Donnerstag, 20. Juni 2019

Führung in Auschwitz-Birkenau:

In Auschwitz-Birkenau angekommen, be- stiegen wir den Wachturm der Hauptwa- che des Geländes, unter dem die berühm- ten Eisenbahnschienen hindurchgehen, die sogenannte Endstation.

Entstehung des KL Auschwitz-Birkenau

Da Auschwitz I zu „klein“ geworden ist, wurde Auschwitz II geplant und gebaut.

Ursprünglich als Lager für sowjetische Kriegs- gefangene gedacht, wurde Auschwitz II dann doch zum Konzentrationslager für Häftlinge unterschiedlicher Nationalitäten und zum Zentrum der Judenvernichtung im Rahmen der sogenannten Endlösung der Judenfrage.

Das Lager wurde zum größten Teil aus dem Dorf Brzenzinka (Birkenau) 1942 erbaut. Die Bewohner des Dorfes wurden zur Zwangsar- beit gezwungen. Außerdem liegt das Lager in einem Sumpfgebiet. Der erste Trakt wurde aus Stein gebaut. Im hinteren Teil des älteren Lagers wurden Männer, welche die Baracken unter Zwangsarbeit gebaut hatten, untergebracht. Der zweite Teil wurde 1943 aus Holz aufgestellt. Dafür wurden vorge- fertigte Holzbauteile für militärische Pferdeställe verwendet.

Im Lager angekommen

Die ersten Massentransporte der Juden kamen im Frühjahr 42 aus der Slowakei und aus Frankreich an. Zuerst wurden junge, kräftige Männer deportiert, später auch Frauen, kleine Kinder und Ältere.

Die ersten Selektionen fanden auf der Judenrampe statt, weitere dann im Lager. Die Entscheidung darüber, ob die Neuankömmlinge direkt in die Gaskammern gingen oder zur Arbeit bestimmt wurden, 1

wurde von SS-Ärzten aufgrund des Gesamteindrucks der körperlichen Verfassung und des geschätzten Alters innerhalb weniger Sekunden getroffen. Häftlinge rieten den Deportierten möglichst frisch und gesund auszusehen, damit sie eine Chance hatten in das Lager zu kommen.

Das Lagerleben

In den einzelnen Baracken waren die Schlafplätze jeweils auf drei Etagen verteilt. Jede Etage verfügte über 60 Schlafplätze. Auf jeder Pritsche mussten acht bis zehn Personen schlafen.

Ungeziefer jeglicher Art war eine große Plage für die Häftlinge. Viele waren bereits körperlich und geistig so entkräftet, dass sie sich nicht mehr gegen die Schädlinge durchsetzen konn- ten. Raten, Läuse, Wanzen, usw. machten den Inhaftierten zum anstrengenden Lageralltag zusätzlich zu schaffen. Die größten Gefahren und Ängste der SS-Leute waren das Infizieren oder Anstecken mit Krankheiten der Häftlinge. Im Winter hat es in die Baracken geschneit und geregnet, da sie nur dürftig vor den Witterungsbedingungen Schutz boten. In jeder Häftlingsunterkunft waren zwei Öfen mit Kamin installiert, welche in absolut keiner Weise dazu beitrugen, die Baracken vernünftig zu beheizen.

Nachts durften die Häftlinge die Baracken nicht verlassen. Außerdem mussten sie auf Befehl ihre Schlafposition wechseln. In den Unterkünften waren Verhaltensregeln wie „Achte deinen Vorgesetz- ten! Achte auf Sauberkeit! usw.“ angebracht, welche es einzuhalten galt. War dem nicht so, wurde der Häftling ermordet.

Für jeweils sechs Baracken gab es eine Latrine und einen Waschraum. Die Häft- linge hatten zweimal pro Tag Zeit diese zu nutzen, dabei hatten sie 30-40 Sekun- den Zeit. Außerdem gab es keine Toilet- ten-utensilien wie Toilettenpapier oder ähnliches. Diese Baracken zu reinigen war bei den Häftlingen eine beliebte

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Arbeit, da sie ihre Ruhe vor den SS Leuten und Wasser hatten.

Frauenlager

Danach besuchten wir den Block 25, den Todesblock im Frauenlager und auch der Älteste. Dort war- teten die halbtoten Frauen auf ihren Tod bzw. die Vergasung. Sie bekamen nichts zu essen, trinken und waren zu schwach zum Arbeiten. Insgesamt waren im Jahre 1944 ca. 90.000 Häftlinge im Lager Birkenau, wovon allein rund 40.000 Frauen waren. Während der Zeit in Auschwitz waren 130.000 Frauen inhaftiert, davon ca. 80.000 Jüdinnen.

