GaltGaltGalt die die dieFrühgeschichte Frühgeschichte Frühgeschichte Bayerns Bayerns Bayerns vor vor vor DieDieDie Anfänge Anfänge Anfänge Bayerns Bayerns Bayerns zweizweizwei Jahrzehnten Jahrzehnten Jahrzehnten als als alsfast fast fast geklärt, geklärt, geklärt, soso wirftso wirft wirft sie sie sieim im imLicht Licht Licht der der der jüngeren jüngeren jüngeren VonVonVon Raetien Raetien Raetien und und und Noricum Noricum ForForFor schung schung schung mehr mehr mehr Fragen Fragen Fragen auf auf auf denn denn denn zurzurzur frühmittelalterlichen frühmittelalterlichen frühmittelalterlichen Baiovaria Baiovaria Baiovaria je.je. Umje. Um Um diese diese diese aus aus aus interdisziplinärer interdisziplinärer interdisziplinärer SichtSichtSicht zu zu zudiskutieren, diskutieren, diskutieren, trafen trafen trafen sich sich sich imim imMärz März März 2010 2010 2010 Vertreter Vertreter Vertreter der der der Archäologien,Archäologien,Archäologien, der der der Geschichts- Geschichts- Geschichts- undundund SprachwissenschaftenSprachenwissenschaften Sprachenwissenschaften Sprachenwissenschaften in in in in Benediktbeuern.Benediktbeuern.Benediktbeuern. DerDerDer kritische kritische kritische Blick Blick Blick auf auf auf die die dieÜber- Über- Über- lieferunglieferunglieferung in in Verbindungin Verbindung Verbindung mit mit mit Hg.: Hubert Fehr und Irmtraut Heitmeier und Irmtraut Hg.: Hubert Fehr Heitmeier und Irmtraut Hg.: Hubert Fehr Heitmeier und Irmtraut Hg.: Hubert Fehr Hrsg.: Hubert Fehr und Irmtraut Heitmeier und Irmtraut Hubert Fehr Hrsg.:

neuneuneu gewonnenen gewonnenen gewonnenen methodischen methodischen methodischen EinsichtenEinsichtenEinsichten brachte brachte brachte manch manch manch ältere ältere ältere ‚Gewissheit‘‚Gewissheit‘‚Gewissheit‘ ins ins insWanken, Wanken, Wanken, zeigte zeigte zeigte aber aber aber auchauchauch neue, neue, neue, zum zum zum Teil Teil Teil überraschende überraschende überraschende PerspektivenPerspektivenPerspektiven auf. auf. auf. DieDieDie Beiträge Beiträge Beiträge des des des vorliegenden vorliegenden vorliegenden BandesBandesBandes bilanzieren bilanzieren bilanzieren den den den aktuellen aktuellen aktuellen Forschungsstand.Forschungsstand.Forschungsstand. Dabei Dabei Dabei werden werden werden nichtnichtnicht nur nur nur zahlreiche zahlreiche zahlreiche neue neue neue Denk- Denk- Denk- ansätzeansätzeansätze präsentiert, präsentiert, präsentiert, sondern sondern sondern auch auch auch verschiedene,verschiedene,verschiedene, konkurrierende konkurrierende konkurrierende und und und zumzumzum Teil Teil Teil sich sich sich sogar sogar sogar widersprechende widersprechende widersprechende StandpunkteStandpunkteStandpunkte vertreten. vertreten. vertreten.

herausgegeben herausgegeben herausgegeben Hrsg.:von von von ISBNISBNISBN 3830675488ISBN 3830675488 3830675488 Die Anfänge Bayerns Die Anfänge Bayerns Die Anfänge Bayerns Die Anfänge Bayerns Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiovaria Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiovaria Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiovaria Von Die Anfänge Bayerns Die Anfänge Bayerns Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiovaria Von HubertHubertHubertHubert Fehr Fehr Fehr und und Fehrund 9 9 97 7838308 7838303 8 3 0 6 6754887 6754885 4 8 8 IrmtrautIrmtrautIrmtraut Heitmeier Heitmeier Heitmeier

benediktbeuern_umschlag_02_07_201benediktbeuern_umschlag_02_07_201benediktbeuern_umschlag_02_07_201 1 1 1 02.07.201202.07.201202.07.2012 12:32:54 12:32:54 12:32:54 Die Anfänge Bayerns Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiovaria

benediktbeuern_innenteil_22_06_21 1 22.06.2012 17:16:39

Bayerische Landesgeschichte und europäische Regionalgeschichte herausgegeben vom Institut für Bayerische Geschichte – LMU München Ferdinand Kramer und Dieter J. Weiß

Band 1

in Verbindung mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege Egon Johannes Greipl

benediktbeuern_innenteil_03_07_22 2 03.07.2012 15:13:29 Die Anfänge Bayerns Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiovaria

herausgegeben von

Hubert Fehr Irmtraut Heitmeier

EOS Verlag, St. Ottilien 2012

benediktbeuern_innenteil_22_06_23 3 22.06.2012 17:16:39 Die Herausgeber danken dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, dem Institut für Bayerische Geschichte der LMU München sowie der Michael-Doeberl-Stiftung und Eginhard-und-Franziska-Jungmann-Stiftung, die die Durchführung des Kolloquiums und die Drucklegung des Tagungsbandes ermöglicht haben.

Für den reibungslosen Ablauf des Kolloquiums und die angenehme Tagungsatmosphäre sei den Mitarbeitern des „Zentrums für Umwelt und Kultur“ im Maierhof des Klosters Benediktbeuern besonders gedankt.

Für vielfältige Unterstützung gilt unser Dank zudem den Kollegen der Archäologischen Staatssammlung München und den Mitarbeitern des Instituts für Bayerische Geschichte.

Außerdem danken wir für die freundliche Überlassung von Publikationsrechten der Bayerischen Staatsbibliothek, München, und dem Cornelsen-Verlag, Berlin.

Abbildungen: Für die Abbildungen gilt der Nachweis der Bildunterschriften. Zusätzlich: Umschlag Handschrift: ASP, Hs. A 5, fol. 3v (Erzabtei St. Peter Salzburg); Vorsatzkarte: Bearbeitung der Karte „Die spätrömischen Provinzen Secunda, Noricum Ripense und Noricum Mediterraneum im 5. Jh. n. Chr.“ von Arno Rettner u. Bernd Steidl, in: Ludwig Wamser (Hg.), Karfunkelstein und Seide, 2010, 47; Nachsatzkarte: Bearbeitung der Karte „Das Bairische Stammesherzogtum 788“ in: Hermann Dannheimer – Heinz Dopsch (Hg.), Die Bajuwaren, 1988, 163.

Umschlag, Gestaltung und Satz: Elisabeth Lukas-Götz M.A., Thomas Böck

Druck und Bindung: EOS-Druck, St. Ottilien

Gedruckt auf säurefreiem, chlorfreiem Werkdruckpapier „Alster gelblichweiß“ unter Verwendung der Rotis Serif W1G

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Angaben sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt und verbreitet werden.

1. Auflage 2012 Deutsche Erstausgabe

Copyright © 2012 by EOS Verlag, St. Ottilien [email protected] www.eos-verlag.de

ISBN 978-3-8306-7548-8

benediktbeuern_innenteil_22_06_24 4 22.06.2012 17:16:41 Vorwort

Die Diskussion um die Anfänge Bayerns in den Transformationsprozessen vom 4. bis 8. Jahrhundert n. Chr. hat in den letzten beiden Jahrzehnten vor allem durch bemerkenswerte archäologische Funde und Befunde, durch ei- nen multiperspektivischen, interdisziplinären sowie in europäischen Bezü- gen vergleichenden Ansatz, außerdem durch die neue Sensibilität für kultur­ wissenschaftliche Fragestellungen in den Geschichtswissenschaften neue Impulse bekommen. Vor diesem Hintergrund haben auf Initiative von Dr. Irm­ traut Heitmeier und Dr. Hubert Fehr das Bayerische Landesamt für Denkmal­ pflege und das Institut für Bayerische Geschichte der LMU München 2010 im „Zentrum für Umwelt und Kultur“ in Benediktbeuern eine Tagung veranstal- tet, deren Ergebnisse in diesem Band präsentiert werden. Zur Ausstattung des Bandes trug wesentlich die Abteilung Frühgeschicht- liche Archäologie und Archäologie des Mittelalters des Instituts für Archäo- logische Wissenschaften der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg bei, die die aufwändige Erstellung der Karten durch Herrn Michael Kinsky ermöglichte. Frau Elisabeth Lukas-Götz M.A. wirkte maßgeblich an der Endkorrektur der Beiträge und durch die Gestaltung des Bandes mit.

Wir danken allen für die engagierte Mitarbeit!

Prof. Dr. Egon Johannes Greipl, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege Prof. Dr. Ferdinand Kramer, Institut für Bayerische Geschichte – LMU München

benediktbeuern_innenteil_22_06_25 5 22.06.2012 17:16:41 benediktbeuern_innenteil_22_06_26 6 22.06.2012 17:16:41 Inhaltsverzeichnis

5 Vorwort

10 Abkürzungsverzeichnis

13 Hubert Fehr, Irmtraut Heitmeier Ein Vierteljahrhundert später …

21 Michaela Konrad Ungleiche Nachbarn. Die Provinzen Raetien und Noricum in der römischen Kaiserzeit

73 Roland Steinacher Zur Identitätsbildung frühmittelalterlicher Gemeinschaften. Überblick über den historischen Forschungsstand

125 Jochen Haberstroh Der Fall Friedenhain-Přešťovice – ein Beitrag zur Ethnogenese der Baiovaren?

149 Ludwig Rübekeil Der Name Baiovarii und seine typologische Nachbarschaft

163 Alheydis Plassmann Zur Origo-Problematik unter besonderer Berücksichtigung der Baiern

benediktbeuern_innenteil_22_06_27 7 22.06.2012 17:16:41 

183 Britta Kägler „Sage mir, wie du heißt ...“: Spätantik-frühmittelalterliche Eliten in den Schriftquellen am Beispiel der frühen Agilolfinger

197 Christa Jochum-Godglück Walchensiedlungsnamen und ihre historische Aussagekraft

219 Andreas Schorr Frühmittelalterliche Namen an Iller, Donau und Lech. Ihr Aussagewert für eine transdisziplinäre Kontinuitäts- und ‚Ethnogenese‘-Diskussion

245 Brigitte Haas-Gebhard Unterhaching – Eine Grabgruppe der Zeit um 500 n. Chr.

273 Arno Rettner Zur Aussagekraft archäologischer Quellen am Übergang von der Antike zum Frühmittelalter in Raetien

311 Hubert Fehr Friedhöfe der frühen Merowingerzeit in Baiern – Belege für die Einwanderung der Baiovaren und anderer germanischer Gruppen?

337 Barbara Hausmair Kontinuitätsvakuum oder Forschungslücke? Der Übergang von der Spätantike zur Baiernzeit in Ufernoricum

359 Jaroslav Jiřík Böhmen in der Spätantike und der Völkerwanderungszeit unter besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zu Baiern und Thüringen

403 Eva Kropf Möglichkeiten und Grenzen der Anthropologie, dargestellt am Beispiel des frühmittelalterlichen Gräberfeldes von Enkering (Lkr. Eichstätt)

413 Josef Löffl Wirtschaftshistorische Grundgedanken zum bairischen Raum in der Spätantike

425 Stefan Esders Spätantike und frühmittelalterliche Dukate. Überlegungen zum Problem historischer Kontinuität und Diskontinuität

benediktbeuern_innenteil_22_06_28 8 22.06.2012 17:16:41 

463 Irmtraut Heitmeier Die spätantiken Wurzeln der bairischen Noricum-Tradition. Überlegungen zur Genese des Herzogtums

551 Philippe Depreux Auf der Suche nach dem princeps in Aquitanien (7.–8. Jahrhundert)

567 Christian Later Zur archäologischen Nachweisbarkeit des Christentums im frühmittel- alterlichen Baiern. Methodische und quellenkritische Anmerkungen

613 Roman Deutinger Wie die Baiern Christen wurden

Runder Tisch: Regensburg im frühen Mittelalter. Aktuelle Perspek­ tiven aus archäologischer, namenkundlicher und historischer Sicht 633 Einführung 634 Silvia Codreanu-Windauer Zum archäologischen Forschungsstand in und um Regensburg 640 Arno Rettner Historisch-archäologische Überlegungen zur Bedeutung Regensburgs im 6. und 7. Jahrhundert 653 Wolfgang Janka Der Raum Regensburg – namenkundlicher Forschungsstand und Perspektiven 658 Alois Schmid Probleme der Frühgeschichte Regensburgs aus historischer Sicht

663 Autorenverzeichnis

benediktbeuern_innenteil_22_06_29 9 22.06.2012 17:16:41 10

Abkürzungsverzeichnis

Adj. Adjektiv ahd. althochdeutsch ANRW Aufstieg und Niedergang des Römischen Weltreichs BayHStA Bayerisches Hauptstaatsarchiv Bearb. Bearbeiter Bez. Bezirk BHL Bibliotheca Hagiographica Latina BLfD Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege BSB Bayerische Staatsbibliothek CAH2 The Cambridge Ancient History, 2. Aufl. CIL Corpus Inscriptionum Latinum CSIR Corpus Signorum Imperii Romani dt. deutsch ed. ediert/herausgegeben F. Femininum fol. folio FSGA Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe. Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters Gde. Gemeinde germ. germanisch GewN Gewässername griech. griechisch Hg. Herausgeber/-in, herausgegeben HONB Historisches Ortsnamenbuch von Bayern

benediktbeuern_innenteil_22_06_210 10 22.06.2012 17:16:41 11

Hzg. Herzog idg. indogermanisch Jh. Jahrhundert Kop. Kopie Kr. Kreis lat. lateinisch Ldkr./Lkr. Landkreis M. Maskulinum MGH Monumenta Germaniae Historica MGH AA Monumenta Germaniae Historica, Auctores antiquissimi MGH Capit. Monumenta Germaniae Historica, Capitularia MGH Conc. Monumenta Germaniae Historica, Concilia MGH DD Monumenta Germaniae Historica, Diplomata MGH Epp. Monumenta Germaniae Historica, Epistolae MGH LL Monumenta Germaniae Historica, Leges MGH SS Monumenta Germaniae Historica, Scriptores mhd. mittelhochdeutsch N Norden Ndr. Nachdruck NF Neue Folge O Osten OK Oberkante eines Befundes (in m und NN) ON Ortsname Or. Original pdF plastisch dekorierte Feinkeramik PN Personenname Prov. Provinz QuE Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte r. regiert RAC Reallexikon für Antike und Christentum Red. Redaktion RGA2 Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 2. Aufl. S Süden sc. (scilicet) d. h. (das heißt) SEG Supplementum Epigraphicum Graecum SN Siedlungsname St. Stadt SUB Salzburger Urkundenbuch Tr. Traditionen vlat. vulgärlateinisch W Westen

benediktbeuern_innenteil_22_06_211 11 22.06.2012 17:16:41 benediktbeuern_innenteil_22_06_212 12 22.06.2012 17:16:41 Einleitung und Bemerkungen zu den Baiern_73 | Die antike Ethnographie und griechisch-römische Bilder des Barbaricums_78 | Ethnizität und Gentilität als Kategorien des Fremden_80 | Das römische Zentrum bedingt seine Periphe- rie_82 | Wie ‚römisch‘ sind Franken und Alemannen, Goten und Vandalen?_85 | Soldaten übernehmen die politische und militärische Macht im Westen des Römerreiches_87 | ‚Völkerwanderung‘, Germanen, Schweden und Deutsche_90 | Tendenzen der Forschung und der Begriff der ‚Ethnogenese‘_94 | Ethnische Identitäten in römischen Provinzen?_101 | Die Zukunft der Fragestellung_103

Zur Identitätsbildung frühmittelalterlicher Gemeinschaften

Überblick über den historischen Forschungsstand*

Roland Steinacher

Einleitung und Bemerkungen zu den Baiern

Jordanes nennt um 550 die Baibari (andere Lesarten in den Handschriften: Baiobari; Baioari) als Nachbarn der Sueben. Die Sueben und Alemannen wie ihre Verbündeten beherrschen manche Alpenzüge. Von dort kommen etliche Zuflüsse der Donau, weiß Jordanes zu berichten. An dieses Gebiet grenzen im Westen die Franken, im Süden die Burgunder, im Norden die Thüringer und im Osten eben die Baiern. Venantius Fortunatus, der um 570 eine Pil-

