Der Barbarenschatz. Geraubt und im Rhein ver­ Die Fundstelle von befindet sich am Alt­ sunken rhein direkt östlich von . Die Anbindun­ Hrsg, vom Historischen Museum der Pfalz, Speyer gen der anderen Gewässerfundstellen an das Stra­ (Speyer, Stuttgart 2006). 247 S., ca. 350 überwiegend ßennetz und die Besiedlung des 1.-3. Jahrhunderts farbige Abbildungen. Buchhandelsausgabe gebun­ werden leider nicht diskutiert. den mit Schutzumschlag: € 24,90 ISBN-10: 3 8062 In der Ausstellung wie im Katalog wird bei den rö­ 2025 5; Museumsausgabe broschiert: € 19,90 ISBN- mischen Gegenständen aus den Flussfundstellen 13: 978 3 8062 2025 4 Neupotz, , /Mechtersheim und Otterstadt durchgängig von Hortfunden gesprochen. Autoren aus Speyer gaben 1990 einen Einblick in Grundtenor der Interpretation ist die Annahme, dass Funde aus dem Rhein bei Hagenbach (H. Bernhard/ es sich damit um (mehr oder weniger) geschlossene H.-J. Engels/R. Engels/R. Petrovszky, Der römische Fundkomplexe handelt. Diese Prämisse bestand be­ Schatzfund von Hagenbach [Mainz 1990]), und 1993 reits in den Publikationen von 1990 und 1993. E. wurde die große „Alamannenbeute “ aus einem ehe­ Künzl sprach nicht nur bei den Kesseln mit weiterem maligen Rheinlauf bei Neupotz unter der Herausge­ Inhalt (Befund Nr. 1 vom 30./31.7. 1980, Nr. 2vom berschaft von Ernst Künzl publiziert (E. Künzl, Die 2.7.1981), sondern auch bei Tagesausbeuten und En­ Alamannenbeute aus dem Rhein bei Neupotz. Plün­ sembles von mehreren Jahren von „Befunden“ (Nr. derungsgut aus dem römischen Gallien. Monogr. 3-12). Gewisse Widersprüche werden im „Barbaren- RGZM 34 [Mainz 1993]). 2006 veranstaltet nun das schatz“-Katalog aufgezeigt, aber nicht zur Kritik an Historische Museum der Pfalz in Speyer unter der der monokausalen Interpretation oder zur Bildung wissenschaftlichen Leitung von Richard Petrovszky alternativer Modelle genutzt. Nun hätte die Möglich­ eine hervorragend inszenierte Ausstellung zu den keit bestanden, mit dieser Vorgabe zu brechen. Rheinfunden von Neupotz als Schwerpunkt sowie In der Neuvorlage haben sich einige Details im Ver­ weiteren vergleichbaren römischen Flussfundstellen gleich zur ersten wissenschaftlichen Neupotz-Publi- der Region. Das Begleitbuch stellt die reichen Me­ kation ergeben. Dies betrifft z.B. die Münzreihe aus tallfunde - hauptsächlich Bronzegeschirr, aber auch 39 Exemplaren, die nun Joachim Gorecki nicht mehr Votivbleche, Waffen, Wagen und Werkzeug - in zahl­ mit einer Prägung des Probus um 277 enden lassen reichen Artikeln synthetisch und gut bebildert vor. will, sondern „um 260“, dadie Massenprägungen Die Materiahnengen sind beachtlich: Allein von der von 260-274 fehlen und das Stück des Probus nicht Fundstelle Neupotz stammen 1062, überwiegend rö­ dem Hauptfund angehört, sondern zu einem unge­ mische Objekte, darunter 297 Metallgefäße aus Bag­ klärten „Befund 14“. Nur drei frisch erhaltene An- gerarbeiten der Jahre 1967-1997. toniniane des Gallienus von 258-259 gehören zum Von großem Interesse und neu sind einführende Be­ großen Kesselfund (Befund Nr. 1 vom 30./31. 