Zeit und Gehen

Über die Verbildlichung zeitlicher Strukturen in der Kunst von Hamish Fulton

Band I: Text

Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.

vorgelegt von

Fiona Hesse aus Herdecke/Ruhr

WS 2017/18

Erstgutachterin: Frau Prof. Dr. Angeli Janhsen Zweitgutachter: Herr Prof. Dr. Hans W. Hubert Drittgutachter: Herr Prof. Dr. Markus Tauschek

Vorsitzender des Promotionsausschusses der Gemeinsamen Kommission der Philologischen und der Philosophischen Fakultät: Prof. Dr. Joachim Grage

Datum der Disputatio: 26. September 2018 © 2020

Inhalt

Dank ...... 7

Vorwort ...... 9

I. Einleitung ...... 11

1. Heranführen an das Thema und Darlegen der Fragestellung ...... 11 2. Forschungsüberblick ...... 16 2.1 Zur Auseinandersetzung mit Zeit in der Kunst...... 16 2.2 Über das Gehen in der Kunst im Kontext Hamish Fultons...... 23 2.2.1 Künstlerische Umbrüche im Zuge der 1960er Jahre, Land Art und die Wiederentdeckung des Gehens ...... 23 2.2.2 Gehen im Spiegel der Gegenwartskunst und der Kunstgeschichte ... 29 2.3 Hamish Fulton und die Kunstgeschichte ...... 33 3. Vorgehen, Methodik und leitende Fragen ...... 37 II. Werkgruppen bei Hamish Fulton ...... 41

1. Wanderungen ...... 41 1.1 Walk ...... 41 1.2 Wandering Walk ...... 43 1.3 Walking Journey ...... 43 1.4 Group Walks ...... 44 2. Materielle Werke ...... 45 2.1 Fotografie ...... 46 2.2 Typografische Wandarbeiten ...... 48 2.3 Holzobjekte ...... 50 2.4 Malerei und Zeichnung ...... 52 2.5 Künstlerbücher ...... 52 III. Verbildlichung zeitlicher Strukturen ...... 54

1. Kosmologische Zeit ...... 54 1.1 Sonne ...... 56 1.1.1 Sunrise Shadow, 1979 ...... 57 1.1.2 Solstice, 1992 ...... 63 1.1.3 Kailash Kora, 2007 ...... 67 1.2 Mond ...... 74 1.2.1 July Full Moon over the Doda River, 1979 ...... 76

3 1.2.2 The Second Full Moon of May, 1988 ...... 79 1.3 Sterne ...... 84 1.3.1 Stars Paces, 1995...... 85 2. Zahlen, Zählbare Zeit und Vermessen ...... 90 2.1 Zahlen ...... 91 2.1.1 Hitchhiking Times, 1967 ...... 93 2.1.2 Not By Car, 2017 ...... 97 2.2 Zählen ...... 101 2.2.1 Tage ...... 102 2.2.1.1 Eleven Notches for an Eleven Day Walking Journey, 1979 102 2.2.1.2 Seven Pieces of Wood for Seven One Day Walks, 2006 ..... 104 2.2.1.3 Geronimo Homeland, 2006 ...... 107 2.2.2 Schritte ...... 111 2.2.2.1 Counting 33210 Paces, 1991 ...... 112 2.2.2.2 Counting 539 Coloured Dots, 2016 ...... 115 2.2.3 Steine und Berge ...... 118 2.2.3.1 Touching By Hand One Hundred Rocks, 1989 ...... 119 2.2.3.2 Mountain Skyline Switzerland, 2007 ...... 122 2.2.4 Wanderungen und Wege ...... 127 2.2.4.1 17 Seven Day Walks, 1985-2017 ...... 128 2.2.5 Meilen und Kilometer ...... 130 2.2.5.1 One Hundred Mile Walking Stick, 1971 ...... 130 2.2.5.2 Thirteen Miles to Brecon, 1987 ...... 132 2.3 Vermessen ...... 135 2.3.1 Walking (35 Walks Map), 1971-2019 ...... 136 2.3.2 Die Vechte entlang gehen, 1997 ...... 141 2.3.3 Swifts and Lizards, 2017 ...... 145 3. Ausdauer, Spuren der Zeit und Verschleiß ...... 148 3.1 Körper ...... 149 3.1.1 Mind Body Walk, 1998 ...... 150 3.1.2 Bardo, 2009 ...... 157 3.1.3 A Shepherd Walking with his Sheep and Dogs, 2005 ...... 164 3.2 Natur ...... 166 3.2.1 Melting Snow Ice, 1996 ...... 166 3.3 Material ...... 171 3.3.1 Bird Of Prey Vanishes Into A Blue Cloudless Sky, 1984 ...... 171 3.3.2 A 2498 Kilometre Walking Journey, 2005 ...... 173 4. Geschwindigkeit des Gehens und Wahrnehmung von Zeit ...... 175

4 4.1 Walking Slowly on the Condor’s Outline, 1972 ...... 176 4.2 Slow Walk Newcastle, 2012 ...... 181 IV. Zusammenfassung und Fazit ...... 188

Literaturverzeichnis ...... 203

Ausstellungskataloge ...... 213 Nachschlagewerke ...... 214 Online-Nachschlagewerke ...... 215 Online-Quellen ...... 216

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6 Dank

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine für die Veröffentlichung 2020 leicht überarbeitete Version meiner 2018 eingereichten Dissertation, für die ich mit dem „Wetzsteinpreis für Kunstgeschichte 2018“ ausgezeichnet wurde. Vielen Dank an dieser Stelle der Stifterin Susanne Bader von der Buchhandlung zum Wetzstein!

Darüber hinaus gebührt insbesondere folgenden Menschen mein herzlichster Dank:

Allen voran meiner Doktormutter Frau Prof. Dr. Angeli Janhsen für ihre konstruktive, vertrauensvolle und unterstützende Betreuung, die in den richtigen Augenblicken fordernd und fördernd war. Herrn Prof. Dr. Hans W. Hubert für sein aufmerksames Interesse und die Übernahme des Zweitgutachtens, Herrn Prof. Dr. Markus Tauschek wiederum für die Übernahme des Drittgutachtens. Philipp Siegmann, Dorothee Blickhäuser, Samuel Dangel, Karin Seeber, Romana Petráková und Benedikt Neumann für ihre elementare, kluge, konstruktive, allzeit bereite und vielseitige Unterstützung in allen Lebenslagen sowie allen Freunden, Bekannten und Verwandten für ihren Beistand und ihr Verständnis für meine soziale Abwesenheit während des Schreib- und Publikationsprozesses.

Hamish Fulton bin ich von Herzen für seine Offenheit und Bereitschaft dankbar, mir während zahlreicher Korrespondenzen und Treffen wertvolle Einblicke in sein künstlerisches Schaffen gewährt zu haben. Ihm ebenso wie allen Galerien, Museen und Besitzern seiner Werke danke ich herzlich für die Erlaubnis, Abildungen seiner Werke publizieren zu dürfen, dies sind:

1 Mira Madrid; Albright Knox Art Gallery, Buffalo, New York; Arp Museum Rolandseck; Arts Council Collection, Southbank Center, London; Christine Burgin, New York; Cordula Huber, Zürich; Galeria Espaivisor, Valencia; Galerie Tschudi, Zuoz; Galleri Riis, Oslo; Wolfgang Häusler und Häusler Contemporary, Zürich; Kantonsmuseum Wallis/Musée d‘art Sion; Museu Coleção Berardo, Lissabon; Museum Haus Konstruktiv, Zürich; National Galleries of Scotland, Edinburgh; Schloss Hohenkammer; Texas Gallery, Houston; The Fine Art Society Edinburgh; Vanderbilt University Fine Arts Gallery, Nashville sowie jene, die anonym bleiben wollen.

Ohne Heike Kubicki und Volker Siegmann, ihr Vertrauen in und ihren Glauben an mich wäre es mir allerdings nicht möglich gewesen, mich anderthalb Jahre ganz auf die Dissertation zu konzentrieren. In glücklicher Dankbarkeit sei ihnen daher diese Arbeit gewidmet.

Fiona Hesse, Freiburg, Juli 2020

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8 Vorwort

Kurz nachdem ich den Entschluss gefasst hatte, mich in meiner Doktorarbeit mit dem künstlerischen Werk Hamish Fultons auseinanderzusetzen, fragte mich im Gespräch eine Kunsthistorikerin: „Hamish Fulton? Ist dessen Kunst nicht furchtbar dröge?“ Ihre Wortwahl spiegelt nicht nur ihre persönliche Meinung wider, sondern kann stellvertretend für eine große Anzahl an Kunsthistorikern, -kritikern und -betrachtern verstanden werden, die sich allem Anschein nach von einem ersten, oberflächlichen Eindruck seiner Kunst haben abschrecken lassen: eine Monografie oder gar ein Werkverzeichnis ist bis dato noch nicht erschienen. Die obige Aussage steht auch stellvertretend für viele Missverständnisse und Fehlzuschreibungen, die im Zusammenhang mit Fultons Kunst immer wieder erfolgen. Wie sich im Laufe meiner Recherchen gezeigt hat, ist Hamish Fultons Kunst alles andere als dröge. Im Gegenteil ist sie sogar derart vielschichtig, dass eine einzige wissenschaftliche Arbeit nicht ausreicht, um seinem Oeuvre, das er innerhalb der vergangenen 50 Jahre geschaffen hat, nur ansatzweise gerecht zu werden. Die vorliegende Arbeit ist daher als Versuch zu verstehen, sich seiner künstlerischen Praxis dezidiert kunsthistorisch zu nähern und dabei erstmals herauszuarbeiten, wie viele unterschiedliche Themen und Motive seine Kunst wie zahlreiche rote Fäden durchziehen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Thema der Zeit, das, wie ich aufzeigen werde, nicht nur seine Wanderungen maßgeblich bestimmt, sondern sich auch in seinen daraus resultierenden, materiellen Kunstwerken auf unterschiedlichste Art und Weise erkennen lässt.

Zeit, Hamish Fultons Kunst in Augenschein zu nehmen – let’s go!

Fiona Hesse, Freiburg, März 2018

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10 I. Einleitung

1. Heranführen an das Thema und Darlegen der Fragestellung

Zeit und Gehen – bei kaum einem anderen Künstler scheinen diese beiden Begriffe so eng mit seiner Kunst verknüpft, wie bei dem britischen „Walking Artist“ Hamish Fulton.1 Denn Fulton geht. Dabei geht er nicht irgendwie, sondern unternimmt Wanderungen nach „self-imposed rules“2, die sein Gehen zeitlich, thematisch und örtlich eingrenzen. Jene Wanderung, die seinem künstlerischen Werdegang einen elementaren, richtungsweisenden Impuls geben sollte, unternahm Hamish Fulton im Spätsommer 1973. Innerhalb von 47 Tagen durchquerte er zu Fuß das gesamte Vereinigte Königreich vom nordöstlichsten Punkt Schottlands (Duncansby Head in der Nähe von John O’Groats) bis hin zum südwestlichen Ende Südenglands (Land’s End). Auf diesem insgesamt 1022 Meilen (1644,7 Kilometer) langen Fußmarsch war es vor allem der eindrückliche, alle Sinne des Körpers involvierende Akt des Gehens, der ihn nachhaltig beeindruckte: „Die daraus resultierende Erfahrung war für meinen Geist und Körper so fundamental, dass ich daraus die Konsequenz zog und mich ausschließlich auf das Gehen spezialisierte.“3 Seit dieser Wanderung vor nunmehr 45 Jahren ist das Gehen elementarer Bestandteil von Hamish Fultons Kunst. Er geht nicht nur hunderte Meilen an den entlegensten Orten der Welt, sondern oft auch nur wenige, abgezählte Schritte im Umkreis seines Hauses in der Grafschaft Kent. Er geht über Wochen an Flüssen entlang und tausende Kilometer von Küste zu Küste, er geht auf Pilgerpfaden, Landstraßen und Feldwegen, rückwärts, im Kreis, hin und her, dieselben Wege immer wieder erneut, mit verbundenen Augen, barfuß, so langsam wie möglich, bei Vollmonden und Sonnenwenden, bei Tagesanbruch und nächtelang, auf die höchsten Gipfel der Erde und mehrfach um Berge herum, er geht durch Wüsten oder

1 „I am what I call a ‘walking artist’” sagt der 1946 in London geborene Hamish Fulton und fügt präzisierend hinzu: “I am an artist who walks, not a walker who makes art.” Vgl. Fulton, Hamish, “no walk, no work”, in: Walk on. From Richard Long to Janet Cardiff. 40 years of Art Walking, Manchester 2013, S. 68-73, hier S. 63, online unter https://issuu.com/stereographic/docs/walkon_for_issuu (08.02.2018). Siehe ebenfalls Fulton, Hamish, Walk Facts, in: Visual Studies, Vol 25, No 1, April 2010, nicht paginiert. 2 Fulton, Hamish, The Uncarved Block. Ten Short Walks in the Himalayas 1975-2009, Baden 2010, S. 149. Fulton nennt seine selbsternannten Regeln auch „Rules of the Way“. Vgl. Hamish Fulton im Interview mit Ben Tufnell, siehe Tufnell, Ben, „Specific places and particular events“. Hamish Fulton im Interview mit Ben Tufnell, in: Hamish Fulton. Walking Journey, Ausstellungskatalog Tate Britain, 14.03.-04.06.2002, London 2002, S. 106-111, hier S. 111. 3 Hamish Fulton im Interview mit Heinz Schütz, siehe Schütz, Heinz, Hamish Fulton. Ein Objekt kann nicht mit einer Erfahrung konkurrieren, in: Kunstforum International, 2017, Band 245, Kunst lernen? Akademien und Kunsthochschulen heute, S. 206-215, hier S. 208. 11 Schneelandschaften, er geht durch Wälder, über Wiesen oder innerhalb von Städten, er geht alleine, zu zweit oder mit hunderten Interessierten – und immer wieder geht er auf seinen Wanderungen bis an die Grenzen seiner physischen Kräfte. Obwohl Hamish Fulton selbst immer wieder betont, es sei nicht möglich, die Erfahrung des Gehens wiederzugeben,4 nutzt er seit Anfang an unterschiedlichste künstlerische Techniken und Materialien, welche seine direkte physische Interaktion mit Natur und Landschaft5 in Form von „Walk Works“6 reflektieren. Als gehender Künstler, als Walking Artist, begreift Hamish Fulton seine Wanderungen dabei als eigene Kunstform, die für sich selbst stehen kann: „Walking is an artform in its own right.“7 Das gilt im Umkehrschluss allerdings nicht für seine materiellen Kunstwerke, die ihrerseits ohne eine Wanderung nicht denkbar sind: ganz nach seinem Leitgedanken „No Walk, No Work“8 basieren alle seine künstlerischen Arbeiten auf der Erfahrung einer zuvor durchgeführten Wanderung. Unter diesen Werken finden sich so unterschiedliche Arbeiten wie Fotografien in Farbe und Schwarz-Weiß, überdimensionale, typografische Wandbilder, geometrisch angeordnete Holzarbeiten aus abgebrochenen Zollstockelementen oder sogar partizipative Geh-Angebote in der Gruppe, „Group Walks“, „Public Walks“ oder auch „Communal Walks“ genannt. Alle materiellen Kunstwerke enthalten

