20 Jahre Landtag Daten – Namen – Begebenheiten Die umseitige Abbildung des Landtages Brandenburg entstammt der zum 50-jährigen Jubiläum der Bundes­ republik Deutschland herausgegebenen Briefmarkenserie „Landesparlamente in Deutschland“ (Ausgabe­ datum: 12. März 1998). Die Entwürfe wurden von Prof. Gerd Aretz und seinem Sohn Oliver gefertigt. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der „Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Archiv für Philatelie, Bonn“. 20 Jahre Landtag ­Brandenburg

Eine Erinnerungsgabe des Landtagspräsidenten Gunter Fritsch zum Festakt am 26. Oktober 2010 im Nikolaisaal in Potsdam

zusammengestellt von Katrin Rautenberg Leiterin Präsidialbüro / Pressestelle des Landtages Brandenburg

– Redaktionsschluss: 31. August 2010 –

Inhalt

Vorwort von Landtagspräsident Gunter Fritsch ...... 5

I. Über das derzeitige Landtagsgebäude 1. Von der Kriegsschule zum Landtag...... 9 2. Wenn ein Präsident stempeln geht – Der Landtag in Briefmarkenformat .... 13

II. Über das künftige Landtagsgebäude ...... 15 III. Rückblick auf den 1946 frei gewählten Landtag der „Provinz Mark Brandenburg“ ...... 17 IV. Von der friedlichen Revolution zu den Landtagswahlen am 14. 10. 1990 ...... 21 V. Die 1. Wahlperiode des Landtages vom 26. 10. 1990 bis 11. 10. 1994 1. Das Wahlergebnis und die Abgeordneten ...... 23 2. Die konstituierende Sitzung des ersten Landtages ...... 26 3. Die Landesregierung ...... 28 4. Bilanzen und Begebenheiten: Vom Organisationsgesetz über die Verfassungsgebung bis zum „Minderheitengesetz“ ...... 30 VI. Die 2. Wahlperiode des Landtages vom 11. 10. 1994 bis 29. 09. 1999 1. Das Wahlergebnis und die Abgeordneten ...... 47 2. Die konstituierende Sitzung des zweiten Landtages ...... 49 3. Die Landesregierung ...... 51 4. Bilanzen und Begebenheiten: Von Rückschlägen und Neuerungen ...... 52

3 VII. Die 3. Wahlperiode des Landtages vom 29. 09. 1999 bis 13. 10 . 2 0 0 4 1. Das Wahlergebnis und die Abgeordneten ...... 61 2. Die konstituierende Sitzung des dritten Landtages ...... 63 3. Die Landesregierung ...... 65 4. Bilanzen und Begebenheiten: Vom erfolgreichen Volksbegehren über die Gemeindegebietsreform bis zum Konsolidierungskurs ...... 67 VIII. Die 4. Wahlperiode des Landtages vom 13. 10. 2004 bis 21. 10 . 2 0 0 9 1. Das Wahlergebnis und die Abgeordneten ...... 75 2. Die konstituierende Sitzung des vierten Landtages ...... 77 3. Die Landesregierung ...... 79 4. Bilanzen und Begebenheiten: Vom Umsteuern in der Wirtschaftspolitik bis zum „Nichtrauchendenschutzgesetz“ ...... 80 IX. Die 5. Wahlperiode des Landtages ab 21. 10 . 2 0 0 9 1. Das Wahlergebnis und die Abgeordneten ...... 91 2. Die konstituierende Sitzung des fünften Landtages ...... 93 3. Die Landesregierung ...... 95 4. Zwischenbilanzen und Begebenheiten: Von einer neuen Geschäftsordnung bis zum Ausbildungsförderungsgesetz ...... 97

X. Die Direktoren des Landtages ...... 101

XI. Rück- und Ausblicke 1. Schlussbetrachtung ...... 103 2. Verfassungsänderungen ...... 106 3. Was den Fraktionen wichtig ist ...... 110 4. Akteure von damals und heute erinnern sich ...... 111 5. Vom Schatten der Vergangenheit zum neuen Weg ...... 122 6. Verstorbene Abgeordnete ...... 125

Literatur- und Quellenverzeichnis ...... 127

Bildnachweis ...... 131

4 Vorwort

Liebe Leser, diese Schrift soll einen kleinen Überblick über die bisherige Arbeit des Landtages Brandenburg in den 20 Jahren seines geleistet worden. Wir sind heute im- Bestehens geben; über die bedeutends- mer noch gut gerüstet mit einer moder- ten Gesetze, Ereignisse, Daten, Fakten nen Landesverfassung, die vom Land- und die handelnden Personen. Sie rich- tag nach heftigen Diskussionen am tet sich insbesondere an die heutigen 14. 04. 1992 verabschiedet und von den und früheren Abgeordneten des Landta- Brandenburgerinnen und Brandenbur- ges Brandenburg, die als Vertreter des gern am 14. 06. 1992 durch Volksent- Volkes im Mittelpunkt unseres Festaktes scheid angenommen wurde. am 26. 10. 2010 stehen. Und bei aller Ar- Große Auseinandersetzungen gab beit hat es parteiübergreifend auch hei- es um die Frage der Kontakte des Mi- tere Momente gegeben, an die wir uns nisterpräsidenten Dr. Manfred Stolpe gern erinnern lassen und die daher auch zur Staatssicherheit der DDR. Nach Ab- in dieser Schrift nicht fehlen. schluss eines zur Klärung dieser Frage Wir sind in der ­„Gesetzesschmiede“ eingerichteten Untersuchungsausschus- Landtag nun in der 5. Etappe angekom- ses wurde vom Landtag ein Entschlie- men und können feststellen, dass wir ßungsantrag „Mit menschlichem Maß inzwischen reifer und routinierter, nicht die Vergangenheit bewerten“ angenom- unbedingt ruhiger, aber gelassener ge- men. Der in der 1. Wahlperiode beschrit- worden sind. Wir haben in den 20 Jah- tene „Brandenburger Weg“ zeichnete ren viel auf den Weg gebracht und kön- sich dadurch aus, dass eine große Ge- nen uns in der Reihe der deutschen meinsamkeit des politischen Handelns Bundesländer selbstbewusst sehen las- bestand. sen. In der 2. Wahlperiode wurden die In der 1. Wahlperiode, in der Zeit Weichen für die Fusion der Länder Ber- der sogenannten Ampelkoalition, sind lin und Brandenburg mit der Zustim- die Grundlagen für die Arbeit im Land mung beider Parlamente am 22. 06. 1995 geschaffen und wertvolle Aufbauarbeit zum Neugliederungsstaatsvertrag ge-

Vorwort 5 stellt. In der ein Jahr später durchge- Wegfalls von Fördermitteln in den be- führten Volksabstimmung verweigerten troffenen Regionen intensiv auseinan- die Brandenburger der Fusion jedoch dergesetzt. ihre Zustimmung. Ebenfalls in der 4. Wahlperiode In der 3. und 4. Wahlperiode, in der nahm im Landtag erstmals ein Sonder- Zeit der Koalition von SPD und CDU, ausschuss zum Bürokratieabbau sämt- sind wichtige Vorhaben wie die Gemein- liche Normen und Standards unter die degebietsreform und eine Polizeistruk- Lupe. So wurde das Instrument der Bü- turreform auf den Weg gebracht wor- rokratiekostenmessung eingeführt und den. die wichtigsten Gesetze im Land erhiel- Wegen der sich immer schwieriger ten ein Preisschild. gestaltenden Haushaltslage des Landes Große Erfolge haben wir im Kampf hatten sich die Abgeordneten im Rah- gegen den Rechtsextremismus zu ver- men der Haushaltsdebatten mehr und zeichnen. Vor dreizehn Jahren haben wir mehr mit den Zwängen eines konse- begonnen, uns der Thematik offensiv zu quenten Umsteuerns in der Finanz- und stellen. Die Arbeit des 1997 gegründeten Wirtschaftspolitik zu beschäftigen. Der landesweiten „Aktionsbündnisses gegen erste Finanzminister, Klaus-Dieter Küh- Gewalt, Rechtsextremismus und Frem- bacher, hat es so beschrieben: „Wenn denfeindlichkeit“ und die Umsetzung ich es heute bedenke, haben wir nach des 1998 beschlossenen Handlungs- 1990 über unsere Verhältnisse gelebt. konzeptes „Tolerantes Brandenburg“ Wir haben zu viel zu schnell finanziert. der Landesregierung haben Früchte ge- So ist es auch zu mancher Fehlinvestiti- tragen. Unter aktiver Beteiligung des on gekommen.“1 Mit den Konsequenzen Landtages Brandenburg gelang es zum musste sich der Landtag in Sonderaus- Volkstrauertag am 18. 11. 2006 in Halbe schusssitzungen oder auch in Unter­ und Seelow, rund 10 000 Bürgerinnen suchungsausschüssen befassen. Dabei und Bürger gegen einen geplanten Auf- hat sich der Landtag als Ort der poli- marsch von Rechtsextremen zu mobili- tischen Auseinandersetzung bewährt. sieren. Bis in die kleinste Gemeinde sind In den 20 Jahren der Geschichte des fast über die gesamte Fläche des Lan- Landtages waren beispielsweise elf Un- des regionale Aktionsbündnisse gegen tersuchungsausschüsse des Landtages Rechtsextremismus und Fremdenfeind- tätig. Auch darüber soll diese Schrift ei- lichkeit gegründet worden. Die Strategie nen Überblick geben. des offenen Umgangs mit dem Thema Über das Umsteuern in der Wirt- ist aufgegangen. schaftspolitik unter dem Motto: „Stärken Beachtlich ist der Rückgang der stärken“ und die Schaffung von Wachs- Arbeitslosigkeit im Land Brandenburg tumskernen hat sich der Landtag in der trotz der schwierigen äußeren Rahmen- 4. Wahlperiode vor dem Hintergrund des bedingungen: Hatte sie im Jahr 2000 noch bei 17 % gelegen, betrug sie Ende 1 v. Gersdorff / Lorenz, 2010, S. 125. August 2010 nur noch 10,6 %. Als Vor-

6 Vorwort sitzender des Tourismusverbandes des 1,20 % weit unter der 5 %-Hürde; am Landes Brandenburg freut mich im 20. 19. 09. 2004 hatte sie noch 6,08 % er- Jahr unseres Bestehens, dass wir große reicht. Fortschritte in den Bereichen der Touris- Nach 20 Jahren seines Bestehens mus- und Gesundheitswirtschaft zu ver- haben wir im Landtag mit dem Ein- zeichnen haben und Brandenburg ein zug der FDP-Fraktion und der Fraktion Reiseland und ein schönes Heimatland GRÜNE / B90 mit fünf Fraktionen wieder geworden ist. Die gemeinsame Wirt- eine ähnliche Konstellation wie in der schaftsregion Berlin-Brandenburg hat 1. Wahlperiode. Der Landtag ist damit zu dieser positiven Entwicklung wesent- bunter und lebhafter geworden, findet lich beigetragen. Zudem wird in vielen aber auch zu Gemeinsamkeiten: Schon Bereichen der Verwaltung, Justiz, Wirt- zu Beginn der Legislaturperiode waren schaft, im Gesundheits- und Sozialwe- sich alle Fraktionen einig, dass die Aus- sen die Fusion bereits gelebt, ohne dass schüsse künftig öffentlich tagen sollten sie vollzogen ist. Die bereits 1991 be- und wurde die „Landesbeauftragte zur schlossene Zusammenarbeit der Par- Aufarbeitung der Folgen der kommunis- lamente beider Länder kann allerdings tischen Diktatur“ einstimmig gewählt. noch optimiert werden. Das neue Landtagsgebäude – über Gut vorangekommen ist unser Land das wir schon fast 20 Jahre sprechen – bei der Klärung der offenen Vermögens- ist in greifbare Nähe gerückt. Optimis- fragen und bei der Konversion. Wenn tisch werden wir es so bauen, dass es man bedenkt, dass gerade Branden- auch im Falle einer Fusion Platz für ein burg stark von Rückübertragungsan- gemeinsames Parlament von Berlin und sprüchen betroffen war und über sehr Brandenburg bietet. Ich freue mich je- viele ehemals militärisch genutzte Flä- denfalls auf die Grundsteinlegung noch chen verfügte, ist es als Erfolg zu be- in diesem Jahr und den Einzug des Par- zeichnen, wenn der Bearbeitungsstand laments im Jahr 2013. bei der Einzelrestitution bereits 99,4 %, Folgen Sie mir nun auf eine klei- bei der Unternehmensrestitution 97,7 % ne Zeitreise durch die 20-jährige Ge- beträgt und weit mehr als 85 % der schichte des Landtages Brandenburg 100 000 Hektar WGT-Flächen heute für und haben Sie Verständnis, wenn aus zivile Zwecke genutzt werden. Auch die Ihrer Sicht wichtige Ereignisse nicht Abgeordneten des Landtages haben oder nicht hinreichend gewürdigt wor- sich immer wieder dafür eingesetzt und den sind. sich mit den regelmäßigen Berichten der Landesregierung zum Stand der Ver- wertung der WGT-Liegenschaften be- fasst. In der 5. Wahlperiode schaffte es die rechtsextreme DVU nicht noch Ihr Gunter Fritsch einmal in den Landtag und blieb mit Präsident des Landtages Brandenburg

Vorwort 7 8 Vorwort I. Über das derzeitige Landtags­ gebäude

Landtag Brandenburg. Luftaufnahme.

1. Von der Kriegsschule zum rung an die Ereignisse des Jahres 1813 ­L a n d t a g 2 – damals hatten Bürger und Landsturm- leute auf dem Berg in der Teltower Vor- Das Gebäude in exponierter Lage auf stadt Schanzanlagen zur Verteidigung dem Brauhausberg hat im Verlauf seiner Potsdams gegen den drohenden Angriff über hundertjährigen Geschichte mehr- der napoleonischen Truppen errichtet – mals sowohl seine äußere Gestalt als wählte Kaiser Wilhelm II. den Brauhaus- auch seine Funktion gewechselt. Erbaut berg für einen Neubau aus. wurde es zwischen 1899 und 1902 als Er legte die architektonische Ausfüh- Königliche Kriegsschule, in der die mi- rung im Stil der englischen Landhäuser litärische Elite ausgebildet wurde. mit Fachwerk und weißgeputzten Feldern Die zuvor genutzten Gebäude in der fest und ließ Renaissance-Motive ver- Waisenstraße (heute Dortustraße) hatten wenden. So wählte er als Vorlage für den sich als ungeeignet erwiesen. In Erinne- Haupteingang die Porta Stupa in Verona.

2 Siehe dazu Präsident des Landtages Brandenburg Ein monumentaler Turm mit einer (Hrsg.), Von der Kriegsschule zum Parlament, 2000. Höhe von 64 m bestimmte das Gebäude.

Das derzeitige Gebäude 9 Der Bombenangriff der Royal Air Force am 14. 04. 1945 verwandelte große Teile des bebauten Brauhausberges in ein Trümmerfeld; das Magazingebäude wurde vollständig zerstört, der Turm und ein Flügel des Hauptgebäudes wurden Reichsarchiv auf dem Brauhausberg im Jahr 1930. beschädigt. Die Auslagerung wertvoller Aktenbestände hatte bereits im August Baumeister war der aus Köln stammen- 1943 begonnen, dennoch wurde mehr de Franz Schwechten (1841 – 1924), ei- als die Hälfte des inzwischen auf 11 000 ner der herausragenden Architekten des laufende Meter angewachsenen Bestan- Kaiserreichs, der bereits Jahre zuvor für des des Heeresarchivs, darunter das den Bau der Kaiser-Wilhelm-Gedächt- Kartenmaterial des preußischen Gene- niskirche in Berlin verantwortlich zeich- ralstabes, ein Opfer der Flammen. nete. Am 02. 08. 1902 wurde das Haus Erst 1947 fand die schwer beschä- seiner Bestimmung übergeben und dien- digte Anlage des Reichsarchivs wieder te fortan der Ausbildung von Offiziersas- öffentliches Interesse. Über eine zukünf- piranten der gesamten Armee. Im Ersten tige Nutzung konnte zunächst keine Ver- Weltkrieg wurde die Kriegsschule als Ba- ständigung zwischen dem Rat der Stadt taillonssammelstelle genutzt. und dem Militärkommandanten Oberst Die Vorgaben des Versailler Ver- Werin erzielt werden. Im Juni 1948 über- trages von 1919 erlaubten dem Deut- gab die sowjetische Besatzungsmacht schen Reich keine Kriegsschulen mehr. das Gebäude der Regierung des Landes Das Gebäude wurde zum Reichsarchiv Brandenburg zur Unterbringung des Fi- umfunktioniert, das nunmehr die zivi- nanzministeriums. len und militärischen Akten des Reiches Die Abteilung Finanzen und Steu- verwaltete. Bald erreichte der Umfang erwesen nutzte das Domizil nur kurz- der Akten so große Ausmaße, dass die zeitig, da der Landesverband der SED Räumlichkeiten nicht ausreichten und das Objekt „Brauhausberg“ als für seine Möglichkeiten zur Vergrößerung des Ge- Verwaltung geeignet ansah. Mit Wirkung bäudes gesucht werden mussten. Im vom 01. 08. 1949 ging das Grundstück Jahre 1935 konnte ein Anbau bezogen Am Havelblick 8 in Parteivermögen über. werden, der als Magazin diente. Im Zuge Um den Raumbedarf decken zu kön- dieser Erweiterungsarbeiten wurde der nen, beschloss die SED-Landesleitung Turm, den man im Hinblick auf die Grö- bereits im August 1950 den Ausbau des ße des Gebäudes als überproportioniert Ostflügels, der vorher als Magazin dien- ansah, auf 50 m abgestockt. te. In den 30er Jahren wurde das mili- An die Stelle der SED-Landesleitung tärische Aktengut vom Reichsarchiv ge- Brandenburg traten am 01. 08. 1952 die trennt; ab 1936 wurde das Heeresarchiv drei SED-Bezirksleitungen für die neu selbstständig geführt. gebildeten Bezirke Potsdam, Frankfurt

10 Das derzeitige Gebäude Blick in das Plenum Heinrich-Mann-Allee 107.

(Oder) und Cottbus, sodass das Gebäu- saals laut geworden waren. Daraufhin de - im Volksmund seither als „Kreml“ teilte der Chef der Staatskanzlei Dr. Jür- bezeichnet - nunmehr die SED-Bezirks- gen Linde in einer Pressemitteilung vom leitung und später auch die SED-Kreis- 19. 04. 1991 Folgendes mit: leitung Potsdam beherbergte. „Von ‚gepackten Koffern in der Nach der Wiedervereinigung Staatskanzlei‘ für einen Umzug auf den Deutschlands am 03. 10. 1990 und den Brauhausberg kann keine Rede sein. Si- Landtagswahlen am 14. 10. 1990 kamen cherlich sprechen ökonomische Grün- die Abgeordneten und die Landtags- de für einen Verbleib des Landtages in verwaltung auf der Suche nach einem der Heinrich-Mann-Allee 107. Ob die angemessenen Landtagssitz zunächst Staatskanzlei und gegebenenfalls weite- gemeinsam mit der Landesregierung re Ministerien in den ehemaligen ‚Kreml‘ in der ehemaligen Kadettenanstalt und umziehen, bedarf einer sorgfältigen dem vorherigen Sitz des Rates des Be- Prüfung. Obwohl damit der derzeitige zirkes Potsdam am Standort Heinrich- Raumnotstand behoben werden könn- Mann-Allee 107, dem heutigen Sitz der te, bestehen erhebliche übergeordne- Staatskanzlei, unter, wo auch schon der te Bedenken – wegen der Nutzung des 1946 gewählte Landtag getagt hatte. Gebäudes in der Vergangenheit. Vor al- Am 16. 01. 1991 beschlossen die Parla- lem die Frage der Zumutbarkeit für die mentarier mit Mehrheit, künftig die Lie- Betroffenen wie die Bürger muß dabei genschaft auf dem Brauhausberg als besondere Beachtung finden. Der Fi- Parlamentsgebäude zu nutzen, nach- nanzminister wurde deshalb gebeten, dem Bedenken wegen der baulichen Si- umgehend eine tragfähige und akzepta- cherheit des bis dahin genutzten Plenar- ble Gesamtkonzeption vorzulegen. Auf

Das derzeitige Gebäude 11 dieser Grundlage wird die Landesregie- schiedenen gemeinsamen Untersuchun- rung in aller Kürze die notwendige Ent- gen von Finanzbauverwaltung und Land- scheidung für eine angemessene Unter- tagsverwaltung ergaben sehr schnell, bringung der Staatskanzlei treffen.“ daß der große Sitzungsraum im Havel- Am 25. 04. 1991 gab Landtagsprä- blick 8 nicht den Anforderungen an ei- sident Dr. Herbert Knoblich im Landtag nen Plenarsaal entspricht. Es fehlen die folgende Erklärung ab: erforderlichen räumlichen Voraussetzun- „Am 16. Januar 1991 hatte sich gen für die Presse und für die Besucher, dieses Hohe Haus mehrheitlich dafür so daß weiter der Frage nachgegan- ausgesprochen, die Liegenschaft Am gen wurde, ob ein zeitweiliger Umzug Havelblick 8 künftig als Parlamentsge- des Landtages in den Havelblick 8 bei bäude zu nutzen und damit den Auftrag gleichzeitiger Nutzung des Plenarsaales an das Präsidium verbunden, unverzüg- hier im Hause möglich wäre. lich alle dazu erforderlichen Vorausset- Die durch die Landtagsverwaltung zungen zu schaffen. Grundlage dieses veranlaßten Untersuchungen eines re- Beschlusses war, daß unabhängig von nommierten Berliner Architektenbüros der unterschiedlichen Bewertung der zu Umbaumaßnahmen Am Havelblick 8 ­Eigentumsverhältnisse Voraussetzungen Ende Januar 1991 ergaben ebenfalls, für vertragliche Regelungen einer Nut- daß es sehr schwer sein würde, das zung geschaffen worden waren. Haus funktionell so umzugestalten, daß Die Absicht, den Havelblick 8 als es den Anforderungen an ein Parla- Parlamentsgebäude zu nutzen, bestand mentsgebäude voll gerecht wird und bereits lange vor der Landtagswahl. Die daß der Umbau des aus verschiedenen wichtigsten zunächst zu klärenden Prob- Baukörpern bestehenden Gebäudes er- leme waren die Eigentumsfrage und die hebliche Mittel verschlingen würde. Unterbringung der bisherigen Nutzer. Von der Finanzbauverwaltung wurde Ende November 1990 fand die erste Be- darüber hinaus dringend davon abge- sichtigung des Hauses statt, um anhand raten, kurzfristig in das Haus Am Havel­ der vorhandenen Pläne die technischen blick 8 umzuziehen, da während der Einrichtungen zu überprüfen. Unmittel- Bauarbeiten gegenseitige größere Stö- bar nach dem Beschluß des Plenums rungen unausbleiblich seien. Wie aus erfolgte eine zweite Besichtigung durch dem Protokoll der Besprechung am 20. die Landtagsverwaltung, um den Umzug Februar 1991 hervorgeht, wurden Kos- des Parlaments und die notwendigen ten trotz wiederholter Bitte meinerseits ersten Baumaßnahmen vorzubereiten. nicht genannt, da Grundlagen für eine Zur gleichen Zeit wurde vom Finanzmi- Kostenermittlung noch nicht erarbeitet nister die Landesbauverwaltung seines werden konnten. Ministeriums beauftragt, die erforderli- Nach meiner Auffassung war es chen Planungsschritte für Bau- und Re- deshalb unbedingt erforderlich, vor Be- paraturarbeiten vorzubereiten und eine zug des Hauses Am Havelblick 8 festzu- Kostenschätzung vorzunehmen. Die ver- stellen, ob ein baldiger Umzug tatsäch-

12 Das derzeitige Gebäude lich sinnvoll ist, welche Bauarbeiten für die Herrichtung zum Parlamentsgebäude kurz-, mittel- und langfristig einzuplanen sind, wie weit die notwendigen Bauar- beiten möglicherweise den parlamentari- schen Betrieb beeinträchtigen …“ 3 Die Landtagssitzung am 16. 05. 1991 fand im damaligen Residence-Hotel, Die Liegenschaft Brauhausberg im Sommer 2010. der früheren SED-Bezirksparteischu- le, in der Potsdamer Waldstadt statt. Obwohl Experten für den Havel- Auf Bitte von Vizepräsident Karl-Heinz blick 8 eine dauerhafte Nutzung wegen Kretschmer trug der Direktor des Land- der fehlenden Funktionalität für ein Par- tages Dr. Werner Biebusch die Begrün- lament nicht empfehlen konnten, zogen dung für den Ortswechsel vor: die Abgeordneten nach den notwen- „Am späten Nachmittag des gest- digsten Bauarbeiten schließlich doch im rigen Tages wurde bekannt, daß die im „Kreml“ ein; die erste Plenarsitzung des Zusammenhang mit der Verbesserung Landtages Brandenburg auf dem Brau- der Akustik durchgeführten statischen hausberg fand am 25. 09. 1991 statt. Untersuchungen der Decke des Ple- Derzeit sind auf dem Brauhausberg narsaales ergeben haben, daß sich das 88 Abgeordnete, fünf Fraktionen und tragende Stahlgerüst oberhalb der De- die Landtagsverwaltung untergebracht, cke gesenkt hat und dadurch die dar- wobei insgesamt 284 Büro- und 16 Be- unter hängende Gipsdecke nicht mehr ratungsräume in dem Hauptgebäude, sicher durch die Verbindungsseile ge- zwei Nebengebäuden und einem nach halten wird. Das Staatshochbauamt ging der letzten Landtagswahl aufgestellten auf Grund der übermittelten Erkenntnis­ Leichtbau zur Verfügung stehen. se davon aus, daß eine Gefährdung von Personen und Sachen gegeben war, und riet daher dringend von einer Be­nutzung 2. Wenn ein Präsident stempeln des Plenarsaales zum gegenwärtigen geht – Der Landtag in Briefmar- Zeitpunkt ab. Heute morgen um 8:00 kenformat Uhr hatte Herr Präsident Dr. Kn­oblich Eine Geschichte des Journalisten Mat- das Präsidium zusammengerufen, um thias Krauß vom 06. 03. 1998 die Statikerin zu hören und die Lage zu beraten… Das Präsidium hat nach An- Gleich anderen Landtagen wurde hörung der Statikerin beschlossen, die auch der brandenburgische Ende des heutige Plenarsitzung in diesem Hotel vergangenen Jahrtausends ein Brief- abzuhalten und für den Plenarsaal wei- markenmotiv der Deutschen Post. tere Untersuchungen zu veranlassen.“ 4 Der Abdruck des „Bonbons“, des

3 Plenarprotokoll (1/15) vom 25. 04. 1991, S. 1189 ff. 4 Plenarprotokoll (1/18) vom 16. 05. 1991, S. 1342.

Das derzeitige Gebäude 13 SED-Abzeichens, wie er immer noch Knoblich diese Marken auf Wunsch ab- auf dem Turm prangt, war darauf gut gestempelt. zu erkennen. Die Marke selbst ist ein Ergebnis Im Frühjahr 1998 ging Landtags- der farblichen Verfremdung. Der Him- präsident Dr. Herbert Knoblich freiwil- mel über dem Hohen Haus ist irgendwie lig stempeln. Mit Arbeitslosigkeit hatte grau. Das in Wirklichkeit rostrote Gebäu- das natürlich nichts zu tun, sondern mit de trägt auf der Marke die Farbe Hell- einer denkwürdigen Demonstration im braun gemischt mit FDJ-Blau. Schnöder „Garderobenbereich des Landtages“. Realismus war einmal. Mit der wirklich- An diesem Tag gab die Post ein neues keitsgetreuen Abbildung brandenburgi- Postwertzeichen heraus, im Volksmund scher Motive hatte die Post zuvor übri- auch Briefmarke genannt. Das Motiv auf gens ihre Schwierigkeiten. So erschien der Marke: Der Potsdamer Landtag, im nach der Oderflut 1997 eine Briefmar- Volksmund auch „Kreml“ genannt. ke, die das Bundesland in seinen Umris- Um dieses Ereignis „nicht sang- und sen zeigen sollte - aber das Prignitz-Amt klanglos“ untergehen zu lassen, ließ Kn- Lenzen fehlte. Aus der Perspektive der oblich in einer Presseerklärung wissen, Deutschen Post war es noch Bestandteil er wolle zahlreiche Briefmarkenfreun- von Sachsen-Anhalt. de zu einem Besuch auf dem Brauhaus- Das wollten sich die Briefmarken- berg „animieren“. Dort erwartete sie an designer natürlich nicht noch einmal diesem 12. März eine Sonderpostfilia- nachsagen lassen. Und so stimmten auf le, wo man postfrische Marken kaufen der Kreml-Marke zwar nicht die Farben, und sie auf einer Landtagspostkarte mit aber sonst jedes Detail, ja, man kann dem Potsdamer Tagesstempel versehen sagen, es stimmt sogar eines zuviel. konnte. Und zwei Stunden lang hatte Denn wer genau hinsieht, der bemerkt am Turm des Landtages einen ovalen Schatten. Davor prangte nämlich bis vor acht Jahren der „Bonbon“, das SED- Emblem des Handschlags. Weil der Landtag in den vergangenen 20 Jah- ren nicht mehr „gestrichen“ wurde, hebt sich in natura der Abdruck bis zum heu- tigen Tag weithin sichtbar ab. So über- nahm es auch die Briefmarke. Wahr- heitsgemäß. Aber Wahrheit hin oder her - ist es nicht seltsam, dass die SED via Deutsche Post weit über Potsdam hi- naus gewissermaßen lange Schatten werfen darf? „Sonderpostfiliale“ im Landtagsgebäude, 1998. Landtagspräsident Dr. Herbert Knoblich präsentiert die neue Briefmarke „Landtag Brandenburg“.

14 Das derzeitige Gebäude II. Über das künftige Landtags­ gebäude

Erster Spatenstich zum Landtagsneubau auf dem Potsdamer Alten Markt am 25. März 2010.

Nach Jahren der Diskussionen über Markt unter weitestgehender Annähe- ein neues Landtagsdomizil und Rück- rung an das historische Vorbild des ehe- schlägen nach der gescheiterten Fusi- maligen Potsdamer Stadtschlosses in on der Länder Berlin und Brandenburg den äußeren Um- und Aufrissen des ur- beschloss der Landtag am 20. 05. 2005 sprünglichen historischen Gebäudes re- nach mehreren Anläufen die Errichtung alisiert werden. Zunächst wurde auf der eines Neubaus 5. Dieser soll in Form ei- Basis eines vom Landtagspräsidium am ner Öffentlich-Privaten-Partnerschaft 16. 11. und 07. 12. 2005 beschlossenen (ÖPP) errichtet werden. Mit der Um- Raum- und Funktionsprogramms eine setzung wurde entsprechend der Ge- Machbarkeitsstudie in Auftrag gege- schäftsordnung der Landesregierung ben, die die Umsetzbarkeit des benötig- der Minister der Finanzen beauftragt. ten Flächen- und Funktionsbedarfes am Der Neubau soll nach den Vorstel- Standort Alter Markt untersuchen sollte. lungen des Landtages auf dem Alten Hierbei waren die Zielkonflikte zwischen den Wünschen nach Rekonstruktion des 5 Drucksache 4/1092-B. Schlosses und den Anforderungen an

Das zukünftige Gebäude 15 einen modernen Parlamentsbetrieb zu Der Zugang zum neuen Landtag er- untersuchen. Das Ergebnis im Februar folgt nach dem Entwurf von Prof. Pe- 2006 zeigte, dass ein funktionsfähiges ter Kulka durch das Fortunaportal in modernes Parlamentsgebäude unter den Innenhof, der als öffentlich betret- Wahrung der historischen Proportionen bares Bürgerforum gestaltet sein wird. und der historisch getreuen Rekonst- Besucher, Abgeordnete und Mitarbei- ruktion der nördlichen Kopfbauten mög- ter betreten den Landtag durch das so- lich ist. genannte Knobelsdorff-Treppenhaus Am 27. 11. 2007 informierten der da- im Südflügel. Im Innenhof wird ein wei- malige Finanzminister Rainer Speer teres Merkmal des Entwurfs sichtbar: und Prof. Hasso Plattner die Öffentlich- Dem Architekten ist es gelungen, auch keit über eine Spende der Hasso-Platt- die Innenhoffassaden so weit wie mög- ner-Förderstiftung in Höhe von 20 Mil- lich dem historischen Vorbild anzunä- lionen Euro an das Land Brandenburg. hern. Die Abweichungen sind dabei aus Die Spende ist vor dem Hintergrund der funktionalen Gründen im Innenhofbe- öffentlichen Debatte laut Vertrag „zur reich größer als bei den Außenfassaden größtmöglichen Wiederannährung des des Gebäudes. Um das Raumprogramm Landtagsgebäudes an Gliederung und des Landtages wie gefordert unterbrin- Erscheinung der äußeren historischen gen zu können, musste der Baukörper Fassade des Potsdamer Stadtschlosses angepasst werden. Trotzdem wird der unter Einsatz vorhandener historischer Innenhof weitaus geringer in Anspruch Bauteile bzw. erforderlichenfalls von genommen werden, als dies lange Zeit Nachfertigungen einzusetzen“. befürchtet worden war. Die Innenhofflä- Im seit 2006 laufenden Wettbewerb che des Potsdamer Stadtschlosses be- um Planung, Bau, Betrieb und Finanzie- trug 6 325 m2, der Hof des neuen Land- rung des neuen Landtages setzte sich ein tages Brandenburg wird ca. 4 910 m2 Konsortium um den Baukonzern BAM mit groß sein. Damit bleibt der von reprä- dem Architekten Prof. Peter Kulka durch, sentativen, ebenfalls dem historischen weil dieses Konsortium sowohl den über- Vorbild angenäherten Fassaden um- zeugendsten als auch den wirtschaft- gebene Innenhof weitgehend frei von lichsten Gesamtentwurf für den spekta- Bebauung. Der öffentlich zugängliche kulären Bau in der historischen Mitte der Innenhof, der großzügige Eingangsbe- Landeshauptstadt vorgelegt habe. reich sowie die Dachterrasse unterstrei- Die Gesamtbaukosten belaufen sich chen mit Nachdruck den Anspruch des auf 119,6 Millionen Euro bei einer Nutz- zukünftigen Landtagsgebäudes, auch fläche, einschließlich Tiefgarage, von außerhalb des parlamentarischen Be- 19 000 qm. Die Fertigstellung des Land- triebes ein offenes Haus für alle Bürge- tages in den größtenteils originalge- rinnen und Bürger zu sein. treuen Fassaden des Potsdamer Stadt- schlosses ist für Ende 2012 und der Umzug für Anfang 2013 vorgesehen.

16 Das zukünftige Gebäude III. Rückblick auf den 1946 frei ­gewählten Landtag der „Provinz Mark Brandenburg“ 6

Vor der Betrachtung der Tätigkeit des Landtages Brandenburg seit 1990 soll zunächst an den nach Ende des Zwei- ten Weltkriegs am 20. 10. 1946 ersten frei gewählten Landtag der „Provinz Mark Brandenburg“ erinnert werden, der sich am 22. 11. 1946 im Plenarsaal der dama- ligen Provinzialverwaltung 7 konstituiert hatte. Durch Befehl Nr. 180 der Sowjeti- schen Militäradministration in Deutsch- land (SMAD) vom 21. 07. 1947 erfolgte die Umbenennung der „Provinz Mark Brandenburg“ in „Land Brandenburg“. Am 09. 09. 1947 fand die erste Sitzung in dem neuen Landtagsgebäude, Saar- munder Straße 23, dem heutigen Sitz der Staatskanzlei, Heinrich-Mann-Al- lee 107, statt, über dessen Eingang die Worte angebracht worden waren: „DIE Landtagsgebäude Saarmunder Straße 23, 1950. STAATSGEWALT GEHT VOM VOLKE AUS“.8 Die Mandate waren wie folgt verteilt:

SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) 44 6 Siehe dazu allgemein Schreckenbach, Hans- Joachim/Künzel, Werner: Das Land Brandenburg und der brandenburgische Landtag 1945 – 1952. CDU (Christlich-Demokratische In: Adamy/Hübener (Hrsg.), Geschichte der Bran- Union) 31 denburgischen Landtage, 1999, S. 225 ff.; Koch, Manfred: Landtage. In: Broszat/Weber (Hrsg.), LDPD (Liberal-Demokratische 1993, S. 329 ff. Partei Deutschlands) 20 7 Heute Sitz der Potsdamer Stadtverwaltung, Friedrich-Ebert-Straße 79/81. 8 Vgl. Präsident des Landtages Brandenburg VdgB (Vereinigung der (Hrsg.), 1947, Vorwort. gegenseitigen Bauernhilfe) 5

Landtag 1946 – 1952 17 Da sich somit im Landtag eine zu 25 Jahren Zwangsarbeit in Workuta Mehrheit von CDU und LDPD ergeben verurteilt wurde und später Abgeord- hatte, wurde auf die Abgeordneten die- neter der SPD im Deutschen Bundes- ser Parteien durch die SMAD erheb- tages war. Der Landtagsabgeordnete licher Druck ausgeübt. 1947 wurden Frank Schleusener versuchte, die Ent- von der SMAD 11 und 1948 38 Anträ- wicklung vor Ort aufzuhalten, und be- ge der bürgerlichen Fraktionen unter- zahlte dies mit seinem Leben: Die Nati- sagt. 1948/1949 gab die SED den zuvor onalsozialisten hatten den überzeugten von ihr propagierten „besonderen deut- Demokraten und früheren Oberbürger- schen Weg zum Sozialismus“, der in meister von Brandenburg an der Ha- der Vereinigung von KPD und SPD und vel aus dem Amt des preußischen Fi- der Gründung von bürgerlichen Partei- nanzstaatssekretärs entfernt. Nach en als Teil des „antifaschistisch-demo- dem Krieg war Schleusener Mitbegrün- kratischen Blocks“ in der Sowjetischen der der CDU in Brandenburg und dann Besatzungszone zum Ausdruck ge- als Landtagsabgeordneter Vorsitzen- kommen war, auf und wandelte sich zu der des Verfassungsausschusses und einer „Partei neuen Typus“ nach dem zeitweise Vizepräsident des Landta- Vorbild der KPdSU.9 Das bedeutete, ges. Nachdem er aus Protest gegen dass sich die SED nun wie die KPdSU­ die Gleichschaltung aus der CDU aus- als allmächtige Staatspartei verstand getreten war, starb er unter ungeklär- und sich nicht nur für legitimiert hielt, ten Umständen im April 1950 in einem die zu verfolgenden Ziele zu bestim- Gefängnis des sowjetischen Geheim- men, sondern auch alle zu deren Er- dienstes in Potsdam.10 Der SED-Ab- reichen geeigneten Mittel einzusetzen. geordnete Paul Szillat wurde 1950 aus Verfolgt wurden diejenigen, die sich in- politischen Gründen zu sechs Jahren nerhalb der SED der Richtungsände- Zuchthaus verurteilt und siedelte nach rung der Parteiführung widersetzten, seiner Haftentlassung nach Westber- insbesondere ehemalige Sozialdemo- lin über. kraten, und diejenigen, die innerhalb Andere Abgeordnete blieben trotz der sogenannten „Blockparteien“ deren des politischen Drucks in der Hoffnung Gleichschaltung mit der SED entgegen- auf bessere Zeiten, um ihr durch den traten. Krieg zerstörtes Land wieder aufzu­ Einige Mitglieder des Landtages bauen. flüchteten daraufhin in die Westzonen. 10 Zu Ehren von Frank Schleusener übernahm Darunter der CDU-Abgeordnete Ernst Landtagspräsident Fritsch die Schirmherrschaft Lemmer, der später Bundesminister in über die Veranstaltung „Feind ist, wer anders Bonn wurde, und der SED-Abgeord- denkt“ zum Thema „Stalinismus“ am 17. Juni 2009 in der Generalstaatsanwaltschaft des nete Kurt Koblitz, der 1950 nach West- Landes Brandenburg mit Referaten der Enkelin berlin flüchtete, von dort entführt und von Frank Schleusener, Prof. Dr. Sylvia Haas, und Irina Liebmann, der Tochter des nach dem 17. Juni 1953 aus der SED ausgeschlossenen Journalisten 9 Siehe dazu Weber, 1999, S. 149 ff. Rudolf Herrnstadt.

