Katharina FELDER

Am Zahn der Zeit

Ein Portrait des Komponisten Gerald Futscher und seiner Kammeroper „La scuola degli amanti“

DIPLOMARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades Magistra artium

Instrumentalstudium Fagott

Institut für Analyse, Theorie und Geschichte der Musik

Universität für Musik und darstellende Kunst Wien

Betreuer: Dr. Manfred Permoser

Wien, 2014

2

Selige Sehnsucht

Sagt es niemand, nur den Weisen, Weil die Menge gleich verhöhnet, Das Lebend'ge will ich preisen, Das nach Flammentod sich sehnet.

In der Liebesnächte Kühlung, Die dich zeugte, wo du zeugtest, Überfällt dich fremde Fühlung Wenn die stille Kerze leuchtet.

Nicht mehr bleibest du umfangen In der Finsternis Beschattung, Und dich reißet neu Verlangen Auf zu höherer Begattung.

Keine Ferne macht dich schwierig, Kommst geflogen und gebannt, Und zuletzt, des Lichts begierig, Bist du Schmetterling verbrannt,

Und so lang du das nicht hast, Dieses: Stirb und werde! Bist du nur ein trüber Gast Auf der dunklen Erde.

Johann Wolfgang von Goethe

3 Inhaltsverzeichnis

VORWORT 6

EINLEITUNG: AM ZAHN DER ZEIT 8

GERALD FUTSCHER – EIN PORTRAIT 12

DIE SZENE DER ZEITGENÖSSISCHEN MUSIK IN VORARLBERG 18

Das enfant terrible der Vorarlberger Komponistenszene 21

„Die wallfahrenden Konsensheinis waten bis zum Hals im Morast, nur das Auge ist himmelwärts gerichtet“ 22

„Ich find’s zum kotzen“ 23

„Kannst du mir den Takt vorsingen?“ 26

„Das halte ich nicht aus. Ich könnte meine Musik nicht anhören.“ 28

„Das ist gewissermaßen ein entkerntes Früchtchen“ 29

„Snobismus ist mir zutiefst zuwider“ 30

„ICH KANN JA NICHTS DAFÜR, WENN DIE ANDEREN HUMORLOS SIND“ 32

„Dem Flötisten sind die Eier um die Ohren geflogen – das war ein Traum!“ 32

„Da hör’ ich dann nur ein Kratzen und ein Schaben – wunderschöne Sachen.“ 42

„Wenn ich eine Badewanne höre, kann ich auf die ganze westliche Musiktradition verzichten.“ 45

„Musik ist auch Körper.“ 48

„Ich habe mich überhaupt nicht von Lachenmann inspirieren lassen. Der arbeitet einfach ganz ähnlich wie ich.“ 49

„Ich komponiere ja viel schöner als die Alten.“ 51

„Ein Instrument so zu benützen wie andere, ist nicht neu.“ 51

INTERMEZZO: DEM VOLK AUFS MAUL GESCHAUT 53

LA SCUOLA DEGLI AMANTI – EINE KAMMEROPER 54

Das „Attentat auf das Operngenre“ – Futscher und die Gattung aller Gattungen 54

Vom Konzept zum Torso 56

4 Die Kompositionstechnik 59 1. Die Ursprungsreihe 60 2. Der Rhythmus 61 3. Der Kontrapunkt 62

Die Klangwelt der Oper 64 Das Orchester 64 Die Stimmen 65 Der Chor 67 Die Handlung 71

La scuola degli amanti - der Inhalt 72

EXKURS: MOZART UND COSÌ FAN TUTTE – EIN BLICK AUF ZEITGENÖSSISCHE KONTROVERSEN EINER VERGANGENEN ZEIT 74

Rezeption der Così fan tutte 75

Cosí fan tutte - eine opera buffa? 76

DAS ORALE UND DIE EROTIK DES SCHMERZES 81

Das Tor zur Hölle 81

Der Topos des Zahnarztes 84 Die Schule der Liebenden - Die Erotik des Schmerzes 86 Don Alfonso, der stumme Zahnarzt 87

Das ambivalente Lachen und der Wahnsinn 89

Die postmoderne Groteske 92

„MEIN ZIEL: ICH HÖRE AUF UND KOMPONIERE NUR NOCH HEIMLICH!“ 95

ANSTATT EINES NACHWORTS 99

LITERATURVERZEICHNIS 100

ANHANG 110

Libretto von La scuola degli amanti 110

Werkliste von Gerald Futscher 112

5 Vorwort

Meine erste Begegnung mit Gerald Futscher war im Frühjahr 2003 als ich in einem speziell für den Anlass gegründeten Ensemble für Neue Musik der Musikschule Bregenz ein Auftragswerk von ihm beim Bundeswettbewerb Prima la Musica aufführte. Es war das erste Mal, dass ich einen herausgesägten Klaviertorso zu Gesicht bekam und ich kann mich gut erinnern, wie sehr ich die Schlagwerker beneidete, die das ganze Stück über mit Handmixern, Eiern und anderen Gerätschaften hantieren durften. Unvergesslich bleibt mir auch die Situationskomik, als wir Teenager bei den Studioaufnahmen im ORF Landesstudio Dornbirn vor dem Aufnahmebeginn noch die nächstgelegene Tankstelle suchen mussten, um Kondome zu besorgen, in die die Mikrofone für die Unterwasseraufnahmen im Aquarium gepackt werden sollten. Es sind hauptsächlich skurrile Erinnerungen, auch an die Diskussionen zwischen Musiklehrern und dem Komponisten, ob seine „Einfälle“ überhaupt realisierbar wären. Sai che minestra c’è stasera gewann damals den ersten Preis beim Wettbewerb und schnell gerieten Widerstände und Probleme in Vergessenheit. Zehn Jahre später wurde ich durch Zufall zum ensemble plus dazugeholt um Gerald Futschers Kammeroper La scuola degli amanti bei einem Festival im ORF Landesstudio Dornbirn uraufzuführen. Mit Erstaunen stellte ich dabei fest, dass sich die Aufführungssituation nicht verändert hat und dass Gerald Futschers Klangwelt noch immer als eine Art Kuriositätenkabinett betrachtet wird. Dieser Umstand weckte meine Neugier an diesem Komponisten, seinem Umfeld und seinem Ideenspektrum. Vor allem wollte ich herausfinden, worin eigentlich die Provokation besteht, die Futscher oft bei seiner Zuhörerschaft und auch den Musikern scheinbar unbewusst hervorruft. Es galt einem Gedanken F. Schillers auf den Grund zu gehen:

„Sieht nicht oft genug der gemeine Haufen da die hässlichste Verwirrung, wo der denkende Geist gerade die höchste Ordnung bewundert?“1

Es wird zu zeigen sein, worin die hässliche Verwirrung in Futschers Werk bestehen könnte, und es bleibt zu hinterfragen, ob Gerald Futscher – hier als denkender Geist

1 Schiller, Friedrich: „Über den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen“, in: Ders., Theoretische Schriften. Berlin: Edition Holzinger 2013, S. 84-95, s. 93. 6 proklamiert – für sich die romantische Kategorie der „höchsten Ordnung“ überhaupt beanspruchen lassen wollen würde. Was den „gemeinen Haufen“ betrifft, findet Heinz-Klaus Metzger wunderbare Worte für das harmoniesüchtige Konzertpublikum, das in unserer oberflächlich so geglätteten Gesellschaft dort die Provokation verortet, wo eigentlich das Potential zum Wachstum verborgen liegt:

„Da sollen die auf ihre Fortschrittlichkeit sich etwas zugute haltenden industriellen Manager und Technokraten doch endgültig den Schwanz einziehen und die Fotze zumachen, die es dahin gebracht haben, dass sie im Zeitalter der interstellaren Navigation, der elektronisierten Informatik und der unbeherrschbaren chemischen und radioaktiven Effekte nicht einmal mit der Scheiße der Menschen mehr fertig werden, von deren Ablüften, Abwärmen und Abwässern zu schweigen, die das Leben auf diesem Planeten zunehmend verkorksen und dann abmurksen.“2

Die für diese Arbeit angewandte Methodenvielfalt reicht von rezeptionshistorischen, musikästhetischen und analytischen Recherchen bis zur Einbeziehung von soziologischen, psychologischen, literaturhistorischen und philosophischen Aspekten und spiegelt somit die enorme künstlerische Bandbreite, die Futschers Arbeit ausmacht.

Zum Schluss bleibt mir noch die Freude mich bei jenen Menschen zu bedanken, die mir diese Arbeit ermöglicht haben, zuerst natürlich beim Komponisten Gerald Futscher, der mir durch seine hilfsbereite, unkomplizierte und offene Art einen umfangreichen Einblick in sein Schaffen gewährte. Weiters geht auch großer Dank an Silvia Thurner für anregende Hintergrundinformationen und Lesekorrekturen, sowie an die Vorarlberger Landesbibliothek für die Bereitstellung der Literatur und Mikrofilme. Ebenfalls danke ich meinem Betreuer Dr. Manfred Permoser für die umfassende Handlungsfreiheit und bestimmt nicht zuletzt meinen Eltern, die mir dieses Studium und somit auch diese Diplomarbeit erst überhaupt ermöglicht haben.

2 Metzger, Heinz-Klaus: „Die integre Desintegration“, in: Metzger, Heinz-Klaus: Die freigelassene Musik. Schriften zu John Cage (Hrsg. Rainer Riehn u. Florian Neuner), Wien: Klever Verlag 2012, S. 106-112, S. 107. 7 Einleitung: Am Zahn der Zeit

Der sprichwörtliche Zahn der Zeit nagt an allem und jedem – er führt zum Verfall des menschlichen Körpers, aber vor allem auch zum Verfall jener Bau- und Kunstwerke, die der Mensch mit seiner überragenden Fähigkeit zur Kreativität eigentlich für die Ewigkeit geschaffen hat. Letztlich bleibt nichts und niemand verschont, das Alte muss dem Neuen Platz machen, wodurch Erneuerung erst möglich wird und das Prinzip des Lebens seine Erfüllung findet. Die Vorstellung der in einem alles zermalmenden Gebiss personifizierten Zeit, die in einem Akt der Gewalt das Alte gegen seinen Existenzwillen erbarmungslos vernichtet, ermöglicht die grotesk-assoziative Übersetzung zur Rolle, die der zeitgenössischen Musik im 20. Jahrhundert zufiel. Beinahe prophetisch für das kommende von Krisen und großen Umbrüchen geschüttelte Jahrhundert, verfasste Rainer Maria Rilke 1908 das Gedicht vom Archaischen Torso Apollos:3

Wir kannten nicht sein unerhörtes Haupt darin die Augenäpfel reiften. Aber sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber, in dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt,

sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug der Brust dich blenden, und im leisen Drehen der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen zu jener Mitte, die die Zeugung trug.

Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz unter der Schultern durchsichtigem Sturz und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle;

und bräche nicht aus allen seinen Rändern aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht. Du musst dein Leben ändern.

3 Sloterdijk, Peter: Du musst dein Leben ändern. Über Anthropotechnik. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2009, S. 40. 8 Der Rilksche Torso ist auch hundert Jahre später noch Träger einer neu empfundenen Definition von Gestaltganzheit, die vom Prinzip der Naturnachahmung – der Nachahmung des Bekannten und Abgeschlossenen – befreit ist und die in allen Kunstbereichen einst die Wende zur Moderne einläutete.4 Im Bereich der Musikszene ist die Moderne bis heute noch nicht heimisch geworden, bewegt sich als Randsparte durch die Konzertsäle und Kleinveranstaltungen. Die mühsame Ästhetikdiskussion dauert bis zum heutigen Tag an – was nicht zuletzt mit fehlender Radikalität in der Distanzierung zur überlieferten Musiktradition in den allerersten Anfängen zu tun haben mag. So versuchte Schönberg die Atonalität als Weiterentwicklung des tonalen Systems zu legitimieren, womit er aber nur erreichte, dass er seinem eigenen künstlerischen Schaffen und dem der nachfolgenden Generationen Knüppel zwischen die Beine warf.5 Das Gebaren der Komponisten, vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, mutet wie ein Versuch zum Befreiungsschlag an, dem nicht weniger Aggression innewohnt als dem übergeschichtlichen Zahn der Zeit, der allerdings jeglichem Legitimationsbedarf enthoben ist.

„Nun kommen die Torsi und ihresgleichen zum Zug, es schlägt die Stunde der Formen, die an nichts erinnern. Die Bruchstücke, die Krüppel, die Hybride bringen etwas zur Aussprache, was die gewöhnlichen Ganzformen und die glücklichen Integritäten nicht mehr zu übermitteln imstande sind. Intensität schlägt Standardperfektion.“6

Gerald Futscher steht mit beiden Beinen auf diesem Schlachtfeld der Formen und Gestalten und ist – mit dem Zahn der Zeit bewaffnet - stets auf der Suche nach den Möglichkeiten eines neuen Ansatzes, Klanges und Geräusches.

In dieser Arbeit sollen sein Weg nachverfolgt und dabei auftretende universale Problemstellungen im Bereich der zeitgenössischen Musik angesprochen werden. Ein besonderes Augenmerk wird dem spezifischen Umfeld Gerald Futschers, der Musikszene in Vorarlberg, gewidmet. Anhand einer exemplarischen Auswahl werden

4 Sloterdijk 2009, S. 41. 5 Vgl. Schmidt, Matthias: Schönberg und Mozart. Aspekte einer Rezeptionsgeschichte. Wien: Lafite 2004. 6 Sloterdijk 2009, S. 41f. 9 Werke von ihm vorgestellt, um seine künstlerische Bandbreite zu vermitteln, und im für Futschers Arbeitsweise sehr prägnanten Abschnitt des Geräusches kommt es neben einer kurzen theoretischen Diskussion auch zur Begegnung mit Helmut Lachenmann und der musique concrète instrumentale, womit der historische Anknüpfungspunkt bzw. die Parallele zur Geistesentwicklung im internationalen Bereich der zeitgenössischen Musik gegeben ist.

Den zweiten Schwerpunkt dieser Arbeit bildet die Auseinandersetzung mit Gerald Futschers neuer Kammeroper La scuola degli amanti. Zunächst wird der Kontext, das bisherige Opernschaffen Futschers, beleuchtet um dann die Entwicklung der Kammeroper hin zu ihrer (teilweisen) Erstaufführung darzustellen und an diesem konkreten und aktuellen Beispiel den pathologischen Zustand der Aufführungspraxis in der zeitgenössischen Musik aufzuzeigen. Ebenfalls exemplarisch werden im Darauffolgenden die Kompositionstechnik Gerald Futschers, sowie Inhalt und Gestaltung der Kammeroper vorgestellt. Ein Exkurs führt dann in das historische Umfeld von Mozart zur Zeit der Entstehung von Così fan tutte, wodurch ganz erstaunliche Parallelen zur aktuellen gesellschaftlichen Rezeptions- problematik und thematisch zu La scuola degli amanti offengelegt werden. Das abschließende Kapitel ist der Körper- und Gesellschaftskonzeption der Groteske gewidmet, die als Interpretationsschlüssel nicht nur der Kammeroper, sondern des gesamten Werks Gerald Futschers, dienen und darüber hinaus interessante soziokulturelle Hintergrundinformationen liefern kann. Als Basis wird hierfür Michail Bachtins Theorie des grotesken Realismus herangezogen, 7 deren Ansätze auch unabhängig von ihrer Entstehungszeit unter dem repressiven Stalinregime betrachtet werden können8 und dadurch nicht ihre Gültigkeit einbüßen.

Das groteske Motiv des offenen Rachens, das die Kammeroper beherrscht, präsentiert den Zahn der Zeit auf dem Tablett und die grotesken taumelnden Körper aus vorneuzeitlichen Gefilden finden ihre Wiedergeburt in den unfertigen Torsi unserer Zeit, so z.B. der Kammeroper Gerald Futschers.

7 Bachtin, Michail: Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1987. 8 Kandinskaia, Natalia: Postmoderne Groteske – groteske Postmoderne? Eine Analyse von vier Inszenierungen des Gegenwartstheaters. Berlin: LIT Verlag 2012, S. 22f. 10 „Dies macht die volkstümlich-festlichen Motive zu einem geschmeidigen Werkzeug in der künstlerischen Bewältigung der Wirklichkeit, zum Garanten eines fundierten Realismus. Diese Motive vermitteln nicht die Beherrschung einer naturalistischen, flüchtigen, leeren, sinnlosen und zersplitterten Vorstellung von der Wirklichkeit, sondern sie helfen, den Prozess der Entstehung dieser Wirklichkeit, den Sinn und die Richtung dieses Prozesses zu erfassen. Das macht die Universalität und ihren nüchternen Optimismus aus.“9

Dass die groteske Motivik und Konzeption nicht mehr zum vordergründigen Interpretationswerkzeug unserer Gesellschaft gehört, zeigen unter anderem verständnislose Kritiken, die Gerald Futschers Werken widerfahren, wie z.B. zu einem Portraitkonzert des Komponisten in Dornbirn 2004, wo die Legitimation von „abartigem Verhalten“ auf der Bühne diskutiert wird:

„Öffnet das Kunstwerk den Blick, zeigt es Missstände auf? Oder reizt es zum Lachen, wie an diesem Abend einige Male? Jeder und Jede muss das für sich beantworten.“10

Diese Fragestellung wird besonders im letzten Kapitel diskutiert werden, mag aber den Leser als roter Faden die gesamte Arbeit hindurch begleiten. Die Verfasserin nimmt an dieser Stelle gerne ihre persönliche Antwort vorweg: die Lösung ist in jenem ambivalenten Lachen zu finden, das uns die obige Entscheidung vollständig abnimmt, indem es die ernsthafte Heiterkeit, die auch ein unmittelbarer Wesenszug des Komponisten ist, in sich vereint. Und Nikolaus Harnoncourt schließt sich dieser Haltung aus einem etwas anderen Blickwinkel an: „Der Mensch als Verstandeswesen ist völlig ausgereizt. Mit dem Verstand kommt man weder moralisch noch emotional weiter. Mit dem Verstand allein kann man ein wunderbarer Mörder werden, aber niemals ein wirklicher Künstler.“11

9 Bachtin 1987, S. 252. 10 Mika, Anna: „Gerald Futscher: Sehr aufreizend & provokant“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (14.03.2004), S. 77. 11 Harnoncourt, Nikolaus: „’Götterdämmerung’ der Kunst?“ (1993), in: Harnoncourt, Nikolaus: Mozart-Dialoge. Gedanken zur Gegenwart der Musik (hrsg. von Johanna Fürstauer), St. Pölten, Salzburg: Residenz Verlag 2005. S. 47-53, S. 53. 11 Gerald Futscher – ein Portrait

„Es war ein sehr kunstliebender Haushalt“12

Gerald Futscher wurde am 27. Jänner 1962 in Feldkirch geboren. Sein Vater war Jurist und seine Mutter Hausfrau.13 Prägend für seine Kindheit und Jugend war sicherlich die große Eingebundenheit in das öffentliche Leben der Stadt Feldkirch und die Musikerszene allgemein durch die vielen Positionen, die sein Vater selbst neben seinem Hauptberuf in der Wirtschaftskammer innehatte:14 So war Dr. Helmut Futscher nicht nur zehn Jahre lang Vizebürgermeister von Feldkirch, sondern setzte vor allem als Kulturreferent bedeutende Impulse in der Musikszene u.a. mit der Gesellschaft der Musikfreunde, dem Musikkreis und dem „Forum zeitgenössischer Musik“.15

Für Gerald Futscher war das in den 70er und 80er Jahren eine durchaus einzigartige Möglichkeit unterschiedlichste aktuelle Musik zu hören und mit international aufstrebenden Komponisten und Musikern dieser Zeit in Kontakt zu kommen, die sich im Hause Futscher in gemütlicher Atmosphäre zu treffen pflegten. Aber er musste auch die Kehrseite der politischen und kulturellen Öffentlichkeit erleben, so widersetzt sich Gerald Futscher bis heute jedwedem aufgesetzten „Schein nach außen“ und nimmt sich aus innerer Überzeugung kein Blatt vor den Mund.16

Mütterlicherseits liegen die Wurzeln in Ostösterreich, wodurch er als Kind keinen richtigen Vorarlberger Dialekt sprach. Allein diese Tatsache reichte für ihn völlig aus

12 Zitat aus einem Interview in der Sendung Kultur nach 6, Radio V (Ö2), 15.05.2009, 18:05 bis 19:00 Uhr. 13 Oss, Simon: Gerold Amann – Gerald Futscher. „Flüchtig hingemachte Männer“, Diplomarbeit für die Lehramtsprüfung für Hauptschulen an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Vorarlberg 2001, S. 30. 14 Futscher, Gerald: persönliches Interview geführt von Katharina Felder, Audioaufnahme, Götzis, 19.11.2013. 15 aus: Feldkirch aktuell/02.2002, S. 44 (im Internet: http://www.feldkirch.at/rathaus/archiv/dateien/die-feldkircher-stadttore.pdf letzter Zugriff 24.01.2014) 16 Interview Futscher/Felder 19.11.2013: „Da gehe ich lieber auf die Straße und lasse die Hosen runter. Das finde ich weniger schlimm.“ 12 um in der Schule eher als Außenseiter wahrgenommen zu werden. Futscher sieht das im Nachhinein allerdings als Vorteil, da die Situation ihn dazu zwang andere Strategien zu finden – was er als Förderung seiner Kreativität interpretiert.17

Die „biologische Nische“18

Neben dem Bundesgymnasium in Feldkirch studierte Gerald Futscher Klavier und Fagott am Vorarlberger Landeskonservatorium und besuchte als außerordentlicher Hörer Harmonielehre und Kontrapunkt bei Robert Nessler, später auch Komposition.19 Während Gerald sich in die Musik vertiefte, verschrieb sich sein um zwei Jahre älterer Bruder Christian Futscher der Literatur20 – somit hatten die Brüder ihr jeweils eigenes Revier in Jugendzeiten gefunden.21

„Die unsterbliche Seele ist im wirklichen Körper immer unglücklich“22

Nach der Reifeprüfung und dem verpflichtenden Wehrdienst bei der Militärmusik Vorarlberg, studierte Gerald Futscher zunächst drei Semester Philosophie in Salzburg. Auch diese Zeit wirkte sich sehr stark auf sein späteres individuelles kompositorisches Schaffen aus, so weist ein Großteil seiner Werke philosophische, literarische oder soziologische Bezüge oder Grundlagen auf.23

17 Futscher, Gerald: persönliches Interview geführt von Katharina Felder, Audio- aufnahme, Götzis, 16.11.2013: „Jeder, der fremd ist, muss stolz darauf sein.“ 18 Aus einem Interview in Kultur nach 6, Radio V (Ö2), 03.03.2005, 18:05 bis 19:00 Uhr. 19 „Das hat mir Spaß gemacht und ich war ziemlich flott unterwegs.“ Futscher Gerald: persönliches Interview geführt von Katharina Felder, Audioaufnahme, Götzis, 16.01.2014. 20 Christian Futscher ist seiner Kunst auch treu geblieben: http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Futscher (letzter Zugriff 24.01.2014) 21 Kultur nach 6, Radio V (Ö2), 03.03.2005, 18:05 bis 19:00 Uhr. 22 Futscher zitiert den Philosophen Marsilio Ficino in: „Neue Musik einmal ohne Gekrieche“ in: Vorarlberger Nachrichten (14.06.2007), D4. 23 Thurner, Silvia: „’Und wollte ich doch etwas Kunst in die ‚Musi’ hineindrödeln, ist das sicher ein ‚Schaass mit Quasteln’’“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 19/Nr. 2 (3/2004), S. 26-27, S. 26. 13 „Für mich gibt es keine gerade Linie, das ist mir zu klassisch“24

Futscher bezieht sich in obigem Zitat zwar eher auf eine kompositorische Maxime – und hält es damit im interdisziplinären Sinn mit Hundertwasser25 -, zugleich ist es jedoch auch Ausdruck einer Lebenshaltung. Es zog Gerald Futscher also bald zurück nach Vorarlberg, wo er 1985 am Landeskonservatorium die Lehrbefähigung für Klavier absolvierte, das Bösendorfer-Stipendium erhielt und kurzzeitig bei Gerold Amann das Fach Komposition belegte.26 Bei ihm lernte er das genaue Hinhören27 – eine durchaus entscheidende Fähigkeit für das theoretisch alles umfassende Klangspektrum der Neuen Musik.

Einige Jahre verbrachte er dann als Musiklehrer, Musiker und wiederum Philosophiestudent in Wien. Gerold Amann gab ihm als Empfehlung mit auf den Weg, seinen Kompositionsstil besser autonom und im Selbststudium weiter zu entwickeln, woraufhin Futscher in Wien keine Kompositionsklassen mehr belegte.28

1995 bekam er den Förderungspreis der Theodor-Körner-Stiftung und 1996 ließ er sich in Götzis, Vorarlberg, nieder. Weitere Auszeichnungen folgten: 1998 das Kompositionsstipendium des Landes Vorarlberg, 2007 und 2013 das Staatsstipendium und 2011 die Ehrengabe des Landes Vorarlberg.29

24 Thurner, Silvia: „’Liebst du mich denn nur aus Langeweile?’ Der Kosmos des Komponisten Gerald Futscher“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 27/Nr. 3 (2012), S. 40-41, S. 40. 25 „Die gerade Linie ist gottlos und unmoralisch. Die gerade Linie ist keine schöpferische, sondern eine reproduktive Linie. In ihr wohnt weniger Gott und menschlicher Geist als vielmehr die bequemheitslüsterne, gehirnlose Massenameise.“ Aus: Hundertwasser: Verschimmlungsmanifest gegen den Rationalismus in der Architektur. (im Internet: http://www.hundertwasser.at/deutsch/texte/philo_verschimmelungsmanifest.php letzter Zugriff 24.01.2014) 26 Oss 2001, S. 30. 27 Interview Futscher/Felder 19.11.2013. 28 Oss 2001, S. 32. Und Interview Futscher/Felder 16.01.2014: „Ich habs dann hinterher oft bereut. Ich musste ja das Rad selber neu erfinden.“ 29 Im Internet: http://www.musikdokumentation-vorarlberg.at/gefumain.htm (letzter Zugriff 05.02.2014) 14 Das „autarke System“

Seit 1996 lebt Gerald Futscher nun in Götzis. Er ist verheiratet, hat fünf Kinder und unterrichtet Klavier, Komposition und Gehörbildung an der Musikschule Dornbirn.30 Seine Frau führt die sich im selben Haus befindende Apotheke und in früheren Interviews bezeichnete sich Gerald Futscher in diesem Zusammenhang auch gerne mit Stolz als Hausmann31, was einerseits ein Spiel mit traditionellen Begriffen ist, andererseits jedoch seinen zeitlichen und emotionalen Einsatz für seine Familie zum Ausdruck bringt, die er als autarkes System innerhalb des größeren sozialen Gefüges sieht. Dass die Nachbarn sich nicht erklären können, womit er den Tag verbringt, und Futscher mit einem Augenzwinkern sagt, dass seine Kinder sicherlich denken würden, ‚er hätte sie nicht alle’, ist dabei ein wohl weitverbreitetes Phänomen des künstlerischen Berufsstandes.32

„Ich gebe meinen Klavierschülern Platondialoge zu lesen“33

Der Klavierunterricht ist ein wesentlicher Bestandteil in Gerald Futschers Arbeitsalltag – komponiert wird da häufig eher nachts im Atelier.34 Dass Musik- unterricht einen grundlegenden Bildungsauftrag am Menschen umfasst, versucht Futscher dabei seinen Schülern ebenso zu vermitteln:

„Die Schulen machen nur noch Berufsausbildung, sie arbeiten nur noch der Wirtschaft zu. Das hat mit Bildung nichts zu tun.“35

Beispielsweise auch Harnoncourt prangert die Fehlentwicklungen der Bildungs- politik bereits zwanzig Jahre früher an:

30 Kultur nach 6, Radio V (Ö2), 15.05.2009, 18:05 bis 19:00 Uhr. 31 Oss 2001, S. 31. 32 Interview Futscher/Felder 16.11.2013. 33 Interview Futscher/Felder 19.11.2013. 34 Interview Futscher/Felder 16.11.2013: „Ich habe ein tolles Atelier, da fühle ich mich wohl. Ich kann herumsauen wie ich will, das ist ok, das ist meine Freiheit.“ 35 Interview Futscher/Felder 19.11.2013. 15 „Die wirklich elementare Bedeutung der Kunst für den Menschen wird heute überhaupt nicht mehr verstanden. Kunst bringt keine Wählerstimmen, und deshalb nimmt das alles von den Verantwortlichen auch keiner mehr wirklich wichtig.36 (...) Man verlangt vom Menschen, der eigentlich ein phantastisch breites Denken hätte, simple Logik. Und wenn er die nicht bringt, hat er keine Chance.37 (...) Wir entwickeln uns auf das dekultivierte Nützlichkeitswesen hin, das schließlich nicht einmal mehr fähig sein wird, die Grausamkeit, Unmenschlichkeit und letzte Unnützheit seiner vernünftigen Aktionen zu verstehen. Die Vernunft hat kein Herz, ohne Musik ist der Mensch kein Mensch.“38

Besonders der Bereich der zeitgenössischen Musik sieht sich einer gesellschafts- politischen Marginalisierung ausgesetzt. Futscher:

„Es klafft eine riesige Lücke zwischen den Arbeiten der Künstler und dem Verständnis der Bevölkerung, weil die moderne Kunst und Musik den Leuten vorenthalten wird. Es gibt ja keine Neue Musik mehr, beispielsweise in Ö1.“39

Äußerst radikal formuliert, trifft Futschers Wahrnehmung doch den Nerv der Zeit, schließlich können Vorurteile und Widerstände, die besonders der zeitgenössischen Musik entgegengebracht werden, nur durch entsprechende Bildung und Erziehung abgebaut werden.40 So erschreckt Futscher vor allen Dingen das Postulat, wie es etwa Alessandro Baricco vertritt, dass die kompositorische Entwicklung der Moderne, die ja u.a. auch mit technischen und gesellschaftlichen Errungenschaften Hand in Hand ging, eine Fehlentwicklung gewesen sei:

36 Harnoncourt, Nikolaus: „’Götterdämmerung’ der Kunst?“ (1993), in: Harnoncourt, Nikolaus: Mozart-Dialoge. Gedanken zur Gegenwart der Musik (hrsg. von Johanna Fürstauer), St. Pölten, Salzburg: Residenz Verlag 2005. S. 47-53, S. 49. 37 Harnoncourt, Nikolaus: „Zeitlose Kunst – kunstlose Zeit?“ (1992), in: Harnoncourt 2005. S. 70-91, S. 73. 38 Harnoncourt, Nikolaus: „Mozart und die Werkzeuge des Affen“, in: Harnoncourt 2005. S. 111-117, S. 117. 39 Thurner, Silvia: „’Gegen die Ansammlung verblödeter Vorurteile’. Gerald Futschers kompositorische Denkwelt“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 15/Nr. 7 (9/2000), S. 30-32, S. 32. 40 Ebd. 16 „Der Bruch zwischen zeitgenössischer Musik und Publikum ist nicht mehr zu leugnen. Es hilft nichts, diese Tatsache zu verschweigen; genauso unsinnig ist es, ihn weiterhin als ein vorübergehendes gesellschaftliches und kulturelles Phänomen zu verkaufen, dessen Ursache eine allzu schnell vorwärts- preschende schöpferische Avantgarde und ein hinterherhinkendes Publikum seien.“41

Wenn Baricco zum Ergebnis kommt, dass die zeitgenössische Musik nicht eine intellektuelle und kulturelle Weiterentwicklung, sondern eher etwas weltfremd Entrücktes und die Entfernung der Klangwelt von der Tonalität ab 1908 mit Schönbergs Klavierstücke op. 11 der Irrweg eines theoretischen Konstrukts sei, und diese Behauptung dann mit der naturgegebenen Physiologie des menschlichen Ohrs zu rechtfertigen versucht,42 so drängt sich sogleich die Frage auf wie der Mensch je auf den Gedanken kam wider seiner Natur in Flugzeuge zu steigen.

