellt werden. Schichtenfolge 2 variiert in ihrem Löseverhalten. Sie ist in Probe 5 in ihrer Gänze und in Probe 1a überwiegend langsamer löslich sowie in den Proben 7a und 8b überwiegend schneller löslich. Firnis in den Rissbereichen und innerhalb der Malschichtrisse ist überwiegend langsamer, in Probe 1a zusammen mit dem Zwischenfirnis schneller löslich. Probe 1a verdeutlicht die Ursachen des schadenswirksamen Lösevorgangs in Bereich 1. Der schneller lösliche, mittlere Zwischenfirnis in Probe 1a beeinflusst das Löseverhalten der Mal- schicht wesentlich. Über den ehemaligen Firnisriss kann das Lösemittel rasch zum Zwischen- firnis vordringen, diesen lösen und so die oberen Farbschichten unterspülen. Auch der Firnis wird, ausgehend von der teilweise schneller löslichen unteren Ebene, ungleichmäßig gelöst. Dieses Löseverhalten des Firnisses gilt auch für die Proben 5, 7a und 8b und erklärt und das Ausschwemmen von Firnisinseln in den Bereichen 6 und 7. Das Lösemittel wirkt von den aktu- ellen und ehemaligen Firnisrissen aus. An den ausgeschwemmten Firnisinseln lassen sich diese Rissanordnungen stellenweise erkennen. Entlang der stärker deformierten, ehemaligen Firnis- risse befördert die geringe Firnisdicke das Vordringen des Lösemittels zur Malschicht. Im Ver- gleich mit Probe 5 und Bereich 6 zeigt sich, dass die schneller lösliche Schichtenfolge 2 der Probe 7a keine ausgleichende Wirkung auf den Lösevorgang in Bereich 7 hat.

396

4.4.6.2 Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen

Für die Versuche wird Ethanol verwendet. Der Rekonstruktionsversuch bezieht sich auf eine Firnisregenerierung durch Alkoholbedampfung unter einem Pettenkofer-Kasten als eine von mehreren Möglichkeiten einer historischen Restaurierung. Durchgeführt werden die Versuche ebenfalls an den Proben 1a, 5, 7a und 8b. Die Mikroskop-Aufnahmen in koaxialer Beleuchtung sind den Kartierungen gegenübergestellt (Abb IV.98-IV.105, S. 399-403). Es wird zwischen schneller und langsamer löslichen Bereichen des Firnisses und des Zwischenfirnisses unter- schieden. Kapitel 3.4 (S. 103-112) beschreibt Versuchsaubau und -durchführung. Die grafische Darstellung ist stellenweise vereinfachend (vgl. Kap. 3.3, S. 101f. und Kap. 3.4, S. 103). Die Versuchsdaten finden sich im Anhang (B.4.3, S. 480). Pfeil 1 deutet auf die Malschichtober- fläche.

Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen (Löseversuch am Quer- schliff mit Ethanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in Ethanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses und der Zwischenfirnisse: hellgrün, in Etha- nol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß und der Zwischenfirnisse: grau, Farbschichten und Grun- dierung: hellgrau

Abb. IV.98: Probe 1a, Mikroskop-Aufnahme, Abb. IV.99: Probe 1a, Kartierung, Schichtenfolgen Schichtenfolgen des Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1, des Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1, R2, Pfeil 1, R2, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-6: Teil- Pfeile 2-6: Teilbereiche der Zwischenfirnisse mit bereiche der Zwischenfirnisse mit verschiedener verschiedener Löslichkeit, Pfeile 7-10: Teilbereiche Löslichkeit, Pfeile 7-10: Teilbereiche des Firnisses des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit mit verschiedener Löslichkeit

Probe 1a (Abb. IV.98, IV.99): Der untere Zwischenfirnis ist langsamer löslich (Pfeil 2). Über- wiegend schneller löslich ist der mittlere Zwischenfirnis (Pfeil 3), auch im Bereich der Migra- tion im Rissbereich R2 (Pfeil 4). Dabei liegen auch geringe Teilbereiche mit langsamerer Lös- lichkeit vor (Pfeil 5). Der in der Probe nur partiell vorhandene, obere Zwischenfirnis ist lang-

397

samer löslich (Pfeil 6). Das Löseverhalten des Firnisses weist Unterschiede auf. In der rechten Probenhälfte ist der Firnis langsamer löslich (Pfeil 7). Links erweist sich die untere Schicht von Schichtenfolge 1 als schneller löslich (Pfeil 8). Die Grenze zur oberen Schicht von Schich- tenfolge 1 zeichnet sich deutlich ab. Schichtenfolge 2 ist vorwiegend langsamer löslich (Pfeil 9), an der Stelle von Pfeil 10 hingegen schneller löslich.

Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen (Löseversuch am Quer- schliff mit Ethanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in Ethanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellgrün, in Ethanol langsamer lösliche Be- reiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. IV.100: Probe 5, Mikroskop-Aufnahme, Abb. IV.101: Probe 5, Kartierung, Schichtenfolgen Schichtenfolgen des Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1- des Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1-R3, Pfeil 1: R3, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-4: Teil- Malschichtoberfläche, Pfeile 2-4: Teilbereiche des bereiche des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit Firnisses mit verschiedener Löslichkeit

Probe 5 (Abb. IV.100, IV.101): Schicht 1 und die untere Ebene der Schicht 2 von Schichten- folge 1 sind schneller löslich (Pfeil 2). Dieser schneller lösliche Bereich läuft noch vor dem Rissbereich R1 aus (Pfeil 3). Langsamer löslich sind die obere Ebene der Schicht 2 von Schich- tenfolge 1 (Pfeil 4) und Schichtenfolge 2.

398

Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen (Löseversuch am Quer- schliff mit Ethanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in Ethanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellgrün, in Ethanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. IV.102: Probe 7a, Mikroskop-Aufnahme, Abb. IV.103: Probe 7a, Kartierung, Schichtenfolgen Schichtenfolgen des Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1, des Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1, R2, Pfeil 1: R2, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-6: Teilbe- Malschichtoberfläche, Pfeile 2-6: Teilbereiche des reiche des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit Firnisses mit verschiedener Löslichkeit

Probe 7a (Abb. IV.102, IV.103): Die untere Ebene von Schichtenfolge 1 ist schneller löslich (Pfeil 2). Dieser Bereich reicht über den Rand der Malschicht und über die Migration der dunk- len Untermalung (Pfeil 3). Die obere Ebene von Schichtenfolge 1 ist hingegen langsamer lös- lich. Schichtenfolge 2 variiert in ihrem Löseverhalten. An der Stelle von Pfeil 4 ist sie in ihrer gesamten Dicke schneller löslich. Pfeil 5 markiert einen langsamer löslichen Bereich, Pfeil 6 einen Bereich, in der die obere Ebene schneller, die untere langsamer löslich ist. Im Rissbereich R1 ist der Firnis teilweise schneller löslich (Pfeil 7).

399

Modellhafter Rekonstruktionsversuch der Wirkung früherer Restaurierungen (Löseversuch am Quer- schliff mit Ethanol) Mikroskop-Aufnahme: Hellfeld-Beleuchtung Kartierung: in Ethanol schneller lösliche Bereiche des Firnisses: hellgrün, in Ethanol langsamer lösliche Bereiche des Firnisses: weiß, Malschicht und Grundierung: hellgrau

Abb. IV.104: Probe 8b, Mikroskop-Aufnahme, Abb. IV.105: Probe 8b, Kartierung, Schichtenfolgen Schichtenfolgen des Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1, des Firnisses: 1, 2, Rissbereiche: R1, R2, Pfeil 1: R2, Pfeil 1: Malschichtoberfläche, Pfeile 2-7: Teil- Malschichtoberfläche, Pfeile 2-7: Teilbereiche des bereiche des Firnisses mit verschiedener Löslichkeit Firnisses mit verschiedener Löslichkeit

Probe 8b (Abb. IV.104, IV.105): In dieser Probe ist ebenfalls die untere Ebene von Schichten- folge 1 schneller löslich (Pfeil 2). Pfeil 3 deutet auf die Stelle, an der dieser schneller lösliche Bereich ausläuft. Die obere Ebene von Schichtenfolge 1 ist langsamer löslich (Pfeil 4). An der Stelle von Pfeil 5 hat Schichtenfolge 2 eine schnellere Löslichkeit, an der Stelle von Pfeil 6 zeichnen sich zwei Ebenen mit unterschiedlicher Löslichkeit ab. Der Firnis im Rissbereich R1 ist überwiegend langsamer löslich (Pfeil 7).

Die Firnisschichten und Zwischenfirnisse haben in den Versuchen mit Ethanol ebenfalls ein unterschiedliches Löseverhalten. Schichten und Schichtebenen konnten bei einer möglichen Firnisregenerierung als Gleitschichten gewirkt und damit eine Rissweitung und eine borken- artige Deformation des Firnisses begünstigt haben. In Probe 1a sind der mittlere Zwischenfirnis sowie Schicht 1 der Schichtenfolge 1 schneller löslich, in Probe 5 die untere Schicht und die untere Ebene der oberen Schicht von Schichtenfolge 1. Auch in den Proben 7a und 8b liegt eine untere, schneller lösliche Ebene vor. Sie ist Teil der Schichtenfolge 1. Die in den beiden Proben schneller lösliche Schichtenfolge 2 hat in diesem Zusammenhang keine Bedeutung. Schließlich haben auch Resultate der Versuche mit Ethanol und 2-Propanol (Kap. 4.4.6.2, S. 392-395) weitgehende Gemeinsamkeiten, wobei die schneller löslichen Bereiche bei den Versuchen mit Ethanol etwas ausgedehnter sind.

400

4.4.7 Mechanische Firnisdünnung

Die mechanische Firnisdünnung wird anhand der Bereiche 3 und 4 in der Gegenüberstellung der Mikroskop-Aufnahmen bei schräger Beleuchtung von links, bei koaxialer Beleuchtung, bei Benetzung mit Shellsol T und unter UV-Anregung dargestellt. Dabei werden Bereiche einer von Kerstin Binzer 2006 vorgenommenen partiellen Firnisdünnung durch Abschleifen mit Mastixpulver untersucht. Auf eigene Versuche wird verzichtet, weil diese Art der Firnisdün- nung mindestens eine Fläche von mehreren Quadratzentimetern erfordert. Deshalb ist ein direk- ter Vergleich mit dem Vorzustand nicht möglich, jedoch bietet das stellenweise unbearbeitete Umfeld in Bereich 4 ausreichende Vergleichsmöglichkeiten. Als Schleifmittel dient pulverisiertes Mastixpulver, das im Mörser aus Mastixtropfen herge- stellt wird. Mit einer minimalen Menge des Mastixpulvers und dem Finger wird auf der Ober- fläche mit geringem Druck kreisend gerieben, bis sich nach einigen Minuten ein merklicher Firnisabrieb bildet. Dieser Abrieb, selbst Firnispulver, dient als weiteres Schleifmittel. Erstmals in Bezug auf ein Kasseler Gemälde erwähnt Max Doerner 1929 diese Art der Firnis- dünnung (vgl. Kap. 2.7.2, S. 55), erstmals in der Anwendung dokumentiert wird sie von Hans Brammer bei der Restaurierung des Gemäldes von Ferdinand Bol, Bildnis einer jungen Frau mit Nelke.574 Eine der wesentlichen Überlegungen Brammers ist dabei der Verzicht auf die An- wendung von Lösemitteln an einem Gemälde, dessen Bildgefüge durch Lösemitteleinwirkung früherer Restaurierungen stark beschädigt ist. Bereich 3 (Abb. IV.106-IV.109, S. 402): Die Firnisoberfläche erscheint durch die Bearbeitung rau, am deutlichsten sichtbar ist dies in der koaxialen Beleuchtung (Abb. IV.107, S. 402). Pfeil 1 deutet auf einen Firnisriss, dessen Umfeld nivelliert ist. Die Risskanten sind durchgehend ohne Ausbrüche. In einem Riss hat sich Firnispulver gesammelt (Pfeil 2). In der Mitte liegt eine partielle Bereibung vor. Sie zeichnet sich beispielsweise an der Stelle von Pfeil 3 in den Ab- bildungen in verschiedener Weise ab. In den Abbildungen IV.106 und IV.108 (S. 402) erkennt man den Verlust der oberen, grünen Farbschicht und das Durchscheinen der roten Farbe des Flamingos. Bei koaxialer Beleuchtung ist die Oberfläche eben (Abb. IV.107, S. 402). Unter UV-Anregung (Abb. IV.109, S. 402) zeigt sich die Grenze zwischen dem Firnis (helle UV-Flu- oreszenz) und der freigelegten grünen Farbschicht (geringe UV-Fluoreszenz). Dies gilt auch für die Grenze zwischen der grünen Farbschicht und dem ebenfalls angeschliffenen und hell fluoreszierenden Zwischenfirnis (Pfeil 4). An dieser Stelle wird eine der Probe 1a entspre- chende Schichtenabfolge der Malschicht mit einer einschichtigen oberen Farbschicht und

574 Vgl. Krämer 2009, S. 29f. 401

einem ebenfalls einschichtigen Zwischenfirnis angenommen (vgl. Abb. IV.19, IV.20, S. 349). Wie der Vergleich mit der Aufnahme des Löseversuchs an der Bildoberfläche in Bereich 1 unter UV-Anregung (Abb. IV.85, S. 390) verdeutlicht, ist hier, in Bereich 3, der Zwischenfirnis nur gedünnt und die rote Farbschicht nicht freigelegt.

Mechanische Firnisdünnung Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen und Aufnahmebedingungen

Abb. IV.106: Bereich 3, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. IV.107: Bereich 3, Mikroskop-Aufnahme, ko- leuchtung schräg von links, Pfeile 1, 2: beriebene axiale Beleuchtung, Pfeile 1, 2: beriebene Firnisrisse, Firnisrisse, Pfeil 3: Grenze von Firnis und Mal- Pfeil 3: Grenze von Firnis und Malschicht, 4: schicht, 4: Schichtgrenze der beriebenen Malschicht Schichtgrenze der beriebenen Malschicht

Abb. IV.108: Bereich 3, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. IV.109: Bereich 3, Mikroskop-Aufnahme, UV- leuchtung schräg von links und mit Shellsol T be- Anregung, Pfeile 1, 2: beriebene Firnisrisse, Pfeil 3: netzt, Pfeile 1, 2: beriebene Firnisrisse, Pfeil 3: Gren- Grenze von Firnis und Malschicht, 4: Schichtgrenze ze von Firnis und Malschicht, 4: Schichtgrenze der der beriebenen Malschicht beriebenen Malschicht

402

Mechanische Firnisdünnung Mikroskop-Aufnahmen: verschiedene Beleuchtungen und Aufnahmebedingungen

Abb. IV.110: Bereich 4, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. IV.111: Bereich 4, Mikroskop-Aufnahme, ko- leuchtung schräg von links, Pfeil 1: nicht beriebener axiale Beleuchtung, Pfeil 1: nicht beriebener Firnis, Firnis, Pfeil 2: beriebener Firnis, Pfeile 3-5: beriebe- Pfeil 2: beriebener Firnis, Pfeile 3-5: beriebene Fir- ne Firnisrisse, Pfeil 6: Firnispulver in der Öffnung nisrisse, Pfeil 6: Firnispulver in der Öffnung des des Firnisrisses Firnisrisses

Abb. IV.112: Bereich 4, Mikroskop-Aufnahme, Be- Abb. IV.113: Bereich 4, Mikroskop-Aufnahme, UV- leuchtung schräg von links und mit Shellsol T be- Anregung, Pfeil 1: nicht beriebener Firnis, Pfeil 2: netzt, Pfeil 1: nicht beriebener Firnis, Pfeil 2: berie- beriebener Firnis, Pfeile 3-5: beriebene Firnisrisse, bener Firnis, Pfeile 3-5: beriebene Firnisrisse, Pfeil 6: Pfeil 6: Firnispulver in der Öffnung des Firnisrisses Firnispulver in der Öffnung des Firnisrisses

Bereich 4 (Abb. IV.110-IV.113): Pfeil 1 deutet auf die Grenze zwischen der unberührten und der angerauten, aber nur minimal gedünnten Fläche. Bei der unberührten Fläche handelt es sich um die Vertiefung eines ehemaligen Firnisrisses. Durch das Anrauen verliert der Firnis seine Transparenz (Abb. IV.110, Abb. IV.111). Das Benetzen mit Shellsol T (Abb. IV.112) zeigt, dass nach dem Neufirnissen keine bleibenden Firnistrübungen zu erwarten sind. An der Stelle von Pfeil 2 erkennt man vor allem bei normaler Beleuchtung (Abb. IV.110) die horizontalen Bearbeitungsspuren der beginnenden Firnisdünnung im Wechsel mit der noch unberührten Firnisoberfläche. Auch entlang der Vertiefung eines schmaleren Firnisrisses hat sich die Ober- fläche erhalten. Sie zeichnet sich am deutlichsten in koaxialer Beleuchtung durch ihren Glanz

403

ab (Abb. IV.111, S. 403, Pfeil 3). Im Bereich eines weiteren Risses ist der Firnis nivelliert (Pfeil 4). Pfeil 5 markiert einen Riss mit aufgewölbten und minimal beriebenen Kanten (Abb. IV.111, S. 403). Dies belegt, wie schon in Bereich 4, dass durch die mechanische Firnisabnahme keine Ausbrüche entlang des Craquelés verursacht werden. In der Öffnung eines Risses sammelt sich Firnispulver, das bei normaler Beleuchtung und vor allem auch bei der Benetzung mit Shellsol T hell erscheint (Abb. IV.112, S. 403, Pfeil 6).

Merkmale der mechanischen Firnisdünnung durch Abschleifen mit Firnispulver sind ein von den Höhen ausgehender Abtrag und eine von der unebenen Oberfläche des Firnisses unab- hängige Nivellierung des Firnisses. Der verbleibende Firnis wird mechanisch nicht beschädigt, es kommt nicht zu Ausbrüchen entlang der Firnisrisse oder zu neuen Rissen. Auch der Firnis in den Rissöffnungen der Malschicht bleibt erhalten. Die Firnisoberfläche wird aufgeraut und erscheint matt, der Firnis verliert seine Transparenz. Firnisstaub setzt sich im Craquelé fest. Die Proben dieser Fallstudie zeigen die Grenzen der Anwendung auf. Bei der Nivellierung können Höhen und Schollenkanten der Malschicht erreicht und ebenfalls abgetragen werden. Da der Firnis an diesen Stellen eine nur sehr geringe Dicke hat, ist die Firnisdünnung stark begrenzt. Durch die Dünnung entsteht eine ebene, unnatürlich wirkende Firnisoberfläche. Die Dicken- unterschiede des Firnisses zwischen planierter Firnisoberfläche und unebener, vor allem scholliger Malschicht erzeugen eine ungleichmäßige Erscheinung der Firnisgilbung. Aufgrund der minimalen Aufrauung der Firnisoberfläche und dem Festsetzen von Firnispulver im Cra- quelé ist ein abschließender Neufirnis zwingend erforderlich. In letzter Konsequenz ist somit auch mit dieser mechanischen Firnisdünnung kein gänzlicher Verzicht auf Lösemittelan- wendung am Gemälde realisierbar.