18 Landtag 1946 – 1952 Bei den zweiten Wahlen zum Land- tag Brandenburg am 15.10.1950 handel- te es sich nicht mehr um freie Wahlen; die Abgeordneten wurden aufgrund ei- ner Einheitsliste der „Nationalen Front“ bestimmt. Am 25.07.1952 stimmten dann die Abgeordneten des Landtages der Auflösung der Landtage zu und folg- ten damit dem Vorschlag der SED „über die planmäßige Errichtung der Grund- lagen des Sozialismus und die Bildung von Bezirken“. Es kam zur Aufteilung des Landes Brandenburg in die Bezirke Potsdam, Frankfurt (Oder) und Cottbus.

Landtag 1946 – 1952 19 20 Landtag 1946 – 1952 IV. Von der fried- lichen ­Revolution zu den Land- tagswahlen am 14. 10. 1990

Der Alterspräsident des ersten Landta- der westlichen und östlichen Länder an- ges, Gustav Just, beschrieb diesen Zeit- steuern sollte. Die DDR-Führung wertete abschnitt in einer vom Landtag heraus- diese Konzeption als staatsfeindlich und gegebenen Festschrift aus dem Jahr Gustav Just. 1996 wie folgt:

hielt bis zuletzt an ihrer zentralistischen, „Die Auflösung der Länder in der jedem Föderalismus abgeneigten Poli- DDR und die Bildung der Bezirke im tik fest. Jahre 1952 erfolgte wie die meisten ein- Erst in der Wende im Herbst 1989 schneidenden Maßnahmen der Regie- und in den folgenden Monaten, nach- rung ohne jede Mitwirkung der Bürger, dem auch alle Träume von einer demo- sie wurden einfach nicht gefragt. Auch kratisch reformierten DDR ausgeträumt aus diesem Grunde lebte das Bewußt- und die Weichen für die Wiedervereini- sein um die historisch entstandenen und gung der Deutschen gestellt waren, war gewachsenen Länder innerhalb der DDR bei allen demokratischen Kräften klar in unterschiedlicher Weise weiter ... Aus und unbestritten, daß die beschleunig- eigenem Erleben weiß ich, daß selbst in te Wiederherstellung von Bundeslän- den Reihen der SED die Auflösung der dern die wesentliche Voraussetzung für Länder als ein Mittel zur totalen Zent- die nationale Einigung, für die erfolgrei- ralisierung auf Kritik stieß. So sahen wir che Demokratisierung in Gesellschaft Reformkommunisten der sogenannten und Wirtschaft, wie auch in der Kultur, Harich-Janka-Gruppe, die wir im Jahre in allen Bereichen des politischen Le- 1957 vom Obersten Gericht der DDR zu bens war. Schon vor dem von der ers- hohen Zuchthausstrafen verurteilt wur- ten freigewählten Volkskammer der DDR den, einen möglichen Weg zu der un- im Sommer 1990 beschlossenen Län- serer Meinung nach unerläßlichen und dereinführungsgesetz wurden dahinge- dem Wunsche der Mehrheit der Deut- hende Maßnahmen eingeleitet. Bereits schen entsprechenden Wiederverei- Anfang 1990 begann man in Branden- nigung Deutschlands in der Neu- bzw. burg im Einvernehmen mit den Runden Rückbildung der Länder, die in der wei- Tischen der Bezirke Potsdam, Frankfurt teren Entwicklung eine Konföderation (Oder) und Cottbus mit der Ausarbei-

Friedliche Revolution 21 gebnis von Bürgerbefragungen in Ge- tung eines Verfassungsentwurfs für das meinden und Städten begehrt werden künftige Land Brandenburg … Die Ar- und von der Gemeindevertretung bzw. beit daran koordinierten die Leiter der Stadtverordnetenversammlung be- Ressorts Justiz in den Bezirksverwal- schlossen wurden, eines Staatsvertra- tungsbehörden Cottbus (Frau Rommel), ges zwischen den beteiligten Ländern Frankfurt/Oder (Herr Prof. Dr. Adomeit) bedürfen. und Potsdam (Herr Kupas) … Dieser letzte Verfassungsentwurf vor der for- Die Landtagswahlen am 14. Oktober mellen Wiedervereinigung und dem Zu- 1990 sammentritt des Landtages Branden- Am 22. Juli 1990 hatte die Volkskam- burg wurde im September 1990 den mer der DDR das ‚Gesetz über die Wah- Bürgern zur Diskussion vorgelegt … len zu Landtagen in der Deutschen De- mokratischen Republik‘ beschlossen, Das Ländereinführungsgesetz das Länderwahlgesetz. Demnach soll- Den formellen Beschluß zur Bildung von ten die Abgeordneten der Landtage in Ländern in der Deutschen Demokrati- freier, allgemeiner, direkter, gleicher und schen Republik faßte die letzte Volks- geheimer Wahl auf die Dauer von vier kammer der DDR am 22. Juli 1990, das Jahren nach den Grundsätzen einer mit Ländereinführungsgesetz. Im Zusammen- der Personalwahl verbundenen Verhält- hang mit dem Einigungsvertrag wurde niswahl gewählt werden. Für den Land- sein Inkrafttreten auf den 3. Oktober 1990 tag Brandenburg waren 88 Abgeordne- festgesetzt, den Tag also, an dem die te vorgesehen, so daß in jedem der 44 Wiedervereinigung Deutschlands formell Wahlkreise ein Direktkandidat (Perso- vollzogen wurde. Im § 1 wird die territoria- nenwahl) und insgesamt 44 Abgeordne- le Gliederung wie folgt beschrieben: te nach den für die einzelnen Listen ab- ,Mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 gegebenen Stimmen (Verhältniswahl) zu werden in der DDR folgende Länder bestimmen waren.“ 11 gebildet: Mecklenburg-Vorpommern … Am 3. 10. 1990 trat die DDR nach Artikel Brandenburg durch Zusammenle- 23 des Grundgesetzes der Bundesrepu- gung der Bezirksterritorien Cottbus, blik Deutschland bei, und es entstand mit Frankfurt / Oder und Potsdam ohne Inkrafttreten des Einigungsvertrages an die Kreise Hoyerswerda, Jessen und diesem Tag auch das Land Brandenburg, Weißwasser, dessen Landeshauptstadt Potsdam ist. zuzüglich der Kreise Perleberg, Prenzlau und Templin; Sachsen Anhalt … Sachsen … Thü- ringen ...’ Zugleich wurde in diesem Gesetz festgelegt, daß Änderungen von Gren- 11 Landtag Brandenburg (Hrsg.), Festschrift, 1996, zen der Länder der DDR, die im Er- S. 145 ff.

22 Friedliche Revolution V. Die 1. Wahlperiode des Landtages vom 26. 10. 1990 bis 11. 10. 1994

1. Das Wahlergebnis und die ­Abgeordneten

Bei einer Wahlbeteiligung von 67,1 % wählten die Bürger am 14. 10. 1990 erstmals nach fast genau 44 Jahren wieder frei einen Landtag. Zur Wahl hatten sich 13 Parteien, politische Vereinigungen und Listenvereinigungen gestellt. Es zogen fünf Fraktionen in den Landtag ein.

Stimmabgabe in Cottbus, 14. 10. 1990.

Erststimmen Zweitstimmen Sitze SPD 32,57 % 38,24 % 36

CDU 30,75 % 29,40 % 27

PDS-Linke Liste 14,30 % 13,41 % 13

F.D.P. 7,11 % 6,63 % 6

BÜNDNIS 90 8,56 % 6,42 % 6

Grüne 4,32 % 2,84 %

DSU 1,76 % 0,99 %

Sonstige 0,62 % 2,06 %

1. Wahlperiode 23 Zu Beginn der 1. Wahlperiode be- 31. Prof. Dr. Bodo Teichmann trug der Frauenanteil 22,73 %. Der Al- 32. Gerhard Thierbach tersdurchschnitt der Abgeordneten lag 33. Dr. Karsten Wiebke bei 44 Jahren. 34. Jochen Wolf (ab 07/1994 fraktionslos) Bei den gewählten 88 Abgeordneten 35. Reinhart Zarneckow handelte es sich um: 36. Alwin Ziel

Fraktion der SPD (36 Mandate): Fraktion der CDU (27 Mandate): 1. Wolfgang Birthler 1. Klaus-Dieter Arlt 2. Christel Dettmann 2. Marga Beck 3. Lothar Englert 3. Beate Blechinger 4. Joachim Franck 4. Dr. Peter-Michael Diestel 5. Christian Gilde 5. Frank Dietrich 6. Dr. Fritz Grunert 6. Dr. Michael Fischer 7. Dr. Regine Hildebrandt 7. Martin Habermann 8. Dr. Siegfried Jausch 8. Klaus Häßler 9. Gustav Just 9. Dieter Helm 10. Dr. Peter Kirmße 10. Detlef Kirchhoff 11. Wolfgang Klein 11. Karl-Heinz Kretschmer 12. Lothar Kliesch 12. Jürgen Lüth 13. Dr. Herbert Knoblich 13. Rainer Matthes 14. Helmut Köhler 14. Dr. Jürgen Meißner 15. Dr. Stefan Körber 15. Heinz-Dieter Nieschke (ab 09/1993 fraktionslos) 16. Reinhard Orczewski 16. Dr. Klaus-Dietrich Krüger 17. Dr. Gerhard Reinfeld 17. Andreas Kuhnert 18. Martina Schlanke 18. Dr. Horst Maschler 19. Dyrck Schneidenbach 19. Hartmut Meyer 20. Frank-Michael Schober 20. Uta-Brigitte Müller 21. Dr. Roland Sessner 21. Peter Muschalla 22. Dr. Markus Vette 22. Dr. Günter Neumeister 23. Dr. Peter Wagner 23. Dr. Götz Piprek 24. Manfred Walther 24. Manfred Rademacher 25. Frank Werner 25. Steffen Reiche 26. Petra Wiesner 26. Günter Rentsch (später: Wiesner-Holtzmann) 27. Britta Schellin (später: Stark) 27. Johannes Winter 28. Reinhilde Schildhauer (ab 01/1992 fraktionslos) (später Schildhauer-Gaffrey) 29. Christoph Schulze 30. Dr. Manfred Stolpe

24 1. Wahlperiode Fraktion der PDS-LL (13 Mandate): – Dr. Horst Maschler (SPD) 1. Kerstin Bednarsky – (parteilos) 2. Hannelore Birkholz – (BÜNDNIS 90) 3. Prof. Dr. Lothar Bisky – Christian Gilde (SPD) 4. Christel Fiebiger 5. Prof. Dr. Bernhard Gonnermann Dafür rückten nach: 6. Stefan Ludwig – Karl-Heinz Möckel (CDU) 7. Dr. Helmuth Markov – Rolf Wettstädt (BÜNDNIS 90) 8. Harald Petzold – Lutz Thormann (BÜNDNIS 90) 12 9. Prof. Dr. Michael Schumann – Peter Busch (CDU) 10. Gerlinde Stobrawa – Siegfried von Rabenau (SPD) 11. Dr. Margot Theben – Karl Schmutzler (CDU) 12. Beate Thrams – Edwin Zimmermann (SPD) 13. Heinz Vietze – Dr. Barbara Tietze (SPD) – Carmen Kirmes (BÜNDNIS 90, Fraktion BÜNDNIS 90 ab 01/94 F.D.P.) ab 04/93 BÜNDNIS (6 Mandate): – Peter Schüler (BÜNDNIS 90) 1. Marianne Birthler – Detlef Grabert (bis 04/94 fraktions- 2. Günter Nooke los, dann BÜNDNIS) 3. Matthias Platzeck – Heidrun Förster (SPD) 4. Wolfgang Pohl 5. Henrik Poller Anmerkungen: 6. Dr. Bernd Reuter Unter dem Namen PDS-Linke Liste war die PDS in einer Listenvereinigung mit Fraktion der F.D.P. (6 Mandate): USPD, KPD, fdj, marxistischer Partei 1. Rosemarie Fuchs „Die Nelken“ und Einzelpersönlichkei- (ab 06/93 fraktionslos) ten aus dem Behindertenverband, dem 2. Siegfried Lietzmann DFD und dem Mieterbund zu den ersten 3. Dr. Martin Neumann Landtagswahlen angetreten.13 4. Alfred Pracht Zur Landtagswahl am 14. 10. 1990 5. Renate Schneider wurde von den drei Bürgerbewegungen 6. Rainer Siebert Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM), Demokratie Jetzt (DJ) sowie Teilen Davon schieden aus: des Neuen Forums (NF) die Listenver- – Dr. Michael Fischer (CDU) bindung BÜNDNIS 90 gebildet, ein Jahr – Dr. Bernd Reuter (BÜNDNIS 90) später eine gemeinsame Organisation. – Henrik Poller (BÜNDNIS 90) Da den Zusammenschluss von BÜND- – Jürgen Lüth (CDU) NIS 90 und den GRÜNEN auf Bundes- – Dr. Peter Kirmße (SPD) 12 Verstorben am 06. 11. 1992 (Nachfolger: Detlef – Klaus-Dieter Arlt (CDU) Grabert). – Gustav Just (SPD) 13 So Bisky, 1999, S. 6.

1. Wahlperiode 25 ebene von den Landtagsabgeordne- Fraktion BÜNDNIS und dem Eintritt die- ten und Ministern von BÜNDNIS 90 nur ser in alle Rechte und Pflichten der bis- Roland Resch und Rolf Wettstädt mit- herigen Fraktion zu.16 vollzogen, wurde am 30. 04. 1993 eine „Vereinbarung für die Weiterarbeit der Fraktion“ getroffen, die das Konstrukt 2. Die konstituierende Sitzung des einer parteiunabhängigen Fraktion be- ersten Landtages deutete: „Um die neue Situation auch nach außen deutlich zu machen, wur- de der neue Fraktionsname ‚Bündnis‘ ­g e w ä h l t . “ 14 Ein Teil des Landesverbandes Bran- denburg von BÜNDNIS 90 bildete 1993 in Abgrenzung zur Fusion von BÜNDNIS 90 und den GRÜNEN auf Bundesebe- ne das BürgerBündnis als eigenstän- dige Gruppierung. Als Günter Nooke in Brandenburg das BürgerBündnis zur kommenden Landtagswahl anmelde- te, erklärte Rolf Wettstädt mit Wirkung Matthias Platzeck (r.) gratuliert Dr. Herbert Knoblich vom 08. 04. 1994 seinen Austritt aus zur Wahl zum Präsidenten des Landtages, der Fraktion BÜNDNIS 15, die damit nur 2 6 . 1 0 . 1 9 9 0 . noch über die Fraktionsmitglieder Gün- ter Nooke, Peter Schüler und Wolfgang Die konstituierende Sitzung des ersten Pohl verfügte. Landtages am 26. 10. 1990 leitete der Al- Damit war der Fraktionsstatus ent- terspräsident Gustav Just, der sich in ei- fallen, weil nach dem Fraktionsgesetz ner Festschrift des Landtages wie folgt eine Fraktion aus mindestens vier Mit- an dieses Ereignis erinnert: gliedern einer Partei oder Vereinigung „Einige Tage vor der ersten Sitzung bestehen muss. Der bislang fraktions- des neugewählten Landtages kamen die lose Abgeordnete Detlef Grabert erklär- einzelnen Fraktionen in ihren Räumen im te daraufhin seinen Eintritt in die Frakti- Gebäude der ehemaligen Bezirksverwal- on zum 13. 04. 1994, womit diese wieder tung in der Heinrich-Mann-Allee in Pots- aus vier Abgeordneten bestand. In einer dam zusammen … Ich erinnere mich gut Sondersitzung am selben Tag stimm- an die erste Sitzung der SPD-Fraktion … te der Landtag der Bildung einer neuen Nach der Wahl des Abgeordneten Wolf- gang Birthler zum Fraktionsvorsitzenden 14 Nooke, Günter, Fraktion BÜNDNIS. In: Holz­ wurden die Koalitionsmöglichkeiten dis- apfel (Hrsg.), 1993, S. 49; Bluhm / Schüler, 1996, kutiert: Große Koalition als Seniorpart- S. 128 ff. 15 Er sah darin eine Verletzung des Fraktionsgeset- zes. 16 Plenarbeschlussprotokoll (1/91) vom 14. 04. 1994.

26 1. Wahlperiode ner mit der CDU, was eine satte Mehr- ben zahlreiche Ehrengäste, Mitglieder heit von 62 Abgeordneten bedeutet des Deutschen Bundestages, Vertreter hätte, oder eine Koalition mit F.D.P. und der Parteien, Kirchen und ausländischen BÜNDNIS 90, zusammen 48 Stimmen, Missionen. Zahlreiche Mitarbeiter von was zwar knapp, aber dennoch für eine Presse, Fernsehen und Rundfunk waren stabile Mehrheit ausreichte. Wir ent- bereit, über diese erste Sitzung zu be- schieden uns für die sogenannte ‚Am- richten. Eine festliche, erwartungsvolle pelkoalition‘, damals ein Sonderfall in Stimmung, die wohl allen Teilnehmern der parlamentarischen Landschaft der unvergessen bleibt. Als ältester Abge- Bundesrepublik, also SPD (rot), F.D.P. ordneter eröffnete ich als Alterspräsi- (gelb) und BÜNDNIS 90 (grün), die Far- dent die konstituierende Sitzung des ben der Verkehrsampel. Diese Koaliti- Landtages Brandenburg … on bewährte sich - bis auf gelegentliche Die Wahl des Präsidenten und des Differenzen - fast bis zum Ende der Le- Vizepräsidenten erfolgte laut der Ge- gislaturperiode. schäftsordnung in geheimer Abstim- Auch in den anderen Fraktionen mung. Der von der SPD-Fraktion für die- wurde voller Elan und mit der gleichen ses Amt vorgeschlagene Abgeordnete Aufbruchstimmung debattiert, wohl wis- Dr. Herbert Knoblich erhielt von den 86 send, daß die Zukunft und deren Gestal- anwesenden Abgeordneten (zwei nah- tung für das Land Brandenburg weitge- men entschuldigt nicht teil) 71 Stimmen, hend vom Verantwortungsbewußtsein mit Nein hatten acht Abgeordnete ge- von uns Parlamentariern abhing. Die stimmt, sechs hatten sich der Stimme CDU-Fraktion wählte den Abgeordneten enthalten, eine Stimme war ungültig. Ein Dr. Peter-Michael Diestel zu ihrem Frak- Gegenkandidat war nicht angetreten. tionsvorsitzenden, die PDS / Linke Liste Dr. Knoblich nahm die Wahl an, wurde den Abgeordneten Prof. Dr. Lothar Bis- dazu im Namen des Plenums beglück- ky, die F.D.P. den Abgeordneten Rai- wünscht und übernahm den weiteren ner Siebert, das BÜNDNIS 90 den Ab- Vorsitz der Sitzung. geordneten Günter Nooke. Damit waren Für das Amt des Vizepräsidenten die Weichen für den Zusammentritt des schlug die CDU-Fraktion den Abgeord- Landtages gestellt. neten Karl-Heinz Kretschmer, die PDS Am Vormittag des 26. Oktober ka- die Abgeordnete Beate Thrams vor. Für men die Abgeordneten zu einem festli- Karl-Heinz Kretschmer stimmten 61 Ab- chen Gottesdienst in der Nikolai-Kirche geordnete, für Frau Thrams 15, so daß zusammen. Die Ansprache hielt Bischof Herr Kretschmer die Funktion des Vize- Dr. Gottfried Forck. Nach einem ge- präsidenten übernahm.17 meinsamen Mittagessen nahmen die Der neu gewählte Landtagspräsi- Mitglieder des Landtages im Plenarsaal dent Dr. Herbert Knoblich bezeichne- Platz, der für längere Zeit im Gebäude te sich in seiner Antrittsrede als „Ers- der ehemaligen Bezirksverwaltung Hein- 17 Landtag Brandenburg (Hrsg.), Festschrift, 1996, rich-Mann-Allee eingerichtet war, dane- S. 149 ff.

1. Wahlperiode 27 ter unter Gleichen“ und sah die Aufgabe 3. Die Landesregierung seines Amtes darin, „… vor allem dar- auf hinzuwirken, das gemeinsame Anlie- gen der Parteien trotz unterschiedlicher politischer Grundüberzeugungen zum Wohle unseres Volkes zu fördern. Über- parteilichkeit des Präsidenten verstehe ich als seine Pflicht, seine Bemühungen zum Ausgleich und zur Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Toleranz zwischen den Parteien. Unser Arbeitsstil sollte au- ßer durch Tugenden wie Pflichtbewußt- sein, Fleiß und Sparsamkeit geprägt sein Landtagspräsident Dr. Herbert Knoblich vereidigt von Disziplin, Solidarität und Achtung Dr. Manfred Stolpe als Ministerpräsident des Landes des politisch Andersdenkenden. Pünkt- Brandenburg. lichkeit ist ein wohltuender Rahmen für jede Arbeit.“ 18 In der 2. Sitzung des Landtages am Am 25. 09. 1991 wurde Martin Ha- 01. 11. 1990 wurde der Ministerpräsident bermann (CDU) zum neuen Vizeprä- Dr. Manfred Stolpe von den anwesen- sidenten des Landtages gewählt, der den 85 Abgeordneten in geheimer Wahl sich mit 58 Jastimmen gegen die Mitbe- mit 58 Jastimmen und bei 26 Neinstim- werberin Gerlinde Stobrawa (PDS-LL) men sowie einer Enthaltung gewählt. In durchsetzte. der 3. Sitzung am 22. November erfolgte die Vorstellung und Vereidigung der Mit- Die Fraktionsvorsitzenden glieder der Landesregierung.

SPD Wolfgang Birthler

Minister des Innern CDU Dr. Peter-Michael Diestel Alwin Ziel (SPD) (bis 08. 05. 1992) Dieter Helm Minister der Finanzen (ab 24. 05. 1992) Klaus-Dieter Kühbacher (SPD)

PDS-LL Prof. Dr. Lothar Bisky Minister der Justiz

Dr. Hans Otto Bräutigam (parteilos) F.D.P. Rainer Siebert (bis 15. 09. 1992) Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Siegfried Lietzmann Technologie (ab 15. 09. 1992) Walter Hirche (F.D.P.)

BÜNDNIS 90 / Günter Nooke Ministerin für Arbeit, Soziales, BÜNDNIS ­Gesundheit und Frauen Dr. Regine Hildebrandt (SPD) 18 Plenarprotokoll (1/1) vom 26. 10. 1990, S. 7.

28 1. Wahlperiode Minister für Landwirtschaft, Ernährung Die stärkste und die zwei kleins- und Forsten ten Fraktionen bildeten eine sogenannte Edwin Zimmermann (SPD) Ampelkoalition; die erste in der Bundes-

republik Deutschland. Die Zusammen- Ministerin für Bildung, Jugend und Sport arbeit in der Regierung wurde in der Marianne Birthler (BÜNDNIS 90) ersten Regierungserklärung mit: „Bran- Minister für Wissenschaft, Forschung denburger unverzichtbar im geeinten und Kultur Deutschland“ überschrieben. Dr. Hinrich Enderlein (F.D.P.)

Amtswechsel: Minister für Umwelt, Naturschutz und Nach dem Rücktritt von Marianne Raumordnung Birthler übernahm Roland Resch (par- Matthias Platzeck (parteilos) teilos, seit 1993 BÜNDNIS 90) das Amt Minister für Stadtentwicklung, Wohnen des Bildungsministers und wurde am und Verkehr 16. 12. 1992 vor dem Landtag vereidigt. Jochen Wolf (SPD) Hartmut Meyer (SPD) übernahm

das Ministerium für Stadtentwicklung, Chef der Staatskanzlei Wohnen und Verkehr und wurde am Dr. Jürgen Linde (SPD) 01. 09. 1993 vor dem Landtag vereidigt,

Die 1. Brandenburger Landesregierung.

1. Wahlperiode 29 nachdem Jochen Wolf (SPD) wegen des empfehlung des Innenausschusses vom Vorwurfs der Korruption zurückgetre- 11. 12. 1990.21 ten war. Am 07. 05. 1991 wurde das Lan- Zur Klärung dieser Frage war auch desorganisationsgesetz 22 und am ein Untersuchungsausschuss im Land- 27. 11. 1991 das Petitionsgesetz 23 be- tag eingerichtet worden. schlossen. Auf der Grundlage des Landesrechnungshofgesetzes vom 27. 06. 1991 24 wurde der erste Präsident 4. Bilanzen und Begebenheiten: des Landesrechnungshofes, Dr. Eber- V o m O r g a n i s a t i o n s g e s e t z ü b e r d i e hard Fricke, auf Vorschlag aller im Land- Verfassungsgebung bis zum „Min- tag vertretenen Fraktionen gewählt.25 derheitengesetz“ In der Landtagssitzung am Gleich zu Beginn der parlamentari- 16. 05. 1991 führte der Landtag jeweils schen Arbeit verabschiedete der Land- auf Antrag aller Fraktionen einstimmige tag am 01. 11. 1990 ein Gesetz über die Beschlüsse über die Zusammenarbeit vorläufige Sicherung der Arbeitsfä- mit dem Abgeordnetenhaus Berlin higkeit des Landtages und der Regie- und eine gute Nachbarschaft zwi- rung des Landes Brandenburg19, das schen Polen und Deutschen herbei. In bis zum Inkrafttreten der Verfassung die dieser Sitzung wurde auch das Hoch- Rechtsgrundlage für Landtag und Lan- schulgesetz 26 bei nur einer Enthaltung desregierung bildete. In diesem Organi- einstimmig beschlossen. sationsgesetz wurden in 42 Paragrafen und vier Abschnitten die Befugnisse von Landtag, Landesregierung, Gesetzge- bung und Finanzwesen geregelt. Am 22. 11. 1990 wurde das Abge- ordnetengesetz20 beschlossen. In der Landtagssitzung am 12. 12. 1990 stimm- ten die Abgeordneten den Anträgen von SPD, F.D.P., BÜNDNIS 90 auf Über- prüfung der Abgeordneten auf eine eventuelle Stasi-Mitgliedschaft und der PDS-LL auf Überprüfung der Ab- geordneten des Landtages und der Mitglieder der Landesregierung auf Studentenprotest vor dem Brandenburger Landtag, hauptamtliche bzw. informelle Tätig- 18. Dezember 1990. keit für das ehemalige MfS/AfNS zu und 21 Drucksache 1/23. folgten damit einstimmig der Beschluss- 22 GVBl. 1991, S. 148. 23 GVBl. 1991, S. 643. 24 GVBl. 1991, S. 256 ff. 19 Gesetz- und Verordnungsblatt (GVBl.) 1990, S. 2. 25 Plenarprotokoll (1/27) vom 09. 10. 1991, S. 2006. 20 GVBl. 1991, S. 16. 26 GVBl. 1991, S. 156.

30 1. Wahlperiode Minister Dr. Enderlein (FDP) führ- geln gezierten und gold bewehrten ro- te dazu aus: „Ich finde es schön, daß ten Adler.“ In dem Gesetzentwurf 29 heißt es gelingt, in diesem Parlament ein Ge- es: „Mit der Wiederherstellung des Lan- setz zu verabschieden in einem sicher des Brandenburg besteht auch die Not- nicht ganz einfachen politischen Be- wendigkeit die Hoheitszeichen – hier reich, … mit dem sich alle hinterher an- insbesondere das Landeswappen und freunden können und dem alle zustim- die Landesfarben – zu bestimmen. Die men können, obwohl bei allen sicher Dringlichkeit einer Entscheidung über ein gewisser Rest an Unbehagen oder die Hoheitszeichen wird auch durch an Verbesserungsbedürftigkeit bleibt. zahlreiche Anfragen aus der Bevölke- Wenn das Schule macht im Gesetz- rung des Landes unterstrichen.“ gebungsverfahren dieses Landtags … Höhepunkt der Arbeit des Parla- können wir … sagen, daß wir einen ments in der 1. Wahlperiode war die Er- neuen Stil in die politische Kultur der arbeitung und Verabschiedung der Lan- Bundesrepublik Deutschland einge- desverfassung vom 22. 04. 1992 30. führt haben“.27 Der Landtag Brandenburg war das ers- Das Gesetz über die Hoheits- te Parlament der ostdeutschen Länder, zeichen des Landes Brandenburg das eine Verfassung verabschiedete.31 vom 30. 01. 1991 28 (Hoheitszeichenge- Der Landtag berief in seiner 9. Sit- setz), dessen Entwurf von allen Frakti- zung am 30. 01. 1991 einen aus 30 Mit- onen eingebracht worden war, wurde gliedern bestehenden Verfassungs- einstimmig bei zwei Enthaltungen be- ausschuss zur Erarbeitung eines schlossen. Danach sind die Landes- Verfassungsentwurfes ein.32 Der Aus- farben „Rot-Weiß“ und zeigt das Lan- schuss bestand aus Abgeordneten und deswappen „auf einem Schild in Weiß Nichtparlamentariern. (Silber) einen nach rechts blickenden, In seiner 34. Sitzung am 19. 12. 1991 mit goldenen Kleestängeln auf den Flü- setzte der Landtag dann einen Parla- mentarischen Verfassungsausschuss ein, der als federführender Ausschuss bei der Beratung des vom Verfassungs- ausschuss am 13. 12. 1991 übergebenen Verfassungsentwurfs wirkte. Viele Regelungen in der Verfassung des Landes Brandenburg hatten ihren Ursprung in dem Verfassungsentwurf des zentralen Runden Tisches, z. B. das Verbot der sexuellen Diskriminierung, Landesfahne mit Wappenschild des Landes ­Brandenburg. 29 Drucksache 1/41. 30 GVBl. 1992 I, S. 122 ff. 27 Plenarprotokoll (1/18) vom 16. 05. 1991, S. 1378. 31 Lieber/Iwers/Ernst, Kommentar, S. 9. 28 GVBl. 1991, S. 26. 32 Drucksache 1/57.

1. Wahlperiode 31 Landtagspräsident Dr. Herbert Knoblich fertigt die Verfassung des Landes Brandenburg aus. das Recht auf angemessenen Wohn- ensvotum gegen einzelne Minister be- raum und der Schutz von auf Dauer an- seitigt wurde.“ 33 gelegten Lebensgemeinschaften. Auch Auch die Regelung zur Immunität plebiszitäre Elemente, das Aktenein- der Abgeordneten zeugt von einer mo- sichtsrecht und der Datenschutz wurden dernen Verfassung. Im Unterschied zu in den Lesungen des Verfassungsent- anderen Verfassungen der Länder und wurfes im Landtag heftig diskutiert. Re- dem Grundgesetz wird den Abgeordne- gelungen wie die Genehmigungspflicht ten nicht schon per se Schutz vor Unter- beim Verkauf von Grund und Boden suchungshandlungen gewährt: „Deshalb an Ausländer, das Verursacherprinzip sind in Brandenburg Strafverfahren ge- bei Umweltschäden und das Recht auf gen Abgeordnete jederzeit möglich; der selbstbestimmte Schwangerschaft fan- Landtag kann jedoch die Aussetzung den letztendlich keine Aufnahme in den verlangen, wenn durch die Strafverfol- Verfassungstext. gungsmaßnahme die parlamentarische Im Mittelpunkt der gesamten De- Arbeit beeinträchtigt wird.“ 34 batte stand „ … die Frage, ob die Ver- Eine für den Umweltbereich bedeu- fassung die Spielräume, die das tende Regelung stellte die Verbands- Grundgesetz bot, in zulässiger Weise klage dar, wonach anerkannte Um- ausschöpfte oder sich die Landesver- weltverbände das Recht erhielten, an fassung im Widerspruch zu bundes- Verwaltungsverfahren beteiligt zu wer- rechtlichen Kompetenzen befand … Die den, die die natürlichen Lebensgrundla- Regierung wurde in ihrer Stellung ge- gen betreffen. stärkt, indem der Ministerpräsident nicht 33 Lieber / Iwers / Ernst, Kommentar, S. 7. mehr aus der Mitte des Landtages ge- 34 Ebenda, S. 257; s. dazu auch Lieber/Rautenberg, wählt werden musste und das Misstrau- 2003, S. 56 ff.