7.1980), merkungen von Helmut Bernhard, Martin Mainber­ der wirklich als geschlossen betrachtet werden kann. ger, Richard Petrovszky und Rüdiger Schulz, die Ein­ So wird versucht, auch die anderen „Schatzfunde “ blicke in den Fundplatz Neupotz und in den aus dem Rhein mit den Germaneneinfällen von 260 Kiesbetrieb der 1980er Jahre geben, in dem mit ei­ n. Chr. zu verknüpfen - auch der Augsburger Sieges­ nem Schwimmbagger gearbeitet wurde. Der Bagger altar wird gezeigt und besprochen; in der Darstellung trägt die fluviale Kiesschicht nicht flächig ab, son­ des historischen Kontextes zu Beginn mahnt Helmut dern gräbt mit einer Baggerschaufel an einer Kette Bernhard allerdings für den allgemeinen Kontext tiefe Rinnen, so dass das zurückgelassene Relief im zwischen 233 und 274 wieder zur Vorsicht bei exak­ Wasser sehr unruhig ist und Fundobjekte allein auf­ ten Zuweisungen. grund des nachrutschenden Kieses aus unterschied ­ Ronald Bockius bildet nun die hölzerne Stakstange lichen Schichten stammen können; sedimentologi- mit gegabeltem Eisenbeschlag, von dem bisher nur sche Untersuchungen und Profile fehlen. Ein sein eisernes Ende bekannt war, mit seinem unvoll­ Aussondern von archäologischem Fundgut konnte ständigen (?), immerhin 1,39 m lang erhaltenen Holz­ damals visuell am Bagger stattfinden, aber auch da­ schaft ab. Damit ist dies der einzige größere Holzge ­ nach an den Förderbändern und auf den Abraumhal­ genstand: von den ehemals doch viel massiveren den. Bei den heute eingesetzten automatisierten Radreifen sind (zumindest nach der Selektion im Schwimm- und Saugrohrbaggern, letztere mit Frak­ Kieswerk) nur Trümmer der Naben überliefert. tionstrennung unter Wasser, besteht keine Möglich­ Eine bronzene Kanne mit Kleeblattmündung wird keit mehr, Flussfunde zu bergen. jetzt nicht mehr als griechisches Original des 4. Jahr­

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hunderts v. Chr, gedeutet, sondern von Reinhard Stup- Landesmus. Trier 21 [Trier 2001]), aber vor allem die perich als Vertreter eines römischen, klassizistischen Tätigkeiten Louis Bonnamours in der Saöne sind Geschmacks des 1. Jahrhunderts n, Chr. interpretiert. hervorzuheben, die mit der Publikation eines Katalo- Die Diskrepanz in der Datierung mit dem „Hortfund“ ges und eines Begleitbuches zur Ausstellung „Ar- aus der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. wird cheologie de la Saöne. Le fleuve, gardien de la me- über eine zwischenzeitliche Deponierung in einem moire“ 2000 ihren Höhepunkt gefunden haben (L. gallischen Heiligtum erklärt, das erst später von Ala­ Bonnamour, Archeologie de la Saöne. Le fleuve, gar­ mannen ausgeraubt wurde. Man darf aber fragen, dien de la memoire [Paris 2000];ders. [Hrsg.], Ar­ welche Beispiele es für Heiligtümer mit derart vielen cheologie des fleuves et des rivieres [Paris 2000]; deponierten Bronzegefäßen gibt. Neben dieser vgl. weiter: A. Dumont, Les passages ä gue de la Kanne stammen auch aus Neupotz und den anderen grande Saöne. Approche archeologique et historique „Hortfunden“ Objekte, die in ihrer Chronologie stark d’un espace fluvial (de Verdun-sur-le-Doubs äLyon). vom angenommen Beutegut abweichen. Darunter be­ Rev. Arch. Est et Centre-Est Suppl. 