404

4.4.8 Zusammenfassung

Das Gemälde von Melchior de Hondecoeter, Die weiße Henne mit Küchlein hat einen teils un- gewöhnlichen maltechnischen Aufbau, der Hauptursache der Restaurierungsproblematik ist. In der linken Bildhälfte war ein Flamingo angelegt und mit dem heutigen Landschaftsausblick übermalt worden. Die Malschicht enthält dort partielle Zwischenfirnisse. Die dünnsten Zwi- schenfirnisse messen unter 5 µm, der dickste misst 15 bis 20 µm. Eine unterschiedlich starke UV-Fluoreszenz deutet auf verschiedene Firnismaterialien hin. Die Gesamtdicke des Firnisses beträgt zwischen 5 und 40 µm. Zwei bis vier Firnisschichten sind enthalten. Ihre variierende Anzahl resultiert aus unterschiedlichen Graden der Schichten- auflösung und einem partiellen Firnisauftrag im Landschaftsausblick. Die dünnsten Firnis- schichten messen bis zu 5 µm, die dicksten 15 bis 20 µm. Die Firnisschichten haben mehr- heitlich eine Dicke von bis zu 10 µm, weit überwiegend eine Dicke von bis zu 15 µm. Ein Schlussfirnis ist nicht nachgewiesen. Die Firnisschichten sind historisch. Aus den zwei bis vier Firnisschichten werden zwei Schichtenfolgen rekonstruiert. Schichtenfolge 2 wird der ersten schriftlich belegten Restaurierung 1956 zugeordnet und enthält einen lokalen Firnisauftrag im Bereich des Landschaftsausblicks. Die Malschichtrisse haben eine Breite von bis zu 0,14 mm. Eine Rissweitung und Bildung eines besonderen Profils, einer Randflucht unten, werden auf die Lösemitteleinwirkung auf die Zwi- schenfirnisse und eine bindemittelreiche Untermalung zurückgeführt. Auffällige Merkmale mehrerer Einzelrisse sind eine variierende Breite. Die Malschicht weist ein teilweise bis weitge- hend geschlossenes Netzcraquelé auf. Einige Risse sind vermutlich verzweigt, andere verlaufen parallel oder überlagern sich. Vom Zwischenfirnis und von den Farbschichten, u.a. der Unter- malung, geht eine Migration am Malschichtcraquelé aus. Farbschichten sind stellenweise minimal angelöst. Eine Abschabung erweichter Malschicht und Grundierung am Bildrand wird als weiterer Hinweis auf eine tiefreichende Lösemitteleinwirkung betrachtet. Der Firnis ist stark gegilbt. Nur die oberste dünne Firnisschicht hat eine geringere Gilbung. Die borkenartigen Deformationen des Firnisses ergeben sich aus den Vertiefungen der ehemaligen Firnisrisse und sind unter anderem im Bereich des Pentiments stärker ausgeprägt. Die ehema- ligen Firnisrisse haben verschiedene Profile mit einer Breite von bis zu 0,5 mm, ihre maximale Tiefe entspricht der Firnisdicke. Besonderheit des Einzelrissverlaufs sind eine variierende Breite und ein Wechsel der Profile. Die ehemaligen Firnisrisse sind zum Teil mit den Mal- schichtrissen verbunden und bilden wie diese ein teilweise bis weitgehend geschlossenes Netz- craquelé. In modellhaften Rekonstruktionsversuchen der Wirkung früherer Restaurierungen

405

wird die Entwicklung der geweiteten Malschichtrisse und deformierten ehemaligen Firnisrisse skizziert. Dabei kann aufgezeigt werden, dass die Zwischenfirnisse und unteren Firnisschichten unter Lösemitteleinwirkung als Gleitschichten die Weitung und Deformation entscheidend befördern. Auch die aktuellen Firnisrisse weisen unterschiedliche Profile auf und sie sind teil- weise geweitet. Die Breite beträgt maximal 0,03 mm. Stellenweise ist eine starke Biegung der Einzelrisse zu beobachten. Die aktuellen Firnisrisse bilden ein teilweise bis weitgehend ge- schlossenes Netzcraquelé, sowohl in Verbindung mit den ehemaligen Firnisrissen als auch un- abhängig von diesen. Einige aktuelle Firnisrisse weisen einen Übergang zu Malschichtrissen auf. Eine ungewöhnliche Firnisdeformation resultiert aus Tropfen mit Durchmessern von 0,02 bis 0,2 mm, die von einem gespritzten, vermutlich zur Mattierung aufgetragenen Firnis stammen. Einen Schwerpunkt der Untersuchung bildet die konservatorische und restauratorische Proble- matik der laufenden Restaurierung. Mit dem verwendeten Lösemittel 2-Propanol sind eine Firnistrennung und kontrollierte Firnisdünnung ausgeschlossen, eine Firnisabnahme ist nur in Teilen des Gemäldes möglich und zudem riskant. Die unteren Ebenen des Firnisses sind vielfach schneller löslich als die oberen, so dass das Lösemittel, ausgehend von den ehemaligen und aktuellen Firnisrissen, Firnisinseln ausschwemmt und in den Rissbereichen rasch direkt auf die Malschicht einwirkt. Stellenweise wird der Firnis aus den geweiteten Malschichtrissen ge- schwemmt. Im Bereich des Landschaftsausblicks sind die Zwischenfirnisse schneller löslich und so werden die oberen Farbschichten, wiederum ausgehend vom Craquelé, unterspült und mit den gelösten Zwischenfirnissen abgeschwemmt. Im Bereich des Landschaftsausblicks wird eine bereits vorgenommene, mechanische Firnisdün- nung durch Abschleifen mit Mastixpulver untersucht. Eine charakteristische und auch nicht modifizierbare Wirkung ist, dass der Firnis, unabhängig von seiner ursprünglichen Oberfläche, vollkommen geglättet wird. Freigelegte Pastositäten der Malschicht oder Schollenkanten wer- den ebenfalls abgeschliffen. Erfolgreich anzuwenden ist diese Methode vor allem dann, wenn etwa eine borkenartig deformierte Firnisoberfläche geglättet werden soll und die Malschicht eben ist. Der Grad der Dünnung ist auch dadurch beschränkt, dass der Restfirnis eine ausrei- chende Dicke behalten muss, um noch als gleichmäßige Schicht wirken zu können. Für die ein- heitliche Bearbeitung des gesamten Gemäldes ist die mechanische Firnisdünnung nicht geeig- net. In Bereich des Landschaftsausblicks erscheint sie hingegen unter Berücksichtigung der besonderen konservatorischen Problematik praktikabel. Eine wesentliche Fragestellung der weiterführenden Restaurierung ist die Zusammenführung der unterschiedlich bearbeiteten Teil- flächen zu einem stimmigen Erscheinungsbild des Gemäldes.

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5 SCHLUSSBETRACHTUNG

5.1 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

5.1.1 Zur Restaurierungsgeschichte der Kasseler Gemäldegalerie und ihrer Werke

Die in dieser Arbeit betrachtete Restaurierungsgeschichte der Kasseler Gemäldegalerie von 1748 bis 1966 kann in ihren wichtigsten Kapiteln und anhand von bedeutenden Beispielen skizziert werden. Bis 1874 ist sie nur in Episoden greifbar, während ab 1874 die wesentlichen Entwicklungen und Zusammenhänge erkennbar sind. Erst ab den Jahren 1952/53 sind Restau- rierungen lückenlos dokumentiert und ältere Dokumente systematisch archiviert. Nicht ausrei- chend sind die schriftlichen Quellen hingegen, um die individuelle Restaurierungsgeschichte von Werken der Kasseler Sammlung gänzlich nachvollziehen zu können. Über Restaurierungen Kasseler Gemälde aus der Zeit vor ihrer Erwerbung ist nichts bekannt.

Protagonisten und Ereignisse der Kasseler Restaurierungsgeschichte Der Galerieintendant und Hofmaler Johann Georg van Freese nimmt 1748 die erste schriftlich dokumentierte Restaurierung eines Gemäldes der Kasseler Sammlung vor. Van Freese und die Galerieinspektoren Johann Heinrich Tischbein d. J., Ernst Friedrich F. Robert und Karl Christian Aubel leisten die Sammlungspflege und Restaurierungen. Robert und Aubel sind aka- demisch gebildete Maler und gleichzeitig Professoren der Kasseler Akademie. Eine kurze, aber dennoch bedeutende Episode der Kasseler Restaurierungsgeschichte findet 1807 am Louvre in Paris statt. Dort wird ein Teil der unter Napoleon requirierten und 1815 wieder restituierten Kasseler Gemälde z.T. namentlich von den renommierten Restauratoren und Spezialisten für die Konservierung von Bildträgern, Joseph Fouque und François-Toussaint Haquin, bearbeitet. Konkrete Angaben über restauratorische Maßnahmen fehlen. Die nach Ann Massing wichtigste zeitgenössische Quelle über die Restaurierungspraxis am Louvre ist deshalb das 1808 publi- zierte Werk von François-Xavier De Burtin mit dem Kurztitel Connoissances des tableaux.575 De Burtin reflektiert damit auch den Kenntnisstand der Restaurierung seiner Zeit. Mit Aubel

575 Vgl. Massing 2012, S. 200, 205-208, 238. Der vollständige Titel lautet: Traité théorique et practique des connoissances qui sont nécessaires à tout amateur de tableaux et à tous ceux qui veulent apprendre à juger, apprécier et conserver les productions de la peinture. endet 1874 die Folge der Galerieinspectoren in Kassel. In diesem Zeitraum findet auch der für die Restaurierungsgeschichte bedeutsame Wandel von einer herrschaftlichen zu einer muse- alen, öffentlichen Sammlung statt. Bis in die 1930er Jahre liegt die Initiative für die Beurteilung von Erhaltungszuständen und des Restaurierungsbedarfs sowie für die Beauftragung von Res- taurierungen in der Hand der übergeordneten Verwaltung und der Galeriedirektoren. Mehrfach werden externe Gutachter nach Kassel eingeladen, u.a. 1874 und 1883 Wilhelm von Bode, 1924 Max Friedländer, 1929 Kurt Wehlte und Max Doerner und 1953 Hermann Lohe. Als eines der bedeutendsten Kapitel der Kasseler Restaurierungsgeschichte wird die Begutachtung von Wehlte und Doerner betrachtet, jedoch ist ihre praktische Wirkung ungeklärt. Die Befunde und Empfehlungen beziehen sich deutlich auf Doerners Publikation Malmaterial und seine Verwen- dung im Bilde, die 1921 in der ersten Auflage erscheint. Einige Kapitel der Kasseler Restaurierungsgeschichte sind von Skandalen diktiert, von Vorwür- fen unsachgemäßer Restaurierungen (1874 und 1952) und der Schädigung durch Röntgenstrah- lung (1933-1936). Ihnen sind ungewöhnlich ausführliche Darstellungen der Erhaltungszustände und Dokumentationen der geleisteten Restaurierungen zu verdanken. Ab 1874 verpflichtet man Restauratoren der Gemäldegalerien in Berlin, Braunschweig und München für Restaurierungskampagnen. In den Jahren von 1883 bis 1915 sind Alois Hauser d. Ä. und Alois Hauser d. J., die in ihrer Zeit wohl angesehensten und meistbeschäftigten Gemäl- derestauratoren Deutschlands, in Kassel tätig. Zustands- und Restaurierungsberichte, wie sie Hauser d. Ä. z.B. für Werke der Alten Pinakothek München verfasst, liegen in Kassel nicht vor. Die wichtigsten Quellen der Kasseler Galerie sind Begutachtungsberichte, eine maltechnische Publikation von Hauser d. Ä., Anleitung zur Technik der Oelmalerei und ein Manuskript von Hauser d. J., Über die Restauration von Gemälden, das vermutlich für die Publikation vorge- sehen gewesen war.576 In den 1930er Jahren übernimmt u.a. Frida Schübeck, ehemals Restau- ratorin an der Alten Pinakothek München, bedeutende Restaurierungsaufträge. Sie verfasst die ersten eigenständigen Restaurierungsdokumentationen und gibt erstmals auch Auskunft über verwendete Materialien. Von 1932/1933 bis 1952/53 wird Joseph Leiß dauerhaft als Restaura- tor engagiert. Der restauratorische Werdegang von Leiß ist nahezu unbekannt. Seine Arbeit für die Kasseler Gemäldegalerie ist vor allem durch Rechnungsstellungen und Kurzberichte doku- mentiert. Die wenigen detaillierten Berichte sind Reaktionen auf Restaurierungsskandale um Kasseler Gemälde. Für die Nachkriegszeit prägend ist seine Nachfolgerin, Sylvie von Reden. Sie absolviert ihre restauratorische Ausbildung an der Alten Pinakothek München und ist in Kassel als wissenschaftliche Mitarbeiterin angestellt. Mit dem von ihr aufgebauten Restau-

576 Vgl. Hauser 1885; Mandt 1995. 408 rierungsarchiv werden die älteren schriftlichen Quellen systematisch erfasst sowie Befunde und Restaurierungsmaßnahmen vollständig dokumentiert. Die Kasseler Restaurierungsgeschichte ist durch vielfältige Einflüsse und einen damit verbun- denen Wissenstransfer geprägt. Primär bestehen Bezüge zu den Gemäldegalerien in Berlin und München. Hingegen hat sich in Kassel keine lokale Restaurierungstradition etabliert.

Erhaltungszustände und Schäden der Firnisse 1866 wird auf konservatorisch bedenkliche klimatische Verhältnisse in der 1750 fertig ge- stellten Gemäldegalerie des Schlosses Bellevue hingewiesen, die als mögliche Ursache von Fir- nistrübungen betrachtet werden können. Allerdings sind die Werke der Kasseler Gemälde- sammlung an verschiedenen und wechselnden Standorten präsentiert, so dass auch die konser- vatorischen Bedingungen unterschiedlich sind. Der erste Hinweis auf eine ausgeprägte Gilbung der Firnisse datiert in das Jahr 1867. Firnisgilbung und Trübung sind Hauptthemen der Begut- achtungen der Sammlung und einzelner Gemälde ab 1874. Erstmals 1874 wird auch die Bereibung von Malschichtoberflächen bei Firnisabnahmen früherer Restaurierungen betrachtet. Mit der Eröffnung der Königlichen Gemäldegalerie, der heutigen Neuen Galerie, im Jahr 1877 ändern sich auch die Präsentation und Aufbewahrung der Sammlung grundlegend. Bei einer Restaurierungskampagne 1883 werden erstmals die Mehrschichtigkeit der Firnisse als Folge wiederholten Überfirnissens sowie Firnisrisse benannt. Im 20. Jahrhundert stellt man mehrfach fest, dass Firnistrübungen an restaurierten Gemälden nach einiger Zeit wieder auftreten. 1929 wird in einer mikroskopischen Untersuchung die Migration von Farbe im Firnis beobachtet, aber als im Firnis eingebettete Lasuren der Malerei fehlgedeutet. In den Jahren von 1933 bis 1936 werden borkenartige Bildoberflächen erstmals thematisiert. Bei der Untersuchung ihrer Ursachen erkennt man sie auch in historischen Fotografien, die zum Teil schon in den 1880er Jahren aufgenommen worden waren. Die Migration von Farbe als Schadensphänomen wird erstmals 1948 erkannt, ebenfalls in einer Mikroskop-Untersuchung. Dies belegt auch die wesentlichen Erkenntnisgewinne durch die technische Entwicklung. Von Reden benennt erst- mals Originalfirnisse und stellt ihre Erhaltung innerhalb von mehrschichtigen Firnissen fest.

Restaurierungskampagnen oder individuelle Restaurierungen? Die Schäden und Veränderungen von Firnis und Malschicht an den Kasseler Gemälden erschei- nen bei normaler Betrachtung ähnlich. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass sie die Folge gleichartiger Restaurierungen sein können. Dafür ergeben sich in der vorliegenden Untersu- chung keine konkreten Hinweise, auch nicht bei Restaurierungskampagnen. 1817 firnisst

409 Robert zahlreiche Gemälde, vermutlich aber nicht den gesamten Bestand, sondern nur in den erforderlichen Fällen. Bei den Restaurierungen einer Reihe von Gemälden durch Hauser d. Ä. und d. J. bei einem mehrwöchigen Arbeitsaufenthalt in Kassel 1883 wird die individuelle Be- handlung als positiv hervorgehoben. In den Restaurierungsdokumentationen von Schübeck, Leiß und von Reden kommt eine differenzierte Arbeitsweise zum Ausdruck. Auch werden ver- schiedene Restaurierungsmaterialien verwendet.

Firnisaufträge und verwendete Firnisse Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts gibt es zu Firnisaufträgen weder Belege, noch konkrete Hinweise. Bei möglichen Restaurierungen von ausgewählten Gemälden 1807 in Paris am Louvre könnte, wiederum gestützt auf De Burtin, Mastix-Terpentinöl-Firnis verwendet worden sein. Robert bestellt 1814 Materialien, aus denen sich nach den geläufigen Rezepturen dieser Zeit unterschiedliche Firnisse herstellen ließen, Terpentinöl und Ethanol, Venezianer Terpen- tin, Mastix und Sandarak sowie Mohn-, Nuß- und Leinöl. Den ersten dokumentierten Firnisauf- trag nimmt Robert 1817 vor. Eine Bestellung 1825 belegt den Kauf eines bereits zubereiteten Firnisses aus Mastix in Terpentinöl. Auf die von Hauser d. Ä. und Hauser d. J. vermutlich ver- wendeten Firnisse gibt die Publikation von Hauser d. Ä. Auskunft, in welcher Mastix, Dammar und Copal als Harze sowie rektifiziertes Terpentinöl als Lösemittel empfohlen werden. In den 1920er Jahren verwendet Schübeck in einem Fall „englischen Kutschenlack“, einen ölhaltigen Kopallack. Weitere Beispiele für ölhaltige Gemäldefirnisse gibt es nicht. Doerner empfiehlt 1929 Mastix in Terpentinöl mit Zusatz von Rizinusöl, das einer Rissbildung des Firnisses vor- beugen soll. Leiß verwendet sowohl Mastix und Dammar als auch die Mischung von Mastix und Dammar, gelöst in Terpentinöl. Die Gründe für die wechselnden Firnisrezepturen bleiben unklar. Dammar als Firnismaterial in der Kasseler Restaurierungsgeschichte ist ab dieser Zeit erstmals belegt. Einige der von 1942 bis 1956 in Wien aufbewahrten Gemälde erhalten dort vermutlich einen Mastix-Terpentinölfirnis mit einem Zusatz von Bienenwachs. In den wenigen Angaben zum Firnismaterial nennt von Reden in den 1950er und 1960er Jahren Dammar und rektifiziertes Terpentinöl. Aufgrund der schriftlichen Quellen ist davon auszugehen, dass die von Restaurierungen stam- menden Firnisschichten überwiegend Mastix und Dammar enthalten. Konkrete Anhaltspunkte für eine zeitliche Einordnung der Firnisschichten auf der Grundlage von chemischen Material- analysen ergeben sich für Dammar und vor allem für Sandarak und Copal und für Firniszusätze wie Rizinusöl und Wachs. Hingegen gibt es keine Belege für Eiweißfirnisse. Auch Kunst- harzfirnisse, die nach Johann Koller und Ursula Baumer ab den 1950er und 1960er Jahren Ver-

410 wendung finden, sind in der Kasseler Gemälderestaurierung bis 1966 nicht in Gebrauch.577 Ein- ziges Lösemittel für Harzfirnisse ist Terpentinöl, wobei zum Teil auch auf den Qualitätsgrad eingegangen wird. Benzinlösemittel, die allgemein ab der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts als Lösemittel für Firnisse belegt sind, werden in Kassel ab den 1930er Jahren bestellt, aber ihre Verwendung für Firnislösungen ist nicht dokumentiert.578 Die Firnisrezepturen von Hauser d. Ä. und Doerner zeichnen sich aus heutiger Sicht durch eine hohe Konzentration aus. Erstmals belegt Schübeck einen dünnen Firnisauftrag bei der Restau- rierung eines Kasseler Gemäldes. Für Sylvie von Reden sind ebenfalls ein dünner Auftrag und die Vermeidung eines gesteigerten Glanzgrads Ziele ihrer Restaurierungen. Möglicherweise wendet sie eine etablierte Technik des Firnisspritzens an, bei welcher neu aufgetragene und zu stark glänzende Firnisse mattiert werden. Allerdings gibt es dazu keine schriftlichen Belege.