Harnoncourt nähert sich der Problematik von einer anderen Seite:

„Dass die Kunst und das Leben – vielleicht beginnt das schon mit Luther – nicht mehr synchron miteinander sind, ist für mich ein Symptom dafür, dass etwas nicht in Ordnung ist. Früher hörte man die Musik, die soeben komponiert worden war. Wenn wir heute mehr Musik der Vergangenheit hören, so berührt das auch die Frage nach der Sprachlichkeit der Kunst. Alte Musik spricht ja die Sprache einer anderen Zeit.“43

So muss die Frage nach dem Sinn einer Kunst gestellt werden, die anscheinend nicht nur eine unbekannte Sprache spricht, sondern gleichzeitig auch die unglaubliche Innovationsfähigkeit des menschlichen Gehirns zu beleidigen scheint, indem sie ihm

41 Baricco, Alessandro: Hegels Seele oder die Kühe von Wisconsin. Nachdenken über Musik. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2006, S. 70. 42 Baricco 2006, S. 64: „Sechzig Jahre atonaler Musik haben gezeigt, dass der Optimismus ihrer Väter nur graue Theorie war: durchaus logisch auf dem Papier, doch in der Wirklichkeit nicht durchzuführen. Das Ohr der Allgemeinheit ist verloren ohne die Koordinaten der Tonalität, und das liegt nicht etwa an einem kulturellen Defizit, sondern an unabänderlichen physiologischen Gegebenheiten.“ 43 Harnoncourt, Nikolaus: „Brücken in den Nebel hinein“ (1997), in: Harnoncourt 2005, S. 54-61, S. 55f. 17 durch ihre bloße Existenz Rückständigkeit vorwirft.44 Lachenmann hat darauf eine elegante Antwort gefunden:

„[Der Sinn der Kunst] ist vielleicht der, den Menschen an sich zu erinnern, an Kräfte in ihm, die ungenutzt sind, während er verschlissen wird.“45

Die Szene der zeitgenössischen Musik in Vorarlberg

Die Vorarlberger Komponistenszene ist selbstverständlich eng verknüpft mit der musikalischen und kulturellen Infrastruktur, die das Land zu bieten hat:46

Das Interesse an zeitgenössischer Musik manifestierte sich in Vorarlberg bereits bald nach Kriegsende mit der Gründung des Musikkreises Feldkirch 1949 durch Gisela Andergassen, Tochter des für den Raum Feldkirch bedeutenden und schaffensreichen Komponisten Ferdinand Andergassen47. 1973 initiierte diese Institution dann auch die Veranstaltungsreihe Forum Feldkirch. In der Nachfolge von Gisela Andergassen übernahm Helmut Futscher die Organisation des ‚Forum für zeitgenössische Musik’ und ermöglichte Aufführungen renommierter Ensembles mit zeitgenössischer Musik auf der Höhe ihrer Zeit. Unter Walfried Kraher kam es später zu einer Umorientierung der Programmgestaltung des Musikkreises Feldkirch, indem neben Uraufführungen vermehrt allgemein Musik des 20. Jahrhunderts - auch Unterhaltungsmusik - zur Aufführung kam. Das Forum Feldkirch bot Vorarlberger Komponisten eine Möglichkeit ihre Werke aufführen zu können, ein Schwerpunkt bildeten dabei sakrale Kompositionen. Gleichzeitig wurden Vorarlberger Ensembles

44 Baricco 2006, S. 73. 45 Metzger, Heinz-Klaus: „Fragen-Antworten“ in: Helmut Lachenmann. Heft 61/62, Hrsg. Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn (Musik-Konzepte. Die Reihe über Komponisten). München: edition text+kritik 1988, S. 116-133, S. 129. 46 Vgl. dazu im Folgenden im Internet: http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_V/Vorarlberg.xml (letzter Zugriff 09.02.2014) 47 im Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_Andergassen (letzter Zugriff 09.02.2014) 18 als Interpreten bevorzugt, um die Entwicklung der regionalen Musikerszene zu unterstützen und zu fördern.48

Es besteht eine auffallend enge Verbindung der Komponisten und Interpreten des Forums Feldkirch mit dem 1977 gegründeten Landeskonservatorium Feldkirch49, das in den letzten Jahrzehnten vielen Vorarlberger Musikern eine fundierte Ausbildung ermöglichte, die sich jetzt beispielsweise im 1984 gegründeten Sinfonieorchester Vorarlberg wiederfinden. Das SOV entstand aus dem Vakuum heraus, das das einzige Berufsorchester des Landes, das Vorarlberger Funkorchester (1945-1959), hinterlassen hat. Heute ist Vorarlberg das einzige Bundesland Österreichs ohne fest etabliertes Berufsorchester, aber das SOV verfügt dennoch über einen äusserst erfolgreichen Abozyklus von sehr hohem Niveau, der sich auch der Pflege der zeitgenössischen Musik verpflichtet fühlt50. Vorarlberger Komponisten stehen dabei auch immer wieder im Zentrum wie z.B. beim Abokonzert im Jänner 2014 mit einer Uraufführung von Richard Dünser.51

Vorarlberg verfügt über „eine kulturelle Vielfalt, die alle musikalischen Bereiche umfasst“. 52 Etablierte Festivals sind etwa die Bregenzer Festspiele mit der jeweiligen Komponistenportraitoper im Haus und der zeitgenössischen Reihe Kunst aus der Zeit (KAZ)53 oder die Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik. Dieses Festival besteht bereits seit 25 Jahren und steht in Verbindung mit vielen bedeutenden Namen der Szene, so erhielt etwa Georg Friedrich Haas hier seinen allerersten Kompositionsauftrag und verhalf der Plattform in weiterer Folge zu Anerkennung über die Landesgrenzen hinaus. 1995 bis 2006 leitete es dann Wolfram Schurig, ab

48 Thurner, Silvia: „Fächerübergreifendes Musikprogramm. ‚ForumFeldkirch 2000’ mit sieben Konzerten und zwei Messen“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 15/Nr. 8 (2000), S. 16-17. 49 Ebd. 50 im Internet: http://www.symphonieorchester-vorarlberg.at/?p=f0isi1-98jli431- 540jj-f1is2j-f2is173j-f3is297j-l540 (letzter Zugriff 09.02.2014) 51 Im Internet: http://www.symphonieorchester-vorarlberg.at/?p=f0isi1-98jli431- 1259jj-f1is2j-f3is335j-l1259 (letzter Zugriff 09.02.2014) 52 vgl. dazu im Internet: http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_V/Vorarlberg.xml (letzter Zugriff 09.02.2014) 53 im Internet: http://www.bregenzerfestspiele.com/de/kategorie/hauptmen/programm/kunst- aus-der-zeit/kaz-konzerte (letzter Zugriff 09.02.2014) 19 2007 der in Berlin lebende Alexander Moosbrugger, und in den Jahren 2014/2015 ist die italienische Komponistin Clara Ianotta für die Kuratierung verantwortlich. So zeichnet die BTZM vor allem aus, dass das Programm nicht von Kulturmanagern, sondern von Komponisten konzipiert wird - interessanterweise werden Vorarlberger Komponisten und Musiker dabei wenig berücksichtigt.54 Daneben erfüllt auch der Spielboden Dornbirn eine bedeutende Rolle im Land, z.B. mit seinem Soundsnoise Festival, das seinen Schwerpunkt auf avantgardistische und experimentelle Künstler legt.55

Besonders im Zusammenhang mit dem Komponisten Gerald Futscher ist auch das ensemble plus von großer Bedeutung. Es ist derzeit das einzige Ensemble seiner Art in Vorarlberg, das sich der zeitgenössischen Musik widmet und sich gleichzeitig auch in seinem Stamm aus Vorarlberger Musikern zusammensetzt: Gegründet wurde das ensemble plus 1997 aus Mitgliedern des SOV mit der Intention sich auf kammermusikalischer Basis mit Repertoire der zeitgenössischen Musik auseinanderzusetzen. Geleitet wird es seither vom Bratschisten und Stimmführer des SOV Andreas Ticozzi, der auch für die Programm- und Komponistenauswahl verantwortlich ist. Ein Schwerpunkt bilden dabei Werke von Vorarlberger und auch österreichischen Komponisten, wobei Ticozzi besonderen Wert auf Uraufführungen legt und auch Kompositionsaufträge vergibt. Spielstätten für zeitgenössische Musik sind in Vorarlberg nicht leicht zu finden, das neue vorarlberg museum am Kornmarkt in Bregenz bietet diesbezüglich jetzt aber für die Reihe „Konzerte im Museum“ (KiM) ein geeignetes Umfeld und es gibt eine bereits langjährige Zusammenarbeit mit dem ORF-Landesstudio in Dornbirn, so z.B. für die Veranstaltung „Neue Musik im Gespräch“56 oder das Festival „Texte und Töne“, das bereits in den 90er Jahren von Walter Fink und Fritz Jurmann initiiert worden ist, dann aber aus Kostengründen eingestellt werden musste und nun durch die

54 Thurner, Silvia: „Erforschung immer noch entlegener Winkel des akustischen Kosmos – die ‚Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik’ werden mit den ehemaligen Kuratoren Georg Friedrich Haas, Wolfram Schurig und Alexander Moosbrugger gefeiert“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 28/Nr. 9 (2013) S. 4-7, S. 4ff. 55 im Internet: http://www.spielboden.at/programm/programmschienen- projekte/musik/neue-musik (letzter Zugriff 09.02.2014) 56 im Internet: http://www.musicaustria.at/magazin/neue-musik/artikel- berichte/portraet-ensemble-plus (letzter Zugriff 09.02.2014) 20 Zusammenarbeit von Bettina Barnay vom ORF und dem ensemble plus wiederbelebt werden konnte.57 Eine Besonderheit im Bereich der zeitgenössischen Musik – ja sogar ein österreichweites Unikum58 - stellt die 1998 gegründete Musikdokumentations- stelle des Landes Vorarlberg in Feldkirch dar. Sie dient als Anlaufstelle für Vorarlberger Komponisten, bietet hauptsächlich Informationen zur aktuellen Komponistenszene im Land und stellt Partituren, Tonträger und Hintergrund- informationen zur Verfügung. Geleitet wird die Musikdokumentations-stelle von Silvia Thurner, deren Spezialgebiet die zeitgenössische Musik ist und die mit dem österreichischen Musikinformationszentrum (mica) in Kontakt steht.59

Das enfant terrible der Vorarlberger Komponistenszene60

In der oben dargestellten Vorarlberger Szene nimmt Gerald Futscher eine eher zwiespältige Position ein: Einerseits schätzt Silvia Thurner Gerald Futscher als einen der „allerinteressantesten –nicht nur Komponisten, sondern auch – Künstler“ ein, die Vorarlberg zu bieten hat, und macht das vor allem an seinem umfangreichen Wissenshorizont und seinem ihm eigenen schwarzen Humor fest – Eigenschaften, die sich gut an seinem vielseitigen und umfangreichen Schaffen, seinen hochkomplexen Partituren, seinen selbsterfundenen Klangerzeugern und seinen von Philosophie über Literatur, Psychologie, Mathematik und Zeitgeschichte bis zur Anthropologie breitgefächerten Themenstellungen ablesen lassen.61 Andererseits konstatiert sie Gerald Futscher allgemein auch ein durchaus hohes Ansehen bei den Komponistenkollegen des Landes – zumindest jenen, die seine Qualitäten erkennen -, wobei aber ein Phänomen in der Szene der zeitgenössischen Musik die fehlende Interaktion sei – so gibt es in Vorarlberg beispielsweise keine

57 Thurner, Silvia: „In die Welt aktueller Literatur und Musik aus Vorarlberg eintauchen – Das Festival ‚Texte und Töne’ wird revitalisiert“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 28/Nr. 9 (2013), S. 14-16, S. 14. 58 Thurner, Silvia: persönliches Interview geführt von Katharina Felder, Audio- aufnahme, Feldkirch, 14.01.2014. 59 im Internet: http://www.musikdokumentation-vorarlberg.at/mudosit.htm (letzter Zugriff 09.02.2014) 60 Kultur nach 6, Radio V (Ö2), 15.05.2009, 18:05 bis 19:00 Uhr. 61 Interview Thurner/Felder 14.01.2014. 21 Komponistenvereinigung, wie sie in anderen künstlerischen Sparten durchaus vorhanden ist. Silvia Thurner sieht diese individualistische Gangart, vielleicht insbesondere bei Gerald Futscher 62 , als Notwendigkeit im kreativen Schaffens- prozess.63

„Die wallfahrenden Konsensheinis waten bis zum Hals im Morast, nur das Auge ist himmelwärts gerichtet“64

In Interviews, Radio- oder Fernsehportraits nimmt sich Gerald Futscher – wie auch in seinen Kompositionen - aus Prinzip kein Blatt vor den Mund, auch mit dem Ziel gegensätzliche Reaktionen auszulösen, denn „Kunst muss, um zu funktionieren, mit Mehrdeutigkeiten, Konnotationen und Subtexten zuwege gehen“65. Dass Futscher durch seine eigenwillige Art, die oft provokativ66 verstanden wird, viel Gegenwind erhält, ist ein Umstand, mit dem er sich mittlerweile arrangiert hat. Anfeindungen begleiten ihn schon seine gesamte Kompositionslaufbahn, so bereits 1994 als bei den Wiener Festwochen die doch recht kontrovers aufgenommene67 Oper „Der wilde Jäger“ uraufgeführt wurde:

„Sie wollten von mir ein Statement zur Kunst der Interpretation des längst Vergangenen und so habe ich die Staatsoper verglichen mit einer polnischen Suppe, die so quasi unter einer Käseglocke tagelang vor sich hin gären muss und dann kommen die Liebhaber, stecken ihren Rüssel unter diese Glocke und saugen den Geruch des Verwesens ein.“ 68

62 Zitat Futscher aus dem Interview Futscher/Felder 16.11.2013: „Ich kenne sie alle, aber ich habe mit niemandem etwas zu tun. Außer mit Gerold Amann.“ 63 Interview Thurner/Felder 14.01.2014. 64 Thurner, Silvia: „’Und wollte ich doch etwas Kunst in die ‚Musi’ hineindrödeln, ist das sicher ein ‚Schaass mit Quasteln’’“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 19/Nr. 2 (3/2004), S. 26-27, S. 26. 65 Ebd. 66 Egger, Daniela: „Provokante Töne“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (10.05.2009), S. 94f. 67 im Internet: http://www.zeit.de/1994/23/apokalyptische-doppelwhopper (letzter Zugriff 09.02.2014) 68 Interview Futscher/Felder 19.11.2013. 22 Was für Gerald Futscher ein unheimlich gelungener Sprachwitz ist und praktisch künstlerischen Anspruch hat 69 , mag Presse, Kollegen oder Publikum mehr als befremden70, seine Weigerung zur Anpassung wirkt aber vor allem polarisierend:

„Gerald Futscher hat viele Fans, aber ebenso viele oder mehr lehnen seine Musik ab und diskreditieren sie als undifferenzierten ‚Klangbrei’.“71

Verständnis und Anerkennung zu bekommen, wird somit erschwert - vielleicht auch durch den Umstand, dass nicht alle das Menschen- und Künstlerbild teilen, wie es etwa Nikolaus Harnoncourt vertritt:

„...es gibt auch hochintellektuelle Menschen, die ebenso naiv sind und sich ihre Geradheit nicht nehmen lassen. Naiv ist für mich ein Mensch, der nicht diplomatisch ist. Aber das hat absolut nichts mit der Höhe seiner Geistigkeit zu tun. (...) Ein Künstler, der nicht diplomatisch ist, ist doch eine unglaublich sympathische Erscheinung.“72

„Ich find’s zum kotzen“73

Genauso mit Absicht fern jeder Diplomatie steht obiges Zitat von Gerald Futscher, das seine in der Kulturzeitschrift veröffentlichte Meinung zur schwarzblauen Regierungsbildung im Jahr 2000 wiedergibt. Wie viele andere Künstler Österreichs wurde er um eine Reaktion gebeten – ein Umstand, der ihm prinzipiell ein Dorn im Auge ist, denn er sieht sich als Künstler zum „Hofnarrenstatus“ gezwungen – eine unangenehme Situation, da es Gerald Futscher ja vor allem um seine künstlerische

69 Interview Futscher/Felder 19.11.2013. 70 Interview Thurner/Felder 14.01.2014. 71 Thurner, Silvia: „’Und wollte ich doch etwas Kunst in die ‚Musi’ hineindrödeln, ist das sicher ein ‚Schaass mit Quasteln’’“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 19/Nr. 2 (3/2004), S. 26-27, S. 26. 72 Harnoncourt, Nikolaus: „Zeitlose Kunst – kunstlose Zeit?“ (1992), in: Harnoncourt 2005. S. 70-91, S. 82f. 73 Füßl, Peter: „5 Sätze zu Schwarzblau“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 15/Nr. 2 (2000), S. 6. 23 Unabhängigkeit geht74; gleichzeitig stehen aber alle Künstler in der kulturpolitisch gewachsenen Tradition Europas, die in ihrem offensichtlichen Spannungsfeld letztlich doch die Souveränität des Kunstwerkes fordert. Vgl. dazu Nikolaus Harnoncourt:

„Die großen Auftraggeber aller Zeiten haben das offenbar verstanden und gewollt oder wenigstens toleriert. Die Kunst kann ihre Aufgabe, den geistigen Zustand ihrer Zeit zu spiegeln und dabei stets Opposition und Widerpart zum Status quo zu sein, prinzipiell nicht verraten, denn kaum versucht ein Künstler dem Auftraggeber auf Kosten seines inneren Auftrages zu willfahren, hört sein Schaffen auf, Kunst zu sein. Kunst ist unbestechlich, sie lässt sich nicht korrumpieren. (...) Kunst war in unserer Kultur ja immer Auftragskunst, und dennoch ist der wahre Künstler niemals käuflich.“75

Seit jenem Griff ins Fach der Fäkalsprache fühlt sich Futscher immer wieder politisch motivierten Stolpersteinen ausgesetzt und hat für sich beschlossen sich mit Aussagen zur Politik eher zurückzuhalten.76 Unabhängig vom politischen Klima, lässt er aber seinen Ideen auch weiterhin freien Lauf, weshalb er sich im Jahr 2000 auch entschied, sein Ensemblestück „le bandage de peau“, dem Tagebucheintragungen des Marquis de Sade zugrunde liegen und das am 4. Oktober 2000 im ORF Landesstudio Dornbirn uraufgeführt wurde, nachträglich um eine Salatschüssel zu erweitern, in die der Klarinettist in genau rhythmisch festgelegten Abständen eine braune Flüssigkeit spucken musste.77 Beinahe ebenfalls als politisches Statement lässt sich die Uraufführung von Gerald Futschers 1. Streichquartett in seinem eigenen Atelier vom 12.06.2007 werten, worüber Ulrich Gabriel, ehemaliger Leiter des Spielbodens Dornbirn, in den VN schrieb:

74Interview Futscher/Felder 16.11.2013: „Wenn man mich fragt, sage ich, was ich denke. Ich dachte immer, das könnte mir alles egal sein, aber man bekommt zu spüren, dass man mit drinhängt.“ 75 Harnoncourt, Nikolaus: „Zeitgeist und Wahrheit“ (1995), in: Harnoncourt 2005, S. 11-24, S. 13. 76 Füßl, Peter: „Ragouts, die mit Blut gebunden werden. Interview mit Gerald Futscher zur CD-Präsentation“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 19/Nr. 7 (2004), S. 30-31, S. 31. 77 Interview Futscher/Felder 16.01.2014. 24 „Flüchtet die Neue Musik in die private Atmosphäre? Es wäre ihr zu wünschen. Sie befreite sich endlich von allem mühseligen Drumherum, Besucherzahlen, unverständigem Publikum, Gegenkämpfen, Veranstaltergekrieche, Geld- betteleien, Bücklingen und Erklärungen für die im fahlen Glanz des modischen Kunstlärms Ertaubten der Kulturinstitutionen.“78

Ulrich Gabriel kennt die Vorarlberger Musikszene seit Jahrzehnten und hat sie auch entscheidend mitgestaltet, mit diesem Plädoyer erreicht er aber auch andere Sparten der Kunst im Land, die mit der gleichen Situation zu kämpfen haben. So findet Hans Dünser, der seit 1987 Leiter des Kunstraums Dornbirn - einer Institution für zeitgenössische bildende Kunst – war, zu seinem Abschied in den Ruhestand eher nachdenkliche Worte:

„Wir leben hier auf dem Lande, in der Provinz – so ist meist auch das Denken. Große Zeitthemen werden hier nicht besprochen. Ein Denkzentrum wie eine Universität haben unsere Politiker in den Sechziger/Siebzigerjahren verabsäumt zu installieren und aufzubauen. Künstler brauchen Reibungs- fläche. Bei uns ist alles glatt.79 (...) Kultur hat nurmehr ‚Produktwert’. (...) Kultur ist kein öffentliches Gut mehr und nur mehr von Minderheiten gefordert, daher politisch uninteressant.“80

Auf die Frage nach einem eigenen Ministerium für Kunst und Kultur, fällt die Antwort Dünsers ebenfalls pessimistisch aus:

78 Gabriel, Ulrich: „Neue Musik einmal ohne Gekrieche“, in: Vorarlberger Nachrichten (14.06.2007), D4. 79 Eine interessante historische Parallele zu dieser Wahrnehmung ist von Schönberg überliefert: „Dem buchstäblich im Abseits des Zeitgeistes in einer kleinen Vorstadt Wiens lebenden Künstler wurde bewusst, dass er mit seinem damaligen Denken in der Zwölftontechnik ‚eine Antwort auf eine Frage geben wollte, die niemand stellte’.“ Schmidt, Matthias: Schönberg und Mozart. Aspekte einer Rezeptionsgeschichte, Wien: Lafite 2004, S. 108. 80 Pichler, Karlheinz: „’Kultur wird nur noch instrumentalisiert’ – Interview mit dem scheidenden Kunstraum-Dornbirn-Chef Hans Dünser“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 28/Nr. 9 (2013), S. 26-27, S. 27. 25 „Was nützt ein Ministerium ohne entsprechende Führung? So lange dieses als ‚Proberaum’ für politische Aufsteiger verwendet wird, hat das keinen Sinn.“81

Und auch wenn man den Teufel nicht an die Wand malen will, so fällt einem dazu doch sogleich der bereits vielzitierte Sager der Maria Fekter zu ihrer neuen Rolle als Kultursprecherin des VP-Parlamentsklubs ein: „Ich werde jetzt nur noch Wohlfühl- termine wahrnehmen.“82

Auf die Vorarlberger Musikszene bezogen möchte Silvia Thurner alles andere als schwarzmalen, teilt aber dennoch die Ansicht Dünsers, dass die ländliche Umgebung sowie ein fehlendes universitäres Umfeld die Rezeption der zeitgenössischen Kunst83 und somit die Arbeit der Vorarlberger Komponisten, die - wie Gerald Futscher - mehr oder weniger nur im Land tätig sein wollen84, erschwert. Sie sieht die Szene im Gesamten derzeit einem Wandel unterworfen, der neue Impulse in andere Richtungen setzt.85

„Kannst du mir den Takt vorsingen?“86

Gerald Futscher bewegt sich also hauptsächlich im Bereich der Möglichkeiten der Vorarlberger Aufführungsszene, was seine kompositorische Auffassung und Arbeitsweise durchaus auch beeinflusst und eine prinzipielle Symptomatik im Bereich der zeitgenössischen Musik zutage fördert, mit der auch etabliertere und international tätige Komponisten dieses Bereichs zu kämpfen haben:

81 Ebd. 82 im Internet: http://derstandard.at/1385171913278/Einserkastl- Wohlfuehltermine (letzter Zugriff 09.02.2014) 83 „Vorarlberg hat eigentlich ein ländliches Umfeld, es fehlt auf der kulturellen Ebene tatsächlich das Publikum. Es gehen die Leute nicht nur nicht ins Konzert, weil sie träge sind, sondern weil das Publikum fehlt. In einem urbanen Umfeld ist das leichter.“ Interview Thurner/Felder 14.01.2014. 84 „Ich mag nicht hausieren. Ich bin zwiegespalten, ich möchte meine Ruhe haben, ich muss ja komponieren können. Ich könnte nicht herum reisen und gleichzeitig meine Sachen präsentieren.“ Interview Futscher/Thurner 08.10.2013. 85 Interview Thurner/Felder 14.01.2014. 86 Interview Futscher/Felder 16.11.2013. 26 „Die Widerstände, die Lachenmanns Musik entgegengebracht wurden (und teilweise immer noch werden), hängen bekanntlich damit zusammen, dass diese auf fast allen Ebenen einigen lieb gewonnenen Gewohnheiten der musikalischen Darstellung entgegenläuft. Solche Widerstände zum Zwecke einer adäquaten Vorbereitung von Aufführungen zu überwinden ist weit mehr als eine ganz normale pädagogische Aufgabe. Hier erweist sich, dass die Kunstform Musik, weil sie im performativen Akt der Aufführung die Partizipation oder Auseinandersetzung von Interpreten – und dann auch von Hörern – einfordert, im besonderen Maße mit Widerständigkeit zu tun haben kann. Für die Schärfung der Sinne ist dieser Aspekt essenziell. Dies alles erscheint im Falle Lachenmanns umso wichtiger, da er mit besonderer Vorliebe klassische Besetzungen wie insbesondere die des Sinfonieorchesters gewählt hat. So liegen einige seiner zentralen Werke häufig in Händen von Interpreten, die nicht als Spezialisten Neuer Musik gelten können, und haben die Aufführungen gerade der groß besetzten Werke ihren eigentlichen Ort jenseits der Festivals für Neue Musik.“87

Gerade für die ziemlich komplex notierte Musik Gerald Futschers vermisst Silvia Thurner ein fix bestehendes Spezialensemble in Vorarlberg, das in der Lage wäre seine Stücke auch mit der aus evidenten Kostengründen immer sehr knappen Probenzeit möglichst exakt umzusetzen.88 Futscher versucht sich mit der Situation abzufinden, komponiert schließlich den Großteil seiner Werke sowieso ohne Auftrag89 und misst die Wertigkeit seiner Arbeit auch nicht an der doch bescheidenen Zahl der stattfindenden Aufführungen:90

87 Hiekel, Jörn Peter: „Die Freiheit zum Staunen. Wirkungen und Weitungen von Lachenmanns Komponieren“ in: Helmut Lachenmann. Heft 146, Hrsg. Ulrich Tadday (Musik-Konzepte Neue Folge. Die Reihe über Komponisten), München: Richard Boorberg Verlag 2009, S. 5-25, S. 9. 88 Interview Thurner/Felder 14.01.2014. 89 Interview Futscher/Felder 19.11.2013. 90 Thurner, Silvia: „’Liebst du mich denn nur aus Langeweile?’ Der Kosmos des Komponisten Gerald Futscher“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 27/Nr.3 (2012), S. 40-41, S. 40: „Die Tatsache, dass vergleichsweise wenige Aufführungen stattfinden, lässt ihn zwar nicht unberührt, belastet ihn jedoch auch nicht über Gebühr. Unbeirrt und mit großem kreativem Einsatz geht er seinen Weg.“ 27 „Das meiste wird bei mir sowieso nicht gespielt. Das ist mir manchmal lieber. Auf die Aufführungen könnte ich oft verzichten. Mir ist das Sitzen und die Kügelchen malen die Hauptsache. Das andere ist mir egal.“91