Kinderblock

Der Block 16a war der Block für die Kinder ab 3-4 Jahren. Die Kinder waren von ihren Eltern getrennt. Sie saßen am Tag entweder in oder außerhalb der Baracke, die Älteren spielten mit den Kleineren. Außerdem versuchten andere Häftlinge Es- sen für die Kinder zu schmuggeln, denn die Kinder bekamen die gleichen Mahlzeiten wie die Erwachsenen. Die Gemälde an der Wand sollten die Kinder aufmuntern und an ihr vorheriges Leben erinnern. In den Kinderba- racken gab es an der Tür zwei Kammern für die Funktionshäftlinge, die auf die Kinder Tag und Nacht aufpassten.

Zigeunerlager

Ab Februar 1943 wurden die Zigeuner (Sinti und Roma) in einem separaten Lager mit 32 Wohnbara- cken, sechs Latrinen, Waschräumen und zwei Küchen untergebracht. Sie wurden mit ihren Familien gemeinsam deportiert und deshalb nicht voneinander getrennt. Es wurden über 21.000 Menschen re- gistriert. Davon waren ca. 11.000 Häftlinge Kinder, wobei 378 im Lager geboren sind. Das Lager der Sinti und Roma wurde aufgelöst. In der Nacht vom 02. auf den 03. August 1944 kamen alle in den Gaskammern zu Tode (ca. 3.000 Häftlinge). Erst im Jahre 2005 erkannte man weltweit diese Aktion als Völkermord an. Es wurden insgesamt 500.000 Menschen getötet.

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Später wurde ein Teil der Bäderbaracke neben Block 32 zum Arbeitsraum von Dr. , wo er medizinische Experimente durchführte.

Sonderkommandos

Im Lager gab es verschiedene Sonderkommandos, wie zum Beispiel das „Sonderkommando Häftlinge“. Vorwiegend Juden gehörten diesem an. Sie mussten Leichen in den Krematorien verbrennen. Davor mussten sie den Leichen das Zahngold entfernen. Wenn sie etwas übersahen oder bei der Arbeit zu langsam waren, wurden sie bei lebendigem Leib verbrannt. Dies sollte den anderen zur Abschreckung dienen.

Die Häftlinge der Sonderkommandos überlebten in der Regel nicht, weil sie zu viel wussten und des- halb auch in den Tod geschickt wurden. Nach mehreren Wochen absolut grauenvoller Arbeit wurden sie durch das nächste Sonderkommando ersetzt. Die Tatsache, dass diese meist schon wussten, dass sie die nächsten sind, ist unvorstellbar. Nicht wenige bekamen deshalb schwere Depressionen und begangen Suizid.

„Kanada“

Es gab 30 Baracken, in denen die Wertsachen der Häftlinge gelagert wurden. Diese trugen den Deck- namen „Kanada“. Der Name wurde deshalb verwendet, weil Kanada damals als reiches Land galt, in dem man in Wohlstand und Überfluss lebte. Diese Baracken wurden zuletzt auch zerstört, weil sie offensichtlich auf die Ermordungen der vielen Menschen hinwiesen.

Zentralsauna – Zweite Selektion

Im hinteren Bereich des Lagerkomplexes Birkenau war neben den Krematorien, Gaskammern und Wasserkläranlagen ein größeres Gebäude mit dem Namen „Sauna“. Dort fand eine weitere Selektion, nach der ersten an der Rampe, statt. Es wurden ca. 1500 Häftlinge pro Tag in der sogenannten „Sauna“ registriert. Kleinere Verletzungen, Schwangerschaften, etc. was eventuell bei der Erstselektion über- sehen wurde, konnten dort festgestellt werden. Schmuck, und diverse Wertgegenstände wurden hier ebenfalls unter höchster Aufmerksamkeit den Häftlingen entzogen.

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In der „Sauna“ gab es einen Haarschneide- raum, Untersuchungsraum, Brausen und Des- infektionskammern für die Kleidung, welche mit Bedampfung betrieben wurden. Die Brau- sen (Duschen) wurden von den SS-Leuten entweder extrem heiß oder kalt eingestellt, damit die Häftlinge zusätzlich schikaniert werden konnten.