4 “It’s not possible to represent the experience of a walk, so what you have is something else.“ Hamish Fulton im Interview mit der Galerie Nara Roesler anlässlich seiner Ausstellung „Atacama-1234567“, 02.04.-01.06.2013, siehe Galerie Nara Roesler, roesler hotel #22 -- hamish fulton - ATACAMA 1234567 - curadoria/curated by alexia tala [YouTube-Video], 17.04.2013, https://www.youtube.com/watch?v=S03mjyCBHto, ab Min. 0:30 (13.11.2014). 5 Im Zuge der Jahrtausende währenden Kultivierung des Naturraums durch die Menschheit hat die Bedeutung der Begriffe „Natur“ und „Landschaft“ zahlreiche Verständniswandel durchlaufen. In der vorliegenden Arbeit werden unter „Natur“ ganz grundsätzlich jene Gebiete verstanden, die sich außerhalb des städtischen Raumes befinden. Darüber hinaus sind aber auch jene Orte gemeint, in denen Veränderung aufgrund natürlicher Prozesse erfolgt – Orte also, die vom Menschen weitestgehend „naturbelassen“ sind, keine Besiedlung aufweisen und grundsätzlich wenig bis keiner menschlichen Einflussnahme unterliegen. Siehe und vgl. hierzu auch Duden online, Natur, Bedeutung 1 und 2, o.J., https://www.duden.de/rechtschreibung/Natur (23.03.2018) sowie Theobald, Werner, Natur/Natürlich, in: Metzler Lexikon Ästhetik. Kunst, Medien, Design und Alltag, hrsg. von Achim Trebeß, Stuttgart/Weimar 2006, S. 275. Für eine ausführlichere Auseinandersetzung und Differenzierung des Naturbegriffs siehe Böhme, Hartmut, Natürlich/Natur, in: Ästhetische Grundbegriffe, Band 4 Medien – Populär, hrsg. von Karlheinz Barck et al., Stuttgart/Weimar 2002, S. 432-498. „Landschaft“ ist eher allgemein umschreibend gemeint und bezieht auch urbane „Landschaften“ mit ein. Zur Geschichte, Wandel und Differenzierung des Begriffes Landschaft siehe Küster, Hansjörg, Die Entdeckung der Landschaft. Einführung in eine neue Wissenschaft, München 2012; Anders, Kenneth, Landschaft, in: Metzler Lexikon Ästhetik, a.a.O., S. 231-233 sowie Duden online, Landschaft, Bedeutung 1, o.J., https://www.duden.de/rechtschreibung/Landschaft (23.03.2018). Für eine Vertiefung siehe Lobsien, Eckhard, Landschaft, in: Ästhetische Grundbegriffe, Band 3 Harmonie – Material, hrsg. von Karlheinz Barck et al., Stuttgart/Weimar 2001, S. 617-665. 6 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 23.03.2018. 7 Fulton, “no walk, no work”, a.a.O., S. 63. 8 Ebd., S. 61. 12 dabei einen sogenannten „Walk Text“, der das Werk schriftlich ergänzt.9 Ihm kommt bei der Vermittlung seiner vorausgegangenen Wanderungen eine elementare Funktion zu, denn darin gibt der Künstler Auskunft über die Anzahl gewanderter Tage oder zurückgelegter Kilometer sowie Art und Ort der Wanderung. Immer wieder ergänzt er diese Angaben um Formulierungen, welche seine persönlichen Eindrücke oder Gedanken während der Wanderung spiegeln.

Als „Inbegriff der geordneten Bewegung“ wird Zeit „durch Bewegung im Raum gemessen und Bewegung im Raum durch Zeit“ – daran scheint sich seit Aristoteles wenig verändert zu haben.10 Durch die sich in der Zeit vollziehenden Bewegung impliziert demnach allein der Akt des Gehens bei Fulton Zeitlichkeit. Doch allem Anschein nach lässt sich auch in seinen materiellen Kunstwerken Zeitlichkeit erkennen. In der Literatur stellte Peter Killer bereits 1975 dar, dass die Fotografien Hamish Fultons dazu dienen, „der in zeitlichen und räumlichen Dimensionen begriffenen Landschaftserfahrung Gestalt zu geben.“11 Die Kunstbetrachter12 könnten dadurch „das visualisierte Zeit-Raum-Gefüge gedanklich nachvollziehen.“13 Auch Hannelore Paflik-Huber formulierte 1997, dass die Kunstwerke Fultons „über den Dokumentationscharakter“ hinausgingen, da sie nicht nur „Erinnerungsspuren“ seiner Wanderungen darstellten, sondern als ein „Konzentrat der Zeiterlebnisse“ gälten, die er

9 „Since 1973 every piece of art I have materialized (things) contains a walk text.” Siehe Fulton, “no walk, no work”, a.a.O., S. 63. 10 Demandt, Alexander, Zeit. Eine Kulturgeschichte, Berlin 2015, S. 16. Die Gedanken Demandts gehen zurück auf Aristoteles und seine Untersuchungen zu Zeit, die er an der Wahrnehmung von Bewegung festmacht: „Allein auch die Zeit erkennen wir, wenn wir bestimmen die Bewegung dadurch, daß wir das Vor und Nach bestimmen.“ Siehe Aristoteles, Aristoteles‘ Physik. Vorlesung über Natur, hrsg. von Hans Günter Zekl, Band 1, Bücher I-IV, Hamburg 1987, hier Buch IV, Kap. 11, S. 209. Zum Thema Zeit bei Aristoteles siehe auch Aichelburg, Peter C., Zur Entwicklung des Zeitbegriffs: Aristoteles und der Zeitbegriff in der relativistischen Kosmologie, in: Time and History. Zeit und Geschichte. Proceedings of the 28. International Ludwig Wittgenstein Symposium, Kirchberg am Wechsel, Austria, 2005, hrsg. von Friedrich Stadler und Michael Stöltzner, Frankfurt a/M et al. 2006, 101– 113, hier S. 103. An dieser Stelle soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass das große Thema Zeit, das die Gemüter seit der Antike bewegt, hier nicht in seiner ganzen Fülle in den Blick genommen werden kann. Die Gedanken großer Philosophen und Denker zu diesem Thema finden in der vorliegenden Arbeit nur insofern ihren Niederschlag, als es für das Verständnis von Zeit in Hinblick auf Strukturen von Zeit in der Kunst von Hamish Fulton sinnvoll erscheint. Als Nicht-Philosophin erlaubt sich die Autorin, dafür mitunter auf Quellen zurückzugreifen, die das Thema bereits gebündelt darbieten. 11 Siehe Killer, Peter, Ausstellungsbesprechung Hamish Fulton im Kunstmuseum Basel, in: Du. Die Zeitschrift der Kultur, Band 35, Heft 10, Kunst in der Medizin, 1975, S. 14f. Die Ausstellung fand vom 27.September - 16. November 1975 im Kunstmuseum Basel statt. 12 Als „Kunstbetrachter“ sind in der vorliegenden Arbeit immer eine Gruppe Kunst betrachtender Menschen aller Geschlechter gemeint. Dasselbe gilt für Bezeichnungen wie „Rezipienten“, „Betrachter“ „Teilnehmer“ sowie für weitere Bezeichnungen, die im Zuge einer Interaktion mit Kunstwerken denkbar sind. Im Zusammenhang mit der Kunst Fultons bezieht das nicht nur die Betrachter seiner physischen Kunstwerke mit ein, sondern auch jene, die als Teilnehmer seiner „Public Walks“ ebenfalls als Betrachter dieser partizipatorischen Gehangebote zu verstehen sind. 13 Siehe Killer, Ausstellungsbesprechung Hamish Fulton im Kunstmuseum Basel, a.a.O., S. 14f. 13 währenddessen erfahren habe.14 Günter Metken wiederum schrieb 2000, dass es Fulton durch seine Kunst gelänge, „[…] die Zeit zu bändigen, den Zeitablauf zu domestizieren, dem eigenen Rhythmus anzupassen, um ihn anzuhalten, so dass man sich über das gerade durchmessene Zeitquantum klar wird.“15 Und auch der Künstler selbst scheint Zeit bewusst mitzudenken: „Time is like a flowing river. One way.”16 Nach dieser Aussage verläuft Zeit für Hamish Fulton – wie für die meisten Menschen – eindeutig linear.17 Darüber hinaus sagt Fulton: „Meine Arbeiten setzen sich über das Moment der Zeit nicht hinweg, nehmen auf meine Lebenszeit Bezug.“18 Doch woran genau erkennt man dieses Bändigen von Zeit und diesen Verweis auf Fultons Lebenszeit? Arnold van Gennep kam in seinem Buch „Rites de passage“ von 1909 zu dem Ergebnis, dass der Mensch ein tiefes, inneres Bedürfnis habe, seine Zeit durch klar strukturierte Einschnitte einzuteilen.19 Dieses Bedürfnis lässt sich auch in der Kunst Hamish Fultons wiederfinden. Betrachtet man die oben aufgeführten Formen seines Gehens, zeigt sich, dass Zeit nicht nur durch die Bewegung des Künstlers selbst in seine Kunst hineinspielt, sondern Zeit und zahlreiche zeitliche Elemente seine Wanderungen ergänzen, ihnen Struktur verleihen oder nicht zuletzt maßgeblich bestimmen. Grundsätzlich können, strenggenommen, alle Wanderungen Fultons als linear in der Zeit ablaufend verstanden werden. Erkennbar ist dies vor allem in seinen Wanderungen an Flüssen entlang oder von Küste zu Küste sowie allen Wanderungen, die von einem Punkt A zu einem Punkt B verlaufen. Immer wieder lassen sich jedoch Wanderungen ausmachen, die sich einer Linearität entgegenzustellen scheinen. So findet sich in seinen Fußmärschen, die er anhand von Sonnenwenden oder Vollmonden

14 Hannelore Paflik-Huber, Kunst und Zeit. Zeitmodelle in der Gegenwartskunst, München 1997, S. 253. 15 Günter Metken im Gespräch mit Heinz-Norbert Jocks, siehe Jocks, Heinz-Norbert (Hg.), Günter Metken, Die verlangsamte und die beschleunigte Zeit. Ein Gespräch, in: Kunstforum International, 2000, Band 150, Zeit Existenz Kunst, S. 89. 16 Hamish Fulton im Interview mit John K. Grande, in: Grande, John K., Art Nature Dialogues. Interviews with environmental artists, Albany 2004, S. 135. 17 Laut Rolf Kramer verstehen vor allem die Menschen des Abendlandes Zeit als linear, zudem „vom Ziel der Geschichte her eschatologisch“, schließlich sei „die christliche Vorstellung linear auf das endliche Ziel hin ausgerichtet. Siehe Kramer, Rolf, Phänomen Zeit. Versuch einer wissenschaftlichen und ethischen Bilanz, Schriften zur Förderung der Beziehungen zwischen Philosophie und Einzelwissenschaften, Band 84, Erfahrung und Denken, Berlin 2000, S. 28. Vgl. auch Grüsser, Otto-Joachim, Zeit und Gehirn, in: Die Zeit. Schriften der Carl Friedrich von Siemens Stiftung, hrsg. von Anton Peisl und Armin Mohler, Band 6, München/Wien 1983, S. 83. 18 Siehe BAWAG PSK Contemporary, Hamish Fulton. Placing One Foot In Front Of The Other, 28.09.2002- 02.02.2003, Ausstellungsbeschreibung, http://www.bawagfoundation.at/index.php?id=111&ausstellung=12 (09.03.2018). 19 Gennep, Arnold van, Les rites de passage. Übergangsriten, aus dem Französischen übersetzt von Klaus Schomberg und Sylva M. Schomberg-Scherff 1986, Frankfurt a/M 1909. Vgl. auch Heller, Hartmut, „Tempus fugit!“ Eingangsbemerkungen zum Tagungsthema, in: Gemessene Zeit – Gefühlte Zeit. Tendenzen der Beschleunigung, Verlangsamung und subjektiven Zeitempfindens, hrsg. von ders., Wien/Berlin 2006, S. 12. 14 ausrichtet, zirkuläre Zeit in Form kosmologischer Zyklen, die auch bei Wanderungen zu bestimmten Jahres- oder Tageszeiten auszumachen sind. Zirkulär verlaufende Zeit ist aber auch in Wanderungen enthalten, auf denen er einen Berg umrundet oder ganz grundsätzlich Rundwege beschreitet. Und anhand von Wanderungen, auf denen er einer bestimmten Route immer wieder folgt, lässt sich wiederum repetitive Zeit aufzeigen. Darüber hinaus finden sich weitere Hinweise, die sein Gehen mit zeitlich definierten Begrifflichkeiten verbindet: So kann das Durchschreiten eines ganzen Kontinents von Küste zu Küste auch als ein Akt des Vermessens verstanden werden, das im Zählen zurückgelegter Distanzen in Meilen bzw. Kilometern sichtbar wird. Das Zählen von Schritten, gewanderter Tage oder Wochen wiederum impliziert zudem den Zeitbegriff der Dauer,20 aber auch eine näher zu betrachtende Handhabung von Zahlen. In seinen tage- und nächtelangen Wanderungen ist Dauer und Ausdauer enthalten, hier lässt sich vor allem der durch körperliche Aktivität fast bis zum Äußersten ausgereizte und Spuren hinterlassende Verbrauch von Zeit und (Material- )Verschleiß ausmachen. Und nicht zuletzt ist das Gehen im Vergleich mit anderen Fortbewegungsmöglichkeiten wie Autofahren oder gar Fliegen ein in der Geschwindigkeit stark reduzierter Akt; erst recht, wenn Fulton gemeinsam mit anderen Menschen so langsam wie möglich geht.

Zusammenfassend lassen sich hinsichtlich seiner Wanderungen vier übergeordnete Kategorien von Zeit ausmachen: Kosmologische Zeit; Zahlen, zähl- und messbare Zeit; Ausdauer, Spuren der Zeit und Verschleiß sowie Geschwindigkeit des Gehens und, damit zusammenhängend, die Wahrnehmung von Zeit. Im Folgenden sollen diese vier zeitlichen Kategorien als Rahmen dienen, Strukturen von Zeit in ausgewählten Kunstwerken Hamish Fultons aufzuzeigen.

Das Oeuvre eines seit einem halben Jahrhundert gehenden Künstlers unter dem Gesichtspunkt der Zeit zu betrachten, erfordert eine etwas umfangreichere theoretische Vorbereitung. Daher soll zunächst so kurz wie möglich, aber so ausführlich wie nötig auf folgende drei Themen eingegangen werden: Wie wurde Zeit bislang in der Kunst thematisiert? Welche theoretischen Überlegungen lassen sich dazu in der Forschung finden? Ähnliches gilt für das Gehen als künstlerische Praxis: Anhand eines historischen Überblicks im Kontext von

20 Hier ist vor allem die Dauer als physikalisch messbare Einheit von Zeit gemeint, nicht der von Henri Bergson geprägte Begriff der „durée“, welcher sich eher auf die Dauer als wahrgenommene Zeitdehnung bezieht. Zur Wahrnehmung von Zeit vgl. v.a das Kapitel III. 4. Geschwindigkeit des Gehens und Wahrnehmung von Zeit. 15 Hamish Fultons künstlerischem Werdegang soll aufgezeigt werden, wie sich Gehen als künstlerischer Akt in der Kunst etablieren konnte und wie dies in der Kunstgeschichte bislang reflektiert wurde. Der Forschungsüberblick zu Hamish Fulton ermöglicht letztlich, ihn und seine Kunst im Spiegel der Kunstwissenschaft zu verorten.

2. Forschungsüberblick

2.1 Zur Auseinandersetzung mit Zeit in der Kunst Der Blick in die Kunstgeschichte zeigt, dass die Auseinandersetzung mit Zeit eine lange Tradition hat.21 In der Kunst der Antike wie des Abendlandes ließ sich dies in allen Gattungen anhand von Symbolen, Allegorien oder Personifizierungen festmachen. Beliebt waren vor allem der sowohl in die Zukunft, als auch in die Vergangenheit schauende, doppelköpfige Janus sowie die Darstellung von Chronos/Kronos und Kairos. Die Verbildlichung von Zeit als bärtiger Greis mit Flügeln geht auf die Verschmelzung der beiden eigentlich getrennten Gottheiten Chronos und Kronos zurück: Chronos gilt als der griechische Gott der Zeit, während Kronos (Saturn bei den Römern) als Vater des Zeus für die „Unabänderlichkeit und Unumkehrbarkeit der Ereignisse“ steht und oft als seine Kinder verschlingende männliche Figur dargestellt wurde.22 Die beiden Götter stehen auch für die im Griechischen übliche Unterscheidung zwischen der Zeitdauer (Chronos) und dem Zeitpunkt (Kairos). Chronos steht dabei für einen längeren Zeitabschnitt und die „physikalisch-kosmologische Zeit“, die auch als „objektive Zeit“ bezeichnet wird.23 Kairos wiederum steht für „die vom Menschen erfahrene, anthropologische Zeit“24, also die vom Menschen individuell wahrgenommene Zeit(spanne), die auch als der „günstige Augenblick“25 bezeichnet wird. In Kairos steckt also die „subjektive Zeit“, die eng mit der Psyche des Menschen zusammenhängt. Wie sich noch zeigen wird, sind Chronos und Kairos auch in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts von Relevanz und finden sich auch in der künstlerischen Praxis Hamish Fultons wieder.