„Das halte ich nicht aus. Ich könnte meine Musik nicht anhören.“92

Die Diskrepanz zwischen Partitur oder Konzept und Aufführung ist für viele Komponisten eine Belastung, gleichzeitig bleibt die klangliche Realisierung einer Partitur aber letztendlich unerlässlich im Entstehungs- und Entwicklungsprozess hin zu einem abgeschlossenen Werk. Futscher sieht das als Einschränkung seiner künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten, gerade auch im Vergleich mit anderen Künsten:

„Ein bildender Künstler kann sein Kunstwerk fertig präsentieren, die Vermittlung einer Komposition durch die MusikerInnen ist jedoch ein langer Prozess mit vielen Schwachstellen. Das Kunstprodukt eines Komponisten ist im Grunde nicht verkaufbar.“93

Dass für einen Komponisten die künstlerische Erfüllung bereits beim Fertigen der Partitur enden kann und nicht mehr der Aufführung bedarf, erscheint somit auch nur mehr auf den ersten Blick resignativ oder überheblich und Adorno erkennt darin den prekären Dingcharakter des Kunstwerks und resultiert:

„Partituren sind nicht nur fast stets besser als die Aufführungen, sondern mehr als nur Anweisungen zu diesen; mehr die Sache selbst.“94

91 Kultur nach 6, Radio V (Ö2), 03.03.2005, 18:05 bis 19:00 Uhr. 92 Ebd. 93 Thurner, Silvia: „Expressive, erotische Ausdrucksformen frei baggern“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 16/Nr. 5 (2001), S. 48-49, S. 48. 94 Adorno, Theodor W.: Ästhetische Theorie. Band 7 in: Gesammelte Schriften (hrsg. von Rolf Tiedemann). Frankfurt am Main: Suhrkamp 1996, S. 153. 28 „Das ist gewissermaßen ein entkerntes Früchtchen“95

Ungenaue Werkdeutungen sind insofern auch problematisch, da sie für den Komponisten die Außenwirkung und den Maßstab der medialen Kritik repräsentieren. So ist die Auseinandersetzung mit den Musikern – sei es im Orchester oder im Ensemble – ein wichtiger Bestandteil der Probenarbeit. Dabei stößt Futscher auch nach Jahren immer wieder auf Unverständnis, was ihn dazu veranlasste, Stücke zu vereinfachen oder umzuschreiben um den Aufführungsumständen gerecht zu werden. Ein extremes Beispiel ist etwa ein Auftragswerk für Ensemble für das Landeskonservatorium Feldkirch96 für eine zuvor ausgewählte Besetzung mit drei Violinen als Zentrum der Komposition: als die Komposition abgeschlossen war, kam es zum – wie Futscher es bezeichnet – „üblichen Riesengeschrei“97, insbesondere vonseiten jener Professoren und Musiker, die mit seiner Musik und vielleicht auch allgemein den Notations- und Spieltechniken der Neuen Musik nicht so vertraut waren. Aber Futscher hat auch durchaus Unterstützer in der heimischen Musikszene und ist auch selbst immer mit sehr viel Engagement und Kompromissbereitschaft bei derartigen Projekten dabei:

„Dass Gerald Futscher ausnahmslos wöchentlich bei jeder Probe anwesend war, auf die Musiker sehr beruhigend, aufmunternd, zuweilen auch durch seine heitere Art hilfreich einwirkte, zeugt nicht nur von seiner Ernsthaftigkeit für die Sache, sondern vor allem vom pädagogisch wertvollen Input, den die Studierenden erfahren durften.“98

Schließlich wurde das Werk allerdings ohne die drei Violinen, also ohne die Hauptstimmen aufgeführt – was dem Stück eine neue und eigenartige Dimension verlieh, aber als Konzept dennoch sehr gut funktionierte. 99 Futscher bezeichnete das

95 Interview Futscher/Thurner 08.10.2013. 96 „Musik für Ensemble“(2012), Uraufführung am 14.01.2013 im Festspielhaus Bregenz als Projekt der Förderklasse des Landeskonservatoriums Feldkirch. 97 Interview Futscher/Felder 16.11.2013. 98 Eugen Bertel, Soloflötist im SOV, in einem Bericht: http://www.vlk.ac.at/downloads/11/Ostinato_1_2013_Screen.pdf (letzter Zugriff 18.02.2014) 99 Interview Thurner/Felder 14.01.2014: „Es ist ein filigranes Geflecht geworden, gut durchhörbar. Das Stück hat mir gut gefallen.“ 29 Werk daraufhin als „entkerntes Früchtchen“ 100 und ist flexibel genug um mit solchen Situationen umgehen zu können:

„Da gibt’s ganz andere Komponisten. Ich bin ja harmlos. Früher habe ich noch ganz andere Techniken probiert, aber das habe ich jetzt alles reduziert. Bevor ich mich anschreien lassen muss, schreibe ich eben so. Das ist für viele immer noch zu schwer, aber bitte sehr.“ 101

Gerade die Arbeit mit Studenten und Musikschülern liegt Futscher auch am Herzen und würde er sich vermehrt wünschen,102 weil es dort noch gut möglich ist die Widerstände mit intensiver und ernsthafter Probenarbeit abzubauen. Ein erster Aufwind für seine künstlerische Wertschätzung im Land in dieser Richtung war bestimmt auch der 1. Preis eines Ensembles der Musikschule Bregenz beim Bundeswettbewerb prima la musica 2003 in Bozen103 in der damals erstmalig neu eingeführten Kategorie der „Neuen Musik“.

„Snobismus ist mir zutiefst zuwider“104

Eine enge Zusammenarbeit verband Gerald Futscher über die vergangenen Jahre vor allem mit dem ensemble plus, das einige Aufträge an ihn vergab, und auch mit dem Spielboden Dornbirn gab es eine sehr fruchtbringende Zusammenarbeit mit erfolgreichen Uraufführungen, die auch 2004 in einer Portrait-Doppelcd über den Komponisten mündete.105 Mit dem Sinfonieorchester Vorarlberg und auch dem Sonus Brass Ensemble gab es diverse Projekte106, wobei Futscher betont, dass ihm die Arbeit mit Vorarlberger

100 Interview Futscher/Thurner 08.10.2013. 101 Interview Futscher/Felder 16.11.2013. 102 Ebd. 103 „Sai che minestra c’è stasera“ für Ensemble und Tonband (UA 26.05.2003 in Bozen). 104 Kultur nach 6, Radio V (Ö2), 21.02.2013, 18:05 bis 19:00 Uhr. 105 FUTSCHER. 6 Kompositionen (2004) http://www.spielboden.at/programm/programmschienen-projekte/musik/neue- musik (letzter Zugriff 18.02.2014) 106 vgl. dazu die Werkliste im Anhang. 30 Musikern im professionellen Bereich wichtig ist und gut gefällt, da es ihm leichter fällt Vorurteile abzubauen und er auch das Potential und das notwendige Können grundsätzlich vorhanden sieht – auch wenn die Szene leider nur sehr klein ist.107

Gerald Futscher möchte sich in Bezug auf die Vorarlberger Szene von der Haltung distanzieren, wie sie durch manche Kollegen vertreten wird, dass ausschließlich mit internationalen Instrumentalisten und Ensembles gearbeitet wird. Futscher sieht darin die Demonstration einer Elfenbeinturm-Mentalität, die dem Kulturauftrag im ländlichen Raum und der Szene nicht zugute kommt108, wobei aber ein Austausch und grenzüberschreitende Interaktion im zeitgenössischen Bereich prinzipiell durchaus fruchtbringend sein könnte.109

107 Interview Futscher/Felder 16.11.2013. 108 Interview Futscher/Felder 19.11.2013. 109 Thurner, Silvia: „Erforschung immer noch entlegener Winkel des akustischen Kosmos – die ‚Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik’ werden mit den ehemaligen Kuratoren Georg Friedrich Haas, Wolfram Schurig und Alexander Moosbrugger gefeiert“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 28/Nr. 9 (2013) S. 4-7, S. 7. 31 „Ich kann ja nichts dafür, wenn die anderen humorlos sind“110

Gerald Futschers Werk zeichnet sich durch eine große Vielfalt und Kreativität aus,111 besonders auch was seine kompositorische Herangehensweise betrifft: So gibt es zu jedem seiner Werke oft weitreichende außermusikalische Bezüge als theoretischen Unterbau:

„Eine interessante Persönlichkeit ist Gerald Futscher auch deshalb, weil er ausgefallene Literatur, Tagebücher und auch wenig bekannte philosophische beziehungsweise mythologische Quellen für seine Werke nutzbar macht und spezifische Inhalte mit einer individuellen Zugangsweise aufbereitet.“112

Gleichzeitig findet dabei „eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten“ 113 statt. Da viele seiner Ideen nicht aufgeführt werden und sogleich in der Schublade verschwinden,114 kann hier im Folgenden nur ein exemplarischer Eindruck seines Schaffens vermittelt werden.

„Dem Flötisten sind die Eier um die Ohren geflogen – das war ein Traum!“115

Neben seiner intensiven Arbeit im Bereich der Klangforschung und den daraus resultierenden selbstgebauten Instrumenten und Klangkörpern sind vor allem auch die performativen Umsetzungen seiner Ideen auf der Bühne für das Publikum interessant:

110 Interview Futscher/Felder 19.11.2013. 111 „...zweifellos einer der kreativsten Köpfe (...), die Vorarlberg derzeit zu bieten hat.“ Thurner, Silvia: „Das Haut-Ich und die Tiefe in der Oberfläche – Julia Hankes und Gerald Futschers Musikperformance ‚Haut’“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 24/Nr. 3 (2009), S. 20-22, S. 22. 112 Thurner, Silvia: „’Du sabberst, Schwein’“, in: Vorarlberger Nachrichten (13./14.03.2004), D7. 113 Thurner, Silvia: „Expressive, erotische Ausdrucksformen frei baggern“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 16/Nr. 5 (2001), S. 48-49, S. 48. 114 Thurner, Silvia: „’Liebst du mich denn nur aus Langeweile?’ Der Kosmos des Komponisten Gerald Futscher“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 27/Nr.3 (2012), S. 40-41, S. 40. 115 zur Aufführung von ‚le bandage de peau’: Interview Futscher/Felder 16.01.2014. 32 „Prinzipiell ist für mich Musik immer Bühnenmusik, weil die Interpreten die Musik immer dazu verwenden, um sich selbst in Szene zu setzen. Bühnenmusik interessiert mich sehr, weil mich das Thema Oper immer fasziniert hat. Musik hat immer einen theatralischen Effekt. Sämtliche Werke von mir betrachte ich als Vorstudien zu Bühnenwerken.“116

Dadurch sind seine Werke eigentlich nur live erlebbar – eine Notwendigkeit, die Futscher aber nicht nur für seine Musik, sondern für jede Stilrichtung als dem Wesen der Musik zugrundeliegend erachtet.117 Dass dabei so manches Konzert für das Publikum zum Erlebnis wird118, ist bestimmt auch ein Grund für seine wachsende Hörerschaft.119 Christian Futscher:

„Was Geralds Musik anbelangt, sind das immer eher die Liveaufführungen, die ich sehr genossen habe. Wobei mich da das ganze Drumherum fast mehr fasziniert als die Musik.“120

Von Kritikern wird Futscher in diesem Zusammenhang gern „simpler Aktionismus“121 unterstellt – Silvia Thurner sieht die Ursache dafür besonders in dem Umstand, dass Futschers Werke aufgrund ihrer Vielschichtigkeit oftmals nur oberflächlich erschlossen werden können und eines größeren Kontexts bedürfen.122 So handelt es sich bei vielen seiner Kompositionen zwar nicht um Konzeptkunst, aber dennoch um „musikalische Kunstwerke“123:

116 Thurner, Silvia: „Musik ist immer Theater“, in: Vorarlberger Nachrichten (12.05.2005), D4. 117 „Ich mag Musik immer nur , weil da etwas passiert. Das hat immer etwas theatralisches, das darf man nicht unterschätzen.“ Interview Futscher/Felder 19.11.2013. 118 „Man darf das Publikum nicht langweilen, das ist ein Verbrechen.“ Interview Futscher/Felder 19.11.2013. 119 Kultur nach 6, Radio V (Ö2), 15.05.2009, 18:05 bis 19:00 Uhr. 120 Christian Futscher in Kultur nach 6, Radio V (Ö2), 03.03.2005, 18:05 bis 19:00 Uhr. 121 Mika, Anna: „Höhenflug und Zerstörung“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (12.08.2003), S. 42. 122 Interview Thurner/Felder 14.01.2014. 123 Thurner, Silvia: „Das Haut-Ich und die Tiefe in der Oberfläche – Julia Hankes und Gerald Futschers Musikperformance ‚Haut’“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 24/Nr. 3 (2009), S. 20-22, S. 22. 33 Das Lord Nelson. Klanginstallation, bestehend aus einer Komposition für Tonband und einem fahrradbetriebenen Wasserklavier. 1996

„Ich habe aus einem Flügel die Mechanik herausgesägt, den Flügel an vier Drahtseilen aufgehängt und zur Hälfte in einem Wasserbecken versenkt. Über einen Flaschenzug, der an der Decke befestigt war, stellte ich eine Verbindung von den Hammerwerferkugeln im Korpus des Flügels zum Hinterrad eines Fahrrades, auf dessen Felgen das Seil aufgespult wurde, her. Durch das Treten konnte das Seil abgespult und die Kugeln zum Pendeln gebracht werden. Die Saiten des Flügels wurden quasi von den Kugeln bespielt.“124

Bereits in diesem frühen Werk Futschers fließt sein künstlerisches Grundanliegen ein, das er „das Spiel mit entgegengesetzten Vektoren“125 nennt – so entwickeln sich viele seiner Ideen im Spannungsfeld der Gegensätze:

„Die zugrundeliegende Idee des Komponisten war es, etwas ‚von Innen nach Außen zu stülpen’. (...) In Entsprechung zum optischen Bild der Konstruktion, also dem normalerweise im Inneren eines Flügels verborgenen Torso, wollte Futscher für das Tonband Resonanzschwingungen, die außerhalb des menschlichen Hörbereichs liegen und somit die ‚verborgenen Klänge’ eines Klaviers sind, verwenden.“126

Thematisch „dachte Futscher dabei an den Fatalismus des Lord Nelson im Vergleich zur unausweichlichen Situation für den Torso, die Kugeln der Seeschlacht und die Kugeln, die auf den Torso schlagen, das Meer und das Wasser der Klanginstallation, den amputierten Fuß des Lord Horatio Nelson und das Herausschneiden bzw. Heraussägen der Klaviermechanik.“127

124 Thurner, Silvia: „’Musik ist für mich eine emotionale Sprache’“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 12/Nr. 10 (1997), S. 30-32, S. 31f. 125 Interview Futscher/Felder 16.01.2014. 126 Oss 2001, S. 44f. 127 Ebd., S. 48. 34 Haarmann. Blechbläserquintett. 1996

„Gerald Futschers ‚Haarmann’ ist eine Komposition, die auf das physische Erleben des Entsetzens abzielt. Beinahe das gesamte Werk hindurch sind die Musiker aufgefordert, mit voller Lautstärke zu spielen.“128

Fritz Haarmann (1879-1925) war ein Serienmörder von 24 Jungen im Alter von 10- 22 Jahren, die er nach eigenen Angaben mit einem Biss in den Hals tötete, anschließend die Leichen zerstückelte und dann teilweise verbrannte, eventuell das Fleisch sogar verkaufte und die Überreste in einem Fluss versenkte. Über ihn gibt es auch einen bekannten Kinderreim aus jener Zeit.129 Wenn also die Blechbläser dynamisch alles geben, geht es nicht nur um die musikalische Wirkung, sondern auch die sichtbare physische Anstrengung. Erstmals lässt Futscher auch Instrumente – hier die Trompete – unter Wasser spielen – er ‚versenkt’ das Instrument somit auf symbolträchtige Weise.130 Ursprünglich war die Uraufführung in Kombination mit dem Haarmann-Fries des Alfred Hrdlicka im Rahmen der Expo2000 in Hannover geplant, was aber nicht zustande kam.131

Zeit oder Geld. Für Klarinette, Klavier, Harmonium und Männerchor. 1998

Dieses Werk wurde anlässlich des Symposiums ‚Laboratorium 98’ zur Zukunft der Arbeit in St. Gerold uraufgeführt. Futscher holte sich dazu tatsächlich Arbeitslose auf die Bühne um die eigentlichen Protagonisten, die er im Symposium ansonsten nicht physisch vertreten sah, ins Zentrum zu holen. Gleichzeitig betont er aber die Problematik der gesellschaftlichen Isolation von Arbeitslosen, indem er die Männer in gebeugter Demutshaltung, den Kopf unter Wasser, ausgerüstet mit Taucherbrille und

128 Thurner, Silvia: „So klingt es vor dem Tor zur Hölle“, in: Vorarlberger Nachrichten (24.11.1997), D7. 129 http://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Haarmann (letzter Zugriff 19.02.2014) 130 Thurner, Silvia: „’Und wollte ich doch etwas Kunst in die ‚Musi’ hineindrödeln, ist das sicher ein ‚Schaass mit Quasteln’’“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 19/Nr. 2 (3/2004), S. 26-27, S. 26. 131 Interview Futscher/Felder 16.01.2014. 35 Schnorchel singen lässt – ein weiteres Beispiel für seine künstlerische Herangehens- weise, wonach er zuerst bewusst semantische Bezüge herstellt und diesen dann aber widerspricht132:

„Sie sollen isoliert sein und große Mühe haben, sich irgendwie verständlich zu machen. Deshalb war es naheliegend, dass die Sänger den Kopf unter Wasser haben. Auf diese Weise sind sie zwar präsent auf der Bühne aber trotzdem isoliert.“133

flüchtig hingemachte Männer/2. Für Kontrabass, Klaviertorso, Schlagzeug und Tonband. 1999

Im Zuge seines Interesses an den verschiedensten „Veränderungen der Psyche“134 beschäftigte sich Futscher auch mit Daniel Paul Schreber (1842-1911), der mit seinem 1903 erschienenen Buch Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken einen einzigartigen Beitrag zur Psychoanalyse lieferte,135 indem er sich selbst in seiner Paraphrenie mit voller Rationalität beobachtete und beschrieb. Futscher setzt diese Thematik der Rationalität und subjektiven Realität in seinem Werk so um, dass er den Kontrabass kompositorisch so komplex verwendet, dass „das Herkömmliche, das ‚Wesen eines Kontrabasses’, dadurch sehr in Frage gestellt wird. So transponiert er zum Beispiel die Kontrabassstimme mittels Computer teilweise so tief, dass sie an der Grenze des menschlichen Hörbereichs pendelt, also allmählich in den Frequenzbereich des Hörbaren aufsteigt und wieder verschwindet.“136

132 „Portrait“, in: Zeit-Ton, Radio Ö1, 25.01.2005, 23:05 bis 24:00 Uhr. 133 Thurner, Silvia: „’Gegen die Ansammlung verblödeter Vorurteile’ Gerald Futschers kompositorische Denkwelt“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 15/Nr. 7 (9/2000), S. 30-32, S. 30. 134 Kultur nach 6, Radio V (Ö2), 15.05.2009, 18:05 bis 19:00 Uhr. 135im Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Daniel_Paul_Schreber (letzter Zugriff 19.02.2014) 136 Oss 2001, S. 39. 36 le bandage de peau. Für Flöte, Klarinette, Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass, Klavier und Schlagzeug. 2000

Entscheidend für dieses Werk war der letzte Satz, den Marquis de Sade vor seinem Tod in seinem Tagebuch in der Irrenanstalt Charenton bei Paris notierte: ‚Am 30. November 1814 legte man mir ‚le bandage de peau’ zum ersten Mal an.’ Futscher: „Dass dieses Monster, das so außerordentlich viel geschrieben hat, genau diesen Satz als letzten schreibt, finde ich wahnsinnig. Alles endet mit diesem jungfräulich hoffnungsvollen ‚pour la première fois’.“137 Im Stück werden einzelne Satzfragmente oder Zitate aus dem Tagebuch von den Musikern fast im Flüsterton auf Französisch vorgetragen – ein Spiel mit dem Erklärungsanspruch, den man besonders auch an zeitgenössische Werke stellt, und über den sich Futscher damit mokiert, dass er signalisiert, „dass es etwas zu verstehen gäbe, man es aber in Wirklichkeit nicht verstehen kann.“138

Eng mit dem Thema verbunden sind auch Gedanken zur Gesellschaftspolitik, konkret befasste sich Futscher mit dem französischen Schriftsteller und Soziologen Georges Bataille und dessen Theorie der Tabubrüche.139 Beinahe szenisch versuchte Futscher dies umzusetzen, indem er z.B. den Flötisten - während er den beiläufigen Satz „le sous-medecin vint pour m’arranger le suspension (der Arzt kam um mir den Hodenstützverband anzulegen)“ rezitierte – zwei rohe Eier aus dem Sakko holen ließ, die dieser dann jeweils einzeln und innerhalb der streng festgelegten rhythmischen Struktur auf den Boden des ORF Landesstudios Dornbirn klatschen ließ.140 Musikalisch will Futscher das Spannungsverhältnis von de Sades stationärer physischer Isolation bei fortschreitender Schizophrenie darstellen:

137 Thurner, Silvia: „’Gegen die Ansammlung verblödeter Vorurteile’ Gerald Futschers kompositorische Denkwelt“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 15/Nr. 7 (9/2000), S. 30-32, S. 32. 138 Mika, Anna: „’Wassermusik’ von Futscher“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (27.03.2001), S. 42. 139 Thurner, Silvia: „’Gegen die Ansammlung verblödeter Vorurteile’ Gerald Futschers kompositorische Denkwelt“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 15/Nr. 7 (9/2000), S. 30-32, S. 32. 140 Interview Futscher/Felder 16.01.2014: „Und in der Aufführung hat einer im Publikum zu lachen angefangen, der ist fast gestorben! Der hat das verstanden. Und ich dachte, Ja! Einer hat es kapiert!“ 37 „Völlig konträr zum linearen, am Ort verhafteten Verlauf, streben die Intervalle, welche (...) viele Klänge im Bereich der übermäßigen Oktave beinhalten, extrem auseinander. Hierdurch versucht Futscher das Innenleben Schizophreniekranker zum Ausdruck zu bringen.“141

tu baves, cochon, tu baves. (Du sabberst, Schwein, du sabberst) Für gemischten Chor und Harmonium. 2001

Die Auftragskomposition zum Festival Poesie International am Spielboden Dornbirn nahm Futscher zum Anlass sich mit dem französischen Autor Guillaume Apollinaire (1880-1918) und seinem in Frankreich bis 1970 noch verbotenen Werk „Die elftausend Ruten“ – einer sexuell freizügigen Groteske - zu beschäftigen.142

„Bei Poesie International werden die ‚spröden’ Worte in sehr ruhiger, konzentrierter Atmosphäre vorgetragen. Ein Werk, das Gegenteiliges und kein Unterhaltungsprogramm bietet. Apollinaire bleibt nicht bei Pornographie, sondern zeigt damals brisante politische Situationen auf.“143

Hier arbeitet Futscher erstmals intensiv mit den Ausdrucksmöglichkeiten der Stimme und der nonverbalen Vermittlung von Erotik, auch in Anlehnung an die Popmusik.144 Auch Geräte kommen zum Einsatz um dem Text Apollinaires gerecht zu werden:

„Eine Saugglocke zum Beispiel, durch die schmatzende Geräusche entstehen, wird zum Rhythmusinstrument und gleichzeitig zur Imitation der Stimmen, die ja auch ‚sabbern’ und dadurch einen Bezug zur derzeitigen politischen Sprachkultur herstellen.“145

141 Oss 2001, S. 52. 142 Thurner, Silvia: „Expressive, erotische Ausdrucksformen frei baggern“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 16/Nr. 5 (2001), S. 48-49, S. 48. 143 Neue-„ms“: „Grunz, grunz, grunz“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (10.06.2001), S. 48. 144 Thurner, Silvia: „Expressive, erotische Ausdrucksformen frei baggern“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 16/Nr. 5 (2001), S. 48-49, S. 49. 145 Neue-„ms“: „Grunz, grunz, grunz“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (10.06.2001), S. 48. 38 Die Walrus. Für Streichsextett. 2003

„Was ist die Walrus? Sie war das Schiff des Captain Cook, beschrieben in Stevensons Roman ‚Die Schatzinsel’. In der Uraufführung der Komposition Gerald Futschers war es der bildende Künstler Gottfried Berchtold, der etwa eine halbe Stunde vornübergebeugt und mit taucherbrillen- und schnorchel- bewehrtem Gesicht in ein Aquarium getaucht selbst zur Skulptur wurde. Schließlich sprach er, triefend auftauchend: ‚Ich bin die Walrus’.“146

Nicht nur im Sinne der Schiffsmetapher, sondern auch im Sinne der übertragenen Anschauung der „Musik als Vehikel“147 musste der Geiger auf der Bühne eine Violine zersägen - mit entsprechenden resultierenden ächzenden Knarrgeräuschen.

Hör’ den Ruf des faulen Holzes. Für Violoncello und Streichorchester. 2003

Die Besonderheit dieser Komposition (der Titel beruht auf einem Zitat von Claude Lévi-Strauss) ist die Rolle der vierten Geige im Orchester, die quasi als „alter ego“ der Solostimme agiert und die Aktionen des Cellos mit Witz imitiert. Da es sich um eine Schrottgeige handelt, kann sie auf ungewöhnliche Weise bearbeitet werden, so ist der Bogen anstatt mit Haaren mit Draht umwickelt und auch eine Stahlbürste kommt zum Einsatz.148 Das Stück endet mit dem „Absaufen“ der Geige im Aquarium – wo zum Schluss durch einen Schlauch, der in den Korpus der Geige eingeführt wird, ein kräftiges ‚Hallo?Hallo!’ gerufen wird, das dann mit entsprechender Verspätung aus den F-Löchern der Geige als entfernter Hilferuf vom Boden des Aquariums an die Oberfläche blubbert.149

146 Mika, Anna: „Die Walrus, eine Berimbao und ein kranker Cellist“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (21.02.2003), S. 42. 147 „Denn es gibt Bedeutungsfelder in der Musik, die wie ein Vehikel semantische Bezüge tragen können.“ Zitat Futscher in: Thurner, Silvia: „Ohrmuschellose und Piraten“, in: Vorarlberger Nachrichten (18.02.2003), D4. 148 Thurner, Silvia: „Vielfalt unter einem Hut“, in: Vorarlberger Nachrichten (11.08.2003), D6. 149 Interview Futscher/Felder 16.11.2013. 39 Anobium pertinax. Klanginstallation. 2005

Die Klanginstallation Gerald Futschers für den Kunstraum Dornbirn stellte eine „musikalische Unterwanderung“ der Objektinstallation mit dem Thema „Arche“ der bildenden Künstlerin Gloria Friedmann dar. Futscher widmete seine Sounds vornehmlich dem sogenannten Klopfkäfer – oder auch Holzwurm – und verband ihn u.a. mit dem Gedanken der Arche Noah:

„Da diese biblisch betrachtet ein Vehikel zur Erhaltung der Arten darstellt, sollten doch auch alle Arten berücksichtigt werden, und indem ich also auch den Holzwurm transportiere, ist das Scheitern des Projekts unausweichlich. Entweder ist die Bibel in diesem Punkt wieder einmal nicht korrekt, oder der Artenschutz war auch schon in biblischen Zeiten eine Lachnummer.“150

Haut. Für Mezzosopran, Klarinette (Kbkl), Posaune, Violine, Viola, Kontrabass. 2008

Basierend auf dem 1985 erschienen Werk „Das Haut-Ich“ des Psychoanalytikers Didier Anzieu komponierte Futscher sechs Szenen geordnet nach den unterschiedlichen Funktionskategorien der Haut. Mit unterschiedlichen Klangmaschinen werden diese Funktionen und ihre Verletzbarkeit versinnbildlicht, wobei eine Geige als Synonym für den menschlichen Körper und gleichzeitig als Kulturgut-Statussymbol dient und entsprechend verletzt und misshandelt wird:

„In ‚Haut’ benütze ich eine Geige als Identifikationskörper und misshandle sie. Sie wird erst durchlöchert, dann schlage ich ein rohes Ei an ihr auf, ersäufe sie im Aquarium mit Hammerschlägen etc. Zuletzt kriecht das rohe Eiweiß wie Samenfäden aus den F-Löchern und trudelt zur Oberfläche. Hier geht es mir mehr um die Darstellung der „function contenante“, der Behälterfunktion der Haut, in Verbindung mit den daraus resultierenden Klängen.“151

150 Thurner, Silvia: „Neue Musik und eine Soundcollage – Michael Amann, Michael Buchrainer und Gerald Futscher“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 20/ Nr 8 (2005), S. 12-13, S. 13. 151 Aus einer Email von Gerald Futscher an die Verfasserin vom 20.02.2014. 40 Auch ein großer Haut-Kubus als Performanceobjekt für die Sängerin kommt gut in Szene gesetzt zum Einsatz.152

„Und Gerald Futscher – der fand keine Ruhe, agierte als Teil des Ensembles, versetzte Sägeblätter in Schwingung, walkte Luftballons, entlockte ihnen zaghafte bis herzhafte Quietscher und lehrte einer Violine das Schwimmen.“153

5 Lieder nach Gedichten von Michel Houellebecq. Für Mezzosopran und Ensemble. 2012

Michel Houellebecq, Frankreichs derzeitiger Skandalschriftsteller Nummer eins, hat Futscher bereits zu mehreren Werken inspiriert, besonders durch seine Gedichte. Ein Eigenbrötler, der sich selbst als Autist bezeichnet,154 und in dessen Werken auf schonungslose Art die Abgründe der vereinsamten Seele in einer krankenden Gesellschaft dargestellt werden. 155 Aber es ist wohl Futschers eigentümlichem schwarzem Humor zuzurechnen, dass er sich gerne mit diesen Themen befasst und ihnen auch unerwartete Komik und Witz entlocken kann. Die zeitgenössische Musik ist dabei genau der Spielplatz, der ihm die nötige Freiheit dafür bieten kann:

„Es sollte so sein, wie es im Leben auch ist. Es ist ja auch nicht immer alles todernst. Und auch bei den Klassikern ist durchaus nicht alles so todernst zu nehmen, wie man es glaubt.“156

152 Thurner, Silvia: „Das Haut-Ich und die Tiefe in der Oberfläche – Julia Hankes und Gerald Futschers Musikperformance ‚Haut’“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 24/Nr. 3 (2009), S. 20-22, S. 21. 153 Fehle, Veronika: „Vom Schnorcheln nach Noten“, in: Vorarlberger Nachrichten (17.04.2009), D4. 154 http://orf.at/stories/2217561/2217557 (letzter Zugriff 19.02.2014) 155 Houellebecq, Michel: Suche nach Glück. Gedichte, Köln: DuMont 2000. 156 Kultur nach 6, Radio V (Ö2), 15.05.2009, 18:05 bis 19:00 Uhr. 41 „Da hör’ ich dann nur ein Kratzen und ein Schaben – wunderschöne Sachen.“157

„Futschers Musik ist von allem Epigonalem befreit, wirkungsvoll und spannend, eröffnet einen neuen Klangraum im Schädel, haut Dir den verseuchten Klangalltag raus und zwingt Sirren, Surren, Kreischen, Winseln, Singen, Sausen, Wehren und Aufbegehren rein.“158

Das größte und originellste Charakteristikum von Futschers Musik ist sicherlich in seiner intensiven Klang- und Geräuschforschung zu finden (Ulrich Gabriel: „Er ist einer der radikalsten Klangschöpfer Österreichs“),159 wobei er die dafür benötigten Instrumente in seinem Atelier selbst erfindet und baut:

„In der Komponierstube von Gerald Futscher türmen und stapeln sich Schläuche, Stäbe, Platten, Luftballons, kleine und große Wasserbehälter, Kübel und jede Menge Joghurtbecher.“160

Auf der Suche nach neuen Klangwelten – auch mit dem Reiz der Frage der realen mechanischen Umsetzbarkeit – sind Werke entstanden wie z.B. Kanon für Fischerblei und Klavier (1997), Das Schwein ist die Sonne für gemischten Chor, Rüsselinstrumente und Tonband (2003), 3 Nocturnes für Klarinette, Fagott, 2 Harmonien und kleines Joghurtbecherensemble (2003) und Für die Fische für zwei schlauchverlängerte Klarinetten (2005).