Firnisabnahmen, -dünnungen und -trennungen 1750 gibt es den ersten Hinweis auf eine Firnisabnahme durch van Freese. Rückschlüsse auf mögliche, aber nicht belegte Maßnahmen an Kasseler Gemälden in Paris 1807 erlaubt wieder- um die o.g. Publikation von De Burtin. Er nennt verschiedene Methoden der Firnisabnahme und Firnisdünnung, u.a. durch Mischungen von Alkohol und Terpentinöl und Abschleifen mit Firnispulver, sowie das Eingehen auf individuelle Gegebenheiten von Gemälden. Nichts hin- gegen ist über entsprechende Maßnahmen von Robert bekannt. Der „Restaurierungsskandal“ um Aubel bezieht sich auf vermeintlich ungerechtfertigte Firnisabnahmen, allerdings fehlen auch darüber konkrete Angaben. Bei den Berichten über die Restaurierungen von Hauser d. Ä. und Hauser d. J. 1883 wird das Belassen eines Restfirnisses und eine partielle Reduzierung des Firnisses positiv vermerkt. Alois Hauser d. J. nennt in seinem Manuskript Mischungen von Al- kohol, Terpentinöl und Leinöl als Mittel für die Firnisabnahme, die Mischung von Copaivabal- sam und Salmiak für die Abnahme von Ölfirnissen und Übermalungen. Doerner und Wehlte raten 1929 mit Blick auf die Kasseler Werke von Rembrandt von einer lösemittelgestützten Firnisabnahme ab und begründen dies mit dem ungleichmäßigen Löseverhalten des Firnisses und der Lösemittelempfindlichkeit der Malschicht. Doerner empfiehlt die mechanische Firnis- abnahme durch Abschleifen mit Mastixpulver. Jedoch wird an der Kasseler Galerie bis 1966 keine mechanische Firnisabnahme oder -dünnung vorgenommen. Aufschlussreich ist eine auf- wendige Firnisdünnung an einem Gemälde von Rembrandt im Jahr 1948 durch Leiß. Dabei erweisen sich wiederum ein Mikroskop und eine UV-Lampe als wesentliche technische Hilfs-

577 Vgl. Koller/Baumer 2000a, S. 537; Koller/Baumer 2000b; Koller/Baumer 2001a, S. 26-33. 578 Vgl. Koller/Baumer 2001b. 411 mittel. Leiß verwendet für die Firnisdünnung variierende Mischungen von Terpentinöl, Copa- ivabalsam, Alkohol und Aceton. Zahlreiche andere Lösemittel sind in seinen Bestellungen, aber nicht in der Anwendung belegt. Das Ergebnis der Firnisdünnung provoziert 1952 den öffent- lichen Vorwurf, man habe das Gemälde berieben. 1952 plädiert Lohe bei einer Begutachtung der Sammlung für eine Zurückhaltung bei der Entscheidung zu einer Firnisabnahme. Wie aus dem Restaurierungsarchiv zu entnehmen ist, stellt von Reden vielfach in den 1950er Jahren um- fassende Restaurierungen, darunter auch Firnisabnahmen, aus Zeitgründen zurück. Bei Restau- rierungen zielt sie auf die Bewahrung eines Restfirnisses und Originalfirnisses, eine ausglei- chende Dünnung und Trennung von Firnisschichten. Als Lösemittel verwendet von Reden vorwiegend Mischungen von Terpentinöl und Ethanol. Sie konzentriert sich in ihren Berichten auf die Konzeption und lässt Details der Durchführung oder Materialangaben meist im Un- gewissen.

Firnisregenerierungen Die Regenerierung von getrübten Firnissen wird erstmals 1874 empfohlen. Firnisregene- rierungen an benennbaren Gemälden führen erstmals 1883 Hauser d. Ä. und d. J. durch. Aus seinem Manuskript kann man schließen, dass Hauser d. J. die Alkoholbedampfung mit dem Pettenkofer-Kasten gegenüber dem Auftrag von Copaivabalsam deutlich bevorzugt. Aus seiner Restaurierungspraxis nennt er bei zu langer Alkoholbedampfung das Auftreten von Deforma- tionen und im Fall von „Ölfirnissen“ eine Riss- und Runzelbildung sowie Trübung. Offen bleibt aber, ob die Kasseler Gemälde zu den Fällen zählen, bei denen Hauser d. J. diese Schäden und Veränderungen beobachtet. Wie Helmut Hess und Petra Mandt darstellen, nehmen Kunst-Fotografen des 19. Jahrhunderts zum Zweck besserer Fotoaufnahmen zum Teil eigenmächtig Eingriffe an Gemälden vor, die man als Überzüge oder Regenerierungen betrachten muss.579 Fotografische Aufnahmen von Kasseler Gemälden finden vor 1867 und ab 1883 statt, über betreffende Eingriffe ist aber nichts bekannt. Wehlte und Doerner lehnen eine Alkoholbedampfung generell ab und empfehlen die Regene- rierung mit Copaivabalsam und verschiedenen Produkten auf der Basis von Copaivabalsam. Die ebenfalls empfohlene Nachreinigung mit Terpentinöl kann aus heutiger Sicht ein Anlösen und Ausschwemmen des regenerierten Firnisses entlang des Craqueles zur Folge haben. Leiß dokumentiert nur wenige Firnisregenerierungen. Die Anwendung von Copaivabalsam zur Fir- nis- und Malschichtregenerierung ist nur in drei Fällen belegt. Im Widerspruch dazu stehen die

579 Vgl. Hess 1999, S. 126ff.; Mandt 2005, S. 100. 412 mehrfachen Bestellungen und Beschaffungsanforderungen größerer Mengen von Copaiva- balsam in den 1930er und 1940er Jahren. Nur sehr vage Hinweise gibt es für umfangreichere Firnisregenerierungen mit Copaivabalsam im Zusammenhang mit der Deponierung der Kasseler Gemälde während des Zweiten Weltkriegs. Sylvie von Reden praktiziert die Firnis- regenerierung mit Copaivabalsam nicht. Zwei Fälle der Verwendung eines Pettenkofer-Kastens sind belegt. Vorwiegend wählt sie eine Politur mit einem trockenen Tuch oder Leder oder eine Politur mit Terpentinöl, seltener einen dünnen Firnisauftrag. Durch die Politur sind Abriebe an den vorhandenen Firnissen denkbar.

5.1.2 Grundlagen und Methoden der Objektuntersuchung

Schadensphänomene und Schadensmodelle der Lack- und Anstrichwissenschaften, Material- wissenschaften und Bruchmechanik Wesentliche Erkenntnisse zu den an den Kasseler Gemälden beobachteten Schäden und Verän- derungen, Deformationen, Rissbildung und Rissweitung, Schichtenauflösung und Migration, können aus der Literatur der Lack- und Anstrichwissenschaften, der Materialwissenschaften und Bruchmechanik gewonnen werden. Betrachtet werden vor allem physikalische Prozesse, wie sie bei der Trocknung von lösemittelhaltigen Firnissen oder bei der Quellung und dem Lösen von Farb- und Firnisschichten und der Wiederhärtung auftreten können. In der Phase der Trocknung und beginnenden Härtung kommt es in der aufgetragenen Firnislö- sung zu Strömungen. An Unregelmäßigkeiten des Untergrunds können sich lokale Strömungen bilden. Denkbar ist, dass diese lokalen Strömungen an bestehenden Rissen die Quellung und das Lösen beschleunigen. Im Ergebnis können flächige und auch lokale Deformationen ent- stehen. Ihre Stärke ist auch abhängig von der Verdunstungsgeschwindigkeit des Lösemittels. In Bezug auf Firnisse und restauratorische Eingriffe an Firnissen wäre beispielsweise bei Etha- nol eine stärkere Deformationen zu erwarten als bei Terpentinöl. Borkenartige Deformationen und Rissweitung sind als Folge einer leicht deformierbaren unte- ren und der höheren inneren Spannung einer oberen Schicht oder Schichtenebene erklärbar. Diese Eigenschaften können sowohl materialimmanent als auch durch äußere Einwirkung be- dingt und temporär sein. Unter der Einwirkung von Lösemitteln oder lösemittelhaltigen Stoffen können Firnisschichten in mehrschichtigen Firnissen und Zwischenfirnisse in Malschichten als solche leicht deformierbaren Schichten, sog. Gleitschichten, wirken.

413 Auf derselben Grundlage können auch Runzeln und wellige Deformationen erklärt werden. Die untere Schicht wird gelöst, die obere gequollen. Die durch die Quellung bedingte Ausdehnung der oberen Schicht führt zur Deformation, wiederum befördert durch die Wirkung der unteren Schicht als Gleitschicht. Bei der Wiederhärtung wird die Deformation manifestiert. Schließlich ist auch der Rissverlauf für die Untersuchung aufschlussreich. Risse breiten sich in der Fläche aus und nähern sich dabei gegenseitig oder den schon bestehenden Rissen an. Bei Zusammenschlüssen oder Anschlüssen findet im Regelfall eine gegenseitige oder einseitige Ablenkung statt. Auf dieser Grundlage lässt sich die Entwicklung von Rissanordnungen rekon- struieren. Überlagerungen und Parallelverläufe von Rissen, wie sie in den Fallstudien stellen- weise vorliegen, können hingegen als Hinweise darauf gewertet werden, dass diese Risse aus verschiedenen und voneinander unabhängigen Phasen stammen.

Benennung und Darstellung von Rissen In der vorliegenden Arbeit werden Begriffsklärungen versucht. Der Riss wird als Oberbegriff verwendet, der zum Teil geläufige Begriff Sprung ausgeklammert. Die als Fallstudien unter- suchten Gemälde weisen vielfach Firnis- und Malschichtrisse mit ungewöhnlichen Profilen und flächigen Anordnungen auf. Ihre Entstehung resultiert sowohl aus der Alterung als auch aus restauratorischen Eingriffen. Beispielsweise Firnisregenerierungen hatten das erklärte Ziel, Fir- nisrisse wieder zu schließen. Heute geschlossene Firnisrisse werden als ehemalige Firnisrisse benannt. Sie sind für die Betrachtung der vielfältigen Schichtenstörungen und des Lösever- haltens der Firnisse wesentlich. Im heutigen Zustand zeigen sich sowohl Verbindungen mit als auch getrennte Verläufe von Malschichtrissen, ehemaligen und aktuellen Firnisrissen. Darge- stellt werden diese Risse anhand der Einzelbetrachtung ihrer Elemente (Profil, Einzelriss und Rissanordnung in der Aufsicht) und ihrer Entwicklung (schmale und geweitete, ehemalige und aktuelle Risse). Diese Perspektive ermöglicht auch die Anknüpfung an die üblicherweise auf nur einen Schadensprozess oder ein Schadensereignis fokussierten Modelle der Rissbildung.

Mikroskop-Fotografie und grafische Strukturanalyse Die Mikroskop-Fotografie gliedert sich in Aufnahmen der Bildoberfläche und des Farb- und Firnisquerschliffs. Verschiedene Beleuchtungen und Aufnahmebedingungen zeigen unter- schiedliche Aspekte der Oberflächen, der Schichtenabfolge sowie der vielfältigen Schäden von Firnis und Malschicht. Die grafische Strukturanalyse verbindet zeichnerische Darstellung, Aus- wertung und Interpretation der Mikroskop-Fotografien. Ein wesentliches Element ist, dass Schäden und Veränderungen, Schichtenabfolgen und Schichtenstörungen, im Gesamtzusam-

414 menhang, in ausgewählten Zusammenhängen oder isoliert betrachtet werden können. In der Durchführung der Objektuntersuchung der Fallstudien erweist sich die grafische Strukturana- lyse als praktikabel und aussagekräftig.

Darstellung von Löseprozessen am Querschliff Die Entwicklung des Versuchsaufbaus, die experimentelle Durchführung und die Erprobung im Rahmen der Objektuntersuchung der Fallstudien sind Teil der vorliegenden Arbeit. Es wird unterschieden zwischen schneller und langsamer löslichen Schichten oder Bereichen der Fir- nisse und der teilweise in der Malschicht enthaltenen Zwischenfirnisse. Das Löseverhalten von Firnisschichten innerhalb mehrschichtiger Firnisse sowie von Zwischenfirnissen unter 5 µm Dicke kann dargestellt werden. Die Resultate werden fotografisch erfasst und in der grafischen Strukturanalyse ausgewertet und interpretiert. Die Untersuchung gliedert sich in zwei Frage- stellungen. Untersucht werden erstens die Möglichkeiten und Risiken einer lösemittelgestützten Firnisab- nahme, -dünnung oder -trennung. Als ein etabliertes und in der Kasseler Gemälderestaurierung vielfach verwendetes Lösemittel wird 2-Propanol ausgewählt. Zweitens wird ein modellhafter Rekonstruktionsversuch der Schadensentwicklung, der borken- artigen Deformationen des Firnisses und der Rissweitung der Malschicht, unternommen. Als Schadensursache wird ein restauratorischer Eingriff mit Lösemitteleinwirkung und als eine von mehreren Möglichkeiten die Alkoholbedampfung mithilfe eines Pettenkofer-Kastens zugrunde gelegt. Ethanol ist das Lösemittel für die Versuche am Querschliff. Untersucht wird, ob untere Firnisschichten und Zwischenfirnisse aufgrund einer schnelleren Löslichkeit als mögliche Gleitschichten die Deformationen und Rissweitung befördern konnten.

Bestimmung von Schlussfirnissen und zeitliche Einordnung von Firnisschichten Eine geläufige Methode der Bestimmung von Schlussfirnissen und zeitlichen Einordnung von Firnisschichten anhand der Schichtenkonstellation am Malschichtcraquelé ist in den vorlie- genden Fallstudien nicht anwendbar, weil die Schichtgrenzen dort meist gestört oder aufgelöst sind. Eine weitere Möglichkeit wird durch die Nutzung der Farbschichten von aufgemalten Nummern historischer Inventare als Leitschichten erschlossen. Die Nummern waren zwischen 1749 und 1841 aufgetragen worden. Teilweise lässt sich der Zeitpunkt oder Zeitraum ihres Auf- trags anhand der Sammlungsgeschichte und durch Schriftvergleiche bestimmen oder eingren- zen. An 240 Gemälden sind diese Nummern bis heute erhalten. Ihre Farbschichten sind zwi- schen Firnisschichten eingebettet. Eine unter der Inventarnummer liegende Firnisschicht kann

415 dann als Schlussfirnis betrachtet werden, wenn die Datierung des Gemäldes und der Zeitpunkt oder Zeitraum der Inventarisierung nahe beieinander liegen, wie z.B. in Fallstudie I. Auch die zeitliche Einordnung nachfolgender Firnisschichten ist für die Untersuchung relevant. Da die aufgemalten Inventarnummern bedeutende Primärdokumente sind, ist eine besondere Zurück- haltung bei Probeentnahmen erforderlich.

Bestandssichtung und Auswahl der Gemälde Die Sammlung der Gemäldegalerie Alte Meister zählt rund 1600 Werke. Erstmals im Rahmen dieser Arbeit wird eine Bestandssichtung hinsichtlich des Erhaltungszustands der Firnisse vor- genommen. 350 Werke weisen stark gegilbte Firnisse auf, 74 Gemälde stark gegilbte und zu- gleich ganzflächig oder in Teilen borkenartig deformierte Firnisse. Diese zweite Gruppe von 74 Gemälden wird in der vorliegenden Arbeit eingehender betrachtet. Im Verhältnis zur ge- samten Sammlung ist ihre Zahl gering, aber es befinden sich viele ausgestellte Gemälde und Hauptwerke der Sammlung darunter. Mehrheitlich handelt es sich um Erwerbungen im oder vor dem 18. Jahrhundert. Die Gilbung gibt Hinweise darauf, dass diese Gemälde historische Firnisschichten enthalten. Die schriftlichen Quellen der Restaurierungsgeschichte bis 1966 und die Dokumentationen nach 1966 stützen diese Annahme. Zudem weisen sie darauf hin, dass die historischen Firnisschichten vorwiegend aus der Zeit vor 1900 stammen. Die Möglichkeit der Erhaltung von Schlussfirnissen kann ebenfalls in Betracht gezogen werden. Die borkenartigen Deformationen lassen vermuten, dass Schäden und Veränderungen durch die Lösemittelein- wirkung historischer, vor 1966 vorgenommener Restaurierungen vorliegen. Aus der Reihe dieser 74 Gemälde werden vier Gemälde für eine eingehende Objektunter- suchung ausgewählt. Die Untersuchungen sind als Fallstudien konzipiert. Damit wird versucht, einerseits der Individualität der Gemälde hinsichtlich maltechnischem Aufbau und Erhaltungs- zustand und andererseits der langen gemeinsamen Restaurierungsgeschichte als Teil einer historischen Gemäldesammlung gleichermaßen Rechnung zu tragen. In Bezug darauf begrün- den sich die verschiedenen Kriterien ihrer Auswahl. Ein wesentlicher Bestandteil der Objektuntersuchung sind Zwischenfirnisse. Sie werden aller- dings erst während der Objektuntersuchung festgestellt und sind in der Bestandssichtung nicht zu erfassen.

416 5.1.3 Fallstudien

Die vier Fallstudien geben einen grundlegenden Einblick in die wesentlichen Schadensphäno- mene, ihre Ursachen und die Bedeutung für aktuelle und zukünftige Restaurierungen. Wesent- liche Gemeinsamkeit ist die Mehrschichtigkeit der Firnisse. Die Schäden und Veränderungen werden als Folge der Einwirkung von Lösemitteln im Rahmen historischer Restaurierungen be- trachtet.