21 Siehe dazu vor allem Pochat, Götz, Zeit/Los – zur Kunstgeschichte der Zeit, in: Zeit – Los. Zur Kunstgeschichte der Zeit, Ausstellungskatalog Kunsthalle Krems, 30.05.-03.10.1999, hrsg. von Carl Aigner et al., Köln 1999. 22 Battistini, Matilde/Impelluso, Lucia, Das große Bildlexikon der Symbole und Allegorien, Berlin 2012, S. 14. Vgl. auch Kramer, Phänomen Zeit, a.a.O., S. 18f. 23 Vgl. Schulz, Walter, Subjektivität im nachmetaphysischen Zeitalter, Pfullingen 1992, S. 41; auch Kramer, Phänomen Zeit, a.a.O., S. 19. 24 Ebd., S. 18, auch 55f. 25 Siehe Safranski, Rüdiger, Zeit. Was sie mit uns macht und was wir aus ihr machen, München 2015, S. 112. Siehe auch Assmann, Jan, Das Doppelgesicht der Zeit im altägyptischen Denken, in: Die Zeit. Schriften der Carl Friedrich von Siemens Stiftung, a.a.O., S. 195. 16 Eine weitere, bis in die zeitgenössische Kunst hinein verwendete Variante, auf die Zeit künstlerisch hinzuweisen, besteht in der symbolischen Darstellung der „Unbeständigkeit und Zerbrechlichkeit menschlichen Lebens“26, der Verbildlichung von dem der Zeit immanenten Aspekt der Vergänglichkeit allen Lebens und Seins – der Vanitas.27

Das Zeitalter der Moderne lässt sich häufig auch als „Geschichte der Beschleunigung“ lesen.28 So wundert es nicht, dass sich Zeit in der Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht mehr hinter Allegorien und Vanitas-Darstellungen verbirgt, sondern im Zuge der grundsätzlichen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Dynamiken mehr und mehr als bewusstes Mittel eingesetzt wurde, verschiedenste Formen von Zeit zum Ausdruck zu bringen: die Flüchtigkeit von Eindrücken und Stimmungen bei den Impressionisten und Pointillisten, Dynamiken der industriellen Revolution und ihrer zukünftigen Entwicklung bei den Futuristen, Gleichzeitigkeiten in der Ansicht in den Kunstwerken des Kubismus, ganz grundlegend in Form theoretischer Auseinandersetzungen, wie sie sich bei Wassily Kandinsy oder Paul Klee finden lassen und nicht zuletzt in Form des sich neu entwickelnden, künstlerisch verwendbarem Medium der Fotografie. Mit Fortschreiten des 20. Jahrhunderts und der Entwicklung völlig neuer, zeitbasierter Kunstformen,29 widmete sich somit auch die kunsthistorische Forschung vermehrt der Frage nach der Bedeutung von Zeit für die bildende Kunst.30

26 Battistini/Impelluso, Das große Bildlexikon, a.a.O., S. 66. 27 Vanitas-Darstellungen können moralisch konnotiert sein (im Sinne der Endlichkeit des Seins), aber auch in verschlüsselter Form politisch oder religiös; ihre Symbolik reicht von sanften Sinnbildern für das Vergehen des Lebens wie die Sanduhr, Abenddämmerung, einer verschleierten Sonne, Kerzen, Ähren oder fallendem Laub als Zeichen für den Herbst des Lebens bis hin zu eindeutigeren Allegorien des Todes wie Sense oder Sichel, die erloschene Kerze, Eis und Schnee oder Totenschädel. Aufgrund ihrer vielschichtigen Bedeutungsfülle entwickelten sich Vanitas-Darstellungen Anfang 17. Jh. sogar zu einem eigenen malerischen Genre. Siehe und vgl. auch Battistini/Impelluso, Das große Bildlexikon, a.a.O., S. 67 sowie 264. In der zeitgenössischen Kunst seien beispielsweise die Kerzenbilder Gerhard Richters genannt, aber auch Dmaien Hirst diamantenbestzter Totenschädel – die Liste ließe sich beträchtlich verlängern. 28 Brüderlin, Markus, Vorwort zu Die Kunst der Entschleunigung. Bewegung und Ruhe in der Kunst von Caspar David Friedrich bis Ai Weiwei, Ausstellungskatalog Kunstmuseum Wolfsburg, 12.11.2011-09.04.2012, Ostfildern 2011, S. 8. Zur Ausstellung siehe auch Berg, Ronald, Die Kunst der Entschleunigung. „Bewegung und Ruhe in der Kunst von Caspar David Friedrich bis Ai Weiwei“, Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg, 12.11.2011 – 9.4.2012, in: Kunstforum International, 2011, Band 213, Ironie, S.297. Zum Thema Entschleunigung vs. Zeitalter der Beschleunigung siehe Rosa, Hartmut, Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne, Frankfurt 2014. 29 Siehe hierzu Kapitel I. 2.2 Über das Gehen in der Kunst im Kontext von Hamish Fulton. 30 Siehe auch Rohsmann, Arnulf, Zeit in der Moderne, in: Zeit – Los (1999), a.a.O., S. 388. Eine ausführlichere Auflistung von Veröffentlichungen zum Thema Zeit in der Kunst seit Beginn des 20. Jahrhunderts findet sich bei Pochat, Zeit/Los (1999), a.a.O., S. 91, Fußnote 1. Für die vorliegende Arbeit waren vor allem folgende Publikationen von Relevanz: Jochimsen, Margarethe, Zeit. Ein Aspekt in der aktuellen Kunst, in: Magazin Kunst, Nr. 49, 1973, S. 51-70; Rohsmann, Arnulf, Manifestationsmöglichkeiten von Zeit in der bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts, Dissertation, Hildesheim 1984; Paflik, Hannelore, Das Phänomen Zeit in Kunst und Wissenschaft, Weinheim 1987; Paflik-Huber, Kunst und Zeit (1997), a.a.O.; Pochat, Götz, Bild – Zeit. Zeitgestalt und Erzählstruktur in der bildenden Kunst des 16. Jahrhunderts, Wien Köln Weimar 2015; Boehm, Gottfried, Die 17 Als eine der ersten hat Margarethe Jochimsen 1973 untersucht, welche Arten von Zeit sich grundsätzlich in der Kunst des 20. Jahrhunderts finden lassen.31 Ausgehend von einem kurzen historischen Überblick zeigt sie nicht nur auf, wie sich Zeit in der Kunst von einer Form der Anschauung zu einer Form der Anwendung hin entwickelte, sondern auch, welche unterschiedlichen Zeitformen dabei sowohl für die Künstler als auch die Kunstbetrachter erlebbar wurden. 1984 setzte sich Arnulf Rohsmann in seiner Dissertation mit der Frage auseinander, auf welchen unterschiedlichen Ebenen eines Kunstwerkes sich Zeit in all ihrer kunstspezifischen Begrifflichkeit manifestieren könne.32 Dabei bezog er sich nicht nur darauf, wie Zeit innerhalb des Kunstwerks selbst zur Geltung kommt, also auf der von ihm definierten „Werkebene“33, sondern untersuchte auch die Zeitlichkeit des Produktionsprozesses im Vorfeld auf der „Produktionsebene“34, sowie die Wahrnehmungszeit der Betrachter auf der „Rezeptionsebene“ eines Kunstwerkes.35 Umberto Eco wiederum unterscheidet 1985 zwischen einer „Zeit des Ausdrucks“ und einer „Zeit des Inhaltes“36 – bei ersterem kommt vor allem das Moment der Bewegung des Kunstwerkes selbst wie auch der Betrachter zum Tragen, bei zweiterem die Rezeption von „erzählter Zeit“37 und „Erzählzeit“38 eines Kunstwerks.

Sichtbarkeit der Zeit. Studien zum Bild der Moderne, herausgegeben von Ralph Ubl, Paderborn 2017, S. 273-288. Darüber hinaus folgende Ausstellungskataloge: Zeit. Die vierte Dimension in der Kunst, Ausstellungskatalog Kunsthalle Mannheim et al., 11.07.-01.09.1985, hrsg. von Michel Baudson, Weinheim 1985; Zeit – Los. Zur Kunstgeschichte der Zeit, a.a.O.; Die Kunst der Entschleunigung. Bewegung und Ruhe in der Kunst von Caspar David Friedrich bis Ai Weiwei, Ausstellungskatalog Kunstmuseum Wolfsburg, 12.11.2011-09.04.2012, hrsg. von Markus Brüderlin, Ostfildern 2011 und nicht zuletzt die Bände 150 und 151 des Kunstforum International, siehe Jocks, Zeit Existenz Kunst, a.a.O. sowie Drühl, Sven (Hg.), Dauer, Simultaneität, Echtzeit, Kunstforum International, Band 151, Ruppichteroth 2000. 31 Jochimsen, Zeit (1973), a.a.O., S. 51-70. Siehe auch dies., Zeit zwischen Entgrenzung und Begrenzung der bildenden Kunst heute, in: Zeit. Die vierte Dimension in der Kunst, a.a.O., S. 219-240. 32 Rohsmann, Manifestationsmöglichkeiten von Zeit, a.a.O. 33 Ebd., hier vor allem ab S. 82. 34 Ebd., ab S. 42. 35 Dass sich bei der Komplexität dieses Themas Überschneidungen der einzelnen Ebenen ergeben, zeigt sich bereits bei Rohsmann, als er im Zusammenhang mit der Werkgenese direkt Indices beschreibt, die – auf der Werkebene! – Aufschlus auf die Produktionszeit geben. Siehe ebd., S. 43. Nachfolgend soll versucht werden, die Ebenen deutlicher voneinander abzugrenzen, bzw. Überschneidungen dieser Art eindeutiger kenntlich zu machen. 36 Eco, Umberto, Die Zeit der Kunst, in: Zeit. Die vierte Dimension in der Kunst, a.a.O., S. 72-83. 37 Ebd., S. 78. 38 Ebd., S. 79. 18 Im selben Jahr und derselben Publikation ist Jean-François Lyotard der Meinung, das „kindliche Prinzip“39 einer Unterscheidung zwischen verschiedenen Zeiten wie beispielsweise der Zeit der „Herstellung“, der Zeit des „diegetischen Bezugs“ oder generell der „Existenzzeit“ eines Kunstwerkes ermögliche die Abgrenzung verschiedener „Zeitorte“, um Zeitlichkeit in der Kunst zu bestimmen.40 Damit erweitert er, ähnlich wie Rohsmann, die Möglichkeiten, Zeit in der Kunst als etwas anzusehen, das außerhalb der Werkebene zum Ausdruck kommt. Hannelore Paflik-Huber stellte sich 1997 der Thematik anhand von Begriffen wie Zeitmessung und Zeitrechnung, natürlicher Zeitabläufe, Gleichzeitigkeit, Lebenszeit, historischer Zeit und erlebter Zeit.41 Diese Begriffe werden für die Betrachter anhand künstlerischer Modelle sichtbar – Hamish Fulton wird von ihr beispielsweise im Zusammenhang mit dem Modell erlebter Zeit besprochen.42

Götz Pochat schließlich fasst 2015 in der Einleitung zu seiner umfangreichen Publikation „Bild – Zeit“ die „Theorien zum Phänomen Zeit in der Kunst und im Kunstschaffen“ zusammen.43 Dabei unterscheidet er zwischen „Erlebniszeit“, „Zeit als Ausdrucksqualität“ und dem „ästhetischen Nachvollzug“ zeitlicher Strukturen. Nicht zuletzt spielt auch Gottfried Boehm im Zusammenhang mit Zeit und Kunst eine wichtige Rolle. Für Boehm war Zeit schon 1987 „die Grundkategorie der Malerei“44. Bis heute ist Zeit im Bild für ihn ein „integrales momentum“, „Motor und Thema ikonischer Artikulationen“;45 überhaupt entfalte sich der Sinn und Gehalt eines Bildes erst in der Zeit,46 vor allem „im Wechselspiel mit der Wahrnehmung“47 auf Seiten der Betrachter. Wie sich zeigt, ist die Frage nach der Zeit in der Kunst unweigerlich mit der Frage nach dem Zeitbegriff eines Kunstwerkes selbst verbunden. Ganz grundsätzlich könnte man hier wohl von

39 Siehe und vgl. Lyotard, Jean-François, Der Augenblick, Newman, in: Zeit. Die vierte Dimension in der Kunst, a.a.O., S. 99. 40 Siehe und vgl. ebd. 41 Paflik-Huber, Kunst und Zeit (1997), a.a.O. Die Herausarbeitung ihres Begriffs findet sich ab S. 31. 42 Interessanterweise diskutiert sie ihn so, als würde er nur mit Text unterlegte Fotografien als Referenzwerke seiner Wanderungen produzieren, obwohl Fulton schon damals auch rein typografische Werke sowie Malereien, Zeichnungen und Holzobjekte angefertigt hatte und sein breit gefächtertes Oeuvre bereits Anfang der 1990er Jahre in verschiedenen Ausstellungen und Begleitpublikationen gezeigt wurde. Siehe hierzu beispielsweise Hamish Fulton, Ausstellungskatalog Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, 05.04.-17.05.1992, Baden-Baden 1992 oder Thirty One Horizons. Einunddreissig Horizonte. Hamish Fulton, Ausstellungskatalog Lenbachhaus München, 09.09.-05.11.1992, München 1995. 43 Pochat, Bild – Zeit (2015), a.a.O., S. 7. 44 Boehm, Gottfried, Bild und Zeit, in: Paflik, Das Phänomen Zeit (1987), S. 3. 45 Boehm, Die Sichtbarkeit der Zeit (2017), a.a.O., S. 274. 46 Ebd., S. 275. 47 Ebd., S. 273. 19 der „Existenzzeit“48 eines Kunstwerkes sprechen, die mit einer Idee beginnt, in der „Herstellungszeit“49 ihre Umsetzung und Materialisierung erfährt und dabei vor allem die Lebenszeit des Künstlers beansprucht. Darüber hinaus durchlebt ein Kunstwerk nach seiner Materialisierung eine gewisse „Umlaufzeit“50, Präsentationszeit bzw. Aufführungszeit (bei performativen Arbeiten), Dokumentationszeit und Rezeptionszeit, die vor allem die Zeit der Kunstbetrachter (bei performativen Werken einmal mehr die Zeit des Künstlers) integriert. Sowohl Künstler als auch Kunstbetrachter können bei performativen Werken, die wiederum ihre ganz eigene Zeitlichkeit aufweisen, auch noch als Aufführende und/oder Teilnehmer involviert werden, was die Aufführungs- und Rezeptionszeit um eine Zeit der aktiven Körperlichkeit erweitert.51 Und nicht zuletzt wird das Kunstwerk vermutlich eines Tages, je nach Möglichkeiten auf Seiten der Konservatoren und Restauratoren, seiner „Abnutzungszeit“52 erliegen. Doch damit ist die Rezeptionszeit des Kunstwerkes noch lange nicht vorbei: solange Material vorhanden ist, anhand dessen die Kunstbetrachter innerhalb ihrer Lebenszeit wiederum das Kunstwerk weiterhin ästhetisch oder wissenschaftlich erfahren können, „lebt“ das Kunstwerk weiter.53 Es lässt sich also festhalten, dass Zeit, wie von Boehm postuliert, ganz grundsätzlich Teil eines Kunstwerks zu sein scheint und dabei auf unterschiedliche Art und Weise zum Ausdruck kommt – aber vor allem über die Grenzen des Kunstwerkes hinaus: - Zeit auf der vorwerklichen Ebene, einer Art Vorbereitungs- oder Produktionsebene, die vor allem die Lebenszeit des Künstlers involviert