Sehr oft kommt auch ein Klaviertorso zum Einsatz, dessen Körper und Saiten dann z.B. mit allen möglichen Gerätschaften wie Mixer, Ventilator, Hammer oder Rechen bearbeitet werden (Sai che minestra c’è stasera 2003). Dabei schreckt Futscher auch nicht davor zurück, die eigenen Haushaltsgeräte für längere Zeit der Kunst zweckentfremdend zur Verfügung zu stellen, so z.B. eine Nudelmaschine (Haut 2008) oder eine Kaffeemaschine (Sai che minestra c’è stasera 2003).

157 Interview Futscher/Felder 16.11.2013. 158 Gabriel, Ulrich: „Neue Musik einmal ohne Gekrieche“, in: Vorarlberger Nachrichten (14.06.2007), D4. 159 Thurner, Silvia: „’Du sabberst, Schwein’“, in: Vorarlberger Nachrichten (13./14.03.2004), D7. 160 Thurner, Silvia: „Ameisenstaat auf Jagdberg“, in: Vorarlberger Nachrichten (04.12.2001), D4. 42 Auch das Element Wasser hat es dem Komponisten angetan:

„Ich verwende sehr gerne symbolträchtige Dinge in meiner Musik. Ich versuche die Geräusche in meine Musik hereinzuholen, zu emanzipieren gegenüber dem reinen Klang, und das Geräusch des Wassers ist einfach sehr vielseitig.“161

Dabei interessiert Futscher aber auch die notationsfreie Klangkomposition im Studio mit vorher aufgenommenen Klängen und er liebt die Herausforderung von konkreten Themenstellungen, etwa für einen Industrie- oder Werbefilm, wo es z.B. darum geht abgebildete Geräuschlosigkeit mit einem Ton akustisch darzustellen:162

„Ich habe eine Regentonne genommen, eine Geige freischwebend hineingespannt, dann alles abgedichtet, damit kein Geräusch hineingelangt. Dann habe ich zwei Löcher gebohrt, eines für ein Mikrophon und eines für einen Gummischlauch mit einem Stäbchen, um dann mit meinem Luftdruck die Saite in Schwingung zu versetzen.“163

Zum Thema Sounddesign hat Futscher auch schon mit dem Studiengang Mediengestaltung der Fachhochschule Vorarlberg in einem Projekt zusammen- gearbeitet.164

Formicula. Gemeinsam mit Gerold Amann. Musiktheater. 2003

Ein besonders hervorzuhebendes Projekt ist im Bereich der Klangforschung unbedingt das Musik- oder eher „Klangtheater“, das 2003 nach zweijähriger Entwicklungs- und Vorbereitungsphase in der Zusammenarbeit von Gerald Futscher mit Gerold Amann auf der Burgruine Jagdberg in Schlins aufgeführt wurde:

161 Kultur nach 6, Radio V (Ö2), 15.05.2009, 18:05 bis 19:00 Uhr. 162 Interview Futscher/Felder 16.01.2014. 163 Ebd. 164 Thurner, Silvia: „Musik mit Bohrer und Säge“, in: Vorarlberger Nachrichten (15./16.01.2005), D7. 43 „Keinen Zweifel an vollkommener Kreativität und genialem Kompositionsgeist lässt die Klangwelt der obskuren Instrumentarien von Gerold Amann und Gerald Futscher aufkommen.“165

Es war ein sehr ambitioniertes Projekt, das etwa 120 Laiendarsteller beinhaltete, die in drei Ameisenstaaten aufgeteilt - die Hilfsameisen, die Amazonenameisen und die blutroten Waldameisen – deren Charakteristika, Interaktion und Kommunikation auf die Bühne brachten.166 Dabei ging es natürlich auch um den Spiegel auf menschliche Gesellschaften und Umgangsformen.

Die gesamte Aufführung funktionierte ohne Gesang oder Text, sondern rein durch Bewegungs- und somit zugleich Klangchoreographie. Alle dabei verwendeten Instrumente wurden von den Komponisten selbst erfunden und in Zusammenarbeit mit Vorarlberger Firmen von Lehrlingen gebaut.167 Aber nicht nur die Instrumente waren Teil der Komposition, so wurden auch die Gemäuer der Ruine Jagdberg und die Zuschauertribüne bespielt und der Bühnenboden wirkte als Resonanzraum.168

Ein großes Anliegen der Komponisten war es, dass das Werk nicht als „Geräusch- musik“ bezeichnet wird, da sie es bewusst nicht als solche konzipiert hatten und es durchaus melodische Passagen und rhythmische Muster innerhalb der Bewegungschoreographie aufzuweisen hatte.169 Hinter dieser subtilen Begrifflichkeit verbirgt sich möglicherweise eine künstlerische Achtsamkeit, die eng mit der geschichtlich doch mühsam verlaufenen Emanzipation des Geräuschs zusammenhängt:

165 Wiehl, Ines: „Applaus für die Ameisen“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (05.07.2003), S. 41. 166 Thurner, Silvia: „Theaterabenteuer in der Burgruine erleben“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 18/Nr. 1 (2/2003), S. 28. 167 Glasenapp von, Katharina: „Klangexperiment Ameise“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (06.12.2001), S. 41. 168 Thurner, Silvia: „’Ameisen’ am Jagdberg“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 18/Nr. 5 (6/2003), S. 28-30, S. 28. 169 Thurner, Silvia: „Die Ameisen kommen“, in: Vorarlberger Nachrichten (01.07.2003), D4. 44 „Wenn ich eine Badewanne höre, kann ich auf die ganze westliche Musiktradition verzichten.“170

„Es gibt nach der sanktionierten Auflösung der Tonalität und der Akzeptanz weitreichender stilistischer Libertinage nunmehr wenige Tabus in der Musik. Darunter zählt seit Anbeginn der Musiktheorie und bis zum heutigen Tag: der Einsatz von Geräuschen als musikalisches Material. Nicht, dass sie nicht verwendet werden würden, (...) aber Geräusche spielen im musikästhetischen oder –wissenschaftlichen Diskurs keine Rolle. Eine Unterscheidung von Ton, Klang und Geräusch wird kaum und wenn, dann nicht trennscharf durchgeführt. Auch das Sprechen über Geräuschmusik ist unterausgestattet: Es mangelt an Vokabular, an Kategorien und an eingeführten oder verlässlichen Charakterisierungen.“171

Hilberg verortet also für die ‚Geräuschmusik’, wie etwa die Musik Helmut Lachenmanns, gravierende Diskurs- und Überlieferungsprobleme, da die Spielanweisungen und klanglichen Parameter zwar mittlerweile in speziellen Notationen, Listen oder individuellen Systemen darstellbar sind, diese Parameter dabei aber so viel Interpretationsspielraum lassen (müssen), dass die klanglichen Ergebnisse je nach Interpret gravierend unterschiedlich ausfallen können.172 Solange der Komponist unter den Lebenden weilt und – wie es im Bereich der zeitgenössischen Musik ja durchaus noch häufig vorkommt – bei Proben anwesend sein kann, ist eine annähernd authentische Wiedergabe noch im Bereich des Möglichen. Alles, was darüber hinausgeht, sollte allerdings vielleicht nicht unbedingt Sorge des Komponisten sein: so vertritt Gerald Futscher die – durchaus vom Futurismus gefärbte - Position,173 dass Musik im Idealfall immer nur Gegenwarts-

170 Kompatscher, Brigitte: „’Glück’: Monteverdi als musikalische Vorgabe“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (04.12.2005), S. 67. 171 Hilberg, Frank: „Geräusche? Über das Problem, der Klangwelt Lachenmanns gerecht zu werden“, in: Helmut Lachenmann. Heft 146, Hrsg. Ulrich Tadday (Musik- Konzepte Neue Folge. Die Reihe über Komponisten), München: Richard Boorberg Verlag 2009, S. 60-75, S. 60. 172 Ebd., S. 60ff. 173 Interview Futscher/Felder 16.11.2013. 45 musik174 sein soll und als Ausdruck ihrer Zeit auch nur innerhalb ihrer eigenen Grenzen existieren darf:

„Ein Komponist sollte, wenn er merkt, dass es ans Ende seines Lebens geht, schauen, dass er alle seine Noten in den Ofen schmeißt, weil die nächste Generation soll ihre Musik machen und soll sie unbeschwert machen können.“175

Die komplexen akustischen Eigenschaften der Geräusche sind es wohl, die einer bewusst eingesetzten musikalischen Verwendung in der Geschichte der kompositorischen Entwicklung lange Zeit entgegenstanden.176

Eng verbunden mit der ästhetischen Bewertung von Geräuschen ist das jeweilige vorherrschende Klangideal. So ist besonders die Epoche der Renaissance mit ihren obertonreichen Instrumenten interessant, die dann auch entsprechende Namen haben, wie „Rauschpfeife“, „Schnarrpfeife“ oder „Brummeisen“. In der Klassik und besonders der Romantik galt das Ideal des „schönen Tones“, Geräusche kamen nur als instrumentalbehandelte Nachahmungen, z.B. von Natur, Vögeln, ländlichem Leben oder Krieg, vor.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kommt es parallel zur Avantgarde in den bildenden und literarischen Künsten langsam auch zur Materialerweiterung im Kompositions- bereich.

Voraussetzung für die Erfahrbarkeit der neuen Klangwelt wäre allerdings ein grundlegender Wandel der Hörgewohnheiten, weg vom strukturell-systematischen Denken hin zu einem „kritischen Bewusstsein“ 177 , was allerdings mehr einem Individuationsprozess gleichkommen würde und somit der Sogwirkung der

174 „Ich lebe jetzt und schreibe Musik für jetzt.“ In: Thoma, Gerhard: „Kein Platz für Vernaderer“, in: Vorarlberger Nachrichten (14./15.04.2001), D10. 175 Interview Futscher/Felder 16.11.2013. 176 Vgl. auch im Folgenden Hilberg 2009, S. 63 ff. 177 Metzger, Heinz-Klaus: „Die integre Desintegration“, in: Metzger, Heinz-Klaus: Die freigelassene Musik. Schriften zu John Cage (Hrsg. Rainer Riehn u. Florian Neuner), Wien: Klever Verlag 2012, S. 106-112, S. 107. 46 Massenkultur, wie sie durch die fortschreitende Technologisierung und Medialisierung im 20. Jahrhundert aufgetreten ist, entgegenstehen müsste.

„Unser ganzes Wissen und die Weisheit unserer Intuition wird aufgerufen, und in dem Maße, wie unsere Wahrnehmung die Musik abtastet, werden wir selbst von ihr abgetastet, berührt, erkannt.“178

So ist der Wandel oder die Adaption der Hörgewohnheiten erstaunlich langsam vorangeschritten, wodurch auch heute Komponisten zeitgenössischer Musik noch häufig mit ähnlichen oder gleichen Vorwürfen und Anfeindungen umgehen müssen wie ihre Kollegen bereits 30 oder 40 Jahre zuvor.179 Helmut Lachenmann begegnete dieser Problematik einerseits mit einer konsequenten Ästhetikdiskussion und andererseits mit dem Versuch eines Neuanfangs:

„Den Verlockungen der Massenkultur ist einerseits zu widerstehen, andererseits gilt es, kompositorische Mittel zu entwickeln, die sich auf jene massenkulturellen Erfahrungen beziehen und an der Veränderung der Wahrnehmung mitwirken.“180

178 Metzger 1988, S. 122. 179 „Lachenmann fand früh Dirigenten, Solisten, Ensembles und Redakteure, die sich kontinuierlich für sein Schaffen einsetzten. (Widerstände bei Orchestermusikern waren dagegen die Regel und bedurften der argumentativen wie praktisch- demonstrierenden Überzeugungsarbeit)“, in: Thein, Wolfgang: „Lachenmann, Helmut Friedrich“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, Personenteil, Bd. 10, Kassel: Bärenreiter-Verlag u. Stuttgart: Metzler-Verlag 2003, Sp. 968-974, Sp. 973. Vgl. dazu das Kapitel in dieser Arbeit: „Kannst du mir den Takt vorsingen?“ 180 Hüppe, Eberhard: Art. „Helmut Lachenmann“, in: Hanns-Werner Heister und Walter-Wolfgang Sparrer (Hrsg.), Komponisten der Gegenwart, 50. Nachlieferung Okt. 2013, München: edition text+kritik, S. 1-38, S. 3. 47 „Musik ist auch Körper.“181

„Ich denke, ein Instrument kann auch ein Gerät sein und benutze das Cello als Gerät, als Körper. Das kitzele ich am Bauch und das kratze ich hier und dort.“182

Grundlegend für Lachenmanns kompositorische Philosophie ist die mit seinem Lehrer Luigi Nono gewonnene bzw. bestätigte Erkenntnis, „dass es keinen glaubwürdigen Weg für die Musik ohne eine aufgeklärte Kompositionstechnik, dass es zugleich aber kein aufgeklärtes Komponieren geben kann ohne die Verankerung in einer verantwortungsvollen Gesinnung“183 .

So komponiert Lachenmann „gleichsam auf der Rückseite jener Grundbedingungen traditioneller Musik“ 184 , indem er sich prinzipiell der traditionellen Orchester- besetzungen bedient185, aber gleichzeitig provoziert er eine „Neutralisierung von Vertrautem“:

„Eine Entmusikalisierung ist ein Zurückstellen der Wahrnehmungsinstanzen auf Null, mit dem Zweck, eine unvorbelastete Basis für die musikalischen Prozesse zu schaffen, die nicht auf das Erkennen von Symbolsystemen, sondern der konkreten akustischen Eigenschaften gerichtet ist.“186

Lachenmann begründet die ihm eigene Stilrichtung der musique concrète instrumentale Mitte der 60er Jahre und erfindet oder entdeckt im Zuge dessen viele Spieltechniken, die den Schwerpunkt auf „die ansonsten ausgeblendete mechanisch- technische Seite des Klangs“187 und der instrumentenspezifischen Klangerzeugung

181 Zitat Gerald Futscher. Interview Futscher/Felder 19.11.2013. 182 In: Pression für einen Cellisten (1968). Zitiert nach: Hilberg 2009, S. 72f. 183 Lachenmann, Helmut: Musik als existenzielle Erfahrung. Schriften 1966-1995 [1973] (hrsg. Josef Häusler). Wiesbaden: Breitkopf und Härtel 1996, S. 260. 184 Hiekel 2009, S. 14. 185 „Die Wandlungen seiner Musik verlaufen innerhalb dieses Kunstbegriffs, der an traditionelle Konzertsäle und traditionelle Besetzungen gebunden ist.“ Ebd., S. 21. 186 Hilberg 2009, S. 72. 187 Thein 2003, Sp. 972. 48 legen, was zur Entdeckung „einer höchst differenzierten Welt voller geflüsterter, gehauchter, geklopfter oder gekratzter Klänge“ 188 führt. Es geht um „die kompositorische Freilegung der Energetik von Klangkörpern und –prozessen“.189

„Ich habe mich überhaupt nicht von Lachenmann inspirieren lassen. Der arbeitet einfach ganz ähnlich wie ich.“190

Was Gerald Futscher und Helmut Lachenmann zunächst grundsätzlich verbindet, ist die Bewunderung für Luigi Nono. Lachenmann hatte das Glück bei ihm in Venedig zu studieren (1958-1960)191, bei Futscher kam es leider nicht dazu:

„Mit 17 Jahren bin ich vor seiner Haustür in Venedig gestanden, habe die Türglocke angeschaut und habe mir gedacht: ‚Verdammt, da oben wohnt er, aber ich bin noch nicht soweit.’“192

Eine Gemeinsamkeit ist auch die schöpferische Ernsthaftigkeit im Umgang mit ihren kompositorischen Ideen. So meint Futscher:

„Ich sehe es im Bach’schen Sinn, der meinte: ‚Jede Musik, die nicht zur Ehre Gottes geschrieben wurde, ist eitles Geplärr und Geleier.’ Jetzt ersetzen wir einfach das Wort ‚Ehre Gottes’ durch diese Art der Ernsthaftigkeit.193 (...)Wenn ich Klänge mit seltsamen Dingen erzeuge, bekomme ich oft zu hören, das seien nur Effekte. Doch darauf reagiere ich sauer, weil das nicht stimmt.194 (...) Oft sind Techniken seltsam und dann muss man sie aber ernst nehmen, sonst macht man ganz viel kaputt.195“

188 Hiekel 2009, S. 13. 189 Hüppe 2013, S. 1. 190 Interview Futscher/Felder 16.01.2014. 191 Thein 2003, Sp. 968. 192 Interview Futscher/Felder 16.11.2013. 193 Interview Futscher/Felder 19.11.2013. 194 Thurner, Silvia: „’Liebst du mich denn nur aus Langeweile?’ Der Kosmos des Komponisten Gerald Futscher“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 27/Nr.3 (2012), S. 40-41, S. 41. 195 Interview Futscher/Felder 16.11.2013. 49 Lachenmann gerät zum Thema Ernsthaftigkeit in einen intellektuellen Disput mit Hans Werner Henze, der ihm ein Ritualisieren von Hässlichkeit, Zerstörung und Negativität vorwirft196 – ganz im Sinne der derzeit aktuellen Meinung Alessandro Bariccos, der auch nur längst entleerte Hüllen in der gesamten Szene zu finden weiß: „Dunkelheit der Sprache, Rationalitätskult, Freude an der Weltabgeschiedenheit und der Stolz darauf, das grundsätzliche Misstrauen gegenüber der Welt der anderen“.197 Lachenmann fühlt sich selbstverständlich grundlegend missverstanden, geht es ihm doch in seiner Musik um die Freilegung des Potentials, das nötig ist, um das ‚Staunen’ neu zu lehren.198 So äußert sich Lachenmann zu einem seiner Werke:

„Gran Torso ist keine expressionistische Musik, die den traurigen Weltlauf mit Kratzgeräuschen beweint, sondern die sich auf das Abenteuer einlässt, den Begriff Schönheit unter anderen Bedingungen nochmals zu fassen.“199

Dass darin die von Henze geforderte „happiness“200 keinen Platz haben kann, ist durchaus leicht nachvollziehbar. Vielleicht würde sich Henze da über die eine oder andere Komposition von Futscher mehr freuen, bei dem bei aller Ernsthaftigkeit ja doch auch immer wieder mal ein zwinkerndes Auge dabei sein darf:

„Das Vokabular geräuschartiger Klänge bereicherte das formal spannend angelegte Werk mit einem geistreichen Witz, der nicht als oberflächlicher Aufputz wirkte, sondern symbolhafte Verknüpfungen offenbarte.“201

196 Lachenmann, Helmut: „Offener Brief an Hans Werner Henze“ (1983) in: Helmut Lachenmann. Heft 61/62, Hrsg. Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn (Musik- Konzepte. Die Reihe über Komponisten). München: edition text+kritik 1988, S. 12-18, S. 12ff. 197 Baricco 2006, S. 76. 198 Hiekel 2009, S. 10. 199 Gottwald, Clytus: „Vom Schönen im Wahren“ (1985) in: Helmut Lachenmann. Heft 61/62, Hrsg. Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn (Musik-Konzepte. Die Reihe über Komponisten). München: edition text+kritik 1988, S. 3-11, S. 8. 200 Lachenmann 1983, S. 15. 201 Zu „le bandage de peau“ in: Thurner, Silvia: „Jedes Ding birgt Klänge in sich“, in: Vorarlberger Nachrichten (06.10.2000), D4. 50 „Ich komponiere ja viel schöner als die Alten.“202

Während Futscher sich mit einem Schulterzucken und obigem Zitat gar nicht erst auf die umfangreiche Diskussion zur Frage des Ästhetikbegriffs in der zeitgenössischen Musik einlässt, hat Lachenmann in diesem Bereich bereits für sehr viel Diskussionsstoff gesorgt, indem er ‚Schönheit’ als ‚Verweigerung des Gewohnten’ definiert,203 mit der Absicht eines „Zerstörerischen Umgangs mit dem, was man liebt, um dessen Wahrheit zu bewahren“204. Was man durchaus als pessimistisch deutsche Strenge und Hadern mit der Welt hören kann, meint vielmehr eine Angst vor der semantischen Begriffsentleerung des Schönen durch eine eindimensionale Wertehaltung und durch ein Verdrängungsspiel bei gesellschaftlicher Übereinkunft fern jeder Kreativität.205 So wird das Postulat Schönbergs, die Suche nach der Wahrheit und nicht der fälschlichen Schönheit, zur Suche nach einer entkanonisierten und im Offensichtlichen abwesenden Heterogenität.206

„Ein Instrument so zu benützen wie andere, ist nicht neu.“207

Und Lachenmann ergänzt zu Futschers Aussage im Disput mit Hans Werner Henze:

„Tatsächlich wird die ‚Zertrümmerung des Materials’ nicht dort geübt und gefeiert, wo, wie z.B. auch in meiner Musik, die überlieferten musikalischen Mittel reflektiert, sondern dort, wo sie, wie bei Ihnen [gemeint ist Henze], bedenkenlos ausgeschlachtet werden, und es ist noch lange nicht gesagt, dass einer in der Tradition wurzelt, bloss weil er darin wurstelt.“208

So sind sich Futscher und Lachenmann genauso einig, dass „neue Musik“ auch tatsächlich immer etwas „neues“ beinhalten muss. Hier trennen sich aber bereits ihre

202 Vorarlberg Heute, TV ORF 2, 11.11.2013. 203 Thein 2003, Sp. 970. 204 Gottwald 1985, S. 6. 205 Ebd., S. 8f. 206 Hüppe 2013, S. 19. 207 Interview Futscher/Felder 19.11.2013. 208 Lachenmann 1983, S. 13. 51 kompositorischen Wege. Während Lachenmann im klassischen Instrumentarium seine musique concrète instrumentale vervollkommnet, taucht Futscher durch seine Klangkörpererfindungen noch weiter in die Möglichkeiten des Klanges - was ein Geräusch für Futscher ja letztlich dann auch wieder ist – ein. Dabei streift er mit seinen häufigen Tonbandeinsätzen und Klanginstallationen oder Studio- kompositionen durchaus auch den Bereich der musique concrète von Pierre Schaeffer,209 aber die Technik der digitalen Verfremdung oder auch die absolute Geräuschmusik basieren doch immer auf zunächst analog aufgenommenen Klangereignissen und die Tonbandzuspielungen in Konzerten würde Futscher lieber mit live-Elektronik erzeugen, was aber bisher nicht umsetzbar war.210 So bewegt sich Futschers Kompositionsstil irgendwo zwischen den theoretischen Begrifflichkeiten und letztlich könnte man es auch einfach sehen wie John Cage, mit dem ihn auch das eine oder andere verbindet:

„You don’t have to call it music, if the term shocks you“

209 Vgl. Frisius, Rudolf: Art. „musique concrète“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, Sachteil, Bd. 6, Kassel: Bärenreiter- Verlag u. Stuttgart: Metzler-Verlag 1997, Sp. 1834-1844. 210 Interview Futscher/Felder 16.01.2014. 52 Intermezzo: dem volk aufs maul geschaut

jemandem honig ums maul schmieren / das maul halten / den hals nicht vollkriegen / mund zu, es zieht / ein großes maul haben / haare auf den zähnen haben / in aller leute munde sein / jemandem das maul stopfen / die zähne zusammenbeißen / von mund zu mund gehen / jemandem etwas in den rachen stopfen / jemandem ums maul gehen / etwas zähneknirschend sagen / sich den mund fusslig reden / ein schiefes maul ziehen / jemanden mundtot machen / ein ungewaschenes maul haben / mit einem goldenen löffel im mund geboren sein / zähne zeigen / kein blatt vor den mund nehmen / ein loses maul haben / jemandem nach dem mund reden / ein paar aufs maul kriegen / bis an die zähne bewaffnet sein / reden wie einem das maul gewachsen ist / jemandem den mund wässrig machen / einem geschenkten gaul schaut man nicht ins maul / mit offenem mund dastehen / sich an etwas die zähne ausbeißen / den mund nicht aufkriegen / hat gold im mund / jemandem etwas in den mund legen / auf dem zahnfleisch kriechen / etwas nicht in den mund nehmen / etwas zwischen die zähne bekommen / nicht auf den mund gefallen sein / das maul aufreißen / von der hand in den mund leben / sich das maul zerreißen / jemandem auf den zahn fühlen /

53 La Scuola Degli Amanti – eine Kammeroper

Das „Attentat auf das Operngenre“211 – Futscher und die Gattung aller Gattungen

Gerald Futschers Debüt auf den so wichtigen „Brettern, die die Welt bedeuten“ hatte es in sich. Im Mai 1994 kam es zur „Weltur- und –alleinaufführung“212 seiner Oper „Der wilde Jäger“213 im Rahmen der Wiener Festwochen im Wiener Museumsquartier. Bereits 1989 hatte er mit „Fluch der Berge“214 einen ersten experimentellen Vorstoß in die kompositorische Welt der Oper unternommen, mit dem „wilden Jäger“ erreichte er allerdings erstmals ein breites – und auch sehr kritisches – Wiener Publikum. Als Stoff wählte er einen Text von Franz Grillparzer, der in einem nur wenige Zeilen umfassenden, irrwitzig-bissigen Schnelldurchlauf mit Seitenhieb auf Carl Maria von Weber die romantische Oper zu Fall bringt und in einem großen Inferno das Theater über dem Publikum in sich zusammenstürzen lässt.215 Und so ähnlich geschieht es dann auch unter lautstarkem Einsatz des groß besetzten Radiosinfonieorchesters Wien:

„Nun hat man selten so viel Lärm um nichts gesehen und gehört, aber der ‚Lärm’, den sich Futscher dazu ausdachte, ist brillant und man versteht, dass ein Mann wie Dennis Russell Davies dies für eine realisierenswerte Partitur hielt.“216

Dass zu Futschers Musik dann „wilde Stiere“ im Zuschauerraum losgelassen und Gewehrsalven ins Publikum abgefeuert werden, versinnbildlicht Grillparzers Idee der

211Dietrich, Christa: „Eine ‚wilde’ Oper“, in: Vorarlberger Nachrichten (27.05.1994), D6. 212 Reiterer, Reinhold: „Der Hofrat & der Jungkomponist“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (29.05.1994), S. 47. 213 „Der wilder Jäger. Oper in einem Aufzug nach einem Libretto von Franz Grillparzer“ (1994) ca. 30’. 214 „Fluch der Berge“ (1989). Phantastische Oper in vier Akten. Ca. 180’. 215 Reiterer Reinhold: „Der Hofrat & der Jungkomponist“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (29.05.1994), S. 47. 216Wagner, Renate: „Alles wild – und wie!“, in: Vorarlberger Nachrichten (30.05.1994), D6. 54 Eliminierung217 und diese Attacke im doch geschützten Bereich des Operngenres wurde vom Publikum nicht positiv aufgenommen.218

Auf diesen künstlerisch-ekstatischen Ausbruch zu Beginn von Gerald Futschers Kompositionslaufbahn folgte zunächst eine schöpferische Ruhephase, was das Operngenre anbelangt. Die nächste Gelegenheit bot sich erst mit einem Kompositionsauftrag für die Oper „paradiesseits“ des aktionstheater ensembles für eine Uraufführung im Rahmen des Bregenzer Frühlings auf der Werkstattbühne des Festspielhauses im Jahre 2009.219

Futscher widmete dem Projekt zwei Jahre Vorarbeit, es entstand eine 350 Seiten starke durchkomponierte Partitur, was ca. zweieinhalb Stunden dichte und sehr eindringliche Musik bedeutete. Das Thema faszinierte ihn dabei sehr, ging es doch um die Liebe - was sonst in einer Oper -, aber gesellschaftlich verschoben in die tabuisierte Umgebung des Altersheims. Futscher sah in dem Projekt die Möglichkeit eher ausgegrenzte Themen anzusprechen, wie Sexualität im Alter, Umgang mit dem Tod und im gesanglichen Bereich vor allem die Schönheit einer alten, verbrauchten Stimme: Er wollte für sämtliche Rollen nur Sänger besetzen, die etwa siebzig Jahre alt wären. In der Zusammenarbeit mit dem Regisseur Martin Gruber kam es diesbezüglich zu unterschiedlichen Genre- und Interpretationsauffassungen,220 und so wurden die alten Singstimmen mit Schauspielern besetzt und das Werk als „Sprechoper“ angekündigt – was aber den Begriffskriterien per definitionem nicht entspricht. Die Premierenkritik fiel dementsprechend ambivalent aus:

„Der Zusammenhang zwischen der Musik und der Darstellung wurde dem Autor dieser Zeilen bis zuletzt nicht ganz klar, da die Elemente nicht

217 Wagner, Renate: „Alles wild – und wie!“, in: Vorarlberger Nachrichten (30.05.1994), D6. 218 Interview Futscher/Felder 16.01.2014. 219 Egger, Daniela: „Provokante Töne“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (10.05.2009), S. 94f. 220 Interview Futscher/Felder 19.11.2013. 55 zusammenfanden. Schade, denn die Musik war ansprechend und hervorragend in Szene gesetzt.“221

Für Futscher war die nötige Verbindung der Künste, die für ihn eine Oper definitorisch ausmacht, nicht mehr gegeben, 222 aber zur Uraufführung kam es dennoch – ein Umstand, den Silvia Thurner bedauert, da sie dem Werk in seinem Originalzustand nach der Partiturlektüre noch größere schöpferische Ausdruckskraft zugetraut hätte. Für sie war die Aufführung aber dennoch ein positives Erlebnis, da am Pult des Kammerorchesters der Dirigent und künstlerische Leiter des Ensembles Windkraft, Kasper de Roo, die Musik Futschers souverän interpretierte und den Notentext mit der dafür notwendigen Gewissenhaftigkeit umzusetzen wusste.223

Ebenso 2009 vollendete Futscher noch eine weitere Opernpartitur, „Leonce und Lena“, nach dem Stück von Georg Büchner, die aber bisher nicht aufgeführt wurde.