Fallstudie I: Bartholomeus Frans Douven, Susanna und die beiden Alten, 1722 Die Malschicht enthält lokale Zwischenfirnisse. Reste eines vermutlichen Schlussfirnisses sind erhalten. Die Restaurierungsgeschichte des Gemäldes und der Sammlung ist von allen vier Fall- studien am engsten miteinander verbunden, dennoch ist keine Restaurierung schriftlich doku- mentiert. Stellenweise liegt eine starke Weitung der Malschichtrisse vor, die mit den lokalen Zwischenfirnissen in Verbindung gebracht wird. Der Firnis enthält neben dem vermutlichen Schlussfirnis ausschließlich historische Firnisschichten. Er ist dick und stark gegilbt sowie überwiegend borkenartig deformiert. In weniger deformierten Bereichen sind die Firnis- schichten zum Teil nicht besser erhalten, sondern weitgehend aufgelöst. Die Firnisschichten haben ein unterschiedliches Löseverhalten, wobei auch untere Schichten schneller löslich sind. Zudem sind die partiellen Zwischenfirnisse zum Teil schneller löslich.

Fallstudie II: Rembrandt, Die Heilige Familie mit dem Vorhang, 1646 Zu diesem Gemälde gibt es vergleichsweise viele schriftliche Quellen der Restaurierungs- geschichte. Reproduktionen historischer fotografische Aufnahmen werden als Bildquellen dazu genutzt, um Erhaltungszustände des Gemäldes zeitlich einzuordnen. Stellenweise ist die Mal- schichtoberfläche durch Quellungs- und Löseprozesse beschädigt, zudem ist eine Migration von Farbe feststellbar. Der Firnis ist besonders dick, stark gegilbt, überwiegend leicht und par- tiell etwas stärker getrübt sowie borkenartig deformiert. Er enthält die höchste Anzahl von Schichten der vier Fallstudien. Ob ein Schlussfirnis erhalten ist, bleibt offen. Im Querschliff er- kennt man gravierende Schichtenstörungen. Die Mehrheit der Firnisschichten ist historisch. Die Schichtenfolge ist nicht einheitlich. Vermutlich hatte man Teile des Bildes in unterschiedlicher Weise restauratorisch behandelt. Die wesentlichen Restaurierungen und Veränderungen finden vor dem ersten schriftlich dokumentierten Eingriff 1929 statt. Rekonstruiert wird, dass die erhebliche Dicke und borkenartige Deformation des Firnisses sowie die Migration von Farbe bereits vor den 1880er Jahren bestehen. Das Löseverhalten der Firnisschichten variiert, wobei

417 vorwiegend die unteren Firnisschichten schneller löslich sind. Die Objektuntersuchung gibt keine Hinweise darauf, dass man an dem Gemälde 1929 oder in den Folgejahren eine Firnisre- generierung mit Copaivabalsam oder mit Produkten auf der Basis von Copaivabalsam vorge- nommen hatte, so wie dies von Max Doerner im Rahmen seiner Begutachtung mit Kurt Wehlte 1929 empfohlen worden war.

Fallstudie III: Jacob Jordaens, Das Bohnenfest (Der König trinkt) Das großformatige Gemälde wird in seiner langen Entstehungsgeschichte mehrfach erweitert und grundlegend überarbeitet. Die Malschicht enthält lokale Zwischenfirnisse. Zur Restaurie- rungsgeschichte liegen nur wenige schriftliche Quellen vor. Die maßgeblichen Eingriffe, u.a. Firnisabnahmen, und die wesentlichen Schäden werden in die Zeit vor 1952 eingeordnet. Die Malschicht ist in den hellen Bildpartien stellenweise erheblich berieben. In weiten Bereichen sind die Malschichtrisse stark geweitet. Stellenweise lassen sich eine Migration von Farbe der bindemittelreichen Untermalung im Malschichtcraquelé und ihre Vermengung mit dem Firnis feststellen. Ein Schlussfirnis wird nicht identifiziert. Die vorhandenen Firnisschichten sind his- torisch. Der Firnis ist stark gegilbt und weist zudem borkenartigen Deformationen, feinste Run- zeln, die dem Firnis eine ungewöhnliche Mattigkeit verleihen, und partiell auffällige Firnisin- seln auf. Die Firnisinseln und Runzeln können Folge einer Lösemitteleinwirkung sein. Die Fir- nisschichten zeigen ein variierendes Löseverhalten. Die Zwischenfirnisse sind langsamer lös- lich. Parallel zu einer laufenden Untersuchung zur Restaurierbarkeit des Gemäldes werden Löseversuche an der Bildoberfläche vorgenommen.

Fallstudie IV: Melchior de Hondecoeter, Die weiße Henne mit Küchlein Das Gemälde gehört zu den späteren Erwerbungen der historischen Sammlung. Maltechnische Besonderheit und gleichzeitig Hauptursache einer gravierenden Restaurierungsproblematik ist ein großflächiges Pentiment in der linken Bildhälfte, ein Flamingo anstelle des heutigen Land- schaftsausblicks. In dem Bereich sind mehrere Zwischenfirnisse vorhanden. Die wesentlichen Eingriffe und Veränderungen finden vor der ersten schriftlich dokumentieren Restaurierung 1956 statt. Eine lokal stark ausgeprägte Weitung der Malschichtrisse steht im Zusammenhang mit den Zwischenfirnissen und einer bindemittelreichen Untermalung. Der Firnis ist stark ge- gilbt und partiell borkenartig deformiert. Die Oberfläche zeigt Spuren eines gespritzten, ver- mutlich mattierenden Firnisauftrags. Ungewöhnlich ist eine stellenweise Weitung der aktuellen Firnisrisse. Die Firnisschichten haben ein variierendes Löseverhalten. Im Bereich des Penti- ments ist die Malschicht außergewöhnlich lösemittelempfindlich und bereits durch Lösemittel-

418 einwirkung beschädigt. Die Untersuchung erfolgt im Rahmen einer 2006 begonnenen Restau- rierung. Sie ermöglicht die vergleichende Untersuchung der Firnisabnahme mit Lösemittel und der partiellen mechanischen Firnisdünnung durch Abschleifen mit Firnispulver.

Schlussfirnisse Die in Bezug auf den Sammlungsschwerpunkt der Kasseler Galerie und die als Fallstudien aus- gewählten Gemälde aufschlussreichen Arbeiten von Cornelia Peres und Maartje Stols-Witlox machen deutlich, dass die Rezepturen von Schlussfirnissen Alter Meister vielfältig sind und keine sicheren Rückschlüsse auf den Einzelfall erlauben.580 Mastix zählt zu den am weitesten verbreiteten Bestandteilen. Als ein wesentliches Merkmal wird ein dünner Auftrag festge- stellt.581 Ein von Brammer identifizierter Schlussfirnis auf dem Gemälde Bildnis eines ste- henden Herrn in der Haustüre von Rembrandt hat eine Dicke von umgerechnet 3 µm. Rekonst- ruierte Firnisaufstriche nach historischen Rezepturen von Carlyle u. a. sind etwas dicker, bei- spielsweise haben einschichtige Mastix-Firnisse eine Dicke von 5 bis 15 µm.582 Bei dem in Fallstudie I festgestellten Schlussfirnis handelt es sich um den Firnisauftrag eines deutschen, an der niederländischen Malerei orientierten Künstlers aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhun- derts. Er ist wie in der Fallstudie Brammers nicht in seinem Originalzustand erhalten, sondern im Zuge von Restaurierungen von Firnisschichten überdeckt. Seine in der Objektuntersuchung bestimmbaren Merkmale sind eine Dicke von bis zu 5 µm, eine helle UV-Fluoreszenz und eine schnellere Löslichkeit in den Löseversuchen am Querschliff. In den weiteren Fallstudien kann kein Schlussfirnis identifiziert werden.

Zwischenfirnisse Zwischenfirnisse sind nach Manfred Koller, Cornelia Peres, Wolf E. Straub, Mechthild Most und Eva Wenders de Calisse in den schriftlichen Quellen des 17. und 18. Jahrhunderts belegt.583 Die Quellen nennen trocknendes Öl, Öl-Harzfirnisse, Harz-Essenzfirnisse und Eiweißfirnisse. In den Fallstudien I, III und IV werden Zwischenfirnisse festgestellt. Ein wesentliches Merkmal ist ihr partieller Auftrag, der in den Fallstudien I und IV gesichert ist und in Fallstudie III als sehr wahrscheinlich betrachtet wird. Die Querschliffuntersuchungen zeigen ein- und zwei- schichtige Zwischenfirnisse sowie verschiedene Schichtenabfolgen, einen einmaligen und

580 Vgl. Peres 1988, S. 283f.; Stols-Witlox 2001, 243-250, 252ff. 581 Vgl. Brammer 1999, S. 174ff.; Stols-Witlox 2001, S. 253; Wetering 2007, S. 11. 582 Vgl. Brammer 1999, S. 175f.; Carlyle u. a. 1999, S. 110-113. 583 Vgl. Straub 1987, Sp. 1402f.; Koller 1984, S. 375f; Peres 1988, S. 283; Most 2011, S. 101, 104; Wenders de Calisse 2011, S. 76f. 419 mehrmaligen Auftrag im Wechsel mit Farbschichten. Überwiegend beträgt die Dicke der ein- zelnen Schichten bis zu 10 µm. Die mit bis zu 20 µm höchste Dicke weist eine Schicht in Fall- studie IV auf. In den Proben der Fallstudien I und IV weichen sowohl die UV-Fluoreszenz als auch das Löseverhalten in den Versuchen am Querschliff von Proben verschiedener Bereiche der Gemälde voneinander ab. Dies deutet darauf hin, dass Douven und Hondecoeter während des Malprozesses verschiedene Firnismaterialien verwendet hatten. In Fallstudie III variiert die UV-Fluoreszenz, nicht aber das Löseverhalten der Zwischenfirnisse.

Dicke und mehrschichtige Firnisse Zur Einordnung und Interpretation der Ergebnisse in den Fallstudien sind die o.g. Arbeiten von Brammer und Carlyle u. a. wesentlich.584 Der von Brammer untersuchte Firnis des Gemäldes Bildnis eines stehenden Herrn in der Haustüre von Rembrandt ist umgerechnet 140 µm dick und enthält acht Firnisschichten. Die dünnsten Firnisschichten, neben dem Schlussfirnis auch weitere Schichten, messen umgerechnet 3 µm und sind dünner als die von Carlyle u. a. ermit- telten Schichtdicken u.a. eines rekonstruierten Mastixfirnisses von 5 bis 15 µm. Die Dicke des Firnisses in Fallstudie I beträgt 20 bis 80 µm, in Fallstudie II 50 bis 150 µm, in Fallstudie III 15 bis 65 µm und in Fallstudie IV 5 bis 40 µm. Die Werte zeigen auch, dass die Firnisdicke zwischen den untersuchten Bereichen der Gemälde erheblich variiert. Die Firnisse sind in allen Fallstudien mehrschichtig. In Fallstudie I enthält der Firnis zwei bis sechs Firnisschichten, in Fallstudie II sind es zwei bis neun Schichten, in Fallstudie III drei bis sechs und in Fallstudie IV zwei bis vier Schichten. Die unterschiedliche Zahl von Schichten in den verschiedenen Proben eines Gemäldes ist ein weiteres wesentliches Ergebnis der Untersu- chung. Überraschender Weise wird dies auch bei Proben von einer gemeinsamen Entnahme- stelle und sogar bei verschiedenen Anschliffen einer einzigen Probe beobachtet. Die Dicke der Firnisschichten variiert erheblich. Bis zu 5 µm dicke Firnisschichten sind in den meisten Proben der Fallstudien I und II sowie in allen Proben der Fallstudien III und IV enthal- ten. Mehrheitlich haben die Firnisschichten aller Fallstudien eine Dicke von bis zu 10 µm, weit überwiegend eine Dicke von bis zu 15 µm. In den Fallstudien I und II messen die dicksten Fir- nisschichten über 40 µm, in Fallstudie III zwischen 25 und 30 µm und in Fallstudie IV zwischen 15 und 20 µm. Die abweichende Anzahl und variierende Dicke von Firnisschichten in verschie- denen Bildbereichen kann verschiedene Ursachen haben. In Fallstudie II wird von partiellen Firnisdünnungen, -abnahmen und -aufträgen ausgegangen. Vielfach liegt aber die Vermutung

584 Vgl. Brammer 1999, S. 175, Carlyle u. a. 1999, S. 110-113. Brammer gibt “0,14 mm” und “etwa 0,003 mm” an. 420 nahe, dass infolge von Lösemitteleinwirkungen bei restauratorischen Eingriffen zwei oder meh- rere Firnisschichten zu einer gemeinsamen Schicht verbunden sind. Unter Berücksichtigung der vielfachen Unterschiede zwischen den vier Fallstudien lässt sich die Tendenz erkennen, dass dünnere Firnisschichten in der oberen und teilweise auch in der unteren Ebene der mehr- schichtigen Firnisse liegen, die dickeren Firnisschichten in der mittleren und teilweise in der unteren Ebene. Typische Schadensphänomene dicker Firnisaufträge sind Läufer und Girlanden, wie sie in den Fallstudien I und II eingehender betrachtet werden. Sie können aber auch bei dicken und durch übermäßige Regenerierung gelösten Firnissen entstehen.

Historische und neuere Firnisschichten, Schichten und Schichtenfolgen der Firnisse Ausgehend von den unterschiedlichen Abfolgen der Firnisschichten in den Proben eines Ge- mäldes wird die Rekonstruktion von Schichtenfolgen versucht. Schichtenfolgen können eine oder mehrere Firnisschichten beinhalten und sie können in einzelnen Proben nicht vorhanden sein. Kriterien für die Zuordnung und Unterscheidung sind die UV-Fluoreszenz, die Schicht- dicke und der Erhaltungszustand der Schichtgrenzen. Schichten mit auffälliger UV-Fluoreszenz und die im Firnis eingebettete Farbschicht der historischen Inventarnummern, soweit vorhan- den, werden als Leitschichten genutzt. Fallstudie I: Die von Restaurierungen stammenden Firnisschichten sind in der weiten Zeitspan- ne nach 1749 bis vor 1952/1953, dem Beginn der vollständigen Dokumentation restaurato- rischer Maßnahmen, aufgetragen. Es handelt sich damit sämtlich um historische Firnisschich- ten. Vier Schichtenfolgen werden rekonstruiert, wobei Schichtenfolge 1 auch den Schlussfirnis enthält. Fallstudie II: Die bei Restaurierungen aufgetragenen Firnisschichten stammen mehrheitlich aus der Zeit bis einschließlich 1929 und sind historisch, die oberste Schicht ist eine neuere Firnis- schicht aus dem Jahr 1980. Die Rekonstruktion ergibt vier Schichtenfolgen. Dabei gelten die Schichtenfolgen 1 bis 3 für Teilbereiche des Gemäldes, die Bildmitte einerseits und den gemal- ten Rahmen andererseits, Schichtenfolge 4 gilt für die gesamte Bildfläche. Die Schichtenfolge 3 des gemalten Rahmens kann zeitlich zwischen 1749 oder 1816 und den 1880er Jahren einge- ordnet werden. Schichtenfolge 4 wird den schriftlich dokumentierten Firnisaufträgen von 1929 und 1980 zugeordnet. Fallstudie III: Die Firnisaufträge von Restaurierungen dieses Gemäldes sind sämtlich histo- risch. Fünf Schichtenfolgen werden rekonstruiert. Die Schichtenfolgen 1 bis 3 lassen sich in die Zeit vor 1749 oder 1816 einordnen, Schichtenfolgen 4 und 5 in die Zeit zwischen 1749 oder

421 1816 bis vor 1953. Die erste schriftlich dokumentierte Restaurierung mit einem Eingriff am Firnis datiert in das Jahr 1953, jedoch bleibt ungeklärt, ob sie mit einem Firnisauftrag verbunden ist. Fallstudie IV: Aus den ebenfalls sämtlich historische Firnisschichten werden zwei Schich- tenfolgen rekonstruiert. Schichtenfolge 1 wird in den weiten Zeitraum bis 1956 eingeordnet, Schichtenfolge 2 der ersten dokumentierten Restaurierung 1956 zugerechnet. Die Firnisse der vier Fallstudien enthalten mit weit überwiegender Mehrheit historische Firnis- schichten. Die Schichtenabfolgen und rekonstruierten Schichtenfolgen werden als individuell betrachtet. Die Frage nach gleichartigen Firnisaufträgen im Zuge von Restaurierungskampag- nen innerhalb der mehrschichtigen Firnisse kann anhand der Fallstudien nicht beantwortet wer- den.

Firnisgilbung Bei mehrschichtigen Firnissen besteht die grundsätzlich Möglichkeit, dass sich die Gilbung auf obere Schichten oder Schichtenebenen konzentriert und durch eine Firnisdünnung oder -tren- nung ausreichend verringert werden kann. Die Untersuchung der Querschliffe im Durchlicht zeigt aber überwiegend nur geringe Unterschiede in der Gilbung der Firnisschichten. Auch die unteren Firnisschichten sind gegilbt.

Malschichtrisse Die Malschichtrisse werden in die Untersuchungen einbezogen, weil sie im engen Zusammen- hang mit den ehemaligen und aktuellen Firnisrissen und den Firnisdeformationen stehen. Es wird zwischen schmalen und oberflächlichen Rissen der Malschicht mit einer Breite von bis zu 0,02 mm und geweiteten und tiefen Rissen mit einer Breite ab 0,03 mm unterschieden. Daneben sind auch Zwischenformen, schmale und tiefe oder geweitete und oberflächliche Risse, nach- gewiesen. Die maximale Breite eines Malschichtrisses von 0,20 mm liegt in Fallstudie III vor. Vielfach sind die Rissprofile v-förmig, vor allem auch bei den schmalen und oberflächlichen Rissen. Stärker geweitete Risse haben zum Teil ein Profil, das nach Heinz Klopfer als Rand- flucht unten bezeichnet wird. Auf der Grundlage der Arbeiten von Heinz Klopfer und A. V. Blom wird dargestellt, dass bindemittelreiche Untermalungen und Zwischenfirnisse in Ver- bindung mit Lösemitteleinwirkung als Gleitschicht wirken und diese Rissbildung befördern können.585 In Fallstudie I deuten Abschabungen am Bildrand und dadurch entstandene Risse auf einen weichen und leichter deformierbaren Zustand der Malschicht und letztlich ebenfalls

585 Vgl. Blom 1954, S. 80, Bild 31; Klopfer 1976, S. 141ff., Abb. 3.7.3, S. 143. 422 auf eine Lösemitteleinwirkung hin. In den Fallstudien II bis IV ist in einigen Rissbereichen eine Migration von Farbe und Vermischung mit dem Firnis zu beobachten. Die Einzelrisse sind vorwiegend zügig und glatt sowie ein- und mehrfach gebogen. Vielfach variiert die Breite im Rissverlauf. Meist sind die Risse in einem teilweise bis weitgehend geschlossenen Netz- craquelé, in den Fallstudien I und II stellenweise auch in der Verbindung des Netzcraquelés mit einem Parallel- oder Gittercraquelé angeordnet. Einige wenige Malschichtrisse liegen isoliert in der Fläche. Stellenweise überlagern sich die Malschichtrisse oder verlaufen parallel. Wie der Vergleich mit der Darstellung der Mechanismen und Formen der Rissbildung von P. de Willigen verdeutlicht, weist dies in den Fallstudien auf eine Zäsur der Rissentwicklung hin.586 Diese Zäsur wird auf einen auch den Firnis betreffenden, restauratorischen Eingriff zurückgeführt, bei dem die Mal- schichtrisse mit Firnis geschlossen werden, entweder durch einen Neufirnis oder durch ein Verfließen des Firnisses bei einer Lösemitteleinwirkung.