48 Lyotard, Der Augenblick, a.a.O., S. 99. 49 Ebd. 50 Lyotard meint hier die Zeit, die ein Kunstwerk benötigt, „vom Augenblick seiner ‚Entstehung‘ an zum Betrachter zu gelangen.“ Ebd. Angesichts der Tatsache, dass Kunstwerke meist nicht nur einen Besitzer und somit zahlreiche Betrachter haben, müsste man die Umlaufzeit entweder in mehrere Transportzeiten einteilen oder gleich mit der Existenzzeit des Kunstwerkes verbinden, da jeder Transport ein Risko für die Lebenszeit eines Kunstwerkes darstellen muss und somit verkürzen würde. Der Begriff der „Umlaufzeit“ ist dabei nicht zu verwechseln mit Umberto Ecos Verständnis von Umlaufzeit: Er meint die Zeit, welche die Betrachter benötigen, um ein Kunstwerk herumzulaufen, um es eingehend von allen Seiten betrachten zu können, siehe Eco, Die Zeit der Kunst, a.a.O., S. 75. Diese Umlaufzeit bezieht sich wiederum auf die Rezeptionszeit auf der Rezeptionsebene von Kunstwerken. 51 Hier sei auch auf den bei Hilarion Petzold beschriebenen Begriff der „Leibzeit“ hingewiesen: „Das Organ, das die Zeit erlebt, ist mein Leib – Leibzeit. Das ist die relevante, ja die einzig mögliche Zeit. Zeit, die mein Leib nicht hat, sondern die mein Leib ist – Zeitleib.“ Hilarion Petzold, Leibzeit, in: Die Wiederkehr des Körpers, hrsg. von Dietmar Kamper und Christoph Wulf, Frankfurt a/M 1982, S. 68. Auch zitiert bei Fischer, Ralph, Walking Artists, Über die Entdeckung des Gehens in den performativen Künsten, Dissertation, Bielefeld 2011, S. 15. 52 Eco, Die Zeit der Kunst, a.a.O., S. 74. 53 Es lebt auch abgespeichert in der Erinnerung an das Seh-Erlebnis in den Rezipienten weiter und verstärkt sich zudem, wenn sie als Teilnehmer involviert waren. Siehe dazu v.a. Kapitel III. 4. Geschwindigkeit des Gehens und Wahrnehmung von Zeit. 20 - Zeit auf der Werkebene, die als Metapher, Allegorie, integrales momentum, erzählte/dargestellte/inszenierte Zeit, als mobiles Bewegungselement des Kunstwerks selbst in Erscheinung treten kann oder aber durch das gewählte Medium, das Bewegung bzw. Veränderung beinhaltet (Film, flüchtige Elemente wie Rauch, Wasser, organisches Material etc.), augenfällig wird. Hierzu lassen sich auch performative Kunstwerke zählen. All das spielt sich vor allem im Zusammenhang mit der Lebenszeit des Kunstwerks ab, kann jedoch auch die Zeit des Künstlers betreffen, wenn er das Werk in Form einer performativen Arbeit in actu realisiert - Zeit im Zusammenhang mit der Rezeption eines Kunstwerkes, das vor allem die Betrachter oder Teilnehmer in das Thema mit einbezieht. Hier wird vor allem die Lebenszeit der Kunstbetrachter angesprochen, kann aber auch die der aufführenden Künstler betreffen, sofern sie performativ beteiligt sind Welche Zeitlichkeiten und welche Ebenen lassen sich nun bei Hamish Fulton ausmachen? Grundsätzlich könnte man im Sinne Rohsmanns auch bei Fulton drei Ebenen entdecken, die es ermöglichen würden, das Thema Zeit in seiner Kunst zu untersuchen: Produktionsebene, Werkebene und Rezeptionsebene. In Hinblick auf die vielfältigen Entwicklungsschritte innerhalb der Werkgenese in der Kunst von Fulton – begonnen bei der präzisen Planung einer Wanderung, ihrer Umsetzung mittels der tatsächlich gegangenen Schritte bis über die Materialisierung eines Kunstwerkes oder Realisierung eines Group Walks hinaus – zeigt sich jedoch, dass die drei von Rohsmann angebrachten Ebenen nicht ausreichen, Zeit und Zeitlichkeit in Fultons Kunst vollständig zu erfassen. Für die vorliegende Arbeit soll jedoch keine neue Theorie entworfen werden, wie sich Zeit grundsätzlich im Zusammenhang mit Kunstwerken der Gegenwart äußert. Stattdessen soll mit dem Fokus darauf, ob und wie sich insbesondere zeitliche Strukturen, die bereits Hamish Fultons Wanderungen bestimmen, vor allem auf der Werkebene seiner materiellen Kunstwerke erkennen lassen. Da in diesem Zusammenhang sowohl die zugrundeliegenden Wanderungen als auch die Rolle von Betrachtern und Teilnehmern seiner Public Walks in Blick genommen werden, wird sich auch zeigen, welche Bereiche oder Ebenen über die oben genannten hinaus geeignet sein könnten, als Indikator für Zeit zu fungieren. Wie Gottfried Boehm versteht auch Hannelore Paflik-Huber das Thema Zeit in der Kunst als „etwas völlig Selbstverständliches“, das darüber hinaus mit einem „hohen Grad an Sinnlichkeit

21 und Ästhetik wahrgenommen und erlebt“ werden könne.54 „Was Zeit in einem absoluten Sinne sei, können wir nicht denken, nicht sagen und nicht darstellen. Was wir tun können, ist, innerhalb eines bestimmten Bezugsrahmens sagen, wie Zeit erfaßt ist, und auf die Kunstwerke bezogen, wie Zeit veranschaulicht wird.“55 Die Kunstwerke Hamish Fultons können zwar nicht seine individuelle Erfahrung in ihrer Ganzheit repräsentieren. Als eine materialisierte Transformation der zuvor erfolgten Wanderung können sie jedoch als Referenzarbeiten bezeichnet werden, welche den Kunstbetrachtern „Zeichen und Hinweise“56 auf seine gemachten Erfahrungen während des Gehens geben – und von diesen wiederum mithilfe des eigenen Erfahrungsschatzes im Zusammenhang mit Gehen, Spazieren oder Wandern nachvollzogen werden können.57 In Anlehnung an Paflik-Huber sollen die Kunstwerke Hamish Fultons daher als „visuelle Modelle von Zeit“ verstanden werden, die „bestimmte semantische Zusammenhänge von Zeit anschaulich und sinnlich wahrnehmbar explizieren[…]“58. Die vorliegende Arbeit geht im Folgenden von der These aus, dass die aus den vorausgegangenen Wanderungen resultierenden materiellen Kunstwerke Hamish Fultons einen für die Kunstbetrachter deutlich erkennbaren, „ästhetische[n] Nachvollzug der Zeitstruktur“59 ermöglichen.

54 Siehe Paflik-Huber, Kunst und Zeit (1997), a.a.O., S. 10. 55 Ebd., S. 16. Es scheint, als beziehe Paflik-Huber sich hier auf das berühmte Zitat Augustinus‘, das in allen Publikationen zum Thema Zeit zu finden ist und daher auch in dieser Arbeit nicht fehlen soll: „Was also ist die Zeit? Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich es; wenn ich es jemandem auf seine Frage hin erklären will, weiß ich es nicht.“ Übersetzung nach Flasch, Kurt, Was ist Zeit? Augustinus von Hippo. Das XI. Buch der Confessiones. Historisch-philosophische Studie, 2. Aufl., Frankfurt a/M 2004, S. 251. 56 In seinem Aufsatz „Image after the fact“ bezeichnet John Haldane Fultons Kunstwerke als „signs or pointers“, also Zeichen oder Hinweise. Siehe Haldane, John, Images after the fact, in: Modern Painters, Vol. 11, No. 3, Autumn 1998, S. 92-95, hier S. 94. 57 Der Begriff „Referenzarbeiten“ ist eine von der Autorin eingeführte Bezeichnung für die materiellen Kunstwerke Hamish Fultons. „Referenz“ ist dabei im Sinne der Übersetzung des lateinischen Wortes „referre“ für „sich auf etwas beziehen“, „berichten, überliefern“ gemeint, siehe und vgl. Navigium, Latein-Wörterbuch online, referre, Bedeutung II. und V., https://www.navigium.de/latein-woerterbuch.php?form=referre (07.03.2018). Im Folgenden wird der Begriff „Referenzarbeit“ synonym zu bereits tradierten Begriffen wie „Kunstwerk“, „Arbeit“ oder auch dem von Fulton selbst geprägten Begriff „Walk Work“ verwendet. 58 Vgl. Paflik-Huber, Kunst und Zeit (1997), a.a.O., S. 10. 59 Pochat, Bild – Zeit (2015), a.a.O., S. 7ff. 22 2.2 Über das Gehen in der Kunst im Kontext Hamish Fultons

2.2.1 Künstlerische Umbrüche im Zuge der 1960er Jahre, Land Art und die Wiederentdeckung des Gehens Die Durchquerung des Vereinigten Königreichs 1973 war nicht Fultons erste künstlerische Wanderung, dafür aber seine bis dahin intensivste Fortsetzung einiger experimenteller Ausflüge mit künstlerischem Anspruch, die er bereits während seiner Studienzeit an der St. Martin‘s School of Art in London zusammen mit Kommilitonen umgesetzt hatte.60 „Between 1967 and 1973 I made several short walks, but only a handful of these could be identified as having what I would now call a simple and direct plan.“61 Dass Fulton im Anschluss an Kunst- Gänge62 dieser Art ausgerechnet das Gehen zur Grundlage seiner künstlerischen Praxis auserkor, lag vor allem an der Zeit künstlerischer Umbrüche Mitte des 20. Jahrhunderts – ein Prozess, der laut Erika Fischer-Lichte auch als „performative Wende“ bezeichnet werden könnte.63 Fultons Studienzeit in den späten 1960er und frühen 1970er-Jahren war geprägt von einer allgemeinen, intensiven Suche nach und Hinwendung zu alternativen Möglichkeiten, Kunst zu definieren und auszuüben.64 Diese Art der „Ausweitung der Kunstzone“65 stand ganz „im Kontext der radikalen Selbstreflexion der Künste“66, infolgedessen Künstler überall auf der Welt begannen, Werke zu schaffen, die nicht vornehmlich für Museen oder Kunstgalerien

60 1967 beispielsweise wurde die Idee umgesetzt, von der Kunstschule inmitten Londons bis an die Peripherie der Stadt zu laufen: „Wir durchquerten also das Menschen- und Verkehrsgewühl der Londoner City und landeten viele Stunden später auf einer leeren, grünen Wiese.“ Hamish Fulton in: Walking Art - eine Einführung, Kulturjournal, 30.11.2016, ö1Radio, http://oe1.orf.at/artikel/458012 (08.12.2016). Diese Erfahrung verarbeitete Fulton später in seiner fototypografischen Arbeit London 2 February 1967 (vgl. Kapitel III. 2.3.3 Swifts and Lizards, 2017). 61 Hamish Fulton in: Westley, Hester/Le Grice, Malcolm/Kardia, Peter, From Floor to Sky. The Experience of the Art School Studio, London 2010, S. 73. 62 Giersch, Ulrich, Der gemessene Schritt als Sinn des Körpers: Gehkünste und Kunstgänge, in: Kamper, Dietmar; Wulf, Christoph (Hg.), Das Schwinden der Sinne, Frankfurt a/M 1984; auch bei Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 16. 63 Fischer-Lichte, Erika, Ästhetik des Performativen, Frankfurt a/M 2004, S. 29. Zitiert auch in: Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 24. 64 Eine besondere Rolle für die Herausbildung einer für Fulton spezifischen Kunstpraxis ist dabei seinem Lehrer Peter Kardia (damals bekannt als Peter Atkins) zuzuschreiben, wie es auch Fulton immer wieder selbst betont, vgl. z.B. Hamish Fulton im Interview mit Esperanza Collado anlässlich seiner Ausstellung „Walking On and Off the Path” in der Fundación Cerezales Antonino y Cinia in León, 09.04.-23.07.2017, siehe Collado, Esperanza, Hamish Fulton: Walking On and Off the Path, 08.04.2017, http://www.editorialconcreta.org/Hamish-Fulton-Walking-On- and-Off-355 (06.02.2018). Zur Rolle Kardias siehe vor allem Westley, Hester/Le Grice, Malcolm/Kardia, Peter, From Floor to Sky. The Experience of the Art School Studio, London 2010. 65 Vgl. Fischer-Lichte, Erika/Hasselmann, Kristiane/Rautzenberg, Markus (Hg.), Ausweitung der Kunstzone. Interart Studies. Neue Perspektiven der Kunstwissenschaften, Bielefeld 2010. 66 Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 20. 23 gedacht waren: „Art was beginning to leave the studio.“67 Künstler wie Robert Smithson oder Michael Heizer verlagerten ihre Ateliers wortwörtlich in den freien Landschaftsraum hinaus und ließen Kunstwerke in und aus der Natur heraus entstehen, welche die natürliche Umgebung sichtbar und häufig massiv veränderten. Vor allem Arbeiten wie Heizers Double Negative (1969), Smithsons Spiral Jetty (1970) oder James Turrells Roden Crater (1974- andauernd)68 prägten den Begriff und das Verständnis von „Land Art“, die schnell zu einer wichtigen künstlerischen Strömung wurde.69 Andere Künstler begannen in diesem Zusammenhang, den klassischen Begriff der Skulptur in Form performativer Handlungen „into real space and time“70 zu erweitern und stellten Kunst sogar ganz grundlegend dahingehend infrage, ob und wenn ja, in welcher Form man Kunst und Skulpturen machen könne, ohne zwangsläufig ein Objekt oder einen Gegenstand zu produzieren.71 Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, lag in der Rückbesinnung auf jene ursprünglichen Bewegungen und Fähigkeiten des eigenen Körpers, „die ihren Sinn, d.h. die Erfahrung der eigenen körperlichen Präsenz, sozusagen schon in sich trugen“72 – das Gehen. Neu erfunden wurde diese Art Auseinandersetzung mit dem Körper allerdings nicht: Gehen als bewusster Akt hat eine lange Geschichte, seine ästhetischen und konzeptionellen Wurzeln reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück und zeugen von einer Praxis, die von berühmten „Pedestrians“ wie Captain Robert

67 Hunt, Jeremy, Hamish Fulton – Atacama 1234567. galeria nara roesler, São Paulo, Brasil, AAAJ Press, 03.04.2013, https://aajpress.wordpress.com/2013/04/03/hamish-fulton-atacama-1234567-galeria-nara- roesler-sao-paulo-brasil/ (13.12.2016). Ralph Fischer spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem „Exodus der Künste aus den konventionellen Institutionen“. Siehe Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 25. 68 Über den Stand der Entwicklung und die Geschichte des Kraters kann man sich auf James Turell’s Homepage rodencrater.com informieren, siehe Roden Crater, About, o.J., http://rodencrater.com/about/ (12.07.2017). 69 Die Kunst der „Land Art“ fand auch in Bezeichnungen wie „Outdoor Sculpture“, „Earth Works“ oder „Earth Art“ Entsprechung. Vgl. Weilacher, Udo, Zwischen Landschaftsarchitektur und Land Art, Basel 1999, S. 11-14. 70 Vgl. Lewallen, Constance, Hamish Fulton / MATRIX 51, May 1, 1982 - June 30, 1982, University of California, Berkely Art Museum, Pacific Film Archive (Bampfa), o.J., http://archive.bampfa.berkeley.edu/exhibition/51 (30.06.2017). 71 Turner Contemporary, Hamish Fulton: Walk, 17.01.-07.05.2012, online unter https://www.turnercontemporary.org/media/documents/Hamish-Fulton-background-resource.pdf, (26.11.2014). Zu diesem Thema siehe auch Bianchi, Paolo (Hg.), Kunst ohne Werk. Die Transformation der Kunst vom Werkhaften zum Performativen, in: Kunstforum International, 2000, Band 152, Kunst ohne Werk, S. 54-56. 72 Giersch, Der gemessene Schritt, a.a.O., S. 270. 24 Barclay73 über den Flaneur74 bis hin zu Spaziergangswissenschaftlern wie Lucius Burckhardt führt.75