32 1. Wahlperiode Die rund 16 Monate andauern- sondern der Souverän, eben das Volk, de parlamentarische Befassung 35 ge- jederzeit die Möglichkeit hat, in sei- staltete sich äußerst schwierig, weil die ne Rechte einzutreten. Nicht nur daß Vorstellungen über den Charakter der der Souverän nach Überwindung nöti- Verfassung bei den Fraktionen weit ger und sinnvoller Hürden – 80 000 bzw. auseinander gingen. Trotz der kontro- 150 000 Bürger und dann die Zweidrit- versen und zum Teil emotional heftig ge- telmehrheit beim eigentlichen Volksent- führten Diskussionen gelangen schließ- scheid, … – neue Vertreter wählen kann, lich parteiübergreifend Kompromisse, sondern daß er auch selbst Gesetze ver- die die politische Kultur entscheidend abschieden kann, ist Beweis, daß wir prägten und dazu beitrugen, dass in der die parlamentarische Demokratie nicht Folgezeit vom „Brandenburger Weg“ als Privileg, sondern als Aufgabe verste- gesprochen wurde. Dies lässt sich mit hen.“ den folgenden Protokollauszügen der Im Spannungsfeld der vorab ge- 3. Lesung im Landtag am 14. 04. 1992 36 führten Diskussionen mahnte die Abge- gut verdeutlichen: ordnete Beate Blechinger nochmals die Als Vorsitzender des Verfassungs- wichtigsten Grundsätze der CDU-Frakti- ausschusses eröffnete der Abgeordnete on für eine Verfassung an: Dr. Peter-Michael Diestel (CDU) die De- „Keine Verfassung gegen das batte: „Ich möchte nach über einjähriger Grundgesetz. Eine Verfassung darf nicht Arbeit, die der Verfassungsausschuß in die Züge eines Regierungsprogramms seinen vielschichtigen Gremien geleis- tragen. Eine Verfassung darf nicht zu ei- tet hat, heute den Entwurf zur 3. Lesung nem Buch nicht einlösbarer Verspre- vorlegen, den alle Fraktionen hier erar- chungen werden … Auch der in der 1. beitet haben … Es war ein Kunststück, Lesung eingebrachte Entwurf stand fünf Parteien, meine sehr verehrten Da- noch in wesentlichen Punkten im Wi- men und Herren, in der Linie zu halten. derspruch zum Grundgesetz, so daß die Einige haben hierbei gemogelt. Auch CDU-Fraktion diesen Entwurf nicht mit- ich habe gemogelt, ich habe zur Unzeit tragen konnte. Mit dem Widerstands- noch Anträge eingebracht …“ recht, wie es ursprünglich der Artikel Der Abgeordnete Steffen Reiche 2 Abs. 7 etwa vorsah, wäre sowohl das (SPD) hob die Bedeutung der formu- Gewaltenmonopol des Staates als auch lierten Staatsziele hervor und bemerk- der innere Frieden schwer gefährdet te weiter: „Ein großer Vorzug dieser Ver- und anarchistischer Willkür Tür und Tor fassung ist, daß hier das Volk nicht nur geöffnet worden. alle 4 Jahre Träger der Staatsgewalt ist, Auch die Ausweitung des Asyl- rechts in Artikel 18 Abs. 2 mit dem Ab- 35 Siehe dazu ausführlich Görtemaker / Bienert / schiebeverbot bei Gefahr der Verletzung Dambon, Das Bundesland. Wiedervereinigung der Menschenwürde wäre wohl kaum und Entwicklung seit 1990. In: Beck/Görtemaker / Hübener / Neitmann (Hrsg.), 2010, S. 128 ff. mit Artikel 16 Abs. 2 des Grundgeset- 36 Plenarprotokoll (1/45) vom 14. 04. 1992, S. 3213 ff. zes zu vereinbaren gewesen … Nicht

1. Wahlperiode 33 einlösbare Versprechungen hingegen unklare Staatszielbestimmungen ging, waren überall dort auszumachen, wo die den Eindruck erweckten, als bedür- Staatszielbestimmungen in die Nähe von fe es allein des Wollens, um zum Ziel zu Grundrechtsgarantien gerückt wurden. kommen. Wir haben uns gegen Populis- Dies betrifft das Recht auf Wohnraum, tik und Ideologieüberhöhung gewandt das Recht auf Arbeit … und eine klare Beschränkung auf Gestal- Wenn ich meine bisherige Kritik tungsräume gefordert, die der Landes- meist in die Vergangenheitsform geklei- gesetzgeber auch ausfüllen kann … det habe, so hat das einen konkreten Der Verfassungsentwurf spricht Grund … es ist in der letzten Phase der auch wichtige Fragen an, z. B. die der Verfassungsberatungen das eingetre- Würde im Sterben, die Ausgestaltung ten, was ich kaum noch für möglich ge- der Persönlichkeitsrechte des Kindes. halten habe: daß ein ganz wesentlicher Er macht aufmerksam auf den Rege- Teil der schwerwiegenden Streitpunkte lungsbedarf bei auf Dauer angelegten ausgeräumt werden konnte. Gerade die Lebensgemeinschaften. Er befördert von mir angesprochenen Punkte sind das Nachdenken über die Herstellung herausgenommen, geändert oder abge- gleichwertiger Lebensbedingungen von mildert worden … Gestrichen wurde die Menschen mit und ohne Behinderung. seltsame Forderung nach gleichberech- Er nimmt in die Gleichstellung der Men- tigter Teilnahme aller Eigentumsformen schen neben der Abstammung, der Na- am Wirtschaftsleben … Die Gestaltung tionalität, der Weltanschauung, dem von Koalitionsfreiheit, das Streikrecht religiösen Bekenntnis auch die sexuel- und die Rechte der Gewerkschaften be- le Identität auf und widmet der Gleich- finden sich nunmehr in Übereinstim- berechtigung von Mann und Frau einen mung mit den Bundesgesetzen … Aber eigenständigen Absatz. Der Verfas- ich erkenne an, daß dieser Verfassungs- sungsentwurf fühlt sich den Belangen entwurf einen Kompromiß darstellt, für der Umwelterhaltung ebenso verpflich- den andere ebenfalls in starkem Maße tet wie der sozialen Marktwirtschaft und und – wer die Beratungen im Verfas- stärkt im zweiten Teil insbesondere das sungsausschuß verfolgen konnte, wird Recht des Parlaments. das bestätigen – mit Respekt verdienen- Lange diskutiert wurde die Ein- der Selbstüberwindung auf uns zuge- führung von Plebisziten in den Ver- kommen sind. Daher kann und muß ich fassungstext. Hier schöpft der Ver- hier heute feststellen: Diese Verfassung fassungstext sehr reichhaltig die ist nicht meine Wunschverfassung. Sie Möglichkeiten der unmittelbaren stellt an wichtigen Punkten die Grenze Volksdemokratie aus. Er bewegt sich der Zumutbarkeit dar. Aber ich werde ihr dabei unseres Erachtens an der Gren- zustimmen.“ ze des Machbaren, denn bei aller Be- Der Abgeordnete Alfred Pracht jahung von plebiszitären Elementen (F.D.P.) bemerkte: „Wir haben zur Zu- gebührt den in allgemeiner, freier, glei- rückhaltung dort gemahnt, wo es um cher und geheimer Wahl gewählten

34 1. Wahlperiode Volksvertretungen, gebührt der reprä- der keine Kopie anderer Verfassungen sentativen Demokratie der Vorrang.“ ist. In ihm finden sich brandenburgische Prof. Dr. Lothar Bisky (PDS-LL) Eigenart und Identität. In diesem Ver- führte u. a. aus.: „Im Bereich der sozia- fassungsentwurf spiegeln sich die Hoff- len Individualrechte ist es gelungen, in nungen, Wünsche und Erwartungen der der Verfassung ein umfassendes Recht Bürgerinnen und Bürger für ihr Leben in auf Bildung zu verankern … Wenn es unserem wiederentstandenen Branden- uns gelingt, diese Verfassung mit Le- burg wider.“ ben zu füllen, werden wir einen Weg zu Justizminister Dr. Hans Otto Bräuti- mehr sozialer Gerechtigkeit und politi- gam (parteilos) lobte den Verfassungs- scher Stabilität im Inneren wie zu mehr entwurf als ein „… gelungenes, aus- Auskömmlichkeit mit unseren Nachbarn gewogenes Werk … Er geht auf die finden. Für solch eine Hoffnung lohnt sozialen Nöte und Ängste der Menschen es sich zu streiten, und für die Verwirk- ein, und er reflektiert ihre Befindlichkeit lichung solcher Erwartungen ist dieser in der schweren Zeit des Umbruchs der Verfassungstext insgesamt zumindest ganzen Lebensverhältnisse.“ für Brandenburg ein Gewinn.“ Am Ende der 3. Lesung teilte Land- Der Abgeordnete Rolf Wettstädt tagspräsident Dr. Knoblich das Abstim- (BÜNDNIS 90) bemerkte dazu: „Was ich mungsergebnis mit: „Für die Verfassung lernte, ist: Sie soll und muß staatliche haben sich 72 Abgeordnete des Land- Macht begrenzen. Daher schmerzt, das tages Brandenburg ausgesprochen, ge- gebe ich zu, der Verlust des Widerstands- gen die Verfassung 11; 4 Abgeordnete rechtes gegen staatliche Gewalt beson- enthielten sich der Stimme. Abgegebe- ders … Es ist der Ruf der Zeit zur Verfas- ne Stimmen: 87 … alle gültig.“ sungsgebung in einer wirtschaftlich so Damit wurde die Verfassung mit der schweren, politisch zugleich hoffnungs- erforderlichen Zweidrittelmehrheit am vollen und beängstigenden Zeit. Wir schu- 14. 04. 1992 beschlossen fen damit die erste Verfassung eines frei- en Landes. Das ist nicht nur juristisch zu begreifen, sondern vor allen Dingen histo- risch … Ich darf Ihnen bei aller vornehmen Zurückhaltung, aber auch mit der gebote- nen Dringlichkeit im Namen der Fraktion BÜNDNIS 90 die Annahme dieses Verfas- sungsentwurfes empfehlen; denn ich den- ke, wir haben es alle bitter nötig und wir haben es alle sauer verdient.“ Ministerpräsident Dr. Manfred Stol- pe (SPD) machte klar: „Es ist gelungen, einen unverwechselbaren brandenbur- Stimmauszählung der Volksabstimmung über den gischen Verfassungstext zu schaffen, Verfassungsentwurf, 14. 06. 1992.

1. Wahlperiode 35 Nach der Schlussabstimmung über den Verfassungsentwurf, 14. 04. 1992.

In der Volksabstimmung am Mit dem Landesdatenschutzge- 14. 06. 1992 sprachen sich 94 % der setz vom 20. 01. 1992 39 hatte Branden- Brandenburger bei einer Beteiligung von burg als erstes der neuen Bundeslän- 47,9 % für die Verfassung aus, die am der ein Datenschutzgesetz. Zum ersten 21. 08. 1992 in Kraft trat und „als die mo- Landesbeauftragten wurde Dr. Dietmar dernste in Deutschland gilt.“ 37 Bleyl gewählt.40 Das Erste Schulreformgesetz für In der 1. Wahlperiode wurden er- das Land Brandenburg (Vorschalt- hebliche Haushaltsmittel in die Bereiche gesetz zum Landesschulgesetz) vom Gesundheit, Arbeit und Soziales in- 28. 05. 1991 38 wurde vom Landtag am vestiert. Zur Lesung des Haushaltes für 25. 04. 1991 beschlossen und war der 1992 sagte die Ministerin für Arbeit, So- erste entscheidende Schritt zur Neuge- ziales, Gesundheit und Frauen Dr. Regi- staltung des Schulwesens; es erlaubte ne Hildebrandt: „Im vergangenen Jahr sofortiges Handeln in wichtigen Berei- haben wir schnell und wirksam arbeits- chen der Schulaufsicht, der Schulträger marktpolitische Hilfen gewährt. Knapp und der Schulen. Als einziges der Neuen 300 Millionen DM sind bewilligt wor- Bundesländer führte Brandenburg damit den … Kinderkrippen und Kindergärten die sechsjährige Grundschule ein, an die waren heute schon in der Diskussion: sich Gesamtschule, Realschule, Gymna- Haushaltsmittel 1991: 580 Millionen DM, sium anschließen; Hauptschulen wurden 1992: 400 Millionen DM … Die Kranken- dagegen nicht eingerichtet. häuser des Landes Brandenburg sind, gemessen an den Verhältnissen der Alt- 37 So Kotsch, Detlef: Das Bundesland Brandenburg länder, in einem baulich und ausstat- (1990 bis 1993) Ausblick. In: Materna/Ribbe (Hrsg.), 1995, S. 7; s. auch Büchner/Franzke, 2005, 24 ff. 39 GVBl. 1992 I, S. 2 ff. 38 GVBl. 1991, S. 116 ff. 40 Plenarprotokoll (1/38) vom 12. 02. 1992, S. 2811.

36 1. Wahlperiode tungsmäßig schlechten Zustand … Wir Mit dem wegweisenden Branden- haben inzwischen den Krankenhausplan burgischen Naturschutzgesetz vom des Landes fertig … Ganz besonders 25. 06. 1992 44 „soll eine zeitgemäße lan- freue ich mich, daß wir ein Sonderpro- desrechtliche Grundlage für den Schutz gramm für die Umgestaltung der Psych- und die Pflege von Natur und Land- iatrie in unserem Lande mit einem Um- schaft geschaffen werden.“ 45 fang von 60 Millionen Mark erstmals in Nachdem der Vorsitzende des Um- den Haushalt 1992 aufgenommen ha- weltausschusses, Prof. Dr. Bernhard ben … Mir war im abgelaufenen Jahr die Gonnermann (PDS-LL), die Landesre- Umstrukturierung der Polikliniken ein gierung für die verspätete Einreichung ganz besonderes Anliegen. Dem haben des Gesetzentwurfes kritisiert hatte, hob wir im Haushaltsjahr 1991 viel Aufmerk- der Abgeordnete Detlef Kirchhoff (CDU) samkeit gewidmet und auch 50 Millionen hervor: „Die Verknüpfung von Natur- und dafür eingesetzt. Für 1992 stehen hierfür Landschaftspflegeregelungen in einem weitere Mittel … zur Verfügung.“ 41 umfassenden Gesetzeswerk des Lan- des Brandenburg bietet nach Auffas- sung der CDU die Gewähr, daß die be- rechtigten Belange von Naturschutz und Landschaftspflege in der Praxis auch umgesetzt werden können … Ich glaube, daß die 270 Änderungsanträge bewei- sen, daß das Gesetz … nicht fertig aus dem Kabinett herauskam ... Der Umwelt­ minister mußte sich harte Worte gefallen lassen. …“ Der Abgeordnete Günter ­Nooke Die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen Dr. Regine Hildebrandt. (BÜNDNIS 90) prophezeite in seiner Rede vor dem Landtag, dass man sich Mit dem Gesetz zur Regelung in 5 bis 10 Jahren noch mit diesem Ge- der Zusammenarbeit zwischen Ber- setz schmücken werde und führte weiter lin und Brandenburg im Bereich des aus: „Dieses Brandenburgische Natur- Rundfunks vom 29. 04. 1992 42 wurde schutzgesetz ist eine Chance mehr für die „Zulassung privater Rundfunkver- die Zukunft, und es ist nach Auffassung anstalter … in Brandenburg und Berlin der Fraktion BÜNDNIS 90 sogar die auf Grund einheitlicher Voraussetzun- Chance für die Zukunft Brandenburgs … gen durch eine gemeinsame Medienan- Nehmen Sie dieses Naturschutzgesetz s t a l t …“ geregelt, so der Abgeordnete heute in der 2. Lesung an! Es ist aus- Wolfgang Birthler (SPD).43 gewogen und kein politischer Sieg ei-

41 Plenarprotokoll (1/36) vom 30. 01. 1992, S. 2696 f. 42 GVBl. 1992 I, S. 142 ff. 44 GVBl. 1992 I, S. 208 ff. 43 Plenarprotokoll (1/44) vom 08. 04. 1992, S. 3144. 45 Gesetzesbegründung, Drucksache 1/830.

1. Wahlperiode 37 ner Partei, sondern ein Sieg des Natur- men müssen, müssen wir ihre Verwal- schutzes schlechthin …“ 46 tungskraft stärken. Dafür brauchen wir Wegen des hohen politischen Stel- die Kreisgebietsreform, damit die Krei- lenwertes des Sports wurde das Sport- se eine Einwohnerzahl von 120 000 auf- förderungsgesetz vom 10. 12. 1992 47 wärts erreichen.“ 50 als Leistungsgesetz beschlossen, wo- Zu dem am 17. 03. 1993 vom Land- nach 25 % der Konzessionsabgaben der tag beschlossenen Verfassungs- Lotterien und Sportwetten für die Sport- schutzgesetz vom 05. 04. 1993 51 gab es förderung bereitgestellt werden sollten. im Landtag kontroverse Diskussionen, Ministerin Marianne Birthler (BÜNDNIS vor allem über den Katalog der nach- 90) dazu: „Sport ist ein sozialisierender richtendienstlichen Mittel und die Gren- Faktor und ein wichtiger Beitrag dafür, zen parlamentarischer Kontrollrechte. daß Gewalt in diesem Land nicht über- Auf der Grundlage des Gesetzes erfolg- handnimmt.“ 48 te der Aufbau des Verfassungsschut- Wegweisend in der ersten Wahl- zes nach den drei Prinzipien Offenheit, periode war das Gesetz zur Neuglie- demokratische Kontrolle und inhaltliche derung der Kreise und kreisfreien Beschränkung. Städte u. a. vom 24. 12. 1992 49, womit Weitere Meilensteine waren das Brandenburg als erstes der neuen Län- Gesetz über die Neuordnung des der eine Kreisgebietsreform auf den Kommunalwahlrechts im Land Weg brachte. Aus 38 Landkreisen und Brandenburg, die Änderung der Kom- 6 kreisfreien Städten wurden schließlich munalverfassung sowie die Änderung 14 Landkreise und 4 kreisfreie Städte. der Amtsordnung vom 22. 04. 1993 52 Eine Besonderheit besteht darin, dass und die zahlreichen Gesetze zur Be- letztlich kein neuer Landkreis nach ei- stimmung der Verwaltungssit- ner darin befindlichen ehemaligen Kreis- ze und Namen der Landkreise vom stadt benannt worden ist. Die Neuglie- 22. 04. 1993 53. Zu diesem Mammutpro- derung der Landkreise und kreisfreien jekt stellte die Abgeordnete Britta Schel- Städte orientierte sich zudem am Leit- lin (SPD) fest: „38 minus 24 ist gleich bild der dezentralen Konzentration. 14 – dieser einfachen Rechnung kann Dazu erklärte der Innenminister Alwin sich wohl auch nach dem Schlagab- Ziel (SPD) in der Landtagsdebatte Fol- tausch der Argumente niemand entzie- gendes: „Das Land Brandenburg erhält hen. Kein Gesetzgebungsverfahren hat ein neues Gesicht. Es erhält eine Kar- dieses Land in so emotionaler Weise in te mit neuen Konturen … Da die Kreise Anspruch genommen wie diese sieben und kreisfreien Städte künftig eine Viel- Wochen Debatte um die Kreissitze.“ 54 zahl von staatlichen Aufgaben wahrneh- 50 Plenarprotokoll (1/58) vom 16. 12. 1992, S. 4311 f. 46 Plenarprotokoll (1/47) vom 14. 05. 1992, S. 3341 ff. 51 GVBl. 1993 I, S. 78 ff. 47 GVBl. 1992 I, S. 498 ff. 52 GVBl. 1993 I, S. 110 ff. 48 Plenarprotokoll (1/51) vom 02. 09. 1992, S. 3698. 53 GVBl. 1993 I, S. 142 bis S. 155. 49 GVBl. 1992 I, S. 546 ff. 54 Plenarprotokoll (1/66) vom 31. 03. 1993, S. 5097.

38 1. Wahlperiode Das am 31. 03. 1993 beschlosse- Wahlvorschlag. Dr. Peter Macke wur- ne Volksabstimmungsgesetz vom de zum ersten Präsidenten des Verfas- 14. 04. 1993 55 setzte die Vorgaben der sungsgerichtes gewählt. Landesverfassung zu der Bedeutung Infolge der Auseinandersetzungen plebiszitärer Elemente um, wonach dem im Untersuchungsausschuss zur „Auf- Volk durch Volksinitiative, Volksbegeh- klärung der früheren Kontakte des Mi- ren und Volksentscheid selbst ein Recht nisterpräsidenten Dr. Manfred Stolpe der unmittelbaren Einflussnahme auf zu Organen des Staatssicherheitsdienst die politische Willensbildung sowie das der DDR“ und durch das Bekanntwer- Recht gegeben wird, unmittelbar die den weiterer Sachverhalte in diesem Gesetzgebung auszuüben. ­Zusammenhang kam es zum Bruch Zu dem Gesetz zu dem Staats- der Koalition, weil Günter Nooke trotz vertrag zwischen den Ländern Bran- Aufforderung des Fraktionsvorsitzen- denburg, Mecklenburg-Vorpommern, den der SPD, Wolfgang Birthler, seine dem Freistaat Sachsen und dem negativen Äußerungen über den Mi- Land Sachsen-Anhalt über den Ost- nisterpräsidenten, die Birthler als „Vor- deutschen Sparkassen- und Giro- verurteilung“ bewertete, nicht zurück- verband vom 05. 04. 1993 56 merkte der nahm. Abgeordnete Rainer Matthes (CDU) an: Am 13. 04. 1994 fand eine Sondersit- „Mit dem vorgelegten Ratifizierungsge- zung des Landtages statt, zu der bean- setz geht es um den am 20. März 1990 tragt worden war: gegründeten Sparkassen- und Girover- 1. Zustimmung des Landtages zur Bil- band der DDR. Das ist ein Stück Zeitge- dung einer neuen Fraktion „BÜND- schichte der Wende“.57 NIS“ (Antrag von vier Abgeordneten), Wesentlich für den Aufbau des Lan- 2. Aufforderung an den Ministerprä- des war die Errichtung des Verfassungs- sidenten Dr. Manfred Stolpe, sei- gerichts. Auf der Grundlage des Arti- nen Rücktritt zu erklären (Antrag der kel 112 der Landesverfassung und des CDU-Fraktion) und Verfassungsgerichtsgesetzes vom 3. Auflösung des Landtages gemäß 08. 07. 1993 58 erfolgte in der Landtags- ­Artikel 62 Abs. 2 der Verfassung des sitzung am 29. 09. 1993 die Wahl des Landes Brandenburg (Antrag von fünf Präsidenten, des Vizepräsidenten und Mitgliedern der SPD-Fraktion, 13 Mit- der weiteren sieben Verfassungsrichter gliedern der Fraktion PDS-LL, des des Verfassungsgerichtes für das Land fraktionslosen Abgeordneten Rolf Brandenburg. Nach intensiver Beratung Wettstädt und von vier Abgeordne- unterbreitete der Hauptausschuss dem ten der CDU-Fraktion). Dies wurde Landtag einen einstimmig gefassten von allen 23 Abgeordneten wie folgt begründet: „Nach dem Ausscheiden 55 GVBl. 1993 I, S. 94 ff. der Fraktion BÜNDNIS aus der Regie- 56 GVBl. 1993 I, S. 90 f. 57 Plenarprotokoll (1/61) vom 20. 01. 1993, S. 4671. rungskoalition ist eine Situation ein- 58 GVBl. 1993 I, S. 322 ff. getreten, in der das Parlament ent-

1. Wahlperiode 39 weder eine Minderheitenregierung und 7. mehrheitlich angenommen wur- tolerieren oder durch Selbstauflösung den: vorgezogene Neuwahlen ermöglichen „Aus Anlaß der Beendigung des kann.“ 59 Die vier CDU-Abgeordne- Parlamentarischen Untersuchungsaus- ten nahmen ihren Antrag jedoch zu- schusses 1/3 … erklärt der Landtag: rück.60 1. Die Geschichte des ehemals geteilten Der Landtag stimmte der Bildung ei- Deutschlands kann nur gemeinsam ner neuen Fraktion BÜNDNIS zu, die in ‚aufgearbeitet‘ werden und verlangt alle Rechte und Pflichten der bisherigen das wechselseitige Bemühen um Ver- Fraktion eintrat.61 ständnis für die in Ost und West sehr Den Antrag auf Rücktritt des Mi- unterschiedlichen politischen, gesell- nisterpräsidenten lehnte der Landtag schaftlichen und kulturellen Rahmen- mit 44 Neinstimmen und 18 Jastimmen bedingungen, in denen die Menschen bei 19 Enthaltungen ab. jeweils lebten. Nur so wird die innere Der Antrag auf Auflösung des Einigung Deutschlands gelingen. Landtages erhielt bei namentlicher Ab- 2. Der öffentliche Umgang mit Bio- stimmung mit 49 Jastimmen, 27 Nein- graphien muß der Menschenwürde stimmen und 4 Enthaltungen nicht die verpflichtet sein. Eine nur selektive erforderliche Mehrheit von zwei Drit- Kenntnisnahme von Lebensläufen teln der Mitglieder des Landtages. und Lebensleistungen und ihre Be- Zum Abschlussbericht des Unter- wertung unter dem Gesichtspunkt suchungsausschusses zur „Aufklärung heutiger politischer Opportunitäten der früheren Kontakte des Ministerprä- sind ungerecht, verhindern einen sidenten Dr. Manfred Stolpe zu Organen aufrichtigen Umgang mit der Ge- des Staatsapparates der DDR …“ wurde schichte und schaden dem inneren in der Landtagssitzung am 16. 06. 1994 Frieden. der Entschließungsantrag der Abge- 3. Eine der Achtung der Menschenwür- ordneten Wolfgang Birthler (SPD), Dr. de verpflichtete Auseinandersetzung Peter-Michael Diestel (CDU), Siegfried mit politischen Biographien ist unver- Lietzmann (F.D.P.), Rolf Wettstädt (frak- einbar mit Vorverurteilungen und der tionslos) und Prof. Dr. Michael Schu- Verletzung von Grundrechten. Das mann (PDS-LL) „Mit menschlichem Bekennen zu eigener Verantwortung Maß die Vergangenheit bewerten“ bei und gegebenenfalls auch Schuld wird Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS be- dadurch erschwert. schlossen. Die Abstimmung erfolgte ab- 4. Die Erfahrungen aus der Debat- schnittsweise, wobei die Punkte 1., 2., te um die Kontakte Manfred Stolpes 5., 6. einstimmig und die Punkte 3., 4. zu staatlichen Stellen der ehemali- gen DDR, auch zum Ministerium für 59 Drucksachen 1/2882, 1/2883, 1/2884 und Plenar- Staatssicherheit, zeigen, daß eine protokoll (1/91) vom 13. 04. 1994, S. 7439 ff. oberflächliche Beurteilung, die allein 60 Vgl. Plenarbeschlussprotokoll 1/91 vom 14. 04. 1994. 61 Siehe oben unter V. 1, Anmerkungen. am Maßstab formaler Kriterien vorge-

40 1. Wahlperiode nommen wird, zu groben Ungerech- Mehrheiten weiter, sodass die Geset- tigkeiten führt. zesvorhaben im Landtag zum Abschluss 5. Jeder einzelne Fall muß sorgfältig ge- gebracht werden konnten. prüft werden. Die Beachtung recht- Mit dem Ersten Gesetz zur Funkti- staatlicher Grundsätze ist dabei onalreform vom 30. 06. 1994 63 wurden selbstverständlich. Dazu zählen der die Grundlagen für eine leistungsfähi- Anspruch auf rechtliches Gehör, ein ge Kommunalverwaltung auf Kreis- und faires Verfahren und die strikte Ein- Gemeindeebene geschaffen und es haltung des Grundsatzes der Verhält- wurde eine Neuverteilung von Aufga- nismäßigkeit. ben der Landesbehörden zugunsten der 6. Die Einzelfallprüfung muß über die Kommunen vorgenommen. bloße Feststellung einer Zusammen- Das Gesetz zur Ausgestaltung arbeit mit dem ehemaligen MfS hi- der Rechte der Sorben (Wenden) im nausgehen. Sie umfaßt die Berück- Land Brandenburg vom 07. 07. 1994 64 sichtigung der Motive, die zu einer diente nicht nur der „Erfüllung eines solchen Zusammenarbeit geführt ha- Verfassungsauftrages, sondern … mit ben, der Art und des Umfangs dieser diesem Gesetz bekennt sich das Land Zusammenarbeit, des möglicherweise Brandenburg zu seiner Verpflichtung, angerichteten Schadens, der Dauer das eineinhalb Jahrtausende alte vielfäl- der Zusammenarbeit und der Gründe tige wendische Erbe der Lausitz zu be- für ihre Beendigung. Bagatellvorgän- wahren und fortzusetzen … mit dem Ge- ge sollen keine Beachtung finden. Bei setz wird Brandenburg ein modernes der Einzelfallprüfung wird verhältnis- Minderheitengesetz erhalten …“, so Mi- mäßig nach der Funktion, die die bzw. nisterpräsident Dr. Manfred Stolpe.65 der Betreffende bekleidet bzw. beklei- Im ersten Landtag arbeiteten 14 den soll, entschieden. Die seit Been- Fachausschüsse. digung der Tätigkeit für das MfS ver- Es wurden 5 Untersuchungsaus- gangene Zeit ist zu berücksichtigen. schüsse zu folgenden Themen einge- Niemandem darf die persönliche Wei- setzt: terentwicklung und der Wille zur Neu- • „Zum Verhalten von Minister ­Jochen orientierung abgesprochen werden. Wolf, MdL, in den Grundstücksan- 7. Der Landtag erwartet, daß diese gelegenheiten Karl-Marx-Straße 21 Grund­sätze durch die Landesverwal- und Virchowstraße“ zur Prüfung der tung, Kommunen und alle sonstigen Korruptionsvorwürfe gegen ihn (An- öffentlichen Stellen beachtet wer- trag von 22 Mitgliedern der Fraktion den.“ 62 der CDU vom 12. 03. 1991 und Bericht Auch wenn die deutschlandweit vom 14. 05. 1992).66 erste Ampelkoalition zu Bruch ging, ar- beitete die Regierung mit wechselnden 63 GVBl. 1994 I, S. 230. 64 GVBl. 1994 I, S. 294. 65 Plenarprotokoll (1/97) vom 17. 06. 1994, S. 7998 f. 62 Drucksache 1/3098. 66 Drucksache 1/1029.

1. Wahlperiode 41 • „Klärung, welche Personen für die In der ersten Wahlperiode wurden Änderungen verantwortlich sind, folgende vier Sondersitzungen des die in Gesetzen des Landes Bran- Landtages abgehalten: denburg nach der Beschlussfassung • Auf Antrag der Fraktionen der SPD, im Landtag und vor ihrer Veröffentli- F.D.P., BÜNDNIS 90, PDS-LL, dem chung im Gesetz- und Verordnungs- Ministerpräsidenten das Vertrauen blatt vorgenommen worden sind“ auszusprechen wegen der „Angriffe (Antrag von 30 Abgeordneten der gegen ihn … seine Person und seine Fraktion der CDU und der PDS-LL Arbeit …“, fand am 31. 01. 1992 eine vom 25. 09. 1991 und Bericht vom Sondersitzung des Landtages statt. 2 3 . 1 1 . 1 9 9 3 ) . 67 Bei Stimmenthaltung von 22 Abge- • „Aufklärung der früheren Kontak- ordneten der Fraktion der CDU und te des Ministerpräsidenten Dr. des Ministerpräsidenten stimmten 55 Manfred Stolpe zu Organen des Abgeordnete mit Ja.71 Staatsapparates der DDR, der SED • Auf Antrag von 19 Abgeordneten der sowie zum Staatssicherheitsdienst CDU fand am 23. 03. 1992 eine Son- und der in diesem Zusammenhang dersitzung des Landtages statt zur erhobenen Vorwürfe“ (Antrag von 20 Entscheidung des Justizministers, Abgeordneten der Fraktion der CDU von einem Antrag auf Aufhebung der vom 10. 02. 1992 und Bericht vom Immunität des ehemaligen Abge- 29.04.1994).68 ordneten Gustav Just (SPD) abzu- • „Überprüfung der Tätigkeit der sehen.72 Minister Dr. Hans Otto Bräu- ­Landesregierung im Verwaltungs- tigam führte in dieser Sondersitzung rat der Treuhandanstalt“ (An- u. a. aus: „Nach den vorliegenden Er- trag vom 24. 08. 1993 von 18 MdL, kenntnissen gab es keinen konkre- CDU und PDS-LL; Bericht vom ten Verdacht, daß sich Just an der Er- 17. 06. 1994).69 schießung aus Rassenhaß beteiligt • „Überprüfung öffentlich erhobener hätte … Er hat bei seiner Vernehmung Vorwürfe der Unregelmäßigkeiten im 1957 gesagt, er habe unter Befehl ge- Zusammenhang mit Grundstücks- standen. Diese Aussage ist nicht wi- angelegenheiten und der Verga- derlegt. Sie entspricht auch unserem be von öffentlichen Aufträgen“ Wissen, daß Aktionen der Wehrmacht (Antrag von 18 Abgeordneten der dieser Art auf Befehl durchgeführt Fraktion der CDU vom 21. 09. 1993 wurden … Es kam daher nur Beihil- und Teil- und Zwischenbericht vom fe zu einem Tötungsdelikt in Betracht 14. 06. 1994).70 71 Plenarprotokoll (1/37) vom 31. 01. 1992, S. 2743. 72 Der Vorwurf bestand darin, dass Gustav Just 67 Drucksache 1/2520. als Soldat an einem Erschießungskommando 68 Drucksache 1/3009. teilgenommen hatte. Die Verfassung des Landes 69 Drucksache 1/3112. Brandenburg, die eine Immunität nicht vorsieht, 70 Drucksache 1/3012 (Der UA legte nur einen Teil- war zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht und Zwischenbericht vor). in Kraft.

42 1. Wahlperiode mit der Folge, daß Verjährung einge- 2. Aufforderung an den Ministerprä- treten war.“ 73 sidenten Dr. Manfred Stolpe, sei- • Auf Antrag von 19 Abgeordneten der nen Rücktritt zu erklären (Antrag CDU fand am 20. 08. 1992 eine Son- der CDU-Fraktion) und dersitzung des Landtages statt zum 3. Auflösung des Landtages gemäß Thema: „Die durch die Dürre be- Artikel 62 Abs. 2 der Verfassung dingten Schäden in der Landwirt- des Landes Brandenburg (Antrag schaft und die vorgesehenen finanzi- von fünf Mitgliedern der SPD-Frak- ellen Hilfen“ tion, 13 Mitgliedern der Fraktion • Am 13. 04. 1994 fand eine Sondersit- PDS-LL und des fraktionslosen zung des Landtages statt, zu der be- Abgeordneten Rolf Wettstädt).74 antragt worden war: 1. Zustimmung des Landtages zur Bildung einer neuen Fraktion Heiterkeit im Plenarsaal „BÜNDNIS“ (Antrag der Fraktion BÜNDNIS), Zur 2. Lesung des Sportförderungsge- setzes, in dem festgeschrieben wurde, dass 25 % der Konzessionseinnahmen des Landes für den Sport bereitgestellt werden müssten, nutzte die Abgeordne- te Martina Schlanke (CDU) die Gelegen- heit, um für Olympische Spiele in Berlin zu werben, und wollte nicht länger auf den entsprechenden Tagesordnungs- punkt warten: „Parallel dazu die Begrün- dung unseres Antrages 1/1441, der Ih- nen ja vorliegt. Die Olympischen Spiele im Jahr 2000 wären für das Land Bran- denburg ein herausragendes Ereignis, wenn Berlin den Zuschlag erhielte … (Zuruf: Das ist ein anderer Tages- ordnungspunkt!) … Herr Präsident, darf i c h … Präsident Dr. Knoblich: Eine Verbin- dung ist da eigentlich nicht möglich.“ 75 Finanzminister Klaus-Dieter Kühba- cher (SPD) stellte in einer Debatte um die Kommunalfinanzen und den Anstieg Titelthema Dürre, Aktuelles aus dem Parlament, Nr. 3, 12. 10. 1992. 74 Drucksache 1/2882 und Plenarprotokoll (1/91) vom 13. 04. 1994, S. 439 ff. 73 Plenarprotokoll (1/42) vom 23. 03. 1992, S. 3029. 75 Plenarprotokoll (1/57) vom 25. 11. 1992, S. 4224.

1. Wahlperiode 43 der Personalkosten folgenden Vergleich Der Abgeordnete Dyrck Schneiden- an: „Es ist bei Statistiken immer so, daß bach (CDU) hielt nun eine knappe Rede zwei halbe Hähnchen ein ganzes erge- zu den Fagen „Rücknahme von Verord- ben, aber laufen können sie trotzdem nungen zu Unterschutzstellungen“ und nicht.“ 76 „Rahmenregelungen zu Verfahren bei Ein gut gelaunter Präsident begrüß- der Aufstellung von Pflegebehandlungs- te zu Beginn der Landtagssitzung am richtlinien“. 29. 06. 1994 alle Parlamentarier, Medi- Dr. Knoblich: „Wir sind damit beim envertreter und: „… die Interessenten, zweiten Redner. Herr Dr. Grunert spricht die sich über Rundfunk oder Fernsehen für die SPD-Fraktion, oder?“. Dieser an dieser Sitzung beteiligen. Ich habe verzichtete und das Wort ging an den mir sagen lassen, daß wir langsam in die Abgeordneten Prof. Gonnermann (PDS- Nähe der Einschaltquoten für das Aqua- LL), der ebenfalls verzichtete unter dem rium im ORB kommen. Heute wünsche Hinweis, dass er sich den Worten von ich mir, daß wir ähnliche Verhältnisse Herrn Schneidenbach anschließe. Auch hätten wie die Fische. So werden wir der nächste vom Präsidenten aufgerufe- wohl selbst dafür sorgen, daß das Was- ne Redner, Dr. Neumann, von der Frak- ser um uns herum läuft.“ 77 tion der F.D.P. verzichtete. Der hiernach Ebenfalls in dieser Sitzung, in der aufgerufene Rolf Wettstädt war nicht an- u. a. das Wassergesetz diskutiert wur- wesend. Auch von der Regierungsbank de, kritisierte der Abgeordnete Det- hieß es: „Ich schließe mich ebenso den lef Kirchhoff (CDU), dass die Landes­ Worten von Herrn Schneidenbach an!“ regierung die „Naturschutz- und Darauf bemerkte Dr. Knoblich: „Herr Umweltschutzaufgaben nicht hinrei- Schneidenbach, ich habe selten eine so chend gelöst“ habe und stellte fest: allgemeingültige Rede gehört. Das freut „Ich bedaure ganz persönlich, daß die mich insofern, als wir in ganz erhebli- Kompetenz des für die Unterschutz- chem Zeitverzug sind und die ‚Vor Ort‘ stellung von Trinkwasserschutzgebie- Sendung heute noch ansteht.“ 79 ten zuständigen Ministers bzw. Ministe- Diese Sitzung musste zudem un- riums drastisch beschnitten wurde. Ein vorhergesehen gegen 19:00 Uhr abge- Indiz dafür ist, daß der Umweltminister brochen werden, sodass der Präsident am äußersten Rande des Kabinettsti- den ersehnten ORB-Termin gerade noch sches sitzt. Allein das ist Grund, das wahrnehmen konnte. Seine Begründung Gesetz abzulehnen. für den plötzlichen Abbruch: „… o f f e n - (Ministerin Dr. Hildebrand [SPD]: Er sichtlich ist durch Blitzschlag die Ton- sitzt in der Mitte! – anlage außer Betrieb gesetzt worden …“ Herr Zarneckow [SPD]: Soll denn der Dazu der Innenminister Alwin Ziel (SPD): Wirtschaftsminister am Rande sitzen?“) 78 „Ich habe um 18:00 Uhr in meinem Mi- nisterium angerufen, das auch für Ka- 76 Plenarprotokoll (1/66) vom 31. 03. 1993, S. 5083. 77 Plenarprotokoll (1/98) vom 29. 06. 1994, S. 8026 ff. 78 Ebenda, S. 8057. 79 Ebenda, S. 8096.

44 1. Wahlperiode tastrophen zuständig ist, und eine Flüs- Von 3 280 Petitionen konnten 3 051 tertüte bestellt. Leider habe ich sie noch abgeschlossen werden. Beschwerde­ nicht hier, sonst hätte ich sie Ihnen über- punkte waren vor allem wiederver- reicht.“ 80 einigungsbedingte Sachverhalte wie Rückübertragungsansprüche und Bodenreformfragen.­ Statistik Von fünf eingereichten Volksinitia- tiven konnte zwei Initiativen aufgrund „Mehr als jeder fünfte Abgeordnete der Kreisneugliederungsgesetzgebung hatte zuvor in der letzten Volkskammer Rechnung getragen werden. Die zwei die Abwicklung der DDR mitgestaltet beantragten Volksbegehren blieben er- oder erlebt … Im Vergleich aller Bundes- folglos. länder gestalten in Brandenburg eher Besucher des Landtagsgebäudes junge Abgeordnete die Politik ... Bis auf (einschließlich von Plenarsitzungen) 82: einen SPD-Abgeordneten stammen alle 2 0 2 9 1. Mandatsträger aus Ostdeutschland … Im Vergleich zu westdeutschen Lan- desparlamenten waren die Abgeord- neten hoch gebildet … Acht von zehn hatten studiert ... Üblicherweise sind in Parlamenten Absolventen der Rechts-, Wirtschafts-, Sozialwissenschaften oft vertreten … Stattdessen dominierten Absolventen medizinischer, technischer und naturwissenschaftlicher Studien- gänge … Fast die Hälfte der Abgeord- neten hatte zuvor im Staatsdienst gear- beitet.“ 81 In seiner 1. Wahlperiode verabschie- dete der Landtag in 100 Sitzungen 207 Gesetze. Es wurden insgesamt 3 243 Drucksachen produziert sowie 25 Große Anfragen und 722 Kleine Anfragen auf den Weg gebracht. Die längste Rede hielt Günter Nooke (BÜNDNIS) mit 45 Minuten Redezeit. Mit 220 Reden in der Wahlperiode brach- te er es auf Platz eins bei der Anzahl der Redebeiträge.

80 Ebenda, S. 8101. 81 v. Gersdorff / Lorenz, 2010, S. 182. 82 Erfasst seit 01. 01. 1992.

1. Wahlperiode 45 46 1. Wahlperiode VI. Die 2. Wahlperiode des Land­ tages vom 11. 10. 1994 bis 29. 09. 1999

1. Das Wahlergebnis und die mit 15 Abgeordneten. Der Anteil der Ar- ­Abgeordneten beiter und einfachen Angestellten er- höhte sich von 7 auf 12 Personen.“ 83 Bei einer Wahlbeteiligung von 56,33 % wählten die Bürger am 11. 09. 1994 den Bei den 88 Abgeordneten handelte es zweiten Landtag. GRÜNE/B 90 und die sich um: F.D.P. blieben unter der 5 %-Grenze und verpassten damit den Einzug in den Fraktion der SPD (52 Mandate): Landtag, so dass sich die Anzahl der 1. Petra Bierwirth Fraktionen auf drei verringerte. 2. Wolfgang Birthler Der Frauenanteil im Parlament be- 3. Christel Dettmann trug zu Beginn der 2. Wahlperiode 4. Lothar Englert 36,4 %, und das Durchschnittsalter der 5. Heidrun Förster Abgeordneten lag bei 45 Jahren. 6. Joachim Franck „Die Zusammensetzung des Parla- 7. Ulrich Freese ments nach Berufsgruppen blieb … an- 8. Ingrid Friese nähernd gleich. Nach wie vor bildeten die Ingenieure die am stärksten vertrete- 83 Reinhardt, Sieglinde: Der Landtag Brandenburg 1999 bis zur Gegenwart. In: Adamy / Hübener, ne Berufsgruppe mit 21 Abgeordneten, Kleine Geschichte des Brandenburger Landtages, gefolgt von den Lehrern und Erziehern 1999, S. 211.