Die Zentralsauna wird heute als Ort der Erin- nerung genutzt. Jedes Jahr finden am Ge- denktag der Befreiung des Lagers hierin die Ansprachen und Reden verschiedener, hochrangiger Persönlichkeiten statt. Auch Überlebende des Ho- locaust nehmen regelmäßig daran teil.

Nach der Befreiung des Lagers wurde ein Kof- fer mit ca. 2000 Bildern gefunden, worauf persönliche Erinnerungen festgehalten wa- ren. Dies war ein großer Zufall, da normaler- weise die Bilder von den SS-Leuten gesam- melt und anschließend verbrannt wurden. Heute können die Bilder in der Sauna an der Fotowand eindrücklich bestaunt werden.

Judenfrage

Warum die Menschen damals in Deutschland einen solch großen Hass vor allem auf die Volksgruppe der Juden hatten, ist im Nachhinein betrachtet nicht nachvollziehbar und in vielerlei Hinsicht völlig lapidar. Es wurde davon ausgegangen oder den Bürgern über Propaganda vermittelt, dass Juden z. B. Gottesmörder sind, Kinder fressen, im Allgemeinen die alltäglichen, zum Leben notwendigen Ressour- cen zu stark beanspruchen. Zuerst wurden die Juden verbal getötet, indem ihnen gesagt wurde, dass sie minderwertig sind. Dann hat man sie für vielerlei Dinge verantwortlich gemacht, obwohl sie es re- alistisch gesehen gar nicht waren. Die jüdische Bevölkerung wurde als minderwertige Rasse sehr schnell in der Öffentlichkeit wahrgenommen und deshalb auch gemieden, weil die Deutschen den Ju- den gegenüber aufgehetzt wurden. Juden als Parasiten, etc. waren somit national bekannt und ver- dächtigt. Juden galten außerdem als arbeitsscheu. In bekannten Berufen des Handwerks oder der

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Industrie durften sie nicht arbeiten bzw. sich ausbilden lassen. Deshalb ergriffen sie notwendigerweise andere Berufe, wie Geldverleiher, Händler, usw. Diese Tatsache vertuschte man dem deutschen Volk gegenüber wiederum bewusst. Das Bild der „faulen Juden“ war somit in den Köpfen der „Arier“ fest verankert. Die Vernichtung der Häftlinge in den Lagern (Endlösung) war somit nicht mehr allzu weit entfernt. Offiziell beschlossen wurde die Endlösung politisch durch die Wannseekonferenz am 20. Ja- nuar 1942. Am 02. November 1944 wurde die Endlösung der Judenfrage aufgehoben.

Wirtschaftsfaktoren der Menschenvernichtung

Die Nazis haben während der gesamten Zeit der Vernichtung versucht, die Prozesse effektiv, vor allem nachhaltig und wirtschaftlich zu optimieren. Menschenasche wurde als Dünger verwendet, Zahngold als Rohstoff, Menschenhaare als Ressource zur Herstellung von Gewebe, usw. Große Teile der Asche wurden mit LKWs zur Weich- sel transportiert und dort in den Fluss ge- kippt. Neben den Krematorien ist ein klei- ner, beschaulicher See, welcher zuerst einen harmonischen Eindruck auf die Besucher macht. Leider wurde uns von der Führerin erklärt, dass auch in diesen Unmengen von Menschenasche gekippt wurde.

Fluchtversuche

In Auschwitz-Birkenau fanden 900 Fluchtversuche statt. Es gelang mindestens 180 Personen zu ent- kommen und zu überleben, ohne von Polizeistreifen angegriffen oder bei ihrer Verfolgung erschossen zu werden. Es gab verschiedene Methoden von Fluchtversuchen: Eine war, dass sich die Häftlinge drei Tage unter einem Stapel Bretter, auf dem Dachboden oder im Keller versteckten. Die andere Möglich- keit, unauffällig aus dem Lager zu gehen, bestand darin, sich eine SS-Uniform zu besorgen. Die Flucht- versuche blieben nicht ohne Konsequenzen für die im Lager verbliebenen Häftlinge. Sie wurden be- straft oder für einen Fluchtversuch wurden zehn Inhaftierte erschossen.