Die Wiederentdeckung des Gehens als Kunstform kann vor allem „als Entwurf einer ästhetischen Gegenkultur“ verstanden werden, die „im Zuge der radikalen technologischen Umstrukturierungsprozesse im Zeitalter der Moderne und Postmoderne“ Eingang in das Leben und Denken der Menschen gefunden hat.76 Gehen als Möglichkeit ästhetischer Reflexion lässt sich somit vor allem als Überdruss an der „Geschwindigkeitsmaschinerie“77 lesen. Im Zuge dieser „Sehnsucht nach Entschleunigung“ wurden die langsamen Bewegungen des Körpers nicht mehr als „motorisches Defizit, sondern als Qualität von revolutionärer Dimension“78 angesehen. Zu den Künstlern, die in dieser Zeit das Gehen für sich (wieder) entdeckten, gehörte auch Hamish Fulton. Zusammen mit seinem Kommilitonen Richard Long begann er noch während des Studiums, ausgedehnte Streifzüge durch die Natur zu unternehmen und sie fotografisch festzuhalten.79 Bei diesen Bildern stand jedoch nicht wie

73 Captain Robert Barclay Allardice (1779-1854) gilt als einer der berühmtesten „Pedestrians“ in der Geschichte Großbritanniens sowie aller Gehender und professioneller Spaziergänger. Sein berühmtestes Geh-Stück bestand darin, innerhalb von 1000 aufeinanderfolgenden Stunden je eine Meile gehend zurückzulegen. Während dieser sechs Wochen dauernden Herausforderung hatte er vor allem mit steigender Müdigkeit durch den steigenden Schlafentzug zu kämpfen, die seine körperliche Leistungsfähigkeit dementsprechend einschränkte: Seine erste Meile ging er innerhalb von 12 Minuten, für die tausendste Meile eintausend Stunden später brauchte er 22 Minuten. Siehe Nicholson, Geoff, The Lost Art of Walking. The History, Science, Philosophy, Literature, Theory and Practice of Pedestrianism, Chelmsford 2010, S. 99-105; auch Radford, Peter, Newmarket's greatest stayer, in: The Guardian online, 23.8.2001, https://www.theguardian.com/books/2001/aug/23/highereducation.extract (05.03.2018). 74 Über den Flaneur hat vor allem Walter Benjamin nachgedacht. Siehe hierzu v.a. Benjamin, Walter, Das Passagen-Werk, hrsg. von Rolf Tiedemann, 2 Bände, Frankfurt a/M 1983. Eine spannende Auswahl von Gedanken Benjamins u.a. zum urbanen Flaneur des 19. Jahrhunderts hat Joachim Otte getroffen, siehe Benjamin, Walter, Passagen, Kristalle. Die Axt der Vernunft und des Satans liebster Trick, ausgewühlt [sic] von Joachim Otte, Hamburg 2001. 75 Vgl. Meyer, Andreas, Wissenschaft vom Gehen. Die Erforschung der Bewegung im 19. Jahrhundert, Frankfurt a/M 2013 sowie Helfer, Johanna, Essay on walking, Cargo Collective, 12/2008, http://cargocollective.com/joannahelfer/essay-on-walking (10.07.2017). Zur von Lucius Burckhardt entwickelten Spaziergangswissenschaft siehe v.a. Burckhardt, Lucius, Warum ist Landschaft schön? Die Spaziergangswissenschaft, Berlin 2006. 76 Siehe Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 21 sowie Brüderlin, Die Kunst der Entschleunigung, a.a.O., S. 8 sowie Rosa, Beschleunigung, a.a.O. 77 Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 34. 78 Ebd. 79 Vgl. Lewallen, Hamish Fulton, a.a.O. Zwischen 1972 und 1990 zählt Hamish Fulton insgesamt 11 große Wanderungen zusammen mit Richard Long, allesamt „walks of a lifetime“, wie Fulton 2002 im Interview mit Ben Tufnell erzählte: "All eleven walks I made with Richard Long were the walks of a lifetime. Sometimes I saw what he made at the time and sometimes I didn’t. I don’t remember having any difficulties with the sculptures he made. Our first trip was in 1972 and our last in 1990. Since 1990 my feelings about public sculpture and ‘art in the landscape’ have developed. For instance, in the gallery I’d rather see artworks made of plastic than materials taken directly from the landscape.” Hamish Fulton im Interview mit Ben Tufnell, a.a.O., S. 109. 25 üblich die Fotografie als Dokumentationsmittel im Vordergrund,80 sondern vielmehr der künstlerische Prozess im Vorfeld: das Gehen selbst als „autonome[…] künstlerisch- performative[…] Handlung“81 sowie die im Kontext der Bewegung gemachten Erfahrungen in der Natur. Gehen als künstlerische Auseinandersetzung mit Natur und Landschaft dient seitdem als „einfache Methode zur Erforschung der Korrelation zwischen Körper, Zeit und Raum, zur Erkundung multipler topographischer Systeme (Wüsten, Steppen, Gebirge, etc.), sowie zum Markieren der eigenen physischen Präsenz in der Landschaft: Dem Setzen von Fußabdrücken im Untergrund.“82 Diese Praxis wird zuvorderst mit der Kunst der „Land Art“ in Verbindung gebracht. Gerade hier zeigt sich aber, wie dehnungsfähig der Begriff „Land Art“ tatsächlich ist, denn nicht immer musste darunter verstandene Kunst von gigantischen Ausmaßen und langer Lebensdauer sein. Werke der „Land Art“ konnten im Gegenteil auch „asketisch-verhalten“ sein, wenn sie beispielsweise lediglich „als Dokument meditierender Wahrnehmung einer zivilisationsfernen Landschaft durch das Photo“ existieren, wie bei Hamish Fulton und Richard Long.83 Allerdings offenbart sich hier auch der grundlegende Unterschied zwischen der Kunst Hamish Fultons und Richard Longs. Bei Long ist dieses Markieren seiner körperlichen Präsenz durchaus wörtlich zu verstehen, da seine sich wiederholenden Schritte bewusst lang sichtbare Spuren hinterlassen.84 Auch seine Steinkreise sowohl in der Natur als auch in Ausstellungsräumen zeugen durch das Entfernen einer größeren Anzahl von Erde und Gestein von einem längerfristigen Einfluss auf die natürliche Umgebung.85

Auch Fulton arbeitete zu Beginn seiner künstlerischen Wanderpraxis mit Materialien aus der Natur, die er im Verlauf seiner Wanderungen fand und zu diversen Arrangements neu

80 Hier ist vor allem Fotografie als „notwendige Technik zur Dokumentation vergänglicher Schöpfungen“ gemeint, siehe Weilacher, Zwischen Landschaftsarchitektur und Land Art, a.a.O., S. 23. 81 Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 18. 82 Ebd., S. 19. 83 Siehe Olbrich, Harald (Hg.), Land Art, in: Lexikon der Kunst, Leipzig 1992, S. 211. Siehe auch Paglia, Camille, Glittering images. A Journey Through Art from Egypt to Star Wars, New York 2012, S. 168: „Land art could be delicate and ephemeral, like Robert Morris’s Steam Cloud, a puff of vapor vanishing in thin air, or Andy Goldsworthy’s exquisite melting ice sculpture in the forests and woodlands of Scotland.” 84 Am deutlichsten und eindrücklichsten wohl in seiner Arbeit A Line Made By Walking (1967). Siehe auch Kapitel III. 2.3.3 Swifts and Lizards, 2017. 85 Laut Frederick Gore steht Long damit für die „Übertragung der Skulptur in die Landschaft und die Absorption von Landschaft in die Skulptur und bewegt sich […] sowohl im Bereich der Konzeptkunst als auch in dem der Performance.“ Siehe Gore, Frederick, Einführung, in: Englische Kunst im 20. Jahrhundert. Malerei und Plastik, hrsg. von Susan Compton, München 1987, S. 16. 26 zusammenfügte oder in seine Dokumentationen einfließen ließ.86 Ähnlich Richard Long hinterließ er so sichtbare Spuren in der Natur, die als „Zeichen seiner Anwesenheit und des menschlichen Einwirkens auf die Natur“87 – und somit auch als eine Form der Land Art verstanden werden könnten. Bald jedoch gab Fulton diese Art künstlerischer Interventionen auf und entschied sich, genau das Gegenteil davon zu praktizieren. Ihm ging es nicht mehr darum, wie in der Kunst der „Land Art“ die Natur sichtbar zu verändern, sondern „to be influenced by nature rather than to influence nature. […] I want to leave as little trace as possible.”88 Mit dem Verweis auf den ethischen Verhaltenskodex „Leave no Trace“89 distanziert Fulton sich seitdem mit seinen „Walk Works“ klar von der Kunst der Land Art und ihren „Earth Works“, die physisch in die Natur eingreifen:90 „I have no desire to rearrange the environment or remove it to the city. I prefer to see plastic in a gallery, rather than pure natural materials, which should continue their lives under the influence of the elements: wind, rain, sun.”91 Im Allgemeinen wird heute unter „Land Art“ die aktive künstlerische Inanspruchnahme und sichtbare, teilweise massive Veränderung der natürlichen Umgebung bzw. des vom Menschen gestalteten Landschaftraums mithilfe lokalen Materials wie Steinen, Stöcken oder Erde verstanden.92 Dennoch wird Hamish Fultons Name und Kunst aufgrund der Definitionsbreite des Begriffes in beständiger Regelmäßigkeit in einem Atemzug mit der Kunst

86 Vgl. Kapitel III. 1.1.1 Sunrise Shadow, 1979; 1.2.1 July Full Moon over the Doda River, 1979 oder auch 2.2.1.1 Eleven Notches for an Eleven Day Walking Journey, 1979. 87 Monopol Magazin, Immer schön im Kreis, bis die Füße schmerzen: Die Tate Britain in London zeigt eine Retrospektive des Profiwanderers und Land-Art-Künstlers Richard Long, 23.7.2009, https://www.monopol- magazin.de/immer-sch%c3%b6n-im-kreis-bis-die-f%c3%bc%c3%9fe-schmerzen-die-tate-britain-london-zeigt- eine-retrospektive (25.03.2018). 88 Haldane, Images after the Fact, a.a.O., S. 93. 89 Im Interview mit John K. Grande erwähnt Hamish Fulton, dass er von der Leave No Trace“-Bewegung Nordamerikas inspiriert wurde, siehe: Grande, Art Nature Dialogues, a.a.O., S. 130. Die „Leave no Trace“- Bewegung setzt sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts dafür ein, die Umwelt während Ausflügen und Wanderungen in der Natur zu schonen und möglichst so zu belassen, wie sie vorgefunden wurde und lässt sich dabei von sieben Prinzipien leiten, siehe Leave No Trace, The Seven Leave No Trace Principles, o.J., https://lnt.org/learn/7- principles (24.05.2017). Zur Geschichte der „Leave no Trace“-Bewegung sei folgender Artikel zu empfehlen: Turner, James Morten, From Woodcraft to ‘Leave No Trace’. Wilderness, Consumerism, and Environmentalism in Twentieth-Century America, in: Environmental History, Vol. 7, Iss. 3, Juli 2002, S. 462–482. 90 Vgl. Steininger, Florian, Hamish Fulton, in: Landscape in my Mind. Landschaftsfotografie heute. Von Hamish Fulton bis Andreas Gursky, Ausstellungskatalog Kunstforum Wien, 11.02.-26.04.2015, Nürnberg 2015, S. 136. 91 Grande, Art Nature Dialogues, a.a.O., S. 131. 92 Siehe und vgl. Olbrich, a.a.O., S. 211; Hoormann, Anne, Land Art, in: Begriffslexikon zur zeitgenössischen Kunst, hrsg. von Hubertus Butin, Köln 2014, S. 241. Selbst der Duden oder die renommierte Tate London definiert Land Art auf ihrer Homepage eindeutig skulptural und die Landschaft verändernd, siehe Duden online, Land-Art, o.J., https://www.duden.de/rechtschreibung/Land_Art (17.11.2017) sowie Tate, Land Art, Ressort Art Term, o.J., http://www.tate.org.uk/art/art-terms/l/land-art (30.08.2017). 27 von „Land Art“ genannt 93 – eine Kategorisierung, gegen die er sich seit den 1990er Jahren in zahlreichen Interviews und Statements bis in seine Kunst hinein heftig wehrt, wie beispielsweise die Arbeiten This Is Not Land Art (2004, Abb. 1), Earthworks and Beyond – A 2004 Post Land Art Climb (2004)94, This Is Not Land Art (2004)95 oder Carrara Walking (Walking Art is not Land Art) (2007)96 veranschaulichen. “My walking experiences are the reverse of creating sculptural changes, subtractions or additions to the land.“97 „Ich nehme keine unmittelbaren Umordnungen vor, gehe auch nicht so vor, dass ich etwas entferne, verkaufe und nicht zurückbringe, bediene mich keiner lauten Geräte, um mich in die Natur zu wühlen oder Teile der Natur einzupacken oder zu zerschneiden."98 Wie sich im Verlaufe der vorliegenden Arbeit zeigen wird, ist eine eindeutige Abgrenzung bestimmter Kunstwerke Fultons aufgrund des weiten Spannungsfelds künstlerischer Ausdrucksformen, die der Begriff „Land Art“ unter sich vereint, erschwert. Ob oder ob Fulton nicht als Land Art-Künstler zu bezeichnen ist, ist jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Allerdings soll angemerkt werden, dass es im Zusammenhang mit der Kunst Fultons angebracht wäre, kunsthistorische Begrifflichkeiten zu überdenken, zumal als Folge jenes Wandels ästhetischer Systeme Mitte des 20. Jahrhunderts im Laufe der vergangenen Jahrzehnte gänzlich neue Gattungsbezeichnungen wie Walking Art, Pedestrian Dance und Walking Performance entstanden sind, die nicht nur von einer Weiterentwicklung künstlerischer Ausdrucksmöglichkeiten erzählen, sondern auch von einer Öffnung der Bildenden Kunst hin zu anderen Künsten wie Theater, Tanz und des Performativen – und auch vor den

93 Sogar renommierte Kunstinstitutionen wie das Arp-Museum in Rolandseck oder das Kunstforum Wien kategorisieren den britischen Künstler Fulton immer wieder als Land-Art-Künstler. So bezeichnet das Arp- Museum Rolandseck, das 2013 mit Seven Paces (2002, Abb. 124) die erste Arbeit des Künstlers im öffentlichen Raum erwarb, Fulton auf der Homepage des Museums sogar als einen der „prominentesten Vertreter der Land Art“, siehe Arp-Museum Rolandseck, Seven Paces, 2003, Hamish Fulton. Rolandseck – Leinpfad / Rheinkilometer 640, https://arpmuseum.org/ausstellungen/dauerausstellungen/skulpturenufer/hamish-fulton-seven- paces.html (14.11.2017). Auch das Kunstforum Wien betitelte Hamish Fulton noch 2015 im Zusammenhang mit der Ausstellung „Landscape in my Mind. Landschaftsfotografie heute. Von Hamish Fulton bis Andreas Gursky“ eindeutig als Künstler der Land Art, siehe Kunstforum Wien, Landscape in my Mind. Landschaftsfotografie heute. Von Hamish Fulton bis Andreas Gursky, 11.02.-26.04.2015, Ausstellungsbeschreibung, https://www.kunstforumwien.at/de/ausstellungen/hauptausstellungen/213/landscape-in-my-mind, (19.03.2018). 94 Abb. siehe Art Agenda, Announcements, Hamish Fulton at Galerie van der Mieden, 16.03.-05.05.2012, 20.03.2012, https://www.art-agenda.com/announcements/187502/n-a (25.05.2020). 95 Abb. siehe Galleri Riis, Exhibitions, Hamish Fulton, 12.03.-10.04.2005, http://galleririis.com/exhibitions/60 (25.05.2020). 96 Abb. siehe Peter Foolen, Hamish Fulton – Selected Walks 1978-2015, Galleri Riis, Oslo, 29.02.2016, http://peterfoolen.blogspot.com/2016/02/hamish-fulton-selected-walks-1978-2015.html (03.07.2020). 97 Hamish Fulton in: Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., S. 16. 98 BAWAG PSK Contemporary, Hamish Fulton, a.a.O. 28 Kunstbetrachtern nicht Halt machen.99 Im Folgenden soll Fultons Oeuvre eher im Sinne des von Umberto Eco geprägten Begriffs eines „offenen Kunstwerks“ verstanden werden: „Ein offenes Kunstwerk stellt sich der Aufgabe, uns ein Bild von der Diskontinuität zu geben: es erzählt sie nicht, sondern ist sie. Es vermittelt zwischen der abstrakten Kategorie der Wissenschaft und der lebendigen Materie unserer Sinnlichkeit und erscheint so als eine Art von transzendentalem Schema, das es uns ermöglicht, neue Aspekte der Welt zu erfassen.“100 Rosalind E. Krauss führte darüber hinaus den Begriff „Sculpture in Expanded Field“ ein, um Kunstwerke zu umschreiben, „in denen die Topografie des Ortes Teil des skulpturalen Systems ist.“101 „Die Art der Ortsgestaltung oder Ortsmarkierung impliziert demnach auch eine Transformation des kulturellen Feldes, das heißt die Auflösung traditioneller Gattungsgrenzen und – in einem übertragenen Sinn – die Ausdehnung der Kunst in andere kulturelle Bereiche und ihre Einbindung in soziale und politische Kontexte.“102 Wie sich zeigen wird, überschreitet Hamish Fulton regelmäßig und bewusst sowohl die Gattungsgrenzen innerhalb seiner physischen Kunstwerke, als auch die seiner künstlerischen Herangehensweise, wenn er sich im Spannungsfeld werbegrafischer Ästhetik, gesellschafts- wie umweltpolitischen Kommentars oder hochalpinen Bergsteigens bewegt.