Ehemalige Firnisrisse und borkenartige Firnisdeformationen Die Betrachtung ehemaliger Firnisrisse ist grundlegend für das Verständnis der heutigen Erhal- tungszustände der Firnisse. Die Rissformen sind vielfältig und reichen von einer vollständigen Nivellierung der Firnisoberfläche bis zu stark profilierten Vertiefungen, aus denen sich die borkenartigen Firnisdeformationen ergeben. Darstellbar sind sie in der Aufsicht oder am Quer- schliff sowie anhand von Schichtenstörungen und der Verbindung mit Malschichtrissen. Die Schließung der Firnisrisse hat verschiedene Ursachen, das mehrfache Überfirnissen, das Verfließen durch Löseprozesse und die Migration von Firnis in den Fallstudien I und II oder eines Zwischenfirnisses in Fallstudie IV. Die Untersuchungen bestätigen die Forschungen von Brammer hinsichtlich der Firnismigration.587 Die den borkenartigen Firnisdeformationen zugrunde liegenden, vertieften ehemaligen Firnis- risse werden neben ihren Profilen auch in ihrer Breite und Tiefe beschrieben. Ihre Breite variiert, abhängig von den Profilen, erheblich. Sie beträgt in Fallstudie I 0,01 bis 0,7 mm, in Fallstudie II 0,01 bis 0,6 mm, in Fallstudie III 0,02 bis 0,4 mm und in Fallstudie IV 0,01 bis 0,5 mm. Ihre Tiefe reicht mehrheitlich von einem Drittel bis über die gesamte Dicke des Firnisses. Einen Einfluss hat auch die unterschiedliche Firnisdicke der Gemälde und der verschiedenen Bereiche innerhalb der Gemälde. Die Wahrnehmbarkeit der Deformationen wird wesentlich vom Glanzgrad der Firnisse beeinflusst. Deutlicher sind sie z.B. bei dem stark glänzenden Firnis

586 Vgl. Willigen 1999, S. 22. 587 Vgl. Brammer 1987, S. 103f., Abb. 15. 423 der Fallstudie I, kaum wahrnehmbar in den matten Firnisbereichen der Fallstudie III. In den ausgeprägten Profilen sind auch Kanten oder Ränder von Rissen vorhanden. Ihre in den Fall- studien variierende Breite reicht von mehrheitlich 0,02 bis 0,10 mm. Für die Profile ehemaliger Firnisrisse gibt es in der Literatur keine Vergleichsbeispiele. Betrachtet man Elemente der Pro- file isoliert, so lassen sich Gemeinsamkeiten mit den modellhaften Profilen der Arbeiten von M. N. M. Boers, Heinz Klopfer und George L. Stout feststellen.588 Die Einzelrisse sind überwiegend zügig und glatt, ein- und mehrfach gebogen. Die Rissbreite variiert. In den Fallstudien III und IV finden in den Einzelrissen vielfach Übergänge von Ab- schnitten unterschiedlicher Profile statt. Die Rissanordnung ist durch eine überwiegende Ver- bindung mit den Malschichtrissen geprägt. Demnach überwiegt ein teilweise bis weitgehend geschlossenes Netzcraquelé. Zum Teil liegt auch eine Verbindung von Netz-, Parallel- und Gittercraquelé vor und einzelne Risse liegen isoliert in der Fläche. Die Entwicklung der ehemaligen Firnisrisse wird in modellhaften Rekonstruktionsversuchen nachgezeichnet. Wesentliche Aspekte sind eine Lösemitteleinwirkung, die Mehrschichtigkeit des Firnisses und ein variierendes Löseverhalten von Firnisschichten oder Ebenen des Firnisses, das in ebenfalls modellhaften Versuchen am Querschliff dargestellt wird. Untere und schneller lösliche Firnisschichten und Schichtenebenen können als Gleitschichten Deformationen be- wirken. Vermutet wird, dass die Deformationen des Firnisses sowie die Bildung und Weitung der Mal- schichtrisse in verschiedenen Phasen parallel und oder voneinander unabhängig verlaufen. Es wird von einer gleichzeitigen Quellung, Wiederhärtung und Rissbildung auf unterschiedlichen Ebenen ausgegangen. Hinweise auf einen Zusammenhang von Lösemittelquellung und Rissbil- dung geben die Arbeiten von D. Wapler, J. Sickfeld und Robert L. Feller.589 Die in den Profilen von ehemaligen Firnisrissen enthaltenen Kanten und Ränder sind nicht Reste der ursprüng- lichen Firnisrisse, sondern entstehen im Zuge der Firnisdeformationen. Das Fehlen von Firnis- deformationen ist einerseits ein Hinweis auf eine bessere Erhaltung, anderseits aber auch auf eine stärkere Lösemitteleinwirkung und weitgehendere Auflösung der Schichten, wie im Fall der lokalen Firnisregenerierung von Fallstudie I.

588 Vgl. Boers 1959, S. 6, Abb. 2a-c; Klopfer 1976, S. 143, Abb. 3.7.3; Stout 1977, S. 119. 589 Vgl. Wapler 1950, S. 442, 444; Sickfeld 1977, S. 121; Feller 1981, S. 81/16/1-3. 424 Aktuelle Firnisrisse Die aktuellen Firnisrisse repräsentieren ein jüngeres Kapitel der Schadensgeschichte der Ge- mälde als die ehemaligen Firnisrisse und die Firnisdeformationen. Ausnahmen sind Rissab- schnitte in Fallstudie II, die in der Phase der Bildung ehemaliger Firnisrisse nicht geschlossen worden waren. Die aktuellen Firnisrisse weisen überwiegend Risskanten auf. Vereinzelte Rissränder deuten auf eine Abrundung durch eine geringfügige Lösemitteleinwirkung bei res- tauratorischen Eingriffen hin. In Fallstudie I sind die Risse bis zu 0,01 mm breit, während in den Fallstudien II bis IV zwischen schmalen (Breite bis 0,01 mm) und geweiteten (Breite ab 0,02 mm) aktuellen Firnisrissen unter- schieden wird. Ihre Rissbreite erreicht in wenigen Fällen 0,03 mm, in seltenen Fällen 0,05 mm. Sonderfälle sind vereinzelte Risse im Bereich der Firnisinseln von Fallstudie III, deren Profil nach Klopfer als Randflucht oben bezeichnet wird, sowie Rissabschnitte in Fallstudie II, deren Profil auch die weite Vertiefung des Rissumfelds beinhaltet.590 Wie die grafische Strukturanalyse verdeutlicht, sind die aktuellen Firnisrisse zum Teil mit den Malschichtrissen und den ehemaligen Firnisrissen verbunden und bilden mit diesen gemein- same, kombinierte Profile, zum anderen Teil verlaufen sie davon unabhängig und haben dabei auch abweichende Formen der Einzelrisse und Rissanordnungen. Mehrheitlich bilden die aktu- ellen Firnisrisse ein teilweise bis weitgehend geschlossenes Netzcraquelé. Da bei den Probe- entnahmen festgestellt wird, dass die Firnisse hart und spröde sind, muss mit einer Ausbreitung von Rissen ohne Zusammenschluss gerechnet werden. Die Firnisse sind deshalb als besonders empfindlich gegenüber mechanischen und klimatischen Einflüssen zu betrachten.

Runzeln Feinteilige Runzeln sind die Ursache einer in Fallstudie III untersuchten Mattigkeit des Fir- nisses. Ihre Einzelformen haben eine Breite von 0,02 bis 0,04 mm. Die besonders matten Be- reiche zeichnen sich durch eine dichte Anordnung der Runzeln aus. Sicherlich handelt es sich nicht um eine gezielte Mattierung. In den Querschliffen lassen sich die Runzeln und die zu- grunde liegenden Schichtenstörungen nicht eindeutig darstellen. Runzeln werden üblicherwei- se mit trocknenden Ölen in Verbindung gebracht und als maltechnisch bedingt angesehen. Auf der Grundlage der Fallbeispiele industrieller Lackierungen von Peter van den Kerkhoff und Helmut Haagen können sie aber als Folge von Quellungs- und Löseprozessen in mehr-

590 Vgl. Klopfer 1976, S. 143, Abb. 3.7.3. 425 schichtigen Firnissen erklärt werden.591 Damit ist auch eine Entstehung durch einen restau- ratorischen Eingriff mit Lösemittelanwendung denkbar.

Firnisinseln Ebenfalls in Fallstudie III liegen in einem Teilbereich Firnisinseln vor. Es sind die auffälligsten Schadensformen der vorliegenden Arbeit und sie sind bereits mit bloßem Auge in ihren Einzel- formen erkennbar. Äußerlich bestehen Ähnlichkeiten mit einer von Knut Nicolaus dargestellten Benetzungsstörung eines neu aufgetragenen Firnisses.592 Im vorliegenden Fall entwickeln sich die Firnisinseln aus dem bestehenden mehrschichtigen Firnis. Als Ursache werden wiederum Quellungs- und Löseprozesse im Zuge eines restauratorischen Eingriffs vermutet. Die Rand- bereiche und das nicht betroffenen Umfeld zeigen, dass der Schadensprozess in einer fortschrei- tenden Weitung der bereits geweiteten, ehemaligen Firnisrisse seinen Anfang nimmt. Unregel- mäßige Konturen der Firnisinseln deuten auf einen ehemals verflüssigten Zustand hin, während in den Querschliffen noch Schichtgrenzen im Firnis erkennbar sind.

Mattierung An der Firnisoberfläche werden in Fallstudie IV feinste Erhebungen mit einem Durchmesser von 0,02 bis 0,2 mm festgestellt. Vermutlich handelt es sich um Tropfen eines als Spritznebel aufgetragenen Firnisses. Im industriellen Bereich gelten derartige Tropfen als Lackierungs- fehler, wie van den Kerkhoff an einem Schadensbeispiel illustriert.593 Hingegen beschreibt Kurt Wehlte den vernebelten Firnisauftrag mit einer Spritzanlage als geläufige Praxis in der Gemäl- derestaurierung, um den Glanz neu aufgetragener Firnisse zu reduzieren.594 Die Firnistropfen sind in der Fallstudie nur in der Aufsicht, nicht aber im Querschliff darstellbar.

Schichtenstörungen im Querschliff Alle untersuchten Querschliffe weisen erhebliche und vielfältige Schichtenstörungen auf. Be- merkenswert ist, dass diese Schichtenstörungen innerhalb der Querschliffe in ihrer Stärke vari- ieren und teilweise aneinander anschließen oder sich überlagern. Die üblicherweise klaren Schichtgrenzen zwischen aufeinander folgenden Firnisschichten er- weisen sich mehrheitlich als angelöst oder partiell aufgelöst. Zum Teil wechseln sich in ihrem Verlauf aufgelöste, angelöste und klare Bereiche ab. Im Bereich der ehemaligen Firnisrisse sind

591 Vgl. Kerkhoff/Haagen 1995, S. 219, Bild 219.2. 592 Vgl. Nicolaus 1998, S. 215f., Abbildung „ganz links oben“. 593 Vgl. Kerkhoff 1996, S. 48f., Abb. 49/1, 49/2, S. 49. 594 Vgl. Wehlte 1967, S. 680. 426 die Schichtgrenzen vielfach stärker angelöst und weiter aufgelöst. In den Fallstudien I, II und IV wird vereinzelt auch ein Anlösen der Malschichtoberfläche festgestellt. Die Schadensphäno- mene lassen auf eine Migration von Firnisbestandteilen und Bindemittelbestandteilen der Farb- schichten sowie auf eine Veränderung der chemischen Zusammensetzung der Schichten schließen. Die Annahme stützt sich auf Grundlagenforschungen von David Erhard und Jia-Sun Tsang, Gisela A. van der Doelen, Kenneth Sutherland sowie von David Erhard, Charles S. Tumosa und Marion Mecklenburg.595 Anhand der Querschliffuntersuchung von Proben der Fallstudie I wird die horizontale Verschie- bung innerhalb des mehrschichtigen Firnisses dargestellt, welche den vertieften ehemaligen Fir- nisrissen und damit letztlich den borkenartigen Firnisdeformationen zugrunde liegt. Im Firnis eingeschlossene Ränder ehemaliger Firnisrisse verlaufen durch diese Verschiebung diagonal. Diese Entwicklung wird auch in den modellhaften Rekonstruktionsversuchen der Schadensent- wicklung nachgezeichnet. Proben der Fallstudien I bis III zeigen innerhalb des Firnisses wellige Deformationen. Sie sind vergleichbar mit Deformationen, die Brammer an dicken und mehrschichtigen Firnissen darstellt.596 Stellenweise haben die wellenartigen Deformationen eine Orientierung von den Rissbereichen hin zur Schollenmitte. In einigen Proben sind sie so stark ausgeprägt, dass sie die Schichtenabfolge umkehren. Bemerkenswerterweise beeinflussen die welligen Deforma- tionen die Firnisoberfläche nicht, obwohl sie stellenweise sehr nahe heranreichen. Verschie- dene Schadensursachen und -einflüsse sind möglich. Ähnlich wie bei den o.g. Runzeln an der Firnisoberfläche kann es sich um quellungsbedingte Deformationen handeln.597 Die Orientie- rung der wellenartigen Deformationen im Rissbereich deutet auf lokale Strömungen in der Firnisschicht hin, wie sie E. Babel an Vertiefungen des Untergrunds beobachtet.598 Die mehr- fache wellenartige Überlagerung von Firnisschichten geht möglicherweise auf eine äußere mechanischen Einwirkung auf einen erweichten Firnis zurück, beispielsweise auf das Ver- treiben eines Firnisauftrags mit dem Pinsel oder eine Firnispolitur.

Schadensursachen und komplexe Schadensprozesse Grundlegend für die Betrachtung des heutigen Erhaltungszustands ist, dass die Gemälde in ihrer Geschichte mehrfache Restaurierungen erfahren. Es kann sich bei den Eingriffen um eine Ab- nahme oder Dünnung von Firnisschichten, um Firnisaufträge und Firnisregenerierungen mit

595 Vgl. Erhard/Tsang 1999; Doelen 1999, S. 72f.; Sutherland 2000; Erhard/Tumosa/Mecklenburg 2005. 596 Vgl. Brammer 1999, S. 175ff., Abb. 3, 4, S. 175, Abb. 7, S. 177. 597 Vgl. Kerkhoff/Haagen 1995, S. 218-221, Bild 221.3, Bild 221.4, S. 221. 598 Vgl. Babel 1974, S. 695; Abb. 8a. 427 Lösemitteln oder lösemittelhaltigen Rezepturen handeln. Die im Zuge der Restaurierungen an- wachsenden, mehrschichtigen Firnisse und die Malschichten, die zum Teil Zwischenfirnisse enthalten, sind so tiefreichenden Lösemitteleinwirkungen ausgesetzt. Man kann bei den ein- zelnen Firnisschichten von einem unterschiedlichen Quellungs- und Löseverhalten ausgehen, auch wenn diese Unterschiede minimal sind. Die alterungsbedingte chemische Degradation, die Migration von Bindemittel- und Firnisbestandteilen und die Rissbildung der Firnisse haben auch Auswirkung auf das Löseverhalten. Quellung und partielles Lösen mehrschichtiger Fir- nisse und Malschichten sowie die anschließende Härtung und Trocknung beeinflussen und ver- ändern das sukzessiv entstandene Schichtengefüge. Diese Eingriffe bedeuten ihrerseits Zäsuren im Alterungsprozess. Firnisrisse und -deformationen entstehen, verstärken und breiten sich aus, andererseits ist auch eine Rückbildung möglich. In kleinsten Dimensionen verlaufen diese Ent- wicklungen verschieden, wobei sich die Veränderungen auf die Rissbereiche konzentrieren.

428 5.1.4 Restaurierungsproblematik

Ziele einer möglichen Restaurierung können die Freilegung eines Schlussfirnisses, die Schich- tentrennung eines mehrschichtigen Firnisses, die Firnisdünnung oder die Firnisabnahme sein. Die Untersuchung in den Fallstudien zeigen beispielhaft, ob diese Ziele in der Praxis erreichbar sind. Die in der vorliegenden Arbeit entwickelten Grundlagen und Methoden der Objektunter- suchung ermöglichen eine Dokumentation und objektive Beurteilung von Proben und durchge- führten Maßnahmen im Vergleich mit dem Vorzustand. Exemplarisch werden die Möglichkei- ten und Grenzen einer lösemittelbasierte Firnisabnahme, -dünnung oder -trennung mit 2-Propa- nol und einer mechanischen Firnisdünnung sowie ihre grundlegenden Wirkungen dargestellt. Die vielfältigen Möglichkeiten der Verlangsamung und Beschleunigung von Löseprozessen sowie das weite Feld alternativer Methoden und Techniken der Abnahme, Dünnung und Tren- nung von Firnissen sind in dieser Arbeit ausgeklammert.