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Befreiung

Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager Birkenau durch die rote Armee befreit. Neun Tage vor dieser Befreiung haben die Nazis zur Vernichtung von Beweisen, welche auf die Ermordung von Menschen hinweisen konnten, beseitigt. Die Gaskammern und Krematorien wurden gesprengt. Au- ßerdem begannen ca. zeitgleich die sogenannten Todesmärsche. Bei diesen mussten die bereits körper- lich und psychisch absolut ge- schwächten, noch überlebenden Häftlinge zu Fuß unter schwersten Bedingungen und der Führung der SS das Lager verlassen. Ca. 56.000 Häftlinge waren es insgesamt, da- von starben zwischen 9.000 bis 15.000 Menschen entweder durch die widrigen Bedingungen oder durch Erschießung. Die Summe der zurückgebliebenen Menschen im Lager addierte sich auf ungefähr 7.000 Personen. Diese waren bereits so geschwächt, dass sie die To- desmärsche nicht antreten konnten. Nach der Befreiung wurden sie umgehend medizinisch versorgt. Leider haben trotz dieser Rettungsmaßnahmen davon ca. 1/3 der Häftlinge die Strapazen des Vernich- tungslagers nicht überlebt.

Sinti und Roma Zentrum:

Nach dem Mittagessen besuchten wir das Sinti und Roma Zentrum. Wir bekamen einen Überblick über die Geschichte und das Schicksal dieser Volksgruppe, besonders zur Zeit des Zweiten Weltkrieges.

Geschichte der Roma

Als Erstes werden die Herkunftsgeschichte und der Wanderungsprozess geschildert. Die Roma stam- men vermutlich aus Nordindien. Es wird vermutet, dass sie der Kriegerkaste entstammen. Einige Ele- mente der Sprache „Romani“ stammen aus dem Sanskrit, der ältesten, bisher bekannten Sprache der Welt. Zwischen dem 7. und 13. Jahrhundert wanderten sie schubweise nach Persien, Armenien und in das oströmische Reich ein. Bereits ein Jahrhundert später kamen sie nach Europa. Im 16. Jahrhundert 7

gab es europaweit kein Land mehr, welches nicht von ihnen besiedelt war. Auf der Suche nach einer besseren Zukunft und bezahlter Arbeit zogen sie im 19. Jahrhundert weiter nach Nordamerika.

Roma stellten sich meist als Pilger vor, da die Einheimischen freundlicher zu Pilgern waren. Da sie nir- gends sesshaft wurden, nahm man sie vom organisierten Staatswesen aus. Dadurch waren sie nicht steuerpflichtig.

Vielen Herrschern waren sie ein Dorn im Auge und so wurden sie zum Beispiel in Deutschland 1497 als „vogelfrei“ erklärt. Dadurch konnte man die Wanderbewegung als Fluchtbewegung verstehen.

Die Roma haben sich der jeweiligen Gesellschaft und den lokalen Gegebenheiten immer versucht anzupassen. Dadurch benötigten sie flexible Be- rufe. In den Bereichen Handel, Dienstleistung und Unterhaltung arbeiteten sie deshalb am häufigsten. Als gesellschaftliche Unterhalter wa- ren sie mit musikalischen Darbietungen, Zirkus- aufführungen, Zauberei und Wahrsagerei aktiv.

Porajmos

Die Roma bezeichnen den Holocaust als Porajmos, „das Verschlingen“. Ab 1935 fielen die Roma unter die diskriminierenden Nürnberger Rassegesetze, wie die Juden. Ab 1936 beginnt die „Rassenhygieni- sche und bevölkerungsbiologische Forschungsstelle“ (RHF) mit der sogenannten Bestandsaufnahme der Zigeuner. Dort wurden sie in gutachtliche Äußerungen einge- teilt, wie „Voll-Zigeuner“, „Zigeu- ner-Mischling“ und „Nicht-Zigeu- ner“. Die Nationalsozialistische Pseudo-Wissenschaft sollten die Roma als Unmenschen darstellen und arbeiteten spezielle äußerliche Merkmale heraus, die später Grundlage für die Vernichtung wa- ren. Ende 1938 ordnete Heinrich

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Himmler die „Regelung der Zigeunerfrage“ an. Ab diesem Zeitpunkt mussten die Roma einen speziellen Ausweis bei sich tragen.

Im Mai 1940 wurden die Roma von der Polizei zusammengetrieben und in großen Transporten nach Ostpolen gebracht, wo man sie zum Teil sich selbst überließ, zum Teil in Arbeitslager steckte. Wahr- scheinlich überlebten nur die Hälfte der Deportierten diese Tortur.