Erststimmen Zweitstimmen Sitze SPD 50,19 % 54,14 % 52

CDU 20,79 % 18,72 % 18

PDS 19,69 % 18,71 % 18

GRÜNE / B90 3,25 % 2,89 %

F.D.P. 2,74 % 2,20 %

2. Wahlperiode 47 9. Robert Gemmel 49. Reinhart Zarneckow 10. Fred Gleitsmann 50. Dagmar Ziegler 11. Cornelia Gödecke 51. Alwin Ziel 12. Martina Gregor 52. Edwin Zimmermann 13. Dr. Fritz Grunert 14. Frank Hamann Fraktion der CDU (18 Mandate): 15. Dr. Regine Hildebrandt 1. Uwe Bartsch 16. Barbara Hübner 2. Martin Habermann 17. Dr. Werner Kallenbach 3. Dr. Wolfgang Hackel 18. Peter Kikow 4. Carola Hartfelder 19. Wolfgang Klein 5. Klaus Häßler 20. Lothar Kliesch (ab 04/1997 fraktionslos) 21. Dr. Herbert Knoblich 6. Dieter Helm 22. Heidemarie Konzack 7. Dierk Homeyer 23. Dr. Klaus-Dietrich Krüger 8. Thomas Klein 24. Klaus-Dieter Kühbacher 9. Thomas Lunacek 25. Andreas Kuhnert 10. Dr. Jürgen Meißner 26. Barbara Lehmann (später: Wolff) 11. Rainer Neumann 27. Gabriele Lewandowski 12. Heinz-Dieter Nieschke 28. Hartmut Meyer 13. Wilfried Schrey 29. Angela Müller 14. Monika Schulz 30. Heiko Müller 15. Joachim Stöcker 31. Uta-Brigitte Müller 16. Dr. Dr. Markus Vette 32. Peter Muschalla 17. Dr. Peter Wagner 33. Manfred Rademacher 18. Frank Werner 34. Steffen Reiche 35. Günter Rentsch Fraktion der PDS (18 Mandate): 36. Heidrun Schellschmidt 1. Kerstin Bednarsky 37. Reinhilde Schildhauer-Gaffrey 2. Hannelore Birkholz 38. Werner-Siegwart Schippel 3. Prof. Dr. Lothar Bisky 39. Christoph Schulze 4. Ralf Christoffers 40. Dr. Elke Seidel 5. Petra Faderl 41. Ingrid Siebke 6. Christel Fiebiger 42. Britta Stark 7. Christian Gehlsen 43. Dr. Manfred Stolpe 8. Prof. Dr. Bernhard Gonnermann 44. Angelika Thiel 9. Stefan Ludwig 45. Gerhard Thierbach (ab 12/1995 10. Dr. Helmuth Markov ­fraktionslos, ab 02/1996 CDU) 11. Kerstin Osten 46. Jörg Vogelsänger 12. Harald Petzold 47. Dr. Karsten Wiebke 13. Prof. Dr. Michael Schumann 48. Dr. Dietmar Woidke 14. Gerlinde Stobrawa

48 2. Wahlperiode 15. Anita Tack 16. Dr. Margot Theben 17. Dr. Andreas Trunschke 84 18. Heinz Vietze

Davon schieden aus: – Klaus-Dieter Kühbacher (SPD) – Petra Bierwirth (SPD) – Christian Gehlsen (PDS) – Christel Fiebiger (PDS) – Dr. Helmuth Markov (PDS)

Dafür rückten nach: – Christel Redepenning (SPD) – Brigitte Oltmanns (SPD) Alterspräsident Dr. Fritz Grunert. – Kerstin Meier (PDS) – Klaus John (PDS) und Herren, begrüße ich heute insbe- – Roswitha Schlesinger (PDS) sondere. Zugleich geht mein Appell an Sie: Geben Sie mit Elan und Ideen der Arbeit des Parlaments kräftige Impulse! Gepaart mit der Routine und Beharrlich- 2. Die konstituierende Sitzung des keit der erfahrenen Abgeordneten sollte zweiten Landtages uns wohl eine mutige und ausgleichen- de Politik für das Wohl der Menschen im In der konstituierenden Sitzung zum Land Brandenburg gelingen. zweiten Landtag am 11. 10. 1994 führte Die Brandenburger haben An- Alterspräsident Dr. Fritz Grunert (SPD) spruch auf eine verläßliche Politik. Da- aus: 85 für nimmt uns die Verfassung des „Meine Damen und Herren! Heute Landes in die Pflicht. Die Verfassungs- beginnt ein neues Kapitel brandenbur- gebung für das wiedererstandene Land gischer Politik und Landtagspraxis. Mit Brandenburg ragt aus der 1. Legisla- dem Ergebnis der Wahl veränderten sich turperiode heraus. Im Konsens aller im politische Konstellationen, und fast die Landtag vertretenen Parteien wurde Hälfte der Mitglieder des neuen Landes- eine der fortschrittlichsten Landesver- parlamentes sind neue Abgeordnete. fassungen entworfen und mit Volksent- Sie, die Neuen unter uns, meine Damen scheid durch die Brandenburger ange- nommen … ! Wie vieles aber bleibt noch 84 Frau Romy Schmiedl lehnte am 27. 09. 1994 frist- zu tun! Noch immer sehen die Men- gemäß die Annahme ihrer Wahl ab; Dr. Andreas schen sich einer nicht abgeschlosse- Trunschke nahm fristgemäß mit Wirkung vom 06. 10. 1994 die Mitgliedschaft an. nen, für manch einen nur sehr schwer 85 Plenarprotokoll (2/1) vom 11. 10. 1994, S. 3. verkraftbaren Umbruchssituation ge-

2. Wahlperiode 49 Blick in das Plenum während eines Wahlganges, 11. 10. 1994. genüber. Die Hoffnungen richten sich desländer herzustellen. Nicht nur die auf die Bundes- und auf die Landespo- Zahl der Gesetze und Verordnungen litik.“ spricht Bände. Daß dabei auch mancher Nach seiner Wiederwahl zum Land- Schnellschuß fabriziert wurde, darf nie- tagspräsidenten mit 67 Jastimmen, 12 manden verwundern. Manches werden Enthaltungen und 8 Neinstimmen bei 87 wir jetzt verfeinern müssen. abgegebenen gültigen Stimmen führte Wir sollten uns für die kommenden Dr. Knoblich aus: Jahre gemeinsam vornehmen, uns die „Der parlamentarische Umgangs- Zeit für eine gründliche Erörterung aller stil und das verantwortungsvolle Ringen Texte zu nehmen. Das erspart uns nicht über alle Fraktionsgrenzen hinweg um nur spätere Korrekturen, sondern trägt die bestmögliche Problemlösung haben vor allem zu einer sachgerechteren und uns in der vergangenen Legislaturperio- verantwortbaren Entscheidung eines je- de über die Landesgrenzen hinaus Aner- den Abgeordneten bei.“ 86 kennung eingebracht. Ich wünsche uns Für das Amt des Vizepräsidenten allen, daß dies auch in den kommenden gab es zwei Wahlvorschläge. Die Frak- fünf Jahren Bestand hat. Das sage ich tion der PDS-LL schlug Hannelore Birk- nicht nur mit Blick auf die vielen neuen holz und die Fraktion der CDU Martin Gesichter in allen Fraktionen. Habermann vor, der sich mit 54 Jastim- Die ersten vier Jahre waren geprägt men bei 86 gültigen Stimmen gegen die von einem Zeitdiktat, möglichst schnell Mitbewerberin durchsetzte. den gesetzgeberischen und strukturel- len Anschluß an die westlichen Bun- 86 Ebenda, S. 6.

50 2. Wahlperiode Aufgrund der Besonderheit, dass 3. Die Landesregierung die Fraktionen der CDU und der PDS über die gleiche Fraktionsstärke ver- Zum Ministerpräsidenten wurde am fügten, also über jeweils 18 Mandate, 11. 10. 1994 im Landtag erneut Dr. Man- musste gemäß Geschäftsordnung des fred Stolpe gewählt. Er erhielt in gehei- Landtages die Reihenfolge der Frakti- mer Wahl bei 86 gültigen Stimmen, 53 onen durch ein Losverfahren bestimmt Jastimmen und 30 Neinstimmen bei 3 werden. Danach erhielt die CDU die Enthaltungen. Am selben Tag wurden zweite und die PDS die dritte Stelle. die Mitglieder der Landesregierung vor dem Landtag vereidigt. Die Fraktionsvorsitzenden Minister des Innern SPD Wolfgang Birthler Alwin Ziel (SPD)

CDU Dr. Peter Wagner Minister der Finanzen (bis 07. 09. 1997) Klaus-Dieter Kühbacher (SPD)

Dr. Wolfgang Hackel Minister der Justiz und für Bundes- (ab 15. 09. 1997) und Europaangelegenheiten PDS Prof. Dr. Lothar Bisky Dr. Hans Otto Bräutigam (parteilos)

Vereidigung des Ministerpräsidenten. Links: Ministerpräsident Dr. Manfred Stolpe. Rechts: Landtagspräsident Dr. Herbert Knoblich.

2. Wahlperiode 51 Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie Dr. Burkhard Dreher (SPD)

Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesund- heit und Frauen Dr. Regine Hildebrandt (SPD)

Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Edwin Zimmermann (SPD)

Minister für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung Matthias Platzeck (parteilos, ab 1995 Die 2. Brandenburger Landesregierung. SPD) nanzressort. Am 11. 10. 1995 wurde sie Ministerin für Bildung, Jugend und vor dem Landtag vereidigt. Sport Gunter Fritsch (SPD) wurde nach Angelika Peter (SPD) dem Rücktritt von Edwin Zimmermann

am 19. 12. 1997 vor dem Landtag als Minister für Wissenschaft, Forschung neuer Minister für Ernährung, Landwirt- und Kultur schaft und Forsten vereidigt. Steffen Reiche (SPD) Für Matthias Platzeck (SPD), der Minister für Stadtentwicklung, Wohnen am 04. 11. 1998 Oberbürgermeister der und Verkehr Landeshauptstadt Potsdam wurde (bis Hartmut Meyer (SPD) 26. 06. 2002), übernahm Dr. Eberhard

Henne (SPD) das Ministerium für Um- Minister und Chef der Staatskanzlei welt, Naturschutz und Raumordnung, Dr. Jürgen Linde (SPD) der am 11. 11. 1998 vor dem Landtag ver- eidigt wurde. Die SPD stellte in der 2. Wahlperio- de eine Alleinregierung, wobei das Re- gierungshandeln nach der Regierungs- 4. Bilanzen und Begebenheiten: Von erklärung vom 18.11.1994 unter dem Rückschlägen und Neuerungen Motto stand: „Arbeiten wir für unser Land - Brandenburg lohnt den Einsatz“. Dr. Horst Maschler wurde am 13. 12. 1995 auf Empfehlung des Aus- Amtswechsel: schusses für Haushaltskontrolle als neu- Nach dem Rücktritt von Klaus-Dieter er Präsident des Landesrechnungshofes Kühbacher, der Chef der Landeszentral- vom Landtag gewählt.87 bank Berlin-Brandenburg wurde, über- nahm Dr. Wilma Simon (SPD) das Fi- 87 Plenarprotokoll (2/25) vom 13. 12. 1995, S. 2270 f.

52 2. Wahlperiode Zu den Schwerpunkten der 2. Wahl- Lediglich die PDS-Fraktion … stimm- periode gehörte die bereits in der 1. te geschlossen dagegen.“ 91 Knapp ein Wahlperiode vorbereitete Entschei- Jahr später lehnten die Brandenburger dung zur Länderfusion Berlin-Branden- bei der Volksabstimmung im Mai 1996 burg. Am 22. 06. 1995 fand der Neuglie- den Vertrag mit 62,7 % bei einer Betei- derungsstaatsvertrag vom 27. 04. 1995 ligung von 66,4 % ab. Die Berlinerin- im Landtag Brandenburg zeitgleich mit nen und Berliner stimmten mit knapper dem Abgeordnetenhaus von Berlin die Mehrheit für die Fusion. Zustimmung der Abgeordneten beider Mit dem Gesetz zur Errichtung ei- Parlamente (Neugliederungsvertragsge- nes Nationalparks „Unteres Odertal“ setz vom 27. 06. 1995 88). vom 27. 06. 1995 92 wurde eine wichti- In der Landtagsdebatte zum Neu- ge Voraussetzung für die künftige Ge- gliederungsstaatsvertrag stellte der staltung des Gebietes im Rahmen eines Abgeordnete Wolfgang Birthler (SPD) grenzübergreifenden „Internationalpark fest: „Brandenburg und Berlin bilden so Unteres Odertal“ unter Einbeziehung oder so eine gemeinsame Region. Bei- von ebenfalls wertvollen naturnahen de Länder sind zwingend auf ... enge Flächen im nördlich angrenzenden Pol- Zusammenarbeit angewiesen. Anders dergebiet auf polnischer Seite geschaf- lassen sich die Probleme in der ­Region fen.93 überhaupt nicht lösen … Wer sich die Wichtige Gesetze in der 2. Wahlpe- jahrzehntelange Neugliederungsdis- riode waren auch die weiteren Geset- kussion im Westen unserer Republik ze zur Gemeindegliederung und zur ansieht, der weiß, dass es für die Re- Funktionalreform. Beispielsweise er- gion Berlin-Brandenburg keine zweite folgte mit dem Vierten Gemeindeglie- ­Chance, keinen zweiten Anlauf zur Fu- derungsgesetz vom 08. 02. 1996 94 die sion geben wird. Schaffen wir es nicht Bildung einer einheitlichen Gemeinde jetzt, schaffen wir es nie.“ 89 der ehemaligen Militär- und Garnisons- Prof. Dr. Lothar Bisky (PDS) merkte stadt Wünsdorf im Amt Zossen. Teile an: „Zum Beispiel haben Sie, Herr Wag- des Areals befanden sich im gemeinde- ner, gestern von der Ehe erzählt. Sie ha- freien Gebiet Zehrensdorf. ben gesagt, derzeit befänden wir uns ... Das Brandenburgische Schulge- in der Phase des Aufgebots, bald aber setz vom 12. 04. 1996 95 sorgte für hefti- komme es zur Hochzeit ... Damit ist al- ge Diskussionen im Landtag und auch les gesagt ... Es ist eine Fusion von oben nach seiner Verabschiedung in der Öf- und nicht von unten.“ 90 fentlichkeit wegen der damit verbunde- „Immerhin stimmten 64 Abgeordne- nen Einführung der Unterrichtsfächer te – und damit fünf mehr, als erforderlich wären –, für den Neugliederungsvertrag. 91 Reinhardt, wie Fußnote 83, S. 214. 92 GVBl. 1995 I, S. 114 ff. 88 GVBl. 1995 I, S. 150 f. 93 Gesetzesbegründung, Drucksache 2/580. 89 Plenarprotokoll (2/17) vom 22. 06. 1995, S. 1434 f. 94 GVBl. 1996 I, S. 20 f. 90 Ebenda, S. 1435 f. 95 GVBl. 1996 I, S. 102 ff.

2. Wahlperiode 53 Anhörung zum Brandenburgischen Schulgesetz im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. L. n. r.: Ingrid Siebke (SPD); Minister für Bildung, Jugend und Sport Steffen Reiche; Carola Hartfelder (CDU). „Lebenskunde-Ethik-Religionskunde“ Mit dem Vierten Gesetz zur Funk- (LER) und des Religionskundeunter- tionalreform vom 22. 12. 1997 97 er- richts in Verantwortung der Kirche und folgte eine weitere Zuständigkeitsver- Religionsgemeinschaften. Die Verfah- lagerung auf die kommunale Ebene, ren vor dem Bundesverfassungsgericht wie sie bereits mit dem Dritten Funkti- richteten sich dagegen, dass der kon- onalreformgesetz vom 19.12.1996 mit fessionelle Religionsunterricht nicht den der Übertragung von Zuständigkeiten Status eines ordentlichen Schulfaches in den Bereichen Umwelt, Naturschutz erhielt. Sie endeten mit einem vom Bun- und Immissionsschutz an die Kommu- desverfassungsgericht im Dezember nen erfolgt war. Nunmehr ging es um 2001 bestätigten Vergleich. die Gleichstellung der großen Städte Zu den Gesetzen, die bereits im hinsichtlich ihres Aufgabenbestandes. Vorfeld zu großen Meinungsverschie- Mit einem umfassenden Gesetzeswerk, denheiten – auch innerhalb der Frak- zahlreichen Änderungen von Gesetzen tionen – geführt haben, gehörte auch wie dem Wassergesetz und die Bau- das Brandenburgische Braunkohlen- ordnung sowie 28 Rechtsverordnungen grundlagengesetz vom 07. 07. 1997 96, wurden Aufgaben von Landesbehörden mit dem die Auflösung der Gemein- auf Landkreise, kreisfreie Städte und de Horno, die Eingliederung ihres Ge- auch kreisangehörige Gemeinden über- meindegebietes in die Gemeinde Jän­ tragen. schwalde sowie die dafür erforderliche Als erstes Bundesland verabschie- Änderung des Enteignungsgesetzes be- dete Brandenburg ein Akteneinsichts- schlossen worden ist. Das Verfassungs- und Informationszugangsgesetz (vom gericht des Landes hatte hierüber in 10. 03. 1998) 98, zu dem der Abgeordne- mehreren Verfahren zu befinden.

97 GVBl. 1997 I, S. 172 ff. 96 GVBl. 1997 I, S. 72 ff. 98 GVBl. 1998 I, S. 46 f.

54 2. Wahlperiode Blick in das Plenum der 2. Wahlperiode, 1999. te Dr. Peter Wagner (CDU) kritisch an- schlossenen Katalog bilden sollen und merkte: „Die CDU-Fraktion war damals nicht bei der praktischen Umsetzung und ist auch heute noch nicht ohne Vor- weitere Ablehnungsgründe hinzugefügt behalte gegenüber einer derartigen Re- werden können.“ 100 gelung, zumal Bedenken bestanden und Am 25. 03. 1998 wählte der Land- bestehen bezüglich der eventuellen Stö- tag auf Vorschlag des Innenausschus- rung der Wettbewerbslandschaft bzw. ses Dr. Alexander Dix als neuen „Lan- des Zusammenwirkens der Verwaltung desbeauftragten für den Datenschutz der Bundesländer, des Bundes bzw. der und für das Recht auf Akteneinsicht“. Europäischen Union … Das vorliegende Der Abgeordnete Wolfgang Klein stellte Gesetz ist ein Akteneinsichtsverhinde- dazu fest: „Das Amt des Landesbeauf- rungsgesetz … Schon der § 1 des Akten- tragten für den Datenschutz ist für unse- einsichtsgesetzes wird durch das Erfor- re Demokratie zu wichtig, als daß es in dernis eines berechtigten Interesses, … den Dunstkreis parteipolitischer Ausei- geschwächt.“ 99 nandersetzungen gezogen werden soll- Prof. Dr. Michael Schumann (PDS) te.“ 101 führte aus: „… Freilich soll Gegenstand Als neue Präsidentin des Landes- dieses Gesetzes nicht der Schutz ver- rechnungshofes wurde Gisela von der schiedenster Daten sein, ... sondern das Aue auf Wahlvorschlag des Ausschus- Recht eines jeden, in solche Akten ein- ses für Haushaltskontrolle in der Land- zusehen … Der erste Schwachpunkt tagssitzung am 12. 11. 1998 gewählt.102 betrifft die ‚berechtigten Interessen‘ ... Das Brandenburgische Hoch- Das zweite Problem sehe ich darin, daß schulgesetz vom 20. 05. 1999 103 war wir uns darüber verständigen müssen, ob die Ablehnungsgründe einen abge- 100 Ebenda, S. 5719. 101 Plenarprotokoll (2/81) vom 25. 03. 1998, S. 6653. 102 Plenarprotokoll (2/94) vom 12. 11. 1998, S. 7608. 99 Plenarprotokoll (2/69) vom 18. 09. 1997, S. 5715. 103 GVBl. 1999 I, S. 130 ff.

2. Wahlperiode 55 ein wichtiger Schritt zur Stärkung der In der 2. Wahlperiode gab es folgende Leistungsfähigkeit der Hochschulen Sondersitzungen des Landtages: und „… zur Einführung von Elementen • Auf Antrag der Fraktion der PDS zur der parlamentarischen Demokratie in „Verantwortung der Landesregie- die Hochschulorganisation. Ein starker rung für die Sanierung des Unter- Präsident wird von einem starken Senat nehmens SMI zur Sicherung und kontrolliert, der den Präsidenten durch Neustrukturierung des Produktionss- ein konstruktives Mißtrauensvotum ab- tandortes im Bereich der Mikroelekt- wählen kann“, merkte der Abgeordnete ronik Frankfurt (Oder) sowie zur Sta- Dr. Klaus-Dietrich Krüger (SPD) an. bilisierung gefährdeter Unternehmen In der 2. Wahlperiode arbeiteten 15 im privatisierten Treuhandbereich“ Fachausschüsse. kam es zu einer Sondersitzung des Es wurden 2 Untersuchungsaus- Landtages am 06. 05. 1997.107 schüsse und 1 Enquete-Kommission • Mit Antrag von 18 Abgeordneten der zu folgenden Themen eingesetzt: PDS wurde am 25. 08. 1999 eine Son- • „Untersuchungsausschuss zur Auf- dersitzung des Landtages zu den klärung des Grunderwerbs in Ber- „Konsequenzen für das Land Bran- lin und Schönefeld durch die Ber- denburg aus der Entscheidung lin Brandenburg Flughafen Holding des brandenburgischen Oberlan- GmbH (BBF) und die Flughafen desgerichts vom 03.08.1999 zum Berlin-Schönefeld GmbH (FBS)“; Großflughafen Berlin Brandenburg Anträge von jeweils 18 Abgeordne- International“ abgehalten. ten der Fraktion der SPD, der Frak- tion der CDU und der Fraktion der Heiterkeit im Plenarsaal PDS und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 13. 12. 1994 In der Landtagssitzung am und Bericht vom 09. 01. 1997.104 06. 09. 1995 richtete der Abgeordnete • „Untersuchungsausschuss zu den Joachim Stöcker (CDU), die Frage an die Vorgängen um die Brandenburgi- Landesregierung, wie sie Vorgänge be- sche Landgesellschaft“ (BLG); An- urteile bei denen „… leichtfertig Tiere, trag von 18 Abgeordneten der Frak- die auf der ‚roten Liste’ stehen, gefähr- tion der CDU vom 27. 08. 1996 und det werden. So soll unter anderem eine Bericht vom 12. 01. 1999.105 Waldeidechse durch diese Umweltexpe- • Enquete-Kommission zur „Ge- rimente getötet worden sein.“ meindegebietsreform im Land Umweltminister Matthias Platzeck Brandenburg“; Antrag von SPD und widersprach der Behauptung, dass es PDS vom 06. 05. 1997 und Bericht Umweltexperimente gebe und stellte vom 22. 04. 1999.106 klar: „… Um zu vermeiden, dass even- tuell in den Graben fallende Kleintie- 104 Drucksache 2/3630. 105 Drucksache 2/5827. 106 Drucksache 2/6260. 107 Plenarprotokoll (2/59) vom 06. 05. 1997, S. 5076.

56 2. Wahlperiode re in diesem festsitzen, wurde der Gra- ten Damen und Herren! Sehr verehrter ben abschnittsweise mit Ausstiegshilfen Kollege Schumann, ich kann mir hier ein versehen … Was den Tod der Eidechse breites Grinsen nicht verkneifen. Salopp betrifft, so kann ich nur sagen: Die Er- und bildlich gesprochen: Sie sind als Ti- mittlungen dazu sind eingestellt. Es gibt ger gestartet und als Bettvorleger ge- keine andere Erklärung als die des Al- landet. ters. Denn es ist erwiesen, dass Reptili- (Beifall bei der CDU – Prof. Dr. en dieser Art ohne Schaden sowohl den Schumann [PDS]: Vor Ihrem Bett gerne! Fall aus einer mehrfachen Höhe des Ka- – Allgemeines Gelächter).“ 110 belgrabens als auch fehlende Nahrungs- Zu Fragen der Technologiefolgeab- aufnahme über mehrere Wochen über- schätzungen in der Gentechnik führte stehen. Beides traf nicht zu.“ 108 Joachim Stöcker (CDU) aus: „Wir waren Zur 1. Lesung des Spielbanken- beim Tragen von Jeans. Wir sprachen gesetzes und der damit verbundenen darüber, daß die alten Haudegen unter Standortentscheidungen für die Spiel- Ihnen die Diskussion ja auch geführt ha- banken im Land Brandenburg fragte der ben. Ich habe nachgelesen - sehen Sie, Abgeordnete Dr. Werner Kallenbach aus ich habe noch einmal nachgelesen! -: Als der Stadt Brandenburg an der Havel in Kampfinstrument des amerikanischen der Landtagssitzung am 06.09.1995 den Imperialismus wurden sie verteufelt. Die zuständigen Minister: „Ist Brandenburg Arbeitsmoral des werktätigen Volkes die drittgrößte Stadt des Landes an der sollten sie untergraben, das Liebesleben Havel oder nicht?“ junger Genossen durcheinanderwirbeln Minister Ziel: „An der Havel auf je- und weitere schlimme Dinge bewirken! den Fall. Spaß beiseite. Diesen Streit Aber, meine Damen und Herren, die Ge- will ich heute hier nicht führen, aber ich schichte hört ja nicht auf. Ich glaube, es freue mich auf diesen Streit nachher in war Stephan Hermlin oder , den Ausschüssen. Diesmal haben wir es der in einem scharfen Essay nachge- so festgemacht, daß sich das Parlament wiesen hat, daß die Nietenhosen die Ar- dazu bekennen muß und nicht ein In- beitshosen des ausgebeuteten Proletari- nenminister einsam an seinem Schreib- ats von Amerika waren. Flugs zwängten tisch diese Entscheidung treffen soll. - sich auch üppige Funktionärsleiber in Danke schön. (Frau Dettmann [SPD]: Wir die besagten Hosen. Was lehrt uns die- können alles noch ändern!).“ 109 se Geschichte? - Dazu zitiere ich den In ihrer Rede zu dem Gesetzentwurf Saarländer Genossen Honecker: ‚Die zur Änderung der Kommunalverfassung Geschichte in ihrem Lauf halten weder führt die Abgeordnete Britta Stark (SPD) Ochs noch Esel auf‘.“ 111 in der Landtagssitzung am 09. 11. 1995 Nicht unerwähnt bleiben darf fol- aus: „Herr Präsident! Meine sehr verehr- gende Kleine Anfrage von Dr. Dr. Mar-

108 Plenarprotokoll (2/19) vom 06. 09. 1995, S. 1629 f. 110 Plenarprotokoll (2/24) vom 09. 11. 1995, S. 2128. 109 Ebenda, S. 1656. 111 Plenarprotokoll (2/47) vom 21. 11. 1996, S. 4239.

2. Wahlperiode 57 Besucher einer Plenarsitzung. kus Vette (CDU) vom 1. April 1999 an Finkenherd (in Bisky-Finkenherd) – vor- die Landesregierung: „Nahe der Lan- zunehmen … Die Landesregierung ist desgrenze findet man an der Autobahn bereit, entsprechende Vorschläge der 21 ein Schild mit der Aufschrift ‚Stolpe‘. Oppositionsparteien gewissenhaft zu Da dies für eine Bundesautobahn un- prüfen und im Falle nachgewiesener gewöhnlich ist, frage ich die Landesre- Plausibilität und Respektabilität an die gierung: Trifft es zu, dass seitens ande- Bundesregierung weiterzuleiten.“ 112 rer politischer Parteien in Brandenburg Anträge zum Aufstellen von ähnlichen Schildern, etwa mit der Aufschrift ‚Bisky‘ Statistik oder ‚Schönbohm‘ beim Innenministeri- um eingereicht wurden, und wie verhält In der 2. Wahlperiode verabschiede- sich die Landesregierung zu einem sol- te der Landtag in 108 Sitzungen 157 Ge- chen Ansinnen?“ setze, darunter zahlreiche Novellierun- In der Antwort führte der Chef der gen. Es wurden 64 Große Anfragen und Staatskanzlei, Dr. Jürgen Linde, gleich- beachtliche 2 071 Kleine Anfragen auf falls noch am 1. April 1999, u. a. aus: den Weg gebracht. „Selbstverständlich sind die Kommunen Die längsten Reden mit jeweils 50 nicht gehindert, für andere im Landtag Minuten Redezeit wurden von Prof. Dr. vertretene Parteien derartige Würdigun- Lothar Bisky (PDS) und Dr. Peter Wag- gen von Spitzenpolitikern wie Schön- ner (CDU) gehalten. bohm und Bisky – zu denken wäre hier Von 4 790 Petitionen konnten 4 695 an geringfügige Namensänderungen abgeschlossen werden. Die Beschwer- von Ortschaften wie Schönefeld (Land- den richteten sich hauptsächlich auf kreis Dahme-Spreewald), Schönewal- Fragen wie Rückübertragungsansprü- de (Landkreis Elbe-Elster), Schönwalde (Landkreis Havelland) bzw. Brieskow- 112 Drucksache 2/6221.

58 2. Wahlperiode che auf Grundstücke, die Abwicklung der Bodenreform und die Weiterbe- schäftigung im öffentlichen Dienst trotz früherer MfS-Zugehörigkeit. Von den sechs eingereichten Volks- initiativen wurde den drei Initiativen „Schaffung sozialer und rechtlicher Vor- aussetzungen bei der Überleitung in das Vergleichsmietensystem in den neuen Bundesländern“, „Bürgerinitiative gegen den Schnellstraßenbau Finowtal und Niederoderbruch“ sowie „Bürgerbewe- gung für sozialverträgliche Wasser- und Abwasserpreise Eberswalde“ durch ent- sprechende Landtagsbeschlüsse Rech- nung getragen. Von drei Volksbegehren war die „Initiative zur Einbringung eines Gesetzes zur Förderung der Musikschu- len im Land Brandenburg“ trotz fehlen- der förmlicher Voraussetzungen insofern erfolgreich, als die Landesregierung zur Vorlage eines entsprechenden Gesetzes aufgefordert wurde, das dann auch in der dritten Legislaturperiode beschlos- sen worden ist. Besucher des Landtagsgebäu- des (einschließlich von Plenarsitzungen): 4 5 3 0 8 .

2. Wahlperiode 59 60 2. Wahlperiode VII. Die 3. Wahlperiode des Landta- ges vom 29. 09. 1999 bis 13. 10. 2004

1. Das Wahlergebnis und die dem die direkt gewählte Abgeordnete ­Abgeordneten Dr. Regine Hildebrandt ihren Verzicht auf das Mandat erklärt hatte, rückte als Die Wahl zum dritten Landtag Ersatzperson Angelika Thiel-Vigh nach. fand am 05. 09. 1999 statt, an der sich Dies erklärte das Landesverfassungsge- 54,30 % der wahlberechtigten Bür- richt mit Urteil vom 12. 10. 2000 113 für un- ger beteiligten. Die DVU überschritt die wirksam, weil das Nachrücken einer Er- 5 %-Grenze knapp und war mit fünf Ab- satzperson aus der Landesliste entfalle, geordneten erstmals in den Landtag wenn der ausscheidende Mandatsträger eingezogen. Damit erhöhte sich die An- im Wahlkreis direkt gewählt worden sei zahl der Fraktionen auf vier. und seine Partei bis zu zwei Überhang- Da auf die SPD nach dem Ergebnis mandate erhalten habe. der Zweitstimmen 36 Sitze entfallen wa- Der Frauenanteil im Parlament be- ren und in 37 Wahlkreisen die Bewerber trug zu Beginn der 3. Wahlperiode 33 %, der SPD gewählt worden waren, erhielt und das Durchschnittsalter der Abge- die SPD ein Überhangmandat, sodass ordneten lag bei 49 Jahren. der Landtag in der 3. Wahlperiode an- fangs 89 statt 88 Mitglieder hatte. Nach- 113 VfGBbg: 19/00.

Erststimmen Zweitstimmen Sitze SPD 38,15 % 39,33 % 37

CDU 28,68 % 26,55 % 25

PDS 25,26 % 23,34 % 22

DVU – 5,28 % 5

GRÜNE / B90 2,51 % 1,94 %

F.D.P. 3,06 % 1,86 %

3. Wahlperiode 61 Bei den 89 Abgeordneten handelte es Fraktion der CDU (25 Mandate): sich um: 1. Alard von Arnim 2. Uwe Bartsch Fraktion der SPD (37 Mandate, ab 3. Beate Blechinger 12. 10. 2000 36 Mandate): 4. Dieter Dombrowski 1. Wolfgang Birthler 5. Dr. Christian Ehler 2. Mike Bischoff 6. Martin Habermann 3. Klaus Bochow 7. Dr. Wolfgang Hackel 4. Reinhold Dellmann 8. Carola Hartfelder 5. Christel Dettmann 9. Dieter Helm 6. Ulrich Freese 10. Dierk Homeyer 7. Gunter Fritsch 11. Detlef Karney 8. Robert Gemmel 12. thomas Lunacek 9. Martina Gregor 13. Marina Marquardt 10. Dr. Regine Hildebrandt 14. Rainer Neumann 11. Dr. Werner Kallenbach 15. Dr. Wieland Niekisch 12. Wolfgang Klein 16. Heinz-Dieter Nieschke 13. Lothar Kliesch 17. Sven Petke 14. Dr. Herbert Knoblich 18. Barbara Richstein 15. Joachim Kolbe 19. Jörg Schönbohm 16. Heidemarie Konzack 20. Burkhard Schöps 17. Andreas Kuhnert 21. Wilfried Schrey 18. Manfred Lenz 22. Monika Schulz 19. Hartmut Meyer 23. Ingo Senftleben 20. Heiko Müller 24. Dr. Peter Wagner 21. Uta-Brigitte Müller 25. Frank Werner 22. Peter Muschalla 23. Manfred Rademacher Fraktion der PDS (22 Mandate): 24. Christel Redepenning 1. Kerstin Bednarsky 25. Steffen Reiche 2. Hannelore Birkholz 26. Reinhilde Schildhauer-Gaffrey 3. Prof. Dr. Lothar Bisky 27. Werner-Siegwart Schippel 4. Ralf Christoffers 28. Christoph Schulze 5. Heinz Dobberstein 29. Ingrid Siebke 6. Thomas Domres 30. Dr. Manfred Sternagel 7. Dr. 31. Dr. Manfred Stolpe 8. Frank Hammer 32. Jörg Vogelsänger 9. Kerstin Kaiser-Nicht 33. Dr. Karsten Wiebke 10. Stefan Ludwig 34. Dr. Dietmar Woidke 11. Kerstin Osten 35. Dagmar Ziegler 12. Stefan Sarrach 36. Alwin Ziel 13. Dr. Esther Schröder (ab 10/2002 37. Edwin Zimmermann fraktionslos, ab 01/2004 SPD)

62 3. Wahlperiode 14. Prof. Dr. Michael Schumann 15. Gerlinde Stobrawa 16. Anita Tack 17. Wolfgang Thiel 18. Dr. Andreas Trunschke 19. Heinz Vietze 20. Klaus-Jürgen Warnick 21. Kornelia Wehlan 22. Irene Wolff (später: Wolff-Molorciuc)

Fraktion der DVU (5 Mandate): 1. Michael Claus 2. Birgit Fechner 3. Werner Firneburg Alterspräsident Heinz Dobberstein. 4. Liane Hesselbarth 5. Sigmar-Peter Schuldt – Britta Stark (SPD) – Markus Nonninger (DVU) Davon schieden aus: – Heidrun Schellschmidt (SPD) – Dr. Regine Hildebrandt (SPD) 114 – Angela Müller (SPD) – Angelika Thiel-Vigh (SPD) – Christian Görke (PDS) – Prof. Dr. Michael Schumann (PDS) 115 – Susanne Melior (SPD) – Stefan Ludwig (PDS) – Jörg Vogelsänger (SPD) – Dr. Manfred Stolpe (SPD) 2. Die konstituierende Sitzung des 116 – Werner Firneburg (DVU) dritten Landtages – Joachim Kolbe (SPD) 117 – Reinhilde Schildhauer-Gaffrey In der konstituierenden Sitzung des drit- (SPD) 118 ten Landtages am 29. 09. 1999 führte der – Hannelore Birkholz (PDS) Abgeordnete Dobberstein (PDS) als Al- – Christel Dettmann (SPD) terspräsident in seiner Rede aus: „Eine der mir wichtigsten Herausfor- Dafür rückten nach: derungen besteht darin, dass es allen po- – Angelika Thiel-Vigh (SPD) litischen Kräften, egal welcher Richtung, – Gerrit Große (PDS) gelingen muss zu verhindern, dass Krieg, – Petra Faderl (PDS) Verfolgung und Vernichtung auf dieser – Heidrun Förster (SPD) Welt wieder akzeptabel werden, zu verhin- dern, dass es – wie zu Zeiten des Kalten 114 Verstorben am 16. 11. 2001. Krieges – möglich ist, Begründungen für 115 Verstorben am 02. 12. 2000. Kriegsverbrechen zu finden, und Bürgerin- 116 Verstorben am 12. 03. 2003. 117 Verstorben am 18. 03. 2003. nen und Bürger in eine schon fast peinliche 118 Verstorben am 18. 07. 2003. Lethargie verfallen, statt sich zu wehren.