* Verschriftliche und erweiterte Fassung des Vortrags „Zur Identitätsbildung frühmittelalter- licher Gemeinschaften – Überblick über den historischen Forschungsstand“ auf dem Kolloquium „Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiuvaria“ im Kloster Benediktbeuern vom 14.–16.3.2010. Ich danke Irmtraut Heitmeier und Hubert Fehr für die Einladung zur Tagung und viele anregende Debatten. Die Erstellung der Aufsatzfassung wurde durch ein Forschungsstipen- dium der Gerda-Henkel-Stiftung ermöglicht.  Iordanes, Getica 280 f., ed. Mommsen 130: Nam regio illa Suavorum ab oriente Baibaros habet, ab occidente Francos, a meridie Burgundzones, a septentrione Thuringos. Quibus Suavis tunc iuncti aderant etiam Alamanni ipsique Alpes erectos omnino regentes, unde nonnulla fluenta Danubium influunt nimio cum sonu vergentia. Springer, Neue Ergebnisse der Jordanes-Forschung, 136, meint, Barbaren und nicht Baiern seien bei Iordanes gemeint. Vgl. dazu und allgemein zu

benediktbeuern_innenteil_22_06_273 73 22.06.2012 17:17:03 74 Roland Steinacher

gerreise von Treviso zum Grab des heiligen Martin von Tours unternahm, erwähnt ebenfalls Baiern. Der spätere Bischof von Poitiers beginnt die Be- schreibung seiner – offenbar bei Hin- und Rückreise variierenden – Route über die Alpen ins Land der Baiern, weiter nach Mainz, Köln und Trier, über Metz, Verdun und Paris nach Tours in der Poebene mit sechs Flüssen. Wei- ter bezieht er sich auf fünf Ströme von der Drau im alten Noricum bis zum Rhein und schließlich vier in Gallien und zwei in Aquitanien. Venantius spe- zifiziert barbarische Flüsse barbarici( amnes), nachdem man das fränkisch kontrollierte Gallien verlassen habe. Diese stellen potenzielle Problemstellen für Reisende dar. Rhein, Donau, Lech, Inn und Drau sind solche barbari- schen Gewässer. Bei Augsburg, wo Venantius die Reliquien der heiligen Afra erwähnt, steht der Baier. „Der Weg steht Dir frei, wenn sich Dir nicht der Baiovare entgegenstellt.“ Wo der Inn schäumend vorbeifließt betritt man das Land der Breonen. Baiern und Breonen werden vom italischen Kirchenmann gleichberechtigt nebeneinander gestellt. Baiern und Breonen scheinen die militärische und politische Kontrolle in den genannten Gebieten ausgeübt zu haben. Mit ihnen ist ein Auskommen problematischer als mit den Autori- täten in Gallien oder Italien, den Franken und Langobarden; zumindest aus der Sicht des Venantius Fortunatus. Nun berichtet aber Eugippius in seiner Vita des heiligen Severin vor der Zeit um 470 an der norischen Donau nur von wilden Alemannen, Thüringern und anderen Stämmen, die römisches Gebiet verheeren und mit denen der heilige Severin zum Teil diplomatische Beziehungen unterhalten haben soll; nicht aber von Baiovaren.

den Baiernennungen mit weiteren besprochenen Quellen nun Fehr, Am Anfang war das Volk?, 226–229; Wolfram, Salzburg, Bayern, Österreich, 283, glaubt, die Stelle bei Jordanes gehe letztlich auf Cassiodor zurück und wäre damit etwa 25 Jahre älter. Vgl. auch Wolfram, Goten, 499, Anm. 85: „Die Frage ist, ob Iordanes, Getica 280 um 551 von Iordanes oder 519/vor 526 (siehe oben Kap. I.6. Anm. 14) von Cassiodor geschrieben wurde. In beiden Fällen setzt die erste Erwähnung der Bayern ihre Existenz etwa eine Generation lang voraus.“ Der Suebenbegriff ist von großen Verständnisschwierigkeiten umgeben. Ptolemaeus 2, 11, 6–9, ed. Cuntz 62–64, erwähnt Sueboi Langobardoi am Rhein, Sueboi Semnones an der Elbe und Sueboi Angiloi dazwischen. Sueboi wur- de offenbar in der römischen Kaiserzeit wie ‚Germanen‘ nach Caesar als Überbegriff verwendet. Vgl. Castritius – Rübekeil – Scharf, Sweben; Wolfram, Gotische Studien, 26 und Anm. 64, 58, 175, 208, 233, 265; Krüger – Autorenkollektiv, Die Germanen 1, 45–49, 216–219; Pohl, Die Gepiden, 274–276 (auch zum Hintergrund von Iord. Get. 280–281 und Thiudimers Angriff auf die Sueben); Rübekeil, Suebica, passim.  Venantius Fortunatus, Vita S. Martini 4, 640–646, ed. Leo 368: Si tibi barbaricos conceditur ire per amnes,/ ut placide Rhenum transcendere possis et Histrum,/ pergis ad Augustam, qua Virdo et Licca fluentant./ Illic ossa sacrae venerabere martyris Afrae./ Si vacat ire viam neque te Baiovarius obstat,/ qua vicina sedent Breonum loca, perge per Alpem,/ ingrediens rapido qua gurgite volvitur Aenus. Vgl. zu den Interpretationen der Reiseroute des Venantius Heitmeier, Das Inntal, 194–204, man beachte dort auch die Überlegungen zu den Breonen. Weiters identifiziert Heitmeier den Baiovarius als den Agilolfinger Garibald. Wolfram, Salzburg, Bayern, Österreich, 32–34; Heuberger, Rätien, 40–44; Wopfner, Die Reise des Venantius.  Eugippius, Vita Severini 19,1, ed. Nüsslein 70–72: Alamanni; 22, 2 (76): Rugi; 27, 3 (84): Thoringi etc. Vgl. zur Vita Pohl – Diesenberger, Eugippius und Severin.

benediktbeuern_innenteil_22_06_274 74 22.06.2012 17:17:04 Zur Identitätsbildung frühmittelalterlicher Gemeinschaften 75

Zwischen Eugippius und den vorher genannten Autoren fehlen somit schrift- liche Nennungen der Baiern. Der Baiernname erscheint im Vergleich zu anderen antiken und frühmittelalterlichen Gruppenbezeichnungen verhältnismäßig spät in den Quellen und die Suche nach einer Erklärung dafür führt uns mitten in die darzustellende Problematik. Wie kann man die genannten Kollektivnamen verstehen? Handelt es sich bei Baiern und Breonen um politische oder ethnische Bezeichnungen? Wie kann man Ethnizität in den Quellen überhaupt verstehen? Zu den Anfängen der Baiovaren wurde jüngst festgestellt, dass „gegenwärtig kein Modell vorliege, gegen das nicht gravierende Argumente ins Feld geführt werden können.“ Dies gilt keineswegs alleine für die Baiern. Herwig Wolfram hat vor drei Jahrzehnten mit einer, eine ethnische Interpretation betonenden, Metapher die Baiern als „Findelkinder der Völkerwanderung“ bezeichnet. Wolf- ram versuchte, den Hintergrund des Erscheinens der Baiern folgendermaßen zu umreißen: Germanischsprachige und nicht-germanischsprachige Gruppen, Zuwanderer nach Raetien, germanisch- und romanischsprachige Provinzialen, naristische, skirische, herulische, donausuebische und alemannische Elemente, sowie Thüringer und Langobarden könnten sich in der politischen und militäri- schen Notwendigkeit der Zeit zu den Baiern formiert haben. Es gab nach Wolf- ram vor allem im inneralpinen Bereich ‚Romanen‘, die der bairischen Rechtsge- meinschaft angehörten. Vom achten Jahrhundert an kennen die Quellen auch ‚slawische‘ Baiern. Am alten Limes an der Donau und südlich davon bestand die Notwendigkeit neuer politischer Organisation, nachdem die Zentralmacht in Italien nicht mehr im notwendigen Ausmaß präsent sein konnte oder wollte. Zwischen dem Machtbereich der Franken und Italien suchte man von Italien aus aber trotzdem einen verlässlichen Partner. Im Wechselspiel überregionaler und lokaler Interessen sollen sich nun die Baiern formiert haben. Dabei ist zu bedenken, dass Theoderich sich als patricius des Westens sah und durchaus eine römische Ordnung der Verhältnisse im Sinne hatte. Nur war eine solche Ord- nungsstruktur im 6. Jahrhundert gentil definiert. Das bedeutet, die militärischen Verbände, die eine solche Ordnung trugen, waren auch namensgebend für Ge- biete und Sozialverbände. Die alten Provinznamen traten demgegenüber im Laufe der Zeit zurück. Aus dem zweiten Raetien wurde Baiern, aus Donaunori- cum das Ostland. ‚Romanen‘ ist dabei ein ebenso generalisierender Begriff wie ‚Germanen‘. Solche Bezeichnungen werden den Quellen wenig gerecht. Es bleibt eine Aufgabe der Forschung, unsere Sicht der Dinge hier zu differenzieren.

 Fehr, Am Anfang war das Volk?, 220.  Zitat: Wolfram, Goten, 319; vgl. Wolfram, Ethnogenesen, 105–107, 137–140 und 145–147 mit Anm. 50–52; Wolfram, Mitteleuropa, 69–71, 319–321; Wolfram, Salzburg, Bayern, Österreich; Wolfram, Einleitung oder Überlegungen zur Origo gentis, 19–34; Reimitz, Grenzen und Grenzüber- schreitungen im karolingischen Mitteleuropa, 105–166.  ‚Romanen‘: Bierbrauer, Romanen, 210–242; Fehr, Romanisch-Germanische Sprachgrenze, 304– 310; Fehr, Germanen und Romanen im Merowingerreich; ‚Slawen‘: Curta, The Making of the Slavs.

benediktbeuern_innenteil_22_06_275 75 22.06.2012 17:17:04 76 Roland Steinacher

Mehr als eineinhalb Jahrhunderte vor Herwig Wolfram, vor dem Zeitalter der Nationalismen in Europa, verfolgte ein noch der Aufklärung verpflichteter bayrischer Gelehrter ähnliche Ansätze. Conrad Mannert (1756–1834) sprach in seiner bayrischen Geschichte von 1826 von einem „neu angenommenen Bundesnamen“ der Baiovarii. „Die Bajoarier erwachsen aus dem Vereine meh- rerer deutscher Völkerschaften.“ Baiern seien die germanisierten Nachkommen des keltischen Volkes der Bojer, gemeinsam mit „deutschen Völkerhaufen“, „Trümmern“ der Heruler, Turkilingen, Skiren, Gepiden und Rugier sollen sie in den alten Sitzen der keltischen Bojer zu einer neuen Gruppe verschmolzen sein. Die Romanen fehlen. Mannert meinte mit „deutschen Völkerhaufen“ et- was Anderes als die Gelehrten nach ihm. Dem im 18. Jahrhundert Geborenen bedeutete eine solche Zuweisung noch in viel stärkerem Maße eine geographi- sche und sprachliche denn eine nationale. Mannert war noch im Alten Reich vor 1806 geboren, in ‚deutschen Landen‘ also. Die Idee einer deutschen Nation ist eine spätere. Die politischen und nationalen Kontexte der Zeit nach den so genannten Befreiungskriegen am Anfang des 19. Jahrhunderts bestimmten ganz wesentlich die historischen Erklärungsmodelle der Zeitgenossen. Gegen die Ansätze Mannerts positionierte sich schon Caspar Zeuss (1806–1856), der über die Identifikation des Baiernnamens mit dem antiken Namen für Böhmen (Boiohaemium) eine Zuwanderung ‚germanischer‘ Markomannen an die Do- nau als Ursprung der Baiern sehen wollte. In der zweiten Hälfte des 19. Jahr- hunderts bevorzugte man identitätsstiftende Wanderungen, die anhand ihrer unverwechselbaren Keramik oftmals seit der Bronzezeit zu greifen wären. Mittlerweile sind in der Forschung eine Reihe von Fragen zu beantworten, die man sich so vor zwei Jahrzehnten noch nicht gestellt hat. Die scheinbar selbstverständliche Kategorie einer ‚ethnischen Identität‘ wird dabei sowohl in konkreten Fällen als auch in einem allgemeineren Rahmen problematisiert. Neueste Interpretationen deuten die zur Diskussion stehenden Kollektivbe- zeichnungen im bairischen Raum etwa noch stärker als Wolfram funktio- nell oder politisch. Die Baiern sind nun aber gerade ein gutes Beispiel für eine verhältnismäßig spät formierte soziale und politische Identität in der voralpinen Raetia Secunda und Noricum. Spekulationen über den schieren Namen des Verbandes führen und führten die Forschung nicht wirklich wei- ter. Eine ganze Reihe grundlegender Fragestellungen für unser Verständnis der Spätantike und des frühen Mittelalters lassen sich am bairischen Beispiel durchspielen. Wie war das Verhältnis der neuen gesellschaftlichen Organisa- tion zu den römischen Strukturen in dieser Region, die ihr vorausgegangen waren? Wie positionierte sich eine lokale Machtbasis im überregionalen Be-

 Mannert, Die Geschichte Bayerns, 10, 18–24.  Zeuss, Die Deutschen und die Nachbarstämme, 364–380; Zeuss, Die Herkunft der Bayern von den Markomannen.  Fehr, Am Anfang war das Volk?, 230 f.; Heitmeier, Das Inntal, 227–241.

benediktbeuern_innenteil_22_06_276 76 22.06.2012 17:17:04 Zur Identitätsbildung frühmittelalterlicher Gemeinschaften 77

zugssystem des frühmittelalterlichen Europa? Bedingten wirklich Wanderun- gen die neuen Verhältnisse oder hatten sich Menschen an der alten Peripherie des römischen Reiches neu zu organisieren, als das Zentrum zu schwach geworden war, seinen Einfluss geltend zu machen? Wie sind Entwicklungen zu verstehen, die schon Jahrhunderte lang neue Verhältnisse zwischen dem Reich und seiner Peripherie geschaffen hatten? Nordgallien war spätestens seit der Soldatenkaiserzeit ein Zentralraum für die außerrömischen Gebiete bis nach Jütland geworden und im Laufe des 5. Jahrhunderts einen eigenen Weg gegangen. Was die ältere Forschung als Verfall und Chaos zeichnete, be- dingt durch Invasionen so genannter Barbaren, kann auch als eigenständige politische und ökonomische Entwicklung in Richtung des mittelalterlichen Europas gesehen werden10. Haben die Baiern eine ältere Geschichte, als un- sere Quellen vermuten lassen? Eine solche wurde von der Forschung lange angenommen und gesucht, meist über die Interpretation archäologischen Materials und daraus postulierten Wanderungsbewegungen. Nochmals sei betont, all diese Fragen zu den Baiern stellten und stellen sich in ganz ähn- licher Weise für Franken, Alemannen, Goten, Vandalen, Burgunder, Heruler, Gepiden, Sueben und andere Gruppen der so genannten „Völkerwanderungs- zeit“. War diese aber tatsächlich eine europäische Achsenzeit, um Karl Jaspers zumindest mit einem Schlagwort zu bemühen11? Die Antwort könnte nach einer beinahe fünf Jahrhunderte währenden De- batte in etwa so lauten: Die Jahrhunderte zwischen Diokletian und Karl dem Großen wurden seit der frühen Neuzeit in ganz Europa als Formationsplatt- form der eigenen nationalen, politischen und religiösen Identität definiert wie stilisiert. ‚Ethnische‘ Identitäten spielten dabei eine zentrale Rolle. Ein differenzierteres Verständnis der Kategorien bleibt ein dringendes Desiderat der zeitgenössischen Forschung. Dies bedingt die Notwendigkeit des steten Blicks in die Forschungs- und Geistesgeschichte, sei es in geschichtswissen- schaftlichen oder archäologischen Zusammenhängen. Durch die teils ausge- sprochen schwierige Quellenlage gerade für die ehemaligen Grenzgebiete des römischen Reiches und noch mehr für die Gegenden außerhalb des Imperi- ums waren und sind solche Projektionen und Generalisierungen verstärkt möglich. Nur eine quellennahe und äußerst kritische Vorgehensweise in Ge- schichts- und Sprachwissenschaft sowie den Archäologien kann solche kom- plexen Beziehungen aufzeigen und neue Interpretationen erarbeiten. Weiters ist der stete Austausch zwischen den genannten Disziplinen eine dringende Verpflichtung und zwar in quellenkritischer wie in methodischer Hinsicht. Drei Ebenen historischen Gebrauchs sind hierbei zu unterscheiden: Die Nennung ethnischer Labels in der antiken Ethnographie für die Peripherie-

10 Halsall, Barbarian migrations and the Roman West, 85 f., 143 f., 186 f. 11 Jaspers, Vom Ursprung und Ziel der Geschichte.

benediktbeuern_innenteil_22_06_277 77 22.06.2012 17:17:04 78 Roland Steinacher

räume des Imperiums mit den genannten ungenauen geographischen Ver- ortungen; gleichzeitig sind Völkernamen innerhalb der Reichsgrenzen in Gebrauch; zweitens die Verwendung dieser Bezeichnungen auf Reichsboden oder an den römischen Grenzen seit dem 3. Jahrhundert mit dem Erscheinen neuer Begriffe wie Franken, Alemannen und später Baiovaren; schließlich drittens die Rezeptionsgeschichte dieser Ethnonyme bis ins 19. Jahrhundert mit ihren vielseitigen geistes- und wissenschaftsgeschichtlichen Implikatio- nen bis in unsere Gegenwart.