Anfang 1943 begann die systematische „Einweisung“ der Roma ohne Rücksicht auf den Mischlingsgrad in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Das sogenannte Zigeunerlager wurde am 2./3. August 1944 aufgelöst. Es wurden insgesamt ca. 23.000 Sinti und Roma in dieses Lager deportiert, von denen die meisten ums Leben kamen. Außerdem wird angenommen, dass während des Zweiten Weltkriegs in Europa ca. 500.000 Sinti und Roma ermordet wurden. Dies war etwa die Hälfte der Vorkriegspopu- lation.

Die Nachkriegssituation der Sinti und Roma in Polen

Die Roma wurden nicht als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt. Völkermord ist bis heute ein sehr dehnbarer Begriff, weshalb die Ermordung von rund 500.000 Menschen lange nicht als Völkermord bezeichnet wurde. Den Überlebenden wurden Entschädigungen, Hilfen und die Anerkennung als Opfer verweigert. Die Roma trauerten um ihre ermordeten Verwandten und suchten nach verlorenen Fami- lienmitgliedern. Anfang der 1950er Jahre wurde eine Registrierung der Roma durchgeführt. 1964 erließ der Staatsrat der Volksrepublik Polen eine Verordnung über die Zwangsansiedlung von Wandervöl- kern. Außerdem wurden Impfpflicht, Brandschutz, Schulpflicht usw. eingeführt. Auch der Wechsel zu einem neuen, ungewohnten Lebensstil brachte Probleme, denn die traditionellen Berufe konnten nicht mehr ausgeübt werden. Desweitern waren die Einheimischen oftmals nicht freundlich gestimmt. Trotz allem konnten sie ihre Traditionen und ihre Sprache erhalten.

Gegenwart

1989 wurde die Politik der Assimilation durch die Politik der Integration ersetzt. Dies bedeu- tet die gleichberechtigte Teilnahme der Roma am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kul- turellen Leben des Landes bei gleichzeitiger Be- wahrung der eigenen Tradition und Kultur. Heute sind die Roma als ethnische Minderheit 9

anerkannt. Die Volkszählung 2011 hat ergeben, dass noch 16.723 Roma in Polen leben. Viele haben dabei aber nur ihre polnische Herkunft angegeben und wurden dadurch nicht als Roma erfasst. Be- kannte Persönlichkeiten mit Romawurzeln sind Charlie Chaplin, Elvis Presley und Stephen Taylor.

Multimediale Präsentation mit Halina Jastrezebska über „Verbrecherische medizinische Expe- rimente in Auschwitz-Birkenau“ und eine Liebesgeschichte:

Verbrecherische medizinische Experimente in Auschwitz-Birkenau

Neben Dr. Josef Mengele, der vor allem „Experimente“ an Zwillingen, Drillingen, usw. machte, gab es mehrere andere sogenannte „Experimente“, unter anderem das Experiment der Massensterilisierung. Der Auftraggeber für dieses Experiment war Heinrich Himmler. Dieser stellte am 10. Juni 1942 an einen bekannten Chefarzt einer Frauenklinik in Königshütte, , folgende Anfrage: „Wie viel Zeit wird für die Sterilisierung von 1.000 Jüdinnen benötigt?“. Carl Clauberg kam Ende 1942 im Alter von 44 Jahren als Arzt nach Auschwitz-Birkenau. Dort begann er in der Baracke 30 mit seiner Arbeit und wurde später im April 43 ins Stammlager in Block 10 verlegt. Den Frauen wurde in ihre gesunde Ge- bärmutter ätzendes Mittel eingeführt. Danach wuchs die Gebärmutter in einem schmerzhaften Pro- zess zu. Vor den Sterilisationen fragte Clauberg seine Assistenten: „Sind die Säue auch sauber?“ Eine Frau sagte: „Erklärt wurde nichts. Wir hatten nichts mehr zu sagen.“ Die Frauen wurden ohne Einwei- sung oder Erklärung wie Tiere behandelt. Jede Woche wurden zerschnittene Frauenleichen ins Krema- torium gebracht. Am 07. Juni 1943 gab Clauberg Himmler die Rückmeldung, dass er eine Methode gefunden habe, mit der er 1.000 Frauen mit 10 Mann als Hilfspersonal an einem Tag sterilisieren könne.

Viktor Brack versuchte sich an der Methode der Röntgenkastration.