3. Wahlperiode 63 Daraus ergibt sich für mich eine wird sich daran messen lassen müssen, zweite Herausforderung an die Politik ob es gelingt, mehr soziale Gerechtig- auch dieses Hauses: Wir alle tragen ein keit herzustellen und Armut zu überwin- hohes Maß an Verantwortung dafür, dass den.“ 119 sich auch nichtdeutsche Mitbürgerinnen In dieser Sitzung wurde Dr. Herbert und Mitbürger im Land Brandenburg zu Knoblich bei offener Wahl erneut zum Hause fühlen, dass wir stärkere Integrati- Landtagspräsidenten mit der erforderli- onsmöglichkeiten für sie finden und wirk- chen Mehrheit der Stimmen gewählt.120 liche Chancengleichheit herstellen. Als Vizepräsident wurde ein weiteres Sorgen wir dafür, dass Artikel 1 des Mal Martin Habermann gewählt, der Grundgesetzes – ‚Die Würde des Men- sich mit 59 Jastimmen von 82 gültigen schen ist unantastbar.‘ – nicht zu Maku- Stimmen gegen seine Mitbewerberin Dr. latur verkommt! … Dagmar Enkelmann von der PDS durch- Rassismus und Ausländerfeindlich- setzte. keit schaden nicht nur dem Ansehen ei- nes demokratischen Landes, sondern auch der wirtschaftlichen, touristischen und sozialen Entwicklung, für die wir vor den Augen unserer Kinder und Kindes- kinder die Verantwortung tragen. Eine dritte Herausforderung möchte ich benennen: Wir stehen in den nächs- ten Wochen und Monaten vor Grund- satzentscheidungen darüber, welche Bedeutung und Entwicklung wir unse- ren Kommunen zubilligen wollen. Wie Demonstration gegen den Einzug der DVU vor dem ein Patient hängen die Kommunen am Gebäude des Landtages. Finanztropf der Bundes- und der Lan- In seiner Dankesrede führte Dr. desregierung. Erneuerung und Aktivität ­Knoblich aus: „Parlamente sind Abbilder bleiben im Rennen um den am besten der Gesellschaft. Insofern demonstrie- ausgefüllten Fördermittelantrag auf der ren sie den Willen des Souveräns unein- Strecke. geschränkt. Sie können also nicht bes- Noch steht nicht im Mittelpunkt der ser sein als er selbst, aber auch nicht Finanzpolitik, was unsere Kommunen schlechter. Und wenn es Unmut über brauchen, um liebenswerte Lebensräu- vermeintliche Schwächen dieser Ge- me für Menschen zu sein, sondern die sellschaft und Attacken gegen demo- Frage, welche Fördermittel gerade noch kratisch legitimierte Mandatsträger gibt, vorhanden sind und ob der Eigenanteil der Kommune gezahlt werden kann … 119 Plenarprotokoll (3/1) vom 29. 09. 1999, S. 3 ff. Als letzte Herausforderung möchte 120 Da eine offene Wahl stattfand, erfolgte keine ich benennen: Das Land Brandenburg Stimmenauszählung.

64 3. Wahlperiode Blick in das Präsidium der 3. Wahlperiode. dann frage ich: Ist dies die richtige Ad- 3. Die Landesregierung resse? In der Landtagssitzung am 13. 10. 1999 Die Wahl der Abgeordneten heißt wurde zum dritten Mal Dr. Manfred Stol- für mich Verpflichtung gegenüber dem pe zum Ministerpräsidenten gewählt. Souverän, heißt für mich Verpflichtung Bei 85 gültigen Stimmen entfielen auf zur Ehrlichkeit, zur Aufrichtigkeit, zur ihn 58 Jastimmen. Redlichkeit, zur Wahrhaftigkeit und zur Ebenfalls in dieser Sitzung wurden Gewissenhaftigkeit gemäß Artikel 56 der die Mitglieder der Landesregierung vor brandenburgischen Verfassung. Es heißt dem Landtag vereidigt. Verpflichtung zur bewussten Verantwor- tung jedes Einzelnen für das gesamte Minister des Innern Land.“ 121 Jörg Schönbohm (CDU)

Die Fraktionsvorsitzenden Minister der Justiz und für Europa­

angelegenheiten SPD Wolfgang Birthler Prof. Dr. Kurt Schelter (CDU) (bis 12. 10. 1999) Gunter Fritsch Ministerin der Finanzen (ab 12. 10. 1999) Dr. Wilma Simon (SPD)

CDU Jörg Schönbohm Minister für Wirtschaft (bis 12. 10. 1999) Dr. Wolfgang Fürniß (CDU)

Beate Blechinger Minister für Arbeit, Soziales, Gesund- (ab 12. 10. 1999) heit und Frauen PDS Prof. Dr. Lothar Bisky Alwin Ziel (SPD)

DVU Liane Hesselbarth Minister für Landwirtschaft, Umwelt- schutz und Raumordnung 121 Ebenda, S. 6. Wolfgang Birthler (SPD)

3. Wahlperiode 65 Minister für Bildung, Jugend und Sport Steffen Reiche (SPD)

Minister für Wissenschaft, Forschung und Kultur Dr. Wolfgang Hackel (CDU)

Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr Hartmut Meyer (SPD)

Ministerpräsident Dr. Manfred Stolpe (r.) und der Mi- Chef der Staatskanzlei nister des Innern Jörg Schönbohm gratulieren Prof. Rainer Speer (SPD) Dr. im Anschluss an die Vereidigung vor dem Landtag.

SPD und CDU bildeten erstmals Prof. Dr. Johanna Wanka (parteilos) eine Große Koalition. Das Regierungs- wurde nach dem Rücktritt von Dr. Wolf- handeln wurde in der Regierungserklä- gang Hackel (CDU) als Kulturministerin rung vom 24. 11. 1999 so überschrieben: am 18. 10. 2000 vor dem Landtag verei- „Kräfte bündeln und Chancen nutzen.“ digt. In der Landtagssitzung am Amtswechsel: 26. 06. 2002 wurde Matthias Platzeck Nach dem Rücktritt von Dr. Wilma Si- (SPD), der von 1990 bis 1998 Umweltmi- mon wurde Dagmar Ziegler (SPD) am nister und seit 1998 Oberbürgermeister 20. 09. 2000 vor dem Landtag als neue der Stadt Potsdam war, zum neuen Mi- Finanzministerin vereidigt. nisterpräsidenten gewählt. Von den 82

Ministerpräsident Matthias Platzeck (l.) leistet seinen Amtseid. Rechts: Landtagspräsident Dr. Herbert Die Brandenburger Landesregierung, 1999. Knoblich.

66 3. Wahlperiode an der Wahl beteiligten Abgeordneten gehrens war. Allerdings hatten die für erhielt er 54 Jastimmen. Haushalt und Finanzen zuständigen Ab- Nach dem Wechsel des Minister- geordneten hinsichtlich der Schaffung präsidenten wurden die Mitglieder der eines weiteren Leistungsgesetzes mit Landesregierung von ihm ernannt und nicht unwesentlichen finanziellen Aus- am 27. 06. 2002 vor dem Landtag verei- wirkungen im Vorfeld Bedenken ange- digt. Die Ministerinnen und Minister des meldet. Kabinetts Stolpe behielten ihre Ämter. Der Abgeordnete Dr. Andreas In einer Sondersitzung des Landta- Trunschke (PDS) bemerkte in der Land- ges am 14.08.2002 wurden als neue Mi- tagssitzung zur zweiten Lesung des Ge- nisterin der Justiz und für Europaange- setzes: „Zum ersten Mal in der Bun- legenheiten Barbara Richstein (CDU) als desrepublik werden die Belange der Nachfolgerin des zurückgetretenen Prof. Musikschulen in einem eigenständigen Dr. Kurt Schelter und Günter Baaske Gesetz geregelt. Das hat Signalwirkung (SPD) als neuer Minister für Arbeit, Sozi- über das Land Brandenburg hinaus … ales, Gesundheit und Frauen für den aus Der eigentliche Erfolg ist der Erfolg der dem Kabinett ausgeschiedenen Alwin Volksinitiative und des Volksbegehrens.“ Ziel vor dem Landtag vereidigt. Die Abgeordnete Heidemarie Kon- In der Landtagssitzung am 14. 11. 2002 zack (SPD) stellte fest: „Den hohen wurde Ulrich Junghanns (CDU) vor dem Standard, den unsere Musikschulen ha- Landtag vereidigt, der nach dem Rücktritt ben … zu sichern, muss unter anderem von Dr. Wolfgang Fürniß das Amt des Wirt- die Aufgabe Brandenburger Kulturpoli- schaftsministers übernahm. tik sein.“ 123 Am 24. 09. 2003 wurde Frank Mit dem Gesetz zur Reform der ­Szymanski (SPD) für den zurückgetre- Polizeistruktur vom 20. 12. 2001 124 wur- tenen Hartmut Meyer als neuer Minister de die Zahl der Polizeipräsidien von für Stadtentwicklung, Wohnen und Ver- sechs auf zwei und die der Schutzberei- kehr vor dem Landtag vereidigt. che von 21 auf 15 reduziert, und es wur- den erhebliche mittelfristige Personal- kosteneinsparungen vorgesehen. 4. Bilanzen und Begebenheiten: Zu den 146 verabschiedeten Ge- Vom erfolgreichen Volksbegehren setzten der 3. Wahlperiode gehörten über die Gemeindegebietsreform auch die Gesetze zur landesweiten Ge- bis zum Konsolidierungskurs meindegebietsreform. Nur noch 433 Gemeinden mit teilweise neuen Gemein- Das Brandenburgische Musik- de- und Amtsgrenzen waren das Er- schulgesetz vom 19. 12. 2000 122 ist in gebnis. Großer Unmut im Lande sorgte die Geschichte des Landtages einge- für viele Klagen vor dem Landesverfas- gangen, da es Ergebnis eines Volksbe-

123 Plenarprotokoll (3/27) vom 13. 12. 2000, S. 1620 ff. 122 GVBl. 2000 I, S. 178 f. 124 Drucksachen 3/3363, 3/3605.

3. Wahlperiode 67 sungsgericht, das aber die Struktur der Mit den Haushaltsstrukturgeset- Reform als rechtmäßig bestätigte. zen der Jahre 2000, 2002 und 2003 In der Landtagsdebatte zur Be- wurde der Konsolidierungskurs ver- schlussfassung über das Gesetz zur schärft. Es erfolgten Kürzungen in fast Reform der Gemeindestruktur und allen Bereichen, und es begann eine Stärkung der Verwaltungskraft der gezielte Aufgabenkritik in der Landes- Gemeinden vom 13. 03. 2001 125 führte verwaltung. Finanzministerin Dagmar der Abgeordnete Klaus Bochow (SPD) Ziegler (SPD): „Neben den gezielten Ein- aus: „In Brandenburg existieren gegen- sparungen von 190 Einzelpositionen wärtig ca. 1 500 Gemeinden, von denen stellt die Anpassung der Leistungen im fast 60 % … weniger als 500 Einwohner Rahmen des kommunalen Finanzaus- aufweisen. Die Problematik bei diesen gleichs für die Kommunen einen sehr Gemeinden besteht darin, dass sie häu- schmerzhaften Eingriff dar ... Ich denke, fig nicht in der Lage sind, gemeindliche es ist uns allen bewusst, dass den Ein- Einrichtungen zur Durchführung pflich- sparoperationen des Nachtrags 2003 in tiger wie freiwilliger Selbstverwaltungs- den kommenden Jahren weitere folgen aufgaben für ihre Bürger vorzuhalten. müssen.“ 129 Die Folge dieser mangelnden Leistungs- Zu dem ersten Sparpaket der Wahl- fähigkeit besteht in der Aushöhlung der periode gehörte die umfassende Re- kommunalen Selbstverwaltung.“ 126 form der Kindertagesbetreuung 130 Als wegweisend für die Schaffung durch ein Umsteuern der Finanzierung einer Medienlandschaft Berlin-Branden- weg von der Finanzierung der Struktu- burg kann das Gesetz zu dem Staats- ren hin zur Pro-Kind-Finanzierung. vertrag über die Errichtung einer Zur zweiten Lesung des Haushalts- gemeinsamen Rundfunkanstalt Ber- strukturgesetzes 2003 am 09.04.2003 lin-Brandenburg vom 14. 10. 2002 127 führte die Abgeordnete Gerrit Große bezeichnet werden. Der Abgeordnete (PDS) aus: „Kaum ein anderer Bereich Wolfgang Klein (SPD) äußerte dazu: „Mit muss so bluten wie der Bildungsbe- der Vereinigung von ORB und SFB zum reich … 28 Millionen Euro im Nachtrags- RBB erwarten die im Landtag und Ab- haushalt, bis 2010 Einsparung von ca. geordnetenhaus Berlin vertretenen Par- 7 000 Stellen … im Kita-Bereich Kürzung teien ... programmliche, medienpoliti- … um dann fast 70 Millionen Euro …“ sche und regionalpolitische Vorteile ... Der Abgeordnete Mike Bischoff hielt So erwarten wir vom Zusammenschluss dagegen: „…in Brandenburg wird mehr eine stabile und wettbewerbsfähige öf- als jeder zehnte Euro für die Bildungs- fentlich-rechtliche Rundfunkanstalt für politik ausgegeben … Die Kosten Ihrer die Region Berlin-Brandenburg.“ 128 Forderungen liegen bei 487 Millionen Euro … Das Land zahlt derzeit pro Jahr 125 GVBl. 2001 I, S. 30 ff. 126 Plenarprotokoll (3/31) vom 28. 02. 2001, S. 1897. 127 GVBl. 2002 I, S. 138 ff. 129 Plenarprotokoll (3/71) vom 05. 03. 2003, S. 4824 ff. 128 Plenarprotokoll (3/63) vom 09. 10. 2002, S. 4214. 130 Drucksache 3/1047.

68 3. Wahlperiode etwa 800 Millionen Euro an Zinsen für sen und unser Zusammenleben kann Mittel, die im Wesentlichen für den Auf- nur funktionieren, wenn die Meinung bau unseres Landes eingesetzt worden des anderen geachtet wird.“ 133 sind.“ 131 Der Vorsitzende des Innenaus- In der Landtagssitzung vom schusses Christoph Schulze (SPD) be- 05. 03. 2003 führte Innenminister Jörg zeichnete die Gemeindegebietsreform Schönbohm (CDU) anlässlich der Ple­ wie folgt: „Ich glaube, die Gemeindege- nardebatte zu den Gesetzen der lan- bietsreform ist ein Meilenstein unserer desweiten Gemeindegebietsreform Geschichte, aber sie ist keine Sternstun- aus: „Vor Ihnen liegen heute sechs Ge- de ... Wir haben im Innenausschuss 140 setzentwürfe, mit denen die vor drei Stunden miteinander gerungen …“ 134 Jahren begonnene Gemeindestrukturre- Mit dem Zweiten Gesetz zur Ent- form für 337 Gemeinden zum Abschluss lastung der Kommunen von pflichti- gebracht werden soll. Einige Gemeinden gen Aufgaben vom 17. 12. 2003 135 wur- werden die Gesetze begrüßen, denn sie den Landkreise und Gemeinden von haben mit anderen Verträge zur Neuglie- Aufgaben entlastet, für die sie bislang derung geschlossen, deren Realisierung per Gesetz verpflichtet waren. Aufgrund von Dritten verhindert wurde. Dennoch reduzierter Schlüsselzuweisungen für bleiben 202 Gemeinden, die gegen ihren 2003 und 2004 enthält das Gesetz u. a. Willen eingegliedert, und 100 Gemein- Aufgabenreduzierungen in den Berei- den, die zusammengeschlossen werden chen Kinder- und Jugendgesundheits- ... Am Tag der Kommunalwahl werden schutz. die Bürger in vier kreisfreien Städten, in Der Abgeordnete Sven Petke (CDU) 144 amtsfreien Städten und Gemeinden ergänzte: „Mit dem Gesetz eröffnen wir und in 272 Gemeinden in 54 Ämtern ihre den Kommunen einen größeren Hand- Vertretung wählen.“ 132 lungsspielraum. Gleichzeitig räumen Zur Kritik des Abgeordneten Stefan wir ihnen mehr Eigenverantwortung Sarrach (PDS) hinsichtlich der Zuord- ein …“ 136 nung einzelner Gemeinden merkte der Großes öffentliches Aufsehen erreg- Abgeordnete Werner-Siegwart Schip- te die sogenannte Trennungsgeldaf- pel (SPD) an: „Die Meinungen sind bei färe. Es ergab sich der Verdacht, dass diesem Reformprozess aufeinander ge- einzelne Beamte und Richter zu Unrecht prallt … Meiner Meinung nach geht es Trennungsgeld bezogen hatten. Der Mi- jetzt darum, dass diese Meinungsver- nisterpräsident sprach am 28. 01. 2004 in schiedenheiten nach Verabschiedung der 89. Sitzung des Landtags Branden- der Reformgesetze nicht in tiefe Gräben burg von einer „Vertrauenskrise“; „das umgewandelt werden; denn wir alle le- Ansehen der Justiz in unserem Land ist ben nach wie vor in einem Gemeinwe- 133 Ebenda, S. 4814. 134 Ebenda, S. 4818. 131 Plenarprotokoll (3/73) vom 09. 04. 2003, S. 4943 ff. 135 GVBl. 2003 I, S. 294 ff. 132 Plenarprotokoll (3/71) vom 05. 03. 2003, S. 4793 ff. 136 Plenarprotokoll (3/82) vom 24. 09. 2003, S. 5626.

3. Wahlperiode 69 beschädigt“. Nach Auffassung der Op- Entwicklung … der Landesentwick- position im Landtag betrieb die Landes- lungsgesellschaft … (LEG) … LEG- regierung die Aufklärung zunächst nur Gruppe, ihrer Töchter und Beteiligun- schleppend und nicht mit der erforderli- gen“; Antrag vom 12. 09. 2001 von 21 chen Konsequenz. Im Zuge der weiteren Abgeordneten der Fraktion der PDS Nachprüfung kam es zu Rückforderun- und Bericht vom 23. 08. 2004.139 gen von Trennungsgeld sowie auch zu • „Untersuchungsausschuss zur Auf- Strafverfahren. klärung der Verantwortung der Lan- Am 12. 05. 2004 wurde als neue Prä- desregierung für die Vorbereitung sidentin des Verfassungsgerichts des und Realisierung des Investitions- Landes Brandenburg Monika Weisberg- vorhabens Chipfabrik in Frankfurt Schwarz gewählt. Die Ernennung durch (Oder); Antrag vom 09. 12. 2003 von den Landtagspräsidenten erfolgte am 19 Abgeordneten der Fraktion der 13 . 0 5 . 2 0 0 4 .137 PDS und Bericht vom 18. 08. 2004.140 In der 3. Wahlperiode arbeiteten 14 Fachausschüsse. In der 3. Wahlperiode gab es folgende Es wurden 3 Untersuchungsaus- Sondersitzungen des Landtages: schüsse zu folgenden Themen einge- setzt: • Auf Antrag von 18 Abgeordneten der • „Untersuchungsausschuss zur Auf- PDS fand am 15. 11. 2000 eine Son- klärung der Mitverantwortung der dersitzung des Landtages zum The- Gesellschafter der BBF am bishe- ma: „Die Lähmung der Brandenbur- rigen Verlauf des Privatisierungs- ger Landespolitik durch die Krise der verfahrens und des Vergabever- Landesregierung“ statt. Dabei ging fahrens zur privaten Errichtung es um vier Themenkomplexe: des Großflughafens BBI“; Antrag „1. Haltung der Landesregierung ge- von 18 Abgeordneten der Fraktion genüber Aktionen des zivilen Wider- der PDS vom 07. 03. 2000 und Än- standes gegen Rechtsextremismus derungsantrag von SPD und CDU … 2. Die Haltung der Landesregie- vom 15. 03. 2000 mit Bericht vom rung zum Verhalten von Justizminis- 17. 0 6 . 2 0 0 3 .138 ter Prof. Dr. Schelter im Zusammen- • „Untersuchungsausschuss zur Auf- hang mit dem von der Richterschaft klärung der Verantwortung der des Landes vorgebrachten Vorwurfs Landesregierung und der Lan- der Verletzung der richterlichen Un- desvertreter in den Gesellschafter- abhängigkeit … 3. Die Haltung der versammlungen und Aufsichtsräten Landesregierung zu bestehenden sowie der Geschäftsführer für den Landesregelungen über den Maßre- bisherigen Verlauf 1991 bis 2001 der gelvollzug im Zusammenhang mit der

137 Plenarprotokoll (3/96) vom 13. 05. 2004, S. 6676. 139 Drucksache 3/7777. 138 Drucksache 3/5952. 140 Drucksache 3/7770.

70 3. Wahlperiode erneuten Flucht des Wiederholungs- ber reden, ob es sich um eine kreisfreie straftäters Schmökel … 4. Die Hal- Stadt handeln muss oder nicht? Sehen tung der Landesregierung zum Vor- Sie das nicht auch so, dass eine Stadt, gehen des Verfassungsschutzes im die von einem Landkreis umgeben ist, Umgang mit dem V- Mann ‚Piato‘.“ viele Leistungen leichter erbringen könn- • Auf Antrag des Ministerpräsidenten te, wenn die Einwohnerzahl größer wäre, fand am 14. 08. 2002 eine Sondersit- ganz abgesehen davon, dass dann eine zung des Landtages statt, in der u. a. Verwaltungsoptimierung möglich wäre? Barbara Richstein (CDU) nach dem Herr Petke (CDU): „… Ich komme Rücktritts von Prof. Dr. Schelter am selber aus Guben und glaube, dass es 02. 08. 2002 als Nachfolgerin vor dem zwischen Cottbus und der Lausitz im- Landtag vereidigt worden ist. mer ein gewisses Spannungsverhältnis gegeben hat. (Frau Konzack [SPD]: Das stimmt Heiterkeit im Plenarsaal überhaupt nicht!) Aber die Lausitz wäre ohne Cottbus Der Abgeordnete Dieter Dombrowski nicht das, was wir als Lausitz kennen, (CDU) erklärte im Juli 2000 im Landtag und Cottbus wäre nicht Cottbus, wenn zu dem Dauerthema Abwasserentsor- es darum herum nicht die Spree-Nei- gungssysteme: „Zum Schluss: Trotz al- ße-Region oder den Spreewald gäbe. In ler tatsächlichen Probleme und Schwie- dieser speziellen Situation muss es eine rigkeiten bei der Entscheidung zwischen Lösung geben, die beiden Interessen dezentralen und zentralen Abwasserent- gerecht wird.“ 142 sorgungslösungen sind wir gewillt, jeden Bei der Debatte zum Antrag der möglichen Weg zur Verbesserung der Fraktionen der SPD und CDU zum The- Situation ernsthaft zu prüfen. Die Lan- ma „Brandenburg - weltoffen und si- desregierung hat nunmehr in der par- cher“ ging es in der Landtagssitzung am lamentarischen Sommerpause Zeit, die 13. 11. 2002 turbulent zu. Vizepräsident von uns gestellten Fragen zu bearbeiten, Habermann mahnt: „Ich muss feststel- damit die Abgeordneten, erholt und ge- len, dass, solange das Fernsehen über- stärkt aus der Sommerpause kommend, trägt, im Plenarsaal etwas mehr Diszip- die Ergebnisse bewerten und dann in lin herrscht. Die Geräuschkulisse ist sehr der parlamentarischen Beratung zur hoch und derjenige, der vorträgt, spricht Umsetzung bringen können.“ 141 schließlich nicht zu einem unwichtigen Zum Bericht der Landesregierung Thema.“ 143 über die Leitlinien zur Gemeindereform Dann Innenminister Jörg Schön- im Land Brandenburg wollte Dr. Dietmar bohm: „Ich möchte vorweg erstens be- Woidke wissen: „Herr Petke, bei welcher merken: Frau Kaiser-Nicht, mir geht es Einwohnerzahl würden Sie denn darü- gut. Ich habe keinen Stress, aber eine

142 Plenarprotokoll (3/43) vom 24. 10. 2001, S. 2822. 141 Plenarprotokoll (3/19) vom 13. 07. 2000, S. 1160. 143 Plenarprotokoll (3/65) vom 13. 11. 2002, S. 4391.

3. Wahlperiode 71 gute Beschäftigungslage. Sie brauchen Kombination aus Spargel und Möhre - sich also keine Sorgen um mich zu ma- zu erfinden. Da bedauerlicherweise die chen … Wir haben im Rahmen der Po- Erntezeit sehr kurz bemessen ist … frage lizeilichen Kriminalstatistik wesentliche ich die Landesregierung: 1. Welche Akti- Verbesserungen erreicht … Meine Da- vitäten unternimmt die Landesregierung, men und Herren, Ihnen liegt ein Antrag um die Marktfähigkeit dieses innovativen der Fraktion der CDU/CSU vor … (Hei- Produkts zu verbessern? 2. Erwägt die terkeit und Zurufe) Landesregierung, bei der Bundesregie- Herr Präsident, ich bitte darum, das rung und der Europäischen Kommission aus dem Protokoll streichen zu lassen. – ggf. über eine Bundesrats- oder Euro- Vizepräsident Habermann: Ich habe paratsinitiative – vorstellig zu werden, mich auch schon gewundert, wie Sie die um eine Kalenderreform zur Verlänge- Parteienlandschaft hier erweitern. rung der Erntezeit zu erwirken?“ 145 Minister Schönbohm: Also: Die SPD Minister Birthler beantwortete diese ist immer noch da, wo sie ist, und die Anfrage am selben Tag in der Landtags- CDU kommt dort hin, wohin wir wollen. sitzung: „Hier sind wir auf einem gutem – Solche Versprecher machen uns so Weg. In der letzten Zeit hatte insbeson- menschlich; seien wir doch ehrlich … dere die Vermarktung von Mischpro- Vizepräsident Habermann: Herr Ab- dukten einen besonderen Stellenwert … geordneter Schönbohm, (Heiterkeit) Der Anstoß aus dem Parlament heraus Herr Minister Schönbohm, gestatten ist sehr wichtig. Ich will die Gelegen- Sie eine Zwischenfrage? – Ihre CSU hat heit nutzen, um heute mit der Kantine zu mich völlig irritiert. sprechen. Die Volksvertreter sollten im Minister Schönbohm: Eine Frage Selbstversuch darlegen, welch fördern- der Kollegin Kaiser-Nicht gestatte ich de Wirkung dieses Gemüse hat“.146 selbstverständlich. Vizepräsident Habermann: Bitte schön, Frau Kaiser-Nicht. Statistik Frau Kaiser-Nicht (PDS): Ich hoffe, Herr Präsident, das war kein vorausei- In 100 Sitzungen verabschiedete der lender Gehorsam.“ 144 Landtag 146 Gesetze. Es wurden 72 Am 1. April (!) 1994 stellte der Große Anfragen und 2 958 Kleine Anfra- Abgeord­nete Christoph Schulze die fol- gen eingereicht. gende Dring­liche Anfrage 61 verbunden Die längste Rede hielt wieder Prof. mit einem Dringlichkeitsantrag für eine Dr. Lothar Bisky (PDS) mit 64 Minuten Bundesratsini­tiative: „Nach jahrelangen, Redezeit. kostenintensiven Forschungen ist es den Mit insgesamt 123 Redebeiträgen Beelitzer Spargelbauern gelungen, die nahm Wolfgang Klein (SPD) den Spit- Weltneuheit ‚Mör­gel‘ – eine züchterische zenplatz bei der Anzahl der Redebeiträ-

145 Drucksache 3/7323. 144 Ebenda. 146 Plenarprotokoll (3/94) vom 01. 04. 2004, S. 6516 f.

72 3. Wahlperiode ge ein, jedoch dicht gefolgt von Dierk Homeyer (CDU) mit 109 Reden. Die fünf eingereichten Volksinitiati- ven waren nicht erfolgreich. Von 3 801 Petitionen sind 3 514 ab- geschlossen worden. Hauptschwerpun- ke waren die Versagung von Baugeneh- migungen durch Kommunen und die Errichtung von Windkraftanlagen. Besucher des Landtagsgebäu- des (einschließlich von Plenarsitzungen): 4 8 9 7 3 .

3. Wahlperiode 73 74 3. Wahlperiode VIII. Die 4. Wahlperiode des Landta- ges vom 13. 10. 2004 bis 21. 10. 2009

1. Das Wahlergebnis und die Bei den 88 Abgeordneten handelte es ­Abgeordneten sich um:

Aus den Wahlen zum vierten Landtag Fraktion der SPD (33 Mandate): am 19. 09. 2004 ging die SPD erneut als 1. Elisabeth Alter stärkste Partei hervor. Die PDS wurde 2. Günter Baaske zweitstärkste Kraft. Die Wahlbeteiligung 3. Wolfgang Birthler lag bei 54,30 %. Der DVU gelang erneut 4. Mike Bischoff der Einzug in den Landtag. 5. Klaus Bochow Der Frauenanteil im Parlament be- 6. Reinhold Dellmann trug zu Beginn der 4. Wahlperiode 7. tina Fischer 44,32 %, und das Durchschnittsalter der 8. Udo Folgart Abgeordneten lag bei 51 Jahren. 9. Gunter Fritsch 10. Klara Geywitz 11. Martina Gregor (später Gregor-Ness) 12. thomas Günther 13. Barbara Hackenschmidt 14. Ralf Holzschuher 15. Wolfgang Klein

Erststimmen Zweitstimmen Sitze SPD 28,59 % 31,91 % 33

PDS 32,10 % 27,96 % 29

CDU 22,42 % 19,43 % 20

DVU – 6,30 % 6

GRÜNE / B90 4,10 % 3,60 %

FDP 4,79 % 3,33 %

4. Wahlperiode 75 16. Dr. Jens Klocksin 20. Dr. Hans-Jürgen Scharfenberg 17. Andreas Kuhnert 21. Carolin Steinmetzer (später Stein- 18. Sylvia Lehmann metzer-Mann) 19. Jutta Lieske 22. Gerlinde Stobrawa 20. Susanne Melior 23. Anita Tack 21. Heiko Müller 24. Otto Theel 22. Dr. Martina Münch 25. Heinz Vietze 23. Matthias Platzeck 26. Karin Weber 24. Steffen Reiche 27. Kornelia Wehlan 25. Werner-Siegwart Schippel 28. Birgit Wöllert 26. Dr. Esther Schröder 29. Irene Wolff-Molorciuc 27. Christoph Schulze 28. Ingrid Siebke Fraktion der CDU (20 Mandate): 29. Britta Stark 1. Alard von Arnim 30. Frank Szymanski 2. Beate Blechinger 31. Dr. Dietmar Woidke 3. Dieter Dombrowski 32. Dagmar Ziegler 4. Dr. Saskia Funck 33. Alwin Ziel 5. Carola Hartfelder 6. Dieter Helm Fraktion der PDS, ab 08/05: Die 7. Dierk Homeyer Linkspartei.PDS, ab 06/07: DIE LINKE 8. Ulrich Junghanns (29 Mandate): 9. Detlef Karney 1. Renate Adolph 10. Thomas Lunacek 2. Prof. Dr. Lothar Bisky 11. Dr. Wieland Niekisch 3. Helga Böhnisch 12. Sven Petke 4. Ralf Christoffers 13. Barbara Richstein 5. Thomas Domres 14. Roswitha Schier 6. Dr. Dagmar Enkelmann 15. Jörg Schönbohm 7. Wolfgang Gehrcke 16. Wilfried Schrey 8. Christian Görke 17. Monika Schulz 9. Gerrit Große 18. Ingo Senftleben 10. Frank Hammer 19. Prof. Dr. Johanna Wanka 11. Wolfgang Heinze 20. Frank Werner 12. Dr. Gerd-Rüdiger Hoffmann 13. Peer Jürgens Fraktion der DVU (6 Mandate): 14. Kerstin Kaiser 1. Michael Claus 15. Torsten Krause 2. Birgit Fechner 16. Margitta Mächtig 3. Liane Hesselbarth 17. Kerstin Osten 4. Markus Nonninger 18. Christian Otto 5. Sigmar-Peter Schuldt 19. Stefan Sarrach 6. Norbert Schulze

76 4. Wahlperiode Davon schieden aus: – Reinhold Dellmann (SPD) – Steffen Reiche (SPD) – Dr. Dagmar Enkelmann (Die Linkspartei.PDS) – Prof. Dr. Lothar Bisky (Die Linkspartei.PDS) – Wolfgang Gehrcke (Die Linkspartei.PDS) – Christian Otto (Die Linkspartei.PDS) 147 – Frank Szymanski (SPD) – Heiko Müller (SPD) – Kerstin Osten (DIE LINKE) Alterspräsident Jörg Schönbohm. – Otto Theel (DIE LINKE) – Stefan Sarrach (DIE LINKE) – Sigmar-Peter Schuldt (DVU) 148 2. Die konstituierende Sitzung des vierten Landtages Dafür rückten nach: – Wolfgang Pohl (SPD) Am 13. 10. 2004 konstituierte sich der – Prof. Dr. Sieglinde Heppener (SPD) vierte Landtag. Alterspräsident Jörg – Dr. Andreas Bernig Schönbohm (CDU) eröffnete die Sitzung (Die Linkspartei.PDS) und führte unter anderem aus: – Kerstin Meier (Die Linkspartei.PDS) „Brandenburg wird eine gute Zu- – Ingeborg Kolodzeike kunft haben, wenn alle, wenn wir ge- (Die Linkspartei.PDS) meinsam unsere Pflicht tun. Wir haben – Wolfgang Thiel (Die Linkspartei.PDS) hart zu arbeiten. Dafür hat uns der Sou- – Kerstin Kircheis (SPD) verän das Mandat erteilt, ein Mandat auf – Ravindra Gujjula (SPD) Zeit. Wir sind nicht die Herren, wir sind – Kerstin Bednarsky (DIE LINKE) Diener, Diener einer Sache, die uns zum – Dr. Andreas Trunschke (DIE LINKE) Nutzen aller Menschen unseres Landes – Matthias Loehr (DIE LINKE) anvertraut worden ist. Dieses Vertrauen – Harald Heinze (DVU) müssen wir rechtfertigen. Das ist insbe- sondere wichtig, weil in unserem Land die Demokratie noch verhältnismäßig jung ist. Die Abstinenz der Bürger bei Wah- len in unserem Land macht auf ein ge- fährliches Defizit aufmerksam. Dieses

147 Verstorben am 04. 08. 2006. Defizit ist aber nur mit der Wiederge- 148 Verstorben am 23. 08. 2009. winnung von Vertrauen, Glaubwürdig-

4. Wahlperiode 77 keit und dem Einsatz für das Gemeinwe- Kräften der Marktwirtschaft, genießen die sen zu verringern. Ich sehe dies als die Freiheit, bauen auf ihren Optimismus. Sie wichtigste Aufgabe aller demokratischen setzen auf ihre eigenen Kräfte und Fähig- Kräfte dieses Landes an. Die Demo- keiten. Das können auch wir mehr als bis- kratie ist die Grundlage für eine Gesell- her tun. Es geht um uns, unser Land, um schaft freier, mündiger Bürger … unsere Kinder und ihre Zukunft …“ 149 Brandenburg ist weltoffen, gast- Der von den 87 anwesenden Ab- freundlich und tolerant, jedoch ist auch geordneten mit 73 Jastimmen und 11 Gewaltbereitschaft zu verzeichnen. Nur Neinstimmen bei 3 Stimmenthaltungen gemeinsam können wir gegen Gewalt- neu gewählte Landtagspräsident Gun- bereitschaft und Fremdenfeindlichkeit ter Fritsch führte nach seiner Wahl aus: vorgehen. Dabei sind wir alle gefordert, „Der Alterspräsident hat in seinen einlei- jeder an seinem Platz. Offenheit und To- tenden Worten schon dargelegt, worauf leranz kann man lernen. Ich wünsche es ankommt … Mit der eigenen Kraft ist mir, dass wir nicht nur darüber reden, die Kraft aller Brandenburger gemeint; sondern mehr noch als bisher öffentlich denn 88 Abgeordnete eines Landtages Zeugnis davon ablegen … können aus eigener Kraft die Welt nicht Brandenburg hat die Zeit des Um- retten, wenn es ihnen nicht gelingt, die bruchs, hat die Nachwendezeit hinter Einwohner dieses Landes zu motivie- sich. Wir wagen jetzt den Neuanfang. ren, ihre Kräfte zu wecken, ihre Potenzia- Dazu müssen die Kräfte in der Politik, le voll auszuschöpfen und einzubringen. der Wirtschaft und der Gesellschaft zu- Lassen Sie uns daran in den nächsten sammengeführt werden. Wir müssen aus fünf Jahren arbeiten. Ich werde bemüht dem Stadium so oft verwendeter Allge- sein, von hier aus meinen Teil dazu bei- meinplätze heraustreten. Richtiges klingt zutragen, eine faire Zusammenarbeit in oft banal. Beginnen wir, die Worte mit Le- diesem Hohen Hause zu organisieren, ben zu füllen. Wenn wir zusammenführen die Rechte der Abgeordneten auch ge- meinen, sollten wir auch damit beginnen. genüber der Landesregierung zu vertre- Wir sind oft auch zu sehr Bedenken- ten, für möglichst viel Klarheit und Trans- träger, sind zu umständlich, zu sehr auf parenz in den Abläufen und Vorgängen Vorgefasstes fixiert und rückwärts ge- zu sorgen, sodass jeder dann, wenn Ent- wandt in dem, was wir tun. Auch benut- scheidungen anstehen, diese sachkun- zen wir allzu oft eine Sprache, die sich dig und gut informiert treffen kann.“ 150 in Worthülsen und Phrasen flüchtet, die Als Vizepräsident wurde Prof. Dr. vernebelt und verschleiert, nur weil es Lothar Bisky (PDS) gewählt. Dabei er- kurzfristig erfolgreicher zu sein scheint … hielt er von den 87 abgegebenen gül- Ich meine, wir müssen zupackender, tigen Stimmen 59 Jastimmen und 18 quirliger, tatkräftiger werden, wir alle, je- Neinstimmen; 10 Abgeordnete enthiel- der an seinem Platz. Unsere Nachbarn in ten sich. Nach der Wahl von Lothar Bis-

Polen, Tschechien, Slowenien und Ungarn 149 Plenarprotokoll (4/1) vom 13. 10. 2004, S. 2 f. machen es uns vor. Sie vertrauen den 150 Ebenda, S. 6.

78 4. Wahlperiode ky in den wurde Gerlinde 3. Die Landesregierung Stobrawa (PDS) in der Landtagssitzung In der Landtagssitzung am am 09.11.2005 von 85 gültigen Stimmen 13.10.2004 wurde Matthias Platzeck mit 55 Jastimmen und 23 Gegenstim- mit 47 Jastimmen, 36 Neinstimmen bei men bei 6 Enthaltungen als neue Vize- 4 Enthaltungen als Ministerpräsident präsidentin des Landtages gewählt. gewählt. Nach der Wahl und anschlie- ßenden Vereidigung des Ministerpräsi- Die Fraktionsvorsitzenden denten vor dem Landtag wurden in der SPD Günter Baaske gleichen Sitzung auch die zuvor ernann-

ten Mitglieder der Landesregierung vor CDU Thomas Lunacek dem Landtag vereidigt. (bis 20. 01. 2009) Dr. Saskia Funck Minister des Innern (ab 27. 01. 2009) Jörg Schönbohm (CDU)

PDS * Dr. Dagmar Enkelmann Ministerin der Justiz (bis 18. 10. 2005) Beate Blechinger (CDU) Kerstin Kaiser (ab 18. 10. 2005) Minister der Finanzen

Rainer Speer (SPD) DVU Liane Hesselbarth Minister für Wirtschaft * Bis 2005: PDS. 2005 – 2007: Die Linkspartei. PDS. Ulrich Junghanns (CDU) Seit 2007: DIE LINKE.