Die antike Ethnographie und griechisch-römische Bilder des Barbaricums

„Wer das Dichten will verstehen/Muss ins Land der Dichter gehen,/Wer den Dichter will verstehen/Muss in Dichters Lande gehen.“ Aber in welche Lande gilt es sich zu begeben, will man sich der schwierigen und viel diskutier- ten Frage annähern, wie der Name der Baiern und die anderen ethnischen Bezeichnungen der Antike und des frühen Mittelalters denn zu verstehen seien? Das erste zu besuchende Land auf unserer Reise wäre jenes der eth- nographischen Literatur der römischen Kaiserzeit und ihrer griechischen Vorläufer. Wie Ethnizität in den kaiserzeitlichen, spätantiken und frühmit- telalterlichen Quellen verstanden wurde, ist eine immer noch nicht geklärte Frage von einiger Komplexität. Gentile Namen, Ethnonyme, geographische Bezeichnungen oder Völkernamen, die in der kaiserzeitlichen Ethnographie bis etwa 150 n. Chr. Verwendung fanden, sind denen des 5. und 6. Jahrhun- derts, der Zeit also in denen auch der Baiernname greifbar wird, sprachlich ähnlich. Nur kennen wir den Baiernnamen eben nicht aus dieser älteren Ethnographie und alle Versuche einen solchen Bezug herzustellen sind zu- mindest diskussionsbedürftig. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Erklärung dieser Namen denn überhaupt weiterführt12. Wir können letztlich den Sinngehalt hinter der Verwendung der fraglichen Bezeichnungen in der antiken Ethnographie nur annähernd erfassen. Es ist unklar, ob die Autoren nicht die Bezeichnung von Personenverbänden als Ersatz für exaktere geo- graphische Bezeichnungen einsetzten. Freilich, man kann manches Beispiel für Namenskontinuitäten oder zumindest Namensähnlichkeiten bei Gruppen feststellen, die in den ersten beiden Jahrhunderten unserer Zeit Erwähnung in der antiken Ethnographie finden und dann in der Spätantike in den histo- rischen Quellen erscheinen: Goten und Gauten, Vinniler und Vandalen, An- geln und Sachsen, Langobarden und Hasdingen. Wie und in welcher Weise eine Beziehung zwischen den so bezeichneten gentes, Krieger-, Kult- oder

12 Vgl. Rübekeil – Springer, Völker- und Stammesnamen, 487–506, und jüngst zum Baiernna- men Fehr, Am Anfang war das Volk?, 221–223.

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Sozialverbänden über die Jahrhunderte bestanden haben mag, bleibt aber großteils ungeklärt. Erneut ist zu betonen, dass solche Bezeichnungen auch einen geographischen Charakter haben könnten. Gleichzeitig sind Annah- men und Postulate diesbezüglich Gegenstand intensiver Diskussionen in Ge- schichtswissenschaft und frühgeschichtlicher Archäologie13. Insgesamt bleibt festzustellen, dass historische Überlegungen seit Jahrhun- derten oft in einem hohen Ausmaß auf sprachwissenschaftliche Argumente gestützt wurden. Dies gilt für Theorien aus dem Bereich der so genannten Indogermanistik und ihre Anwendung auf die historischen Verhältnisse der Bronzezeit wie die genannten Fragen zum ersten Jahrtausend unserer Zeit in Europa. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die römischen und griechi- schen Autoren eine ethnische Terminologie gebrauchten, die im Laufe von Jahrhunderten eine Eigendynamik entwickelte und von sich formierenden Gruppen an den Grenzen des Römischen Reiches im Laufe der Spätantike als Selbstbezeichnung aufgegriffen wurde. Selbstaussagen barbarischer In- dividuen fehlen weitgehend. Manche Grabinschriften an den Grenzen des Römerreiches an Rhein oder Donau, am Euphrat oder der Saharagrenze kom- men einer Selbstaussage noch am Nächsten. Ähnliches gilt für römische Einheiten, die ethnische Bezeichnungen trugen, im spätantiken Staatshand- buch (Notitia Dignitatum) und auf Grabsteinen. Walter Pohl sprach in einem solchen Zusammenhang von einer „römischen Brille“, die wir nicht einfach abnehmen können14. Die uns bekannten ethnischen Bezeichnungen stam- men in praktisch allen Fällen aus den Werken griechischer oder römischer Ethnographen und Historiker. Hier sind an erster Stelle Ptolemaios, Strabon, Plinius, Tacitus, Caesar, Diodor und Poseidonius zu nennen. Die Quellen für ihre Aussagen über die ethnischen Verhältnisse außerhalb des Römerreichs sind uns meist nicht bekannt oder gar Rückgriffe auf literarische Traditionen seit Herodot. In vielen Fällen werden utopische oder phantastische Elemente verwendet, um den Rand der Welt zu beschreiben15.

13 Einen guten Quellenüberblick bieten folgende Bände: Goetz – Welwei, Altes Germanien; Goetz – Patzold – Welwei, Die Germanen in der Völkerwanderung, Bd. 1, 2; Herrmann, Griechische und lateinische Quellen zur Frühgeschichte Mitteleuropas. Grundlegend weiters: Dobesch, Das eu- ropäische ‚Barbaricum‘; Müller, Geschichte der antiken Ethnographie 1, 2; Schmidt, Ostgermanen; Schmidt, Westgermanen; Wolfram, Goten; Pohl, Völkerwanderung; Pohl, Germanen; Andersson u. a., Goten, und die weiteren einschlägigen Lemmata des RGA. Nur wenige Beispiele für die lebendige Diskussion: Wagner, Getica; Tausend, Lugier-Vandilier-Vandalen und jüngst Tausend, Im Inneren Germaniens; Haider, ‚Vandalen‘ in Polen; Heather, Empires and barbarians; De Vingo, From Tribe to Province to State. 14 Pohl, Völkerwanderung, 42; Lund, Zum Germanenbild der Römer; Steinacher, Wiener An- merkungen, 183–185. Das Beispiel des numerus Erulorum seniorum: Notitia dignitatum occ. 5, 162; 7, 13, ed. Seeck 122 u. 133; Hoffmann, Das spätrömische Bewegungsheer, Bd. 1, 77–79 und 88–91, Bd. 2, 272 (Index); vgl. Steinacher, The Herules. Fragments of a History, 329. 15 Vgl. die vorige Anm. 10 und Timpe, Ethnologische Begriffsbildungen in der Antike; Timpe – Jankuhn, Beiträge zum Verständnis der Germania; Timpe, Romano-Germanica; Bichler – Rollinger,

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Die Quellenaussagen zu den so viel diskutierten Gruppen, die sich ethni- scher Bezeichnungen bedienten, bleiben also fast ausschließlich römische bzw. griechische literarische oder epigraphische. Nun war aber die Aufgabe der römischen Ethnographie zuerst die gelehrte und in der Folge macht- politische Erfassung der Peripherie der Mittelmeerwelt. Bei den Versuchen, die έθνη bzw. die gentes zu typologisieren wurde mehr Augenmerk auf eine bestimmte Lebensweise oder ökologische Räume gelegt, also etwa zwischen Reiternomaden und Ackerbauern, zwischen Skythen und Kelten, unterschie- den. Dabei spielten über Jahrhunderte verwendete Topoi und Stereotypen eine maßgebliche Rolle16.

Ethnizität und Gentilität als Kategorien des Fremden

Ethnizität und Gentilität waren den antiken Beobachtern nichtsdestotrotz wichtige Kategorien. Bei Aristoteles leben die Griechen in der πόλις, wäh- rend die Barbaren im Unterschied dazu in έθνη organisiert sein sollen17. „Das erleichterte Wahrnehmung wie Kontrolle der Verhältnisse im Barbaricum, auch wo es nicht ganz zutraf. Längerfristig führte die Einteilung der Barba- ren in Gentes vermutlich auch dazu, dass sich deren ethnische Strukturen verfestigen konnten. Dabei konnte auch die ethnische Gliederung der Auxili- areinheiten mitspielen. In der Historiographie wurde ‚barbarisches‘ Handeln deshalb vor allem Völkern zugeschrieben. Flavius Josephus etwa beschrieb so die Verhältnisse im alten Orient. Er gebraucht für fremde Völker meist einen ethnischen oder ethnisierten Königstitel: der Pharao ist der basileus der Ägypter (und nicht Ägyptens), Nebukadnezar derjenige der Babylonier und Kyros der Perser; zeitgenössisch treten etwa Könige der Parther, Adiabe- ner oder Kappadokier auf.“18 Griechen und Römer waren zuerst Angehörige ihrer πόλις, ihrer civitas oder der res publica. Außerhalb dieser geordneten und bekannten Welt versuchten griechische und römische Beobachter, die Menschen in Griechisch gesagt ethnische, lateinisch gesagt gentile Gruppen zu gliedern. Walter Pohl hat moderne und antike Ethnographie verglichen. Beide beschäftigten sich mit Völkern am Rand der ‚zivilisierten‘ Welt. Eth-

Herodot; Bichler, Von der Insel der Seligen zu Platons Staat; Bichler, Historiographie – Ethnogra- phie – Utopie. 16 Pohl, Völkerwanderung, 15; Geary, Before France and Germany, 107–109; Lund, Zum Ger- manenbild der Römer; Steinacher, Wiener Anmerkungen, 183–185. 17 Aristoteles, Politika 1261a und 1276a. vgl. zu dieser Sichtweise des Aristoteles: Hall, Eth- nic Identity in Greek Antiquity, und Pohl, Varietà etnica nell’Europa meticcia dell’alto Medioevo, 55–72; Pohl, Regnum und gens, 436. 18 Pohl, Regnum und gens, 436; dazu die Anm. 11: „Flavius Josephus, Antiquitates 1, 163; 20, 231; 20, 233; 20, 54; 20, 81; 16, 11. Es gibt aber auch den basileus tes Arabias (Pohl, Regnum und gens, 16, 220).“

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nisch wurden und werden häufiger und auch stereotyper jene Menschen kategorisiert, die in der ‚Wildnis‘ leben; im Extremfall außerhalb städtischer Zivilisation oder einfach in einer politischen und ökonomischen Peripherie. Man denke hier an afrikanische Länder oder auch bereits den Nahen Osten. Krisen und Konflikte in solchen Ländern werden in den modernen Medien aber auch der Forschung überdurchschnittlich oft als ethnische Auseinan- dersetzungen gezeichnet. Eine Ethnisierung bleibt die einfachste und uns vertraut erscheinende Darstellungsebene19. Die Unterscheidung in das Volk nach der Verfassung („people by constitu- tion“), populus, und das Volk nach der Abstammung („people by descent“), gens, ist, wie Patrick Geary gezeigt hat, eine wichtige Kategorie beim Ver- ständnis der Quellen. Rom hatte den Schritt von der gens zum verfassten Volk, dem populus, dessen Identität sich in gemeinsamer politischer Kultur manifestierte, schon lange getan als es in intensive Berührung mit Gruppen kam, die auf Reichsboden Ethnizität als politischen Mechanismus einsetz- ten20. „Republikanischer Magistrat wie kaiserliche Herrschaft beriefen sich auf den römischen Populus, das zumindest in der politischen Theorie ent- scheidungsbefugte Kollektiv: senatus populusque Romanus. Daneben gab es zwar die Vorstellung von einer gens Romana und einer spezifischen römi- schen Identität zum Unterschied von anderen Völkern. Doch schon Livius hatte die römischen Ursprünge als Entstehung eines römischen populus aus mehreren gentes geschildert und damit kanonisiert. Indem niemand wegen seiner Herkunft abgelehnt wurde, sofern er nur tüchtig war, wuchs das Rö- mische Reich, betonte er. Das Bürgerrecht konnte deshalb von der Herkunft unabhängig gehandhabt werden; mit der Lex Plautia Papiria wurde es allen Bundesgenossen übertragen, mit der Constitutio Antoniniana allen freien Bürgern des Reiches. Die Verleihung des ius honorum und damit die Öffnung des Senates für Bürger aus den Provinzen (zunächst aus Gallien) durch Clau- dius verhinderte die Abschließung der römischen Elite, führte aber zugleich dazu, dass die römische Identität, wie Andrea Giardina festgestellt hat, ‚un- vollendet‘ und damit offen für neue Aneignungen blieb.“21 Ethnizität und ethnische Bezeichnungen wurden erst dann zu einem für römische und griechische Autoren bemerkenswerten Thema, wenn Gesell- schaften im Gesichtskreis des Imperiums erschienen oder sich auf römi- schem Boden befanden. Völkernamen kennen wir für alle Peripherieräume

19 Hall, Ethnic Identity in Greek Antiquity; Pohl, Die ethnische Wende des Frühmittelalters und ihre Auswirkungen auf Ostmitteleuropa, 13; Steinacher, Wiener Anmerkungen, 193. Geary, The Myth of Nations, beginnt seine Darstellung der Problematik des frühen Mittelalters mit den Jugoslawienkriegen des späten 20. Jahrhunderts. 20 Geary, The Myth of Nations. 21 Pohl, Regnum und gens, 435; Livius IV, 3, 13: Dum nullum fastiditur genus, in quo eniteret virtus, crevit imperium Romanum. Vgl. Giardina, L’Italia Romana.

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des Imperiums, aber auch für römische Provinzen. Heiko Steuer hat darauf hingewiesen, dass das außerrömische Barbaricum erstens verhältnismäßig dünn besiedelt war, zweitens dort stets Güter- und Nahrungsmittelknappheit herrschte und drittens die Siedlungsdichte- und strukturen von der La-Tène- Zeit bis ins hohe Mittelalter oftmals erstaunlich wenig variierten. Genau die- se Güterknappheit ist einer der Hauptgründe für die Attraktivität, die das Reich als Zentrum auf seine Peripherie ausübte22.

Das römische Zentrum bedingt seine Peripherie

Jahrhundertelange Aktivitäten römischer Soldaten, Händler und Kaufleute, das ‚Barbaricum‘ in einen geordneten politischen, sozialen und ökonomischen Rahmen zu bringen, hatten nachhaltigen Erfolg23. Durch Föderatenverträge, die Anwerbung von Soldaten und den Handel mit Gewerbe- und Luxusgü- tern versuchte man von römischer Seite auf friedlichem Weg eine Form von Hegemonie zu errichten, die militärisch mit den augusteischen Offensiven des frühen ersten Jahrhunderts unserer Zeit nicht zu erreichen gewesen war. Das Imperium blieb ein wirtschaftlich und politisch stabiler Großraum mit ei- ner Zentrumsfunktion und einer Anziehungskraft bis nach Skandinavien und Osteuropa. Seine Außenwirkung war bis in die Spätantike stark genug, um das seit Caesar und Tacitus als Germania bezeichnete mitteleuropäische Bar- baricum in vielen Bereichen einzubeziehen und zu gestalten. Dieses System von Zentrum und Peripherie hatte sich jahrhundertelang verfestigt. Römische Waffen und römische Gelder veränderten die kleinräumigen barbarischen Ge- sellschaften außerhalb der Grenzen zusehends. Die Möglichkeiten, in römi- schem Dienst oder im Kampf gegen die Römer Prestige zu gewinnen, führten zu einer stetigen Veränderung barbarischer Gesellschaften. Prestigegüter aus römischer Produktion oder nach römischem Vorbild finden sich in den Grä- bern von Angehörigen der lokalen Oberschichten. Langsam entstanden spe- zialisierte Kriegereliten, soziale Unterschiede und innere Konflikte wuchsen. Stämme zerfielen, neue Einheiten bildeten sich24. Man könnte so weit gehen zu formulieren, dass barbarische, gentile Groß- verbände überhaupt erst in Auseinandersetzung mit römischen Strukturen entstehen konnten. Die gesellschaftliche Organisation ohne den Faktor Rom

22 Steuer, Frühgeschichtliche Sozialstrukturen in Mitteleuropa, 595–633; Dick, Mythos, 159– 202. 23 Geary, Before France and Germany, VI: „The Germanic world was perhaps the greatest and most enduring creation of Roman political and military genius. That this offspring came in time to replace its creator should not obscure the fact that it owed its very existence to Roman initiative (...).“; vgl. Pohl, Völkerwanderung, 25–27. 24 Dick, Mythos; Pohl, Völkerwanderung, 13–30; Pohl, Introduction, 1–12; Pohl, Telling the Difference, 17–69; Steinacher, Wiener Anmerkungen, 185 f.