Lösemittelbasierte Firnisabnahme, -dünnung oder -trennung Die überwiegend angelösten und partiell aufgelösten Schichtgrenzen lassen eine Firnistrennung und eine Freilegung des in Fallstudie I bestimmten, in Resten erhaltenen Schlussfirnisses nicht zu. Eine Firnisdünnung erscheint hingegen nicht generell ausgeschlossen. Sie wird aber, ebenso wie eine Firnisabnahme, durch die vielfältigen Schichtenstörungen erschwert. Problematisch ist die variierende Schichtdicke des Firnisses entlang vertiefter ehemaliger Firnisrisse. Als Lösemittel wird 2-Propanol verwendet. Modellhafte Versuche zur der Darstellung des Löseprozesses am Querschliff werden in allen Fallstudien durchgeführt und in den Fallstudien III und IV mit Löseversuchen an der Bildoberfläche verglichen. Am Querschliff wird sichtbar, dass ein Teil der Zwischenfirnisse in den Fallstudien I und IV zu den schneller löslichen Schichten gehört. Die Firnisse haben in allen Fallstudien ein differie- rendes Löseverhalten. Langsamer und schneller lösliche Bereiche decken sich teilweise oder vollständig mit einzelnen Firnisschichten und Schichtenfolgen des Firnisses oder den Rissbe- reichen von Firnis und Malschicht. Entscheidend ist, dass in der Mehrheit der Proben Schichten in der unteren Ebene des Firnisses, darunter der in Fallstudie I bestimmte Schlussfirnis, und Firnis in den Bereichen der ehemaligen Firnisrisse schneller löslich sind. Bei Löseversuchen an der Bildoberfläche zeigen sich in Fallstudie IV ein ungleichmäßiges Löseverhalten des Firnisses, eine lokal übermäßige Belastung der Malschicht und gravierende Farbverluste. Der Firnis wird vorrangig entlang der aktuellen und ehemaligen Firnisrisse gelöst und ausgeschwemmt. Eine wesentliche Rolle spielt dabei das von Michalski dargestellte Ein-

429 dringen von Lösemittel in das Craquelé.599 Vermutet wird zudem, dass im Lösemittelfilm entlang der Risse lokale Strömungen auftreten, wie sie Babel in lösemittelhaltigen Beschich- tungen an Vertiefungen des Untergrunds beschreibt, und dass diese Strömungen den Lösevor- gang lokal beschleunigen.600 Auch eine zusätzliche Bildung von Firnisrissen durch den Löse- mittelkontakt ist auf der Grundlage der Darstellungen von Wapler und Sickfeld und der Beobachtungen von Feller denkbar.601 Es entstehen Firnisinseln, die vor allem von ihren Rändern aus gelöst und in kleinere Inseln separiert werden. Schon in einer frühen Phase wird die Malschicht entlang der Ränder der Malschichtrisse freigelegt und ist dem Lösemittel direkt ausgesetzt. Das Lösemittel wirkt von den Malschichtrissen aus direkt auf die überwiegend schneller löslichen Zwischenfirnisse. Die oberen Farbschichten werden dadurch unterspült und abgeschwemmt. Beide Prozesse können bei der praktischen Arbeit nicht wirksam beeinflusst werden. Dieser Löseprozess lässt keine kontrollierte Firnisdünnung, sondern nur bei einer gegenüber dem Lösemittel unempfindlichen Malschicht eine Firnisabnahme zu. Ein ähnliches Löseverhalten des Firnisses wird in Fallstudie II erwartet, ein ähnliches Löseverhalten von Firnis und Zwischenfirnissen in Fallstudie I. In beiden Fällen besteht die Möglichkeit einer Schädigung der Malschicht. Die Löseversuche in Fallstudie III haben ein anderes Ergebnis. Der Firnis löst sich überwiegend gleichmäßig und ohne ein inselartiges Ausschwemmen. Die Löseversuche am Querschliff ge- ben Hinweise auf die Ursachen. Teilweise ist der Firnis in seiner gesamten Dicke schneller löslich, in einem weiteren Teil der Proben sind die oberen, langsamer löslichen Ebenen des Fir- nisses deutlich dünner als die unteren, schneller löslichen Ebenen. Davon abweichend werden in einer Probe langsamer lösliche, untere Firnisschichten und an einer Stelle der Bildoberfläche lokale Firnisreste festgestellt.

Mechanische Firnisdünnung Die mechanische Firnisdünnung durch Abschleifen mit Firnispulver wird in Kassel erstmals ab 1988 von Brammer bei der Restaurierung des Gemäldes von Ferdinand Bol, Bildnis einer jun- gen Frau mit Nelke durchgeführt.602 Die dabei gewonnenen Erfahrungen bilden die Grundlage für eine partielle Firnisdünnung im Zuge der laufenden Restaurierung des Gemäldes von Mel- chior de Hondecoeter, Die weiße Henne mit Küchlein, deren Resultat in Fallstudie IV untersucht wird.

599 Vgl. Michalski 1999, S. 85ff., Abb. 1, S. 85. 600 Vgl. Babel 1974, S. 695, Abb. 8a. 601 Vgl. Wapler 1950, S. 442, 444; Sickfeld 1970, S. 121; Feller 1981, S. 81/16/1-6, Fig. 1. 602 Vgl. Krämer 2009, S. 29f. 430 Für die mechanische Firnisdünnung sprechen konservatorische Gründe. Sie stellt eine prakti- kable Alternative dar, wenn bei einer Anwendung von Lösemitteln mit Schäden und Verlusten an einer lösemittelempfindlichen und bereits vorgeschädigten Malschicht, wie im Fall des Gemäldes von Ferdinand Bol, gerechnet werden muss. Nach bisherigen Erfahrungen ist aus- schließlich eine Dünnung des Firnisses, nicht aber eine Firnistrennung erreichbar. Eine Firnis- abnahme hätte mindestens punktuelle oder partielle Bereibungen der Malschicht zur Folge. Der zu bearbeitende Bereich, auch eine Probefläche, muss mindestens mehrere Quadratzenti- meter umfassen. Eine mechanische Beschädigung des verbleibenden Firnisses, z.B. durch Rissbildung oder Absplitterungen an den Kanten oder Rändern der Firnisrisse, ist nicht erkenn- bar. Der gedünnte Firnis erscheint matt und opak. Eine Kontrolle der Dünnung kann unter UV- Anregung geschehen. Entscheidend ist aber die Beurteilung, in welchem Grad die Firnisgilbung reduziert ist. Dazu ist ein Benetzen des bearbeiteten Bildbereichs z.B. mit Shellsol T unum- gänglich. Eine Eigenheit dieser Firnisdünnung ist, dass der Firnis, unabhängig von seiner ursprünglichen Oberfläche, geebnet wird. Diese Nivellierung spart selbst flache und kleinteilige Vertiefungen ehemaliger Firnisrisse aus. Auf diese Weise gedünnte Firnisse weisen eine homogene Glätte auf, die in einem deutlichen Kontrast zur gewohnten Oberfläche des Gemäldes mit stellenweise pastosem Farbauftrag und Schollenbildung der Malschicht steht. Borkenartige Firnisdeforma- tionen können so reduziert werden. Selbstverständlich werden auch die innerhalb des Firnisses nachgewiesenen Schichtenstörungen angeschliffen. Inwieweit dies Einfluss auf das künftige Alterungsverhalten der Firnisse hat, ist ungeklärt. Die Firnisdünnung muss enden, sobald die Höhen der Malschicht an den Pastositäten oder die Schollenkanten erreicht sind, da auch diese abgeschliffen würden. Sie könnte bei einem Ge- mälde mit glatt vertriebener Malschicht und ohne Schollenbildung (Fallstudie I) weiter gehen als bei einem Gemälde mit stark pastoser Malschicht (Fallstudie II) oder starker Schollen- bildung (Fallstudie IV). Ein lokales Nacharbeiten erweist sich als außergewöhnlich schwierig und zeitaufwendig sowie im Resultat als nicht überzeugend. Transparenz und Glanz sind mit einer nachfolgenden Politur nicht wieder zu herstellen. In den Firnis- und Malschichtrissen setzt sich Firnispulver fest. Ein erneuter Firnisauftrag ist deshalb unumgänglich. Ein vollständiger Verzicht auf Lösemittel kann deshalb auch mit der mecha- nischen Firnisdünnung nicht erreicht werden. Auf der Grundlage der Beobachtungen von

431 Brammer lassen sich jedoch die Lösemittel für den Neufirnis so wählen, dass weitere Quel- lungs- und Löseprozesse sowie Migrationen nach Möglichkeit gering sind.603

Die vorliegende Arbeit behandelt mit den Firnissen der Werke der Kasseler Gemäldegalerie einen wichtigen und bislang nicht ausreichend beachteten Aspekt einer Thematik, die seit meh- reren Jahrzehnten eingehend erforscht wird. Die Erkenntnisse über die Kasseler Restaurie- rungsgeschichte der Zeit von 1749 bis 1966 in den schriftlichen Quellen werden, insbesondere in Bezug auf das 20. Jahrhundert, erweitert und erlauben Neubewertungen. Deutlich wird, dass die Verwendung von Copaivabalsam in nur wenigen Fälle belegt ist. Wesentliche Ergebnisse dieser Arbeit sind auch die Entwicklung und Weiterentwicklung von Methoden der Objekt- untersuchung und Dokumentation, sowie ihre Überprüfung in der praktischen Anwendung. Der maltechnische Aufbau wird in die Betrachtung der Firnisse einbezogen. Die Malschichten ent- halten zum Teil Zwischenfirnisse. Die Frage nach der Erhaltung von Schlussfirnissen kann geklärt werden. Wesentliche Merkmale der Firnisse sind die Mehrschichtigkeit, die variieren- den Schichtenabfolgen und vielfältigen Schichtenstörungen. Vielfach wechseln die Erhaltungs- zustände, auch innerhalb minimaler Distanzen. Die Schadensentwicklungen von Firnis und Malschicht stehen z.T. miteinander in Bezug. Hingegen lässt sich die lange gemeinsame Sammlungs- und Restaurierungsgeschichte der Gemälde in den Objektuntersuchungen der Fallstudien nicht darstellen. Faktoren der borkenartigen Firnisdeformationen sind die unter- schiedliche Löslichkeit der Firnisschichten, die schnellere Löslichkeit von partiellen Zwischenfirnissen und die wiederholten Lösemitteleinwirkungen bei Restaurierungen. Die Schadensmechanismen werden dargestellt und die Schadensentwicklungen modellhaft rekons- truiert. Das heutige Löseverhalten der Firnisse ist ungleichmäßig und wesentlich von ihren besonderen Schichtenkonstellationen bestimmt. Malschichten, die Zwischenfirnisse enthalten, erweisen sich als ungewöhnlich lösemittelempfindlich. In den vorgestellten Fällen ist nur eine lösemittelbasierte Firnisabnahme, nicht aber eine Firnistrennung oder -dünnung möglich. Gra- vierende Verluste der Malschicht sind zu erwarten, in einem Fall sogar nachgewiesen. Eine Alternative stellt die mechanische Dünnung durch Abschleifen des Firnisses dar. Dieser Firnis- dünnung sind aber enge Grenzen gesetzt. Es wird somit schließlich auch ein wesentlicher Beitrag zum Verständnis der Restaurierungsproblematik der Werke der Kasseler Gemälde- galerie geleistet.

603 Vgl. Brammer 1987, S. 103; Krämer 2009, S. 34. Nach dem Auftrag eines Firnisses aus Dammar in rektifi- ziertem Terpentinöl beobachtet Brammer Löseprozesse und Firnismigrationen. Nach dem abschließenden Firnis- auftrag, Dammar in Shellsol T und Shellsol A (Lösemittel 3 + 1 VT), entstehen keine weiteren Firnismigrati- onen. 432 5.2 Ansätze für weiterführende Forschungen

Auf der Grundlage der vorliegenden Arbeit sind konkrete weiterführende Forschungen mög- lich. Das wichtigste Ziel wird in der chemischen Materialanalyse der Firnisschichten gesehen. Erforderlich sind eine genaue Bestimmung der Firnisbestandteile und ihre Lokalisierung im Firnis. Dies ist bislang nur in getrennten Untersuchungen durchführbar. Anhand der darge- stellten Schichtenkonstellationen ist es möglich, für diese Untersuchung geeignete Bereiche mit gut erhaltenen Firnisschichten zu lokalisieren. Auch die schriftlichen Quellen der Restaurie- rungsgeschichte sind dazu aufschlussreich. Bei verschiedenen Gemälden sind die Bestandteile von Firnisaufträgen und die Anwendung von Copaivabalsam konkret benannt. Die Bedeutung der Schlussfirnisse als integraler Bestandteil der Malerei erfordert es zwingend, dass die bislang vorwiegend auf schriftlichen Quellen basierende Forschung zu Firnissen des 17. und 18. Jahrhunderts auch auf eine breite Basis von Objektbefunden gestellt wird. Ihr Ver- lust durch frühere Firnisabnahmen wird als gegeben akzeptiert, während in Einzelfällen, etwa an Bildrändern oder Leinwandumschlägen, von möglichen Schlussfirnissen berichtet wird. Anhand der hier entwickelten Objektuntersuchung kann eine Zusammenführung und systema- tische Auswertung solcher Einzelbefunde erarbeitet werden. Dies gilt auch für Zwischenfirnisse und den heutigen Erhaltungszustand von Firnissen. Die Darstellung von Firnisoberflächen ist möglicherweise in der digitalen 3D-Mikroskop-Fotografie zu verbessern und zu standardi- sieren. Auf der Grundlage der vielfältigen Möglichkeiten muss nach praktikablen Alternativen zur hier vorgestellten Firnisabnahme mit 2-Propanol und der mechanischen Firnisdünnung durch Ab- schleifen mit Mastixpulver gesucht werden. Als wesentliche Kriterien werden dabei der Ver- zicht auf organische Lösemittel und ein Firnisabtrag auf rein mechanischem Weg angesehen. Auch ist eine systematische Erfassung und Darstellung von möglichen Fällen einer erfolg- reichen Firnistrennung oder -dünnung notwendig. Ansatzpunkte für die weitere Bearbeitung der Restaurierungsgeschichte sind schließlich die vielfältigen personellen Verflechtungen der Kasseler Galerie mit anderen bedeutenden Gemäl- degalerien Alter Meister. Eine sammlungsübergreifende Untersuchung sowohl der schriftlichen Dokumente als auch von Gemälden mit historischen Erhaltungszuständen würde sicherlich nicht nur für Kassel einen wesentlichen Erkenntnisgewinn bedeuten. Vor allem könnten die umfangreiche Tätigkeit der Restauratoren Alois Hauser d. Ä. und Alois Hauser d. J. sowie das Wirken von Kurt Wehlte und Max Doerner als bedeutende Kapitel der Restaurierungsge- schichte des 19. und 20. Jahrhunderts eingehender dargestellt werden.

433

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Zumbühl/Knochenmuss/Wülfert 1998 Zumbühl, Stefan; Knochenmuss, Richard Donald; Wülfert, Stefan: Rissig und blind werden in relativ kurzer Zeit alle Harzessenzfirnisse. Untersuchungen zur oxidativen Degradation von Dammar- und Mastixfilmen, in: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung, 12. Jg. 1998, Heft 2, S. 205-219.

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Zumbühl 2014 Zumbühl, Stefan: Parametrization of the solvent action on modern artistsʼ paint systems, in: Studies in Conservation, 59. Jg. 2014, Heft 1, S. 24-37.

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458

6.3 Internet-Quellen

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Heraeus 2015 Heraeus, Stefanie: Oberlicht aus Paris. Der Baustopp der Kasseler Gemäldegalerie im Jahr 1750 als museumsgeschichtliches Ereignis, in: „Museumsgeschichte Kassel“, hrsg. von Alexis Jo- achimides, Onlinepublikation der Universität Kassel 2015, http://museumsgeschichte.uni-kas- sel.de [28.Juni 2016].

Patent Leiß 1938 Reichspatentamt: Patentschrift Nr. 665614, eingetragen am 2. Februar 1938, veröffentlicht am 29. September 1938 an Joseph Leiß in Kassel, Deutsches Patent- und Markenamt, Veröffent- lichungsnummer DE665614, Online-Datenbank DEPATISnet, http://depatisnet.dpma.de [26. Januar 2015].

Willigen 1999 Willigen, P. de: Mathematical study on craquelure and other mechanical damage in paintings, TWAIO thesis of the Technical University of Delft, Report of MOLART project No. 20. Series MOLART 2 and WBBM 42, Delft 1999, https://repository.tudelft.nl/islandora/ object/uuid%3A9453c253-731b-478e-92bf-302d269d3d89 [6. Juni 2018]

6.4 Norm(-en)

DIN EN ISO 4618 DIN EN ISO 4618: 2003-12 (Entwurf) Beschichtungsstoffe; Begriffe, dreisprachige Fassung (E, F, D), prEN ISO 4618: 2003.

459

460 7 NACHWEISE

7.1 Bildnachweise

Kapitel 2 Abb. 1, 2, 4, 5, 6, 9, 10, 13, 15, 16: Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Brunzel Abb. 7, 8, 12, 14, 17: Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Hensmanns Abb. 11: Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Reuschling Abb. 3: Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel

Kapitel 3.1 Abb. 18: Kerkhoff/Haagen 1995, S. 173, Bild 173.3 Abb. 19: Blom 1954, S. 76, Bild 31 Abb. 20: Kerkhoff/Haagen 1995, S. 169, Bild 169.4 Abb. 21: Yokobori/Uozumi/Ichikawa 1971, S. 44. Abb. 26 a - d Abb. 22: Gross/Seelig 2007, S. 216, Bild 7.9a Abb. 23: Congleton 1977, o. S. o. Abb.-Nr., nach Keller 1983, S. 36, Bild 28 Abb. 24: Babel 1974, S. 695, Bild 1a-3c Abb. 25: Babel 1974, S. 695, Bild 8a-9b Abb. 26: Kerkhoff/Haagen 1995, S. 219, Bild 219.2

Kapitel 3.2 Abb. 27: Boers 1959, S. 6, Abb. 2 a-f Abb. 28: Stout 1977, S. 119, Abb. 2 (Ausschnitt) Abb. 29: Klopfer 1976, S. 143, Abb. 3.7.3 Abb. 30: Klopfer 1976, S. 139, Abb. 3.7.1 Abb. 31: Sandner u. a. 1990, S. 80, Abb. 5.4 Abb. 32: Boers 1959, S. 8, Abb. 8 (Ausschnitt)

Kapitel 3.5 Abb. 68: Juros 2014, Bd. 2, S. 203 (Ausschnitt)

Kapitel 4.2 Abb. II.1: Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Hensmanns Abb. II.25 und II.51: Eisenmann 1902, Tafel 48 (Ausschnitt) Abb. II.29: Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemälderestaurierung, Röntgenaufnahme: Brammer (Ausschnitt)

Kapitel 4.3 Abb. III.1: Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, Foto: Hensmanns Abb. III.3: HfBK Dresden, Röntgenaufnahme: Mohrmann, Risse (Ausschnitt)

Kapitel 4.4 Abb. IV.1: Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Hensmanns (Ausschnitt) Abb. IV.3: Gemälderestaurierung, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Hack (Ausschnitt)

Anhang C.II Gesamtaufnahme: Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Hensmanns

Anhang C.III Gesamtaufnahme: Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Hensmanns

Anhang C.IV Gesamtaufnahme: Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel, Foto: Hensmanns

Alle übrigen Abbildungen: Krämer

462

7.2 Archivbestände

Berlin, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK)

Bestand Zivilkabinett, Akte Rep.89, Nr. 20512.

Berlin, Zentralarchiv Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz Berlin (SMPK)

Bodenachlass BMS 21. Bestand I / KFH 36, No. 1690/83.

Kassel, Archiv Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK)

Aktenbestände

Auskünfte, Reklamation, Verzeichnis, Duplikate von Rechnungen 1814-1837. Auslagerung von Kunstgut im 2. Weltkrieg, I, 2. Objektlisten. Auslagerung von Kunstgut im 2. Weltkrieg II, Bergungsorte A-Z. Auslagerung von Kunstgut im 2. Weltkrieg I, 2. Objektlisten sowie Bergungsort Bad Wildun- gen. Auslagerung von Kunstgut im 2. Weltkrieg I, Allgemeines. Gemälderestaurierung. Gemälderestaurierung, Briefe 1938-1972, Restauratoren betr. Gemäldegalerie, Schriftwechsel 1813-1817. Königliche Gemäldegalerie zu Cassel, 1866-1877. Konservierung, 8. 9. 1912 - 16. 3. 1942, E 4, Bd. 1.

Historische Inventare der Gemäldegalerie Alte Meister

Inv. 1749ff. Haupt=Catalogus von Sr Hochfürstl: Durchlt. HERREN Landgrafens Wilhelm zu Heßen, sämt- lichen Schilderӱen, und Portraits. Mit ihren besonderen Registern. Verfertiget in Anno 1749. A. Nr. 1-869, Portraits Nr. 1-99.