Landtagspräsident Gunter Fritsch (r.) vereidigt Ministerpräsident Matthias Platzeck vor dem Landtag.

4. Wahlperiode 79 Die Brandenburger Landesregierung nach der Ernennung der Minister.

Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesund- Amtswechsel: heit und Familie Nach der Wahl von Frank Szymanski Dagmar Ziegler (SPD) zum Oberbürgermeister der Stadt Cott-

bus übernahm Reinhold Dellmann (SPD) Minister für ländliche Entwicklung, das Infrastrukturministerium. Er wurde ­Umwelt und Verbraucherschutz: am 13. 12. 2006 vor dem Landtag verei- Dr. Dietmar Woidke (SPD) digt. Minister für Bildung, Jugend und Sport Holger Rupprecht (parteilos) 4. Bilanzen und Begebenheiten: Ministerin für Wissenschaft, Forschung Vom Umsteuern in der Wirt- und Kultur schaftspolitik bis zum „Nicht­ Prof. Dr. Johanna Wanka (CDU) rauchendenschutzgesetz“ Minister für Infrastruktur und Raum­ In der 4. Wahlperiode wurde im Wesent- ordnung lichen die Arbeit der Großen Koalition an Frank Szymanski (SPD) den Schwerpunktthemen Haushaltskon- Chef der Staatskanzlei solidierung und Umsteuern in der Wirt- Clemens Appel (SPD) schaftsförderung fortgesetzt. Nach dem Motto „Stärken stärken“ Nach Sondierungsgesprächen mit wurde der Weg bereitet, unter weitge- der PDS und der CDU beschlossen SPD hendem Verzicht auf eine breite Förde- und CDU eine Neuauflage der Großen rung in der Fläche des Landes - also die Koalition unter dem Motto: „Erneuerung sogenannte Verteilung mit der Gießkan- aus eigener Kraft“. ne - eine Förderung in Schwerpunktre-

80 4. Wahlperiode gionen (Leuchttürme) zu ermöglichen. Der Abgeordnete Sven Petke führ- Begonnen hatte dies mit den von der te aus: „… wir schaffen jetzt endlich Landesregierung 2005 und 2006 be- Rechtssicherheit, die auch in die Bevöl- schlossenen Maßnahmen für die Regi- kerung hinein wirkt. Es gab von unse- onalen Wachstumskerne. In seiner Re- rer Bevölkerung Fragen angesichts des- gierungserklärung am 14. 12. 2005 sagte sen, dass eine Verbotsverfügung nach Ministerpräsident Matthias Platzeck der anderen erlassen wird und dann re- (SPD): „Vordringliches Ziel und wichtigs- gelmäßig von den Verwaltungsgerichten te Aufgabe ist die Steigerung von Wirt- oder vom Oberverwaltungsgericht auf- schaftswachstum und Beschäftigung gehoben wurde.“ 155 im Land. Dem musste unsere bisherige In der 4. Wahlperiode begann die Förderpolitik angepasst werden … Diese Landesregierung, sich intensiv mit den neue Besinnung auf die eigenen Kräfte Auswirkungen der demografischen Ent- überall im Land ist ein enorm wichtiger wicklung für das Land Brandenburg zu Wert an sich … Öffentliche Fördermittel beschäftigen. Debatten hierzu gab es sind kein Ersatz für gute Ideen …“ 151 auf der Grundlage von Berichten der In der Landtagssitzung am Landesregierung an den Landtag. 19. 05. 2005 wurde Dagmar Hartge auf Am 08. 06. 2005 legte der Abgeord- Vorschlag des Innenausschusses als nete Thomas Lunacek (CDU) zum 2. De- neue Landesbeauftragte für den Daten- mografiebericht dar: „Wir als Politiker schutz und für das Recht auf Aktenein- stehen in der Pflicht, auch unbequeme sicht für eine Amtszeit von sechs Jahren Wahrheiten zu sagen und unbequeme einstimmig gewählt.152 Entscheidungen zu treffen. Das gilt zum Ein für das Land Brandenburg im Beispiel dann, wenn aus dem einen oder Kampf gegen den Rechtsextremis- anderen Ort aus Gründen, auf die wir kei- mus wegweisendes Gesetz war das nen Einfluß haben – auf den Rückgang der Gedenkstättenschutzgesetz vom Zahl der Kinder haben wir zum Beispiel 23. 05. 2005 153, zu dem Innenminister keinen direkten Einfluß – eine Schule ge- Jörg Schönbohm (CDU) im Landtag sag- schlossen wird … Nach 1990 hat sich die te: „Seit Jahren müssen wir hinnehmen, Zahl der Geburten in Brandenburg etwa dass der wohl größte inländische Solda- halbiert … Wir verzeichnen eine Wande- tenfriedhof in Halbe für politische Insze- rungsbewegung weg aus den ländlichen nierungen rechtsextremistischer Grup- Regionen. Im Gürtel um Berlin nimmt pierungen missbraucht wird, die mit dem die Bevölkerung dagegen zu … Die Men- Widmungszweck der Gräberstätte und schen ziehen aus den Städten wie Cott- insbesondere mit der Würde der Opfer bus, Frankfurt (Oder) und Brandenburg des Krieges unvereinbar sind.“ 154 an der Havel in die Randregionen … Im Ergebnis leben deutlich weniger Bürger 151 Plenarprotokoll (4/23) vom 14. 12. 2005, S. 1548 ff. in den berlinfernen Regionen. Zudem ist 152 Plenarprotokoll (4/14) vom 19. 05. 2005, S. 946. 153 GVBl. 2005 I, S. 174 ff. 154 Plenarprotokoll (4/14) vom 18. 05. 2005, S. 794. 155 Ebenda, S. 797.

4. Wahlperiode 81 die Bevölkerung dort älter … Die Einfüh- hin: „Es ist der erste Nationalpark Bran- rung der Oberschulen ist in erster Linie denburgs. Er ist von besonderer Bedeu- eine Reaktion auf die veränderte Bevöl- tung … er ist ein Auennationalpark und kerungsentwicklung. Wir ändern die zen- hat sowohl für Brandenburg als auch für tralörtliche Gliederung … Wir werden die die Bundesrepublik und in seiner Einzig- Wirtschaftsförderung umbauen. Es erfolgt artigkeit auch für ganz Mitteleuropa Be- eine Konzentration auf Schwerpunkte … deutung.“ 160 In den Diskussionen zeigt sich allerdings Der Abgeordnete Dieter Dombrow- eine Schwachstelle … Es geht um die Ver- ski (CDU) bemerkte dazu: „… es ist wohl kehrsinfrastruktur. Wenn wir nicht mehr ein gutes Beispiel dafür, wie die Inter- so viele zentrale Orte vorhalten können, essenkollisionen, die wir zwischen Na- ergibt sich zwangsläufig, dass die Men- turschutz und verschiedenen Nutzer- schen mehr pendeln müssen … Deshalb gruppen seit der Wende in Brandenburg ist eine gut ausgebaute Verkehrsinfra- hatten, aufgelöst werden können. Das struktur … zwingend notwendig.“ 156 geschah nicht in einem Einheitsbrei, Als ein für die 4. Wahlperiode be- sondern in einem sehr weitgehenden deutsames Gesetz kann das Erste Konsens …“ 161 Brandenburgische Bürokratieabbau- Nach Beschlussfassung des Land- gesetz vom 28. 06. 2006 157 bezeichnet tages im Januar 2007 162, dass Landtag werden. Ziel war der Abbau von Überre- und Landesregierung künftig jährlich ein glementierungen und Bürokratie in be- zentrales Einbürgerungsfest organi- stehenden und die Vermeidung in künf- sieren, wurde dieses Fest erstmals am tigen Gesetzen. Die Vorsitzende des 24. 06. 2007 unter Beteiligung des Land- Sonderausschusses zur Überprüfung tages, des Innenministeriums, des Sozi- von Normen und Standards Tina Fischer alministeriums und der Integrationsbe- (SPD) erklärte dazu: „Unsere Maßstäbe auftragten des Landes durchgeführt. waren zwei Leitplanken: die demografi- Am 19. 11. 2006 fand unter Betei- sche Entwicklung im Land Brandenburg ligung des Landtages in Halbe und und die Haushaltslage ... Wir hatten das Seelow der „Tag der Demokraten“ Ziel vor Augen, das Landesrecht zu ver- statt, zu dem sich rund 10 000 Men- einfachen, bürokratische Belastungen schen einfanden. In einem gemein- abzuschaffen und Aufgaben kritisch zu samen Aufruf von Landtagspräsident überprüfen.“ 158 Gunter Fritsch (SPD), Ministerpräsident Zu dem Gesetz über den Na- Matthias Platzeck (SPD), Heinz-Joachim tionalpark Unteres Odertal vom Lohmann, Vorsitzender des „Aktions- 09. 11. 2006 159 wies die Abgeordne- bündnisses gegen Gewalt, Rechtsextre- te Martina Gregor (SPD) auf Folgendes mismus und Fremdenfeindlichkeit“ und

156 Plenarprotokoll (4/16) vom 08. 06. 2005, S. 1051. 160 Plenarprotokoll (4/37) vom 25.10.2006, S. 2568. 157 GVBl. 2006 I, S. 74 ff. 161 Ebenda, S. 2569. 158 Plenarprotokoll (4/33) vom 21. 06. 2006, S. 2287. 162 Pressemitteilung Landtag, Nr. 360/2007. 159 GVBl. 2006 I, S. 142 ff.

82 4. Wahlperiode Tag der Demokraten, Halbe, 18. November 2006.

Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gen die Verweigerung der Aktenein- wurde im Vorfeld zur Teilnahme an einer sicht in die Trennungsgeldakten heraus- friedlichen Demonstration aufgerufen. gehobener Landesbediensteter durch Das Jahr 2007 stand ganz im Zei- die Landesregierung gewendet hat- chen des 850. Geburtstages der Mark ten.165 Brandenburg. Die vielen Aktivitäten im Am 11. 10. 2007 wurde Dr. Thomas Jubiläumsjahr wurden abgeschlossen Apelt auf Wahlvorschlag des Ausschus- mit einer Festveranstaltung und einem ses für Haushaltskontrolle als neuer Prä- Bürgerfest des Landtages und der Lan- sident des Landesrechnungshofes ge- desregierung in Brandenburg an der Ha- wählt.166 vel am 03. 10. 2007 – dem Tag der Deut- Als ein Dauerbrenner kontrover- schen Einheit und dem Tag der ersten ser Diskussionen im Landtag erwies urkundlichen Erwähnung der Stadt, die sich das Nichtrauchendenschutzge- dem Land seinen Namen gegeben hat. setz vom 18. 12. 2007 167, das nach vielen Auf Antrag des Sonderausschus- ­Mühen von Gesundheitspolitikern und ses für Normen und Standards (SANS), Gesundheitsministerium am 21. 09. 2007 der auch für das Bürokratieabbauge- in zweiter Lesung beschlossen wurde. setz verantwortlich zeichnete, fasste Allerdings wurde dieses noch einmal mit der Landtag am 08.03.2007 einen Be- Gesetz vom 27. 05. 2009 168 geändert, schluss zur Bürger- und wirtschafts- und es wurden weitere Ausnahmen vom freundlichen Verwaltung – moderne strikten Rauchverbot zugelassen. Dazu Amtssprache.163 sagte die Gesundheitsministerin Dag- Eine Stärkung der Rechte der Ab- mar Ziegler (SPD): „Es ist, wie gesagt, geordneten gegenüber der Regie- bedauerlich, dass wir ein ausnahmslo- rung brachte das Urteil des Landesver- ses Rauchverbot nicht hinbekommen, fassungsgerichts vom 15. 03. 2007 164, wie es in vielen anderen Ländern der durch das den Anträgen der Abgeord- Welt schon problemlos funktioniert.“ 169 neten Heinz Vietze und Stefan Sarrach (beide PDS) stattgegeben wurde, die 165 Vgl. VII.4. am Ende. sich in einem Organstreitverfahren ge- 166 Plenarprotokoll (4/56) vom 11.10.2007, S. 4107. 167 GVBl. 2007 I, S. 346 f. 163 Drucksache 4/4239-B. 168 GVBl. 2009 I, S. 156. 164 VfGBbg: 42/06. 169 Plenarprotokoll (4/83) vom 01.04.2009, S. 6162.

4. Wahlperiode 83 Die Abgeordnete Dr. Martina Münch setzes vom 14. 04. 2008 174 dem Anlie- (SPD) bemerkte dazu: „… Mitleid mit gen der „Volksinitiative zur kostenfreien Rauchern ist nicht unbedingt ange- Schülerbeförderung“ Rechnung getra- bracht. Rauchen ist eine Sucht … Aber gen wurde, kommentierte die Abge- es gibt positive Beispiele auch in unse- ordnete Gerrit Große (DIE LINKE) am rer Fraktion, dass es gelingen kann, von 09. 04. 2008 wie folgt: „Ich meine, heu- dieser Sucht loszukommen.“ 170 te ist wirklich ein guter Tag für Branden- Als ein umfassendes Regelwerk burg. Es ist die erste Volksinitiative, die zur Reform des Kommunalverfassungs- möglicherweise heute zum Erfolg ge- rechts gilt das Kommunalrechtsre- führt wird.“ 175 formgesetz vom 18. 12. 2007.171 Damit Der Abgeordnete Thomas Lunacek wurde die umstrittene Direktwahl der (CDU): „Es war keine einfache Diskus- Landräte in Brandenburg eingeführt. Zu- sion, … denn wir haben hier im Land- dem wurden weitreichende kommunal- tag abzuwägen zwischen dem Wunsch rechtliche Regelungen geschaffen, wie der Eltern nach finanzieller Entlastung zur Neuordnung der Gemeindewirtschaft und der Notwendigkeit, sicherzustellen, und zur wirtschaftlichen Betätigung der dass wir das dauerhaft finanzieren kön- Kommunen. Auch wurde ein neues kom- nen.“ 176 munales Rechnungswesen (Doppik) ein- Eine komplizierte Aufgabe kam auf geführt. die Parlamentarier mit dem dritten Ge- Am 13. 12. 2007 stimmte der Landtag setz zur Änderung des Kommunalab- dem Staatsvertrag der Länder Berlin gabengesetzes für das Land Branden- und Brandenburg über das Landes- burg vom 02. 10. 2008 177 zu, mit dem entwicklungsprogramm 2007 (LePro klargestellt werden sollte, dass für die 2007) und der Änderung des Landes- im Bereich der Wasserversorgung so- planungsvertrages zu.172 Damit ist ein wie der Abwasserbeseitigung für die vor übergeordneter Rahmen der gemeinsa- dem 03. 10. 1990 entstandenen Aufwen- men Landesplanung als Grundlage für dungen keine Anschlussbeiträge als zu- die Landesentwicklungspläne Berlin und sätzliche Option für eine Beitragsfinan- Brandenburg geschaffen worden. zierung erhoben werden können. Zuvor Nachdem das Präsidium Ende des hatten zwei Gerichtsurteile des Ober- Jahres 2007 die Einrichtung eines Par- verwaltungsgerichts Berlin-Branden- lamentarischen Beratungsdienstes burg über Rückwirkungsmöglichkeiten (PBD) beschlossen hatte, nahm dieser der Beitragserhebung für Diskussionen am 01. 01. 2008 seine Arbeit auf. 173 in der Öffentlichkeit gesorgt. Vor die- Die Tatsache, dass mit dem Vierten sem Hintergrund hatte der Landtag die Gesetz zur Änderung des Schulge- Landesregierung gebeten, eine umfas-

170 Plenarprotokoll (4/53) vom 12. 09. 2007, S. 3843. 174 GVBl. 2008 I, S. 58. 171 GVBl. 2007 I, S. 286 ff. 175 Plenarprotokoll (4/65) vom 09. 04. 2008, S. 4811. 172 Vgl. GVBl. 2008 I, S. 42 ff. 176 Ebenda, S. 4814. 173 Pressemitteilung Landtag Nr. 408/2007. 177 GVBl. 2008 I, S. 218.

84 4. Wahlperiode sende Datenerhebung bei den Aufga- pener (SPD) wie folgt: „Die demokrati- benträgern der Wasserversorgung und sche Gesellschaft ist auch und gerade Abwasserbeseitigung sowie eine Prü- 20 Jahre nach der friedlichen Revolution fung von möglichen zu veranlassenden verpflichtet, diesen mutigen Menschen Rechtsänderungen vorzunehmen. Ehrerbietung zu erweisen.“ 181 Am 21. 01. 2009 wurde als neuer In der ersten Lesung hatte der Ab- Präsident des Verfassungsgerichts des geordnete Heinz Vietze (PDS) dazu Landes Brandenburg Rüdiger Postier bemerkt: „Auch ich trage eine Ver- gewählt. Auch wurden der Vizepräsident antwortung für die Aufklärung dieser und sechs weitere Richter des Verfas- Sachverhalte und möchte diese keines- sungsgerichts gewählt.178 wegs mit der Verabschiedung eines sol- Der Landtagspräsident und weitere chen Gesetzes einstellen. Das habe ich Abgeordnete gratulierten am 14. 10. 2009 auch in der Vergangenheit nicht getan. der Besatzung der Fregatte Branden- Ich finde, dies gehört einschließlich der burg im Heimathafen Wilhelmshaven Entschuldigung gegenüber denjenigen, zum Jubiläum der Indienststellung. 15 gegen die Menschenrechtsverletzungen Jahre zuvor war die Patenschaft von usw. praktiziert wurden, also den Op- Landtag und Landesregierung mit der fern, dazu.“ 182 Fregatte begründet worden; seitdem be- In der 4. Wahlperiode arbeiteten 14 stehen enge Kontakte. Fachausschüsse. Am 09. 12. 2009 übergab eine vom Es wurde ein Untersuchungs- und Landtag am 02. 04. 2009 einberufene 1 Sonderausschuss zu folgenden The- „Kommission zur Weiterentwicklung men eingesetzt: des Abgeordnetenrechts“ unter Lei- • „Untersuchungsausschuss zur Auf- tung von Landesrechnungshofpräsident klärung der Verfahrenspraxis in Um- Dr. Thomas Apelt dem Landtagspräsi- dium Vorschläge für eine Reform des Abgeordnetenrechts, die vom Landtag beraten werden sollen. Ziel sollte sein, mehr Transparenz und Steuergerechtig- keit zu erreichen.179 Zum Abschluss der Wahlperiode wurde das Gesetz über den Beauf- tragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommu- nistischen Diktatur vom 07. 07. 2009 180 verabschiedet. Dies kommentierte die Abgeordnete Prof. Dr. Sieglinde Hep- Blick in den Untersuchungsausschuss 4/1. 178 Plenarprotokoll (4/79) vom 21. 01. 2009, S. 5836. 179 Pressemitteilung Landtag Nr. 110/2009. 181 Plenarprotokoll (4/85) vom 13. 05. 2009, S. 6324. 180 GVBl. 2009 I, S. 190. 182 Ebenda, S. 6322.

4. Wahlperiode 85 setzung der Vorschriften zur Abwick- risten wohl unter Artenschutz stellen. lung der Bodenreform nach Artikel Sie werden für alles verantwortlich ge- 233 des Einführungsgesetzes zum macht, was mit Bürokratie zu tun hat. So Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) schlimm ist es jedoch auch wieder nicht. und der Verantwortung der jeweili- – Natürlich fühle ich mich angespro- gen Brandenburger Landesregierung chen … ich zähle mich auch zum Volk. in diesem Prozess“; Antrag von 29 Das kommt erschwerend hinzu. Meine Abgeordneten der Fraktion DIE LIN- Damen und Herren, uns geht es doch KE vom 19. 02. 2008 und Bericht vom – wenn wir über das Thema sprechen – 2 5 . 0 3 . 2 0 0 9 .183 wie jedem anderen Menschen auch. Wir • „Sonderausschuss zur Überprü- bekommen Post von einem Amt und fung von Normen und Standards“; schlagen nur noch die Hände über dem Antrag der Koalitionsfraktionen vom Kopf zusammen; nicht wegen des In- 01. 06. 2005, Einsetzung durch den halts und nicht deshalb, weil wir es nicht Landtag am 08. 06. 2005 und Bericht lesen können, sondern deshalb, weil wir vom 22. 06. 2007.184 es einfach nicht verstehen, nicht nach- vollziehen können.“ Nachdem sich die Vorsitzende des Heiterkeit im Plenarsaal Sonderausschusses zur Überprüfung von Normen und Standards Tina Fischer Anlässlich der Diskussion im Land- (SPD) über die Herrschaft von Wort und tag zu den geforderten Informationen Schrift äußerte, wartete der Abgeord- durch die Vertreter der Landesregierung nete Dieter Dombrowski (CDU) mit fol- in der Föderalismuskommission II be- gendem Beispiel auf: „Das Bürgermeis- merkte die Vizepräsidentin Stobrawa: teramt der Stadt Lungenbrücken hat am „Das Wort geht an Minister Speer. Ich 7. Oktober 1923 eine behördliche Be- möchte denen, die eben meinten, der glaubigung ausgestellt. Darin geht es Stuhl des Ministerpräsidenten habe ge- um die Abgabe von Rattengift, das es wackelt, zur Kenntnis geben: Es war der damals nicht so einfach zu kaufen gab Stuhl des Finanzministers. – aus Misstrauen, was die Bürger damit (Minister Speer: Wer hat da ge- so machen. In diesem Bescheid steht sägt?) 185 zu lesen: ‚Das Bürgermeisteramt bestä- Zum Thema Bürokratieabbau und tigt hierdurch, dass die Bäuerin Mathil- bürger- und wirtschaftsfreundliche Ver- de Koch von Ratten befallen ist. Da die- waltung – moderne Amtssprache äußer- selbe einen anständigen Lebenswandel te der Chef der Staatskanzlei Clemens führt, kann man ihr Gift geben.‘ Gemeint Appel (SPD): „… bald müssen wir die Ju- war natürlich: Der Bäuerin das Gift aus- händigen, damit sie die Ratten vergiften 183 Drucksache 4/7351. kann … Das soll jetzt keine Anspielung 184 Zwischenbericht: Drucksache 4/3060 und ­Abschlussbericht: Drucksache 4/4570. auf den heutigen Tag der Frau sein (Hei- 185 Plenarprotokoll (4/45) vom 07. 03. 2007, S. 3260. terkeit – Unruhe – Frau Geywitz [SPD]:

86 4. Wahlperiode Sie bewegen sich auf ganz dünnem In dieser Landtagssitzung kam es Eis!)“ 186 auch zu dem letzten Redebeitrag des Zum Thema Brandgefahren und Abgeordneten Wolfgang Klein: „Meine „Rauchwarnmeldepflicht“ schlichen sehr verehrten Damen und Herren! Ich sich in einige Redebeiträge die Worte: hätte eigentlich auch sitzen bleiben kön- „Rauchwaren“ und „Rauchwarenmel- nen, aber da nicht davon auszugehen der“ ein, was den Abgeordneten Wolf- ist, dass die langen Protokolle von allen gang Klein (SPD) zu einer Kurzinterven- vollständig gelesen werden, ergreife ich tion veranlasste: „ ‚Rauchwaren‘ sind für noch einmal das Wort, damit nach der mich Felle. Fängt dann, wenn etwa ein Rede von Frau Mächtig nicht der Ein- Zobel da hängt, das Ding an zu piepen, druck bleibt, als wäre alles drunter und oder handelt es sich in Wahrheit um drüber gegangen und wir hätten nur das ‚Rauchmelder‘?“ 187 Chaos verwaltet …“ und er betonte am Auch gab es Abschiedsreden von Ende seiner Ausführungen: „Damit be- Abgeordneten und für Abgeordnete, ende ich meine – ich nehme an – letz- die nicht unterschlagen werden sollen. te Rede in diesem Landtag. – Ich sehe Der Abgeordnete Wolfgang Klein das Bedauern. Wenn dann später einmal (SPD) anlässlich der Debatte zum Jah- vielleicht von Frau Lieske oder jemand resbericht des Landesrechnungshofes: anders auf einen Satz, den ich hier ge- „Frau Präsidentin! Ich habe nach- sagt habe, Bezug genommen wird, wür- her noch als Fraktionsmitglied die Mög- de ich mich aus der Ferne freuen.“ 188 lichkeit, hier ordentlich vom Leder zu In der Landtagssitzung am ziehen. Ich glaube, es wurden der SPD- 01. 07. 2009 fand der Fraktionsvorsitzen- Fraktion 15 Minuten Redezeit einge- de der SPD Günter Baaske für vier Ab- räumt. Demnach bitte ich Sie darum, mir geordnete folgende Abschiedsworte: die Zeit, die ich jetzt mehr in Anspruch „Heinz Vietze ist ein Urgestein. Er nehme, später abzuziehen. Ich werde kennt das Haus hier in allen Winkeln die Redezeit nachher nicht ausnutzen.“ besser als manch anderer. Er ist nicht In ihrem Redebeitrag erwiderte die nur in diesem Haus, sondern auch ideell Abgeordnete Margitta Mächtig (DIE von uns allen hier in den letzten zwanzig LINKE): „Sie als Ausschussvorsitzen- Jahren den weitesten Weg gegangen. der – übrigens haben Sie diese Rede Ich glaube, keiner von uns hätte es vor bereits voriges Jahr gehalten; ich habe zwanzig Jahren für möglich gehalten, extra noch einmal nachgeschaut – bit- dass wir in Heinz Vietze im Jahre 2009 ten jedes Jahr darum, auf Redezeiten einen so konstruktiven, aber auch kriti- zum Jahresbericht zu verzichten … Doch schen und – hoffe ich – auch ehrlichen wie in jedem Jahr kann ich Ihnen den Oppositionellen haben. Ich möchte mich Wunsch nicht erfüllen.“ ganz herzlich für diese Zusammenarbeit bedanken, lieber Heinz.

186 Plenarprotokoll (4/46) vom 08. 03. 2007, S. 3337 ff. 187 Plenarprotokoll (4/47) vom 25. 04. 2007, S. 3391. 188 Plenarprotokoll (4/84) vom 02. 04. 2009, S. 6232 ff.

4. Wahlperiode 87 (Beifall bei SPD, CDU und der Frak- ein Uckermärker von echtem Schrot tion DIE LINKE) und Korn. Er hat die Fraktion durch vie- Mein Dank gilt aber auch einem le Irrungen und Wirrungen, auch durch Kollegen aus meiner Fraktion, auch ein schwierige Zeiten gelenkt ... er hat die Mann der ersten Stunde. Er war elf Jahre Politik in diesem Lande mitgeschrieben, lang unser PGF – Wolfgang Klein. Es war mitgestaltet.“ 189 seine ruhige, sachliche, mitunter auch Der Abgeordnete Frank Werner etwas schnippische und humorvolle Art, (CDU) verabschiedete sich in der Land- die ihn, glaube ich, in diesem Landtag tagssitzung am 02. 07. 2009 auch auf un- sehr populär gemacht hat … noch ein- gewöhnliche Weise: „Herr Präsident! Sie mal vollen Respekt und große Hochach- gestatten mir, dass ich von einer Mög- tung … vielen herzlichen Dank … lichkeit Gebrauch mache, von der ich in Der Dritte, dem ich danken möchte, 19 Jahren nie Gebrauch gemacht habe, ist sozusagen ein spätgeborenes Bran- nämlich gegen die Geschäftsordnung zu denburger MdL … Lieber Jörg Schön- verstoßen, namentlich gegen § 33. Ich bohm, wir hatten es nicht immer ganz mache das deswegen, … weil sich just in leicht mit Ihnen, Sie aber auch nicht diesem Augenblick ein historischer Mo- mit uns … Was ich an Ihnen persönlich ment vollzieht. Er besteht darin, dass ich schätze – und das will ich Ihnen heute das allerletzte Mal in meiner Eigenschaft auch sagen –, ist, dass Sie erkannt ha- als Mitglied des Hohen Hauses an die- ben, dass Rechtsextremismus, Frem- sem Pult vor Ihnen stehe. (Zuruf von der denfeindlichkeit, Antisemitismus, Anti- SPD: Dann müssen Sie Ihren Ausstand toleranz eine große Gefahr für unsere geben!) – Den habe ich gestern Abend Demokratie darstellen. Sie haben da gegeben … sehr patriotisch gekämpft. Sie haben Präsident Fritsch: Herr Abgeordne- Ihre Polizei in diese Richtung geführt ter, ich hoffe, Sie verlassen dabei nicht und dafür gesorgt, dass Rechtsextre- den Boden des Grundgesetzes. mismus in den letzten Jahren in diesem Herr Werner (CDU): – Herr Präsi- Lande massiv zurückgedrängt wurde. dent, ich verspreche es Ihnen. Ich er- Dafür von hier aus noch einmal ein herz- warte, dass Sie möglichst nicht von Ord- liches Dankeschön. nungsmaßnahmen Gebrauch machen; (Anhaltender Beifall bei SPD, CDU von zehn Sitzungen können Sie mich und der Fraktion DIE LINKE) – im schlimmsten Fall - auch gar nicht Mein Dank gilt aber auch meinem mehr ausschließen. Ich habe mir sagen Vorvorgänger, der jetzt leider nicht hier lassen, dass es auch ein Leben nach ist. Jeder muss ja mal wohin. der Politik geben soll ... Möglicherweise (Schulze [SPD]: Nein, er ist rauchen! werde ich auch gelegentlich hier vorbei- – Heiterkeit) schauen, um zu sehen, was die Nachfol- Die Wahrscheinlichkeit, dass er ger machen, ob sich die letzten 19 Jah- Rauchen ist, ist bei ihm höher als bei vielen anderen; ... Wolfgang Birthler ist 189 Plenarprotokoll (4/87) vom 01. 07. 2009, S. 6464.

88 4. Wahlperiode re Arbeit hier in diesem Hohen Hause setzungen nicht; wurde aber als Petition gelohnt haben und ob man hier und da behandelt. noch ein paar Spuren hinterlassen hat. Besucher des Landtagsgebäu- Ich weiß, es wird im wahrsten Sinne des des (einschließlich von Plenarsitzungen): Wortes ein schwerwiegender Verlust 3 8 9 81. sein. Aber ich hoffe, er kann kompen- siert werden … Präsident Fritsch: Viel Freude im neuen Leben!“ 190

Statistik

Der Landtag verabschiedete an 88 Plenartagen 154 Gesetze. Es wurden 50 Große Anfragen und 3 073 Kleine Anfra- gen eingereicht. Mit 98 Reden übernahm Ralf Chri- stoffers (DIE LINKE) den Spitzenplatz, dicht gefolgt von Gerrit Große (DIE LIN- KE) mit 90 Reden. Von 3 750 Petitionen konnten 3 491 abgeschlossen werden. Darunter befan- den sich überwiegend Beschwerden zu Bodenreformfragen aufgrund einer Ent- scheidung des Bundesgerichtshofes so- wie zu Schulschließungen und Lehrer- versetzungen. Von den fünf Volksinitiativen ist die zum Thema „Kostenfreie Schülerbeför- derung“ mit Landtagsbeschluss vom 09. 04. 2008 angenommen worden. Die Volksinitiative „Für ein Sozialticket“ zog ihren Antrag zurück, weil sie ihn als erle- digt erachtete. Die Volksinitiativen „Ge- gen … Windenergieanlagen“ und „Keine neuen Tagebaue“ hatten keinen Er- folg. Die „Bürgerinitiative Brandenbur- ger Wald“ erfüllte die formalen Voraus-

190 Plenarprotokoll (4/88) vom 02. 07. 2009, S. 6561 f.

4. Wahlperiode 89 90 4. Wahlperiode IX. Die 5. Wahlperiode des Land­ tages ab 21. 10. 2009

1. Das Wahlergebnis und die Bei den 88 Abgeordneten handelt es ­Abgeordneten sich um:

Fraktion der SPD (31 Mandate): Am 27. 09. 2009 haben die wahlberechtig- 1. Elisabeth Alter ten Brandenburger bei einer Wahlbeteili- 2. Günter Baaske gung von 67 % (2004 waren es 56,41 %!) 3. Detlef Baer ihren fünften Landtag gewählt. 4. Mike Bischoff Wie 1990 sitzen wieder fünf Fraktio- 5. Klaus Bochow nen im Landtag. Neben SPD, DIE LINKE 6. Reinhold Dellmann und CDU sind auch FDP und BÜNDNIS 7. tina Fischer 90/DIE GRÜNEN im Landtag vertreten.190 8. Udo Folgart Die DVU hat es nicht mehr in den 9. Gunter Fritsch Landtag geschafft. 10. Klara Geywitz Der Frauenanteil bei den Abgeord- 11. Martin Gorholt neten betrug zu Beginn der Wahlperio- 12. Martina Gregor-Ness de 40,9 % und das Durchschnittsalter 13. Thomas Günther 48 Jahre. 14. Prof. Dr. Sieglinde Heppener

190 BÜNDNIS 90 und Die GRÜNEN fusionierten im 15. Ralf Holzschuher Jahr 1993. 16. Sören Kosanke

Erststimmen Zweitstimmen Sitze SPD 30,27 % 33,04 % 31

DIE LINKE 29,49 % 27,16 % 26

CDU 22,30 % 19,79% 19

FDP 6,32 % 7,21 % 7

BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN 5,87 % 5,66% 5

DVU – 1,15 %

5. Wahlperiode 91 17. Andreas Kuhnert 24. Anita Tack 18. Sylvia Lehmann 25. Kornelia Wehlan 19. Jutta Lieske 26. Birgit Wöllert 20. Susanne Melior 21. Dr. Martina Münch Fraktion der CDU (19 Mandate): 22. Klaus Ness 1. Beate Blechinger 23. Matthias Platzeck 2. Frank Bommert 24. Manfred Richter 3. Steeven Bretz 25. Holger Rupprecht 4. Ludwig Burkardt 26. Werner-Siegwart Schippel 5. Dieter Dombrowski 27. Christoph Schulze 6. Dr. Christian Ehler 28. Rainer Speer 7. Danny Eichelbaum 29. Britta Stark 8. Rainer Genilke 30. Dr. Dietmar Woidke 9. Anja Heinrich 31. Alwin Ziel 10. Gordon Hoffmann 11. Dierk Homeyer Fraktion DIE LINKE (26 Mandate): 12. Dr. Saskia Funck (später: Ludwig) 1. Renate Adolph 13. Sven Petke 2. Dr. Andreas Bernig 14. Barbara Richstein 3. Helga Böhnisch 15. Roswitha Schier 4. Marco Büchel 16. Prof. Dr. Michael Schierack 5. Ralf Christoffers 17. Monika Schulz 6. Thomas Domres (später: Schulz-Höpfner) 7. Bettina Fortunato 18. Ingo Senftleben 8. Christian Görke 19. Prof. Dr. Johanna Wanka 9. Dieter Groß 10. Gerrit Große Fraktion der FDP (7 Mandate): 11. Axel Henschke 1. Gregor Beyer 12. Dr. Gerd-Rüdiger Hoffmann 2. Andreas Büttner (seit 12/09 fraktionslos) 3. Hans-Peter Goetz 13. Peer Jürgens 4. Jens Lipsdorf 14. Kerstin Kaiser 5. Linda Teuteberg 15. Torsten Krause 6. Raimund Tomczak 16. Stefan Ludwig 7. Marion Vogdt 17. Dr. Michael Luthardt 18. Margitta Mächtig Fraktion GRÜNE / B90 (5 Mandate): 19. Jürgen Maresch 1. Marie Luise von Halem 20. Kerstin Meier 2. Michael Jungclaus 21. Dr. Hans-Jürgen Scharfenberg 3. Sabine Niels 22. Carolin Steinmetzer-Mann 4. Ursula Nonnemacher 23. Gerlinde Stobrawa 5. Axel Vogel

92 5. Wahlperiode Davon schieden bisher aus: Dr. Christian Ehler (CDU) Martin Gorholt (SPD) Tina Fischer (SPD) Renate Adolph (DIE LINKE) Klaus Bochow (SPD) 191 Prof. Dr. Johanna Wanka (CDU)

Dafür rückten nach: Henryk Wichmann (CDU) Barbara Hackenschmidt (SPD) Kerstin Kircheis (SPD) Irene Wolff-Molorciuc (DIE LINKE) Ina Muhß (SPD) Alterspräsidentin Prof. Dr. Sieglinde Heppener. Björn Lakenmacher (CDU) 2. Die konstituierende Sitzung des Anmerkungen: fünften Landtages Torsten Bathmann (FDP) nahm die Wahl nicht an. Der Landeswahlleiter erklärte Nach einigen notwendigen Umbaumaß- daraufhin die Ersatzperson Gregor Bey- nahmen im Plenarsaal, der nun wieder er (FDP) als gewählt, der die Wahl mit fünf Fraktionen aufzunehmen hat, kam Wirkung vom 13. 10. 2009 angenommen der fünfte Landtag am 21. 10. 2009 zu hat. seiner konstituierenden Sitzung zusam-

Tischerücken im Plenarsaal auf dem Potsdamer 191 Verstorben am 07. 01. 2010. Brauhausberg.