benediktbeuern_innenteil_22_06_282 82 22.06.2012 17:17:05 Zur Identitätsbildung frühmittelalterlicher Gemeinschaften 83

hätte solche Größenordnungen nicht erreicht. Es ist nicht abwegig, Ver- gleiche mit besser dokumentierten Strukturen der Neuzeit anzustellen. Die Kolonisatoren Nordamerikas definierten und schufen indianische Großver- bände nach ihren Bedürfnissen. Gleichzeitig formierten sich solche gegen oder für die europäischen Einwanderer. Ähnliches gilt für die afrikanischen Verhältnisse. Die europäische Kolonisation wünschte kontrollierbare ‚ethni- sche‘ Strukturen. Man setzte Häuptlinge ein und definierte neue Großräume. Deren chiefs waren den Kolonialherren ergebene Partner, wurden aber auch nicht selten zu Gegnern25. Nun war kaum eine gens an den Grenzen des Imperiums nicht im Laufe der Jahrhunderte friedlich oder kriegerisch mit Rom konfrontiert gewesen. In der Vorstellung der römischen Autoren, Politiker und Militärs beherrschte Rom die Welt. Alles war durch Verträge und andere Formen militärischer und politischer Bindung an das Zentrum geregelt. Nicht selten musste man Krieg führen, um die Peripherie wieder unter Kontrolle zu bekommen. Die Welt (orbis terrarum) und Rom (orbis romanus) waren in der Idealvorstellung der römischen Ideolo- gie ein und dasselbe. Die von Rom abhängenden und durch Bündnisverträge (foedera) Rom verpflichteten Klientelstaaten odergentes wurden eigentlich als Teil des Reiches gesehen. Die außerhalb der Grenzen lebenden barbarischen Verbände schuldeten im Bedarfsfall militärischen Dienst. Eine solche ver- bündete gens befand sich in einer hierarchisch definierten Stellung zu den Reichsbehörden. Für die Regelung der Beziehungen zwischen Rom und barba- rischen Gruppen gab es eine Reihe von Rechtsformen. Eine war der foedus, der zwischen Rom und einer gens oder einem Klientelstaat geschlossene Vertrag. Ein foedus enthielt die Verpflichtung der Rekrutenstellung für die römische Armee. Als Gegenüber benötigten die Römer barbarische Gruppen mit klar de- finierten und benennbaren Führungsstrukturen. Römische (Ehren-)titel trugen über Jahrhunderte erheblich zu einer stärkeren Hierarchisierung barbarischer Gesellschaften bei. Eine von Rom mitgestaltete gesellschaftliche Führungs- position war in einem von Nahrungs- und Güterknappheit gekennzeichneten Barbaricum höchst attraktiv, ging es doch nicht nur um Prestigegewinn, son- dern auch um römische Subsidien in nicht unbeträchtlicher Höhe. Auch ästhetische Objekte und andere Luxusgüter mögen ihre Anziehungs- kraft gehabt haben. Römischerseits war eine bestimmte Rechtstellung bar- barischer Partner – und sei es nur im terminologischen Schein – von hoher Relevanz. Daneben konnte natürlich der Triumph über als solche titulierte reges, oder das Gewinnen so bezeichneter Anführer als Partner und Ver- bündete, in viel höherem Maße als politischer Erfolg ausgewiesen werden. Gentile Verbände wurden ins römische System hereingenommen (recepti in legis) und mussten eine tatsächliche oder formelle Unterwerfung vollzie-

25 Lentz, Die Konstruktion von Ethnizität; Brather, Ethnische Interpretationen, 47–52.

benediktbeuern_innenteil_22_06_283 83 22.06.2012 17:17:05 84 Roland Steinacher

hen, eine deditio26. Waren es nicht viel mehr Soldaten von einer eigentlich römischen Peripherie, vielleicht mit rauhen Sitten und anmaßend in ihren Forderungen, die sich im Laufe des 5. Jahrhunderts einen immer größeren Einfluss in der römischen Gesellschaft zu sichern wussten? Ebenso sind Lieferungen hochwertiger Waffen aus dem römischen mi- litärischen Apparat mit seinen eigenen, gut ausgebauten, Produktionsstät- ten zu erwähnen. Die Moorfunde von Nydam im südlichen Dänemark und von Thorsberg in der Landschaft Angeln stammen in verschiedenen Phasen aus dem 1. bis zum frühen 5. Jahrhundert unserer Zeit, über neunzig Pro- zent der Funde allerdings aus dem 3. und 4. Jahrhundert. Es handelt sich um umfangreiche Deponierungen von Waffen, Kleidungsstücken und sogar eines Schiffes offenbar in einem Opferkontext. Etliche Stücke wurden vor der Deponierung verbogen oder zerschlagen, ein Vorgehen, das man bereits von bronzezeitlichen Opferungen kennt. Die archäologische Erschließung begann um die Mitte des 19. Jahrhunderts unter der Leitung des dänischen Archäologen Helvig Conrad Engelhardt (1825–1881). Nun fand sich – neben runenbeschrifteten Gegenständen und Objekten aus dem Ostseeraum – eine bemerkenswerte Anzahl römischer Stücke; darunter römische Reitermasken aus vergoldetem Silber, römische Helme und Waffen sowie Münzen. Hinter- grund der Deponierungen könnten größere Kampfhandlungen an der stra- tegisch wichtigen Engstelle zwischen Nord- und Ostsee gewesen sein. Die archäologische Forschung interpretierte die römischen Stücke traditionell als Beute ‚germanischer‘ Krieger, die nach einer siegreichen Schlacht den Göttern als Opfer ins Moor gegeben worden sein sollen. Eventuell erwog man noch, Soldaten barbarischer Herkunft in römischen Diensten könnten die Stücke aus ihrem Ausrüstungsfundus mit nach Hause gebracht haben27. Nun sind aber massive römische Waffenlieferungen ebenso denkbar. Rom versuchte, bestimmte Gruppen auszurüsten, die sich dann mit anderen hefti-

26 Demandt, Spätantike, 321, 323 und Anm. 189; Dick, Mythos, 43–104, 208–213; Heather, Foe­ dera and foederati, 57–74; Wirth, Rome and its Germanic partners, 13–56; Schwarcz – Steuer, foede- rati, 290–301; Chrysos, Legal Concepts, 13–24; Modéran, Die kontrollierte Einwanderung von Barba- rengruppen, 146–149; Steinacher, Wiener Anmerkungen, 189 f.; Steinacher, Zwischen Rom und den „Barbaren“, 168: Zuwendungen konnten etwa aus großen Silberplatten und -schalen, Goldschmuck oder -barren bestehen. Ein Beispiel für einen solchen Werttransfer in das Barbaricum ist ein Medail- lon mit den Büsten der Kaiser Valentinian I. und Valens, das zwischen 364 und 375 datiert wird. Das Stück stammt aus Zagórzyn im heutigen Polen und wiegt 242,49 Gramm. Auf dem Avers findet sich neben den Kaiserbüsten die fehlerhaften Umschrift R-ES-IS ROMANORUM, eine Verschreibung aus REGES. Auf dem Revers wird der römische Ruhm beschworen (GLORIA ROMANOR-V-M). Vgl. zum Medaillon Dressel – Regling, Die römischen Medaillone, 400–403, No. 265. 27 Vgl. zu den Stücken aus den Mooren: Bemmann – Bemmann, Der Opferplatz von Nydam; Jankuhn, Nydam und Thorsberg. Eine detaillierte Studie zum spätrömischen Militärapparat am Rhein und seiner Logistik: Scharf, Der Dux Mogontiacensis und die Notitia Dignitatum. Zur römi- schen Armee: Erdkamp, A companion to the Roman army, und Michael P. Speidels Ausführungen zum Heer in: Johne – Hartmann – Gerhard, Die Zeit der Soldatenkaiser, 673–690.

benediktbeuern_innenteil_22_06_284 84 22.06.2012 17:17:05 Zur Identitätsbildung frühmittelalterlicher Gemeinschaften 85

ge Kämpfe lieferten. Insgesamt stellt ein solcher Fundhorizont eine archäo- logische Bestätigung der angerissenen Strukturen dar. Römischer Einfluss veränderte über Jahrhunderte die barbarischen Gesellschaften28.

Wie ‚römisch‘ sind Franken und Alemannen, Goten und Vandalen?

Im Laufe des 3. und 4. Jahrhunderts formierten sich am Rhein Franken und Alemannen, hinter ihnen, sozusagen in einer zweiten Linie, Sachsen, Burgun­ der und später Thüringer. Bemerkenswert dabei ist die Formierung der neuen Großgruppen im Verhältnis zu den römischen Provinzen: Gegenüber ‚Nieder­ germanien‘, der Germania inferior (vgl. noch die heutigen ‚Niederlande‘), entwickelten sich die Franken, auf der obergermanischen Rheinseite die Ale- mannen. An den ‚barbarischen‘ Ufern der Donau gegenüber den pannoni- schen Provinzen müssen sich die Vandalen als Großgruppe formiert haben, gegenüber den dakischen und moesischen Provinzen die Goten. Diese Be- obachtung weist durchaus in Richtung einer geographischen Funktionalität ethnischer Bezeichnungen. Die uns zugänglichen antiken Autoren verwen- deten für den Osten bis in die heutige Ukraine und die Gebiete nördlich des Schwarzen Meeres und des Kaukasus wie die Gegenden an der unteren Do- nau den Sammelbegriff dergentes Gothicae. Diese wurden als Skythen nach den Grundkategorien der griechischen Klassiker verstanden. Es handelte sich also um Menschen, die aus den – vom Mittelmeer und dem Schwarzmeer aus gesehenen – Weiten des Nordens, der zentralasiatischen Gebiete und de- ren Rändern kamen. Zu diesen gotischen Völkern zählten Autoren wie Am- mianus Marcellinus und Prokop nicht nur Goten, sondern auch Sarmaten, Bastarnen, Carpen, Alanen, Hunnen, Rugier, Heruler und Vandalen. Erst die moderne Forschung seit dem 18. Jahrhundert kategorisierte – aufbauend auf den Ergebnissen der entstehenden Sprachwissenschaft – ‚ostgermanische‘ Völker oder gar einen Germanenbegriff als Großkategorie. ‚Ostgermanisch‘ suggerierte von nun an die Vorstellung einer ‚germanischen‘ Einheit wo in unseren Quellen keine zu finden ist und die der Spätantike absolut fremd gewesen wäre. Iranischsprachige Alanen und die eine germanische Sprache sprechenden Goten waren den antiken Beobachtern ein und dasselbe: Sky- thische Barbaren oder eben Angehörige der gentes Gothicae29. Für die Gebiete am Rhein konnte beizeiten auf den Germanenbegriff Cae- sars zurückgegriffen werden; aber anders, als man es erwartete. Zosimus

28 Claus von Carnap-Bornheim argumentierte in diese Richtung. Vgl. von Carnap-Bornheim, Bewaffnung der Germanen; von Carnap-Bornheim, Der Krieg in der germanischen Gesellschaft. Generell: Eggers, Der römische Import im freien Germanien. 29 Wolfram, Das Reich und die Germanen, 78–85; Pohl, Germanenbegriff, 180; Steinacher, Rome and Its Created Northerners.

benediktbeuern_innenteil_22_06_285 85 22.06.2012 17:17:05 86 Roland Steinacher

berichtet, Konstantin der Große habe eine Armee aus Germanen und ande- ren keltischen Völkern rekrutiert (Γερμανῶν καὶ τῶν ἀλλῶν Κελτικῶν ἐθνῶν). Waren die Barbaren des Ostens Skythen, so waren jene des Westens Kelten. Rekrutiert wurden von Konstantin Alemannen, Franken und andere Barba- ren. Für den bestens ausgebildeten Zosimus ist diese uns als Fehler erschei- nende Kategorie völlig selbstverständlich30. Im Laufe des 3. Jahrhunderts ist eine Diversifizierung der in Gebrauch stehenden Kollektivbezeichnungen in der lateinischen Literatur zu beobachten. Die römischen Autoren wurden spezifischer und unterschieden in vorher grob gezeichneten Gebieten ganz bestimmte Gruppen, die in engem Kontakt zur Reichspolitik standen. Die moderne Forschung beharrte trotzdem lange auf den Großgruppen und noch im Frühmittelalter wollte man ‚Germanen‘ zeichnen, die ‚Romanen‘ gegen- überstünden31. Der Germanen- und der Suebenname hatten aber tatsächlich nur ein kurzes Gastspiel in unseren Quellen. Bereits im 3. Jahrhundert wurde diese Kategorie Caesars retrospektiv und meist in Anspielung auf Tacitus oder eben Caesar selbst gebraucht. Streng genommen ist der Germanenname eine kurzlebige und offenbar wenig brauchbare ethnographische Kategorie des Tacitus und des Caesar gewesen. Caesar hatte dabei konkrete politische Ziele verfolgt. Die griechische Literatur verwendete den Germanenbegriff kaum. Eine der wenigen Ausnahmen ist die oben zitierte Passage aus Zosimus. In den lateinischen Quellen kann man nach dem 3. Jahrhundert beobachten, wie Germani entweder auf Franken und Alemannen angewandt oder an eine gelehrte Tradition angeknüpft wurde. Der geographische Begriff Germa- nia spielte eine Rolle in kirchlichen Kontexten des karolingischen Europa als Unterscheidung zu einer Gallia, einer Burgundia oder einer Italia, blieb aber sehr unspezifisch. Erst im ausgehenden 15. Jahrhundert begann mit der Verbreitung der Germania des Tacitus die identitätsstiftende und danach politisch wie wissenschaftlich so relevante Aufladung dieser Kategorie32. „Der Germanenbegriff, so stellt sich heraus, war zu allen Zeiten (schon seit Caesar) widersprüchlich und missverständlich. Das liegt nicht zuletzt dar- an, dass sein affektiver Gehalt – die Konnotation von Tapferkeit, Wildheit, Ursprünglichkeit, Stolz, Einfachheit, Heidentum usw. – immer ausgeprägter war als sein deskriptiver Wert. Für seine Wiederaneignung und Neudeutung

30 Zosimus, ed. Mendelssohn 2, 15, 1; vgl. Pohl, Germanenbegriff, 170–175 und Anm. 31; Goffart, Zosimus, 422. 31 Pohl, Die Namen der Barbaren, 95–104; „Kelten“: Büchsenschutz – Grünewald – Maier – Schmidt, Kelten, 364–392. „Skythen“: Hartog, Le miroir d’Hérodote; von Bredow – Rolle, Skythen; zu ‚Romanen‘ vgl. die Anm. 6. 32 Pohl, Germanenbegriff, 163–183; Pohl, Vom Nutzen des Germanenbegriffes, 18–34; Stei­ nacher, Rome and Its Created Northerners; Die humanistische, protonationale Neuschaffung des Germanenbegriffs: Goffart, Jordanes’s Getica, 379–398; Heubner, Überlieferung, 16–27. Kritik an Caesars Kategorie bereits 1927: Feist, Germanen und Kelten.

benediktbeuern_innenteil_22_06_286 86 22.06.2012 17:17:05 Zur Identitätsbildung frühmittelalterlicher Gemeinschaften 87

schuf das hervorragende Voraussetzungen, nicht aber für seine zweifelsfreie Definition und Abgrenzung.“33 Darüber hinaus war das Barbaricum aus römischer Sicht bei Weitem nicht nur ein ‚germanisches‘. Diese Verengung verdankt sich einer westeuropä- ischen und sozusagen lateinisch dominierten Perspektive in der Forschungs- geschichte und dem Aufbau mächtiger historischer Narrative. Arabische, skythische, hunnische, iranische und berberische gentes standen in einem sehr ähnlichen Verhältnis zu Rom wie jene an Rhein und Donau34. Die ar- menischen und georgischen Regna unterscheiden sich in vielen Grundele- menten kaum von denen im lateinischen Westen. Nur fehlen bisher schlicht einschlägige, vergleichende Untersuchungen; ein Desiderat der historischen und archäologischen Forschung also.

Soldaten übernehmen die politische und militärische Macht im Westen des Römerreiches

In dichter Folge kam es nach dem Tod des Kaisers Theodosius (379–395) zu Usurpationen und Bürgerkriegen im Westen des Römischen Reiches. Die Provinzen Galliens, Spaniens, Italiens und Afrikas transformierten sich zu Königreichen, so genannten Regna, mit einer im Vergleich zur römischen Senatsaristokratie und den städtischen Besitzenden neuen – ethnische Be- zeichnungen zur Selbstdefinition verwendenden – militärischen Elite. Diese Vorgänge sind deshalb von so zentralem Interesse für die Alte und Mittel- alterliche Geschichte, weil sich nicht nur die Voraussetzungen für das Ent- stehen des mittelalterlichen Europas in diesen Prozessen besser verstehen lassen, sondern durch diese auch die politische und kulturelle Geographie unseres Erdteils, des Nahen Ostens und des Mittelmeerraums ihre bis heute bestimmenden Prägungen erfuhren. Im beginnenden 5. Jahrhundert weckten die reichen Provinzen Galliens, Italiens, Spaniens und Afrikas die Begehr- lichkeiten der neu entstandenen gentes: bewaffnete Verbände, die immer häufiger auf eigene Rechnung nach dem Modell der Goten nach der Schlacht von Adrianopel 378 operierten und innerhalb der Reichsgrenzen eine pri- vilegierte Stellung als Militäreliten anstrebten. In der modernen Forschung wird dabei in den letzten beiden Jahrzehnten stärker das seit der frühen Neuzeit thesenbildende bipolare Modell von eindringenden Barbaren und kulturell hoch stehenden Römern differenziert35.