2.2.2 Gehen im Spiegel der Gegenwartskunst und der Kunstgeschichte Als gehender Künstler gehört Hamish Fulton mit seiner nun 50 Jahre währenden künstlerischen Praxis des Wanderns wohl zu den frühesten und zugleich ausdauerndsten Künstlern mit einer derartigen Strategie. Alleine war er damit jedoch nie, wie der Blick in die Geschichte der Gehkunst und auf Künstlerkollegen wie vor allen anderen Richard Long, aber auch Francis Alÿs, Sophie Calle oder Janet Cardiff zeigt, welche den Akt des Gehens ebenfalls immer wieder in ihre künstlerische Arbeit integrieren. Allerdings finden sich wenige Künstler, die das Gehen als so elementaren Bestandteil ihrer künstlerischen Praxis verstehen, wie Fulton. Die Ausnahmen bilden in diesem Zusammenhang der österreichische Künstler Michael

99 Vgl. Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 17. Zu gehenden Kunstbetrachtern siehe Janhsen, Angeli, Thomas Bernhards Gehen. Gehende Künstler der Post-Minimal-Art. Gehende Rezipienten, in: Schößler, Franziska/Villinger, Ingeborg (Hg.), Politik und Medien bei Thomas Bernhard, Würzburg 2002, S. 51-77. 100 Siehe Eco, Umberto, Das offene Kunstwerk, Frankfurt a/M 1990, S. 165. 101 Siehe Krauss, Rosalind, Sculpture in the Expanded Field, in: October, Vol. 8 (Spring 1979), S. 30-44. Zur Entwicklung von Skulptur im 20. Jahrhundert siehe vor allem Krauss, Rosalind, Passages in modern sculpture, London 1977. 102 Hoormann, Land Art (2014), a.a.O., S. 243. 29 Höpfner (*1972) sowie der Spanier Pep Mata (*1958). Höpfner erkundet ähnlich wie Fulton monatelang „Orte am Rande der Zivilisation“ und stellt sich dabei Themen wie Entschleunigung und individuellen Raum- und Zeiterfahrungen.103 Bei Pep Mata ist die Ähnlichkeit noch enger: wie Fulton bezeichnet er sich als „Walking Artist“ und versucht mit einem „nomadischen Schritt“, die Felder seines künstlerischen Schaffens in Richtung einer ethischen Geisteshaltung in Bezug zur Natur zu erweitern.104 Wie stark das Interesse an Gehen als performativ-künstlerischer Akt gerade in den letzten Jahren gestiegen ist, lässt sich vor allem an den Arbeiten einer neuen Künstlergeneration ablesen, die das Gehen als Grundlage ihrer Kunst für sich entdeckt haben, wie z.B. Katrin Herzner (*1979)105, Stefan Meier (*1975)106 oder Jan Hostettler (*1988)107. Alle drei nutzen das Gehen auf unterschiedliche Art und Weise, aber eher als Mittel zum Zweck und weniger um des Gehens willen, wie dies bei Fulton der Fall ist.

In der Literatur ist das Gehen – ähnlich wie das Thema der Zeit – in zahlreichen Publikationen aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet worden. Für eine erste Einführung vor allem hinsichtlich der Entwicklung des Gehens als künstlerische Praxis ist Ralph Fischers

103 Siehe Kunstforum Wien, Michael Höpfner. Lie Down, Get Up, Walk On/Niederlegen, Aufrichten, Gehen“, 25.02.-26.04.2015, Ausstellungsbeschreibung, https://www.kunstforumwien.at/de/ausstellungen/tresor- ausstellungen/219/michael-hoepfner (05.03.2018). Siehe auch Kunstforum Wien, Michael Höpfner Lie Down, Get Up, Walk On/Niederlegen, Aufrichten, Gehen. Videopodcast [YouTube-Video], 26.02.2015 https://www.youtube.com/watch?v=nU0ycCOkdlw (17.07.2017). 104 Mata spricht von einem „paso de nómada“, dessen Rhythmus und Geschwindigkeit einen Geisteszustand entwickeln hilft, der für die Reize der Landschaft empfänglich macht: „Un paso que marca un ritmo, un tempo que lo ayuda a desarrollar un estado mental receptivo a los estímulos del paisaje.“ Siehe und vgl. pepmata.com, Biografía, http://pepmata.com/biografia/ (23.03.2018). 105 Katrin Herzner versuchte 2010-2013, eine möglichst gerade Linie auf ihrem Weg nach Osten zurückzulegen und erinnert damit an Richard Longs Arbeiten A Line Made by Walking von 1967 oder Walking a Line in Peru von 1972. Während ihrer Wanderungen konnten die Kunstrezipienten ihr Gehen per Telefonübertragung live miterleben. Siehe und vgl. Kuhlmann, Fabian, Katrin Herzner zeltet in Berlin in der Abteilung für alles Andere, 19.06.2012, http://www.perisphere.de/ausstellung/katrin_herzner_zeltet_in_berlin (15.04.2016). Siehe auch Kunstverein Freiburg, Katrin Herzner- Live-Hörbuch OST, 22.09. – 28.10.2012, Ausstellungsbeschreibung, http://www.kunstvereinfreiburg.de/htmldocs/programm_archiv2012.htm (23.05.2017). 106 Der Schweizer Stefan Meier wandert auf alten Römerrouten über die Alpen und dokumentiert dabei weniger die Natur als „Strukturästhetik und Kuriositäten“. Siehe Tolksdorf, Stefan, Facettenreiche Landvermessung, in: Badische Zeitung, Ressort Kultur, Ausstellungen, 01.12.2014, http://stefan-meier.info/wordpress_2/wp- content/uploads/2014/11/Facettenreiche-Landvermessung_BZ.pdf (05.03.2018). 2013 lief er in möglichst gerader Linie zu Fuß in zehn Tagesetappen von Zürich bis Karlsruhe (Zürich – Karlsruhe, ein Alemannenhalbmesser), siehe Meier, Stefan, Portfolio, 02.02.2016, http://stefan-meier.info/wordpress_2/wp- content/uploads/2014/07/160202_Portfolio_StefanMeier.pdf (19.04.2017). 107 Von Februar bis Oktober 2016 dokumentierte der Schweizer Jan Hostettler seine Wanderung von Basel nach Istanbul, als eine Art „Recherche zu Fuß, eine Grand Tour“. Siehe Jan Hostettler, News Archive, 30.01.2016, http://www.janhostettler.ch/ (26.04.2016). Damit stehen seine Arbeiten eher in der Tradition einer Bildungsreise, „des Künstlers Lehr- und Wanderjahre“, siehe Hostettler, Jan, stroll, fall, in: Arbeiten.Works, Sommer 2013, nicht paginiert [S. 11], http://www.janhostettler.ch/wp- content/uploads/2012/01/Dokumentation_sommer2013_englishdeutsch_klein.pdf (23.05.2017). 30 Dissertation „Walking Artists. Gehen in den performativen Künsten“ von 2011 besonders aufschlussreich.108 Er setzt sich darin mit dem Gehen in der Kunst auseinander, untersucht das Thema allerdings nicht aus kunsthistorischer, sondern vor allem aus theaterwissenschaftlicher und performancetheoretischer Sicht. An dieser Stelle ist auch die 2012 erschienene Publikation „The Art of Walking. A Field Guide“ von David Evans anzubringen.109 Ähnlich wie Fischer strukturiert auch Evans seinen Überblick nach der Art des Gehens – Hamish Fulton wird bei ihm beispielsweise im Zusammenhang mit „Marches and Processions“ besprochen.110 Auf kunsthistorischer Seite sei zunächst Ulrich Gierschs Aufsatz „Der gemessene Schritt als Sinn des Körpers: Gehkünste und Kunstgänge“ von 1984 hervorgehoben.111 Anhand Angeli Janhsens Beitrag „Thomas Bernhards Gehen. Gehende Künstler der Post-Minimal-Art. Gehende Betrachter“112 wird deutlich, dass das Gehen in der Kunst nicht allein dem Künstler vorbehalten ist, sondern häufig auch die Kunstbetrachter als Gehende miteinbindet. Rebecca Solnits Buch „Wanderlust“ von 2002 behandelt das Thema ganz grundsätzlich, erwähnt aber im Kapitel „The Shape of a Walk“ explizit das Gehen als künstlerischen Akt und bespricht dabei auch Hamish Fulton.113 Nicht zuletzt ist Geoff Nicholsons „The Lost Art of Walking“ von 2010114 und David Le Bretons „Lob des Gehens“ von 2015115 für das Eindenken in den Themenkomplex des Gehens besonders hilfreich.116

Dass das Gehen die Gemüter in der Kunst bewegt, zeigt sich auch daran, dass dem Gehen als künstlerischer Praxis in den vergangenen Jahren diverse Kunstausstellungen gewidmet wurden, hier sei auf „Walking and Falling“ im Jahr 2006 im Magasin 3 in Stockholm,117 „Gehen Bleiben“ aus dem Jahr 2007 im Kunstmuseum Bonn,118 „Walk on. From Richard Long to Janet

108 Fischer, Ralph, Walking Artists, Über die Entdeckung des Gehens in den performativen Künsten, Dissertation, Bielefeld 2011. 109 Evans, David, The Art of Walking. A Field Guide, London 2012. 110 Ebd., ab S. 80. 111 Giersch, Der gemessene Schritt, a.a.O., S. 261-273. 112 Janhsen, Angeli, a.a.O. 113 Siehe Solnit, Rebecca, Wanderlust, London 2002, S. 267-276. Sie beschreibt ausführlich Richard Longs künstlerische Praxis und grenzt in zwei Sätzen Hamish Fultons Art zu Gehen davon ab. Siehe ebd., S. 272. 114 Nicholson, The Lost Art of Walking, a.a.O. 115 Le Breton, David, Lob des Gehens, Berlin 2015. 116 Siehe auch O’Sullivan, Timothy M., Walking in Roman culture, Cambridge et al. 2011. Gehen als Freizeits- Aktivität ist zudem ein beliebtes Thema, siehe hier v.a. Ratey, John J./Hagerman, Eric, Superfaktor Bewegung. Das Beste für Ihr Gehirn!, Kirchzarten bei Freiburg 2013. 117 Siehe Magasin 3, Previous Exhibitions, “Walking & Falling”, https://www.magasin3.com/en/exhibition/walking-falling-2/ (30.01.2019). 118 Ein Video von vernissage.tv vermittelt einen Eindruck über die Vielfältigkeit der ausgestellten Künstler und Werke, siehe Whatwedoissecret, Gehen Bleiben / Kunstmuseum Bonn, Germany [YouTube-Video], 17.12.2007, https://www.youtube.com/watch?v=P9LIH76_RJE (23.05.2017). 31 Cardiff. 40 years of Art Walking” 2013 in Manchester hingewiesen,119 aber auch auf eine der jüngsten Ausstellungen „En Marche. Faire un pas, c’est faire un choix“ im Musée d’art du Valais in Sion (CH) im Jahr 2017.120 Zudem finden Lectures zu Themen wie „The Art of Walking and Slowing Down“ in der Tate 2014121 oder dem Gehen gewidmete Festivals wie „Walk! A festival of walking, art & ideas“ am Carleton College im Frühling 2016122 statt. Darüber hinaus zeigen die subversiven Stadtspaziergänge Francis Alÿs‘ oder die urbanen und sozialen Interaktionen der britischen Performance-Gruppen „Lone Twin“ und „Wrights & Sites“, dass sich Gehen als Akt künstlerisch-gesellschaftlichen Kommentars und als Möglichkeit, neue Ausdrucksformen erlebbar zu machen, in den performativen Künsten etabliert hat.123 Nicht zuletzt wird Gehen seit jeher als Mittel genutzt, um friedlich und gewaltfrei gegen politische Missstände zu protestieren.124 Wie sich unschwer erkennen lässt, ist Gehen längst viraler Bestandteil globaler Kunst- und Aktionskultur wie auch der Weltpolitik geworden.125 Gehen als Kunstform stellt somit eine Ästhetik dar, die „als Beispiel einer dezidiert postmodernen Ästhetik, einer Ästhetik, die als Reaktion auf die Emergenz einer heterochronischen und

119 Walk on. From Richard Long to Janet Cardiff, a.a.O. 120 Siehe Musées Valais, Musée d‘art, En Marche. Faire un pas, c'est faire un choix, 28.05.2017, https://www.musees-valais.ch/musee-dart/nouveautes/item/1084-en-marche.html (30.01.2019). 121 Siehe Tate, The Art of Walking and Slowing Down. Frédéric Gros in conversation with Richard Wentworth, 15.05.2014, online unter http://www.tate.org.uk/whats-on/tate-modern/talks-and-lectures/art-walking-and- slowing-down (28.04.2016). Daraufhin haben sich zahlreiche selbsterklärte gehende Künstler zu einem „Walking Artists Network“ zusammengefunden; im Jahr 2013 wurde sogar ein „Walking Institute“ gegründet, das drei Jahre zuvor aus einem Kunstprojekt zusammen mit Hamish Fulton entstanden war und die Debatte über das Gehen und seine Vielschichtigkeit erst angestoßen hat, siehe walking artists network“, http://www.walkingartistsnetwork.org/ (25.04.2016). 122 Das Festival setzte sich mit dem Akt des Gehens sowohl in der Kunst, als auch in Medienprojekten, Vorlesungen und Talkrunden sowie zahlreichen „Public Walking Events“ auseinander, siehe Walk! A festival of Walking, Art & Ideas, Carleton College, Spring 2016, https://apps.carleton.edu/arts/walk/ (28.04.2016). 123 Siehe die Homepage von Lone Twin, http://lonetwin.com/ (15.03.2018) sowie die von Wrights & Sites, four artist-researchers with a special relationship to site, city, landscape & walking, o.J., http://www.mis-guide.com/ (15.03.2018). Vgl. auch das Beispiel eines öffentlichen „Slow-Walks“ der Choreografin AnneTeresa De Keersmaeker, in welchem sie das Gehen als Form des Tanzes bezeichnet (ab Minute 0:40, siehe ZDF heute, Brüssel: Ein Tanz-Flashmob aufs Leben, 25.04.2016, https://www.facebook.com/ZDFheute/videos/10154170490340680/?fref=nf (27.04.2016). Mehr Informationen zu dem Slow Walk findet sich auch auf der Homepage De Keersmaekers, siehe De Keersmaeker, Anne Teresa/Rosas, My Walking Is My Dancing, 23.04.2016, http://www.mywalking.be/en/ (28.04.2016). 124 Man denke beispielsweise an den zeitgleich in mehreren Städten überall auf der Welt veranstalteten „Womens March“ oder „adalet“, den Marsch des türkischen Oppositionspolitikers Kemal Kilicdaroglu von Ankara nach Istanbul im Sommer 2017. Ob als friedliche Protestmärsche in den Hallen zeitgenössischer Kunst (man denke an Hamish Fultons Slowalk in Support of Ai Weiwei 2011 in der Tate), oder als Slogan für politische Parteien wie die 2016 gegründete französische Partei En Marche! des französischen Präsidenten Emmanuel Macron 125 „Still today and more than ever, group walks are the action and intervention method of choice for protest movements, in which artist collectives take part. Walking is also in this case, for those involved, a committed artistic experience that generates change: walking transforms, walking means resisting.” Enjalran, Muriel, The Value of Experience, in: Canto di Strada: Hamish Fulton - Michael Höpfner, Ausstellungskatalog Museo MAN Nuoro, 06.01.-05.04.2015, Rom 2015, S. 22. 32 heterotopischen Lebenswirklichkeit betrachtet werden muß, in deren komplexen Netzwerken die Kategorien Präsenz und Absenz, Realität und Virtualität permanent miteinander interagieren, interferieren und kollidieren.“126 Hamish Fulton ist als Gehender in der Kunst demnach von höchster Aktualität – wie ist er aber in der Literatur vertreten?