Horst Schumann begann mit der Röntgenbestrahlung von Hoden bei Männern. Nach der Bestrahlung wurden den Männern die Hoden entfernt und sie somit kastriert.

Außerdem wurden unnötige Operationen nur zu Übungszwecken durchgeführt.

Emil Kaschub machte Experimente mit Salben und Flüssigkeiten an der Vorderseite des Unterschen- kels. Die Haut wurde abgeschabt und die Substanzen eingeführt. Der Hintergrund war, dass sich deut- sche Männer absichtlich verletzt hatten, um nicht an die Front zu müssen. Man testete Substanzen an der Haut von Häftlingen, um Kriegsverweigerer zu überführen.

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Den Kindern vom (5-12 Jahre) wurden Bakterien auf der Brust eingerieben. Dr. Kurt Heißmeyer führte Tuberkulose-Versuche an den zehn Jungen und zehn Mädchen durch. Am 20. April 1945 wurden alle Kinder erhängt. In Hamburg sind Straßen nach den Namen der Kinder benannt.

Liebesgeschichte von Cyla und Jurek

Jurek kam am 14. Juni 1940 im Alter von 19 Jahren nach Auschwitz. Er arbeitete in verschiedenen Kommandos, wie dem Kommando Landwirtschaft. Die meiste Zeit seiner Arbeit verrichtete er im Ge- treidespeicher am Stammlager. Heute ist dort die Fachhochschule. Cyla wurde am 19. Januar 1943 im Alter von 22 Jahren nach Auschwitz deportiert. Sie arbeitete während der Haft an einem anderen Ort als Jurek und wurde eines Tages mit mehreren Mädchen bzw. jungen Frauen zum Getreidespeicher gebracht. Er war Pole, sie polnische Jüdin. „Sie war wie ein Sonnenstrahl im Grauen des Lagers!“, so berichtet Jurek später. Schon bald verliebten sich die jungen Leute, trotz des Lageralltags und den un- vorstellbaren Gräueltaten. An Weihnachten 1943 versprach Jurek seiner geliebten Cyla, mit ihr zu flie- hen. Ein Freund von ihm arbeitete in der SS-Bekleidungsfabrik und beschaffte ihm so eine Uniform. Am 21. Juli 1944 eskortierte Jurek seine Cyla in SS-Uniform unter dem Vorwand eines Verhörs und verließ mit ihr gemeinsam das Lager. Vorher beschafften sie sich noch einen gültigen Passierschein. Sie flüch- teten mit vielen Umwegen, da Krakau vorerst gemieden werden musste. Ein Untertauchen war umge- hend notwendig, da die Waffen-SS in der Regel schnell fündig wurde.

Beide versteckten sich bei einer Tante. Jureks Eltern mochten Cyla nicht, da sie Jüdin war. Kurze Zeit später musste Jurek an die Front und Cyla blieb bei der Tante. Direkt nach dem Krieg kam Jurek nicht zurück und deshalb ging Cyla davon aus, dass er an der Front gefallen ist. Während einer Zugfahrt lernte Cyla einen neuen Mann kennen und heiratete ihn später. Sie zog mit ihm nach Schweden. Nach- dem ihr Mann starb und sie Witwe wurde, zog sie in die USA. Während der ganzen Jahre vergaß Cyla ihren Jurek nie. Sie vergewisserte sich immer wieder bei Jureks Verwandten, was mit Jurek sei. Sie gaben ihr die Auskunft, er sei tot. Auch Jurek fragte immer wieder nach Cyla. Auch er bekam eine negative Antwort. Jurek heiratete eine andere Polin. Er berichtete die Liebesgeschichte im Fernsehen. 1983 sieht das Dienstmädchen von Cyla das Interview mit einem Mann, der Cylas Geschichte erzählt. Es ist Jurek. Sie trafen sich 39 Jahre später wieder. Er hatte 39 rote Rosen in der Hand, für jedes ver- gangene Jahr eine Rose. 1985 wurde Jurek mit dem Titel „eines Gerechten unter den Völkern“ in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ausgezeichnet. Die Geschichte der beiden ist eine der spektaku- lärsten Flucht- und Liebesgeschichten in Auschwitz.

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Irgendwo ist das Schöne das verzaubert es ist mir nicht gegeben

Irgendwo ist die Liebe die beschenkt sie ist mir nicht gegeben

Irgendwo ist das Leiden es ist hier…

Maria Slawaska

Franziska Ehrenfried, Alexander Bauer, Georg Bruckmaier

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