Inv. 1816ff. Inventarium der Gemälde-Gallerie zu Cassel mit Supplements I-VI. 1816ff. Nr. 1-2178.

Supplement Inv. 1816ff. VI Supplement zum Inventarium der Gemälde Gallerie zu Kassel vom Jahre 1816 Vol: II.

463

Inv. 1875ff. Inventarium der in den Lokalen der Gemälde-Gallerie im Bellevueschloß zu Kassel befind- lichen Gemälde, aufgestellt im Monat September 1875. Nr. 1-1713.

Marburg, Hessisches Staatsarchiv Marburg (HStAM)

Hessischer Geheimer Rat 9555. Bestand 4a, Korr. Wilhelms VIII. mit Baron von Häckel. Bestand 150, Nr. 931, Gemäldegalerie zu Kassel 1866-1904. Bestand 150, Nr. 1824, Gestattung eines geeigneten öffentlichen Kunstgebrauchs des Muse- ums und der Bildergalerie zu Kassel, Kopieren und photografisches Nachbilden von Gemäl- den und sonstigen Kunstwerken und deren Restaurierung.

Paris, Archives des Musées Nationaux

*I DD 16 - *I DD 23, Inventaire Napoléon.

Paris, Archives nationales

O² 838: Encadrement et restauration de certaines œuvres venues dʼAllemagne (butget 1810). O² 839: Encadrement et restauration de certaines œuvres venues dʼAllemagne (butgets 1807- 1808). O² 842: Lettres, correspondances et listes relatives aux œuvres saisies par Denon en Alle- magne.

Worms, Archiv Ferdinand Werner

Alois Hauser d. J., Manuskript „Über die Restauration von Gemälden“.

464 ANHANG

A Grundlagen und Methoden der Objektuntersuchung

A.1 Objektliste der Bestandssichtung

Die Liste ist das Resultat einer Bestandssichtung der Gemäldegalerie Alter Meister und führt 74 Gemälde mit einem stark gegilbten Firnis und ganzflächigen oder partiellen, borkenartigen Firnisdeformationen auf (vgl. Kap. 3.6, S. 120-124). Angegeben sind Künstler, Titel und Datie- rung, soweit bekannt, Bildträger, Inventarnummer (überwiegend GK-Nummern sowie eine Nummer des Inv. 1816ff. und zwei Depot-Nummern), das Jahr oder der Zeitraum der Erwer- bung und zuletzt die dokumentierten Restaurierungen. Angegeben ist das Jahr der Restaurie- rung. Die Ziffern in Klammern geben eine Bearbeitung des Firnisses an: (1) bezeichnet eine nicht näher beschriebene Firnisbehandlung, (2) eine Firnisregenerierung, (3) einen Firnisauf- trag, (4) eine Firnisdünnung oder -abnahme und (5) eine Übermalungsabnahme.

Tab. A.1: Objektliste der Bestandssichtung

Nr. Künstler Titel Datie- Bildträger GK- Erwer- dokumen- rung Nrn. bung tierte und Restau- andere rierungen Inv.- Nrn.

1 Aelst, Willem Stillleben mit Früch- 1677 Leinwand 447 1895 1952 (2) van ten, Maus und Schmetterlingen 2 Agricola, Chris- Landschaft mit Auf- 1716 Leinwand 634 1752 1973 (3) toph Ludwig richtung eines an- tiken Grabmals 3 Bacchiacca Bildnis des Papstes um 1525 Pappelholz 484 1888/ 1954 (3) (Francesco Hadrian VI. als 1889 d'Ubertino) Priester

4 Bassano (Jacopo Landleute bei der Pappelholz 519 vor 1947, da Ponte), Kopie Mahlzeit auf dem 1749 1954 (1) nach Feld

5 Bassano (Jacopo Die Grablegung Leinwand, 513 1751 1954 da Ponte), Werk- Christi auf Holz statt

6 Bassano (Lean- Die Beweinung Kupfer 517 vor 1973 (2) dro da Ponte), Christi 1749 zugeschrieben

7 Berchem, Claes Rastende Bauern 18. Jh. Holz 1816/ vor Pietersz., in der 1629 1875 ? Art von Nr. Künstler Titel Datie- Bildträger GK- Erwer- dokumen- (Fortset- (Fortsetzung) (Fortsetzung) rung (Fortset- Nrn. bung tierte zung) (Fortset- zung) und (Fort- Restau- zung) andere setzung) rierungen Inv.- (Fortset- Nrn. zung) (Fortset- zung)

8 Bol, Ferdinand Bildnis einer jungen 164(2?) Eichenholz 238 vor 1956 (2), Frau mit Nelke 1749 1977- 2005 (4), 2006 (3) 9 Borch, Gerard ter Junge Frau und Offi- um 1670 Leinwand 288 vor 1998 zier beim Musizieren 1766 ("Hausmusik") 10 Borch, Gerard ter Die Lautenspielerin 1660er Eichenholz 289 vor 1959 (1) Jahre 1749 11 Brakenburg, Muntere Gesell- 1670er Eichenholz 297 vor 1973 (3) Richard schaft Jahre 1749 12 Brekelenkam, Das Tischgebet um 1655 Eichenholz 298 vor 1953 (1) Quiringh van 1806

13 Champaigne, Herrenportrait, Halb- Leinwand (Dep. Philippe de, figur 65) Kopie nach 14 Cleve, Joos van Brustbild einer Frau 1525 Eichenholz 21 um 1953 1752/ 1753 15 Dietrich, Chris- Ein Felsentor um 1750 Eichenholz 660 1970 tian Wilhelm Ernst 16 Douven, Bartho- Susanna und die bei- 1722 Eichenholz 323 vor lomeus Frans den Alten 1749

17 Douven, Bartho- Bathseba im Bade 1726 Eichenholz 324 vor lomeus Frans 1749 18 Dyck, Anthonis Sebastian Leerse mit 1630er Leinwand 123 1749 1956 (1), van Frau und Sohn Jahre 1956, 1998 19 Dyck, Anthonis Bildnis der Isabella 1630er Leinwand 127 vor 1883 (4), van van Assche, Gemah- Jahre 1749 1933 (3), lin des J. van Meer- 1960 (1), straeten 1973 (2, 3) 20 Dyck, Anthonis Studienkopf eines um 1620 Papier auf 911 um 1749 1953 van, Nachfolger bärtigen Mannes Eichenholz

21 Flinck, Govert, Büste eines Greises Leinwand 1112 vor Kopie nach mit zwei goldenen auf Holz 1749 Ketten 22 Goyen, Jan Jo- Landschaft mit um 1640 Eichenholz 395 1889 sephsz. van, Bauernhof Nachfolger

23 Gracht, Jacob Brustbildnis einer Eichenholz 855 vor 1990 (3) van der Frau mit Faltenkra- 1775 gen 24 Heem, Jan Prunkstillleben um 1650 Leinwand 438 1750 1960 (1) Davidsz. de, Werkstatt

466 Nr. Künstler Titel Datie- Bildträger GK- Erwer- dokumen- (Fortset- (Fortsetzung) (Fortsetzung) rung (Fortset- Nrn. bung tierte zung) (Fortset- zung) und (Fort- Restau- zung) andere setzung) rierungen Inv.- (Fortset- Nrn. zung) (Fortset- zung)

25 Heyden, Jan Das alte Palais in nach Eichenholz 429 1751 1807 van der Brüssel 1660

26 Hondecoeter, Das Vogelkonzert Leinwand 378 vor Melchior de 1749

27 Hondecoeter, Die weiße Henne Leinwand 379 1827 1956 (1, Melchior de mit Küchlein 3)

28 Huysmans, Jan Ideale Landschaft Leinwand 171 1891 1972 Baptist 29 Jordaens, Jacob Der Satyr beim um 1620 Leinwand 101 vor 1807 Bauern 1749 30 Jordaens, Jacob Das Bohnenfest (Der bis Leinwand 108 1752 1807, König trinkt) 1650er 1949, Jahre 1953 (2) 31 Juncker, Justus Gelehrter, an seinem Eichenholz 640 1783 1957 (2), Pult sitzend 1958 (2)

32 Juncker, Justus Küche mit Köchin Leinwand 643 1818 1957 (1), und Küchenjungen 1958 (1)

32 Lafosse, Charles Lot und seine Leinwand 134 1830 2006 de Töchter

34 Lambrechts, Jan Wirtsstube Leinwand 174 vor 1974 (3) Baptist 1819

35 Lambrechts, Jan Bordellszene Leinwand 1094 vor Baptist 1819 36 Menzocchi, Maria mit Jesus und um Pappelholz 1136 vor 1990 Francesco Johannes und den 1600 1775 Heiligen Hierony- mus und Antonius

37 Mignon, Früchtestillleben am nach Leinwand 444 1750 Abraham Waldboden 1672

38 Mignon, Früchtestillleben mit 1660er- Leinwand 445 1750 Abraham Eichhörnchen und 1670er Distelfink Jahre 39 Mommers, Abraham bewirtet 1662 Leinwand 260a 1897 1992, Hendrick die drei Engel 2000

40 Moucheron, Flusslandschaft mit nach Leinwand 412 1827 Frederik de Brücke und Kastell 1670

41 Neefs, Pieter d. Seitenschiff einer Eichenholz 70 1783 1956 (1), Ä. und d. J., Fi- gotischen Kirche mit 1956 (2) guren von Frans Kapellen Francken III. 42 Netscher, Caspar Junge Dame mit 1667 Eichenholz 291 vor 1959 (2) Brief und Bildnis- 1749 medaillon ("Ein Ge- schenk von lieber Hand") 43 Netscher, Caspar Die Gambenspie- Eichenholz 295 vor lerin 1749

467 Nr. Künstler Titel Datie- Bildträger GK- Erwer- dokumen- (Fortset- (Fortsetzung) (Fortsetzung) rung (Fortset- Nrn. bung tierte zung) (Fortset- zung) und (Fort- Restau- zung) andere setzung) rierungen Inv.- (Fortset- Nrn. zung) (Fortset- zung)

44 Ommeganck, Landschaft mit Eichenholz 759 vor Balthasar Paul einem Jäger und 1783 Fischern 45 Pynacker, Adam Bäuerin mit Kind um 1650 Eichenholz 339 1750 und Herde an einem Brunnen 46 Pynacker, Adam Der angelnde Hirte um 1650 Eichenholz 340 vor 1806 47 Rembrandt Saskia van Uylen- 1642 Eichenholz 236 1750 1883 (4), burgh im Profil, in 1956 (2), reichem Kostüm 1960, 1980, 1983 (3) 48 Rembrandt Selbstbildnis mit 1634 Mahagoni- 237 1750 1949 (2), Sturmhaube holz 1952, 1956 (2), 1979 (3) 49 Rembrandt Die Heilige Familie 1646 Eichenholz 240 1752 1929 (3) mit dem Vorhang 1956 (2), 1980 (3), 2006 50 Rembrandt Bildnis des Nicolaes 1652 Leinwand 243 1750 1935 (2), Bruyningh 1956 (1), 1980 51 Rembrandt, Büste eines Greises 1630 Eichenholz 231 vor 1955 (2), Werkstatt mit Brustkreuz 1730 1979 52 Rembrandt, Büste eines kahlköp- 1632 Eichenholz 232 1752 1890 (5), Werkstatt figen alten Mannes 1956 (2), 1962, 1979 53 Ribera, Jusepe de Mater dolorosa 1638 Leinwand 590 1803 1954 (1), 1960

54 Roepel, Coenrat Früchtestück mit 1723 Leinwand 453 um 1723 einer Satyrbüste und einem Rauchfuß 55 Roghman, Hügelige Landschaft 1650er Leinwand 227 um 1750 1974 (3), Roelant mit Brücke Jahre 1992, 2006 (3) 56 Roghman, Gebirgslandschaft 1650er Leinwand 228 um 1750 1974 (3), Roelant mit Brücke Jahre 2006 (3) 57 Roos, Johann Mopshündin um 1700 Leinwand 1115 vor 1964 (3) Melchior 1744 58 Rubens, Peter Jupiter und Kallisto 1613 Eichenholz 86 vor 1956 (3), Paul 1749 1956 (1)

59 Snyders, Frans, Eine Versammlung Leinwand 116 vor 1955 Werkstatt von Vögeln 1749 60 Teniers, David Bauern beim um Eichenholz 143 vor 1959 (2), d. J. Kugelspiel 1645- 1749 1998 1650

468 Nr. Künstler Titel Datie- Bildträger GK- Erwer- dokumen- (Fortset- (Fortsetzung) (Fortsetzung) rung (Fortset- Nrn. bung tierte zung) (Fortset- zung) und (Fort- Restau- zung) andere setzung) rierungen Inv.- (Fortset- Nrn. zung) (Fortset- zung)

61 Tischbein, Jo- Augustus legt eine 1789 Leinwand 1875/70 1864 hann Heinrich, Krone auf den Sar- 9 d. Ä. kophag Alexanders

62 Tol, Dominicus Mädchen mit Huhn Eichenholz 259 vor 1990 van im Fenster 1749

63 unbekannt Männlicher Studien- Leinwand 110 vor kopf 1749

64 unbekannt Brustbild eine Alten Holz Dep. 57 Frau im Stile Rem- brandts 65 Velde, Willem Stille See 1653 Eichenholz 420 vor 1963 (1), van de d. J. 1749 1980 66 Vois, Arie de Der liederliche 1678 Eichenholz 302 vor 1966, Student 1749 1990

67 Weenix, Jan Stillleben mit totem Leinwand 377 1815 1954 (1) Hasen und Geflügel

68 Werff, Pieter van Maria mit Jesus und 1704 Eichenholz 318 vor der Johannes 1749

69 Werff, Pieter van Zwei Knaben mit Eichenholz 319 vor 1956 (1) der einem Vogelnest 1730 70 Werff, Pieter van Drei Mädchen op- 1710 Eichenholz 320 1750 1956 (1) der fern Amor Blumen

71 Wet, Jacob Lasset die Kinder zu Eichenholz 1083 Willemsz. de, mir kommen Umkreis oder Kopie 72 Wouters, Jan Flusslandschaft im 2. H. 18. Eichenholz 946 vor 1982 Ludewick de Mondlicht Jh. 1785?

73 Wouters, Jan Flusslandschaft mit 2. H. 18. Eichenholz 946a vor Ludewick de Vollmond Jh. 1785? 74 Wouwerman, Der große Pferde- nach Eichenholz 343 vor 1974 (3) Philips stall 1660 1749

469 A.2 Mikroskop-Ausstattung

Stereo-Mikroskop Leica MZ 16 (Leica Microsysteme Vertriebs GmbH, Wetzlar, Deutsch- land) Optikträger MZ 16, Art.-Nr. 10447103 Mikroskopträger AX, Art.-Nr. 10447107 Objektiv: Planapo 1,0x, Art.-Nr. 10447157 binokularer Schrägtubus, 45°, Art.-Nr. 10445619 Okulare: 10x / 21B, Art.-Nr. 10447160 Koaxial-Auflichtgehäuse (Vergrößerung 1,5x), Art.-Nr. 10446180 UV-Fluoreszenzmodul, Art.-Nr. 10446144, zusammen mit Lampenhaus 106 z, Hg 50W, 4- linsig, 1,5 m, Art.-Nr. 11504066 und Vorschaltgerät für Hg 50 W, 220-240 V, Art.-Nr. 11500- 277; Filter: Anregung 360 - 380 nm, Teilerspiegel ab 400 nm durchlässig, Sperrfilter ab 420 nm durchlässig Video-/Fototubus HV, Best.-Nr. 10446194 C-Mount-Adapter 1,0x, Art.-Nr. 11541006 Schott Kaltlichtquelle KL 2500 LCD, mit Lichtleiter, mit Fokussiervorsatz

Auflicht-UV-Fluoreszenz-Mikroskop Leitz Metallux® 3 (Leica Mikroskopie und Systeme GmbH, Wetzlar, Deutschland) Okulare: Periplan GF 12,5x / 20 ohne Art.-Nr. binokularer Fototubus FSA 20 (Tubusfaktor 1,0x), Art.-Nr. 512815 getrennter Mikroskop-Aufbau für Hellfeld-/Dunkelfeld-Beleuchtung und UV-Fluoreszenz externe Beleuchtung und schräges Durchlicht: Schott Kaltlichtleuchten KL 2500 LCD und KL 1500, mit Schwanenhals-Lichtleiter, ohne Fokussiervorsatz

Hellfeld/Dunkelfeld-Beleuchtung Lampenhaus: Type 307-148.001 Art.-Nr. 514686, Halogen, 12 V/ 100W Für die Mikroskop-Aufnahmen verwendete Objektive: - NPL 20x/035 DF, ohne Art.-Nr. - Fluotar® 50, Art.-Nr. 559258

UV-Anregung Fluoreszenz-Auflicht-Illuminator 1-Lambda Ploemopak, Art.-Nr. 513591 Filterblock A, Art.-Nr. 513596. Anregungsbereich: Ultraviolett, Anregungsfilter: BP (Band- passfilter) 340-380 nm (kurz- oder langwellige Halbwertsstelle), Teilerspiegel: RKP 400 nm, Sperrfilter: LP (Langpassfilter) 425 nm (Kantenwellenlänge) Lampenhaus Type 307-072.040, Lampe Hg 50 W/AC, Art.-Nr. 514691 Für die Mikroskop-Aufnahmen verwendete Objektive: - Plan 20/0.45, Art.-Nr. 519865 - NPL Fluotar® 40/1.30 Oel Fluoreszenz, Art.-Nr. 519811 - 63/1,30 Oel Fluoreszenz, Art.-Nr. 519861

470 Mikroskop-Kameras (Leica Microsysteme Vertriebs GmbH, Wetzlar, Deutschland) Digital-Mikroskop-Kamera DC 300 F, Leica Image Manager IM 1000 Digital-Mikroskop-Kamera DFC 310 FX, IMS Bildmanager, Fa. Imagic AG, Opfikon, Schweiz C-Mount-Anschluss, 1,0x, Art.-Nr. 54006

Mikroskop-Kamera Leica DC 300 F Leica DFC 310 FX

Bildgröße 3,83 MB 4,14 MB Pixelmaße: Höhe x Breite 1030 x 1300 px 1040 x 1392 px (Bildgröße) Auflösung 150 ppi 72 ppi Farbtiefe 24 Bit 24 Bit Format in Höhe x Breite 0,79 : 1 0,75 : 1

Tab. A.2: Technische Daten der verwendeten Mikroskop-Kameras

471 B Fallstudien

B.1 Fallstudie I: Bartholomeus Frans Douven, Susanna und die beiden Alten

B.1.1 Übersicht der mikroskopisch untersuchten Bereiche und Probeentnahmestellen für Querschliffe

Untersuchte Befunde Mikrosko- Koordinaten der Querschliff- Koordinaten der Bereiche pisch unter- Bereiche Proben Probeentnahme- suchte Be- stellen reiche

linker Bildrand Riss- und Bor- Bereich 1 2,6 cm v. l. / 6,2 Probe 1 1,5 cm v. l. / 7,8 oben, Baum- kenbildung cm v. o. cm v. o. kronen und Himmel Hintergrund Riss- und Bor- Bereich 2 3,8 cm v. l. / 18,2 links Mitte, kenbildung cm v. u. Blattwerk Hintergrund Riss- und Bor- Bereich 3 4,7 cm v. r. / 16,2 Probe 3 8,0 cm v. r. / 15,1 rechts Mitte, kenbildung cm v. u. cm v. u. Feigenblätter oberer Bildrand extreme Riss- Bereich 4 10,0 cm v. r. / 1,3 Probe 4 10,8 cm v. r. / 1,2 rechts, Ast des und Borken- cm v. o. cm v. o. Baums bildung oberer Bildrand Firnisgirlande Bereich 5 15,2 cm v. l. / 1,3 Probe 5 15,3 cm v. l. / 1,1 Mitte, Blattwerk und extreme cm v. o. cm v. o. des Baums Riss- und Bor- kenbildung linker Bildrand Migration von Bereich 6 3,6 cm v. l. / 24,5 Mitte, Hinter- Firnis aus dem cm v. u. grund Craquelé

linker, äußerster durch Zierrah- Bereich 7 0,5 cm v. l. / 6,2 Probe 7a und 0,1 cm v. l. / 7,7 Bildrand oben, men abge- cm v. u. Probe 7b cm v. o. (Pr. 7a) Himmel deckter Bereich und 0,6 cm v. l. / 7,7 cm v. o. (Pr. 7b) linker Bildrand Firnisläufer und Bereich 8 0,7 cm v. l. / 10,7 oben, Baum- Reste von Fir- cm v. o. kronen nistrübung rechter äußerster Abschabung Bereich 9 0,2 cm v. r. / 12,2 Probe 9 0,8 cm v. r. / 13,0 Bildrand unten, cm v. u. cm v. u. Steinbank

Ecke links unten rote Nummer Bereich 10 1,2 cm v. l. / 1,2 Probe 10 1,4 cm v. l. / 1,1 des Inv. 1749ff. cm v. u. cm v. u.