Opernprojekte zu realisieren ist natürlich aufgrund des finanziellen, personellen und zeitlichen Aufwands eine der ganz großen Herausforderungen im Bereich der Neuen Musik, der sich Gerald Futscher auch in seinem neuesten Vorhaben, der Kammeroper „La scuola degli amanti“, erneut stellte:

Vom Konzept zum Torso224

Den Auftrag zur Komposition der Kammeroper erhielt Gerald Futscher vom Leiter des ensemble plus, Andreas Ticozzi. Ursprünglich war sie als Kooperation mit dem Landestheater Vorarlberg vorgesehen, was dann aber nicht zustande kam; die

221 Furxer, Daniel: „Und dann leider doch nicht im Paradies gelandet“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (19.5.2009), S. 28. 222 „Wir haben das Dilemma, dass es eine Oper ist, aber nicht gesungen wird. In einer Oper soll aber gesungen werden.“ Zitat aus: Kompatscher, Brigitte: „’Paradiesseits’: Oper mit einer Singstimme“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (13.05.2009), S. 26f, S. 27. 223 Interview Thurner/Felder 14.01.2014. 224 folgende Informationen beruhen auf dem Interview Futscher/Felder 16.01.2014. 56 Themenstellung blieb allerdings trotzdem aufrecht: die Auseinandersetzung mit Mozarts Oper Cosí fan tutte.

Zunächst ging es mit Andreas Ticozzi natürlich um die Verhandlung der Besetzung (Futscher: „Da wird um jedes Instrument geschnapst.“). Aus Kostengründen und auch räumlichen Gegebenheiten war nur eine kammermusikalische Besetzung möglich, wobei die Streicher mit nur einer Geige und einem Cello recht dünn vertreten waren. Aber Futscher kann auch diesem Umstand etwas abgewinnen:

„Das ist dann immer reizvoll. Jetzt habe ich diese seltsame Besetzung und wie gehe ich damit um. Im Endeffekt ist mir dann egal, welche Instrumente ich habe. Da stelle ich mich dann darauf ein, damit muss und kann ich dann basteln.“225

So ergab sich schließlich folgende Besetzung:

Fiordiligi Sopran Dorabella Mezzosopran Don Alfonso Schauspieler, stumme Rolle Männerchor von 5-7 Personen

Flöte (Piccolo), Klarinette, Horn, Fagott (Kontrafagott), Violine, Cello, Klavier, Celesta, Percussion (Röhrenglocken, Crotales, Glockenspiel, Metallophon, Almglocken, große Trommel)

Im Bereich der Nebeninstrumente war es möglich, zusätzliche Klangfarben ins Spiel zu bringen und auch die Percussion bietet in dieser Hinsicht ein breites Spektrum, wobei es Futscher in diesem Werk nicht um etwaige semantische Aufladungen der eingesetzten Instrumente geht, sondern rein um die klanglichen Nuancen. So setzt er beispielsweise auch Almglocken ein, um einen möglichst weichen Klang zu erhalten, Lachenmann sieht im Vergleich dazu in deren Verwendung generell aber bereits einen kompositorischen Auftrag beinhaltet:

225 Interview Futscher/Felder 19.11.2013. 57 „Zwischen dem rein akustisch-empirischen Gebrauch etwa einer Almglocke und dem, was ihr an kulturellen Bedeutungen anhängt, existiert eine Spannung, die auf ihre kompositorische Austragung wartet.“226

Aus Kostengründen war geplant, dass Futscher in der Aufführung selbst den Klavierpart übernimmt, als dann augenscheinlich wurde, dass es aber keinen Dirigenten geben wird, musste Futscher diese Funktion übernehmen. Selbst am Pult zu stehen ist für Gerald Futscher ein leidiges Thema, weil das schon des Öfteren vorkam und er dann eben aus der Not eine Tugend machen musste. Die Aufführung von „paradiesseits“ hatte gezeigt, welches Potential in seiner Musik zum Ausdruck gebracht werden kann, wenn die Durchführung in professionellen und geschulten Händen, in diesem Fall Kasper de Roos, liegt.227 Auch die Probenarbeit oblag Futschers Verantwortung, es gab insgesamt drei Proben vor der Uraufführung – für vierzig Minuten hochkomplexe Musik. Als im Vorfeld klar wurde, dass es eine konzertante Aufführung werden würde, da auch die stumme Rolle, der Schauspieler, nicht mehr im Budget zu finanzieren war, entschied sich Futscher auch den Chor wegzulassen – teils aus Resignation.228

Was blieb für die Uraufführung?

Bei der Uraufführung im Rahmen des Festivals Texte und Töne im ORF Landesstudio Dornbirn am 9. November 2013 erklang also lediglich der unfertige Torso einer Oper. Silvia Thurner stand einer solchen Präsentation – vor allem auch, weil es als Kurzoper von der Presse angekündigt worden war – skeptisch gegenüber, da dem Werkcharakter der Oper auf diese Weise nicht entsprochen werden konnte und bei der Uraufführung dadurch eine falsche Erwartungshaltung generiert wurde, da der Torso nicht für die Gesamtwirkung stehen kann.229 Sie wertet diese Uraufführung

226 Hüppe 2013, S. 8. 227 Interview Thurner/Felder 14.01.2014. 228 Interview Futscher/Felder 16.01.2014. 229 Interview Thurner/Felder 14.01.2014 und im Internet: http://www.musicaustria.at/magazin/neue-musik/artikel-berichte/texte-und-toene (letzter Zugriff 24.02.2014) 58 aber nicht als Einzelphänomen, sondern als „Zeichen der Zeit, in der oft leere Hüllen verkauft werden“.230

Gerald Futscher sieht die Situation pragmatischer, schließlich besteht die Oper ja trotz dieser reduzierten ersten Aufführung als Partitur und harrt ihrer Verwirklichung – eine Situation, die ihm bereits wohlbekannt ist, und von der er sich in seinem Schaffen nicht weiter beeinträchtigen lassen will.231 Er sah die Aufführung als vom Werkcharakter befreite Interpretation, so erklang vielmehr eine Kantate, die als solche dann auch vom Publikum sehr wohlwollend aufgenommen wurde.232

Die Kompositionstechnik233

Kompositorisch hat Gerald Futscher über die Jahre sein eigenes System der Herangehensweise entwickelt und seine musikalischen Möglichkeiten stetig erweitert, so bewegt er sich ab dem Ensemblewerk „le bandage de peau“ aus dem Jahr 2000 verstärkt und konsequent im Vierteltonbereich.234

Dabei sind die einzelnen Arbeitsschritte ein ständiges Pendeln zwischen serieller Strenge und alles wieder verschleiernder Intuition als Gegenbewegung, wie sich anhand der Kammeroper zeigen lässt:

230 Interview Thurner/Felder 14.01.2014. 231 Interview Futscher/Felder 16.01.2014 und aus dem Interview Futscher/Thurner 08.10.2013: „Ja, so hat es etwas Kantatenhaftes. Das ist üblich bei mir. Bei meinen Stücken hört man immer nur eine gewisse Prozentzahl von dem, was eigentlich gedacht wäre.“ 232 im Internet: http://kulturzeitschrift.at/kritiken/musik-konzert/ein-festival-das- musik-literatur-gespraeche-und-begegnungen-in-angenehmer-atmosphaere-unter- einen-hut-brachte2013-201etexte-und-toene201c-im-funkhaus-dornbirn-wurde- erfolgreich-wieder-belebt (letzter Zugriff 24.02.2014) 233 Vgl. zu folgendem das Interview Futscher/Felder 16.01.2014. 234 Oss 2001, S. 35. 59 1. Die Ursprungsreihe

Abb. 1: handschriftliche Notizen des Komponisten, im Besitz des Komponisten

Am Anfang steht eine frei gewählte gesangliche Vierteltonreihe als materielle Basis für das gesamte Werk und von dieser werden die Modi Spiegel, Krebs und Spiegelkrebs gebildet. Anschließend bildet Futscher aus den Reihentönen jeweils vierstimmige Akkorde in weiter Lage aus den aufeinanderfolgenden Tönen 1 bis 4, 2 bis 5, 3 bis 6 etc. (schwarze Notenköpfe) und interpretiert den entstandenen Akkord dann durch Verwendung von übermäßigen Oktaven so um, dass der Akkord auf dem Klavier spielbar wird (weiße Notenköpfe):

Abb. 2: handschriftliche Notizen des Komponisten, im Besitz des Komponisten

Die Idee, die für ihn dahinter steht, ist der Versuch, ein höherwertiges System auf einem niedrigeren abzubilden, ähnlich wie wenn man ein dreidimensionales Bild zeichnen möchte.

60 Dann erstellt er eine beliebig fortführbare Liste an Reihen, indem er unterschiedliche Variationen der Modi in bereits kontrapunktisch gedachte Beziehungen zueinander setzt, mit dem Ziel ein möglichst umfangreiches Tonmaterial zu erhalten. So transponiert er z.B. den Spiegel eine Quint hinauf und setzt ihn dann mit der Grundreihe in Beziehung:

Abb. 3: handschriftliche Notizen des Komponisten, im Besitz des Komponisten 2. Der Rhythmus

Handhabte Futscher die rhythmische Struktur in früheren Werken noch intuitiv,235 so hat er sich jetzt verschiedensten mathematischen Theorien verschrieben, in der Kammeroper vor allem den Primzahlen; so sind sämtliche Tondauern Primzahldauern auf Basis der Sechzehntel als kleinste Zähleinheit, die dann z.T. auch dezidiert auf- oder absteigend verwendet werden:

Abb. 4: Aus dieser Rhythmisierung ergibt sich dann auch die Taktartengestaltung, die immer wieder 1/16 und 3/16 Takte als Einschub erfordert. (aus handschriftlichen Notizen des Komponisten, im Besitz des Komponisten)

235 Thurner, Silvia: „’Musik ist für mich eine emotionale Sprache’“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 12/Nr. 10 (1997), S. 30-32, S. 30. 61 3. Der Kontrapunkt

Sehr wichtig ist zunächst noch die Ausformulierung eines cantus firmus, der sich wie ein roter Faden durch das Werk zieht – allerdings oft entstellt oder verschoben und fugenartig gehandhabt wird oder komplett ausfällt. Dazu bilden dann die übrigen Stimmen einen Kontrapunkt, der sich aber auch verselbständigen kann, so geschehen bereits in den ersten einleitenden Takten der Oper; so hört man zunächst nur den Kontrapunkt zum eigentlichen Thema, das dann in Takt 27 in der Violine zum ersten Mal auftritt:

Abb. 5a: La Scuola degli Amanti, Szene 1, Takt 1-33. Partitur im Besitz des Komponisten

62

Abb. 5b: La Scuola Degli Amanti, Szene 1, Takt 34-43. Partitur im Besitz des Komponisten

Den weiteren freien polyphonen kompositorischen Verlauf vergleicht Futscher mit der Arbeit eines Malers, der auch zunächst theoretische Parameter wie Umrisse, Perspektive und Schwerpunkte als Skizze aufträgt und diese dann in vielen Arbeitsschritten schichtweise mit Farben übermalt, bis schlussendlich womöglich auch ein ganz anderes Bild entsteht, als die ursprüngliche Skizze hätte vermuten lassen.

So bedient sich Futscher der seriellen Technik um für sich einen strukturellen Anhaltspunkt zu haben, damit der Prozess des Komponierens „nicht ins Beliebige abdriftet“236:

„Aus dem Bauch heraus geht bei mir nichts. Die drei Wege aus dem Bauch heraus sollen bitte nicht in meine Kunst einfließen. So kann nichts Neues passieren, das ist eine Variation von dem, was ich eh schon gehört habe, oder wo meine Vorlieben sind oder ähnliches, auch wie ich sozialisiert worden bin. Das verkauft man groß als Intuition, da kann sich aber nichts Neues entwickeln. Von einem geistigen Prozess erwarte ich mir einfach mehr.“237

236 Thurner, Silvia: „’Liebst du mich denn nur aus Langeweile?’ Der Kosmos des Komponisten Gerald Futscher“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 27/Nr.3 (2012), S. 40-41, S. 41. 237 Interview Futscher/Thurner 08.10.2013. 63 In seinem kompositorischen Ansatz ähnelt Futscher damit auch Helmut Lachenmann, der nie in wirklich strikt serieller Weise gearbeitet hat, und dem es auch „um die Infragestellung aller in strenger serieller Musik realisierten regelhaften Strukturen, um die durch bewusste Inkongruenzen hervorgerufene Überwindung jedweden Systemzwangs [geht]“238. Ein auffallendes Gestaltungsprinzip bei Gerald Futscher ist auch der aus dem barocken Stil stammende „Floridus“, eine Verzierungstechnik, die der Umspielung der Haupttöne dient und wodurch oft sehr komplexe Partiturbilder entstehen.

Die Klangwelt der Oper

Das Orchester

Die Oper eröffnet zu Beginn mit einer filigranen Struktur, dem Kontrapunkt zum eigentlichen Thema, das dann in Takt 27 mit den Streichern einsetzt. Piccolo, Röhrenglocken und Glockenspiel erzeugen eine weiche und durchsichtige, aber durchaus auch bedrohliche Klangwelt, während die großflächigen Vierteltonreihen hauptsächlich im Flageolett in den Streichern verarbeitet werden. Dem Klavier kommt dabei eine besondere Rolle zu: Die Fortissimo-Einwürfe mit nachgegriffenem Pianissimo-Akkord erinnern Futscher an die Holztrommeln im japanischen No- Theater und sind neben der harmonischen Funktion vor allem Träger der inneren Ordnung des Stückes, da sie an wichtigen Primzahlstellen oder Formabschnitten auftreten.

Abb. 6: La Scuola Degli Amanti, Szene 1, Takt 53-61, Auszug der Klavierstimme. Partitur im Besitz des Komponisten

238 Hiekel 2009, S. 15. 64 In der zweiten Szene verdunkelt sich die Klangwelt, vor allem durch den Einsatz des Kontrafagotts, und auch kompositorisch kommt es zu einer Verdichtung der ineinander verwobenen Stimmen.

Abb. 7: La Scuola Degli Amanti, Szene 2, Takt 437-440. Partitur im Besitz des Komponisten

Die dritte Szene beginnt noch einmal mit einem kurzen statischen Moment für einen erneuten Spannungsaufbau und steigert sich in einem sich weiter verstrickenden Fugato bis ab Takt 828 die Schläge des Klaviers in ihrer anfänglichen Form immer wieder zurückkehren und quasi das Ende vorausahnen.

Die Stimmen

Den Instrumentalpart der Oper sieht Futscher als eine grundierte Leinwand, die sich ihre eigene Welt erschafft, während sich die beiden Singstimmen in sehr lyrischen Belcanto Linien darüber hinwegbewegen. Dabei kommt es aber auch sehr häufig zu Verflechtungen der Gesangssstimmen mit einzelnen Instrumenten.

In ausgesuchten Momenten schiebt Futscher auflockernde Elemente in die ansonsten stringente Komposition ein, so z.B. in den Takten 509-514, die – wenn schon eben genau nicht mozartisch – doch einen kurzen Anklang an die romantische Oper suggerieren:

65 Abb. 8: Futscher: „Ich verwende die Einschübe um ein bisschen Abwechslung hineinzubringen. Und bei dieser Textstelle (‚Oh, Sterne, welch fürchterliche Schreie!’) hab ich mir gleich gedacht: ‚Oh ja, und jetzt Puccini!’“; La Scuola Degli Amanti, Szene 2, Takt 500-512, Partitur im Besitz des Komponisten

66 Bei seiner Beschäftigung mit der Oper Così fan tutte ließ Futscher die Musik Mozarts komplett außen vor und befasste sich nur mit dem Libretto Lorenzo da Pontes, das er „wie einen Steinbruch“ behandelte und in Hinblick auf seine zwei Hauptthemen, der Liebesschmerz und das Orale, Phrasen auswählte und in neue Zusammenhänge stellte239 – ein Verfahren, das im Bereich der Neuen Musik häufig angewandt wurde und wird, vgl. Gottwald:

„Dass die jüngeren Komponisten seit Boulez und Nono – und ich schließe Lachenmann darin ein – beim Umgang mit Texten diese weitgehend auflösen, um sie der Musik anzunähern, ist sowohl realistischer Versuch ihres Gehaltes teilhaftig zu werden, als auch Phobie gegen die triste Geschichte des Verhältnisses von Wort und Ton.“240

Der Chor

Der Chor hat keinen Text im herkömmlichen Sinn, sondern arbeitet ausschließlich mit Geräuschen und Stimmtechniken, die vom Mund, dem Rachenraum oder/und den Stimmbändern erzeugt werden können. Gerald Futscher beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit der Erforschung, Erfindung oder auch Entdeckung neuer Techniken in diesem Bereich – das geht allerdings häufig nur nachts im Atelier und dann oft bis zur Heiserkeit.241 Dabei erstellt er eigene Symbole und Listen für die jeweiligen Geräuschnuancen, wie z.B.:

Abb. 9: Ausschnitt aus einer Liste von Mundgeräuschanleitungen, im Besitz des Komponisten

239 Vgl. das Libretto im Anhang. 240 Gottwald 1985, S. 6. 241 Interview Futscher/Felder 16.11.2013. 67 Diese Techniken kommen auch immer wieder in seinen Werken vor, so in „Der Würstchenesser“ für Harmonium und Schlagzeug (2000):

Abb. 10: Ausschnitt aus „Der Würstchenesser“(2000), Seite 7, handschriftliche Partitur im Besitz des Komponisten

Als bisheriges Hauptwerk in Futschers Arbeit mit Stimmtechniken darf sicherlich „tu baves, cochon, tu baves“ für gemischten Chor und Harmonium (2001) gelten, dessen Partitur allein ein „graphisch-musikalisches Gesamtkunstwerk“242 darstellt:

242 Füßl, Peter: „Ragouts, die mit Blut gebunden werden. Interview mit Gerald Futscher zur CD-Präsentation“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 19/Nr. 7 (2004), S. 30-31, S. 31. 68

Abb. 11: Ausschnitt aus der graphischen Partitur von „tu baves, cochon, tu baves“, handschriftliche Partitur im Besitz des Komponisten

Futscher zum Stück: „Stimmtechniken werden am Beginn tonlos vorgeführt, die Musik kommt erst im Lauf der Zeit dazu. Auf diese Weise passiert etwas Eigenartiges. Wenn zum Beispiel kein Ton zur Anweisung „Zunge durch die Lippen ein- und ausschnellen“ erklingt, entsteht ein ganz anderer symbolischer Gehalt. Ohne Ton wirkt diese Passage durchaus obszön, wenn jedoch ein Ton dazu gesungen wird, ist diese Wirkung nicht vorhanden.“243

Weitere Werke, die dazuzurechnen sind: Die Walrus. Für Streichsextett (2003), Froschkonzert. Für gemischten Chor, Blechbläserquintett, Saxofon, Kontrabass, Harmonium, Percussion und Tonband (2004), Theatermusik zu miluj ma. aktionstheater (2004), Theatermusik zu Der Schwalbenkönig. aktionstheater (2006),

243 Thurner, Silvia: „Expressive, erotische Ausdrucksformen frei baggern“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 16/Nr. 5 (2001), S. 48-49, S. 49. 69 Derrière mes dents. Aus: 5 Lieder nach Gedichten von Michel Houellebecq für Mezzosopran und Ensemble (2012).

In Zusammenhang mit diesen Stimmtechniken hatte Gerald Futscher einst ein aha- Erlebnis, als er das Radio aufdrehte, über das er auch viele seiner Informationen über die internationale Szene bezieht, und Helmut Lachenmanns Oper „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ (1997) zum ersten Mal hörte:

„Da höre ich alle meine schönen Gesangstechniken! Lachenmann hat alle meine Techniken gestohlen! (lachen)“244

Heute ist Futscher wichtig zu betonen, dass er sich nicht von Lachenmann beeinflussen ließ und erst recht nichts von ihm kopierte – wie Lachenmann ja doch einigen Komponisten unterstellt245 -, sondern dass es erstaunliche Parallelen in ihrer Arbeits- und Denkweise gibt,246 was Futscher auch veranlasste, den Komponisten im April 2010 in Biberach einmal persönlich zu treffen.247 Einen deutlichen Unterschied sieht Futscher allerdings doch: „Wenn er (Lachenmann) etwas macht, wird es veröffentlicht; wenn ich es mache, sagen alle: ‚Du hast einen Vogel, das kann man so nicht machen.’“248

„Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ gilt mittlerweile als Lachenmanns Hauptwerk249 und stellt in seinem Schaffen eine Besonderheit dar. Lachenmann: „Das

244 Interview Futscher/Felder 16.11.2013. 245 Hiekel 2009, S. 18: „Lachenmann selbst hat gelegentlich davon gesprochen, die Ideen seiner Musik würden von anderen Komponisten touristisch erschlossen.“ 246 Es gab aber natürlich auch andere Komponisten, die sich – auch bereits viel früher – im weiteren Sinne mit diesem Thema auseinandersetzten: „Ligeti verwendet in Aventures & Nouvelles Aventures (1966 Stg.) statt eines semantisch sinnvollen Textes bloße Phoneme, Interjektionen und das ganze Reservoir vokaler Ausdrucksmittel vom Gesang bis zum Schreien und Flüstern, um mit Unterstützung instrumentaler Grundierungen und Einwürfe ein dichtes Geflecht expressiver Gesten und exaltierter Affekte zu knüpfen; das Gefühlsspektrum wird gleichsam seriell ausgeschöpft, und das ‚Libretto’ enthält lediglich Anweisungen zur räumlich-visuellen Vergegenwärtigung imaginärer, absurd-phantastischer Handlungsmomente.“ Ruf, Wolfgang: Art. „Musiktheater“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, Sachteil, Bd. 6, Kassel: Bärenreiter-Verlag u. Stuttgart: Metzler-Verlag 1997, Sp. 1689-1710, Sp. 1707. 247 Interview Futscher/Felder 16.11.2013. 248 Ebd. 70 Stück war für mich ein Vorwand um mit Singstimmen zu arbeiten, was ich sehr selten gemacht habe.“250 Lachenmann bezeichnet sein Werk selbst nicht als Oper, sondern als „Musik mit Bildern“251, was auf einen veränderten Begriff der Szene im Musiktheater verweist, wie es auch auf Futschers „La scuola degli amanti“ zutreffend ist:

Die Handlung

„Im verwirrenden Bild der Postmoderne lassen sich kaum noch klare Linien der Musiktheaterkomposition ausmachen. Ein Grundzug scheint die Reduktion der szenischen Aktion und die Verknappung des Dialogs zu sein. Die Handlung zieht sich vielfach in Innenbezirke und Abgründe des Seelischen zurück, die Sprache beschränkt sich auf Wortfetzen, Laute, Seufzer und Schreie, die Musik vermittelt mit Klang, Geräusch und Stille extreme psychische Befindlichkeiten.“252

Gerald Futscher ist nicht allzu enttäuscht über die kantatenhafte Uraufführung, die seiner Oper im November 2013 widerfahren ist, hauptsächlich aufgrund seines Opernbegriffes, der seinen Schwerpunkt abseits der Bühnenhandlung hat. So geht es ihm nicht darum eine Geschichte zu erzählen (dramma per musica), sondern um ein dramma in musica, das von einer bildhaften, sogar auch statischen Szene rein optisch verstärkt wird und nicht umgekehrt.253 Mit dieser Haltung reiht er sich nahtlos neben die bereits mehrfach erwähnten Komponisten ein, denn: „Mit Nono teilt Lachenmann

249 Tadday, Ulrich: „Vorwort“. in: Helmut Lachenmann. Heft 146, Hrsg. Ulrich Tadday (Musik-Konzepte Neue Folge. Die Reihe über Komponisten), München: Richard Boorberg Verlag 2009, S. 3-4, S. 3. 250 Interview mit Lachenmann im Internet: http://www.youtube.com/watch?v=- yTlN807E2w (letzter Zugriff 25.02.2014) 251 Tadday 2009, S. 3. 252 Ruf, Wolfgang: Art. „Musiktheater“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, Sachteil, Bd. 6, Kassel: Bärenreiter-Verlag u. Stuttgart: Metzler-Verlag 1997, Sp. 1689-1710, Sp. 1709. 253 Interview Futscher/Felder 16.01.2014. 71 den Anspruch, Musiktheater über die Handlung hinausgehend als Wahrnehmungsdrama zu verstehen.“254

Dass nun in Futschers Oper so gesehen doch allerhand auf der Bühne passiert, wie man im Folgenden sehen wird, tut dem grundsätzlichen Credo – und dem daraus selbstverständlich bereits resultierten Kompositionsstil – keinen Abbruch, denn es herrscht hier ein für das Genre der Kammeroper charakteristischer „neuer Begriff von Dramatik, in dessen Zentrum der in einer einzigen Grenzsituation sich zusammenballende seelische Konflikt oder die singuläre Schlüsselerfahrung des Individuums stehen und nicht länger die Auseinandersetzung sich entwickelnder Charaktere.“255

La scuola degli amanti256 - der Inhalt

Auf der Bühne steht zentral ein Zahnarztstuhl, dahinter eine große Leinwand. Dann gibt es noch eine Arbeitsfläche mit Utensilien und Zahnarztbedarf wie in einer Zahnarztpraxis.

1. Szene Die Mitglieder des Männerchores treten einzeln – etwa im Abstand von jeweils einer Minute – auf, sie sehen eher ärmlich und zerlumpt aus, haben eventuell eine Windel um den Kopf gebunden und machen Mundgeräusche, allerdings gänzlich ohne den Einsatz der Stimmbänder, so z.B. Knarz-, Schlürf- und Sauggeräusche oder Verschlusslaute etc. Der Chor verteilt sich so auf der Bühne, setzt sich auf herumstehende Stühle und ausgestattet mit Fingerkameras filmen sie sich dann gegenseitig in den Mund. Diese Bilder werden auf die Leinwand projiziert.

254 Hüppe 2013, S. 34. 255 Ruf 1997, Sp. 1699. 256 Nach einer Email von GF vom 29.12.2013 an die Verfasserin, mit Ergänzungen aus dem Interview Futscher/Felder 16.01.2014 und dem Interview Futscher/Thurner 08.10.2013. 72 Die große Leinwand befindet sich hinter dem Zahnarztstuhl, sodass der Eindruck entsteht, dass der Stuhl in der Mundhöhle platziert ist. Die beiden Sängerinnen, Fiordiligi und Dorabella, treten auf, sie hantieren mit den Gerätschaften, die sie auf der Bühne vorfinden, und singen von den Freuden der Liebe und von ihren Hoffnungen und Erwartungen. Die Chorgeräusche sind durchgehend präsent, auch die Bildübertragung läuft durch, nach etwa zehn bis elf Minuten beginnen die Singstimmen, dann treten die Geräusche etwas in den Hintergrund. Die Bühne wird beherrscht vom Bild des geöffneten Munds.

2. Szene In der zweiten Szene wird das potenziert, indem Don Alfonso auftritt. Er hat eine stumme Rolle, abgesehen von eventuell ein paar Röchel- und Stöhngeräuschen in der dritten Szene. Don Alfonso ist ein alter Zahnarzt, der die beiden Schwestern dazu bringt ihren Mund aufzumachen. Dorabella muss auf den Stuhl, Fiordiligi assistiert Don Alfonso und filmt der so gemarterten in den Rachen, die von den Schmerzen der Liebe singt. Der Chor rückt auf den Stühlen etwas heran, bleibt aber im sicheren Abstand des Voyeurs und macht seltsame Geräusche - hier können auch kleine Geräte zum Einsatz kommen, wie Zungenzupfinstrumente 257 , Vorrichtungen für Wasserklänge etc. um die Bohr- und Absauggeräusche der Behandlung darzustellen. Oder aber es werden Tonbandaufzeichnungen mit Originalaufnahmen von Behandlungsgeräuschen als Samples zugespielt.