33 Pohl, Germanenbegriff, 177. 34 Eine detaillierte Studie zu den Mauren und Nordafrika als ein Beispiel der Möglichkeiten: Modéran, Les Maures et l’Afrique romaine. 35 Wickham, The inheritance of Rome; Heather, Empires and barbarians; Pohl, Rome and the Barbarians in the fifth century, 93–101; Halsall, Barbarian migrations and the Roman West;

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Auf Reichsboden, etwa am Hofe Theoderichs in Ravenna oder im Umfeld langobardischer Großer, entstanden ab dem 6. Jahrhundert Herkunftsge- schichten mit einer skandinavischen, skythischen, trojanischen oder pan- nonischen Ursprungssage36. Aus dem kalten Norden kamen in der Vorstel- lung der römischen Ethnographen unüberschaubar viele Völker und die Vorstellungen der klassischen Ethnographie wurden nie ganz abgelegt, wie sehr auch beobachtete Ereignisse dagegen sprechen mochten. Im Gegen- teil, eine Herkunftserzählung, die einem klassischen Topos zuordenbar war, war präzise das, was die militärischen Eliten im spätrömischen Kontext sich wünschten. Man wollte schließlich auch Würde, Alter und Ursprung haben in der Begegnung mit einer römischen Aristokratie mit langen, ehrwürdigen Ahnenlisten. Was wäre da besser geeignet als das vorhandene Wissen aufzu- greifen und sich einen Platz in diesem konstruieren zu lassen. Dass ‚Barbaren‘ aus dem Norden als Soldaten im Römischen Reich ge- schätzt wurden, hat viele Gründe. Eine ähnliche Vorgehensweise, Soldaten möglichst von außen zu holen, lässt sich in vielen Gesellschaften feststellen. So war es im Mittleren und Neuen Reich in Ägypten gängig, in Nubien und der Levante zu rekrutieren. Der abbasidische Hof warb militärisches Personal in Zentralasien. Türkische Gruppen hatten lange eine soldatische Identität in der islamischen Welt. Diese Strukturen sind durchaus vergleichbar mit den kaiserzeitlichen und spätantiken römischen und rhomäischen (byzanti- nischen). Patricia Crone hat jüngst explizit auf diesen Aspekt verwiesen37. M. E. lässt sich auch das Wirken literarischer, ethnographischer Stereoty- pen zeigen. Der Militärschriftsteller Publius Flavius Vegetius Renatus schrieb im ausgehenden 4. Jahrhundert in seiner Epitoma rei militaris ein Kapitel über die Rekrutierung von Soldaten. Dabei geht er auch auf geographische und klimatische Implikationen ein. Vor dem Hintergrund einer zu seiner Lebenszeit schon mehr als ein Jahrtausend alten ethnographischen Literatur empfiehlt Vegetius die Rekrutierung von Menschen aus dem Norden. Die Völker des Nordens seien nicht sehr klug, würden aber über einen Überschuss an Blut verfügen und daher sehr kriegstüchtig sein38. Diese Bilder von guten Kämpfern aus dem Norden hatten noch eine weitere Grundlage im römi- schen historischen Bewusstsein und der Literatur. Geschichtsschreiber stili-

Goffart, Barbarian Tides; Heather, The Fall of the Roman Empire; Smith, Europe After Rome; Wickham, Framing the early Middle Ages; Pohl, Kingdoms of the Empire. Pohl – Reimitz, Strategies of Distinction; Bowersock – Brown – Grabar, Late antiquity. A guide to the postclassical world; Geary, Phantoms of Remembrance; Wolfram, Goten; Heather, Goths; Amory, People and Identity; zu aktuellen Projekten von Walter Pohl, Helmut Reimitz, Manuel Koch, Francesco Borri und des Verfassers s. Anm. 68. 36 Geary, Barbarians and Ethnicity, 108; Wolfram, Origo et religio, 31–36. 37 Crone, Imperial trauma, 107–116; Kennedy, When Baghdad ruled the Muslim World; Werner, Geschichte der Türken, 22–35. 38 Vegetius, Epitoma rei militaris 1, 2. Vgl. Steinacher, Zwischen Rom und den „Barbaren“, 164 f.

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sierten die Cimbri zu einer immensen Bedrohung aus dem Norden. Hier ging es vor allem darum, die römischen Niederlagen des späten 2. vorchristlichen Jahrhunderts zu relativieren. Caesar erfand seine Germanen unter Bezug- nahme auf die Kimbern. In augusteischer Zeit war es Teil der staatlichen Pro- paganda, eine Gesandtschaft der Cimbri zu konstruieren, die an den Hof des göttlichen gekommen sein und um Verzeihung für die von ihren Vorfahren vor Jahrhunderten verübten Gräueltaten gebeten haben soll. Da- durch wurde das augusteische Regime sogar als vergangenheitskorrigierend propagiert. Zugrunde liegt hier wiederum eine aristotelische Vorstellung, die von Poseidonios übernommen worden war. Das Grundmodell entspricht da- bei ganz jenem des Vegetius: Die Völker des Südens seien gewandter, die des Nordens wegen ihres Überschusses an Blut wilder und besser im Kampf39. Auf solchen Bildern aufbauend, konstruierten nun im 6. Jahrhundert und bis in karolingische Zeit Autoren wie Jordanes/Cassiodor, Prokop oder Paulus Diaconus, die für oder über meist schon auf Reichsboden lebende Kriegereliten außerrömischer Provenienz schrieben, die Herkunft der Goten, Heruler oder Langobarden aus Skandinavien. Gute, erfolgreiche Kämpfer mussten aus dem Norden kommen, woher auch sonst. Die Wanderungsgeschichten, die etwa die Goten aus Skandinavien kommen ließen, erfüllten genauso wie die Verknüpfung mit alten und der römischen Tradition bekannten Völkernamen den Zweck, eine neue Elite mit einer alten Geschichte und einer benennbaren Herkunft zu verse- hen. Die literarische Qualität dieser Bilder war so groß, dass sie bis in die jüngste Vergangenheit von der Forschung relativ ernst genommen wurden40. Goten und Langobarden bekamen so am ostgotischen Hof Mitte des 6. Jahrhunderts oder schon in karolingischer Zeit einen skandinavischen, die Franken hingegen – wie die Römer – einen trojanischen und die Burgunder sogar einen römischen Ursprung. Jordanes nennt Skandinavien officina gen- tium aut certe velut vagina nationum, eine „Völkerwerkstatt oder Gebärerin von Stämmen“41. Paulus Diaconus verortet den Ursprung der Langobarden ebenfalls in dieser Völkerwerkstatt. Auch weiß er zu berichten, dass dort un- zählige Völker ihren Wohnsitz haben sollen42. Ins Reich eintretende Barbaren suchten sich eine Identität zu geben, die in ihrer literarischen Konstruktion zwischen den Traditionen der antiken Eth- nographie, politischen Bedürfnissen und einem christlich-jüdischen Weltbild

39 Aristoteles, Politika, ed. Rolfes 1327b; Strabon, Geographika, ed. Radt 7, 2, 1–2; Steinacher, Rome and Its Created Northerners, im Druck; Demandt, Spätantike, 313; Grünewald, Kimbern, 493– 500; Dobesch, Das europäische ‚Barbaricum‘, 59–71; Timpe, Kimberntradition und Kimbernmythos, 23–60; Krüger – Autorenkollektiv, Die Germanen 1, 40–42 und 232–254. Die Gesandtschaft der Kimbern an den Hof des Augustus: Res Gestae divi Augusti 26; Wolfram, Die Germanen, 28 f. 40 Goffart, Narrators; Goffart, Barbarian Tides, 56–118; Wood, Barbarians, 61–81. 41 Iordanes, Getica 25, ed. Mommsen 60; Übersetzung: Wolfram, Goten, 14. 42 Origo gentis Langobardorum 1, ed. Waitz 2; ähnlich in Paulus Diaconus, Historia Lango- bardorum 1,1, ed. Waitz 48; vgl. Pohl, Germanenbegriff, 174 mit Anm. 50.

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liegt. Dabei konnte man zuerst den Römern bekannte, alte und dadurch pres­ tigeträchtige Namen verwenden43.

‚Völkerwanderung‘, Germanen, Schweden und Deutsche

Der Ursprung des Begriffs der ‚Völkerwanderung‘ selbst kann die Tragweite der Konstruktionen aufzeigen, die zu besprechen sind, will man sich den ge- schilderten Problemen heute annähern. Dieser Begriff implizierte von Beginn an mehr, als man annehmen möchte, erscheint er uns doch seit Schultagen als vertraut und selbstverständlich. Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert erhielt der Begriff die Bedeutung einer gängigen Epochenbezeichnung, etwa in Friedrich Schillers historischen Arbeiten44. Doch dem historischen terminus der ‚Völkerwanderung‘ wohnte schon Jahrhunderte früher Programm inne, identitätsstiftendes und politisches Pro­ gramm. Der Titel der Schrift De gentium aliquot migrationibus des Hofge- schichtsschreibers Kaiser Ferdinands I., Wolfgang Lazius (Laz), ist eine der hu­ manistischen Wurzeln dieser Terminologie. Die ausgedehnte Darstellung der ‚Völkerwanderung‘ des Mediziners und Gelehrten Laz verfolgte letztlich vor allem den Zweck, das habsburgisch-spanische Reich zu einem Nationalstaat mit uralten historischen Wurzeln in der Völkerwanderungszeit zu stilisieren. Auf ihren ausgedehnten Zügen, die durch Zeiten der Sesshaftigkeit unterbro- chen wurden, hätten die Goten die durchwanderten Länder vom Schwarzen Meer bis Cádiz mit ihrem unverwechselbaren Charakter geprägt. Diese Län- der seien nun unter der habsburgischen Herrschaft wieder vereint oder müss­ ten es noch werden. Dies rechtfertigte habsburgisches Expansionsstreben gegen die Osmanen im Osten und die durch dynastische Heiraten und Erbe entstandene weite Gebietsfolge in Westeuropa45. Die umfangreiche Studie des Polyhistors Laz erschien 1572 und wurde einige Jahrzehnte rezipiert. Da- nach geriet sie in Vergessenheit. Die gelehrte Rezeption reichte jedoch aus, den deutschen Begriff der ‚Völkerwanderung‘ mit zu etablieren. Es liegt bis heute keine moderne und kritische Edition der Werke des Wolfgang Laz vor, auch gibt es keine Interpretationen zu Franken, Schwaben, Markomannen, Boiern, Carni, Tauriksern, Kelten und Gallograeci in seinem Geschichtswerk. Ebenso fehlt eine detaillierte Studie zu ihrer Rolle in der Wissenschafts- geschichte46. Im heutigen Italienisch und Französisch wird nicht von Völ-

43 Steinacher, Rex oder Räuberhauptmann, 311 f. 44 Springer, Völkerwanderung, 509–511. 45 Lazius, De aliquot gentium migrationibus. Vgl. Springer, Völkerwanderung, 510; Wolfram, Goten, 13 und 16; Messmer, Hispania-Idee und Gotenmythos, 51 und Anm. 248. 46 Stefan Donecker bereitet in Wien im Rahmen des im Antragsstadium befindlichen START bzw. ERC Starting Grant Projekts „Local and Provincial Identities between Rome and the ‚Barba-

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kerwanderung, sondern von „barbarischer Invasion“ (invasione barbarica / grandes invasions) gesprochen. Diese Terminologie basiert wiederum auf der Negativinterpretation der einschlägigen historischen Vorgänge französischer und italienischer Humanisten. Insgesamt reiht sich die Geschichtskonzeption des Laz in eine östlich des Rheins im Alten Reich etablierte humanistische Sicht der Dinge ein. Gelehrte wie Konrad Peutinger (1465–1547), Jakob Wimpheling (1450–1528), Beatus Rhenanus (1485–1547) oder Ulrich von Hutten (1488–1523) sahen in den Er- oberern des in ihren Augen dekadenten Römerreiches glorreiche Vorfahren der Deutschen ihrer Tage. In dem Ausmaß wie die italienischen und französischen Kollegen sich auf römische Wurzeln beriefen und die Männer des Nordens wegen ihrer angeblichen Kulturlosigkeit angriffen, schlugen die Deutschen mit neuen Germanenbildern zurück. Dabei war oftmals ein antikatholischer, protestantischer Hintergrund wesentlich. In den kirchlichen Auseinanderset- zungen der Zeit bildeten sich auch neue politische Konstellationen. In den so entstandenen, oftmals recht groben und dumpfen Bildern eines deutsch- germanischen Wesens steckte von Anfang an eine gewisse Provinzialität und Aggressivität. Nachdem im späten 15. Jahrhundert die Germania des Tacitus im Druck erschienen war, griff nördlich der Alpen und östlich des Rheins eine breite Identifikation mit den gentes des 5. und 6. Jahrhunderts Platz. Konrad Peutinger gab 1515 die Getica des Jordanes/Cassiodor zum ersten Mal heraus. Im gleichen Band wurde die Historia Langobardorum des Paulus Diaconus abgedruckt. Zusammen mit der Germania des Tacitus, die bereits 1470 in Venedig erschienen war, stellten diese Texte nun den Ausgangspunkt der Konstruktion einer ‚germanischen‘ Vergangenheit dar47. Enea Silvio Piccolomini (1405–1464), der später als Papst Pius II gekrönt werden sollte, antwortet auf Beschwerden aus deutschen Landen mit einem lateinischen Traktat. Der Titel desselben sollte bewusst an die Germania des Tacitus anknüpfen. Allerdings hatte Enea Silvio das schiere Gegenteil dessen im Kopf, was seine deutschen Kollegen im Anschluss aus den Anspielungen an eine stilisierte Vergangenheit machten. Der Italiener wollte eine ferne Vergangenheit mit den Errungenschaften seiner Zeit kontrastieren, und eine Fortentwicklung in allen Lebensbereichen hervorheben unter steter Betonung der wesentlichen Rolle der katholischen Kirche und der Beziehungen zum Süden als dafür grundlegende Voraussetzungen. „Die deutschen Humanis­

rians‘. Strategies of Identification and Ethnicity before, during and after the Transformation of the Roman World“ eine Edition, Kommentierung und Übersetzung der „De aliquot gentium migra- tionibus“ von 1572 vor. Im Rahmen dieser in Wien geplanten Arbeiten könnte auch erstmals die Position der Arbeiten des Wolfgang Laz in der Wissenschaftsgeschichte geklärt werden. 47 Muhlack, Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung, 204–208; von See, Deutsche Germanen-Ideologie; Goffart, Jordanes’s Getica, 398; Heubner, Überlieferung, 16– 27; Demandt, Der Fall Roms, 467–492.

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ten suchten in der Germania nicht das, was Vergangenheit und Gegenwart trennt, sondern das, was sie verbindet oder doch wenigstens verbinden soll- te: nicht die materiellen, sondern die moralischen Werke, nicht Luxus und Wohlstand, sondern die ‚Tugend‘.“48 Conrad Celtis (1459–1508) erklärte in seiner Antrittsvorlesung in Ingol- stadt 1492 es wäre „sittlicher und ehrenhafter“ gewesen, „das karge und ein- fache Leben“ der germanischen Vorfahren aufrechtzuerhalten und „in den Grenzen der Mäßigung“ zu bleiben, „als die vielen Mittel der Unmäßigkeit und des Wohllebens (…) einzuführen und die fremden Sitten anzunehmen.“ Dazu bemerkt Klaus von See interpretierend: „Eine Äußerung, die schon eine Spur der provinziellen Fortschrittsfeindlichkeit enthält, die der Germanentü- melei seit jeher zu eigen ist.“ Von See kann in seinen beiden Monographien zum Thema dann auch Kontinuitätslinien in solchen Argumentationen von der frühen Neuzeit bis in die jüngste Vergangenheit nachweisen. Rein und unvermischt sollen die von Tacitus beschriebenen Vorfahren also gewesen sein. Heinrich Bebel (1472–1518) betonte gegenüber Kaiser Maximilian I., die Unvermischtheit und Bodengebundenheit der Deutschen im Gegensatz zu anderen Europäern. Dabei wurden ethnographische antike Kategori- en schnell in eine zeitgenössische Argumentation eingebracht49. Einer der Gründe für diese Überbetonung eigentlich nur geographisch passender Quel- len und die Neuerfindung des Germanenbegriffs ist die schwierige Suche nach alten Traditionen in deutschen Landen. In Frankreich, Italien und Spa- nien konnten etwa städtische oder lokale Traditionen in viel größerer Dichte oder überhaupt durch Inschriften, Ruinen und detailliertere Quellen belegt werden als im Norden. Das zentralistische französische Königtum machte die Frage nach großräumigen Identitäten einfacher. Im Zweifelsfall berief man sich in Paris auf einen römischen Ursprung, der Vorteil der Geographie sozu- sagen. Vielleicht haben diese Hintergründe bis in die jüngste Vergangenheit auch zur Folge, dass man sich in der deutschsprachigen Wissenschaft mit ethnischen Identitäten besonders schwer tut. Die politische und zeitgenössische Aktualität der antiken ethnographischen und spätantiken legitimierenden Texte beschränkte sich aber keineswegs auf das alte Reich und die romanischsprachigen Länder. Weit außerhalb jeden antiken Bezugs stand man in Skandinavien vor der schwierigen Aufgabe, sei- nen Platz in der europäischen Geschichte zu finden. Seit dem 15. Jahrhundert entwarfen schwedische Humanisten nun in ihrem Bestreben, dem jungen, in seiner Existenz oft bedrohten schwedischen Staat ein stabiles ideologisches Fundament zu verleihen ein komplexes Geschichtsbild, das von einer unge- brochenen Kontinuität zwischen den Schweden und den Goten der Antike

48 Von See, Barbar, Germane, Arier, 61. 49 Zitate (auch aus Celtis nach): von See, Barbar, Germane, Arier, 61 f.; vgl. weiters von See, Deutsche Germanenideologie. Vgl. auch Lund, Germanenideologie.