17 [Dijon 2002]). findet sich z. B. ein Dolch mit einer Scheide mit Wie steht es nun mit der Gesamtinterpretation des Email und Tauschierung aus Hagenbach - ein typi­ „Barbarenschatzes“ aus dem Rhein? In Titel, Über­ sches Produkt des 1. Jahrhunderts n. Chr. -, das so häu­ schriften und den Texten wird ein Modell vorge­ fig als Gewässerfund überliefert wurde, dass diese stellt, nach dem es sich bei den Stücken um Beute Gruppe als gutes Beispiel für die absichtliche Depo­ zurückflutender Alamannenhorden handeln solle, nierung durch gallo-römische Soldaten dienen kann die durch Unglücksfälle oder gar das Eingreifen der (A. Thiel/W. Zanier, Römische Dolche - Bemerkun­ römischen Rheinflotte im Fluss gelandet sein soll - gen zu den Fundumständen. Journal Roman Military Plünderungsgut aus dem Innern bzw. Südwesten Equipment Stud. 5,1994, 59-81). Galliens, ehemals auf Transportwagen gut gestapelt Von Interesse ist auch, dass die latenezeitlichen Waf­ und verpackt. Unter den Fundstücken befinden sich fen - ein Kurzschwert der Stufe Lt A, ein Schwert der durchaus solche, die der Interpretation als Beute Stufe Lt CI und eine Lanzenspitze - nun nicht mehr Rechnung zollen: so die Gruppe der silbernen Votiv­ als Altstücke (nach Ulrich Schaaff in Künzl [Hrsg.], bleche aus Hagenbach, die epigraphisch dem franzö­ 1993, 57-68 evtl, aus einem geplünderten römischen sischen Pyrenäenraum zugeordnet werden können, Heiligtum der Champagne) interpretiert werden, einzelne Metallgefäße mit Weiheinschriften oder sondern von Juliane Stadler als latenezeitliche Ge­ einzelne andere sakrale Gegenstände. Erwähnt wer­ wässerfunde, also Waffendeponierungen, wie sie aus den sollte aber auch, dass es u. a. von der Trierer Mo­ La Tene, Port und vielen anderen Fundorten vorlie­ selbrücke Objekte mit Weiheinschriften gibt. Es gen - so auch aus der Nachbarschaft, dem Rhein bei stellt sich die Frage, ob das vorgeschlagene Interpre­ Rheinzabern (R. Schulz, Latenefunde aus Rheinza­ tationsmodell der untergegangenen Rheinfähren mit bern, Kreis . Arch. Pfalz, Jahresber. alamannischem Plünderungsgut die einzige Mög­ 2001 [2003], 91-96.). Auf diese Interpretationen wird lichkeit bleibt. noch zurückzukommen sein. Bei den Gewässerfunden kann es sich nur bedingt Hingewiesen werden soll ebenfalls - weil nicht ganz um geschlossene Funde handeln - einzig die inein­ unerheblich für den Charakter der Fundstelle - auf andergestapelten Bronzegefäße der Ensembles 1980/ die (mittelalterlichen) Pferdehufeisen und (neuzeitli­ 401-III sowie 1981/251 aus Neupotz oder die zu Bün­ chen?) Rinderhufschuhe, die noch von Sigrid Al- deln geschnürten Vötivbleche aus Hagenbach kön­ földy-Thomas (in: E. Künzl [Hrsg.], 1993, 331-344) nen so interpretiert werden. Den überwiegenden An­ ausführlich besprochen, nun aber nur noch am Rande teil nimmt Material der römischen Kaiserzeit ein - erwähnt werden. Trotzdem bilden sie einen Schlüssel aber es ist nicht allein auf den breiten Katastrophen­ für die Interpretation der Fundstelle und zusammen horizont des 3. Jahrhunderts n. Chr. einzugrenzen. mit den latenezeitlichen Waffen und älteren Bronze­ Der Großteil der Funde mag „Alamannenbeute“ sein gefäßen auch für deren Nutzungsdauer.