2.3 Hamish Fulton und die Kunstgeschichte

Hamish Fulton und die Kunstgeschichte – ein beiderseits nicht ganz einfaches Verhältnis. Das äußert sich vor allem in der immer wieder vorgebrachten Kritik auf Seiten des Künstlers, die durch die vergleichsweise einseitige Berichterstattung auf Seiten der Kunstgeschichte, der Kritiker und der Journalisten nicht unbedingt geschmälert wird. Immer wieder wurde und wird versucht, Fulton einem bestimmten Genre zuzuordnen, wie beispielsweise der Landschaftsfotografie in Tradition romantischer Landschaftsmaler, der Konzeptkunst oder, allen voran, der Kunstströmung Land Art.127 Bezeichnend ist hierbei eines der jüngsten Interviews Fultons, das er Heinz Schütz vom Kunstforum International 2017 gegeben hat. Auch hier ist die Zuordnung seiner Kunst beispielsweise zur Kunst der Land Art Thema, ein Missverständnis, das Fulton darauf zurückführt, dass es bislang keine Kunsthistoriker gegeben habe, die sich auf die Kunst des Gehens, die Walking Art, spezialisiert habe.128 Wie der obige Blick in die Forschungslage aufzeigen konnte, hat er damit zwar nicht ganz Unrecht, liegt aber

126 Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 22. Mit den Begriffen Heterochronie und Heterotopie bezieht sich Fischer auf Michel Foucault. Unter Heterotopien versteht Foucault „wirkliche Orte, wirksame Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft hineingezeichnet sind, sozusagen Gegenplatzierungen oder Widerlager, tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind, gewissermaßen Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können.“ Unter Heterochronie wird die Zeitstruktur verstanden, welche innerhalb der Heterotpien gilt: „Die Heterotopie erreicht ihr volles Funktionieren, wenn die Menschen mit ihrer herkömmlichen Zeit brechen.“ Vgl. Foucault, Michel, Andere Räume [1967], in: Aisthesis: Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik. Essais, hrsg. von Karlheinz Barck, 5., durchgesehene Auflage, Leipzig 1993, S. 43. 127 Fulton verweigert sich im Grunde genommen jeglicher kunsthistorischen Kategorisierung, die nicht seinem Credo des „Walking Artists“ entspricht. So möchte er weder als „Land Art“-Künstler bezeichnet werden, noch als Conceptual Artist. “I transform ideas into experienced realities“, sagt er in dem Buch „Walking in relation to everything“, siehe Walking in relation to everything. Hamish Fulton, Ausstellungskatalog Turner Contemporary (17.01.-06.05.2012) und IKON Gallery (15.02.-22.04.2012), Manchester 2012, S. 16. 128 „Das Missverständnis existiert tatsächlich und hat nicht zuletzt damit zu tun, dass es keine Kunsthistoriker gibt, die ausdrücklich auf Walking Art spezialisiert sind. Rebecca Solnit hat über das Gehen geschrieben, aber sie ist keine Kunsthistorikerin, Frédéric Gros hat eine Philosophie des Gehens verfasst. Immer wieder wurde über das Gehen geschrieben, aber nicht mit dem speziellen Fokus auf die Kunst. Im Kunstbereich wiederum hat sich eine ganze Reihe von Land-Art-Spezialisten geäußert, dabei wurde meine Position, aus meiner Sicht fälschlicherweise, der Land Art zugeordnet.“ Hamish Fulton im Interview mit Heinz Schütz, a.a.O., S. 206. Interessanterweise weist Fulton einen Atemzug später darauf hin, dass die Definition des Begriffes „Land Art“ durchaus Interpretationssache sei – vielleicht ist das als ein Zeichen zu deuten, dass er der neueren Kunstgeschichte milder zu begegnen bereit ist. 33 auch bei weitem nicht richtig, da das Gehen als künstlerische Handlung sich, wie ebenfalls aufgezeigt werden konnte, vor allem in den letzten Jahren vermehrter Aufmerksamkeit erfreut. Dass Fultons Kritik an der bisherigen Berichterstattung und Diskursen seiner Werke in der Kunstwelt jedoch nicht unberechtigt ist, stellte Ben Tufnell schon 2002 fest: “His work has been misinterpreted and described erroneously with alarmingly regularity over the past thirty years.“129 Auch Muriel Enjalran geht direkt zu Beginn ihres sehr aufschlussreichen und lesenswerten Essays zu Fulton und seiner Kunst auf die bisherigen Debatten ein: “Hamish Fulton […] has often been misunderstood or associated with artistic and aesthetic perspectives that are not his own.“130 In Hinblick auf Hamish Fulton ist es allerdings nicht so, dass über seine Kunst im Laufe der vergangenen Jahrzehnte nicht geschrieben oder geforscht, oder immer nur Falsches berichtet worden wäre – im Gegenteil finden sich eine stattliche Anzahl an Ausstellungskatalogen, Artikeln, Interviews, Rezensionen und kurzen Essays, die seine Kunst reflektieren. Trotz der Fülle an Material erweisen sich jedoch vor allem die Artikel und Interviews häufig als repetitiv, da darin meist ein eher allgemeiner Überblick über seine Kunst gegeben wird, detaillierte Analysen einzelner Werke finden sich kaum. Ebenso selten finden sich dezidiert kunsthistorische Aufsätze, die eine objektive Verortung seines Werkes im historischen Kontext ermöglichen würden. Hervorzuheben sind jedoch Hal Fosters „Hamish Fulton“ von1978,131 John Haldanes „Images after the fact“ von 1998,132 Freddy Langers „Im Zweifelsfalle Weiterwandern” von 1996 oder auch Langers Reisetagebuch „Alles zu Fuß“ von 2009133; darüber hinaus Andrew Wilsons „The blue mountains are constantly walking“ von 2002134 und nicht zuletzt Muriel Enjalrans Essay von 2015.135 Was augenscheinlich fehlt, ist ein monografisches Überblickswerk, das sein Oeuvre systematisch analysiert und kunsthistorisch einordnet. Ein solches ist bislang noch nicht

129 Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., S. 16. 130 Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 17. 131 Foster, Hal, Hamish Fulton, in: Artforum, Februar 1978, S. 67-68. 132 Haldane, Images after the fact, a.a.O., S. 92-95. 133 Langer, Freddy, Im Zweifelsfalle Weiterwandern. Ein Spaziergang mit Hamish Fulton, in: Hamish Fulton. Walking Transformation, Ausstellungskatalog Villa Merkel Esslingen, 09.03.-08.06.2014, Köln 2014, S. 17-23. Auch in: Langer, Freddy, Alles zu Fuß. Aufbrechen. Grenzen überschreiten. Ein Reisetagebuch, Hamburg 2009. 134 Wilson, Andrew, „The blue mountains are constantly walking“. On the art of Hamish Fulton, in: Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., S. 20-31. 135 Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 17-23. 34 publiziert worden – ebenso wenig ein Werkverzeichnis.136 Dies überrascht angesichts der Tatsache, dass Hamish Fulton als Künstler seit einem halben Jahrhundert international tätig und in zahlreichen Ausstellungen und renommierten Sammlungen vertreten ist. Erste Ein- und Überblicke in die Vielfältigkeit von Fultons Kunstschaffen bieten daher vor allem die vielen Begleitpublikationen zu seinen Ausstellungen, allen voran „Hamish Fulton. Walking Journey“ (2002 in der Tate London), die zugleich seine bislang wichtigste internationale, institutionelle Einzelausstellung dokumentiert.137 Darüber hinaus „Walking in Relation to Everything“ (2012 Turner Contemporary in Margate und IKON Gallery in Birmingham),138 sowie “Hamish Fulton – Walking Transformation” (2014 Villa Merkel, Esslingen).139 In Anbetracht der Tatsache, dass sein künstlerisches Schaffen seiner Meinung nach zu selten aus dem richtigen Blickwinkel reflektiert wurde, ist es nicht verwunderlich, dass Hamish Fulton nicht nur auf die Gestaltung der zahlreichen Ausstellungskataloge Einfluss nimmt, sondern auch auf deren Inhalt. In vielen Publikationen finden sich statt kunsthistorischer Analysen vielmehr kurze Essays von oder Interviews mit Menschen, von denen Fulton selbst inspiriert wird und ihm einen alternativen Zugang zur Erfahrung von Natur und Landschaft ermöglichen, wie z.B. erfahrene Bergsteiger wie Reinhold Messner,140 aber auch dem Bergsteigen und Expeditionen nahestehenden Persönlichkeiten wie der Physiker und Journalist Phil Bartlett141 oder der Jurist und Abenteurer Erling Kagge142. „This inclusion reflects Fulton’s interest in emphasising people’s ability to survive environments, not the ability to produce landscape paintings.”143 Um Hamish Fultons Leidenschaft für das Bergsteigen zu verstehen, ist vor allem Helga Peskollers Aufsatz- und Vortragssammlung „extrem“144 von 2001 empfehlenswert.145

136 Laut eigener Aussage steht die Erstellung eines Gesamtverzeichnisses all seiner Wanderungen und Kunstwerke noch aus, so Hamish Fulton in einem Gespräch mit der Autorin anlässlich eines Künstlergesprächs am 09.02.2017 im H2 – Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast in Augsburg. 137 Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O. 138 Walking in relation to everything, a.a.O. 139 Hamish Fulton. Walking Transformation, a.a.O. 140 Messner, Reinhold, Hamish Fulton, in: Hamish Fulton: Keep Moving, Ausstellungskatalog MUSEION – Museum für moderne und zeitgenössische Kunst Bozen, 18.02.-08.05.2005, S. 8f. 141 Phil Bartlett im Interview mit Hamish Fulton, in: Fulton, Hamish, Walking Artist, Düsseldorf 2001, S. 141f. 142 Fulton, Hamish, One hundred questions from Hamish Fulton to Erling Kagge each requiring a one word answer, in: Walking in relation to everything, a.a.O., S. 52-58. 143 Vgl. Ikon Gallery, Hamish Fulton, 15.02.-29.04.2012, Ausstellungsbeschreibung, http://ikon- gallery.org/event/hamish-fulton/ (26.11.2014). 144 Peskoller, Helga, Extrem, Wien 2001. 145 Zum Interesse Fultons, sich dem Bergsteigen als gehender Künstler zu widmen, siehe in der vorliegenden Arbeit vor allem Kapitel III. 3. Ausdauer, Spuren der Zeit und Verschleiß, hier insbesondere Kapitel 3.1 Körper. 35 Oft werden diese interdisziplinären Reflexionen durch Fultons eigene Gedanken zu seinen Wanderungen und seinem persönlichen Kunstverständnis ergänzt. Besonders hervorzuheben ist der ausstellungsunabhängige, deutschsprachige Bildband “Walking Artist. Hamish Fulton“, der 2001 im Richter Verlag Düsseldorf erschienen ist und eine „Annäherung aus Sicht des Künstlers“146 darstellt. Als gute informative Eigenessays seien darüber hinaus die beiden Texte “Shadows” sowie “Walk Facts” genannt, die sich mit kleinen Variationen in fast allen Aussagen des Künstlers wiederfinden lassen.147 Dass Fulton sich mit seinen selbstverortenden Äußerungen auf nicht-künstlerisches Terrain begibt, ist ihm bewusst: “The artist may not be the best person to write about their [sic] own work but, art historians whose job it is to write about art do not research the vast world of walking, and walking is the subject of all my art. The climber talks straight, but the writer exaggerates.”148 Künstleraussagen sind mitunter als Versuch zu verstehen, „Interpretations- oder Rezeptionsmodelle für das eigene Werk einzuführen, die bestehende Kunstgeschichtsschreibung zu ‚korrigieren‘, eine neuartige Arbeitsweise zu legitimieren oder autobiographisch zu wirken“, also vor allem die „Deutungshoheit“ über ihre eigenen Werke zu behalten.149 Hannelore Paflik-Huber sieht Aussagen der Künstler über die eigenen Werke als eine grundsätzlich ernstzunehmende „Hinweisebene“ von vielen möglichen anderen, die „als sprachliche Fassung auch zum Modell gehören.“150 Hamish Fulton ist zugute zu halten, dass er sich meistens an seine eigene Aussage hält und in seinen schriftlichen Äußerungen knappe Formulierungen verwendet: „I am a contemporary artist, not a writer. I think in statements, not continuous sentences.“151 Im Verlauf der vorliegenden Arbeit sollen Fultons Aussagen daher grundsätzlich ernst genommen und als unerlässlicher Schlüssel zum tieferen Verständnis seiner Kunst verstanden, jedoch in Hinblick auf den Stand aktueller kunstwissenschaftlicher Forschungen immer wieder auch kritisch reflektiert werden.