benediktbeuern_innenteil_22_06_292 92 22.06.2012 17:17:06 Zur Identitätsbildung frühmittelalterlicher Gemeinschaften 93

ausging. Wenn sich die Deutschen auf Tacitus beriefen, war es bei den Skan- dinaviern Jordanes mit seiner Wanderungsfabel von den Goten, die aus dem Norden nach dem Osten und Süden gezogen seien. Auch die oben zitierte Feststellung des Jordanes, Skandinavien sei eine officina gentium und vagina nationum beförderte Ursprungsansprüche aus dem Norden, die im Kontext der Kriege des 17. Jahrhunderts und Schwedens Großmachtsstreben von emi- nenter politischer Bedeutung waren. Ausgehend von solchen Interpretationen entwickelte sich der Gotizismus (Göticism) im 16. Jahrhundert zu einer ganz wesentlichen Grundlage der schwedischen Identität. In der 1554 posthum publizierten „Historia de omnibus Gothorum Sueonumque regibus“, die der letzte katholische Erzbischof Schwedens, Johannes Magnus (1488–1544), im italienischen Exil verfasst hatte, wurde der Thesenkanon des Gotizismus erst- mals gedruckt veröffentlicht. In der schwedischen Großmachtzeit des 17. und frühen 18. Jahrhunderts entwickelte sich der Gotizismus zu einem Instrument einer autoritativen Staatlichkeit, das innenpolitisch eine Orientierung auf den mythisch überhöhten König, außenpolitisch eine aggressive Expansion legiti- mierte. Indem der schwedische Staat seine Reputation und seine Kohärenz auf der gotischen Königsgenealogie und dem Anspruch von Anciennität begrün- dete, avancierte die Altertumsforschung zu einer eminent politischen Frage50. Olof Rudbeck (1630–1702), Professor für Medizin in Uppsala, schrieb zwischen 1674 und 1702 an einem vierbändigen Werk mit dem Titel „Atlantica“. Seine These, die dem Umfang des Werkes an Monumentalität um nichts nachsteht, besagte nichts Geringeres, als dass Platons Atlantis und damit in Rudbecks Sicht der Ursprung aller europäischen Kultur, im Süden Schwedens zu lokali- sieren seien. Nach der Sintflut nämlich sei Skandinavien wegen seiner reichen Fischgründe ein Sammelpunkt der überlebenden Menschen geworden. Von dort aus habe sich dann die Menschheit erst wieder über die Erde verbrei- tet. Außerdem seien, aufgrund des guten, ausgewogenen Klimas, schwedische Frauen ungewöhnlich fruchtbar. Hier nimmt Rudbeck die Topik eines Jordanes und eines Paulus Diaconus auf. Rudbecks Werk wurde breit und international rezipiert. Erst im 19. Jahrhundert wurde es zusehends in esoterischen und po- litisch radikalen Kreisen gelesen oder besser in Details geplündert51. Aus diesen Hintergründen und den schwedischen Ansprüchen auf Terri- torien an der Ostsee erklärt sich der zuerst in der dänischen und seit dem Wasakönig Gustaf I. auch in der schwedischen Königstitulatur verwendete Wenden- bzw. Vandalenname. Der Titel Suevorum, Gothorum Vandalorum-

50 Donecker – Steinacher, Der König der Schweden, Goten und Vandalen, 177 f.; Schmidt-Voges, De antiqua claritate et clara antiquitate Gothorum; Johannesson, The Renaissance of the Goths in Sixteenth-Century Sweden; Paul, Gotizismus; Svennung, Zur Geschichte des Goticismus. 51 Nelson, Olaus Rudbecks Atlantica; vgl. King, Finding Atlantis; Rest, Vergangenheitsepos oder Gelehrsamkeitszeugnis (mit einem guten Forschungsüberblick); Eriksson, The Atlantic Vision; Svennung, Zur Geschichte des Goticismus.

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que rex brachte, wie die auf den dreiteiligen Titel bezogenen Kronen im schwedischen Reichswappen, den Anspruch der schwedischen Monarchie in diesem Teil des Ostseeraums zum Ausdruck. Erst der schwedische König Carl XVI. Gustaf verzichtete bei seiner Thronbesteigung 1973 auf Verweise auf Goten und Vandalen52. Wie hinter den oben angerissenen deutschen Kontex- ten steht auch hinter den schwedischen Konzepten der Aufbau kirchlicher und damit protestantischer Autonomie vom katholischen Zentrum. Diese kirchlichen Strukturen sind eng mit protonationalen Entwicklungen ver- knüpft, wiederum in Skandinavien wie in den Ländern des Alten Reichs53. Nach der französischen Revolution und den napoleonischen Kriegen kam es zu grundlegenden Veränderungen der gesellschaftlichen Organisation in den meisten europäischen Ländern. Die Suche nach einer nationalen Identität und einer entsprechenden Geschichte dominierte das 19. Jahrhundert. Die his­ torischen Wissenschaften erlebten eine Blütezeit, sah man sie doch als ganz wesentlich für die eigene Nation an. Die entstehenden Geisteswissenschaften formierten sich unter neuen methodischen Prämissen und mit weitreichenden Ansprüchen. Frühneuzeitliche Vorbedingungen wurden dabei teils aufgege- ben, teils weitergeführt. Letzteres gilt im besonderen Maße für die Germanen­ tümelei der frühneuzeitlichen Gelehrten, wenn auch in differenzierterer und wissenschaftlicherer Weise. Im Rahmen dieser kurzen Einführung muss aber auf eine detailliertere Darstellung dieser Kontexte verzichtet werden54.

Tendenzen der Forschung und der Begriff der ‚Ethnogenese‘

Einer seit der frühen Neuzeit etablierten Sichtweise ethnisch, kulturell oder gar rassisch definierter – und sich in strenger Dichotomie gegenüberstehen- der – geschichtsmächtiger Gruppen in Antike und Mittelalter wurde und wird in den letzten vier Jahrzehnten schrittweise ein differenzierteres Modell gegenübergestellt. Das Potenzial und die Tragweite der Forschungen sind dabei erstaunlich. Gleichzeitig tangieren die einschlägigen Ansätze weitrei­ chende und grundlegende Fragestellungen, die weit über Geschichtswissen­ schaft und Archäologien hinausreichen. Historische Arbeit ist nicht in der Lage, allgemeine Modelle zu bieten. In jeder Fragestellung kann nur versucht werden, die vorliegenden Quellen zu deuten, was die Arbeit nicht einfach macht. Daher kann hier nur auf einen eng begrenzten Bereich der histori-

52 Donecker – Steinacher, Der König der Schweden, Goten und Vandalen, 178–203. 53 Von See, Barbar, Germane, Arier, 68; vgl. von See, Deutsche Germanenideologie, 34–43. 54 Die Literatur zum Thema ist umfangreich. Als Einstieg eignen sich: Demandt – Goltz – Schlange-Schöningen, Theodor Mommsen; Muhlack, Geschichtswissenschaft im Humanismus und in der Aufklärung; Bresslau, Geschichte der Monumenta Germaniae Historica; vgl. die Texte zu den Konzeptionen der MGH auf: http://www.mgh-bibliothek.de/mgh/ (10.01.2011).

benediktbeuern_innenteil_22_06_294 94 22.06.2012 17:17:06 Zur Identitätsbildung frühmittelalterlicher Gemeinschaften 95

schen Debatten eingegangen werden. Weitreichendere Überlegungen müs- sten zumindest Sozialanthropologie/Ethnologie und Philosophie in verschie- denen europäischen Wissenschaftstraditionen berücksichtigen55. Ältere Zugänge in der deutschsprachigen Forschung, die mögliche Alter- nativen zu den strengen Dichotomien aufzeigten, wurden in Geschichtswis- senschaft und Archäologie nicht weiter verfolgt. Dies gilt etwa für das Werk des Begründers der Sozialanthropologie Franz Boas (1858–1942), der vor dem Zweiten Weltkrieg überwiegend in den Vereinigten Staaten tätig war. In Ansätzen dachte auch der Soziologe Max Weber (1864–1920) in eine solche Richtung, wenn er vom „subjektiven Glauben an eine Abstammungsgemein- schaft“ schrieb, der ein ‚Volk‘ ausmache56. Die marxistischen Theoretiker vor dem Zweiten Weltkrieg bezogen sich für die hier relevanten Fragen weitgehend auf den Stand der damaligen his­ torischen Wissenschaften. Friedrich Engels (1820–1895) sah bei den ‚freien Germanen‘ eine „Gentilverfassung“ und interpretierte im Sinne des histori- schen Materialismus diese als dem römischen Sklavenstaat überlegen. Engels bezog sich auf Tacitus und die Interpretationen deutscher Historiker wie etwa Caspar Zeuss57. Otto Bauer (1881–1938) wiederum konstruierte im Sinne des historischen Materialismus im Laufe des Mittelalters eine Fortentwicklung von einer „Abstammungsgemeinschaft“ zu einer „Kulturgemeinschaft“. Die modernen Nationen seien Mischformen, prinzipiell spiele die Abstammung aber in der Neuzeit und dem industriellen Zeitalter eine sehr geringe Rolle. Die taciteischen Germanen bleiben bei Bauer ausschließlich durch ihre Ver- wandtschaftsverhältnisse definiert. Erst die Aufgliederung in „Teilstämme“ und die ‚Völkerwanderung‘ brachen diesen Urzustand auf und machten das Entstehen einer deutschen Nation im modernen Sinne einer „Kulturgemein- schaft“ im Laufe des Mittelalters möglich. Bauer grenzte sich erst für die Neuzeit und das Mittelalter deutlich von jeder Idee einer ‚Nation‘ als einer ausschließlich biologisch definierten Einheit ab58.

55 Ein breiter, detailliert ausgearbeiteter Überblick: Brather, Ethnische Interpretationen, 11–157. 56 Boas, Kultur und Rasse; Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, bes. 235–240. 57 Engels, Zur Urgeschichte der Deutschen, 425–473; Engels, Der Ursprung der Familie, 127– 152: „Was aber war das geheimnisvolle Zaubermittel, wodurch die Deutschen dem absterben- den Europa neue Lebenskraft einhauchten? War es eine, dem deutschen Volksstamm eingeborne Wundermacht, wie unsre chauvinistische Geschichtsschreibung uns vordichtet? (…) Aber nicht ihre spezifischen nationalen Eigenschaften waren es, die Europa verjüngt haben, sondern ein- fach – ihre Barbarei, ihre Gentilverfassung. Ihre persönliche Tüchtigkeit und Tapferkeit, ihr Frei- heitssinn und demokratischer Instinkt, der in allen öffentlichen Angelegenheiten seine eigenen Angelegenheiten sah, kurz, alle die Eigenschaften, die dem Römer abhanden gekommen und die allein imstande, aus dem Schlamm der Römerwelt neue Staaten zu bilden und neue Nationalitä- ten wachsen zu lassen – was waren sie anders als die Charakterzüge des Barbaren der Oberstufe, Früchte seiner Gentilverfassung?“ 58 Bauer, Die Nationalitätenfrage, 48: „Die gemeinsame Abstammung ist es vor allem, die die Germanen jener Zeit zu einer Nation macht. Noch beruht ja aller sozialer Verband auf gemeinsamer

benediktbeuern_innenteil_22_06_295 95 22.06.2012 17:17:06 96 Roland Steinacher

Dies war Stand der marxistischen Debatte vor dem Ersten Weltkrieg und dem Entstehen der Sowjetunion. Josef Stalin (1878–1953) hatte eine kurze Abhandlung unter dem Titel „Der Marxismus und die nationale und koloni- ale Frage“, die in der Sowjetunion Programm werden sollte, vor dem Ersten Weltkrieg im Exil in Wien verfasst. So sehr der spätere Diktator in seiner kurzen Schrift Otto Bauer in teilweise aggressiver Weise angriff, so sehr blieb er dem Österreicher intellektuell verpflichtet. Bei Stalin wurden Nationen klar definierbare historische Einheiten. Eine gemeinsame Sprache, Geschich- te und Kultur lag ihnen zugrunde. Nationen wurden im Sowjetstaat den Doktrinen Lenins und Stalins folgend staatlich gefördert und teilweise gar definiert. Nicht-russische Ethnien genossen gewisse Privilegien. Man könnte soweit gehen, eine ethnische Klassifizierung als eine der grundlegenden Ord- nungskategorien der Union der vereinigten Sowjetrepubliken (СССР) zu se- hen59. Der wenig differenziert ausgeführte Grundgedanke Stalins wurde der sowjetischen Ethnologie Programm. Eine lebendige Forschungslandschaft in der CCCP entwickelte seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts eine Reihe theoretischer Modelle. Einer der Ansätze dabei war das Konzept, besser der Begriff, der ‚Ethnoge- nese‘. Der terminus erscheint bereits im Frankreich des 19. Jahrhunderts etwa bei Dominique François Louis Belloguet (1796–1872). Belloguet wollte den keltischen Ursprung der Gallier beweisen und grenzte diese von jeder Ver- wandtschaft zu den ‚Germanen‘ ab. Dabei stand er in gewisser Weise noch in den Traditionen der oben genannten humanistischen Debatten. Wesentlich ist allerdings, dass er von einem kulturellen (nicht biologischen), identitäts- bildenden Kern für jede ethnische Identität ausging und den Begriff der ‚Eth- nogenese‘ verwendete („Ethnogénie gauloise“)60. Belloguet ist nur ein Bei- spiel für die französischen Arbeiten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit ähnlichen Ansätzen. Solcherlei Thesen grenzten sich von Anfang an gegen entstehende rassische und biologistische Konzepte ab. Zu erwähnen steht, dass zur selben Zeit Joseph Arthur Comte de Gobineau (1816–1882) seine folgenschweren Rassentheorien entwickelte. Der Ethnogenesebegriff stand von Anfang an in Opposition zu solchen Konstruktionen61. Die sowjetische Verwendung des Begriffs ‚Ethnogenese‘ dürfte in keinem direkten Zusammenhang zu diesen französischen Arbeiten stehen. Höchs­ tens schien er aufgrund der geschilderten Richtung geeignet, um die neuen

Abkunft.“ Noch das in der DDR verlegte Germanenhandbuch Krüger – Autorenkollektiv, Die Germa- nen 1, 9–12, betont die „Anfänge des deutschen Volkes“ bei den „germanischen Stämmen“. 59 Stalin, Der Marxismus und die nationale und koloniale Frage, 2: „Also ist die Nation keine Rassen- und keine Stammesgemeinschaft, sondern eine historisch entstandene Gemeinschaft von Menschen.“ Vgl. dazu Mehnert, Stalin versus Marx. 60 Belloguet, Ethnogénie gauloise. 61 Shipman, The Evolution of Racism.

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Ansätze zu bezeichnen. Der russische Ethnologe Sergei Michailowitsch Shi- rokogoroff (Широкогоров 1887–1939) bediente sich des Begriffs im Kon- text seiner wegweisenden Forschungen zum Schamanismus. Shirokogoroff war allerdings regimekritisch und blieb isoliert62. Nach 1934 begann in der Sowjetunion eine rege ethnologische Forschung, die sich, wie erwähnt, an Stalins Dogmen orientierte. In dieser sowjetischen ethnologischen Debatte schien der Begriff ‚Ethnogenese‘ geeignet, die prozesshafte Entstehung eth- nischer Gemeinschaften zu verdeutlichen. Ebenso bemühte man sich in der sowjetischen Geschichtswissenschaft, die Bildung slawischer Identitäten im frühen Mittelalter mit einschlägigen Modellen in strenger Abgrenzung zu deutschen Ansätzen mit rassischen Hintergründen zu erklären63. Eine detail- lierte Aufarbeitung dieser Kontexte bleibt ein Desiderat unseres Faches. Der Begriff stand zur Verfügung. Durch die Verhältnisse des kalten Krieges und die nur sehr mangelhafte Rezeption sowjetischer Literatur im Westen kam es aber nie zu einer ausreichenden Debatte um seine Verwendung, was seine Unschärfe zum Teil erklärt64. Die Diskussionen um ‚Volkstums- und Volkswerdungskonzepte‘ in der deutschen Forschung nahmen Einflüsse aus der Ethnologie auf. Ein nach 1945 stark rezipierter Fachvertreter war der Ethnologe Wilhelm Emil Mühl- mann (1904–1988). Auch Mühlmanns Arbeiten sind nicht einfach über einen Stab zu brechen. Einerseits verwendete er den Ethnogenesebegriff auch, um unter Verwendung eines neuen Überbegriffs, der eigentlich ein gegensätzli- ches Konzept implizierte, Ansätze der deutschen ethnologischen Forschung der Vorkriegszeit im Wesentlichen weiterzutragen. Andererseits implizierte sein Begriff der ‚Volkswerdung‘ ein durchaus offenes und dynamisches Sys­