5. Wahlperiode 93 men. Die Alterspräsidentin Frau Prof. Dr. nutze und die Leistungen der Älteren Sieglinde Heppener (SPD) führte Fol- hervorhebe: Die heute über 70-Jährigen gendes aus: fanden sich 1989 nicht zum ersten Mal in „Im 20. Jahr nach der friedlichen völlig neuen gesellschaftlichen Umstän- Revolution und mit der Erinnerung an den. Krieg, Flucht und Vertreibung, die die Demonstrationen in , Pots- schweren Nachkriegsjahre und die nicht dam, Dresden und Plauen und an die minder schweren 40 Jahre DDR prägten mehr als 500 000 Menschen am 4. No- ihren Lebensweg. Sie haben lange unter vember 1989 auf dem Berliner Alexand- ungünstigen Lebensverhältnissen gelebt erplatz geht unser Blick … in diesen Ta- und haben gelernt, nicht an jedem klei- gen zurück … Wenn ich mich an 1989 nen Hindernis zu verzweifeln … erinnere, dann an das erregende Gefühl, Der Landtag hat noch in der vergan- im Mittelpunkt eines historischen Ge- genen Legislaturperiode beschlossen, schehens zu stehen, und an die Genug- in der Auseinandersetzung mit der SED- tuung, an ihm unmittelbar teilzuhaben Diktatur nicht nachzulassen und für das und mitgestalten zu können. Land Brandenburg einen Beauftragten 20 Jahre danach und 20 Jahre älter für Diktaturfolgen zu schaffen. Das de- darf ich heute die neue Legislaturperio- mokratische Brandenburg ist auch und de des Brandenburger Landtags eröff- gerade 20 Jahre nach der friedlichen Re- nen, das Hohe Haus eines Landes, des- volution verpflichtet, über die Verbrechen sen Wiedererstehen selbst Ergebnis der der Staatssicherheit und des gesamten friedlichen Revolution von 1989/90 ist … Systems aufzuklären sowie den aufrech- Für uns im Osten änderte sich 1989 ten und mutigen Männern und Frauen, plötzlich fast alles. Wenig blieb, wie es deren Menschenwürde angetastet wurde war. Dem Ruf ,Wir sind das Volk!‘ ent- und deren Widerstandswille gebrochen sprang der Mut, nun über die eigenen werden sollte, Ehrerbietung und Schutz Angelegenheiten selbst zu entscheiden. zu erweisen. Die Macht der SED-Dikta- Die Allgewalt der SED war gebrochen, tur und der Staatssicherheit wurde in der das Leben des Einzelnen und der Ge- friedlichen Revolution unwiderruflich zer- sellschaft hatte wieder eine Perspektive. brochen. Dabei wird es bleiben.“ Aber wir mussten mit der gewonnenen Unter großem Beifall fuhr sie fort: Freiheit umgehen lernen … „Eines erfüllt uns alle mit Freude Die Älteren und Jüngeren der Jahre und Genugtuung: Unser Landtag ist frei nach 1989 haben in den vergangenen 20 von Rechtsextremisten und Neonazis. Jahren viel geschaffen. Brandenburg ist Die Wählerinnen und Wähler haben den heute ein lebenswertes Land, in dem lie- rechtsextremistischen Parteien eine ein- benswerte Menschen leben. Jeder weiß, deutige Absage erteilt. Wir müssen das dass es den Älteren nur gut geht, wenn unsägliche populistisch-provokante Ge- es ihren Kindern und Enkeln gut geht. schwätz der DVU-Fraktion nicht mehr Aber gestatten Sie mir, dass ich heute ertragen. Neonazismus, Rassismus, An- mein Vorrecht als Alterspräsidentin aus- tisemitismus, Ausländerhass und Men-

94 5. Wahlperiode schenverachtung haben im Brandenbur- Als Vizepräsidentin wurde erneut ger Landtag keine Stimme mehr. Aber Gerlinde Stobrawa (DIE LINKE) mit 56 Ja- bleiben wir wachsam! Hüten wir das stimmen und 30 Gegenstimmen gewählt, Bündnis aller Demokraten für Toleranz die sich gegen den Mitbewerber Burkardt und Menschlichkeit!“ 192 Ludwig von der CDU durchsetzte. Vor der Wahl des Landtagspräsi- Nach dem Rücktritt von Gerlin- denten diskutierten die Abgeordne- de Stobrawa als Vizepräsidentin wurde ten über den Antrag von CDU, FDP und in der Landtagssitzung am 16.12.2009 BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN zum The- Gerrit Große (DIE LINKE) von 83 anwe- ma: „Öffentliche Verhandlung von Aus- senden Abgeordneten mit 53 Jastimmen schusssitzungen“, der daraufhin in den zur neuen Vizepräsidentin des Landta- Hauptausschuss überwiesen wurde. ges gewählt. Anschließend wurde erneut Gunter Fritsch mit 57 Jastimmen, 24 Neinstim- Die Fraktionsvorsitzenden men und fünf Enthaltungen zum Land- SPD Dr. Dietmar Woidke tagspräsidenten gewählt. In seiner Dan- kesrede konnte er daher schon über den CDU Prof. Dr. Johanna Wanka ersten Eindruck der neuen Debatten- (bis 27. 04. 2010) kultur resümieren: „Wir haben heute be- Dr. Saskia Ludwig stätigt bekommen, dass die Hoffnung, (ab 27. 04. 2010) dass die Debatten im Landtag vielleicht DIE LINKE Kerstin Kaiser etwas lebhafter und bunter werden wür- den, sich bewahrheitet. Ich bewundere FDP Hans-Peter Goetz immer wieder die Vielfalt der Argumen- (bis 10. 08. 2010) te und die Interpretationsmöglichkeiten, Andreas Büttner die sich hier auftun … Wir starten also (ab 31. 08. 2010) in diese 5. Legislaturperiode so ähn- GRÜNE / B90 Axel Vogel lich wie in die erste: mit fünf Fraktionen. Der einzige Unterschied ist: Die BÜND- NIS 90-Fraktion war damals noch ohne GRÜNE. Nun gibt es einen Farbtupfer 3. Die Landesregierung mehr, jetzt ist sie mit ‚GRÜNE‘. Ich freue mich auf die Zusammen- Als Ministerpräsident ist in der Land- arbeit. Ich freue mich auch, dass diese tagssitzung am 06. 11. 2009 Matthias 5. Legislaturperiode die sein wird, in der Platzeck von den 86 Anwesenden mit 54 wir im neuen Landtag werden beraten Jastimmen bei 32 Gegenstimmen ge- können. Wenn er denn Ende 2012 fertig wählt worden. ist, werden wir ihn Anfang 2013 einwei- In der Landtagssitzung am hen können.“ 193 06. 11. 2009 wurden auch die Mitglieder

192 Plenarprotokoll (5/1) vom 21. 10. 2009, S. 3 ff. der Landesregierung vor dem Landtag 193 Ebenda, S. 12. vereidigt:

5. Wahlperiode 95 Das Präsidium des 5. Brandenburger Landtages im Januar 2010. V. l. n. r.: Kerstin Kaiser, Fraktion DIE LINKE; ­Christian Görke, Fraktion DIE LINKE; Prof. Dr. Johanna Wanka, CDU-Fraktion (ausgeschieden am 27. 04. 2010, Nachfolgerin Dr. Saskia Ludwig); Marion Vogdt, FDP-Fraktion; Landtagsvizepräsidentin Gerrit Große, Fraktion DIE LINKE; Ingo Senftleben, CDU-Fraktion; Landtagspräsident Gunter Fritsch, SPD-Fraktion; Dr. Dietmar Woidke, SPD-Fraktion; Susanne Melior, SPD-Fraktion; Marie Luise von Halem, Fraktion GRÜNE/B90; Klara Geywitz, ­SPD-Fraktion.

Minister des Innern Ministerin für Wissenschaft, Forschung Rainer Speer (SPD) und Kultur

Dr. Martina Münch (SPD) Minister der Justiz Dr. Volkmar Schöneburg (DIE LINKE) Ministerin für Infrastruktur und Land-

wirtschaft Minister der Finanzen Jutta Lieske (SPD) Dr. Helmuth Markov (DIE LINKE)

Chef der Staatskanzlei Minister für Wirtschaft und Europa­ Albrecht Gerber (SPD) angelegenheiten Ralf Christoffers (DIE LINKE)

Die SPD und DIE LINKE bilden eine Minister für Arbeit, Soziales, Frauen Koalitionsregierung. Der Koalitionsver- und Familie trag steht unter dem Titel: „Gemeinsinn Günter Baaske (SPD) und Erneuerung – ein Brandenburg für Ministerin für Umwelt, Gesundheit und alle.“ Verbraucherschutz Anita Tack (DIE LINKE) Amtswechsel:

Nach dem Rücktritt von Jutta Lieske Minister für Bildung, Jugend und Sport: (SPD) übernahm ihr bisheriger Staats- Holger Rupprecht (SPD) sekretär Jörg Vogelsänger (SPD) das

96 5. Wahlperiode Die neue Brandenburger Landesregierung im Anschluss an die Ernennung der Minister im Landtag.

Ministerium für Infrastruktur und Land- Stimmen aller Fraktionen. Die Anbindung wirtschaft. Er wurde am 25. 02. 2010 vor war zunächst beim Bildungsministerium dem Landtag vereidigt. vorgesehen. Nach dem Willen aller Frak- tionen fasste der Landtag am 25. 02. 2010 den Beschluss, die Landesbeauftrag- 4. Zwischenbilanzen und te unmittelbar beim Landtag anzu- ­Begebenheiten: Von einer neuen siedeln. In der Behörde der Landesbe- Geschäftsordnung bis zum Aus­ auftragten, die jetzt in Potsdam in der bildungsförderungsgesetz Hegelallee 3 ihre Amtsräume bezogen hat, werden künftig sieben Mitarbeite- In der konstituierenden Sitzung am rinnen und Mitarbeiter für die Bürgerbe- 21. 10. 2009 fasste der Landtag den Be- schluss „Versöhnung in der Verantwor- tung vor der Geschichte“, der u. a. die Absicht der Überprüfung der Abgeord- neten des 5. Landtages auf eine frühere Tätigkeit für das Ministerium für Staats- sicherheit der DDR beinhaltete. Nach Beschluss des Kabinetts vom 15. 12. 2009, dem Landtag Ulrike Poppe als Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommu- Ulrike Poppe, Beauftragte des Landes Brandenburg nistischen Diktatur vorzuschlagen, er- zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen folgte ihre Wahl am 17.12.2009 mit den Diktatur.

5. Wahlperiode 97 ratung, die politisch-historische Bildung Am 25. 03. 2010 trafen sich Abge- und die Aufarbeitung tätig sein.194 ordnete, Landesregierung, Architekt Am 21. 01. 2010 haben die Abgeord- und Investorengruppe sowie zahlreiche neten des Landtages Ulrike Poppe, Dr. Bürger der Stadt Potsdam zum ersten Hansjörg Geiger, David Gill und Prof. Dr. Spatenstich für den neuen Landtag Helmut Müller-Enbergs einstimmig als am Alten Markt 1. Im Anschluss daran Mitglieder der Unabhängigen Kommis- wurde die „Schaustelle“ des Landtages sion zur Überprüfung der Abgeordneten unmittelbar vor Ort eröffnet. Dort kön- des Landtages auf eine hauptamtliche nen sich die Besucher über den Archi- oder inoffizielle Tätigkeit für den Staats- tektenentwurf und den Baufortschritt sicherheitsdienst der ehemaligen DDR informieren. Landtagspräsident Fritsch nach § 33 Abgeordnetengesetz gewählt. sagte in seiner Rede: „Mein größter Nach § 33 des geänderten Abge- Wunsch ist es, dass die Brandenburge- ordnetengesetzes vom 21. 01. 2010 195 rinnen und Brandenburger im ganzen werden „die Abgeordneten des Land- Land den neuen Landtag als zentralen tages nach Annahme ihres Mandats auf Kommunikationsort annehmen und vor eine geheimpolizeiliche, insbesondere allem auch besuchen werden, sich also auf eine hauptamtliche oder inoffiziel- im sogenannten Hohen Haus wohlfüh- le Tätigkeit beim Staatssicherheitsdienst len und von unseren Angeboten für die der ehemaligen DDR im Sinne des Sta- Öffentlichkeit reichlich Gebrauch ma- si-Unterlagen-Gesetzes überprüft...“ chen.“ 196 Der Präsident des Landtages hat Bereits in der konstituierenden Sit- daraufhin die Beauftragte für die Un- zung hatte der Landtag beschlossen, terlagen des Staatssicherheitsdienstes dass die Geschäftsordnung des Land- der ehemaligen DDR (Bundesbeauftrag- tages überarbeitet werden soll. Hinter- te) um die Übermittlung von Unterlagen grund war der Wille aller Fraktionen, zu dem Zweck dieser Überprüfung er- dass die Ausschusssitzungen künftig sucht. Sobald Unterlagen im Sinne die- öffentlich stattfinden sollen. Damit wur- ses Gesetzes eingehen, erfolgt die Wei- de das bisherige Prinzip umgekehrt, terleitung der Unterlagen an die beim wonach die Sitzungen grundsätz- Landtag eingerichtete Kommission, die lich nicht öffentlich tagten und jeweils in Auswertung der Mitteilungen der Bun- ein Beschluss zur Herstellung der Öf- desbeauftragten und sonstiger von ihr fentlichkeit erforderlich war. Die neue beigezogener Unterlagen die Feststel- Geschäftsordnung 197 wurde in der lung trifft, ob eine geheimpolizeiliche, Landtagssitzung vom 06. 05. 2010 be- hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit schlossen und trat am 12. 05. 2010 in für den Staatssicherheitsdienst als er- Kraft. Für den Fall, dass ein Ausschuss wiesen anzusehen ist. ausnahmsweise nicht öffentlich tagen

194 Pressemitteilung Landtag Nr. 019/2010. 196 Pressemitteilung Landtag / Finanzministerium vom 195 GVBl. I Nr. 3 vom 21. 01. 2010. 25. 03. 2010. 197 GVBl. I Nr. 19 vom 11. 05. 2010.

98 5. Wahlperiode Sitzung der Enquete-Kommission 5/1. möchte, wäre ein Beschluss herbeizu- Es arbeiteten bis Redaktionsschluss führen. 14 ständige Ausschüsse, und es wur- Fast alle Ausschüsse haben die Öf- de eine Enquete-Kommission eingesetzt fentlichkeit bereits im Vorgriff auf das zum Thema: Inkrafttreten der Geschäftsordnung • „Aufarbeitung der Geschichte und schon zu Beginn der 5. Wahlperiode Bewältigung von Folgen der SED- praktiziert. Diktatur und des Übergangs in ei- Das gilt nicht für den Petitionsaus- nen demokratischen Rechtstaat schuss, der aufgrund schutzwürdiger im Land Brandenburg“ (Antrag von Interessen von Petenten und sonstigen 31 Abgeordneten von CDU, FDP, Betroffenen weiterhin nicht öffentlich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Er- tagt. Seit Jahresbeginn bietet er Bürger- weiterungsantrag von SPD und DIE sprechstunden vor Ort in den Landkrei- LINKE.199 sen und kreisfreien Städten an. Weiterhin gab es bis zum Redak- Am 02.06.2010 hat der Landtag das tionsschluss eine Sondersitzung des Brandenburgische Ausbildungsför- Landtages. derungsgesetz 198 beschlossen. Da- • Auf Antrag der Fraktionen der CDU, nach erhalten Schülerinnen und Schü- der FDP und GRÜNE/B90 fand am ler einkommensschwacher Familien eine 04. 12. 2009 eine Sondersitzung des Hilfestellung zur Finanzierung der schuli- Landtages statt zum Thema: „Schwe- schen Ausbildung. re Vertrauens- und Regierungskrise

198 GVBl. I Nr. 24 vom 16. 06. 2010. 199 Drucksachen 5/554, 5/626.

5. Wahlperiode 99 in Brandenburg – der Ministerpräsi- der Angestellten 47, die der Selbständi- dent muss sich endlich der Verant- gen 14, die der Altersrentner 4 und die wortung stellen.“ der Studenten 3. Besucher des Landtagsgebäudes (einschließlich von Plenarsitzungen) 201: Statistik 5 4 2 7.

Eine den bisherigen Wahlperioden ver- gleichbare Statistik kann derzeit natür- lich noch nicht vorgelegt werden. Al- lerdings hat der Landtag in den fast 10 Monaten mit 19 Plenarsitzungen, 18 be- schlossenen Gesetzen, 795 Kleinen An- fragen und 1 907 Drucksachen schon seine große Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. (Zum Vergleich: In der gesamten ersten Wahlperiode wurden 3 243 Drucksachen gezählt!) Zwei Volksinitiativen wurden auf den Weg gebracht: Der Initiative „Mu- sische Bildung für alle“ wurde mit dem Landtagsbeschluss vom 25. 02. 2010 letztlich Rechnung getragen.200 Die „Initiative zur Rettung Branden- burger Alleen“ hat am 12. 08. 2010 der Vizepräsidentin des Landtages 26 758 Unterschriften übergeben. Von den bis 31. 08. 2010 einge- gangenen 601 Petitionen sind neben den aus der vergangenen Wahlperio- de schon 333 abgearbeitet worden. Die Beschwerden betreffen vor allem den Bereich Strafvollzug. Nach der Berufsstruktur sind im Landtag 59 Abgeordnete mit akademi- schen Berufen vertreten, davon 10 Leh- rer, 8 Juristen (davon 5 Rechtsanwälte) und 2 Politologen. Die Anzahl der Arbei- ter beträgt 26, die der Beamten 18, die

200 GVBl. I Nr. 12 vom 10. 03. 2010. 201 Bis 31. 08. 2010.

100 5. Wahlperiode X. Die Direktoren des Landtages

In den 20 Jahren waren drei tor des Landtages ernannt und war bis ­Direktoren im Landtag tätig: zu seiner Versetzung in den Ruhestand mit Wirkung vom 01. 05. 1996 als Direk- Herr Dr. Werner Biebusch unterstützte tor tätig. Er verstarb am 04. 07. 2007. vom 01. 01. 1991 bis zum 31. 12. 1991 den Als Nachfolger trat der gebürtige Präsidenten als Berater. Dabei brach- Brandenburger Malte Kupas, der dem te er seine Erfahrungen als ehemaliger Landtag bereits durch seine Mitwir- Direktor der Bremischen Bürgerschaft kung an der Verfassung verbunden war, beim Aufbau der brandenburgischen mit seiner Ernennung am 01. 05. 1996 Landtagsverwaltung und der Beratung das Amt an; zuvor war er als Leiter der der Abgeordneten ein. Er wurde mit Wir- ­Personalabteilung im Justizministerium kung vom 01. 01. 1992 zum ersten Direk- tätig gewesen. Er verstarb nach schwe-

Dr. Werner Biebusch. Malte Kupas.

Die Direktoren 101 rer Krankheit am 06. 12. 2002 im 58. ­Lebensjahr. Mit Dr. Detlef Voigt wurde am 05. 05. 2003 ein erfahrener Mitarbeiter der Landtagsverwaltung als Direktor er- nannt. Ursprünglich als Referatsleiter für Abgeordnetenangelegenheiten einge- stellt, leitete er seit dem 01. 01. 1992 bis zur Ernennung als Direktor die Abteilung „Verwaltung“, wobei sein besonderes Augenmerk der Entwicklung des Abge- ordnetenrechts galt.

Dr. Detlef Voigt.

102 Die Direktoren XI. Rück- und Ausblicke

1. Schlussbetrachtung Bei der Podiumsdiskussion am 29. 06. 2010 anlässlich der Buchvorstel- Eine Besonderheit der 1. Wahlperiode lung „Neuanfang in Brandenburg“ waren waren gemeinsame Gesetzesinitiativen sich die Teilnehmer in der Diskussions- aller Fraktionen. In dem Buch: „Neu- runde – Britta Stark (SPD), Günter Noo- anfang in Brandenburg“ heißt es: „Be- ke (BÜNDNIS 90, jetzt CDU) und Dr. Hin- merkenswert war auch, dass immerhin rich Enderlein (FDP) – einig darin, dass 15 Gesetzentwürfe von allen Fraktio- eine Besonderheit der 1. Wahlperiode in nen gemeinsam eingebracht wurden … dem Bemühen um Konsens bei wichti- Dies sollte später nie mehr so sein.“ 202 gen Fragen bestand. Kontroverser waren Nunmehr ist es aber wieder ähnlich. teilweise die internen Debatten innerhalb Denn in der 5. Wahlperiode nach ge- der ersten deutschen Ampelkoalition, nau 20 Jahren gibt es wieder parteiüber- wie sich Dr. Hinrich Enderlein erinnerte. greifenden Konsens der Fraktionen in Die Auseinandersetzungen über die wichtigen Fragen. So wurden die „Lan- Frage einer Zusammenarbeit des Minis- desbeauftragte zur Aufarbeitung der terpräsidenten Dr. Manfred Stolpe mit Folgen der kommunistischen Diktatur“ der Staatssicherheit der DDR während und die Kommission zur Überprüfung seiner Tätigkeit als Konsistorialpräsident der Abgeordneten nach § 33 des Abge- der Evangelischen Kirche Berlin-Bran- ordnetengesetzes gleich zu Beginn der denburg in der DDR von 1982 bis 1990 Legislaturperiode von allen Fraktionen zogen sich durch die gesamte erste Le- einstimmig gewählt. gislaturperiode und prägten die Debat- Die Geschichte des Landtages zeigt, ten im ersten Landtag. dass ein möglichst großes Spektrum von Nach dem Bruch der Ampelkoalition im Landtag vertretenen Fraktionen den arbeitete die Regierung mit wechseln- parlamentarischen Betrieb und die Debat- den Mehrheiten weiter; im Landtag wur- tenkultur beleben und es bei bedeutenden den alle wichtigen Gesetzesvorhaben Vorhaben durchaus auch „um die Sache“ zum Abschluss gebracht. gehen kann und nicht nur „ums Prinzip“. Nachdem in der 1. Wahlperiode der Grundstein für die Arbeit im Land gelegt 202 So v. Gersdorff / Lorenz, 2010, S. 187. und eine Fusion der Länder Berlin und

Rück- und Ausblicke 103 Brandenburg von den Parlamenten und Der Konsolidierungskurs des Lan- Verwaltungen beider Länder engagiert des wurde und wird immer wieder durch vorbereitet worden war, mussten in der 2. bundespolitische Maßnahmen beein- Wahlperiode Rückschläge hingenommen flusst wie die Hartz-IV-Reform, Refor- und in der 3. Wahlperiode unter anderem men im Gesundheitswesen, das Spar- die Folgen einer großzügigen Förderpoli- paket des Bundes und das Auslaufen tik korrigiert werden. Schwerpunktthema des Solidarpaktes. Die Finanz- und war fortan – auch im Landtag – die Haus- Wirtschaftskrise, die demografische haltskonsolidierung. Unter heftige Kritik Entwicklung und die Abwanderung jun- waren die Landesgesellschaften Bran- ger Menschen zeigen im Land Wirkung. denburgische Landgesellschaft (BLG) Mit verschiedenen Projekten und För- und die Landesentwicklungsgesellschaft dermaßnahmen, wie sie beispielsweise (LEG) sowie das Privatisierungsverfah- aktuell aus der Fachkräftestudie 203 ab- ren und Vergabeverfahren zur privaten geleitet werden, oder Konzepten in der Errichtung eines Großflughafens BBI ge- Bildungs- und Familienpolitik versucht raten, was jeweils zu Untersuchungsaus- Brandenburg, derartigen Entwicklungen schüssen des Landtages führte. entgegenzuwirken. In der Zeit der Großen Koalition wur- Der Landtag ist auch an die Gesetz- de die Praxis geübt, dass die Regierungs- gebung nicht unmittelbar betreffenden fraktionen keine gemeinsamen Anträge Vorhaben beteiligt, indem die Berich- mit der Fraktion der PDS/DIE LINKE stell- te der Landesregierung zu Landtags- ten, selbst wenn es in der Sache Über- debatten führen, durch die auf das Re- einstimmung gab. Bei übergreifenden gierungshandeln Einfluss genommen Initiativen wie dem Aufruf zum „Tag der wird. Beispiele sind die Demografiebe- Demokraten in Halbe 2006“ oder auch richte, Berichte zur Wirtschaftsstrategie bei Gesetzesvorlagen wie dem Abgeord- und zum Handlungskonzept „Tolerantes netengesetz wurden die Anträge daher Brandenburg“. vom Landtagspräsidenten eingebracht. Insgesamt sind in 20 Jahren In den 20 Jahren Landtag wurden Landtag (bis Redaktionsschluss am elf Untersuchungsausschüsse, ein Son- 31. 0 8 . 2 0 10 ) : derausschuss und zwei Enquetekom- • in 415 Landtagssitzungen missionen eingesetzt, und es gab neun • 682 Gesetze verabschiedet worden, Sondersitzungen des Landtages. Auch • von 16 222 eingegangenen Petitionen mussten sich Landtag und Landesregie- 15 084 erledigt worden, rung mit den Folgen von Naturereignis- • 209 Große Anfragen und sen wie der Dürrekatastrophe 1992 und • 9489 Kleine Anfragen beantwortet dem Oderhochwasser 1997 befassen. worden. Die daraufhin erfolgten Investitionen ha- • Von insgesamt 8 Volksbegehren war ben sich als richtig erwiesen, wie die keines, von 21 Volksinitiativen war

Auswirkungen des diesjährigen Oder- 203 Gemeinsame Fachkräftestudie Berlin-Branden- hochwassers gezeigt haben. burg vom Februar 2010.

104 Rück- und Ausblicke eine erfolgreich, d. h. wurde vom Algerien, Rumänien, Australien, Schwe- Landtag ohne Einschränkungen an- den, Spanien, Kanada, England, Estland, genommen (kostenfreie Schüler- Slowakei und Mongolei, Belarus, Ukrai- beförderung); jedoch wurde in acht ne und Georgien geprägt. Die Beziehun- weiteren Fällen das Anliegen der gen zu den polnischen Nachbarn sind von Volksinitiative aufgegriffen.204 Beginn an der gewichtigste Teil der inter- • Seit Bestehen des Landtages haben nationalen Kontakte des Landtages, denn sich rund 160 000 Besucher über die Artikel 2 Absatz 1 der Verfassung des Lan- Arbeit des Landesparlamentes infor- des fordert die Zusammenarbeit „mit dem miert polnischen Nachbarn“ ausdrücklich ein. • Der Parlamentarischen Beratungsdiens- tes (PBD) hat seit Beginn seiner Tätig- Nun noch ein Blick nach Berlin: keit Anfang des Jahres 2008 75 Gut- „Obwohl der Brandenburger Landtag achten sowie 10 Kurzinformationen zu aus anderen Ausgangsbedingungen aktuellen Themen (z. B. zu einschlägi- startete als das ‚ost-west-gemischte‘ gen Gerichtsentscheidungen oder ak- Berliner Abgeordnetenhaus (und auch tuellen Rechtsentwicklungen) gefertigt, der Deutsche Bundestag) zeigen die Re- wobei die Aufträge in erster Linie von sultate … so gut wie keine Unterschie- den Fraktionen und nachfolgend von de. Landtage müssen nun einmal in Ost den Ausschüssen erteilt werden. und West dieselben Aufgaben der Po- Seit seinem Bestehen unterhält der litikgestaltung und Politikvermittlung Landtag zahlreiche Kontakte zu in- und erfüllen … Die Funktionslogik des Par- ausländischen Parlamenten. Insbeson- lamentarismus hat sich auch in Branden- dere zum Landtag Nordrhein-Westfa- burg als effektiver Lernprozess gestaltet, len bestanden nach der ersten Konsti- in dessen Verlauf die Abgeordneten die tuierung des Landtages sehr intensive parlamentarische Demokratie nicht als Beziehungen, die sich im Laufe der fol- ‚importiertes Modell‘ blind oder wider- genden Wahlperioden auf fast alle deut- strebend übernahmen, sondern aus ei- schen Landesparlamente ausweiteten. gener gelebter Erfahrung gestalteten.“ 205 Die internationalen Kontakte wurden durch hochrangige Besuche von Parla- Landtagswahlen im Überblick ments- und Senatspräsidenten sowie Prä- Bemerkenswert ist, dass die Wahlbetei- sidenten und Abgeordnetendelega­tionen ligung bei der Wahl zum ersten Landtag von Regionalvertretungen aus Brasilien, mit 67,07 % und der erstmalig parallel zu Japan, China, Südafrika, Ungarn, Russ- einer Bundestagswahl durchgeführten land, USA, Mexiko, Marokko, Korea, Dä- Wahl zum fünften Landtag mit 67,5 % nemark, Israel, Chile, Ägypten, Frankreich, jeweils ähnlich hoch war und deutlich über der Wahlbeteiligung zu den übrigen 204 Gesamtübersicht abrufbar unter http://www. Landtagswahlen lag. landtag.brandenburg.de/de/mitgestalten/ volksgesetzgebung/volksgesetzgebung_in_ brandenburg_seit_1992/396602. 205 Schüttemeyer / Lübker / Kolkmann, 2000, S. 598.

Rück- und Ausblicke 105 Zweitstimmenanteil in % Wahl- Wahl- Wahl- beiteiligung DIE GRÜNE/ Sons- termin berechtigte SPD CDU DVU FDP 208 in % LINKE 206 B90 207 tige

14. 10. 90 1.963.926 67,07 38,24 29,40 13,41 6,42 6,63 5,89

11. 09. 94 1.933.680 56,33 54,14 18,72 18,71 2,89 2,20 3,34

05. 09. 99 2.056.834 54,30 39,33 26,55 23,34 5,28 1,94 1,86 1,70

19. 09. 04 2.117.145 56,41 31,91 19,43 27,96 6,08 3,60 3,33 7,71

27. 09. 09 2.112.502 67,50 33,04 19,79 27,16 1,15 5,66 7,21 6,00

Zusammensetzung des Landtages seit 1990 BÜNDNIS Zahl PDS / 90 / Mehr- der SPD CDU DIE FDP 210 DVU GRÜNE / heit MdL LINKE 209 B90 211

1. Wahl- periode 88 36 27 13 6 6 – 48 1990 –1994

2. Wahl- periode 88 52 18 18 – – – 52 1994 –1999

3. Wahl- periode 89 37 25 22 – – 5 62 1999 – 2004

4. Wahl- periode 88 33 20 29 – – 6 53 2004 – 2009

5. Wahl- periode 88 31 19 26 7 5 – 57 2009 – 2014

2. Verfassungsänderungen Regelung zu einem Volksentscheid „Gesetz zu den Staatsverträgen über die In den 20 Jahren seit Bestehen des Neugliederung der Länder Berlin und Landtages gab es folgende Verfas- Brandenburg“ vom 27. 06. 1995, Artikel 2 sungsänderungen: (geändert Artikel 22 Abs. 3, 62, 116): 212

Der neu gefasste Artikel 116 regelt 206 1990: PDS-LL. 1994 – 2004: PDS. das Verfahren zur Vereinigung der Län- 207 1990: Bündnis 90. 208 Bis 2001: F.D.P. der Brandenburg und Berlin. Erforder- 209 Bis 1994: PDS-LL. Von 1994 – 2005: PDS. lich ist gemäß Artikel 116 Absatz 1 Satz 2005 – 2007: Die Linkspartei. PDS. 210 Bis 2001: F.D.P. 211 Bis 1993: Bündnis 90. 1993 –1994: BÜNDNIS. 212 GVBl. 1995 I, S. 150.

106 Rück- und Ausblicke 2 die Zustimmung von zwei Dritteln der Zur Herstellung der Verfassungs- Mitglieder des Landtages sowie die Zu- konformität wurde mit dem in Artikel 22 stimmung in einem Volksentscheid zu neu eingefügten Absatz 5 ein Gesetzes- der nötigen Vereinbarung. Im Rahmen vorbehalt eingefügt, der die Basis für die des 1996 durchgeführten Volksentschei- nähere Ausgestaltung der Rechte aus des gab die Berliner Bevölkerung mit Artikel 22 Absatz 1 bis 4 durch Gesetz knapper Mehrheit ihre Zustimmung zum bildet. Neugliederungsstaatsvertrag, während in Brandenburg bereits das Mindestzu- Zur Wahl der Verfassungsrichter stimmungsquorum von 25 % der Bevöl- „Gesetz zur Änderung des Artikels 112 kerung nicht erreicht wurde. Jedoch ist Absatz 4 der Verfassung sowie des die erneute Durchführung eines Volks- Verfassungsgerichtsgesetzes“ vom entscheides durch Artikel 116 nicht aus- 24. 06. 1997 215: geschlossen. Die bis dato geltende Regelung des Artikels 112 Absatz 4 Satz 5 sah ledig- Gesetzesvorbehalt lich eine einfache Mehrheit der Stimmen „Gesetz zur Änderung der Verfas- zur Wahl der Richter des Verfassungs- sung des Landes Brandenburg“ vom gerichts des Landes Brandenburg vor, 10. 03. 1997 (geändert Artikel 22): 213 was von den entsprechenden bundes- Das Verfassungsgericht des Lan- rechtlichen Regelungen sowie den Re- des Brandenburg stellte mit Urteil vom gelungen der Landesverfassungen der 25. 01. 1996 214 fest, dass § 12 Absatz übrigen neuen Bundesländer abwich 1 Nummer 1 des Brandenburgischen und die Kontrollfunktion des Verfas- Kommunalwahlgesetzes mit der Ver- sungsgerichts gegenüber der Exekutive fassung des Landes Brandenburg un- und der die Gesetzgebung bestimmen- vereinbar sei. Die hier getroffene Rege- de Parlamentsmehrheit hätte gefähr- lung, wonach angestellte Ärzte, die in den können. Dem Anschein, dass das nichtselbstständigen Einrichtungen des Verfassungsgericht ein „Instrument der Kreises in nicht leitender Funktion ärzt- jeweiligen Parlamentsmehrheit“ sein lich tätig sind, nicht dem Kreistag des könnte, sollte durch Einführung einer Landkreises angehören dürfen, stehe qualifizierten Mehrheit bei der Wahl der in Widerspruch zu Artikel 22 Absatz 1 Verfassungsrichter begegnet werden. der Verfassung des Landes Branden- Artikel 112 Absatz 4 Satz 5 wurde da- burg. Demnach haben alle Bürger nach hin gehend geändert, dass zur Wahl Vollendung des 18. Lebensjahres das der Verfassungsrichter nunmehr eine Recht, zum Landtag und zu den kom- Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglie- munalen Vertretungskörperschaften zu der des Landtages Brandenburg vorge- wählen und in diese gewählt zu werden. sehen ist.

213 GVBl. 1997 I, S. 4. 215 GVBl. 1997 I, S. 68. 214 VfGBbg: 13/95.

Rück- und Ausblicke 107 Vom Hauptausschuss vorgeschla­ • Artikel 65: Die bisherige Fassung sah gene Änderungen (14) für Beschlussfassungen des Landta- „Gesetz zur Änderung der Verfassung ges die Mehrheit der abgegebenen des Landes Brandenburg und des Ver- Stimmen vor, es sei denn, die Verfas- fassungsgerichtsgesetzes Branden- sung bestimmt etwas anderes; nun- burg“ vom 07.04.1999, Artikel 1 216 : mehr können für die vom Landtag Hier wurde eine ganze Reihe von vorzunehmenden Wahlen durch ein Verfassungsbestimmungen geändert, Gesetz oder die Geschäftsordnung die aus Sicht des Einbringers (Haupt- des Landtags Ausnahmen zugelas- ausschuss) mit Unsicherheiten behaf- sen werden. tet sein oder deren Anwendung mögli- • Artikel 74 Absatz 1: Die Änderung cherweise zu ungewollten tatsächlichen sieht vor, dass die Wahl des Landes- Schwierigkeiten führen könnte. Darunter beauftragten für Datenschutz ohne die folgenden Änderungen: Aussprache erfolgt. • Artikel 22 Absatz 2: Ersetzung des • Artikel 87 Satz 1: Der bisherige Ab- Wortes „Bürgeranträgen“ durch das satz 1 sieht vor, dass sich der Land- Wort „Einwohneranträgen“ ange- tag nach einer gescheiterten Ver- sichts der in Satz 2 bereits vorgese- trauensfrage innerhalb von zwanzig henen Beteiligungsmöglichkeit an- Tagen auflösen kann, wenn er nicht in derer Einwohner. Streichung der dieser Frist einen Ministerpräsidenten Einschränkung in Satz 3, derzufolge gewählt hat; nunmehr wird das für die eine gesetzliche Absenkung der Wahl eines neuen Ministerpräsiden- Altersgrenze zur Beteiligung an ten erforderliche Quorum – die Mehr- Volksinitiativen und Einwohneran- heit der Mitglieder des Landtages - trägen auf sechzehn Jahre nur mög- ausdrücklich geregelt. lich ist, sofern diese vornehmlich • Artikel 94 Satz 2: Im Rahmen von Ar- ­Jugendliche betreffen. tikel 94 werden bestimmte Unter- • Artikel 62 Absatz 1: Die Neuwahl richtungspflichten der Landesre- des Landtages ist nunmehr zwi- gierung gegenüber dem Landtag schen frühestens siebenundfünf- geregelt – unter anderem beziehen zig und spätestens sechzig (bisher: sich diese Pflichten auf die Zusam- neunundfünfzig) Monaten nach Be- menarbeit mit anderen Staaten und ginn der Wahlperiode möglich, um den Europäischen Gemeinschaf- ein schrittweises Vorrücken des ten; nach der Gründung der Eu- Wahltermins zu verhindern; eine ropäischen Union durch den am mögliche Kolli­sion zukünftiger Wahl- 01. 11. 1993 in Kraft getretenen Ver- termine mit den Hauptferienzeiten trag von Maastricht wird die bisheri- soll auf diesem Wege vermieden ge Bezeichnung „den Europäischen werden. Gemeinschaften“ ersetzt durch die zusammenfassende Bezeichnung 216 GVBl. 1999 I, S. 98. „Europäische Union“.