- nur warum landete sie im Rhein? Gerade Germa­ Gewässerfunde haben in den letzten Jahren eine seit nen tätigten Beuteopfer (vgl. Sieg und Triumpf [sic!]: Walter Torbrügge’s Zeiten (Ber. RGK. 51/52,1970/71, der Norden im Schatten des Römischen Reiches 1-146) zuvor ungeahnte Renaissance gefunden. 2001 [Sonderausstellung Nationalmuseum Kopenhagen, fand eine Ausstellung in Trier statt (H.-P Kuhnen, Mai 2003 - März 2004] [Kpbenhavn 2003]). Dass Abgetaucht, aufgetaucht. Flussfundstücke. Aus der die Objekte des 3. Jahrhunderts freiwillig dem Rhein Geschichte. Mit ihrer Geschichte. Schriftenr. Rhein. übergeben wurden, würde vielleicht das Fehlen ger­

226 Schönfelder, Besprechung „Der Barbarenschatz“ manischer Fundstücke erklären. Oder waren auch Dr. Martin Schönfelder plündernde römische Bürgerkriegstruppen beteiligt? Andere Interpretationen sind hier durchaus diskussi­ onswürdig. Nach Ausweis der Hufeisen und Hufschuhe wäre zu bedenken, ob es sich bereits in römischer Zeit um eine Furt handelte. Am Rheinübergang von Neupotz konnte nicht nur der Sigillata-Handel von Rheinza­ bern den Rhein überqueren. Unglücksfälle mit gan­ zen Wagenladungen wären möglich, wenngleich sie nicht als Modell zur Interpretation der großen Fund­ mengen dienen sollten; da die Funde meist unter Ein­ satz des Metalldetektors gewonnen wurden, bleibt der Anteil an Keramik unklar. Die Römer - besser: romanisierten Gallier - opferten in Gewässern Münzen, Bronzegefäße, Kultgegen­ stände und auch Waffen, besonders an Flussübergän­ gen. Wenn man hier eine längere Ansammlung von Fundstücken über mehrere Jahrhunderte annimmt - wie es die Latene-Schwerter und die Bronzegefäße des 6./5. Jahrhunderts v. Chr. (eine tessinische Situla aus Neupotz, ein Kesselder Variante Hallstatt der Stufe Ha D aus Lingenfeld/Mechtersheim [zum Typ vgl. M. Egg, Das hallstattzeitliche Fürstengrab im Hügel 3 von Kappel am Rhein in Baden. Monogr. RGZM 63 [Mainz 2005] 139 f.) sowie die Gegen­ stände des 1. Jahrhunderts n.Chr. bezeugen - so klä­ ren sich gezwungen klingende Interpretationen von selbst. Eine Deponierung römischer Gerätschaften und Gefäße an bzw. sogar in der Rollierung von Fur­ ten ließ sich durch die Tauchuntersuchungen von L. Bonnamour in der Saöne nachweisen. Die monokausale Interpretation der römischen Ge­ wässerfunde aus dem Rhein bei Neupotz, Hagen­ bach, Lingenfeld/Mechtersheim und Otterstadt als Hortfunde, Alamannenbeute oder Barbarenschätze - und damit als geschlossene Funde - hat leider eine differenzierte Beschäftigung mit dem Phänomen der römischen Gewässerfunde am Rhein bislang verhin­ dert - so jedenfalls die Sichtweise des rezensieren­ den Prähistorikers, der hier die Debatte neu anstoßen will. Mit der Ausstellung wurde wie schon in den äl­ teren Publikationen ein Interpretationsmodell sehr selbstsicher als alleinige Möglichkeit dargestellt; eine distanzierte Beschäftigung mit dem For­ schungsgegenstand oder ein „Augenzwinkern“ ist leider unterblieben.

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