62 Shirokogoroff, Ethnos. An outline of theory. 63 Bromley – Kozlov, The Theory of Ethnos and Ethnic Processes in Soviet Social Sciences; Slezkine, The fall of Soviet Ethnography; Mehnert, Stalin versus Marx; Curta, From Kossinna to Bromley. Der Begriff erscheint Ende der 1930er Jahre häufig, etwa inD erzhavin, Ob etnogeneze drev­ neishikh narodov Dneprovsko-Dunaiskogo basseina („Zur Ethnogenese der Völker in der Dnjepr- Donauregion“). Ich danke Florin Curta für seine Hinweise. Der Autor bereitet eine umfangreiche Materialsammlung und Studie zu den hier angerissenen Hintergründen des Begriffs vor. 64 Der Dissident Lew Nikolajewitsch Gumiljow (Лев Николаевич Гумилёв, 1912–1992) ver- wendete den Begriff für seltsame Theorien, die sich im heutigen Russland grosser Popularität erfreu- en. Sein Werk „Ethnogenese und die Biosphäre der Erde“ (Этногенез и биосфера Земли) von 1979 steht in keinem Zusammenhang mit den genannten Traditionen. Bromley – Kozlov, The Theory of Ethnos and Ethnic Processes in Soviet Social Sciences, 429 f.: „In his (Gumiljow) approach, ethnoses are biological rather than social categories – a result of an initial adaptation to particular conditions of a landscape that he has termed the Biochoras. According to him, the ethno-genetic process has not taken place everywhere but only in areas of the world with ecological conditions suited to it. The main driving force behind this process was the peculiar quality of leadership that he labelled, trans- lated literally, ‘passionarity’, and that he believed was the result of mutation. According to Gumilev, the majority of people are ‘sub-passionaries’, who congregate in a complimentary fashion around ‘passionaries’, such as Alexander the Great or Mohammed. Gumilev’s view has been discussed in Soviet periodicals and criticised as leading to biologising in ethnoses and ethnic history.“

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tem unter ständigem Wandel. ‚Völker‘ waren keine Abspaltungen größerer Einheiten mehr, wie etwa noch in den Thesen von einer „indogermanischen Wanderung“. Somit schuf Mühlmann Ausgangspunkte, um eine ausschließ- lich biologisch definierten Volksbegriff in der so belasteten deutschen For- schung hinter sich zu lassen. Gleichzeitig blieb die Kategorie ‚Volk‘ eine zentrale und eine Infragestellung der Hintergründe fand nicht statt. Reinhard Wenskus griff in bedeutendem Masse auf die Arbeiten Mühlmanns zurück. Dieser hatte in Ansätzen das Konzept der Traditionskerne, die Wenskus dann weiter entwickeln sollte, vorgeprägt. Somit trägt die deutschsprachige For- schung weiterhin Konzepte fort, die längst differenziert hätten werden müs- sen65. Reinhard Wenskus (1916–2002) und Herwig Wolfram (geboren 1934) setzten seit den 1970er Jahren neue Akzente in der deutschsprachigen For- schung. ‚Völker‘ wurden von Reinhard Wenskus grob gesagt ebenfalls als soziale Kategorien unter ständigem Wandel definiert. Wie angerissen sind diese Ansätze in Teilen aus Mühlmanns Werk zu erklären. Die Probleme dabei waren und sind mannigfaltig. Wenskus arbeitete in der Tradition der deutschen Forschung. Dabei wurden etwa Bezüge zu sozialdarwinistischen Ansätzen der älteren deutschen Ethnologie meist nicht problematisiert, son- dern blieben höchstens unerwähnt. Wenskus versuchte auf vielen hundert Seiten ein von der Forschung mehrerer Jahrhunderte berührtes Feld zu erschließen. Er blieb in Sprache und Analyse durchaus traditionell. Seine Schlüsse sind jedoch keineswegs so simpel, wie sie in vereinfachenden Dar- stellungen erscheinen mögen. Die Menge des verarbeiteten Quellenmaterials ist in seinem erstmals 1961 erschienenen Werk „Stammesbildung und Ver- fassung“ nur schwer übersehbar. Genau darin liegt eine Gefahr. Generalisie- rungen, allgemeine Leitsätze oder gar ein theoretisches Modell lassen sich nur schwer aus einer historischen – auf ganz bestimmte Quellen gestützten – Analyse ableiten. Wenskus äußerte sich zu gentilen Verbänden zwischen der römischen Kaiserzeit und dem frühen Mittelalter im mitteleuropäischen Barbaricum und teilweise auf Reichsboden. Er verwies dabei auf so genannte ‚Traditionskerne‘, die seiner Ansicht nach gentile Identität trügen und immer wieder Zentrum einer neuen ‚Stammesbildung‘ werden könnten. Vorgestellt hat er sich dabei aristokratische Gruppen oder Sänger und Dichter, die sozu- sagen ein ideelles Potenzial für einen größeren sozialen Zusammenschluss kriegerischer Verbände anbieten konnten. Nicht Völker wanderten also, so Wenskus, sondern Traditionen. Dieses Modell war dynamischer und offener, betonte Ethnizität aber trotzdem als zentrale Kategorie historischer Prozesse. Wenskus öffnete Türen, blieb aber der deutschen Forschungstradition weit­

65 Fehr, Germanen und Romanen im Merowingerreich, 149–161; Mühlmann, Studien zur Ethnogenese; Wenskus, Stammesbildung und Verfassung, 5–9; Pohl, Tradition, Ethnogenese, 11; Murray, Reinhard Wenskus.

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gehend verhaftet66. Weder Wenskus noch Wolfram waren Soziologen oder wollten eine Theorie vorlegen, die sich allgemein zu Fragen der ethnischen Identität oder der so genannten ‚Ethnogenese‘ hätte äußern können. Der Wunsch nach solchen, auf verschiedenste historische Situationen anwendba- ren Modellen ist allerdings inner- wie außerwissenschaftlich groß. Wolfram bediente sich schließlich des oben geschilderten Begriffs der ‚Ethnogenese‘, um das noch von Wenskus verwandte Wort ‚Stammesbildung‘ zu ersetzen. Der Begriff erwies sich als missverständlich und wird von der „Wiener Schu- le der historischen Ethnographie“ heute vermieden. Herwig Wolfram legte erstmals 1979 eine Geschichte der Goten vor, die letztlich eine alte und Jahrhunderte schon bestehende gotische ethnische Identität vor dem Eindringen der Goten ins Reich nach der Schlacht von Adrianopel in Frage stellte. Die Goten wurden in ihrer Abhängigkeit und Interaktion mit dem römischen Reich gezeichnet. Auch bei Wolframs Goten- geschichte steht zu betonen, dass das Werk in seiner nun fünften Auflage bei C.H. Beck beinahe sechshundert Seiten und viele hundert Anmerkungen umfasst und ganz bestimmte historische Situationen wie Quellen beschreibt und analysiert. Wolfram betonte, dass (römischer) exercitus und ethnische Identität nicht voneinander zu trennen seien und ging dabei noch einen wesentlichen Schritt weiter als Wenskus. Eigentlich ermöglichten erst sei- ne Gedanken die meisten zeitgenössischen innovativen Ansätze bezüglich einer neuen Sichtweise der agierenden barbarischen Gruppen. Wolfram hat barbarische Geschichte in die römische zurückgeordnet. Seine Arbeiten zur Stellung barbarischer Könige in einem römisch-rechtlichen Rahmen sind teilweise der Tradition der deutschen Verfassungsgeschichte verpflichtet, so innovativ viele Ideen darin sind. Ähnliches gilt für Wolframs Definition ei- ner Literaturgattung der origo gentis und philologischen Überlegungen zu

66 Wenskus, Stammesbildung und Verfassung. Vgl. die teilweise polemische Kritik von Mur- ray, Reinhard Wenskus, und die Entgegnung Walter Pohl, Ethnicity, theory and tradition. Im sel- ben Band findet sich der differenziertere BeitragB owlus, Ethnogenesis: The Tyranny of a Concept. Die Problematik der außerwissenschaftlichen Verallgemeinerungen zeigt sich verschärft in rechts- radikalen Versuchen, sich auf ein ‚Modell Wenskus‘ zu berufen. Die Unschärfe des Begriffs ‚Ethno- genese‘ öffnet dabei Missbrauch Tür und Tor. Vgl. etwa http://de.metapedia.org/wiki/Ethnogenese (10.01.2011). In dieser „alternativen Enzyklopädie für Kultur, Philosophie, Wissenschaft, Politik und Geschichte“, die der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen als „eine im Stil der ‚Wikipedia‘ gehaltene rechtsextremistische Variante“ einstuft (vgl. http://www.im.nrw.de/sch/doks/vs/verfas- sungsschutzbericht_2008_presse.pdf auf 59–60 (10.01.2011), versucht man pseudowissenschaft- liche Modelle der Vorkriegszeit zu etablieren. Zitat: „So bedeutet Ethnogenese aus biologischer Sicht die Entstehung einer neuen Fortpflanzungsgemeinschaft durch die Aufhebung alter und die Errichtung neuer Fortpflanzungsschranken sowie die daraus resultierende Umgliederung der anthropologischen Struktur einer Bevölkerung. Mit der Einschmelzung Fremder ändern die Völker ihre Gestalt und ihr Wesen – ein Vorgang, den man Ethnomorphose nennt.“ Solche Verallgemei- nerungen auf vermeintlicher Basis historischer Arbeiten zu bestimmten Quellen sind zurückzu- weisen. Weiters steht zu betonen, dass auch schon Wenskus eben Kulturtraditionen betonte und keineswegs irgendwelche ‚biologischen‘ Aspekte.

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einer so genannten „gentilen Überlieferung“. Die meiste Kritik an Wolframs Arbeiten bezieht sich auf diese Bereiche67. Walter Pohl (geboren 1953) erweiterte Wenskus/Wolfram unter kritischer Prüfung der Modelle um sozialwissenschaftliche und dekonstruktivistische Fragestellungen und fand breite internationale Zustimmung. Spätantike und frühmittelalterliche Ethnizität wird zusehends als nur noch ein möglicher konstitutiver Faktor in sozialen und politischen Prozessen gesehen. Die De- batte wurde komplexer und feiner, methodisch wie in der Quellenkritik. Sieht man eine ethnische Identität als mehr oder weniger bewusst eingesetzte Stra- tegie, bricht man die Überlastung solcher Kategorien seit der frühen Neuzeit auf. Durch die Analyse kodikologischer Zusammenhänge konnte etwa die Konstruktion fränkischer oder langobardischer Identität im frühen Mittelal- ter gezeigt werden. Unten wird weiter auf die zukünftigen Fragestellungen eingegangen68. Amerikanische Ansätze, und hier namentlich Walter A. Gof­ fart (geboren 1934), etablierten einen ähnlichen Zugang bei einer gewissen Konkurrenz zu Wien. Goffart konnte mit seinem wegweisenden Buch „The Narrators of Barbarian History“ von 1988 die literarische Konstruktion der Herkunftsgeschichten für die neuen Militäreliten auf Reichsboden zeigen. Die Debatten der letzten beiden Jahrzehnte drehten sich letztlich meist um textkritische Aspekte der Getica des Jordanes und kritisierten die Ideen ‚gen- tiler‘ Überlieferung oder Traditionsbildung. Der Ton der Debatte ist dabei zwischen jenen Historikern, die sich in der Sicht der Dinge am Nächsten stünden, erstaunlich scharf und teilweise persönlich69. Jüngste Arbeiten zeigen die Relevanz der angerissenen Fragen, die meist im Zusammenhang mit der Umgestaltung der römischen Welt diskutiert wer- den. Dies hat zu einer neuen Herangehensweise an die Jahrhunderte zwi- schen 300 und 800 nach unserer Zeit geführt. Anstelle der Begriffe ‚Völker- wanderung‘, ‚Konflikt‘, ‚Invasion‘ oder ‚Untergang des Römischen Reiches‘ ist die Tendenz der neueren Forschung ‚Integration‘ oder ‚Transformation/ Umgestaltung‘ (vgl. die von der European Science Foundation finanzierte Reihe „Transformation of the Roman World“) zu gebrauchen. In den archäo-

67 Wolfram, Goten; Wolfram, Gotische Studien; origo gentis: Anton – Becher – Pohl – Wolfram – Wood, Origo gentis; Plassmann, Origo gentis; zur Auseinandersetzung mit Wolframs Ansätzen vgl. Anton, Origo gentis, 262–307; vgl. den Überblick und die Einführung in die Problematik bei Halsall, Barbarian migrations and the Roman West, 1–62: „It should, however, be stressed, that Wolfram is a much more intellectually agile scholar than many critiques make him appear, demon- strating a greater willingness and ability to change his mind than some of his key opponents.“ (15 f.); Pohl, Ethnicity, theory and tradition; Pohl, Tradition, Ethnogenese und literarische Gestaltung. 68 Manuel Kochs Studie zum westgotischen Spanien erscheint 2012 als RGA-Ergänzungs- band. Der Autor arbeitet an einer neuen Geschichte der Vandalen, Walter Pohl an einer langobar- dischen und Helmut Reimitz in Princeton an einer fränkischen. Francesco Borri bereitet in Wien eine Kroatengeschichte vor. 69 Goffart, Narrators; Kulikowski, Rome‘s Gothic Wars; vgl. die Aufsätze in Gillett, On Barbari- an Identity; gotische Identität als eigentlich literarische Konstruktion: Amory, People and Identity.

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logischen Wissenschaften setzte die Diskussion um ethnische Identität als Kategorie später ein und bleibt ein wichtiges Thema70. Insgesamt ist festzu- stellen, dass die jüngere Forschung im Wesentlichen zwei Tendenzen zeigt. Von der einen Seite werden im Kontext des Wandels der römischen Westpro- vinzen die politische Natur von Ethnizität und die Bezogenheit barbarischer Gesellschaften auf römische Strukturen betont71. Andererseits nahmen vor allem britische Forscher in den letzten Jahren eine kritische Gegenstellung ein in Bezug auf die Konzepte einer Umgestaltung der römischen Welt und in der Folge auch die Sichtweise einer ‚römischen‘ Identität barbarischer Gruppen. Der ‚Fall Roms‘ soll erneut als tiefer Kulturbruch definiert werden. Die Fremdheit der ins Reich eindringenden Barbaren wird wieder stärker betont. Diese Debatten sind im Gange und es wird sich zeigen, wohin die Forschung der nächsten Jahre tendieren mag72.

Ethnische Identitäten in römischen Provinzen?

Wenn von außen Barbaren mit klar benennbaren Identitäten ins Römische Reich eindrangen hatte man für das Reich selbst auch eine scheinbar einheit- liche ethnische Definition zur Hand. Das Konzept der Romanisierung wur- de seit Theodor Mommsen und Francis Haverfield zu einem der „zentralen Begriffe in der altertumswissenschaftlichen Erforschung der Provinzen des Römischen Reiches“73. Rom soll nach der Eroberung darauf gesetzt haben, durch die Einwanderung ‚ethnischer‘ Römer und darauf folgend durch eine

70 Heather, Empires and barbarians; James, Europe‘s Barbarians; Halsall, Barbarian migra- tions and the Roman West; von Rummel, Habitus barbarus; Brather, Ethnische Interpretationen; contra: Bierbrauer, Zur ethnischen Interpretation in der frühgeschichtlichen Archäologie. 71 Pohl, Regnum und gens; Wickham, The inheritance of Rome; Kulikowski, Rome‘s Gothic Wars; Halsall, Barbarian migrations and the Roman West; Goffart, Barbarian Tides; Wolfram, Gotische Studien; Smith, Europe After Rome. 72 Heather, The Fall of the Roman Empire; Ward-Perkins, The fall of Rome; Kölzer – Schieffer, Von der Spätantike zum frühen Mittelalter; geistreiche Zusammenfassung: Halsall, Movers and Shakers, 131–145; trockene Zusammenfassung dieser jüngsten Debatten: Steinacher, Transforma- tion und Integration. 73 Mommsen, Römische Geschichte, 5. Die Provinzen von Caesar bis Diocletian; Haverfield, The Romanization of Roman Britain, 10–12: „The greatest work of the imperial age must be sought in its provincial administration. (…) By his vast labours our horizon has broadened beyond the backstairs of the Palace and the benches of the Senate House in Rome to the wide lands north and east and south of the Mediterranean, and we have begun to realize the true achievements of the Empire. The old theory of an age of despotism and decay has been overthrown, and the believer in human nature can now feel confident that, whatever their limitations, the men of the Empire wrought for the betterment and the happiness of the world. (…) But the Roman Empire was the civilized world; the safety of Rome was the safety of all civilization. Outside was the wild chaos of barbarism.“ 14: „Celt, Iberian, German, Illyrian, were marked off from Italian by no broad dis- tinction of race and colour, such as that which marked off Egyptian from Italian, or that which now divides Englishman from African or Frenchman from Algerian Arab. They were marked off,

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Änderung der Identitäten in den eroberten Gebieten eine Einheitlichkeit im Reich zu erlangen. Die Folge sei dann die romanische Welt des mittelalterli- chen Europas gewesen. Die verwendeten Bilder ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. „Wo nicht das Griechische Widerstand leistete, hatten alle Nationalsprachen einem verdorbenen Lateinisch weichen müssen; es gab keine Nationalunterschiede, keine Gallier, Iberer, Ligurer, Noriker mehr, sie alle waren Römer geworden. Die römische Verwaltung und das römische Recht hatten überall die alten Geschlechterverbände aufgelöst und damit den letzten Rest lokaler und nationaler Selbsttätigkeit. Das neugebackne Rö- mertum bot keinen Ersatz; es drückte keine Nationalität aus, sondern nur den Mangel einer Nationalität.“74 Kritische Äußerungen zu solchen scharfen Trennungen und Implikationen in Bezug auf zeitgenössische Projektionen häuften sich in den letzten beiden Jahrzehnten. Eine ‚Romanisierung‘ war jedenfalls in keinem Fall eine kla- re kulturelle, politische, ökonomische Entwicklung und auch nie ein abge- schlossener Prozess. Oft scheint nur eine lokale oder städtische Elite an die- sen Vorgängen teilgehabt zu haben. Unter Umständen lebte ein großer Teil der Bevölkerung weiter unter vorrömischen oder eigentlich ‚barbarischen‘ Bedingungen75. Das Römische Reich war von erstaunlicher Vielfältigkeit. Ethnische Diskurse gab es, sie spielten aber eine vergleichsweise marginale Rolle76. Gleichzeitig analysieren jüngere Arbeiten die Hintergründe wie Kontinuitä- ten römischer Identität, meist unter Betonung der erheblichen lokalen Unter- schiede. Solcherlei Fragen müssen gleichzeitig für den byzantinischen Bereich gestellt werden. Was Byzanz genannt wird, war der griechischsprachige Teil des Römerreiches. Der antike Hellenenname wurde wohl auch wegen seiner heidnischen Konnotationen in einem christlichen Römischen Reich gemieden. Die Selbstbezeichnung der von uns Byzantiner genannten Menschen war Rho- maioi, Römer. Die Türken nannten sie Rum und der Begriff hat seine Kontinui- tät in geographischen Bezeichnungen. Auf dem Balkan oder in Kleinasien fin- den sich ebenso wie im Westen unterschiedliche Brechungen einer politischen

further, by no ancient culture, such as that which had existed for centuries round the Aegean. It was possible, it was easy, to Romanize these western peoples.“ 74 Engels, Der Ursprung der Familie, 141. 75 Woolf, Romanisierung, in: Der Neue Pauly, und der dortige Forschungsüberblick; Woolf, Becoming Roman; Schörner, Romanisierung – Romanization. 76 Das START bzw. ERC Starting Grant Projekts „Local and Provincial Identities between Rome and the ‚Barbarians‘’. Strategies of Identification and Ethnicity before, during and after the Transformation of the Roman World“ wird die Frage verschiedener kollektiver Selbstdefinitionen anhand des pannonischen, illyrischen, adriatischen, Alpen- und Donauraumes untersuchen. Fritz Mitthof bereitet ebenfalls in Wien eine breit angelegte Studie zu Moesien und Dakien vor. Vgl. Fritz Mitthof, Zur Neustiftung von Identität unter imperialer Herrschaft: Die Provinzen des Römi- schen Reiches als ethnische Entitäten, in: Walter Pohl – Clemens Gantner – Richard Payne (Hg.), Visions of Community, im Druck.