108 Rück- und Ausblicke • Artikel 97 Absatz 3: Neben der Klar- der Tatsache, dass die Verfassung stellung im Anschluss an die Ent- bis dato zwar das Mindestalter aus- scheidung des Verfassungsge- drücklich vorgab (Artikel 112 Absatz richts des Landes Brandenburg vom 5 Satz 1), jedoch keine Regelung zum 18. 12. 1997 217 durch den Einschub Höchstalter traf, wollte der Gesetz- „oder aufgrund eines Gesetzes“ wird geber eventuelle Zweifel an der Zu- im Rahmen der Neufassung des Ab- lässigkeit einer solchen einfachge- satzes 3 auch eine Überarbeitung setzlichen Regelung ausräumen und der Bestimmungen zur Kostende- hat daher den Absatz 6 („Das Nähe- ckung vorgenommen. Die beschlos- re regelt ein Gesetz“) ergänzt um den sene Fassung sieht in Satz 2 vor, Zusatz: „… das auch eine Höchstal- dass Bestimmungen zur Deckung tersgrenze für Verfassungsrichter vor- der Kosten zu treffen sind, sofern die sehen kann“. Gemeinden oder Gemeindeverbän- • Artikel 114 Satz 2: nach Satz 1 wur- de durch Gesetz oder aufgrund eines den die bei der Errichtung des Ver- Gesetzes zur Erfüllung neuer öffent- fassungsgerichts zu wählenden Rich- licher Aufgaben verpflichtet wer- ter – abweichend von der allgemein den; sofern diese Aufgaben zu einer zehnjährigen Amtszeit des Artikels Mehrbelastung führen, sieht der neue 112 Absatz 4 Satz 1 – für eine Amts- Satz 3 die Schaffung eines finanziel- zeit von fünf Jahren gewählt; nach len Ausgleiches vor; aufgrund eines Satz 2 war ihre einmalige Wieder- Entschließungsantrags des Haupt- wahl möglich; durch einen entspre- ausschusses 218 beschließt der Land- chenden Einschub in Satz 2 wurde tag neben der Änderung des Ver- klargestellt, dass sich die Wieder- fassungstextes noch eine Reihe von wahl auch hier auf eine Amtszeit von Erläuterungen als Auslegungshilfe. zehn Jahren erstreckte. • Artikel 109 Absatz 3: Zur Vereinfa- chung der Richterernennung wird Gemeinsame Fachobergerichte der der Satz 2 mit einer Delegationsbe- Länder Berlin und Brandenburg fugnis der Landesregierung auf das „Gesetz zur Änderung der Verfassung“ zuständige Mitglied der Landesregie- vom 16.06.2004: 219 rung angefügt. Nach dem „Gesetz über Ziele und • Artikel 112 Absatz 6: § 6 Absatz 2 Vorgaben zur Modernisierung der Lan- Satz 1 des Verfassungsgerichtsge- desverwaltung“ waren unter Wah- setzes Brandenburg regelt, dass die rung des Grundsatzes des beidersei- Amtszeit der Verfassungsrich- tigen Nutzens Verhandlungen mit dem ter mit Ablauf des Monats endet, in Land Berlin mit dem Ziel zu führen, dem sie das achtundsechzigste Le- eine gemeinsame Aufgabenerledigung bensjahr vollendet haben; angesichts im Bereich der Obergerichte der Ver-

217 VfGBbg: 47/96. 218 Drucksache 2/6179. 219 GVBl. 2004 I, S. 254.

Rück- und Ausblicke 109 waltungs-, Finanz-, Arbeits- und Sozial- mationsbeschaffung spielen „erscheint gerichtsbarkeit zu erreichen. Diese Ver- es konsequent, Gesetze und Rechtsver- handlungen führten zur Unterzeichnung ordnungen zukünftig auf elektronischem des Staatsvertrages vom 26. 04. 2004 Wege zu verkünden und dadurch so- über die Errichtung gemeinsamer Fach- wohl die Erstellung der amtlichen Ver- obergerichte der Länder Berlin und kündungsblätter als auch den Zugang Brandenburg. Zu seinem Wirksamwer- zu ihnen den modernen Kommunika­ den bedurfte es auch einer Änderung tionsmitteln anzupassen.“ 223 der Verfassung: Als neuer Absatz 4 wur- de dem Artikel 109 der Verfassung hin- 3. Was den Fraktionen wichtig ist sichtlich der Berufung der Richter die Regelung angefügt, dass durch Staats- Die fünf im Landtag vertretenen vertrag Abweichendes bestimmt werden Fraktionen haben kurz und knapp dar- kann, wenn das Land mit anderen Län- gestellt, was für sie jeweils in den „20 dern gemeinsame Gerichte errichtet. Jahren Landtag Brandenburg“ beson- ders wichtig war: Elektronische Ausfertigung und Ver- kündung von Gesetzen GRÜNE / B 9 0 : Gesetz zur Änderung der Verfas- „Das wichtigste Gesetz ist natürlich die sung des Landes Brandenburg vom Brandenburger Verfassung. Aus Sicht 07. 07. 2009: 220 der bündnisgrünen Fraktion stellte zu- Artikel 81 wurde ein neuer Absatz 4 dem die Verabschiedung des Natur- angefügt, demzufolge die Ausfertigung schutzgesetzes von 1992 und der dar- und Verkündung von Gesetzen und auf folgende Ausbau eines Netzes von Rechtsverordnungen nach Maßgabe ei- Großschutzgebieten eine besonders nes Gesetzes in elektronischer Form herausragende Gesetzesinitiative dar. vorgenommen werden können. Damit Damit wurde seinerzeit ein bundeswei- wurde die rechtliche Basis zu einer tes Vorbild für einen innovativen Natur- medienbruchfreien elektronischen schutz geschaffen. Leider wurde dieses Ausfertigung und Verkündung der Gesetz über die Jahre verwässert und Landesnormen geschaffen. büßte viel seiner bundesweiten Strahl- Den Anstoß hierzu hatten der Land- kraft ein.“ tag 221 und der Sonderausschuss des Landtages zur Überprüfung von Normen FDP: und Standards 222 gegeben. Da Internet „Für die FDP-Landtagsfraktion ist und und Informationstechnik in der Gesell- bleibt die Verfassung des Landes Bran- schaft mittlerweile eine zentrale Rolle denburg die wichtigste Errungenschaft bei der Kommunikation und der Infor- seit der deutschen Wiedervereinigung. Viele liberale Elemente, insbesondere die 220 GVBl. 2009 I, S. 191. 221 Drucksache 4/2414-B. 222 Drucksache 4/4570, S. 42. 223 So der Gesetzentwurf, Drucksache 4/7337.

110 Rück- und Ausblicke Verankerung von Elementen der unmit- gerbewegung verfasst, wurde sie von den telbaren Bürgerbeteiligung durch Bür- Brandenburgerinnen und Brandenburgern gerbegehren sowie Bürger- und Volks- in einem Referendum mit über 94 Prozent entscheide, haben das Vertrauen der angenommen. Viele ihrer Formulierungen Menschen in die Landesverfassung und sind unmittelbar dem Verfassungsentwurf die Bereitschaft zum bürgerschaftlichen des Zentralen Runden Tisches der DDR Engagement entscheidend geprägt.“ entnommen. Brandenburg verfolgt ehr- geizigere Staatsziele als andere Bundes- CDU: länder. Wir bekennen uns dazu, dass die „Eines der wichtigsten und anspruchs- Menschen ein Recht auf Arbeit und an- vollsten Gesetzgebungsverfahren, das gemessene Wohnung haben. Für die Ver- für fast alle Brandenburger eine ganz wirklichung dieser Rechte muss die Lan- praktische Bedeutung hat, war die im despolitik engagiert kämpfen.“ Jahr 2003 erfolgreich abgeschlossene Gemeindegebietsreform. Damit ist nach 4. Akteure von damals und heute intensiver Arbeit eine wirkungsvolle Ver- erinnern sich waltungsmodernisierung gelungen. Für die CDU-Fraktion ist der Erfolg, Die Abgeordneten durch freie Wahlen demokratische Ent- • Beate Blechinger (CDU), scheidungen im Landtag zu ermögli- • Andreas Kuhnert (SPD), chen, die zentrale Botschaft von 20 Jah- • Stefan Ludwig (DIE LINKE) ren Land Brandenburg, von 20 Jahren • Matthias Platzeck (SPD), deutscher Einheit.“ • Christoph Schulze (SPD), • Britta Stark (SPD) DIE LINKE: • Gerlinde Stobrawa (DIE LINKE), „Für die Linksfraktion ist die Landesver- • Alwin Ziel (SPD) fassung von 1992 das wichtigste Ge- setz in den 20 Jahren seit Bestehen des saßen auch schon in der ersten Wahlpe- Brandenburger Landtages. Im Unter- riode im Landtag. Von ihnen sind Andre- schied zu anderen ostdeutschen Land- as Kuhnert, Christoph Schulze, Gerlinde tagen war die Brandenburger PDS-LL Stobrawa und Alwin Ziel durchgängig im intensiv an deren Erarbeitung beteiligt Landtag vertreten. und damit verfassungsgebende Kraft, • Dr. Helmuth Markov außerdem warb sie im Vorfeld der Volks- abstimmung engagiert für die Annahme war in der 1. und 2. Wahlperiode als Ab- der Landesverfassung.“ geordneter im Landtag und ist in der 5. Wahlperiode als Minister – ohne Abge- SPD: ordnetenmandat – vertreten. „Zu den überdauernden Leistungen der Alle neun Genannten haben anläss- Brandenburger Gründerjahre zählt unsere lich des 20. Geburtstages des Landta- Landesverfassung. Im Geist der DDR-Bür- ges einen kleinen Beitrag geleistet:

Rück- und Ausblicke 111 1. Wahlperiode. 5. Wahlperiode.

Beate Blechinger (CDU) zum Wert der einem parteiübergreifenden Entwurf. Verfassung und zur 1. Wahlperiode: So haben sie also auch erhebliche Zu- geständnisse gegenüber der CDU- „Wir hatten natürlich viel mehr Ent- Fraktion gemacht. Sicherlich sind vie- scheidungen zu fällen, weil ja im Prin- le Staatsziele wie das Recht auf Arbeit zip die Grundlagen für das Funktionie- oder das Recht auf Bildung Illusionen, ren des Landes Brandenburg gelegt die man dem Bürger macht. Aber ich werden mussten. Dann war die Sta- habe der Verfassung mit zehn anderen siaufarbeitung ein leidenschaftliches CDU-Abgeordneten zugestimmt, weil Thema mit sehr emotionalen Diskus- ich mir gesagt habe: Das ist ein Wert an sionen. Und bei der Ausarbeitung der sich, dass so ein grundlegendes Doku- Verfassung prallten plötzlich Welten ment auch von der gesamten Branden- aufeinander. Aber die Regierungsfrak- burger Bevölkerung getragen wird und tionen hatten ein großes Interesse an nicht nur von zwei, drei Parteien.“ 224

224 v. Gersdorf / Lorenz, 2010, S. 14.

112 Rück- und Ausblicke Wahlkampf 1. Wahlperiode. 5. Wahlperiode.

Andreas Kuhnert (SPD) über kühne Ich will mitgestalten, aktiv und hauptbe- Träume: ruflich in der Politik! Die Wahl in den Landtag über ein „38 Jahre in der DDR gegen den Direktmandat hatte etwas Unwirkliches, Strom geschwommen. Immer in der Hoff- geradezu ‚Rauschhaftes‘! Endlich, end- nung, kleine Verbesserungen erreichen lich, endlich ist es soweit! zu können. Oppositionsarbeit unter dem Den kühnen Träumen aus 38 Jahren Dach der evangelischen Kirche. Mit Ju- Diktatur konnte die gesamtdeutsche Wirk- gendlichen den ‚aufrechten Gang‘ geübt. lichkeit nur bedingt standhalten. 20 Jahre Als schließlich unsere Bemühungen danach hält die Genugtuung an! 20 Jahre ganz unerwartet in der friedlichen Revo- danach gibt es auch viel Ernüchterung! 20 lution und im Ende der DDR mündeten, Jahre danach sind wir im ‚Alltag-West‘ an- gab es für mich keine Frage! Ich will da- gekommen! Wirklich befriedigend ist das bei sein, wenn das Neue gestaltet wird! für friedliche Revolutionäre aber nicht!“

Rück- und Ausblicke 113 1. Wahlperiode. 5. Wahlperiode.

Stefan Ludwig (DIE LINKE) zur Kraft Schlechten. Die Mehrheit entscheidet, von Mehrheiten: wie es werden soll. Es lohnt sich, um die Mehrheit zu ringen. „Eine Generation währt die Neu- Die Mehrheit muss auch berück- gründung des Landes. Ich sehe das sichtigen, dass es so wurde, weil sie auch an meiner Familie: Kam ich 1990 es so wollte. Es gibt keine Fluchtmög- mit 23 als jüngstes Mitglied in den Land- lichkeit. Aber selbst eine fehlerhaf- tag, habe ich heute bereits einen er- te Entscheidung ist bei anschließender wachsenen Sohn. Korrektur besser gewesen als keine Ent- In dieser Zeit sah ich, wie Politik das scheidung. Nicht getroffene Entschei- Land prägen kann, und dass in der Po- dungen oder unterlassene Fehlerkor- litik - abgesehen von einigen Zufällen - rekturen blieben dauerhaft Fehler in der nichts unveränderlich ist. Alles wird so, Landespolitik, denn oft ist eine Entschei- wie es werden soll - im Guten wie im dung heute nicht mehr möglich.“

114 Rück- und Ausblicke 1. Wahlperiode. 5. Wahlperiode.

Dr. Helmuth Markov (DIE LINKE) burger) Weg brachten, prägt heute un- spannt einen Bogen: ser Land. Da steht als erstes die Lan- desverfassung, deren Inhalt und Geist „Als Politikneuling erlebte ich die auch heute unsere Arbeit bestimmt. Aufbaujahre des Landes Brandenburg Froh bin ich darüber, dass Schwerpunk- im Landtag. Wir 13 Abgeordneten der te der linken Opposition von damals - so Fraktion PDS/Linke Liste engagierten u. a. Projekte zur Schaffung von Arbeits- uns als sachliche, konstruktive Oppositi- plätzen, Mindestsicherung, Transparenz on vor allem für demokratische und sozi- in der Politik, Integration ausländischer ale Rechte der Bürgerinnen und Bürger. Mitbürgerinnen und Mitbürger - heute Vieles von dem, was wir in der ersten Bestandteil des Koalitionsvertrages mit Legislaturperiode mit auf den (Branden- der SPD sind.“

Rück- und Ausblicke 115 1. Wahlperiode (BÜNDNIS 90). 5. Wahlperiode (SPD).

Matthias Platzeck (SPD) über Proviso- Pragmatisch, anspruchslos, wenn rien: es nicht um die Sache ging, und impro- „So vieles war ja damals proviso- visierfreudig waren damals die meisten - risch, in diesem von Aufbruch und Neu- es gab eben Wichtigeres als Büroraum- beginn geprägten Spätherbst 1990. Der planung und Dienstwagenrichtlinien. Landtag hatte ein Gesetz zur „vorläufi- Und noch etwas ist mir in Erinnerung gen Sicherung“ seiner Arbeitsfähigkeit geblieben aus jenen Tagen: in vielem beschlossen. Das gerade im Entstehen haben wir eingeübte Muster aufgege- begriffene Umweltministerium, welches ben, Grenzen einfach ignoriert oder kur- mir anvertraut werden sollte, bezog mit zerhand hinter uns gelassen. Die Par- einer Handvoll künftiger Mitarbeiter fürs teigrenzen zum Beispiel, die Grenzen Erste in einem Raum in der Bezirksver- zwischen dem Amt und dem Ehrenamt waltungsbehörde in der Heinrich-Mann- oder die Grenzen zwischen Herkunft aus Allee Quartier. Eine graue Telefonanlage Ost und West. mit vielen Tasten und einen Robotron- Die Provisorien gehörten bald der PC (mit Textverarbeitung) gab es hier. Vergangenheit an. Aber vieles von dem Provisorisch war auch der Plenarsaal Gemeinschaftsgefühl hat sich noch eini- des Landtages. In der kurzerhand zu ge Zeit in der Arbeit des Landtages nie- diesem Zweck umfunktionierten Kantine dergeschlagen und Bausteine geliefert im gleichen Gebäude roch es nach Ein- für das, was später häufig ‚der Branden- topf, Sauerkraut und gebrühtem Kaffee. burger Weg‘ genannt wurde.“

116 Rück- und Ausblicke Christoph Schulze (SPD) wagt ei- nen Rückblick auf die vergangenen vier Wahlperioden mit dem Zeichenstift:

1. Wahlperiode:

Rück- und Ausblicke 117 2. Wahlperiode: 3. Wahlperiode:

4. Wahlperiode:

118 Rück- und Ausblicke 1. Wahlperiode. 5. Wahlperiode.

Britta Stark (SPD) schöpft Kraft und (Oder) abzuwickeln. Bereits ein halbes Zuversicht: Jahr später konstituierte sich der erste Brandenburger Landtag, dem ich ange- „Heute, im Nachhinein, kann man hören durfte. nur staunen, was wir in diesem einen Die unmittelbare Erfahrung, dass ein Jahr, 1990, gemeinsam bewegt und ver- solcher demokratischer Umwälzungs- ändert haben! prozess hier bei uns möglich war, geben Noch im Winter hatte ich als zustän- mir noch heute, 20 Jahre danach, Kraft dige Regierungsbeauftragte die Aufga- und Zuversicht für meine tägliche politi- be, den alten Rat des Bezirkes Frankfurt sche Arbeit.“

Rück- und Ausblicke 119 1. Wahlperiode. 5. Wahlperiode.

Gerlinde Stobrawa (DIE LINKE) über belehrend – nicht nur über die ‚Stolper- ehrliche Helfer: fallen‘ der Geschäftsordnung half. Er prägte den parteiübergreifenden Poli- „Für alle, die im Herbst 1990 als tikstil im Landtag in der ersten Wahlpe- frisch gewählte Abgeordnete im Ple- riode ganz erheblich mit. Ja, und dann narsaal in der Heinrich-Mann-Allee 107 war da auch Prof. Dr. Klaus Finkelnburg, Platz nahmen, war diese Arbeit Neu- Rechtsanwalt aus Berlin (West), CDU- land. Selbst für diejenigen, die, wie ich Mitglied, mit dem ich längere Zeit im und etliche andere, zuvor in Bezirksta- Verfassungsausschuss zusammengear- gen, Kreistagen oder Stadtverordne- beitet habe. Neben seinem fachlichen tenversammlungen gearbeitet hatten. Rat war es vor allem eines, was mich Wir alle wussten eigentlich nicht, was doch etwas überraschte: Er fragte uns auf uns alles zukommt. Neugierig wa- nach unserem Leben in der DDR und ren wir, glaube ich, alle - auch und gera- nach der Wende. Er wollte, dass unsere de auf diejenigen, die - aus dem Westen durchaus verschiedenartigen Lebens- Deutschlands kommend - mit uns ge- erfahrungen aus dieser Zeit im Text der meinsam das ‚Neuland’ beackern woll- Brandenburger Verfassung zum Tragen ten. kommen. Zwei – ganz unterschiedliche – Kol- Jenseits von ‚Buschzulagen’, über legen sind mir in besonderer Erinnerung die damals immer wieder geredet wurde, geblieben. Der erste ist unser langjäh- haben diese und weitere ‚Wessis’ uns auf riger Landtagsdirektor Dr. Werner Bie- unserem Weg maßgeblich unterstützt. busch, der uns – kompetent und nie Dankbar erinnere mich bis heute daran.“

120 Rück- und Ausblicke 1. Wahlperiode. 5. Wahlperiode.

Alwin Ziel (SPD) über Demokratiean- sah, wurde mir durch den Leiter des fänge: Kreispolizeiamtes Meldung erstattet. Feierliches Zuschreiten auf den neuen „Es geht um einen meiner ers- Minister und folgende Meldung: ‚Herr ten Besuche nach der Wende in einem Minister, ich melde, Mitarbeiter des Kreispolizeiamt im Norden unseres Lan- Kreispolizeiamtes vollzählig angetreten des gemeinsam mit einer ganzen Reihe und einsatzbereit. Sie können sich dar- von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf verlassen, wir machen jetzt Demo- aus dem Innenministerium. kratie, da gibt es keine Diskussion.‘ Man- Ob ich das wollte oder nicht, die ge- che mussten sich das Lachen verbeißen. samte Dienststelle war mit Mann und Ich habe mir nie wieder Meldung erstat- Maus angetreten, und ehe ich mich ver- ten lassen.“

Rück- und Ausblicke 121 5. Vom Schatten der Vergangen- torikern widerlegt werden, wonach ein heit zum neuen Weg solcher Bericht gar nicht existiere oder das Ergebnis lediglich vor der Presse „Während in Brandenburg zunächst der auf der Pressekonferenz am 29.11. 1991 Wunsch im Vordergrund stand, gemein- vorgetragen worden sei. sam Neues zu schaffen, warf die DDR- Das Präsidium des Landtages hat Vergangenheit später einen immer grö- am 17. 02. 2009 entschieden, dass die in ßeren Schatten auf die Politik. Eine 1991 einem Panzerschrank im Landtag gela- vom Landtag eingerichtete ‚Ehrenkom- gerten Unterlagen im Zusammenhang mission zur Überprüfung der Abgeord- mit diesem Überprüfungsverfahren dem neten auf ihre früheren Kontakte zum Landeshauptarchiv zur Archivierung zu Ministerium für Staatssicherheit aus übergeben sind. Grundlage für diese Pfarrer Karl-Heinz Ducke … und Gene- Entscheidung war das Gutachten des ralsuperintendant Günter Bransch … Parlamentarischen Beratungsdienstes führte anschließend Einzelgespräche mit des Landtages zu den „Möglichkeiten den Mandatsträgern … Ihr unveröffent- zur weiteren Verwendung oder Nutzung lichter Bericht an den Landtagspräsi- der im Landtag Brandenburg noch vor- denten enthielt lediglich zwölf Grenzfälle handenen Unterlagen der ‚Ehrenkom- einer Zusammenarbeit mit dem MfS. ... mission‘ zur Überprüfung der Abgeord- Der Schatten der Vergangenheit führte neten aus dem Jahr 1991.“ Nach dem 1994 schließlich zum Bruch der Regie- Gutachten ist die Verwendung der Un- rungskoalition.“ 225 terlagen der Ehrenkommission durch Im Dezember 2009 und im Januar Einsichtsgewährung oder Weiterabe an 2010 ging es in Presseveröffentlichun- die Presse sowie eine Nutzung durch gen erneut um die Frage der Überprü- Gremien des Landtages grundsätzlich fung der Abgeordneten hinsichtlich einer unzulässig. Zusammenarbeit mit dem Staatssicher- Anlässlich der Sondersitzung des heitsdienst der DDR und in diesem Zu- Landtages zu dieser Thematik am sammenhang um die Ergebnisse der 04. 12. 2009 führte Ministerpräsident Ehrenkommission aus der Überprüfung Matthias Platzeck (SPD) aus: „… die Un- der Abgeordneten im Jahr 1991. ruhe der vergangenen Wochen ist keine Dabei wurde auch kritisiert, dass politische Krise dieser Landesregierung, von allen neuen Bundesländern nur auch keine Krise der Parteien, die die- Brandenburg keinen sogenannten Stasi- se Koalition tragen. Es ist vor allem eine beauftragten habe. Krise der moralischen und auch der po- Der Abschlussbericht der Ehren- litischen Integrität einiger Mitglieder die- kommission wurde im Dezember 2009 ses Landtages. Ich nenne hier ausdrück- auf Presseanfragen zur Verfügung ge- lich Herrn Hoffmann und Frau Adolph … stellt. Damit konnten Aussagen von His- Sie haben aber einen Schaden ange- richtet, der uns alle betrifft. Dieser Scha- 225 v. Gersdorff / Lorenz, 2010, S. 189. den hätte nicht eintreten dürfen. Ich be-

122 Rück- und Ausblicke daure ihn ganz außerordentlich … Herr heitsdienst der ehemaligen DDR vom Hoffmann und Frau Adolph sind seit 21. 01. 2010, veranlasst, dass ihre Mit- 2004 Mitglieder dieses Hohen Hauses. glieder selbst einen Antrag auf Überprü- Es hat aber seit 1990 im Brandenburger fung bei der Bundesbeauftragten stel- Landtag keine systematische Stasiüber- len. prüfung aller Abgeordneten mehr ge- Die auf Antrag von 31 Abgeordne- geben. Wir müssen uns eingestehen – ten von CDU, FDP, BÜNDNIS 90 / Die auch ich ganz persönlich -: Das war ein GRÜNEN und mit Erweiterungsantrag Fehler, ein Fehler, der sich heute rächt … von SPD und DIE LINKE 228 ­eingesetzte Deshalb plädiere ich dafür, dass der Enquete-Kommission­ „Aufarbeitung Landtag noch in diesem Jahr das Abge- der Geschichte und Bewältigung von ordnetengesetz so novelliert, dass die Folgen der SED-Diktatur und des Über- Überprüfung aller Abgeordneten in ei- gangs in einen demokratischen Recht- nem geordneten Verfahren stattfinden staat im Land Brandenburg“ hielt bis kann.“ 226 Redaktionsschluss drei Sitzungen ab. Prof. Dr. Johanna Wanka (CDU) In der ersten Sitzung am 11. 06. 2010 dazu: „Für mich gibt es verschiede- haben sich die anwesenden Mitglieder ne Kategorien bei der Bewertung der der Kommission und die von den Frak- Vergangenheit. Es gibt beispielswei- tionen bestimmten Experten zu ihren se diejenigen, die sich aus den unter- Biografien und ihren persönlichen Er- schiedlichsten Gründen und für die wartungen an die Enquete-Kommission unterschiedlichsten Gegenleistungen geäußert.229 bereit erklärt haben, ihre Nachbarn, ihre Die Vorsitzende der Kommission, Freunde und ihre Verwandten zu bespit- Klara Geywitz (SPD), zeigte sich guten zeln oder zu verraten. Dann gibt es die- Mutes, dass man etwas vorlegen könne, jenigen, die das nicht getan haben und das einem wissenschaftlichen Vergleich auch nie getan hätten … Heute weiß ich: standhalte und die Forschung über die Viele hier im Raum haben sich für den jüngere Zeitgeschichte bereichere. Man anständigen Weg entschieden … Das habe auch die Chance, in die Zukunft Weitergeben von Informationen an die zu weisen und zu sagen, welche Defizite Stasi war ein Missbrauch des Vertrau- es im Transformationsprozess gebe und ens. Das gilt für mich völlig unabhängig wie man diese beheben könne. davon, ob irgendeine Verpflichtungser- Die Aufarbeitungsbeauftragte Ulri- mächtigung unterschrieben wurde …“ 227 ke Poppe, die mit beratender Stimme an Die Fraktionen haben bereits Ende den Sitzungen teilnimmt, erwartet von 2009, im Vorfeld der Änderung des Ab- der Kommission Aufschluss darüber, geordnetengesetzes zur Überprüfung was in dem Umgestaltungsprozess ge- auf eine Tätigkeit beim Staatssicher- lungen und weniger gelungen sei, und

226 Plenarprotokoll (5/5) vom 04. 12. 2009, S. 153. 228 Drucksachen 5/554, 5/626. 227 Ebenda, S. 157 f. 229 Protokoll der Enquetekommission, P-EK 5/1, S. 9 ff.

Rück- und Ausblicke 123 hofft, dass sich die Tätigkeit der Kom- fekt eintreten dürfe, dass die Menschen mission nicht auf parteipolitische Kon- nicht mehr über die Geschichte reden troversen reduziere, sondern sachlich wollen. Sie sei als Schülerin in Halle ablaufe und tatsächlich Aufschluss dar- (Saale) und von 1979 bis 1984 in Lenin- über gebe, was seit 1990 passiert sei. grad als Inoffizielle Mitarbeiterin ver- Hans-Peter Goetz, damaliger Frak- pflichtet worden und habe dies bereits tionsvorsitzender der FDP, erklärte, er seit 1991 öffentlich gemacht … habe damals den Sozialismus im Gro- Für Landtagspräsident Gunter ßen und Ganzen für eine gute Idee ge- Fritsch (SPD), der stellvertretendes Mit- halten. Er sei deshalb auch in die SED glied in der Kommission ist, soll ein Ge- eingetreten. Inzwischen habe er seine samtbild, so objektiv wie möglich, ent- persönliche Freiheit sehr lieb gewon- stehen und es sollen nicht nur punktuell nen. Nach seiner Meinung ist die Kom- Themen herausgegriffen werden. Man mission in den neuen Ländern einma- könne zwar die Geschichte nicht än- lig und es werde Pionierarbeit geleistet. dern, aber für die Zukunft daraus lernen. Ihm wäre es wichtig, wenn es der Kom- Ihm ist wichtig, dass trotz der anfangs mission gelänge, ergebnisoffen die Auf- missverständlichen Aufgabenstellung, träge zu besprechen, zu Lösungen und die sehr nach Untersuchungsausschuss Vorschlägen zu kommen, die die frei- geklungen habe, die Aufgabe der heitlich-demokratische Grundordnung ­Enquete-Kommission ernstgenommen stärkten. werde und wesentliche Entscheidungen Der Fraktionsvorsitzende der Frakti- des Landtages für die Zukunft vorberei- on GRÜNE / B90 Axel Vogel hob hervor, tet würden. dass die Enquetekommission ein ge- meinsames Projekt aller Fraktionen sei. Wie Herr Goetz möchte er wissen, wie man all die Menschen erreichen könne, die sich überhaupt nicht mehr an dem Thema Demokratie beteiligen. Dieter Dombrowski von der Frakti- on der CDU geht es nicht darum, festzu- stellen, wer Recht habe, sondern darum, zu dokumentieren, was in der Wende- zeit in Brandenburg passiert sei, was die Menschen in 20 Jahren gestaltet haben und wie die Lebenswege verlaufen sei- en. Der Fraktionsvorsitzenden der Frak- tion DIE LINKE Kerstin Kaiser ist es wichtig, dass es nicht um Sieg oder Niederlage gehe und dass nicht der Ef-

124 Rück- und Ausblicke Anwesenheitsliste.

6. Verstorbene Abgeordnete

Lutz Thormann (BÜNDNIS 90) Dr. Klaus-Dietrich Krüger (SPD) 0 6 . 1 1 . 1 9 9 2 06. 10. 2005 Prof. Dr. Michael Schumann (PDS) Christian Otto (PDS) 02. 12. 2000 0 4 . 0 8 . 2 0 0 6 Dr. Fritz Grunert (SPD) Petra Faderl (PDS) 10. 10. 2001 0 2 . 0 5 . 2 0 0 7 Dr. Regine Hildebrandt (SPD) Joachim Franck (SPD) 26. 11. 2001 07. 10. 2008 Rosemarie Fuchs (fraktionslos) Klaus Häßler (CDU) 2 6 . 0 8 . 2 0 0 2 06. 11. 2008 Klaus John (PDS) Dr. Peter Wagner (CDU) 24. 01. 2003 25. 01. 2009 Werner Firneburg (DVU) Siegmar-Peter Schuldt (DVU) 12 . 0 3 . 2 0 0 3 2 3 . 0 8 . 2 0 0 9 Joachim Kolbe (SPD) Helmut Köhler (SPD) 18 . 0 3 . 2 0 0 3 14. 09. 2009 Reinhilde Schildhauer-Gaffrey (SPD) Klaus Bochow (SPD) 18. 07. 2003 0 7. 0 1. 2 0 10

Rück- und Ausblicke 125 126 Rück- und Ausblicke Literatur- und Quellenverzeichnis

Adamy, Kurt/Hübener, Kristina (Hrsg.): Geschichte der Brandenburgischen Landtage: Von den Anfängen 1823 bis in die Gegenwart. Potsdam 1999. Kleine Geschichte des Brandenburger Landtages. Potsdam 1999.

Beck, Friedrich/Görtemaker, Manfred/Hübener, Kristina/Neitmann, Klaus (Hrsg.): Brandenburg. Neues altes Land. Geschichte und Gegenwart. Berlin 2010 (Erscheint nach Redaktionsschluss).

Bisky, Lothar: Der „Brandenburger Weg“. Ansprüche, Realitäten, Sackgassen und Einbahnstra- ßen. Herausgegeben von der PDS-Fraktion im Landtag Brandenburg. Potsdam 1999.

Bluhm, Katrin/Schüler, Peter: Fraktion BÜNDNIS 90 / Bündnis. Ein Tagebuch aus Brandenburg. Münster 1996.

Broszat, Martin/Weber, Hermann (Hrsg.): SBZ – Handbuch. Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisati- onen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945 – 1949. 2. Aufl., München 1993.

Büchner, Christiane/Franzke, Jochen: Das Land Brandenburg. Kleine politische Landeskunde. Herausgegeben von der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung. 4. Auflage, Potsdam 2005.

Drucksachen des Landtages Brandenburg, abrufbar unter www.parldok.brandenburg.de.

Literatur 127 v. Gersdorff, Andrea/Lorenz; Astrid: Neuanfang in Brandenburg. Herausgegeben von der Brandenburgischen Landes- zentrale für politische Bildung. Potsdam 2010.

Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg (GVBl.), erscheint seit 1992 in zwei Teilen, Teil I – Gesetze.

Holzapfel, Klaus-J. (Hrsg.): Landtag Brandenburg, 1. Wahlperiode 1990 -1990. Volkshandbuch. 3. durchgese- hene Auflage, Stand: Dezember 1993, Rheinbreitbach 1993.

Landtag Brandenburg (Hrsg.): Der brandenburgische Landtag. Festschrift zur 50. Wiederkehr seiner Konstituie- rung. Schriftenreihe des Landtages Brandenburg, Heft 3/1996, Potsdam 1996.

Lieber, Hasso/Iwers, Steffen Johann/Ernst, Martina: Verfassung des Landes Brandenburg. (Loseblatt-)Kommentar. Wiesbaden 2003. Letzte Ergänzungslieferung Februar 2008.

Lieber, Hasso/Rautenberg, Erardo Cristoforo: Wider das herrschende Immunitätsrecht! Eine Entgegnung und ein Beitrag zum zehnjährigen Bestehen der Verfassung des Landes Brandenburg, Deutsche Rich- terzeitung 2003, 56 ff.

Materna, Ingo/Ribbe, Wolfgang: Brandenburgische Geschichte. Berlin 1995.

Plenarprotokolle des Landtages Brandenburg, abrufbar unter www.parldok.brandenburg.de.

Präsident des Landtages Brandenburg (Hrsg.): Handbuch des Landtages des Landes Brandenburg, herausgegeben zur Eröff- nung des Landtagsgebäudes in Potsdam Saarmunder Straße 23 am 9. September 1947. Potsdam 1947.

Landtag Brandenburg, 3. Wahlperiode 1999 – 2004, Namen – Daten – Fakten, 2. Auflage, Stand: Juni 2000. Potsdam 2000. Landtag Brandenburg, 4. Wahlperiode 2004 – 2009, Namen – Daten – Fakten, 2. Auflage, Stand: Februar 2006. Potsdam 2006. Landtag Brandenburg, 5. Wahlperiode 2009 – 2014, Namen – Daten – Fakten, Stand: März 2010. Potsdam 2010.

128 Literatur Von der Kriegsschule zum Parlament. Historische Notizen zum Gebäudekomplex Am Havelblick 8. Schriften des Landtages Brandenburg, Heft 3/2000.

Schüttemeyer, Susanne S./Kolkmann, Michael/Lübker, Malte u. a.: Die Abgeordneten des Brandenburgischen Landtages: Alltag für die Bürger. Pots- dam 1999.

Verwaltung des Landtages Brandenburg (Hrsg.): Landtag Brandenburg, 2. Wahlperiode 1994 – 1999, 4. Aufl., Stand: Oktober 1997. Potsdam 1997.

Weber, Hermann: Geschichte der DDR. München 1999.

Literatur 129 130 Literatur Bildnachweis

Titel: Museumsstiftung Post und Telekommunikation, Archiv für Philatelie, Bonn; S. 5: Landtag Brandenburg; S. 9: Wolfgang Pehlemann; S. 10: Bundesarchiv B 145 Bild- P012380; S. 11: Landtag Brandenburg (Michael Utech); S. 13: Simone Diestel; S. 14: Landtag Brandenburg (Dietmar Horn); S. 15: Landtag Brandenburg (Stefan Gloede); S. 17: Brandenburgische Historische Kommission (Brandenburgisches Landeshaupt- archiv); S. 21: Landtag Brandenburg; S. 23: Bundesarchiv Bild 183-1990-1014-008; S. 26: Märkische Allgemeine Zeitung; S. 28: Staatskanzlei des Landes Brandenburg; S. 29: Simone Diestel; S. 30: Bundesarchiv Bild 183-1990-1218-014; S. 32: Land- tag Brandenburg; S. 35: Landtag Brandenburg (Dietmar Horn); S. 36: Landtag Bran- denburg (Dietmar Horn); S. 37: Simone Diestel; S. 43: Landtag Brandenburg; S. 49: Landtag Brandenburg; S. 50: Märkische Allgemeine Zeitung; S. 51: Märkische Allge- meine Zeitung; S. 52: Märkische Allgemeine Zeitung; S. 54: Landtag Brandenburg ­(Dietmar Horn); S. 55: Landtag Brandenburg (Dietmar Horn); S. 58: Landtag Bran- denburg ­(Stefan Gloede); S. 63: Landtag Brandenburg (Dietmar Horn); S. 64: Märki- sche Allgemeine Zeitung; S. 65: Landtag Brandenburg (Dietmar Horn); S. 66 oben: Landtag Brandenburg (Dietmar Horn); S. 66 unten links: Simone Diestel; S. 66 unten rechts: Landtag Brandenburg (Dietmar Horn); S. 77: Landtag Brandenburg ­(Simone ­Diestel); S. 79: Landtag Brandenburg (Simone Diestel); S. 80: Simone Diestel; S. 83: Landtag Brandenburg; S. 85: Landtag Brandenburg; S. 93 oben: Landtag Branden- burg ­(Stefan ­Gloede); S. 93 unten: Landtag Brandenburg; S. 96: Landtag Brandenburg ­(Stefan ­Gloede); S. 97 oben/unten: Landtag Brandenburg (Stefan Gloede); S. 99: Land- tag Brandenburg (Stefan Gloede); S. 101 links: Landtag Brandenburg (Dietmar Horn); S. 101 rechts: Simone­ Diestel; S. 102: Landtag Brandenburg; S. 112 links/rechts: Land- tag Brandenburg; S. 113 links/rechts: Privat; S. 114 links/rechts: Landtag Brandenburg; S. 115 links: Landtag Brandenburg; S. 115 rechts: Ministerium der Finanzen Branden- burg; S. 116 links/rechts: Landtag Brandenburg; S. 117/118: Privat; S. 119 links/rechts: Landtag Brandenburg; S. 120 links: Landtag Brandenburg; S. 120 rechts: Privat; S. 121 links/rechts: Landtag Brandenburg; S. 125: Landtag Brandenburg; Rückseite: Märki- sche Allgemeine Zeitung (Bernd Gartenschläger).

Bildnachweis 131 132 Bildnachweis

Foto: MAZ/Bernd Gartenschläger.

Mein Bild des Jahres

In der Baugrube klingen die Gläser Ein kleiner Schluck an einem großen Tag

von Volkmar Krause

Weder Grundsteinlegung noch Richtfest konnte gefeiert werden, als sich ein paar So- zialdemokraten Ende Juni in einer staubigen Baugrube in Potsdam trafen, um mit ei- nem edlen Tropfen anzustoßen. Man mag die vordergründige Inszenierung des Pres- seauftritts absonderlich finden, immerhin musste Landtagspräsident Fritsch die verbuddelte Kiste mit dem Wein per Spaten ausgraben, als sei er einem Restbestand aus dem Weinkeller der Hohenzollern auf die Spur gekommen. Abgesehen von der Show kann das feucht-fröhliche Treffen auf den von Archäologen freigelegten Funda- menten des früheren Potsdamer Stadtschlosses aber als ein wichtiger Meilenstein in der Stadtgeschichte bezeichnet werden. Damit stand der Fahrplan zum Wiederaufbau des im Krieg zerstörten und 1961 auf Befehl von Walter Ulbricht abgetragenen Stadt- schlosses unverrückbar fest. Potsdam bekommt bis 2012 seine historische Mitte zu- rück und Brandenburg einen würdevollen Sitz seines Parlaments.

Erschienen in der Ausgabe der Märkischen Allgemeinen Zeitung vom 31. 12. 2009, S. 5.