3. Szene (musikalisch stellt der Komponist hier zwei Varianten zur Wahl: Entweder die durchkomponierte Fassung oder eine stumme Szene ohne Gesang und Musik, wobei die Handlung unverändert bleibt)

Die zwei Damen überwältigen den Alten, binden ihn auf den Stuhl mit Nylonstrümpfen, Kabeln etc. fest und massakrieren ihn mit seinen Geräten: Bohrer, Zangen und Absaugschläuche zur Penetration in Körperöffnungen, Knetmasse für Gebissabdrücke etc. können verwendet werden. Der Schauspieler wird mit jeder

257 „Das sind so Büchsen, die an einer Schnur aufgehängt sind, und unten hängt eine Feder heraus, die einen Hall erzeugt. In der Mitte ist eine Saite gespannt, die man mit der Zunge anreißt und so die Feder zum drehen bringt.“ Interview Futscher/Felder 16.01.2014. 73 Menge Kunstblut präpariert und das Blut sollte wie aus Feuerwehrschläuchen quer durch den Raum spritzen. Es sollte jedenfalls sehr blutig sein und es wird dabei fleißig gefilmt. Der Chor vollführt währenddessen eine Art Ballett mit dem Mund – eine ganz klare Choreographie, die nur möglichst absurde Mundbewegungen beinhaltet und mit alleinigem Fokus auf die Münder auf die Leinwand übertragen wird. Somit hört man möglichst keine Geräusche, maximal ein bisschen Röcheln des Arztes und nur das Blutgeplätscher. Im Orchester läuft eine wilde Fuge ab, während Fiordiligi und Dorabella in Mitleidsheuchelei verfallen und ohne wirkliche Reue nach Vergebung heischen, ihre Tat aber dennoch vollbringen.

Vorhang fällt.

Die somit fehlende Charakterentwicklung als ein Merkmal der modernen und postmodernen Kammeroper gehört auch zu den Schlüsselelementen von Mozarts Così fan tutte und bildet somit eine von vielen interessanten, vielleicht unbeabsichtigten, Parallelen zu La scuola degli amanti:

Exkurs: Mozart und Così fan tutte – ein Blick auf zeitgenössische Kontroversen einer vergangenen Zeit

Così fan tutte ist einer der berühmtesten Stoffe der Opernliteratur, ein Meisterwerk, das einzig da steht und nichts an Aktualität eingebüßt hat. Sie ist die letzte der drei großen Da Ponte-Opern Mozarts, wurde am 26. Januar 1790 in Wien uraufgeführt und zieht seither Publikum, Kritiker, Interpreten und Musiker in ihren Bann.258 Aber worin besteht der Reiz oder die Kontroverse, die auch über 200 Jahre nach der Uraufführung noch wirken kann und Potential zum Diskurs liefert?

258 Greither, Aloys: Die sieben großen Opern Mozarts. Versuche über das Verhältnis der Texte zur Musik. Heidelberg: Verlag Lambert Schneider GmbH 1977, S. 137. 74 Rezeption der Così fan tutte

Heute ist Mozart nicht nur einer der bedeutendsten Kulturträger des Staates Österreich, ein Tourismusmagnet mit Markenqualität, er bleibt auch unabhängig davon einer der wichtigsten Vertreter der Klassik und für viele ein Synonym für „klassische Musik“ an sich und seine „Opern gehören zum unvergänglichen geistigen Erbe der Menschheit“259. Dass auch das gefeierte und an den europäischen Höfen herumgereichte Wunderkind zu erwachsenen Lebzeiten viele Niederlagen, Zurückweisungen und Anfeindungen erdulden und akzeptieren musste, wird dabei gern vergessen.260 Das Genre der Oper faszinierte ihn bereits in frühesten Jahren, aber nicht alle Versuche führten zu tatsächlichen Aufführungen und bis zu seinen Erfolgen mit beispielsweise einem Figaro mussten noch einige Jahre vergehen.

Cosí fan tutte allerdings war etwas völlig neues, die Vollendung der opera buffa und gleichzeitig die Infragestellung dieser Gattung.261 Die Oper „wurde schon kurz nach ihrer Entstehung als in jeder Hinsicht mißglückt abgelehnt“262 und auch im weiteren historischen Interpretationsverlauf sogar bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein immer wieder gekürzt und adaptiert, um sie „aufführbar“ zu machen. 263 Als „bürgerliches Unterhaltungsstück“264 veranschlagt, brüskierte die Handlung und ein „unwürdiger Text“265 das Publikum. Die Reaktion des damaligen Publikums spiegelt „die soziologisch feststellbare Umschichtung des Konzertpublikums um 1800“266 wider. Den „Erwartungshorizont“ 267 , der einer opera buffa der damaligen Zeit

259 Schmid, Manfred Hermann: Mozarts Opern. Ein musikalischer Werkführer. München: Verlag C.H. Beck, 2009, S. 6. 260 Schmid 2009, S. 28. 261 Baricco, Alessandro: Sterben vor Lachen. Aufsätze zu Mozart, Rossini, Benjamin und Adorno. München: Carl Hanser Verlag (Edition Akzente, Hrsg. Michael Krüger) 2005, S. 19. 262 Harnoncourt, Nikolaus: „Zeitgeist und Wahrheit“ (1995), in: Harnoncourt 2005, S. 11-24, S. 18. 263 Ebd., S. 18. 264 Schmid 2009, S. 90. 265 Harnoncourt, Nikolaus: „Musikrezeption und Zeitenwandel“ (1989), in: Harnoncourt 2005, S. 145-155, S. 152. 266 Schmidt 2004, S. 46. 267 „Der Begriff des ‚Erwartungshorizontes’ könnte in künstlerischem Zusammenhang als ‚Bezugssystem’ bestimmt werden, ‚das sich für jedes Werk im historischen Augenblick seines Erscheinens aus dem Vorverständnis der Gattung und aus der Form und Thematik zuvor bekannter Werke ergibt.“ Schmidt 2004, S. 34. 75 entgegengebracht wurde, konnte Cosí fan tutte nicht mehr bedienen und so wurde ihre Bedeutung – Harnoncourt bezeichnet sie als „Inbegriff der Vollkommenheit“268 - zunächst verkannt:

„Weil das Gegenüber, also das Publikum, naturgemäß den Status quo liebt, erzeugt jede Veränderung Widerspruch. Dieser Widerspruch, dieser unvermeidliche Konflikt ist die schöpferische Reibungsfläche jeder Kunst. Neues wurde stets zugleich begrüßt und angefeindet;“269

Für Harnoncourt ist es völlig nachvollziehbar, dass Cosí fan tutte Schockwirkung besaß, denn „jeder findet da einen großen Spiegel für sich und fühlt sich ganz persönlich angesprochen“270. Somit stellt sich folgende Frage:

Cosí fan tutte - eine opera buffa?

Baricco bezeichnet die Entstehung der opera buffa aus der opera seria heraus als „Intermezzo“, das „entsteht aus einem kollektiven Aufschieben, Ausklammern des ‚Ernsten’, des Symbolischen und Bedeutsamen, des Mythischen. Das plötzliche und drastische Aufklaren fegt all das von der Bühne, was nicht die spezifischen Merkmale des unzweifelhaft Realen trägt;“271

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass das viel kritisierte oder belächelte Moment der Verkleidung von Ferrando und Guglielmo Teil der bühnentechnischen Fiktion und daher vom Wirklichkeitsanspruch ausgenommen ist.

268 Harnoncourt, Nikolaus: „Zeitgeist und Wahrheit“ (1995), in: Harnoncourt 2005, S. 11-24, S. 18. 269 Ebd., S. 22. 270 Harnoncourt, Nikolaus: „Così fan tutte: die Demaskierung der Gefühle durch Mozarts Musik“ (1991), in: Harnoncourt 2005, S. 318-334, S. 330. 271 Baricco 2005, S. 13. 76 „Die opera buffa arbeitet also an der Darstellung des Subjekts als der Bedingung einer Wirklichkeit, die jedwedem ‚Jenseits’ entrissen und auf eine unzweifelhafte Authentizität ‚reduziert’ wurde.“272

Die Allmacht des Schicksals verschwinde und mit ihm auch die Figur des Helden.273 Ein „unausweichlicher Determinismus“ wird verdrängt von der „Freiheit des Willens“, die unweigerlich die Selbstverantwortung der Figuren und somit des sich mit ihnen identifizierenden Publikums mit sich bringt274. Dieser Umstand würde weiters kein Problem darstellen, wenn man bedenkt, dass die Figuren bei Mozart bis ins kleinste Detail vermenschlicht, einmalig und unverwechselbar und somit zeitlos werden. In Mozarts heiteren Opern muss niemand sterben – außer Don Giovanni, und der nur auf entrückte Art – und das personifizierte Gute oder Böse ist nicht mehr in dieser Schärfe auffindbar275, denn jede Figur wird aus ihrem eigenen Horizont heraus verstanden und hat so je nach Sichtweise jederzeit das Potential zum Sympathieträger.276 In Cosí fan tutte spielt Mozart mit diesem Element in tatsächlich vollendeter Form. Möglich wird dies durch eine bis dahin nie dagewesene Novität der Rollenverteilung: Es fehlt der Held, die zentrale Figur, stattdessen herrschen sechs Figuren gleichzeitig auf der Bühne277, die jede ihrer Aktionen selbst frei entscheiden können:

„Das Subjekt steht keinem anderen Antagonisten gegenüber als seinem eigenen Ursprung und seiner eigenen Unschuld.“278

Die Rolle des Don Alfonso mag in diesem Kontext etwas reminiszent anmuten – er hat die Aura der (schicksalshaften) Schlange der Verführung des unsicheren menschlichen Herzens, des „Marionettenspielers“, der auf der Bühne die Fäden

272 Baricco 2005, S. 17. 273 Ebd., S. 13f. 274 Schmid 2009, S. 98. 275 Ebd., S. 6f. 276 Harnoncourt, Nikolaus: „Così fan tutte: die Demaskierung der Gefühle durch Mozarts Musik“ (1991), in: Harnoncourt 2005, S. 318-334, S. 325ff. 277 Ebd., S. 331. 278 Baricco 2005, S. 29. 77 zieht.279 Doch gleichzeitig ist er selbst Akteur auf der Bühne, lässt sich hineinziehen in den Handlungsverlauf und hat schließlich - und diese Option steht von Anfang an im Raum, was ihm die Schicksalshaftigkeit abspricht – nicht die Macht den endgültigen Ausgang zu bestimmen. Er initiiert ein Spiel, eine Wette und eröffnet damit einen weiteren Raum, dessen Doppelbödigkeit auf den Zuschauer eine verführerische Sogwirkung erzielt: „als Theater auf dem Theater hat [die Oper] einen fast kammermusikalisch intimen Zug“280.

Eine fast voyeuristische Faszination erfasst den Zuschauer beim Miterleben der Liebesverstrickungen zwischen den Figuren und es ist nicht bis kurz vor Schluss, dass man als Beobachter plötzlich das Steuer übernehmen will um zurück zu rudern zu jener subjektiven Unschuld281, die wir zu Beginn zumindest jedem der vier Liebenden unzweifelhaft zugesprochen hätten. Wir müssen einen „Sündenfall“ der menschlich- bürgerlichen Ideale gegenüber der triebgesteuerten Natur miterleben282 und werden ohne Helden zurückgelassen. Selbst Don Alfonso kann diese Rolle nicht erfüllen, da er bereits zu Beginn als an der Liebe Gescheiterter betrachtet werden kann – oder wenn man ihn als Aufklärer sehen will im Nachhinein dennoch als Zerstörer einer zärtlichen Intimität, die zwar idealistisch sein mag, aber vor allem nach ihrem Verlust unwiederbringlich ist. In diesem Sinn ist der Opernstoff der Cosí fan tutte absolut zeitlos, sind doch Beziehungen und Beziehungssysteme auch 200 Jahre später noch genauso gesellschaftlich gesteuert und der Reiz der Versuchung omnipräsent. Doch aus heutiger Sicht mutet das Ende der Oper komisch an: Es kommt zur Versöhnung, die alten Konstellationen werden wiederhergestellt, jeder bereut, schließlich hat auch jeder Schuld und so wird der tiefgreifende Schock, bevor er noch richtig zur Geltung kommen kann, von einem legitimen Ehegelöbnis ummantelt:

„Der Gegensätzlichkeit von Subjektivität und Natur vermochte das aufklärerische 18. Jahrhundert nicht anders zu begegnen als mit der utopischen Perspektive einer wiedergefundenen Vereinigung oder, alternativ,

279 Harnoncourt, Nikolaus: „Così fan tutte: die Demaskierung der Gefühle durch Mozarts Musik“ (1991), in: Harnoncourt 2005, S. 318-334, S. 325. 280 Greither 1977, S. 137. 281 Baricco 2005, S. 29. 282 Ebd., S. 30. 78 mit der skeptischen Hinnahme eines unheilbaren und ruinösen Auseinanderklaffens.“283

Dieses Ende legitimiert die Cosí zwar als dem Genre der opera buffa zugehörig, das neue und im ersten Augenblick durchaus großmütig und humanistisch anmutende Element der Bereitschaft zur Verzeihung284 kann aber nicht die (vom Publikum) erhoffte Erleichterung bringen. Mozart überlässt die Bewertung gänzlich dem Publikum, das reflexartig zunächst ablehnend reagiert. Harnoncourt:

„Ich finde, der Begriff Schönheit ist bei Mozart identisch mit Wahrheit der Aussage, es ist eine Schönheit, die keineswegs erholend wirkt, sondern die einen Konflikt, einen tiefen Konflikt in irgendeiner Weise darstellt und dann löst, die damit natürlich den Hörer sehr stark einbezieht und erschüttert(...)“285

Wer nach dieser Einsicht die Musik zur Cosí als „geistvolle spielerische Grazie“ und „in Melodien schwelgende Seligkeit“ versteht286, sollte vielleicht noch einmal den eigenen Erwartungshorizont hinterfragen bzw. die Genrescheuklappen ablegen, denn gerade der durch Mozarts Vertonung genüsslich zerplatzende Traum von unschuldiger Seligkeit macht diese Oper zur vielleicht traurigsten Oper der Musikgeschichte.287

Cosí fan tutte läutet damit bereits das Ende eines Gattungsexperiments ein288 und letztendlich wird mit der opera buffa „aus der Welt der Oper die Perspektive einer schwachen und heiteren Art zur Wahrheit zu gelangen“289 verloren gehen. Diese schwache und heitere Art, die in Così fan tutte vom damaligen Publikum nicht mehr

283 Baricco 2005, S. 31. 284 Schmid 2009, S. 90. 285 Harnoncourt, Nikolaus: „Bei Mozart ist auch die Instrumentalmusik ein Drama“ (1982), in: Harnoncourt 2005, S. 342-350, S. 342. Zur Thematik der Konfliktlösung siehe das Kapitel „Der Topos des Zahnarztes“. 286 Greither 1977, S. 137. 287 Harnoncourt, Nikolaus: „Così fan tutte: die Demaskierung der Gefühle durch Mozarts Musik“ (1991), in: Harnoncourt 2005, S. 318-334, S. 321. 288 Baricco 2005, S. 15. 289 Ebd., S. 54. 79 verstanden werden konnte, weil sie bereits keine ausreichende Überzeugungskraft mehr besaß, ist ein schwaches Echo aus vergangenen Jahrhunderten der Entwicklung der (Volks-)Kultur und hat nur mehr Verweischarakter auf jenes „ambivalente Lachen“, das in der Renaissancekultur seinen Höhepunkt erreichte und im Zeitalter der Groteske die Gegensätze in sich zu vereinen verstand.290

290 Vgl. dazu Bachtin, Michail: „Rabelais und die Geschichte des Lachens“, in: Bachtin, Michail: Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1987, S. 111-186. 80 Das Orale und die Erotik des Schmerzes

Das Tor zur Hölle

Im Zentrum der Bühne von La scuola degli amanti steht der weit aufgerissene Mundraum, der auf eine große Leinwand projiziert praktisch die Bühne zu verschlingen scheint, auf der sich als einziges Requisit ein Zahnarztstuhl befindet. Dieses Bild bleibt über den gesamten Verlauf der Oper praktisch unverändert und besticht durch seine Nacktheit, Offenheit, Radikalität und nicht zuletzt Brutalität, denn der Topos des offenen Mundes ist nicht nur ein gesellschaftlich offiziell tabuisierter Anblick 291 , sondern zusätzlich auch von „kosmischer“ Angst und Bedrohung292 behaftet. Der offene Mund ist eines der zentralsten Motive in der bunten Welt der Groteske,293 die in der Renaissance (nach Bachtin) Ausdruck einer damals auf dem Marktplatz noch gelebten Gegenkultur zur offiziellen Gesellschaftsordnung verkörperte:

„Kein Dogmatismus, nichts Autoritäres, keine engstirnige Seriosität kann sie besetzen; sie widersetz[t] sich jeder Vollendung und Starrheit, jeder ungetrübten Seriosität und Abgeschlossenheit des Gedankens und der Weltanschauung.“294

Zentrales Motiv aller grotesker Elemente ist die Grenzüberschreitung, das Auflösen von Gegensätzen und von Abgeschlossenheit, die Verkehrung von Unten und Oben, so z.B. im Motiv des schwangeren Todes und in maßlosen Übertreibungen von Körperteilen und Funktionen des Körpers.295 Der offene Mund ist dafür prädestiniert:

291 Gähnen im öffentlichen Raum ist anstandshalber nur mit vorgehaltener, also verdeckender Hand erlaubt. Dazu gibt es auch Volksaberglaubensüberlieferungen, wonach die Seele durch den weit geöffneten Mund plötzlich entweichen könnte... in: Aggermann, Lorenz: „Der offene Mund. Eine unergründliche Figuration des Oralen“, in: Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. Hrsg. Hartmut Böhme und Beate Slominski. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 237-243, S. 238. 292 Bachtin 1987, S. 20. 293 Ebd., S. 381. 294 Ebd., S. 50. 295 Ebd., S. 35. 81 „Er hängt natürlich mit dem unteren Körperbereich zusammen, er ist das offene Tor, das nach unten führt, in die Körperhölle; mit dem aufgesperrten Mund verbindet sich das Motiv des Verschlingens, das uralte ambivalente Motiv von Tod und Vernichtung(...).“296 Und zur Mundmotivik bei Rabelais297: „Er ist das sperrangelweit geöffnete Tor ins Körperinnere. Offenheit und Tiefe des Körpers werden noch dadurch unterstrichen, dass sich im Mund eine ganze bewohnte Welt eröffnet und sich Menschen in die Abgründe des Magens begeben können wie in ein Bergwerk. Als Ausdruck der gleichen körperlichen Offenheit dient das Motiv des geöffneten Schoßes der Mutter Pantagruels, des fruchtbaren Schoßes der mit Abels Blut getränkten Erde, der Hölle etc.“298

Entscheidend für das Verständnis dieser Motivik ist die immer inbegriffene Ambivalenz des jeweiligen Extrems, so ist die Hölle zwar Ort von Tod und Vernichtung, aber im selben Augenblick sind auch die Geburt und die Fruchtbarkeit enthalten.299 („In allen Ereignissen des Körperdramas sind Anfang und Ende des Lebens miteinander verflochten.“300) In der Neuzeit kam es zur Abschwächung und Degenerierung der überbordenden Körperlichkeit in der Darstellung und in der Literatur, was schließlich auch zu einem neuen Körperkanon führte, auf dessen Hintergrund wir heute die grotesken Motive fehlinterpretieren. So z.B. die Höllendarstellung:

„Denn das Höllenmaul und die klaffenden Schmerzmünder der Sünder gehorchen einer Ästhetik der Abschreckung. Sie sollen kein Mitleid, sondern Abscheu erregen vor den Todsünden. Gerade die Fusion von drohendem Schlund mit Sünde und Strafe zeigt an, dass das zahnbewehrte, zu gieriger Verschlingung stets bereite Maul der Unort überhaupt ist.“301

296 Bachtin 1987, S. 366. 297 Rabelais, François: Gargantua und Pantagruel. Frankfurt am Main und Leipzig: Insel Verlag 2003. 298 Bachtin 1987, S. 381. 299 Ebd., S. 75. 300 Ebd., S. 359. 301 Böhme, Hartmut: „Ästhetik und Anästhetik des Mundraums“, in: Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. Hrsg. Hartmut Böhme und Beate Slominski. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 221-234, S. 224. 82 In der Vorstellung der Rabelaisschen karnevalesken grotesken Ambivalenz sind diese Bilder aber nicht als Bedrohung und Abschreckung gedacht, sondern im Gegenteil: die Künstler und Literaten dieser Zeit sparen nichts aus, der Ästhetikbegriff liegt nicht in der Glättung und Harmonisierung, 302 sondern in der hyperbolischen Betonung von allem offiziell Ausgegrenzten. Der neuzeitliche Körperkanon, der natürlich gesellschaftlich geprägt ist, lässt den damaligen unbeschwerten Blick aber nicht mehr zu:

„Der privatisierte und psychologisierte Körper verliert seine groteske Ambivalenz, wird damit eindeutig und mit seinem individuellen Tod konfrontiert, während der groteske kollektive Körper, der seine Entgrenzung darstellt, vom Tod nicht betroffen ist.“303

So starren wir heute mit Entsetzen und gleichzeitiger Faszination auf den aufgesperrten Rachen auf der Leinwand, „ins Dunkel der Unvernunft“ 304 , und assoziieren unmittelbar Ekel und Ablehnung. Der offene Mund, der Höllenschlund, als Element der Bühne ist dabei aber nichts Neues. Die mittelalterlichen Mysterienspiele, die auch eine zentrale Quelle für die groteske Körperkonzeption darstellten, kennen einen typisierten Bühnenaufbau: Demnach bildet der Bühnenhintergrund den Himmel, das Podest die Erde, und unter dem Podest, also unmittelbar auf Augenhöhe der Zuschauer, befand sich die Höllengrube („la guelle d’Enfer“), die meist als aufgesperrter Schlund mit breitem Vorhang die Aufmerksamkeit des Publikums fesselte, da daraus während der Diablerien groteskest handelnde Personen, Figuren und Teufel hervorsprangen. 305 Das Motiv des aufgesperrten Mundes in seiner grotesk-komischen Bedeutung war in der Renaissance noch vertraut und verständlich, heute herrscht eher Entsetzen vor, was Gerald Futscher durch die Platzierung des Zahnarztstuhles noch zu potenzieren versteht:

302 Bachtin 1987, S. 80. 303 Ebd., S. 38f. 304 Böhme 2013, S. 230. 305 Vgl. Bachtin 1987, S. 390-392. 83 Der Topos des Zahnarztes

Der Besuch beim Zahnarzt ist eine unvermeidliche Situation, die jedem Zuschauer bestens vertraut ist und die unabhängig vom großen medizinischen Fortschritt im 20. Jahrhundert nach wie vor mit Angst besetzt ist306, denn:

„Das zahnärztliche Handeln bleibt, unbeschadet der medizinischen und technischen Errungenschaften, stets eine heikle Intervention ins Gefüge einer Person, eine Intervention aber auch in eine sehr alte kulturelle Konfiguration, die mit dem Mundraum verbunden ist.“307

Der Mund ist das „erste Welterschließungsorgan“ des Menschen, der durch die Nahrungsaufnahme in Kontakt mit der Außenwelt treten und diese in all ihren neu zu entdeckenden Nuancen beurteilen und „verinnerlichen“ kann. 308 Gleichzeitig ermöglicht der Mund die vorübergehende Aufrechterhaltung der körperlichen Symbiose mit der Mutter über das Stillen und in einem nächsten Entwicklungsschritt, der sogenannten „zweiten Geburt“, die Einleitung der Individuationsphase über die sprachliche Kommunikation mit dem Umfeld.309

„Ferner ist die Mundhöhle zusammen mit der Zunge und dem übrigen Stimmapparat der Produktionsraum einer eigenen akustischen Welt des Schmatzens, Malmens, Schnalzens, Knirschens, Gurgelns, Schnarchens, Schlürfens, Zischelns, Sabberns; Ort aber auch der lautsemantischen, aber

306 „Etwa 59.9% der Deutschen, so eine aktuelle Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte IDZ haben Angst vor dem Zahnarztbesuch bzw. der Zahnbehandlung, und rund 12% haben gar starke Angst;“in: Vollmuth, Ralf: „Die Angst des Zahnarztes vor dem Patienten. Eine Annäherung“, in: Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. Hrsg. Hartmut Böhme und Beate Slominski. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 93-96, S. 93. 307 Böhme, Hartmut: „Zahn Macht Wahn“, in: Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. Hrsg. Hartmut Böhme und Beate Slominski. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 125-138, S. 128. 308 Böhme, Hartmut; Slominski, Beate: „Einführung in die Mundhöhle“, in: Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. Hrsg. Hartmut Böhme und Beate Slominski. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 11-30, S. 16. 309 Ebd., S. 12. 84 präverbalen Expressionen des Seufzens, Stöhnens, Hechelns, Schreiens, Ächzens, Kreischens, Jaulens, Hustens, Krächzens.“310

Gerade diese Geräusche benutzt Gerald Futscher für die Komposition des Männerchores und findet eigene Beschreibungen für die auszuführenden Handlungen zur Klangerzeugung. Die Geräusche verstärken akustisch das groteske Bühnenbild des Rachens und stellen unabhängig von der ablaufenden Szene ein typisches komisches Element dar, das bereits Rabelais in seinem Roman genüsslich verarbeitete:

„[Thaumast] schwollen jetzt beide Backen an wie einem Dudelsackpfeifer; er pustete, als ob er eine Schweinsblase aufzublasen hätte. Panurg aber steckte darauf einen Finger der linken Hand in den Hintern und sog dabei die Luft in sich wie einer, der Austern ißt oder Suppe schlürft; dann öffnete er den Mund ein wenig und schlug mit der flachen Hand darauf, wodurch er einen lauten, tiefen Ton hervorbrachte, der klang, als ob er durch die Luftröhre aus dem Bauch käme. Das machte er sechzehnmal, indes Thaumast ohne Aufhören wie eine genudelte Gans keuchte. Darauf steckte Panurg den Zeigefinger der rechten Hand in den Mund, drückte mit den Mundmuskeln dagegen und zog ihn plötzlich heraus, was einen Ton gab, der dem Knall einer Holunderbüchse, wie kleine Jungen sie abzuschießen pflegen, nicht unähnlich war. Das machte er neunzehnmal.“311

Der Mundraum ist durch seine polyfunktionalen Aufgaben zwar permanent in das alltägliche Erleben einbezogen, er gehört aber zugleich in den intimsten Bereich der subjektiven Wahrnehmung312. Und in diesen Bereich muss der Zahnarzt bei seiner Behandlung „eindringen“ um dem (Zahn-)Schmerz auf den Grund gehen zu können – ein Akt der Gewalt, da Schmerzen dabei meist unvermeidlich sind.313 Begleitet wird dieses heikle Unterfangen von uralten Mythen und Konnotationen zum Berufsstand des Zahnarztes, die die Entstehung der nötigen Vertrauensbasis behindert haben:314

310 Böhme 2013, S. 16. 311 Rabelais 2003, S. 266f. 312 Gast, Lilli: „Gedanken zur Psychodynamik der Mundhöhle“, in: Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. Hrsg. Hartmut Böhme und Beate Slominski. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 71-73, S. 73. 313 Böhme 2013(5), S. 223f. 314 Böhme 2013, S. 27. 85

„Die Zahnbrecher, als Vorläufer der Dentisten und modernen Zahnärzte, waren von Beginn an vom Geruch des Verdachts umgeben. Sie sind Betrüger aus Profession. Das ist mehr als die topische Ständekritik, die überall in Europa verbreitet war. Denn über die historischen Grenzen der Ständegesellschaft hinaus hat die Zahnärzteschaft Jahrhunderte gebraucht, um sich vom Verdacht der Geldschneiderei und der Scharlatanerie zu befreien – wenn es denn überhaupt gelungen ist.“315

Die Schule der Liebenden - Die Erotik des Schmerzes

In La scuola degli amanti geht es vordergründig zunächst um körperlichen oralen Schmerz, dabei ist die Mundhöhle aber in ihrer intimen Verborgenheit bereits so stark erotisch konnotiert, dass die Übersetzung zum Thema der Liebe und der Liebesschmerzen auf der Hand liegt:

„Das erste Organ, das als erogene Zone auftritt und einen libidinösen Anspruch an die Seele stellt, ist von der Geburt an der Mund. Alle psychische Tätigkeit ist zunächst darauf eingestellt, dem Bedürfnis dieser Zone Befriedigung zu schaffen.“316

Dabei spielen die Zähne eine besondere Rolle, sie sind die ersten „Waffen“, die uns die Natur zur Verfügung stellt, und sind Träger des ambivalenten Verhältnisses des Menschen zu seiner Umwelt: So beginnt das Baby, sobald die ersten Zähne wachsen, die nährende mütterliche Brust zu zerbeißen317 und lebenslang beruht das Prinzip der Nahrungsaufnahme darauf, das lebenserhaltende Objekt mit den Zähnen und der Kaumuskulatur, die die stärkste Muskulatur im menschlichen Körper ist, zu

315 Böhme, Hartmut: „Intermezzo“, in: Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. Hrsg. Hartmut Böhme und Beate Slominski. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 53-54, S. 54. 316 Freud, Sigmund: „Abriss der Psychoanalyse“ (1938), in: Freud, Sigmund: Gesammelte Werke. Band 17. Frankfurt a. Main: S. Fischer 1983, S. 76. 317 Gast 2013, S. 73. 86 vernichten.318 Die orale Aggression richtet sich auch auf den Bereich der Erotik, die beispielsweise in der interkulturell verbreiteten Darstellung der vagina dentata ihren Ausdruck findet, und trägt bei zur „lasziv-fetischistische(n) Besetzung des Zahnarztes und seines technischen Milieus bzw. seiner Geräte“.319

Die Schule der Liebenden wird also reduziert auf die Erfahrung von Liebe als Schmerz, der sich hier körperlich manifestiert und seine Ursache im Vertrauensbruch des Verführers - oder vielmehr Aggressors - hat, der sich hinter der Fassade der Zahnarztes Zugang in die körperliche Intimsphäre verschafft.