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Romidee, sprachliche und religiöse Verbindungen wie strukturelle Kontinui- täten. Ebenso wie im Westen sind solche Fragen teils erheblich ideologisch aufgeladen. Man denke nur etwa an die moderne griechische, italienische oder rumänische nationale Identität. Weiters steht die Problematisierung des Kon- zepts einer ‚römischen‘ (oder rhomäischen) Identität an sich an. Einschlägige Untersuchungen finden sich erstaunlich wenige. Klar ist bereits, dass genau so wenig wie die ‚Barbaren‘ so einfach zu beschreiben sind, wie man noch vor wenigen Jahrzehnten glaubte, es auch die so genannten Römer sind. Die rö- mischen Grenzen und die Armee spielten bei der Entstehung und Vermischung von Identitäten eine große Rolle. In den Legionslagern und ihren Zivilstädten herrschte eine enorme Dynamik. Militärische wie zivile Personengruppen aus weiten geographischen Räumen trafen aufeinander und interagierten. Thesen- haft zugespitzt ließe sich formulieren, dass in diesen römischen Grenzzonen neue Konzepte von Identität erprobt und durchgespielt werden konnten. Sol- che dynamischen Prozesse dürften auch die Gesellschaften jenseits der Gren- zen betroffen haben. Pluralität in sprachlicher und religiöser Hinsicht war der Normalfall an Rhein, Donau, am Euphrat und an den Wüstengrenzen der Sahara. Diese Strukturen nun dürften die Bildung neuer Gruppen, meist unter militärischen Vorzeichen, in den Räumen, die von der Grenzzone und dem Reich stark beeinflusst wurden, wie oben festgestellt, maßgeblich beeinflusst haben. Man hatte als entstehende gotische oder vandalische, fränkische oder alemannische Gruppe eben stets die Möglichkeiten und Chancen in der römi- schen Armee vor Augen. Wie weit nun etwa die arabischen Verbände in ver- gleichbarer Weise über Jahrhunderte in den Grenzzonen des Ostreichs in Inter- aktion mit römischen Militärverbänden getreten waren und wie sehr dabei das Modell römischer Einheiten, die auch eine ethnische Identität benutzten, eine Rolle gespielt haben mag, wäre eine interessante Forschungsfrage77.

Die Zukunft der Fragestellung

„Was bedeutete nun aber ethnische Identität in den poströmischen Regna? Eine Feststellung lässt sich leicht machen: In der Historiographie der Zeit werden die Regna und ihre Träger systematisch ethnisch beschrieben: Die Quellen nennen ein regnum Francorum, Gothi, eine gens Langobardorum, einen rex Vandalorum et Alanorum und so fort. Innerhalb wie außerhalb garantierte die ethnische Zuordnung die Benennbarkeit. In der offiziellen Selbstdarstellung und Repräsentation ist dieser Befund weniger deutlich,

77 Lentano, La prova del sangue; Diefenbach, Römische Erinnerungsräume; Dench, From Bar- barians to New Men; Dench, Romulus’ Asylum; Botermann, Wie aus Galliern Römer wurden; Willi- ams, Beyond the Rubicon; Giardina, L’Italia Romana; Woolf, Becoming Roman; Koder, Byzanz, die Griechen und die Romaiosyne, 103–112.

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etwa im Königstitel: Der Ostgotenkönig Theoderich nannte sich keineswegs rex Gothorum, sondern Flavius rex, was unterstreichen sollte, dass er seine Herrschaft nicht nur über Goten ausübte (die nur einen Bruchteil der Bevöl- kerung des von ihm beherrschten Italien darstellten); die Langobardenkönige nannten sich in ihren Gesetzen rex gentis Langobardorum, nicht aber in den Urkunden. Die gentile Identität war jedenfalls nur ein Faktor im Ordnungs- system spätantiker und frühmittelalterlicher Gesellschaften im westlichen, lateinischen Europa. Eine vorwiegend nichtgentile, nicht ethnisch definierte Provinzbevölkerung, eine spätantike politische Organisation und Infrastruk- tur wie die besondere Rolle der Kirche stehen zu berücksichtigen.“78 Es war keinesfalls selbstverständlich, dass aus der westlichen römischen Welt Königreiche mit ethnischen Bezeichnungen hervorgingen. Einige auf Reichsboden agierende Eliten, die Westgoten in Spanien und die Franken in Gallien etwa, konnten durch ihre Konversion zur katholischen Religion einen entscheidenden Schritt zum Aufbau stabilerer politischer Systeme tun. Gemeinsam mit dem Fortbestehen des römischen Rechts, respektive seiner Adaption in lokalen Kontexten in Form der so genannten ‚barbarischen‘ leges, wurden so Vorbedingungen für die europäischen Nationen des Mit- telalters geschaffen79. Manche ‚gescheiterte‘ Identitätsentwürfe, wie der bur- gundische, der herulische oder der vandalische, blieben Projektionsflächen und wurden im weiteren Verlauf der europäischen Geschichte immer wieder als solche benutzt80. Nachhaltige politische Herrschaft auf Basis einer zu- erst ethnisch definierten Führungsgruppe gelang nur katholisch gewordenen Königen, die über lateinische Schriftlichkeit und eine zumindest teilweise

78 Zitat: Walter Pohl, Die ethnische Wende des Frühmittelalters und ihre Folgen, Antrittsvor- lesung an der Universität Wien am 19.05.2006; Vgl. Pohl, Die ethnische Wende des Frühmittelal- ters und ihre Auswirkungen auf Ostmitteleuropa, 15–17; Pohl, Regnum und gens. Der Langobar- denkönig Rothari verkündete 643 in Pavia seine Gesetzessammlung und ließ sich im Prolog eben als Ego in Dei nomine Rotari, vir excellentissimus, et septimo decimum rex gentis Langobardorum bezeichnen. (Edictus Rothari, Prologus, 1, ed. Bluhme 1) Diese deutliche ethnische Titulatur steht den Urkunden gegenüber, in denen die Langobardenkönige als Flavius rex oder rex erscheinen. Gillett, Was Ethnicity Politicized in the Earliest Medieval Kingdoms?, 85–122, erhob Einwände gegen eine reale politische Bedeutung ethnischer Kategorien. Diese Kritik ist zu undifferenziert. Vgl. nun Steinacher, Who is the Barbarian?, zu möglichen Erklärungen für den vandalischen Titel Rex Vandalorum et Alanorum, der ähnlich wie der Langobardentitel der Leges deutlich mit ethni- schen Kategorien operiert. 79 Vgl. Holzner, Die Decreta Tassilonis; Landau, Die Lex Baiuvariorum; Fastrich-Sutty, Die Rezeption des westgotischen Rechts in der Lex Baiuvariorum; Dilcher – Distler, Leges – Gentes – Regna; Hüpper – Schott, Stammesrecht und Volkssprache; Esders, Römische Rechtstradition und merowingisches Königstum und die Einträge zu den Leges Alamannorum, Leges Anglo-Saxonum, Leges Langobardorum, Leges Romanae, Leges Visigothorum, in: RGA2 18 (2001), 195–215. 80 Zingg, Motive der burgundischen Herkunftsmythen; vgl. Breuer, Burgund vom Rhein aus gesehen, im selben Band, 355–378; Wood, Ethnicity and the ethnogenesis of the Burgundians, 53–69; Steinacher, The Herules. Fragments of a History; Messmer, Hispania-Idee und Gotenmythos, und zu vandalischen und gotischen Problemen die Fussnoten zum Abschnitt „Völkerwanderung, Germanen, Schweden und Deutsche“ dieses Beitrags.

benediktbeuern_innenteil_22_06_2104 104 22.06.2012 17:17:07 Zur Identitätsbildung frühmittelalterlicher Gemeinschaften 105

vorhandene spätrömische Bürokratie verfügten. Sachsen, Slawen und Ale- mannen wurden erst durch die fränkischen Expansionen der merowingi- schen und karolingischen Zeit in das postimperiale System des entstehenden Europa gebracht. Zuvor spielten sie eine ähnliche Rolle als barbarische Pe- ripherie wie die Franken selbst gegenüber dem Römerreich81. Tschechen und Polen formten erst im hohen Mittelalter christlich-europäische Königreiche, in einem ähnlichen Zeithorizont wie die Dänen82. Hunnen, Awaren, Bulgaren und zuerst auch Ungarn versuchten einen an- deren Weg zu gehen. Teil der komplexen Bezüge barbarischer Peripherie und des römischen Zentrums wurde in den letzten Jahrzehnten des 4. Jahrhun- derts die hunnische Machtbasis an Donau und Theiß. Herwig Wolfram hat diese Strukturen als „hunnische Alternative“ beschrieben. Sie bestand darin, durch geballtes militärisches Potenzial in der Nähe der Reichsgrenzen und dazu noch an einem neuralgischen Punkt von dem aus der Osten wie der Westen gleichermaßen schnell zu erreichen und zu bedrohen waren, Druck auszuüben und römische Zahlungen zu lukrieren. In den folgenden Jahr- hunderten wurden die Awaren eine Konkurrenz für das fränkische Reich und die Bulgaren, wenn man so sagen darf, die Hunnen der Byzantiner auf dem Balkan, gefährlich nahe an der Hauptstadt. Diese Steppenreiche, diese „hun- nische Alternative“, funktionierten aber meist nur über einen Zeitraum von zwei oder drei Generationen. Eine ‚europäische‘, mittelalterliche Identität er- reichten nur Bulgaren und Ungarn, nachdem sie Christen geworden waren und ihre Khane Könige bzw. Zaren83. Karolingische Schreiber bezeichneten die Ungarn in Kenntnis ihrer autoritativen Quellen bis ins Hochmittelalter als Skythen oder Hunnen. Der Großbegriff Skythen hatte vor der frühen Neuzeit ein wesentlich bedeutenderes Fortleben als der Germanenbegriff. Eine der grundlegenden Fragen des in Wien bis 2016 durchzuführenden Projekts „Social Cohesion, Identity and Religion in Europe (400–1200)-SCI- RE“, das auf der Verleihung des European Research Council (ERC) advanced grants an Walter Pohl fußt, ist erneut jene, nach einem anderen und neuen Verständnis der Kategorien gens und populus84. Populus war, wie ja mit Pat­ rick Geary oben gezeigt, ein Begriff für die Rechtsgemeinschaft der römi- schen Bürger. Im Laufe der Spätantike und des frühen Mittelalters verschob

81 Curta, The Making of the Slavs; Brather, Archäologie der westlichen Slawen, 51–83; Weiss, Das Ethnikon Sklabenoi. 82 Wolfram, Gotische Studien, 207–224; Pohl, Die ethnische Wende des Frühmittelalters und ihre Auswirkungen auf Ostmitteleuropa. 83 Maenchen-Helfen, The World of the Huns; Pohl, Die Awaren, 12–14; Wolfram, Das Reich und die Germanen, 123: „Hunnische Alternative“ ist der Titel des fünften Kapitels. Browning, Bulgaria/ Bulgars, Turkic, 332–334, 338; Bak, Ungarn, in: Lexikon des Mittelalters 8 (1997) 1223–1234. 84 Auf der Homepage des Instituts für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften werden Informationen und Materialien zu diesem Projekt verfügbar sein: http://www.oeaw.ac.at/gema/.

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er sich zusehends hin zum Sinn eines übergentilen, in der christlichen Kirche organisierten Gottesvolkes. Seit der Spätantike wurden gentes und έθνη in ei- ner christlichen und exegetischen Verwendung Bezeichnungen für außerhalb des christlichen populus stehende Heiden. Schwer zu verstehen bleibt dabei, warum in einem christlichen Europa trotzdem ein so hohes Maß an Identi- fikation mit gentiler Identität festzustellen bleibt und die enorme Dynamik, die bis ins 18. und 19. Jahrhundert und dem Entstehen moderner Nationen an diesen Kategorien orientiert blieb85. Walter Pohl hat diese Phänomene mit dem gleichzeitigen biblischen Aufruf an die gentes zum Bekenntnis und zum Heil erklärt und vermutet, dass diese Dynamik den Erfolg des Begriffes erklä- re. „Die Diskussionen um die Rolle der Gentes in der Heilsgeschichte trugen jedenfalls dazu bei, den Begriff providentiell aufzuladen. Einerseits war er seit der Spätantike mit ‚Heiden‘ und damit negativ konnotiert. Andererseits behielt er seine positive Identifikationsfunktion. Es ist bemerkenswert, dass im Frühmittelalter ausgerechnet jener Begriff ethnische Identität beschreibt, der zugleich die Alterität der Heiden und Barbaren bezeichnet. Das Chris­ tentum bewirkte also bis zu einem gewissen Grad eine Transformation der ethnischen Begrifflichkeit. Zum Unterschied von den Theogonien oder den Vorstellungen von Auserwähltheit vieler nichtchristlicher Völker entsprach aus christlicher Sicht auch die Vielheit der Völker dem göttlichen Heilsplan, solange sie letztlich in Christus aufgehoben werden konnte. Diese Dynamik war es wohl, die den Erfolg der ethnisch begründeten Königreiche erklärt und sich bis zur modernen Nation als Gegenstand einer Ersatzreligion steigern ließ.“86 Eine Ordnung der bekannten Welt in gentes konnte mit biblischen Mustern und unter stetigem Rückgriff auf die antiken ethnographischen Tra- ditionen als zu gestaltender Horizont für die christliche Mission aufgebaut werden und die mittelalterliche Intellektualität mitprägen. Die Wiener Arbeit wird in den nächsten Jahren in diese Richtung fortgeführt. Ziel wäre es da- bei, neue und bisher wenig beachtete Hintergründe eines ethnischen Diskur- ses im mittelalterlichen theologischen Schrifttum zu erkennen. Die seit dem 15. und 16. Jahrhundert stetig vollzogene Trennung theologischer und ge- schichtswissenschaftlicher Ansätze, hat neue Verständnishorizonte geschaf- fen, dafür aber andere blockiert. In einem solchen Vorgehen, das ganz neue Quellengattungen berücksichtigte, läge das Potenzial, unser Verständnis weit reichender Aspekte der europäischen Geschichte erheblich zu erweitern.

85 Vgl. dazu den in Kürze vorliegenden Band “Strategies of identification – Early medie- val perspectives“, herausgegeben von Walter Pohl und Gerda Heydemann. Zum Projekt „Ethnische Identitäten im frühmittelalterlichen Europa“ 2005–2010: http://www.oeaw.ac.at/gema/wittg_pro/ wittg_pro.htm (01.03.2010); Pohl, Völkerwanderung, 22 f.; Geary, The Myth of Nations, 65–67; Walter Pohl, Die ethnische Wende des Frühmittelalters und ihre Folgen, Antrittsvorlesung an der Universität Wien am 19.05.2006. 86 Pohl, Regnum und gens, 448.

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