Tab. B.1.1: Übersicht der mikroskopisch untersuchten Bereiche und Probeentnahmestellen für Querschliffe

472 B.1.2 Daten der Versuche zur Wirkung von Lösemitteln an den Querschliffen

Versuchsaufbau und -ablauf sind in Kapitel 3.4 (S. 103-112) beschrieben. Für den Anschliff wird Micro Mesh®, Körnung 3600 verwendet, als Lösemittel Ethanol, vergällt und 2-Propanol. Die Zeit bis zur Bildaufnahme ist bis 24 Stunden in Stunden, darüber in Tagen angegeben.

Proben Lösemittel Versuchsdauer Raumtemperatur Zeit bis zur Bildaufnahme

1 2-Propanol 13 min 18° C 23 Std. 1 Ethanol 6 min 19° C 23 Std. 3 2-Propanol 5 min 19° C 13 Tage 3 Ethanol 5 min 19° C 20 Std. 4 2-Propanol 10 min 18° C 21 Std 4 Ethanol 6 min 19° C 1 Tag 5 2-Propanol 7 min 18° C 1 Tag 5 Ethanol 4 min 19° C 2 Tage 7a 2-Propanol 5 min 19° C 1 Tag 7a Ethanol 4 min 19° C 1 Tag 7b 2-Propanol 6 min 19° C 1 Tag 7b Ethanol 3 min 19° C 1 Tag 9 2-Propanol 7 min 18° C 1 Tag 9 Ethanol 4 min 19° C 1 Tag 10 2-Propanol 11 min 19° C 22 Std. 10 Ethanol 6 min 19° C 1 Tag

Tab. B.1.2: Daten der Versuche zur Wirkung von Lösemitteln am Querschliff

473 B.2 Fallstudie II: Rembrandt, Die Heilige Familie mit dem Vorhang

B.2.1 Übersicht der mikroskopisch untersuchten Bereiche und Probeentnahmestellen für Querschliffe

Untersuchte Befunde Mikrosko- Koordinaten der Querschliff- Koordinaten der Bereiche pisch unter- Bereiche Proben Probeentnahme- suchte Be- stellen reiche

gemalter Rah- Deformation Bereich 1 3,7 cm v. l. / 1,9 Probe 1a und 0,8 cm v. l. / 3,2 men, links un- des Firnisses cm v. u. Probe 1b cm v. u. ten gemalter Rah- Firnisdünnung Bereich 2 3,0 cm v. l. / 1,7 Probe 2 2,0 cm v. l. / 1,2 men, links un- cm v. u. cm v. u. ten gemalter Rah- Randbereich der Bereich 3 2,2 cm v. l. / 1,7 men, links un- Firnisdünnung cm v. u. ten gemalter Rah- Deformation Bereich 4 4,0 cm v. l. / 34,5 Probe 4a und 3,9 cm v. l. / 33,8 men, links Mitte des Firnisses cm v. u. Probe 4b cm v. u.

gemalter Rah- Migration von Bereich 5 24,3 cm v. l. / 6,8 Probe 5a und 24,0 cm v. l. / men unten, In- Farbe und Firnis cm v. u. Probe 5b 6,8 cm v. u. nenkante links

gemalter Rah- Migration von Bereich 6 34,0 cm v. l. / 3,6 men unten, Hö- Farbe und Firnis cm v. u. hung, Mitte Tuch in der Migration von Bereich 7 14,8 cm v. l. / 13,5 Krippe Farbe cm v. u. Blattwerk der Firnistrübung Bereich 8 22,8 cm v. r. / 25,8 Probe 8a und 23,8 cm v. r. / 25,1 Bäume und cm v. u. Probe 8b cm v. u. Landschafts- ausblick, Bild- mitte beleuchteter Firnisgirlande Bereich 9 28,5 cm v. r. / 9,2 Fußboden, un- cm v. u. ten Mitte unterer Bild- Abschabung Bereich 10 24,0 cm v. r. / 0,7 rand rechts von Firnis und cm v. u. Malschicht

Tab. B.2.1: Übersicht der mikroskopisch untersuchten Bereiche und Probeentnahmestellen für Querschliffe

474 B.2.2 Daten der Versuche zur Wirkung von Lösemitteln an den Querschliffen

Versuchsaufbau und -ablauf sind in Kapitel 3.4 (S. 103-112) beschrieben. Für den Anschliff wird Micro Mesh®, Körnung 3600 verwendet (mit Ausnahme von Probe 4a im Versuch mit 2- Propanol mit Micro Mesh®, Körnung 4000 wegen der Brüchigkeit der Probe), als Lösemittel Ethanol reinst und i-Propanol. Die Zeit bis zur Bildaufnahme ist bis 24 Stunden in Stunden, da- rüber in Tagen angegeben.

Proben Lösemittel Versuchsdauer Raumtemperatur Zeit bis zur Bildaufnahme

1a 2-Propanol 4 min 18° C 1 Tag 1a Ethanol 2 min 19° C 22 Std. 1b 2-Propanol 5 min 18° C 23 Std. 1b Ethanol 3 min 19° C 22 Std. 2 2-Propanol 3 min 18° C 22 Std. 2 Ethanol 3 min 19° C 22 Std. 4a 2-Propanol 5 min 18° C 22 Std. 4a Ethanol 3 min 19° C 21 Std. 4b 2-Propanol 5 min 18° C 22 Std 4b Ethanol 3 min 19° C 21 Std. 5a 2-Propanol 5 min 19° C 20 Std. 5a Ethanol 3 min 19° C 21 Std. 5b 2-Propanol 5 min 18° C 21 Std. 5b Ethanol 3 min 19° C 21 Std. 8a 2-Propanol 7 min 18° C 21 Std. 8a Ethanol 4 min 19° C 21 Std. 8b 2-Propanol 7 min 18° C 21 Std. 8b Ethanol 4 min 19° C 21 Std.

Tab. B.2.2: Daten der Versuche zur Wirkung von Lösemitteln am Querschliff

475 B.3 Fallstudie III: Jacob Jordaens, Das Bohnenfest (Der König trinkt)

B.3.1 Übersicht der mikroskopisch untersuchten Bereiche und Probeentnahmestellen für Querschliffe

Untersuchte Befunde Mikrosko- Koordinaten der Querschliff- Koordinaten der Bereiche pisch unter- Bereiche Proben Probeentnahme- suchte Be- stellen reiche

Stiefel des Firnisdeforma- Bereich 1 183,0 cm v. l. / 1a, 1b 178,0 cm v. l. / Boten, links tionen, gew. 27,0 cm v. u. 21,7 cm v. u. Malschichtrisse Stiefel des Firnisdeforma- Bereich 2 182,0 cm v. l. / Boten, links tionen, gew. 25,7 cm v. u. Malschichtrisse Stiefel des Firnisdeforma- Bereich 3 124,3 cm v. r. / 3a, 3b, 3c 124,3 cm v. r. / Boten, rechts tionen, Luft- 29,0 cm v. u. 30,0 cm v. u. (Pr. blasen im 3a u. 3b) und 134,0 Firnis, Migra- cm v. r. / 24,9 cm tion von Farbe v. u. (Pr. 3c) Gewand des Firnisdeforma- Bereich 4 59,5 cm v. l. / 4a, 4b 58,3 cm v. l. / Arztes tionen, Migra- 127,5 cm v. u. 128,2 cm v. u. tion von Farbe roter Ärmel Bereich ohne Bereich 5 50,5 cm v. r. / 5a, 5b 50,5 cm v. r. / des Bohnen- geweitete Mal- 115,5 cm v. u. 114,5 cm v. u. königs schichtrisse Karaffe in der Runzelbildung Bereich 6 88,0 cm v. r. / Hand des Boh- des Firnisses 101,3 cm v. u. nenkönigs Karaffe in der Umfeld der Bereich 7 91,0 cm v. r. / Hand des Boh- Runzelbildung 102,5 cm v. u. nenkönigs des Firnisses Tischgestell Firnisinseln Bereich 8 107,1 cm v. l. / 8a, 8b, 8c 106,4 cm v. l. / 28,8 cm v. u. 28,4 cm v. u. Tischgestell Firnisinseln Bereich 8a 105,5 cm v. l. / 44,5 cm v. u.

Tischgestell Randbereich der Bereich 9 108,0 cm v. l. / Firnisinseln 28,3 cm v. u. Tischgestell Umfeld der Bereich 10 114,0 cm v. l. / 10 113,0 cm v. l. / Firnisinseln 28,0 cm v. u. 28,2 cm v. u. Rocksaum des Firnisläufer Bereich 11 140,0 cm v. l. / Boten 70,2 cm v. u. Fußboden, Reste der Num- Bereich 12 12 16,0 cm v. l. / 4,0 Ecke links mer des Inv. cm v. u. unten 1749ff.

Tab. B.3.1: Übersicht der mikroskopisch untersuchten Bildbereiche und Probeentnahmestellen

476 B 3.2 Daten der Löseversuche an der Bildoberfläche

Als Lösemittel wird 2-Propanol verwendet. Der Versuchsablauf ist in Kapitel 3.7 (S. 136) be- schrieben. Die aufgetragene Menge des Lösemittels und die Versuchsdauer sind nicht festgehal- ten. Die Zeit bis zur Bildaufnahme ist bis 24 Stunden in Stunden, darüber in Tagen angegeben.

Bereiche Lösemittel Raumtemperatur Zeit bis zur Bildaufnahme

1 2-Propanol 19 °C 1 Tag 4 2-Propanol 20 °C 1 Tag 5 2-Propanol 19 °C 2 Tage 8 2-Propanol 19 °C 1 Tag

Tab. B.3.2: Daten der Versuche zum Löseverhalten des Firnisses an der Bildoberfläche

B 3.3 Daten der Versuche zur Wirkung von Lösemitteln an den Querschliffen

Versuchsaufbau und -ablauf sind in Kapitel 3.4 (S. 102-112) beschrieben. Für den Anschliff vor dem Versuch wird Micro Mesh®, Körnung 3600 verwendet, bei den Proben 1a, 1b, 5a und 10 für den Anschliff vor dem Versuch mit 2-Propanol wegen der Brüchigkeit der Proben Micro Mesh®, Körnung 6000. Lösemittel sind 2-Propanol und Ethanol reinst. Die Zeit bis zur Bildauf- nahme ist bis 24 Stunden in Stunden, darüber in Tagen angegeben.

Proben Lösemittel Versuchsdauer Raumtemperatur Zeit bis zur Bildaufnahme

1a 2-Propanol 6 min 19 °C 3 Tage 1a Ethanol 4 min 20 °C 5 Tage 1b 2-Propanol 8 min 19 °C 1 Tag 1b Ethanol 6 min 20 °C 5 Tage 3a 2-Propanol 8 min 19 °C 1 Tag 3a Ethanol 4 min 19 °C 3 Tage 3b 2-Propanol 5 min 19 °C 1 Tag 3b Ethanol 3 min 20 °C 5 Tage 3c 2-Propanol 3 min 19 °C 1 Tag 3c Ethanol 3 min 19 °C 1 Tag 4a 2-Propanol 5 min 19 °C 1 Tag 4a Ethanol 3 min 19 °C 1 Tag 4b 2-Propanol 6 min 19 °C 1 Tag 4b Ethanol 3 min 19 °C 1 Tag 5a 2-Propanol 5 min 18 °C 6 Tage 5a Ethanol 3 min 19 °C 1 Tag 5b 2-Propanol 5 min 19 °C 3 Tage 5b Ethanol 3 min 19 °C 1 Tag 8a 2-Propanol 4 min 20 °C 1 Tag 8a Ethanol 3 min 19 °C 1 Tag 8b 2-Propanol 10 min 20 °C 1 Tag 8b Ethanol 3 min 19 °C 1 Tag 8c 2-Propanol 6 min 20 °C 1 Tag 8c Ethanol 3 min 19 °C 1 Tag

477 Proben Lösemittel Versuchsdauer Raumtemperatur Zeit bis zur Bildaufnahme (Fortset- (Fortsetzung) (Fortsetzung) (Fortsetzung) (Fortsetzung) zung)

10 2-Propanol 6 min 18 °C 3 Tage 10 Ethanol 3 min 19 °C 1 Tag 12 2-Propanol Keine Angabe Keine Angabe Keine Angabe 12 Ethanol 3 min 19 °C 1 Tag

Tab. B.3.3: Daten der Versuche zur Wirkung von Lösemitteln am Querschliff

478 B.4 Fallstudie IV: Melchior de Hondecoeter, Die weiße Henne mit Küchlein

B.4.1 Übersicht der mikroskopisch untersuchten Bereiche und Probeentnahmestellen für Querschliffe

Untersuchte Befunde Mikrosko- Koordinaten der Querschliff- Koordinaten Bereiche pisch unter- Bereiche Proben der Probeent- suchte nahmestellen Bereiche

Laubwerk im borkenartige Firnis- Bereich 1 36,5 cm v. l. / Probe 1a und 37,5 cm v. l. / Landschafts- deformationen 60,0 cm v. u. Probe 1b 60,0 cm v. u. ausblick Laubwerk im Migration des Zwi- Bereich 2 38,0 cm v. l. / Landschafts- schenfirnisses 60,5 cm v. u. ausblick Laubwerk im mechanische Fir- Bereich 3 30,8 cm v. l. / Landschafts- nisdünnung 62,7 cm v. u. ausblick Laubwerk im mechanische Fir- Bereich 4 32,2 cm v. l. / Landschafts- nisdünnung, Rand- 58,0 cm v. u. ausblick bereich Himmel borkenartige Firnis- Bereich 5 44,8 cm v. l. / Probe 5 44,6 cm v. l. / deformationen 74,8 cm v. u. 73,9 cm v. u.

Himmel borkenartige Firnis- Bereich 6 45,1 cm v. l. / deformationen 74,7 cm v. u.

Hals des Hahns borkenartige Firnis- Bereich 7 11,7 cm v. r. / Probe 7a und 11,3 cm v. r. / deformationen 61,0 cm v. o. Probe 7b 62,0 cm v. o.

Flügel des Firnis mit geringen Bereich 8 7,0 cm v. r. / 71,3 Probe 8a und 7,8 cm v. r. / Hahns Deformationen, cm v. o. Probe 8b 71,8 cm v. o. Firnistropfen rechter Bildrand Abschabung der Bereich 9 0,7 cm v. r. / 42,1 Probe 9 0,7 cm v. r. / Malschicht und cm v. u. 45,5 cm v. u. Grundierung

Tab. B.4.1: Übersicht der mikroskopisch untersuchten Bereiche und Probeentnahmestellen für Querschliffe

479 B.4.2 Daten der Löseversuche an der Bildoberfläche

Als Lösemittel wird 2-Propanol verwendet. Der Versuchsablauf ist in Kapitel 3.7 (S. 136) be- schrieben. Die aufgetragene Menge des Lösemittels und die Versuchsdauer sind nicht festgehal- ten. Die Zeit bis zur Bildaufnahme ist bis 24 Stunden in Stunden, darüber in Tagen angegeben.

Bereich Lösemittel Raumtemperatur Zeit bis zur Bildaufnahme

1 2-Propanol 20 °C 1 Tag 5 2-Propanol 20 °C 1 Tag 6 2-Propanol 20 °C 1 Tag 7 2-Propanol 20 °C 1 Tag 8 2-Propanol 22 °C 2 Tage

Tab. B.4.2: Daten der Versuche zum Löseverhalten des Firnisses an der Bildoberfläche

B.4.3 Daten der Versuche zur Wirkung von Lösemitteln an den Querschliffen

Versuchsaufbau und -ablauf sind in Kapitel 3.4 (S. 102-112) beschrieben. Für den Anschliff vor dem Versuch wird Micro Mesh®, Körnung 3600 verwendet. Lösemittel sind 2-Propanol und Ethanol reinst. Die Zeit bis zur Bildaufnahme ist bis 24 Stunden in Stunden, darüber in Tagen angegeben.

Proben Lösemittel Versuchsdauer Raumtemperatur Zeit bis zur Bildaufnahme

1a 2-Propanol 5 min 20 °C 1 Tag 1a Ethanol 3 min 20 °C 3 Tage 1b 2-Propanol 5 min 20 °C 1 Tag 1b Ethanol 3 min 20 °C 3 Tage 5 2-Propanol 5 min 20 °C 1 Tag 5 Ethanol 3 min 20 °C 3 Tage 7a 2-Propanol 7 min 20 °C 1 Tag 7a Ethanol 4 min 20 °C 3 Tage 7b 2-Propanol 5 min 20 °C 1 Tag 7b Ethanol 4 min 20 °C 3 Tage 8a 2-Propanol 6 min 20 °C 1 Tag 8a Ethanol 4 min 20 °C 3 Tage 8b 2-Propanol 6 min 20 °C 1 Tag 8b Ethanol 4 min 20 °C 3 Tage 9 2-Propanol 5 min 20 °C 3 Tage 9 Ethanol 3 min 21 °C 1 Tag

Tab. B.4.3: Daten der Versuche zur Wirkung von Lösemitteln am Querschliff

480

C Bildkataloge zu den Fallstudien