Don Alfonso, der stumme Zahnarzt

Gerald Futscher übersetzt die Themen der Così fan tutte auf die unmissverständlich groteske Ebene. So weicht das Bühnenbild der Gärten und Schlafzimmer, des locus amoenus, dem Höllenschlund, dem locus terribilis; der Chor besteht nicht aus respektablen Bürgern, sondern zerlumpten Menschen, die Windeln auf dem Kopf tragen (also das Unterste zuoberst kehren) und die Verführung spielt sich nicht in der rational vergeistigten Welt ab, sondern wird auf die körperliche Ebene degradiert; der abstrakte Liebesschmerz wird zum konkreten Zahnschmerz, der Philosoph wird zum Zahnarzt.320 Dabei bleibt die Thematik aber unverändert: Es geht um die Verführbarkeit des Menschen, um das bewusste Zufügen von Schmerzen und die Problematik der Überwindung einer Konfliktsituation. Don Alfonso bleibt dabei in der Rolle des Täters mit fragwürdigen Absichten. In Così fan tutte ist er der vermeintliche Aufklärer, der die fälschliche Illusion von Perfektion und Unfehlbarkeit des menschlichen Herzens bewusst machen will, um den Gut-Böse- Dualismus (fast im grotesken Sinn) zu durchbrechen und zu einer psychologischen

318 Böhme, Hartmut: „Aggressive Oralität: Drachen, Monster und Menschen“, in: Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. Hrsg. Hartmut Böhme und Beate Slominski. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 99-110, S. 99. 319 Böhme, Hartmut: „Intermezzo: Fetisch und Folter“, in: Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. Hrsg. Hartmut Böhme und Beate Slominski. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 219-220, S. 220. 320 Interview Futscher/Thurner 08.10.2013. 87 Weiterentwicklung beizutragen. 321 Er scheitert allerdings, da er diese Entwicklungsstufe bei sich selbst noch nicht vollzogen hat, was sich in seinem nur schlecht durch vermeintliche philosophische Lebensweisheiten kaschierten Frauenhass offenbart. 322 Mit Aggression versucht er das andere Geschlecht zu verunglimpfen und steht letztlich als Betrüger da, denn alle Protagonisten haben sich gleichermaßen schuldig gemacht. 323 So kommt es zu keiner psychischen Weiterentwicklung: die Frauen bagatellisieren ihre seelischen Verletzungen und die Männer sind unfähig zu echter Reue.324

In La scuola degli amanti betritt Don Alfonso bereits im kulturhistorisch behafteten Betrügerkittel des Zahnarztes die Bühne. Er bringt Dorabella dazu ihren Mund aufzumachen – sich also auf sehr intime Weise dem Schmerz auszusetzen, was einer Bloßstellung der ernstgemeinten Gefühle in Così gleichzusetzen ist. Don Alfonso ist ein Betrüger, die Behandlung gerät zur Folter und letztlich wendet sich seine unverhohlene Aggression gegen ihn, indem die beiden Frauen die „Waffen“ an sich reißen und den Körper des Zahnarztes vernichten, während sie mit süßen Stimmen von Mitleid und Reue singen und auf baldiges Vergessen ihrer Taten hoffen325: „Meine Kühnheit, meine Standhaftigkeit/Werden diese frevlerische Lust abtöten/Und die Erinnerung tilgen an das,/was mich beschämt und erschauern lässt.“326. Auch hier kann von keiner Weiterentwicklung oder Konfliktlösung die Rede sein. Es kommt zum Aufbegehren der Frauen und die dabei angewandte Aggression ist - anders als in der klassischen Konzeption der Così – ein legitimes Mittel im grotesken Handlungsverlauf, doch sie negieren im Text gleichzeitig ihre Tat und singen von offensichtlich geheucheltem Mitleid und Reue. Somit setzen sie zwar den notwendigen Schritt zur Vernichtung des Alten, der keine eigene Stimme und damit verstärkt kollektiven Charakter besitzt, sie sind aber noch nicht fähig sich dazu zu bekennen, also den eigenen Täteranteil zu akzeptieren.

321 Oberhoff, Bernd: Mozart. Eine musikpsychoanalytische Studie. Gießen: Psychosozial-Verlag 2008, S. 489. 322 Ebd., S. 497. 323 Ebd., S. 534. 324 Ebd., S. 535. 325 Vgl. Libretto 3. Szene im Anhang. 326 Vgl. Ebd. 88 Das ambivalente Lachen und der Wahnsinn

Während ein Gefühlsausbruch, dem Wahnsinn gleich, in Così fan tutte durch Benennung eine Befreiung von den qualvollen Schuldgefühlen ermöglicht hätte,327 erzeugt das klassische, „noblere“ Ende der Verdrängung aus Angst vor einer unschönen Realität eine unangenehme Spannung für das Publikum,328 das sich nun seinerseits verraten fühlen muss: die hochgehaltenen Ideale sind zerstört,329 aber Lösung für die neue Situation gibt es keine. Das Publikum wird ent-täuscht und ist sich dessen bewusst. Don Alfonso versucht noch der Lage Herr zu werden, offenbart dabei aber nur seine eigene Verzweiflung:

„Euch habe ich getäuscht, aber die Täuschung/war eine Enttäuschung für eure Liebhaber./Jetzt sind sie wohl klüger/und werden tun, was ich will./Eure Hand! Ihr seid Braut und Bräutigam./Umarmt euch und schweigt!/So lacht denn ihr vier alle zusammen./Ich habe schon gelacht und werde es weiter tun.“330

Das von Don Alfonso geforderte Lachen bleibt im Halse stecken, wenn es als einseitiges, als ausschließendes und verdrängendes Lachen verstanden wird331. Das Lachen besaß einst befreiende Kraft, kann in Così fan tutte aber nur mehr als Reminiszenz, als historisches Echo des vorneuzeitlichen ambivalenten Lachens gelten und ist in der Situation machtlos.

Anders verhält es sich in La scuola degli amanti: Es besteht gar nicht erst der Versuch einer gesellschaftlichen Konvention entsprechen zu wollen:

327 Oberhoff 2008, S. 551. 328 Ebd., S. 535. 329 „Die Geschichte verletzte durch ihre unbekümmerte Überheblichkeit gegenüber sittlichen Normen das moralische Bewusstsein des neuen Bürgertums, das gegen die Frivolität und die freien Lebensformen des Adels die „Reinheit der Empfindung“ und die Ehrbarkeit der bürgerlichen Tugend einsetzte.“ Fürstauer, Johanna: Oper, sinnlich. Die Opernwelten des Nikolaus Harnoncourt. St. Pölten: Residenz Verlag 2009, S. 330. 330 Così fan tutte, S. 153. (Akt II, Szene 18) 331 „In typisch schizoider Manier wird alles, was gewesen ist, als nunmehr für nicht mehr existent erklärt. Um zu verhindern, dass sich Schuldgefühle einstellen, werden die zugefügten Leiden verleugnet, und alles wird zu einem Spaß umgedeutet.“ Oberhoff 2008, S. 533. 89

„Das Motiv des Wahnsinns ist für die Groteske charakteristisch, weil es erlaubt, die Welt mit anderen Augen zu sehen, mit einem von ‚normalen’ Vorstellungen und Bewertungen freien Blick. In der volkstümlichen Groteske aber ist der Wahnsinn eine heitere Parodie auf die offizielle Denkart, auf die einseitige Seriosität der offiziellen ‚Wahrheit’. Das ist ein festlicher Wahnsinn.“332

Im volkstümlich grotesken Umfeld ist es prinzipiell also möglich den Zahnarzt brutalst zu bestrafen, denn es herrscht unabhängig von der einzelnen Tat eine positive Grundentwicklung vor, die beherrscht ist von der Erneuerung durch den Tod333 und die in der allgemeinen Übertreibung ihren Ausdruck im Wahnsinn findet. Diesem Wahnsinn fehlt aber jegliche bedrohliche Wirkung, denn er wird vom ambivalenten Lachen begleitet, das seine befreiende Macht zur Überwindung von Spaltung, Abgrenzung und Vernichtung aus einer ganzheitlichen heiteren Anschauung des Menschen und der Welt bezieht.334 An mehreren Stellen finden sich in La scuola degli amanti Anklänge an dieses Lachen, das in den schrecklichsten Momenten am lautesten seine berechtigte Existenz einfordert:

Abb. 12a: La Scuola Degli Amanti, Szene 2, Takt 541-549, Auszug der Singstimmen, Partitur im Besitz des Komponisten

332 Bachtin 1987, S. 90. 333 „Wenn die Groteske in den Dienst einer abstrakten Tendenz gestellt wird, degeneriert sie unausweichlich. Ihr Wesen ist es ja gerade, die widersprüchliche und doppeldeutige Fülle des Lebens darzustellen, das Verneinung und Vernichtung (den Tod des Alten) als notwendiges Element in sich trägt und nicht zu trennen ist von der Bestätigung, der Geburt des Neuen und Besseren.“ Bachtin 1987, S. 113. 334 Bachtin 1987, S. 101. 90

Abb. 12b: La Scuola Degli Amanti, Szene 2, Takt 550-554, Auszug der Singstimmen, Partitur im Besitz des Komponisten

Und die groteske Parallele zu Così fan tutte ist in folgendem Ausschnitt auffindbar, wenn man bedenkt, dass Mozart vorgeworfen wurde, mit musikalischer und gesanglicher Schönheit die sprachlichen Abgründe des Librettos kaschiert zu haben:335 Gerald Futscher lässt Fiordiligi nach mehr fröhlicher Musik verlangen, während Dorabella dem Tode nahe steht:

Abb. 13: La Scuola Degli Amanti, Szene 2, Takt 609-614, Auszug der Singstimmen, Partitur im Besitz des Komponisten

335 Oberhoff 2008, S. 494f. 91 Die postmoderne Groteske

Gerald Futschers Kammeroper steht zwar in der großen Tradition der grotesken Darstellung und erfüllt deren Kriterien, doch es besteht eine unüberbrückbare zeitliche Verschiebung zum grotesken Realismus, die dem heutigen Publikum den Zugang zum ambivalenten Lachen als Werkzeug zur positiven Verarbeitung der dargestellten Gewalt verwehrt.336 Daher fehlt auch bei La scuola degli amanti das abschließende befreiende Element, das dem Publikum moralischen Handlungsspielraum in der Interpretation eröffnen könnte, denn Fiordiligi und Dorabella bemänteln sich in ihrem geheuchelten Finale mit gesellschaftlich geprägten – und damit der Groteske widersprechenden - Allgmeinplätzen wie Reinheit, Schönheit und Mitleid und verurteilen sich selbst. Sie berauben sich ihrer eigenen, Veränderung bringenden Kraft und verhindern so eine Auflösung des dargestellten Wahnsinns, der in Abwesenheit des ambivalenten Lachens den bedrohlichen Geschmack der Aggression zurückgewinnt.

So sind die Stolpersteine im zeitlichen Abstand zum grotesken Realismus für eine fruchtbringende Rezeption von Così fan tutte und von La scuola degli amanti ident: Einerseits scheitern die Akteure an der Anerkennung und in der Folge an der Überwindung der eigenen Aggression, andererseits verfügt das Publikum in beiden Fällen nicht mehr über die Fähigkeit des ambivalenten Lachens zur Relativierung der dargestellten Vernichtung (von gesellschaftlichen Tugenden einerseits und dem menschlichen Körper andererseits).

Die postmoderne Groteske hat also nicht mehr die Durchschlags- und Erneuerungskraft, die der Groteske zu ihrer Blütezeit einst innewohnte. Die Ursache dafür in der fortschreitenden Auflösung gesellschaftlicher Verbotszonen und den entsprechenden fehlenden Widerständen zu suchen,337 ist aber zu kurz gegriffen. Die persönliche Freiheit mag in der heutigen mitteleuropäischen Gesellschaft sehr umfassend sein, die mediale Kanonisierung beispielsweise der Köperkonzeption ist jedoch stärker und zwingender als je zuvor. Das Streben nach einer einseitigen, klar

336 Bachtin 1987, S. 93. 337 Kandinskaia, Natalia: Postmoderne Groteske – groteske Postmoderne? Eine Analyse von vier Inszenierungen des Gegenwartstheaters. Berlin: LIT Verlag 2012, S. 25. 92 definierten, glatten Form von Schönheit338 erfasst dabei alle Bereiche der Ästhetik. So finden auch in dieser „offenen“ Gesellschaft unverändert Ausgrenzung und Ablehnung statt und gerade die zeitgenössische Musik sieht sich dieser Abspaltung besonders ausgesetzt. Helmut Lachenmann hat in dieser Hinsicht mit seinem Kompositionsstil und seiner Hartnäckigkeit viele Kämpfe ausgefochten und eine ‚Ethik der Ästhetik’ entwickelt,339 die sich gegen eine „Gesellschaft der verdrängten Widersprüche“340 richtet und sich für die Anerkennung von Heterogenität einsetzt:341

„Solcherweise verbleibt das Hässliche nicht nur starres Gegenbild des Schönen (...), sondern wird mit diesem vermittelt nicht allein dadurch, dass es die Chiffre abgibt fürs eigentlich Schöne, sondern dass es selbst Momente von Schönheit mit sich führt, die dem konventionell Schönen längst ausgetrieben wurden.“342

Lachenmann legitimiert damit seine Klangwelt der musique concrète instrumentale und bewegt sich gleichzeitig im Argumentationsfeld der grotesken Konzeption, die auch in seine Arbeit Einzug fand. So z.B. in der Beschäftigung mit Das Mädchen mit den Schwefelhölzern, das zur Überlieferungstradition der Märchen zu zählen ist, die an grotesken Elementen, am Spiel der Gegensätze und deren Transformationen übervoll sind.343 Die bereits diskutierte Ernsthaftigkeit Lachenmanns, die seinen Werken und auch seinem Arbeitsstil zugrunde liegt,344 wird vom Lachaspekt nicht berührt. Anders ist das bei Futscher, der im Instrumentarium, in der Komposition und/oder der Umsetzung komische Elemente einbaut, die dann gekoppelt mit tiefernsten Themen das Publikum vor (Interpretations-) Herausforderungen stellt (so z.B. die stumme

338 Sloterdijk 2009, S. 42. 339 Vgl. dazu das Kapitel „Musik ist auch Körper.“ 340 Gottwald 1985, S. 7. 341 Hüppe 2013, S. 19. 342 Gottwald 1985, S. 8f. 343 Hüppe, Eberhard: „Von einem Märchen und seiner Dynamik“ in: Helmut Lachenmann. Heft 146, Hrsg. Ulrich Tadday (Musik-Konzepte Neue Folge. Die Reihe über Komponisten). München: Richard Boorberg Verlag 2009, S. 26-45, S. 28f. 344 Vgl. dazu das Kapitel „Ich habe mich überhaupt nicht von Lachenmann inspirieren lassen. Er arbeitet einfach ganz ähnlich wie ich.“ 93 Mundchoreographie des Chores während der „Abschlachtung“ des Zahnarztes in der 3. Szene von La scuola degli amanti). Doch Lachen und Ernsthaftigkeit müssen in der grotesken Welt keinen Widerspruch bilden:

„Das echte, ambivalente und universale Lachen lehnt den Ernst nicht ab, sondern reinigt und ergänzt ihn. Es befreit ihn von Dogmatismus, Einseitigkeit und Verknöcherung, Fanatismus und allzu großer Kategorizität, von Elementen der Angst und der Einschüchterung, von Naivität und Illusionen, von Beschränktheit, Eindeutigkeit und dummer Penetranz.“345

Auch wenn das ambivalente Lachen in dieser Form nicht mehr im kollektiven Bewusstsein verankert ist, sind Anklänge daran doch noch allgegenwärtig im kulturellen Alltag, und besonders im Werk Gerald Futschers ermöglicht der ambivalente Standpunkt ein in seiner Unabgeschlossenheit vollständigeres Gesamtbild der Interpretation. So erkennt man darin letztlich, dass Futscher in seiner Selbstironie nicht zu jener Kategorie des denkenden Genius gehört, der sich über den „gemeinen Haufen“ erheben will, und dass die vom Publikum empfundene Provokation jenes Lachens auf einer Fehlinterpretation des Dargestellten als Satire oder Parodie beruht:

„Das Lachen richtet sich auch auf die Lachenden selbst, das Volk tritt nicht heraus aus dem stets werdenden Weltganzen. Es ist genauso unvollkommen, wird ebenfalls im Sterben neu geboren und erneuert. Darin liegt einer der wesentlichsten Unterschiede zwischen dem volkstümlichen festlichen Lachen und dem rein satirischen Lachen der Neuzeit. Der Satiriker, der bloß das negierende Lachen kennt, stellt sich außerhalb der belachten Erscheinung, stellt sich ihr gegenüber und zerstört dadurch die Einheit des kosmischen Aspekts der Welt;“346

345 Bachtin 1987, S. 168. 346 Ebd., S. 61. 94 „Mein Ziel: Ich höre auf und komponiere nur noch heimlich!“347

Vorweg ein Argument, warum Gerald Futscher sein oben angekündigtes Ziel noch etwas aufschieben sollte:

„Wir haben es in der Musik also nicht nur mit der Psyche des Komponisten, sondern auch mit der Kollektivpsyche einer Epoche zu tun. Ein genialer Künstler ist immer zugleich auch ein Medium, ein Sprachrohr für die nicht ausgedrückten, aber unterschwellig vorhandenen Themen einer ganzen Generation. Künstler sind mit besonders sensiblen Wahrnehmungs- instrumenten ausgestattet und dementsprechend dafür prädestiniert, dem Verborgenen, Unausgesprochenen oder Unaussprechlichen des Kollektivs einen sinnlichen Ausdruck zu verleihen.“348

Gerald Futscher beschränkt seine Kompositionstätigkeit auf den Bereich der Vorarlberger Musikszene, bekommt in Abständen immer wieder ein Landesstipendium verliehen, das er als Bestätigung seiner Arbeit sehr schätzt,349 nimmt aber an keinen internationalen Ausschreibungen oder Festivals aktiv teil. Er bezeichnet die Kontaktpflege mit anderen Komponisten als „internationales Geplänkel“, das er mühsam findet,350 und konstatiert, dass er natürlich auch anders komponieren könnte, wenn es ihm darum gehen würde Geld zu verdienen.351 An der Kultfigur Mozart stört ihn vor allem, dass Mozart mit seiner Musik gefallen wollte 352 - was aber doch auch im Kontext von Mozarts dauerhaft prekärer Geldsituation als freischaffendem Künstler gesehen werden sollte, denn vom großen Beethoven wird beispielsweise seine Verzweiflung darüber überliefert, dass gerade sein - wie er fand – „allzu hübsches Septett“ von sehr dauerhaftem Erfolg gesegnet war.353

347 Interview Futscher/Felder 16.11.2013. 348 Oberhoff 2008, S. 15. 349 Interview Futscher/Felder 19.11.2013. 350 Ebd. 351 Vorarlberg Heute, TV ORF 2, 11.11.2013. 352 Kultur nach 6, Radio V (Ö2), 27.01.2006, 18:05 bis 19:00 Uhr. 353 Harnoncourt, Nikolaus: „Zeitgeist und Wahrheit“ (1995), in: Harnoncourt 2005, S. 11-24, S. 22. 95 Futscher geht es nicht darum die Musiktradition zu verunglimpfen, sondern um seine legitimierte kompositorische Freiheit. Er leidet darunter, dass die Kulturindustrie den erzielten Umsatz als Gradmesser für Qualität heranzieht354 und ist darum bemüht sein Komponieren vom seelenlosen Begriff, der „Arbeit, die man macht, um Geld zu verdienen“355, fernzuhalten. Deshalb bezeichnet sich Futscher im Bach’schen Sinn lieber als Handwerker denn als Künstler 356 , um Kategorisierungen und Erwartungshaltungen zu entgehen. Michail Bachtin würde Futscher in diesem Sinne Narrenweisheit attestieren, die nämlich die „Freiheit von privaten materiellen Bedürfnissen und der unwürdigen Fähigkeit seine häuslichen und privaten Angelegenheiten zum eigenen Vorteil zu organisieren“357 beinhaltet. Daraus kann man das durchaus bestehende Bedürfnis zur Provokation im künstlerischen Schaffensprozess ableiten:

„Ein Kunstwerk, das ja anregen, bewegen will, braucht also die qualifizierte Ablehnung genauso wie die Zustimmung. Wo also der Status quo nicht in Frage gestellt wird, wird die Kunst an den vordergründigen Erfolg verraten – und dazu ist kein echter Künstler bereit.“358

Vordergründiger Erfolg besteht in unmittelbaren Belohnungen wie einem guten Einkommen und einer großen Anhängerschaft – aber was wollen die Künstler dann? Es kann doch nicht das Ziel sein vor leeren Publikumsrängen zu spielen und am Hungertuch zu nagen? Ein Lösungsansatz dazu liefert die Verhaltenspsychologie, die in Studien mit Kindern zur intrinsischen Motivation herausgefunden hat, dass der innere Drang und die Freude an der Tätigkeit signifikant nachlassen, wenn eine Belohnung oder andere extrinsische Faktoren daran geknüpft werden (overjustification effect). Wenn das kreative Spiel plötzlich bezahlt wird, kommt es zur Hinterfragung, ob das Spiel (das Komponieren, das Erfinden) ohne Bezahlung

354 Thurner, Silvia: „’Gegen die Ansammlung verblödeter Vorurteile’ Gerald Futschers kompositorische Denkwelt“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 15/Nr. 7 (9/2000), S. 30-32, S. 32. 355 Thurner, Silvia: „Fluss des Lebens führt in die Tiefe“, in: Vorarlberger Nachrichten (30.04.1998), D10. 356 Interview Futscher/Felder 19.11.2013. 357 Bachtin 1987, S. 303. 358 Harnoncourt, Nikolaus: „Zeitgeist und Wahrheit“ (1995), in: Harnoncourt 2005, S. 11-24, S. 23. 96 überhaupt noch eine Existenzberechtigung besitzen würde. Eine weitere Studie unterscheidet dabei unterschiedliche Persönlichkeitstypen, so wirkt das Belohnungssystem bei grundsätzlich extrinsisch orientierten Personen bestätigend und motivierend, während es intrinsisch orientierten Personen eher Schaden zufügt.359

Dass Gerald Futscher zum Kreis der intrinsisch motivierten Künstler gehört, beweist allein die Tatsache, dass er nach all den Jahren allen Widerständen zum Trotz weiterkomponiert – auch für die Schublade – und dass er sich bei einem Radioportrait als Musikwunsch von „The Who“ den Song „The Seeker“ auswählt, in dem es fast prophetisch heisst:

„I won’t get to get what I am after, till the day I die“360

359 Brehm, Sharon S; Kassin, Saul M.;Fein, Steven: Social Psychology. Fourth Edition. Boston, New York: Houghton Mifflin Company 1999, S. 61-62. 360 im Internet: http://www.azlyrics.com/lyrics/who/theseeker.html (letzter Zugriff 09.02.2014) 97

98 anstatt eines nachworts361

fortunato l’uom che prende ogni cosa pel buon verso, e tra i casi e le vicende da ragion guidar si fa.

quel che suole altrui far piangere fia per lui cagion di riso; e del mondo in mezzo ai turbini bella calma troverà.

fine dell’opera

glücklich der mensch, der alles von der guten seite nimmt und in den wechselfällen des lebens sich von der vernunft leiten lässt.

was andere gewöhnlich zum weinen bringt, das ist für ihn ein grund zum lachen; und mitten in den stürmen der welt findet er seine gute ruhe.

ende der oper

361 Don Alfonso in Così fan tutte. 99 Literaturverzeichnis

Adorno 1996 Adorno, Theodor W.: Ästhetische Theorie. Band 7 in: Gesammelte Schriften (hrsg. von Rolf Tiedemann). Frankfurt am Main: Suhrkamp 1996.

Aggermann 2013 Aggermann, Lorenz: „Der offene Mund. Eine unergründliche Figuration des Oralen“, in: Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. Hrsg. Hartmut Böhme und Beate Slominski. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 237- 243.

Bachtin 1987 Bachtin, Michail: Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1987.

Baricco 2005 Baricco, Alessandro: Sterben vor Lachen. Aufsätze zu Mozart, Rossini, Benjamin und Adorno. München: Carl Hanser Verlag (Edition Akzente, Hrsg. Michael Krüger) 2005.

Baricco 2006 Baricco, Alessandro: Hegels Seele oder die Kühe von Wisconsin. Nachdenken über Musik. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2006.

Böhme 2013 Böhme, Hartmut; Slominski, Beate: „Einführung in die Mundhöhle“, in: Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. Hrsg. Hartmut Böhme und Beate Slominski. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 11-30.

Böhme 2013(1) Böhme, Hartmut: „Intermezzo“, in: Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. Hrsg. Hartmut Böhme und Beate Slominski. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 53-54.

Böhme 2013(2) Böhme, Hartmut: „Aggressive Oralität: Drachen, Monster und Menschen“, in: Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. Hrsg. Hartmut Böhme und Beate Slominski. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 99-110.

Böhme 2013(3) Böhme, Hartmut: „Zahn Macht Wahn“, in: Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. Hrsg. Hartmut Böhme und Beate Slominski. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 125-138.

Böhme 2013(4) Böhme, Hartmut: „Intermezzo: Fetisch und Folter“, in: Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. Hrsg. Hartmut Böhme und Beate Slominski. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 219-220.

100 Böhme 2013(5) Böhme, Hartmut: „Ästhetik und Anästhetik des Mundraums“, in: Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. Hrsg. Hartmut Böhme und Beate Slominski. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 221-234.

Brehm 1999 Brehm, Sharon S; Kassin, Saul M.;Fein, Steven: Social Psychology. Fourth Edition. Boston, New York: Houghton Mifflin Company 1999.

Così fan tutte Mozart, Wolfgang Amadeus: Così fan tutte. KV 588. (Übersetzung: Dietrich Klose) Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1992.

Freud 1983 Freud, Sigmund: „Abriss der Psychoanalyse“ (1938), in: Freud, Sigmund: Gesammelte Werke. Band 17. Frankfurt a. Main: S. Fischer 1983.

Frisius 1997 Frisius, Rudolf: Art. „musique concrète“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, Sachteil, Bd. 6, Kassel: Bärenreiter-Verlag u. Stuttgart: Metzler- Verlag 1997, Sp. 1834-1844.

Fürstauer 2009 Fürstauer, Johanna: Oper, sinnlich. Die Opernwelten des Nikolaus Harnoncourt. St. Pölten: Residenz Verlag 2009.

Gast 2013 Gast, Lilli: „Gedanken zur Psychodynamik der Mundhöhle“, in: Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. Hrsg. Hartmut Böhme und Beate Slominski. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 71-73.

Gottwald 1985 Gottwald, Clytus: „Vom Schönen im Wahren“ in: Helmut Lachenmann. Heft 61/62, Hrsg. Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn (Musik-Konzepte. Die Reihe über Komponisten). München: edition text+kritik 1988, S. 3-11.

Greither 1977 Greither, Aloys: Die sieben großen Opern Mozarts. Versuche über das Verhältnis der Texte zur Musik. Heidelberg: Verlag Lambert Schneider GmbH 1977.

Harnoncourt 2005 Harnoncourt, Nikolaus: Mozart-Dialoge. Gedanken zur Gegenwart der Musik (hrsg. von Johanna Fürstauer). St. Pölten, Salzburg: Residenz Verlag 2005.

Hiekel 2009 Hiekel, Jörn Peter: „Die Freiheit zum Staunen. Wirkungen und Weitungen von Lachenmanns Komponieren“ in: Helmut Lachenmann. Heft 146, Hrsg. Ulrich Tadday (Musik-Konzepte Neue Folge. Die Reihe über Komponisten). München: Richard Boorberg Verlag 2009, S. 5-25.

Hilberg 2009 Hilberg, Frank: „Geräusche? Über das Problem, der Klangwelt Lachenmanns gerecht zu werden“ in: Helmut Lachenmann. Heft

101 146, Hrsg. Ulrich Tadday (Musik-Konzepte Neue Folge. Die Reihe über Komponisten). München: Richard Boorberg Verlag 2009, S. 60-75.

Houellebecq 2000 Houellebecq, Michel: Suche nach Glück. Gedichte. Köln: DuMont 2000.

Hüppe 2009 Hüppe, Eberhard: „Von einem Märchen und seiner Dynamik“ in: Helmut Lachenmann. Heft 146, Hrsg. Ulrich Tadday (Musik- Konzepte Neue Folge. Die Reihe über Komponisten). München: Richard Boorberg Verlag 2009, S. 26-45.

Hüppe 2013 Hüppe, Eberhard: Art. „Helmut Lachenmann“, in: Hanns-Werner Heister und Walter-Wolfgang Sparrer (Hrsg.), Komponisten der Gegenwart, 50. Nachlieferung Okt. 2013, München: edition text+kritik, S. 1-38.

Kandinskaia 2012 Kandinskaia, Natalia: Postmoderne Groteske – groteske Postmoderne? Eine Analyse von vier Inszenierungen des Gegenwartstheaters. Berlin: LIT Verlag 2012.

Lachenmann 1983 Lachenmann, Helmut: „Offener Brief an Hans Werner Henze“ (1983) in: Helmut Lachenmann. Heft 61/62, Hrsg. Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn (Musik-Konzepte. Die Reihe über Komponisten). München: edition text+kritik 1988, S. 12-18.

Lachenmann 1996 Lachenmann, Helmut: Musik als existenzielle Erfahrung. Schriften 1966-1995, [1973] (hrsg. Josef Häusler). Wiesbaden: Breitkopf und Härtel 1996.

Metzger 1988 Metzger, Heinz-Klaus: „Fragen-Antworten“ in: Helmut Lachenmann. Heft 61/62, Hrsg. Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn (Musik-Konzepte. Die Reihe über Komponisten). München: edition text+kritik 1988, S. 116-133.

Metzger 2012 Metzger, Heinz-Klaus: Die freigelassene Musik. Schriften zu John Cage (Hrsg. Rainer Riehn u. Florian Neuner). Wien: Klever Verlag 2012.

Oberhoff 2008 Oberhoff, Bernd: Mozart. Eine musikpsychoanalytische Studie. Gießen: Psychosozial-Verlag 2008.

Oss 2001 Oss, Simon: Gerold Amann – Gerald Futscher. „Flüchtig hingemachte Männer“, Diplomarbeit für die Lehramtsprüfung für Hauptschulen an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Vorarlberg 2001.

Rabelais 2003 Rabelais, François: Gargantua und Pantagruel. Frankfurt am Main und Leipzig: Insel Verlag 2003.

102 Ruf 1997 Ruf, Wolfgang: Art. „Musiktheater“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, Sachteil, Bd. 6, Kassel: Bärenreiter-Verlag u. Stuttgart: Metzler-Verlag 1997, Sp. 1689-1710.

Schiller 2013 Schiller, Friedrich: „Über den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen“, in: Ders., Theoretische Schriften. Berlin: Edition Holzinger 2013, S. 84-95.

Schmid 2009 Schmid, Manfred Hermann: Mozarts Opern. Ein musikalischer Werkführer. München: Verlag C.H. Beck, 2009.

Schmidt 2004 Schmidt, Matthias: Schönberg und Mozart. Aspekte einer Rezeptionsgeschichte. Wien: Lafite 2004.

Sloterdijk 2009 Sloterdijk, Peter: Du musst dein Leben ändern. Über Anthropotechnik. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2009.

Tadday 2009 Tadday, Ulrich: „Vorwort“ in: Helmut Lachenmann. Heft 146, Hrsg. Ulrich Tadday (Musik-Konzepte Neue Folge. Die Reihe über Komponisten). München: Richard Boorberg Verlag 2009, S. 3-4.

Thein 2003 Thein, Wolfgang: „Lachenmann, Helmut Friedrich“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, Personenteil, Bd. 10, Kassel: Bärenreiter-Verlag u. Stuttgart: Metzler-Verlag 2003, Sp. 968-974.

Vollmuth 2013 Vollmuth, Ralf: „Die Angst des Zahnarztes vor dem Patienten. Eine Annäherung“, in: Das Orale. Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. Hrsg. Hartmut Böhme und Beate Slominski. München: Wilhelm Fink Verlag 2013, S. 93-96.

Zeitungs- und Zeitschriftenartikel

Dietrich, Christa: „Eine ‚wilde’ Oper“, in: Vorarlberger Nachrichten (27.05.1994), D6.

Egger, Daniela: „Provokante Töne“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (10.05.2009), S. 94f.

Fehle, Veronika: „Vom Schnorcheln nach Noten“, in: Vorarlberger Nachrichten (17.04.2009), D4.

Furxer, Daniel: „Und dann leider doch nicht im Paradies gelandet“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (19.5.2009), S. 28.

Füßl, Peter: „5 Sätze zu Schwarzblau“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 15/Nr. 2 (2000), S. 6.

103 Füßl, Peter: „Ragouts, die mit Blut gebunden werden. Interview mit Gerald Futscher zur CD-Präsentation“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 19/Nr. 7 (2004), S. 30-31.

Gabriel, Ulrich: „Neue Musik einmal ohne Gekrieche“, in: Vorarlberger Nachrichten (14.06.2007), D4.

Glasenapp von, Katharina: „Klangexperiment Ameise“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (06.12.2001), S. 41.

Kompatscher, Brigitte: „’Glück’: Monteverdi als musikalische Vorgabe“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (04.12.2005), S. 67.

Kompatscher, Brigitte: „’Paradiesseits’: Oper mit einer Singstimme“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (13.05.2009), S. 26f.

Mika, Anna: „’Wassermusik’ von Futscher“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (27.03.2001), S. 42.

Mika, Anna: „Die Walrus, eine Berimbao und ein kranker Cellist“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (21.02.2003), S. 42.

Mika, Anna: „Höhenflug und Zerstörung“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (12.08.2003) S. 42.

Mika, Anna: „Gerald Futscher: Sehr aufreizend & provokant“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (14.03.2004), S. 77.

Neue-„ms“: „Grunz, grunz, grunz“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (10.06.2001), S. 48.

Pichler, Karlheinz: „’Kultur wird nur noch instrumentalisiert’ – Interview mit dem scheidenden Kunstraum-Dornbirn-Chef Hans Dünser“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 28/Nr. 9 (2013), S. 26-27.

Reiterer, Reinhold: „Der Hofrat & der Jungkomponist“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (29.05.1994), S. 47.

Thoma, Gerhard: „Kein Platz für Vernaderer“, in: Vorarlberger Nachrichten (14./15.04.2001), D10.

Thurner, Silvia: „’Musik ist für mich eine emotionale Sprache’“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 12/Nr. 10 (1997), S. 30-32.

Thurner, Silvia: „So klingt es vor dem Tor zur Hölle“, in: Vorarlberger Nachrichten (24.11.1997), D7.

Thurner, Silvia: „Fluss des Lebens führt in die Tiefe“, in: Vorarlberger Nachrichten (30.04.1998), D10

104 Thurner, Silvia: „Fächerübergreifendes Musikprogramm. ‚ForumFeldkirch 2000’ mit sieben Konzerten und zwei Messen“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 15/Nr. 8 (2000), S. 16-17.

Thurner, Silvia: „’Gegen die Ansammlung verblödeter Vorurteile’ Gerald Futschers kompositorische Denkwelt“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 15/Nr. 7 (9/2000), S. 30-32.

Thurner, Silvia: „Jedes Ding birgt Klänge in sich“, in: Vorarlberger Nachrichten (06.10.2000), D4.

Thurner, Silvia: „Expressive, erotische Ausdrucksformen frei baggern“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 16/Nr. 5 (2001), S. 48-49.

Thurner, Silvia: „Ameisenstaat auf Jagdberg“, in: Vorarlberger Nachrichten (04.12.2001), D4.

Thurner, Silvia: „Theaterabenteuer in der Burgruine erleben“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 18/Nr. 1 (2/2003), S. 28.

Thurner, Silvia: „Ohrmuschellose und Piraten“, in: Vorarlberger Nachrichten (18.02.2003), D4.

Thurner, Silvia: „’Ameisen’ am Jagdberg“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 18/Nr. 5 (6/2003), S. 28-30, S. 28.

Thurner, Silvia: „Die Ameisen kommen“, in: Vorarlberger Nachrichten (01.07.2003), D4.

Thurner, Silvia: „Vielfalt unter einem Hut“, in: Vorarlberger Nachrichten (11.08.2003), D6.

Thurner, Silvia: „’Und wollte ich doch etwas Kunst in die ‚Musi’ hineindrödeln, ist das sicher ein ‚Schaass mit Quasteln’’“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 19/Nr. 2 (3/2004), S. 26-27.

Thurner, Silvia: „’Du sabberst, Schwein’“, in: Vorarlberger Nachrichten (13./14.03.2004), D7.

Thurner, Silvia: „Musik mit Bohrer und Säge“, in: Vorarlberger Nachrichten (15./16.01.2005), D7.

Thurner, Silvia: „Musik ist immer Theater“, in: Vorarlberger Nachrichten (12.05.2005), D4.

Thurner, Silvia: „Neue Musik und eine Soundcollage – Michael Amann, Michael Buchrainer und Gerald Futscher“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 20/ Nr 8 (2005), S. 12-13.

105 Thurner, Silvia: „Das Haut-Ich und die Tiefe in der Oberfläche – Julia Hankes und Gerald Futschers Musikperformance ‚Haut’“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 24/Nr. 3 (2009), S. 20-22.

Thurner, Silvia: „’Liebst du mich denn nur aus Langeweile?’ Der Kosmos des Komponisten Gerald Futscher“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 27/Nr.3 (2012), S. 40-41.

Thurner, Silvia: „Erforschung immer noch entlegener Winkel des akustischen Kosmos – die ‚Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik’ werden mit den ehemaligen Kuratoren Georg Friedrich Haas, Wolfram Schurig und Alexander Moosbrugger gefeiert“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 28/Nr. 9 (2013) S. 4-7.

Thurner, Silvia: „In die Welt aktueller Literatur und Musik aus Vorarlberg eintauchen – Das Festival ‚Texte und Töne’ wird revitalisiert“, in: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 28/Nr. 9 (2013), S. 14-16.

Wagner, Renate: „Alles wild – und wie!“, in: Vorarlberger Nachrichten (30.05.1994), D6.

Wiehl, Ines: „Applaus für die Ameisen“, in: Neue Vorarlberger Tageszeitung (05.07.2003), S. 41.

Radio- und Fernsehsendungen

„Portrait“, in: Zeit-Ton, Radio Ö1, 25.01.2005, 23:05 bis 24:00 Uhr.

Kultur nach 6, Radio V (Ö2), 03.03.2005, 18:05 bis 19:00 Uhr.

Kultur nach 6, Radio V (Ö2), 27.01.2006, 18:05 bis 19:00 Uhr.

Kultur nach 6, Radio V (Ö2), 15.05.2009, 18:05 bis 19:00 Uhr.

Kultur nach 6, Radio V (Ö2), 21.02.2013, 18:05 bis 19:00 Uhr.

Vorarlberg Heute, TV ORF 2, 11.11.2013.

Interviews

Interview Futscher/Thurner 08.10.2013 Futscher, Gerald: persönliches Interview geführt von Silvia Thurner, Audioaufnahme, Götzis, 08.10.2013.

Interview Futscher/Felder 16.11.2013 Futscher, Gerald: persönliches Interview geführt von Katharina Felder, Audioaufnahme, Götzis, 16.11.2013.

106 Interview Futscher/Felder 19.11.2013 Futscher, Gerald: persönliches Interview geführt von Katharina Felder, Audioaufnahme, Götzis, 19.11.2013.

Interview Thurner/Felder 14.01.2014 Thurner, Silvia: persönliches Interview geführt von Katharina Felder, Audioaufnahme, Feldkirch, 14.01.2014

Interview Futscher/Felder 16.01.2014 Futscher Gerald: persönliches Interview geführt von Katharina Felder, Audioaufnahme, Götzis, 16.01.2014.

Online-Quellen http://www.azlyrics.com/lyrics/who/theseeker.html (letzter Zugriff 09.02.2014) http://www.bregenzerfestspiele.com/de/kategorie/hauptmen/programm/kunst- aus-der-zeit/kaz-konzerte (letzter Zugriff 09.02.2014) http://derstandard.at/1385171913278/Einserkastl-Wohlfuehltermine (letzter Zugriff 09.02.2014) http://www.feldkirch.at/rathaus/archiv/dateien/die-feldkircher-stadttore.pdf (letzter Zugriff 24.01.2014) http://www.hundertwasser.at/deutsch/texte/philo_verschimmelungsmanifest.php letzter Zugriff 24.01.2014) http://kulturzeitschrift.at/kritiken/musik-konzert/ein-festival-das-musik-literatur- gespraeche-und-begegnungen-in-angenehmer-atmosphaere-unter-einen-hut- brachte2013-201etexte-und-toene201c-im-funkhaus-dornbirn-wurde-erfolgreich- wieder-belebt (letzter Zugriff 24.02.2014) http://www.musicaustria.at/magazin/neue-musik/artikel-berichte/portraet- ensemble-plus (letzter Zugriff 09.02.2014) http://www.musicaustria.at/magazin/neue-musik/artikel-berichte/texte-und-toene (letzter Zugriff 24.02.2014) http://www.musikdokumentation-vorarlberg.at/gefumain.htm (letzter Zugriff 05.02.2014) http://www.musikdokumentation-vorarlberg.at/mudosit.htm (letzter Zugriff 09.02.2014) http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_V/Vorarlberg.xml (letzter Zugriff 09.02.2014) http://orf.at/stories/2217561/2217557 (letzter Zugriff 19.02.2014)

107 http://www.spielboden.at/programm/programmschienen-projekte/musik/neue- musik (letzter Zugriff 18.02.2014) http://www.symphonieorchester-vorarlberg.at/?p=f0isi1-98jli431-540jj-f1is2j- f2is173j-f3is297j-l540 (letzter Zugriff 09.02.2014) http://www.symphonieorchester-vorarlberg.at/?p=f0isi1-98jli431-1259jj-f1is2j- f3is335j-l1259 (letzter Zugriff 09.02.2014) http://www.vlk.ac.at/downloads/11/Ostinato_1_2013_Screen.pdf (letzter Zugriff 18.02.2014) http://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Haarmann (letzter Zugriff 19.02.2014) http://de.wikipedia.org/wiki/Daniel_Paul_Schreber (letzter Zugriff 19.02.2014) http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Futscher (letzter Zugriff 24.01.2014) http://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_Andergassen (letzter Zugriff 09.02.2014) http://www.youtube.com/watch?v=-yTlN807E2w (letzter Zugriff 25.02.2014) http://www.zeit.de/1994/23/apokalyptische-doppelwhopper (letzter Zugriff 09.02.2014)

108

109 Anhang

Libretto von La scuola degli amanti362

1. Szene

F: Schwester, was meinst du? D: Ich bin verblüfft über den teuflischen Verstand dieses Mädchens. F: Aber glaub mir, sie ist eine Verrückte. Glaubst du, dass es an uns ist, ihren Ratschlägen zu folgen? D: Oh sicher, wenn du die Sache von der leichten Seite nimmst. F: Im Gegenteil, ich nehme sie von ihrer richtigen. Hältst du es nicht für ein Verbrechen, wenn junge Bräute solche Dinge tun? D: Ich bin verblüfft. Sie sagt es ist nichts Schlimmes dabei. F+D: Oh, dein Gewissen ist zu großzügig! Und was werden unsere Verlobten sagen? F: Aber unsere Herzen? D: Bleiben, wie sie sind. Ein wenig Vergnügen um nicht vor Gram zu sterben. F: Das stimmt schon. D: Also? F: Also, tu nur, was du willst, aber ich will schuldlos sein, wenn daraus Schwierigkeiten entstehen. D: Was für Schwierigkeiten sollen entstehen, bei so viel Vorsicht? Übrigens, hör zu, damit wir uns recht verstehen: Welchen von den beiden Narzissten wählst du für dich? Ich nehme den Brünetten. F: Und ich will derweil mit dem Blonden ein wenig lachen und Spaß haben. D: Mit Scherzen werde ich auf seine süßen Worte antworten. F: Mit Seufzern werde ich die Seufzer des anderen imitieren. D: Er wird mir sagen: ‚Meine Liebe, ich sterbe!’ F: Er wird mir sagen: ‚Mein bester Schatz!’ F+D: ‚Meine Liebe, ich sterbe!’ F/D: Und welche Freude, welch ein Spaß wird das dann für mich sein. F: Welch Vergnügen, D: Was für Musik, F: Was für Gesang, D: Was für ein glänzendes Schauspiel! F+D: Was für ein glänzendes Schauspiel!

2. Szene

F: Wie schön du bist! Wie hübsch du bist! Was für schöne Augen! Was für ein schöner Mund! D: Ich zittre und bebe von Kopf bis Fuß. F: Spielt lauter die fröhliche Musik, wiederholt den süßen Gesang. D: mit dem fürchterlichen Klang meiner Seufzer F: Alles, alles oh mein Leben, schürt nur meine Glut. D: Unerbittliche Qualen, die ihr mich peinigt, aus dieser Seele entweicht nicht, bis der Kummer mich sterben lässt! F: In meinen Adern schwillt die Freude, sie schwillt und breitet sich aus. D: ...bis der Kummer mich sterben lässt!... F: Welch schöne Augen! Welch schöner Mund! Ich will euch das Fingerchen in den Mund stecken! D: Lasst mich! Wartet noch, was machst du da? Tut es nicht, oh Gott, tut es nicht! F: Himmel, was für schreckliche Schreie! Das tragische Schauspiel lässt mein Herz erstarren. D: Ah, das Sonnenlicht wird zur Nacht für mich. Ich zittre, Körper und Seele fühl ich schwinden. Zunge und Lippen bringen keinen Laut mehr hervor! F: Ich habe solche Lust zu lachen, dass es mich fast zerreißt! Haltet ihre Stirne fest. Haltet sie fest. Nur zu!

362 Diese Übersetzung aus dem Italienischen bezieht sich auf Auszüge aus der Reclam- Ausgabe des Librettos von Così fan tutte. 110 D: Es gibt noch eine Hoffnung: das Arsen soll mich befreien von so viel Grausamkeit! F: Eine Frau von 15 Jahren muss sich in allem auskennen D: Sterben, ja sterben... F: Wo der Teufel seinen Schwanz hat, D: ...damit die Grausamen zufrieden sind! F: was gut ist und was schlecht ist. D: Sterben, ja sterben, damit die Grausamen zufrieden sind. F: Ich habe solche Lust zu lachen, dass es mich fast zerreißt. D: Ich fühle mich so schlecht, so schlecht, meine Liebe F: Spielt lauter die fröhliche Musik D: Ich glaube, ich sterbe F: wiederholt den süßen Gesang! D: Wie schrecklich, ich zittre, ich erstarre! F: Alles, alles, oh mein Leben, schürt nur meine Glut. D: Gerechter Himmel! Grausamer, du hast gewonnen: F: In meinen Adern schwillt die Freude, sie schwillt... D: Mach mit mir, was du willst. F: ... und breitet sich aus.

3. Szene

F+D: Welch neue Freuden! Welch süße Leiden! F+D: Ah, ich sehe: Diese schöne Seele Kann meinen Tränen nicht widerstehen; Sie ist nicht geschaffen, die Gefühle Freundlichen Erbarmens zu unterdrücken. Mit diesem Blick, mit diesen teuren Seufzern Dringt ein süßer Strahl mir ins Herz Schon erwiderst du meine heißen Wünsche, schon ergibst du dich der zärtlicheren Liebe.

Hab Mitleid, mein Geliebter, vergib Den Irrtum einer liebenden Seele. Unter diesen Schatten und diesen Tränen Wird sie für immer verborgen sein, oh Gott!

Meine Kühnheit, meine Standhaftigkeit Werden diese frevlerische Lust abtöten Und die Erinnerung tilgen an das, was mich beschämt und erschauern lässt.

Wem ist dieses leichtsinnige, undankbare Herz je untreu gewesen? Bessere Belohnung verdiente, teurer Geliebter, deine Reinheit.

111 Werkliste von Gerald Futscher (Stand Jänner 2014)

Fluch der Berge.1989. Phantastische Oper in vier Akten ca. 180';

Kleine Messe für Bläserquartett und Sopran. 1989. 30'; Sopran, Oboe, Klarinette, Horn, Fagott UA: 16.7.1989 Puente la Reina/Navarra

Konzert für Fagott und Orchester. 1990. 12'

Requiem. für gemischten Chor, 15 Bläser, Pauke und Orgel. 1990 40' UA: 31.10.1992, Feldkirch

Trio für Bassklarinette, Horn und Fagott. 1992. 20' UA: 28.5.1992 Wien, Sargfabrik

Das tapfere Schneiderlein. Musik für eine Puppenbühne. 1994. 40'; Fl, Klar, (BKlar), Ob (EHr), Hr, Fag (KFag), Pf, Perc UA: Ravensburg

Der wilde Jäger. Oper in einem Aufzug nach einem Libretto von Franz Grillparzer. 1994 . 30' UA: 27.5.1994 (Wiener Festwochen)

Konzert für Klavier und Orchester. 1995. 20'

Musik für einen Kaugummiautomaten. 1994. UA: 1994 Kunsthaus Wien

Heliogabal. Sechs Lieder nach Gedichten von Stefan George und Textzitaten von A. Artaud. 1995 . 50'; Mezzosopran (Bar), KnabenSt (Spr) - AFl, Hr, Fag, Pos, Pf, 2 Perc

2. Symphonie "l’homme machine" Hommage à Julien Offray de la Mettrie.

Das Lord Nelson. Klanginstallation, bestehend aus einer Komposition für Tonband und einem fahrradbetriebenen Wasserklavier. 1996. 40'; UA: 19.7.1996, Feldkirch

Haarmann. Blechbläserquintett. 1996. 15'; UA: 22.11.1997, Sonus Brass Ensemble, Bezau

Eidolon für Ensemble. 1997.

"Schneewittchen" Musik für Puppentheater. 1997. UA Oktober 1997 bei der "Anima" in Hallein

Schlagzeugquartett. 1997.

Ballettmusik 1997.

Kanon für Fischerblei und Klavier. 1997. UA Septebmer 1997 bei den Feldkircher Tanztagen.

Fish für Fischerblei, Klavier und Harmonium. 1997. Studioaufnahme im ORF – Landesstudio Vorarlberg Oktober 1997 UA November 1997 im Landeskonservatorium Vorarlberg

Quasimodo für Trompete Solo. 1997. UA Dezember 1997 in Lech

No Still Path für zwei Streichorchester. 1998. UA Mai 1998 vom Sinfonieorchester Vorarlberg, Festspielhaus Bregenz

Zeit oder Geld für Klarinette, Klavier, Harmonium und Männerchor. 1998. UA Mai 1998 in St. Gerold

Tirsch für Sopran, Klarinette, Klavier und Tonband. 1998.

112 Violoncello Solo und Tonband. 1998. UA Juni 1998 in Feldkirch; Studioaufnahme ORF Landesstudio Vlbg. März 1999

Präludium und Fuge für Blechbläserquintett und Orgel. 1999. UA Juli 1999 in Gaschurn

Das Narrenschiff für Mezzosopran, Klarinette, Violoncello, Harmonium, Schlagzeug und Tonband

Bestiarium für Sopran, Alt, Sprecher, großes Ensemble und Tonband nach Gedichten und Textzitaten von Guillaume Apollinaire. 1999. flüchtig hingemachte Männer /1 für 2 Klarinetten, Klavier, Schlagzeug und Tonband. 1999. flüchtig hingemachte Männer /2 für Kontrabaß, Klaviertorso, Schlagzeug + Tonband. 1999. UA Juni 1999 Klang Art `99 Osnabrück. flüchtig hingemachte Männer /3 für Klarinette, Trompete, Violoncello, Kontrabaß, 2 Schlagzeuger und Tonband 1999. flüchtig hingemachte Männer /4 für Orgel und Tonband. 1999.

Romantische Skizzen für 2 Tenorhörner und Kontrafagott. 1999. UA 22. Juli 1999 Vorarlberger Landesmuseum Bregenz.

"Dame de mes pensees, au cul de perle fine" für Mezzosopran, Ensemble und Tonband. 1999.

Die Nasenoperation. (Freud und sein Complize) für Ensemble. 1999. le bandage de peau für Flöte, Klarinette, Violine, Viola, Violoncello, Kontrabaß, Klavier und Schlagzeug. 2000. UA 4. Oktober 2000 ORF Dornbirn.

Der Würstchenesser für Harmonium und Schlagzeug. 2000. UA November 2000 Feldkirch.

`l bel foco ond'ardo Trio für Viola, Klarinette und Harmonium. 2000. UA 19.9.2000 Landhaus Bregenz.

Theatermusik zu Pompinien für Violine,Harmonium und Klaviertorso. 2001 UA 24.3.2001 Theater am Saumarkt Feldkirch.

Musik für Harmonium und Hackbrett. 2001. UA 24.4.2001 Funkhaus Dornbirn. con leggiadri suoni für Flöte Klarinette und Fagott. 2001. UA 22.5.2001 Remise Bludenz deep throat” 3 Miniaturen für Alphorn, Flöte, Klarinette und Fagott. 2001. UA 22.5.2001 Remise Bludenz tu baves cochon, tu baves für gemischten Chor und Harmonium. 2001 UA 14.6.2001 Spielboden Dornbirn deh, coprite il bel seno für Altsaxophon, Kontrabaß, Perc. und Tonband. 2002. Studioproduktion ORF Vlbg. 24.Jänner 02

Eng und schlüpfrig ist der Weg für Cembalo. 2002. die walrus für Streichsextett, 25', 2003 UA: 19.2.2003 Bregenz, Kornmarkttheater

Sai che minestra c'e stasera. für Ensemble und Tonband, 2003 UA: 26.5.2003 Bozen, (1. Preis bei Prima la musica)

113 Hör` den Ruf des faulen Holzes. für Violoncello und Streichorchester, 11', 2003. UA: 9.8.2003 Bregenz, Kunsthaus, (Bregenzer Festspiele)

Formicula gemeinsam mit Gerold Amann, Musiktheater, 70', 2003. UA: 3.-13.7.2003 Schlins, Burgruine Jagdberg das Schwein ist die Sonne. für gemischten Chor, Rüsselinstrumente und Tonband, 23', 2003. UA: 14.8.2003 St. Gerold

3 Nocturnes für Klarinette, Fagott, 2 Harmonien und kleines Joghurtbecherensemble, 20', 2003 UA: 9.10.2003 Feldkirch, Palais Liechtenstein

Froschkonzert für gemischten Chor, Blechbläserquintett, Sax, Kb, Harmonium, Perc. und Tonband, 15', 2004 UA: 12.3.2004 Dornbirn, Spielboden nyctalus leisleri Trio für Flöte, Klarinette, Fagott und Tonband, 10', 2004 UA: 19.6.2004 Rheineck, CH das kleine Ich bin Ich. Singspiel für Kinder UA: 14.5.2004 Altach miluj ma Theatermusik zum gleichnamigen Stück des Aktionstheaterensembles UA: 19.5.2004 Bregenz (Bregenzer Frühling) nyctalus noctula für Fl. Cl. Vl. Vc und Tonband, 20', 2004

Hufeisennasen für zwei Klarinetten und Tonband, 20', 2004 UA: 7.11.2004 Wien, St. Ruprecht

Zerberstet das Ey, so kömmt der Gifft heraus für Violine, Blechbläserquintett und Harmonium, 13', 2005 UA: 25.2.2005 Dornbirn, Spielboden für die Fische für zweischlauchverlängerte Klarinetten, 13', 2005 UA: 28.4.2005 Wien, Galerie Tonart hören bricolage für Orchester und Tonband, 24', 2005 UA: 12.5.2005 Götzis, AmBach

Mancikas Tanz für Bassetthorn, 2005

Anobium pertinax Klanginstallation, 2005 UA: 10.10.2005 Dornbirn, Kunstraum

Prilis hlucna samota für Bassetthorn und Streichquartett, 2005

3 kleine Stücke für Violoncello und Klavier, 2005 UA: 10.10.2005 Dornbirn, Kunstraum

Theatermusik zu "der Schwalbenkönig", 2006, (Franzobel, aktionstheater-ensemble) UA: 8.6.2006, Festspielhaus Bregenz

Marsch für Blechbläserquintett, 2006 UA: 25.10.2006, Feldkirch

2 Stücke für Blasmusik, 2007 UA: 1.4.2007, Lauterach, Bürgermusik

Musik für Klarinette , 2007 UA: 8.6.2007, zur Wiedereröffnungs des Festspielhauses Bregenz, (DVD, Kunstverein Bregenz)

3 kleine Stücke für Cembalo, 2007 UA: 19.6.2007, Landhaus Bregenz

1. Streichquartett, 2007 UA: 12.6.2007 im Atelier (privat) und am 29.2.2008 Theater am Kornmarkt Bregenz

Musik für Viola, 2008 UA: 17.5.2008, Pathologie des Landeskrankenhauses Feldkirch

114 Paradiesseits, 2009 UA: 15.5.2009, Bregenzer Frühling

Haut, für Mezzosopran, Cl (Kbcl), Pos, Vl,Va,Kb, 2008 UA: 15.4.2009 qui glissent lse unes derriere les autres, für Ensemble, 2009 UA: 5.2.2009 bei prima la musica in Feldkirch

Danton's Tod, Orchestervorspiel, 2009

Leonce und Lena, Oper nach dem Stück von Georg Büchner, 2009

Ich würde vorziehen, es nicht zu tun. für 2 Baßklarinetten, 2010 erschienen auf der CD Petra Stump/Heinz-Peter Linshalm "ShortCuts", einklang records, 2010.

8 Stücke für Viola und Klavier, 2011 Teiluraufführung: 30.10.2011, Andreas Ticozzi, Yukie Togashi, Kornmarkttheater Bregenz.

Zwei Sätze für Klavierquintett, 2011

5 Lieder nach Gedichten von Michel Houellebecq für Mezzosopran und Ensemble, 2012 1 "le but de la vie" 2 " Nous devons développer..." 3 " je suis comme un enfant " 4 " dans l'air limpide " 5 " derrière mes dents "

"D'abord j'ai trébuché dans un congélateur" für 2 Sax, Kb, Perc. und Zuspielungen, 2012

5 Stücke für Posaune & Klavier, 2012 drei Violinduos, 2012 1 "variable Krümmung" 2 "Spiegel" 3 "Inflexion"

"Musik für Ensemble", 2012 UA: 14.1.2013, Festspielhaus Bregenz

"Brown'sche Bewegung" für Bläserseptett, 2012 UA: 22.3.2013, Innsbruck, Jesuitenkirche, Ensemble Windkraft. Kapelle für Neue Musik.

115 Erklärung

Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Jene Stellen der Diplomarbeit, die anderen Quellen im Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen wurden, sind durch Angaben der Herkunft kenntlich gemacht. Dies gilt auch für Notenbeispiele und Skizzen sowie für Quellen aus dem Internet.

Wien, am 31. März 2014

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