146 Fulton, Walking Artist, a.a.O., S. 5. 147 Fulton, Hamish, Shadow, in: Hamish Fulton. Quaderni del corso superiore di arte visiva 3, Mailand 1999, S. 27- 41 sowie Fulton, Walk Facts, a.a.O. 148 Hamish Fulton in: Walking in relation to everything, a.a.O., S. 6. 149 Kunstgeschichtliches Institut Frankfurt am Main, Ankündigungstext der internationalen und öffentlichen Konferenz zu dem Thema „Künstlerische Theoriebildung und Praxis in der Moderne – Artistic Practice and Theory in Modern Art“, 19.–21.11.2010, https://www.kunst.uni-frankfurt.de/de/aktuelles/veranstaltungen/8/ (16.03.2018). 150 Paflik-Huber, Kunst und Zeit (1997), a.a.O., S. 37. 151 Hamish Fulton in: Walking in relation to everything, a.a.O., S. 6. Nichtdestotrotz ergibt sich aus der Aneinanderreihung prägnanter Aussagen oftmals eine schier unübersichtliche Auflistung von Worten, die seiner eigenen Aussage wieder entgegensteht. 36 3. Vorgehen, Methodik und leitende Fragen

Anhand ausgewählter Referenzarbeiten zu den Wanderungen Hamish Fultons soll herausgearbeitet werden, auf welche Art und Weise die eingangs ermittelten vier unterschiedlichen Kategorien von Zeit so verbildlicht werden, dass sie von den Betrachtern erkannt bzw. gelesen werden können. Dabei wird zunächst von jenen Zeitformen ausgegangen, die in seinen Kunstwerken eindeutig auf den ersten Blick sichtbar oder lesbar sind. Darüber hinaus soll aufgezeigt werden, welcher zeitlicher Metaphern und Symbole der Kunst- und der Kulturgeschichte sich Fulton möglicherweise bedient und ob sich bestimmte Darstellungsformen in seinem Oeuvre auf wiedererkennbare Weise und eventuell mithilfe eines ganz eigenen ikonografischen Repertoires wiederholen. Die Analysen der jeweiligen Beispielwerke sollen dabei auch jene den Arbeiten immanente Inhalte aufdecken, die erst auf den zweiten Blick und durch das Lesen zwischen den Zeilen sichtbar gemacht werden können und dabei etwas über die zugrundeliegende Intention des Künstlers offenbaren. Da jedes materielle Kunstwerk Fultons auf einer zuvor erfolgten Wanderung basiert, ist daher der genauere Blick auf die dem Referenzwerk zugrundeliegende Wanderung wichtig, worauf auch die Jahresangabe im Titel Bezug nimmt. An dieser Stelle ist anzumerken, dass das Datum der Wanderung in den meisten Fällen nicht mit dem Datum der Materialisierung der Referenzarbeiten übereinstimmt. Fulton verzichtet aber bewusst auf die Angabe des Herstellungsdatums, da dies aus seiner Sicht für die Wahrnehmung seiner Kunst hinderlich sei: „Years ago, […] I […] provided both dates: walk date and particular materialization date. When it was documented in a catalogue, all the emphasis was on the artwork date, not the walk date. This approach annoyed me so much I have not willingly supplied again this merely art historical concern. Why? Because the question totally demotes the walks and, elevates art objects.“152 Wie sich im weiteren Verlauf der Arbeit zeigen wird, erschwert das Fehlen dieser Angabe zwar einerseits eine Chronologie seines Oeuvres, anhand der es möglich wäre, seine künstlerische Entwicklung beispielsweise in Form künstlerischer Phasen eindeutig aufzuzeigen. Es ermöglicht aber andererseits, die materiellen Kunstwerke als das anzusehen, was sie sind: die Transformation einer Erfahrung, die sich auf ein ganz bestimmtes Ereignis zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt im Verlauf von Fultons

152 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 13.07.2017. 37 künstlerischem Wirken bezieht – und dadurch in jedem Fall Rückschlüsse auf seine Wahrnehmung und deren ästhetische Umsetzung zulässt. In einem letzten Schritt der Werkanalyse wird die jeweilige Arbeit in den Kontext seines Oeuvres gesetzt und mit Blick auf die Kunstgeschichte diskutiert. Wie die Werkanalysen deutlich machen werden, finden sich nicht nur zahlreiche Bezüge zu Zeit in seinen Kunstwerken, es spielen innerhalb einer Arbeit auch immer mehrere Themen hinein, die für Hamish Fulton und seine Kunst elementar sind, aber nicht zwangsläufig dem hier zu untersuchenden Thema Zeit zuzuordnen sind. In diesem Zusammenhang kann es vorkommen, dass die jeweilige Werkanalyse von der leitenden Fragestellung wegführt, was vor allem der Vielschichtigkeit von Fultons Kunst geschuldet ist. Es wird versucht, diese weiterführenden Beobachtungen so kurz wie möglich zu gestalten, um die Nähe zum roten Faden zu gewährleisten. In der Herangehensweise an die Analyse der Arbeiten Hamish Fultons ist die Nähe zur von Aby Warburg und Erwin Panofsky entwickelten ikonologischen Analyse von Kunstwerken sowie die von Max Imdahl begründete Methode der Ikonik erkennbar. Die leitenden Fragen orientieren sich an der dreistufigen Analyse Panofskys (Was ist dargestellt? Wie? Was bedeutet es?), ermöglichen aber im Sinne Imdahls, die jeweilige künstlerische Arbeit als ein Produkt „weltanschaulicher Vorstellungen“153 seitens des Künstlers zu verstehen und mit einem interdisziplinären Blick zu interpretieren. Somit zielt die Analyse zwar zunächst auf das bildlich und objekthaft Dargestellte auf der Werkebene, bezieht aber auch den zuvor erfolgten Akt des Gehens, also die der Referenzarbeit vorausgegangene Produktionsebene mit ein. Nicht zuletzt ist es für die Analyse zeitlicher Strukturen in Hamish Fultons Group Walks nötig, gattungs- und genreübergreifend zu analysieren: weg von der Analyse eines Kunstwerkes hin zu der Analyse einer perfomativen Handlung. Als zu interpretierende Grundlage werden dabei die Handlungsanweisungen des Künstlers sowie die Erfahrungsberichte der Teilnehmer herangezogen.154 Die Arbeit gliedert sich wie folgt in vier wesentliche Teile:

153 Vgl. hierzu Büttner, Frank/Gottdang, Andrea, Wege zur Deutung von Bildinhalten, in: Ikonographie. Neue Wege der Forschung, hrsg. von Sabine Poeschel, Darmstadt 2010, S. 86-94, hier S. 98. 154 Siehe hierzu auch Wulf, Christoph/Zirfas, Jörg (Hg.), Ikonologie des Performativen, München 2005. 38 Im Anschluss an den Gliederungspunkt I. Einleitung sollen in einem Kapitel II. erstmals die Werkgruppen innerhalb von Hamish Fultons Kunst aufgezeigt und erläutert werden, um eine systematische Referenzgrundlage für alle folgenden Analysen zu erhalten. Daraufhin folgt der Hauptteil, III. Verbildlichung zeitlicher Strukturen, der innerhalb der vier Themenkomplexe als erstes die Sichtbarkeit kosmologischer Zeit untersucht (1. Kosmologische Zeit). Im Anschluss daran werden die Bedeutung von Zahlen sowie der Einfluss zählbarer Zeit durch den Akt des Zählens und Vermessens geprüft (2. Zahlen, Zählbare Zeit und Vermessen). Als drittes soll anhand der Themen Körper, Natur und Material der sichtbare Einfluss von Zeit in seinen Arbeiten aufgezeigt werden (3. Ausdauer, Spuren von Zeit und Verschleiß), um zuletzt die 4. Geschwindigkeit des Gehens und Wahrnehmung von Zeit zu erörtern, wie es vor allem in seinen Group Walks zu erleben ist. Im letzten Kapitel IV. Zusammenfassung und Fazit sollen die Ergebnisse in Hinblick auf die Fragestellung noch einmal gebündelt zusammengefasst werden, um daraufhin zu einem, das Oeuvre Fultons betreffenden, vorläufigen Fazit zu kommen. Folgende Fragen sollen die Analyse der Referenzarbeiten leiten: - Welche Strukturen von Zeit lassen sich innerhalb seiner Kunstwerke erkennen? - Auf welche Art und Weise werden sie verbildlicht? Lässt sich eine Art Ikonografie der von Fulton verwendeten Zeichen und Symbole aufzeigen? - Welche Rückschlüsse lässt die Darstellung auf die zuvor erfolgte Wanderung zu? - Welche Erkenntnisse lassen sich daraus für das Verständnis seiner Kunst gewinnen?

Diese Fragen sind letztlich auch Fragen zur Ausdrucksqualität, also auch Fragen nach „Sinn und der Funktion der Zeit in Bezug auf die Bildgestalt“ 155. „Wie kommt Zeitlichkeit in dem Bild zum Tragen? Inwiefern entspricht die vorliegende Gestaltung unserer herkömmlichen Zeiterfahrung und was gelangt darin zum Ausdruck?“156 Bei der Analyse der Group Walks sollen folgende Fragen zur Anwendung kommen: - Welche Strukturen von Zeit lassen sich innerhalb der Handlungsanweisungen bei öffentlichen Walks erkennen? - Auf welche Art und Weise werden sie von den Teilnehmern umgesetzt? - Welche Erkenntnisse lassen sich daraus und anhand der Erfahrungsberichte der Teilnehmer für das Verständnis seiner Kunst gewinnen?

155 Pochat, Bild – Zeit (2015), a.a.O., S. 7. 156 Ebd. 39 Das Oeuvre Hamish Fultons, der seit rund 50 Jahren zu Fuß durch die Welt geht, dabei tausende von Kilometern zurückgelegt, hunderte von Kunstwerken produziert und mehrere Dutzend Group Walks realisiert hat, ist in seiner Ausdruckskraft so vielfältig und eigen, wie die Landschaften und Orte, die er durchwandert hat. Die vorliegende Arbeit kann daher nur ein erstes, ausschnitthaftes und nicht monografisch angedachtes Schlaglicht auf diesen Künstler werfen, dessen Arbeiten und Werkgruppen – jede für sich genommen – weitaus mehr Stoff für die zeitgenössische kunsthistorische Forschung zu bieten hat, als die begrenzte Anzahl der nachfolgenden Seiten es möglich macht. Dennoch sollen die Erkenntnisse dieser Arbeit dazu dienen, das von Fulton seit mehr als einem halben Jahrhundert konsequent weiterentwickelte künstlerische Schaffen dezidiert kunstgeschichtlich zu verorten, um damit eine Lücke in der Forschung zur Kunst des 20. Jahrhundert und der Gegenwartskunst zu schließen.

40 II. Werkgruppen bei Hamish Fulton

Wie die Einführung in Fultons künstlerischen Werdegang und Schaffen bereits aufzeigen konnte, erschwert die Vielzahl verwendeter künstlerischer Ausdrucksmittel und Materialien die Einordnung Fultons in ein bestimmtes künstlerisches Genre. Im Folgenden soll versucht werden, durch die Unterscheidung seiner Kunst in Wanderungen und materielle Kunstwerke eine erste kunsthistorische Einordnung in Werkgruppen vorzunehmen und zu erläutern.

1. Wanderungen

Dass Gehen als künstlerische Praxis bei Fulton nicht nur aus einfachem Gehen besteht, zeigt sich bereits bei den Bezeichnungen von Hamish Fultons Wanderungen, die für die Herstellung eines Kunstwerks unabdingbar sind. Fulton selbst sagt über seine Walks, dass sich vier unterschiedliche Arten von Wanderungen herauskristallisiert hätten: „der Solo Walk, das Zwei-Personen-Walking, die Teilnahme an einer kommerziellen Expedition und dann als viertes das kommunale, öffentliche Gruppen-Walking.“157 Aus seinen Kunstwerken selbst geht allerdings nicht hervor, wann er welche Wanderung alleine oder zu zweit unternommen hat.

Folgende Arten lassen sich jedoch eindeutig aus seinen Arbeiten ablesen: „Walks“, „Wandering Walks“ und „Walking Journeys“ sowie „Group Walks“.158 Da jeder dieser Walks ganz eigene „rules of the way“ zugrunde liegen, soll im Folgenden versucht werden, diese unterschiedlichen Arten so gut wie mögich voneinander abzugrenzen.

1.1 Walk Ein Walk ist am ehesten mit dem deutschen Begriff Gang zu übersetzen. Laut Duden versteht man darunter vor allem das „Gehen einer Strecke (mit einem bestimmten Ziel)“159, „einen Gang machen“, also „Spazieren gehen“160 bzw. eine Wanderung, also einen „längere[n] Weg durch die Natur, der zu Fuß zurückgelegt wird“161.

157 Hamish Fulton im Interview mit Heinz Schütz, a.a.O., S. 208. Bis auf das Gehen zu zweit sind alle diese Geh- Arten anhand des Walk Textes zu identifizieren. 158 Im weiteren Verlauf der Arbeit werden diese Bezeichnungen übernommen, daher entfallen die Anführungszeichen bei Nennung. 159 Duden online, Gang, Bedeutung 2, o.J., http://www.duden.de/rechtschreibung/Gang_Bewegung_Weg_Speise#Bedeutung2 (14.02.2017). 160 Duden online, spazieren gehen, o.J., http://www.duden.de/rechtschreibung/spazieren_gehen (03.03.2017). 161 Duden online, Wanderung, Bedeutung 1, o.J., http://www.duden.de/rechtschreibung/Wanderung#Bedeutung1 (14.02.2017). 41 Die von Hamish Fulton schlicht „Walks“ genannten Gänge sind allerdings weniger Spazierengehen im Sinne von „Lustwandeln“ oder „frische Luft schnappen“, wie es der Duden benennt162 oder wie es in der Kunstgeschichte dem Flaneur oder dem Spaziergänger nachgesagt wird. Fultons Walks beziehen sich meist auf vergleichsweise kurze, überschaubare Wanderungen, die oft zusammen mit Tages- und mitunter auch Kilometer- bzw. Meilenangaben genannt werden (A seven day walk (Northeastern California 1981)) oder Seven one day walks from and to Kyoto (Japan 1991)). Allerdings ist die Kürze der Wanderung kein allgemeingültiges Wahrzeichen für einen Walk, da Fulton auch zeitlich intensive Wanderungen wie Seven Miles to Penybont (während dieser Wanderung durchquerte er im Winter 1976 Großbritannien von Ost nach West und legte er innerhalb von elf Tagen 303 Meilen (ca. 487 km) auf der Straße zurück) oder The Pilgrim’s Way (hier wanderte er 1971 ohne Schlaf 165 Meilen (rund 265 km) am Stück) als Walk bezeichnet. Fulton selbst lässt sich auf Nachfrage hin nicht zu einer eindeutigen Aussage hinreißen: „The route may be briefly described or left unclear because perhaps I might want to emphasize time more than the route line.”163 Wie die Differenzierung der anderen Begriffe noch zeigen wird, kann ein Walk in der Kunst Hamish Fultons immerhin als eine eher kürzere Wanderung verstanden werden, die nicht nur ein klares Ziel vor Augen hat, sondern auch den zu gehenden Weg zuvor meist klar definiert hat.

Walks können darüber hinaus so unterschiedliche Unterkategorien bilden wie „Road Walk“, „Connecting Walk“, „Circular Walk“, „Coast to Coast walk“,“Slow Walk”, “Super Slow Walk” oder auch “Group Walk”, “Public Walk” bzw. „Communal Walk“.164 Zudem fasst Fulton verschiedene Walks immer wieder zu sogenannten “Walks Maps“ zusammen, also landkartenähnlichen Visualisierungen, welche die Umrisse von Inseln oder Kontinenten ohne Landesgrenzen zeigen, auf denen die von ihm abgelaufenen Wege eingezeichnet sind.

162 Vgl. die von Duden genannten Synonyme zu „spazieren gehen“, a.a.O. 163 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 14.07.2017. 164 Zu den drei zuletztgenannten Walks siehe Kapitel II. 1.4 Group Walks. Alle diese Begriffe stehen für ganz eigene Formen von Wanderungen, die jeweils wiederum ganz eigene Themen und Werke hervorbringen, wie sich im Verlauf der Arbeit aufzeigen lassen wird. 42 1.2 Wandering Walk

Das englische Verb „to wander“ bedeutet auf Deutsch „umherwandern“, „streifen“165, laut Duden auch eine „Wanderung, Fahrt, bei der ein Gebiet durchstreift, etwas erkundet wird“166. Das Oxford English Dictionary bezeichnet „wandering“ als ”travelling aimlessly from place to place“167, also als ein zielloses Umherstreifen. Auch die Wandering Walks Hamish Fultons lassen sich nur bedingt anhand ihrer Dauer von den zuvor beschriebenen Walks unterscheiden, da sie sowohl kürzere Wanderungen von sieben Tagen als auch länger als 21 Tage dauernde Wanderungen umschreiben (wie z.B. A seven day wandering walk (Island 1996) oder A 21 Day Wandering Walk (Montana 1997). Interessanterweise kommen die Textarbeiten, die sich auf seine Wandering Walks beziehen, ohne Angabe von Kilometern oder Meilen aus. Stattdessen finden sich mehrfach Angaben zu Gezähltem: Striche, Stöcke oder Schritte (z.B. Geese Flying South – No Thoughts Counting 396 Barefoot Paces / A Seven Day Wandering Walk (Scotland 1990); Flies and Geese in the Mist / No Thoughts Counting 3535 Paces / A Seven Day Wandering Walk (Scotland 1991)). Mitunter setzt er diese Wanderungen auch in hölzerne Objekte um (z.B. Broken Wood Mountain Skyline for A Ten Day Wandering Walk (Italy 1993); A Bag of Ribbons for A 21 Day Wandering Walk (Montana 1997); Fifteen Pieces of Wood for a Fifteen Day Wandering Walk (Switzerland 2000)).

Hamish Fulton selbst sagt über seine Wandering Walks, dass er zwar ein klares Ziel vor Augen habe, aber sowohl die Route als auch die Dauer der Wanderung nicht zwangsläufig vorher festlege.168

1.3 Walking Journey

Die Walking Journey lässt sich am besten mit „Fußreise, Reise“ übersetzen.169 Eine Fußreise wiederum entspricht dem Unterwegssein eines Reisenden, also jemandem, „der sich (zu Fuß) auf einer Reise befindet“ 170 – wie Hamish Fulton.

165 Leo, wander, o.J., http://dict.leo.org/german-english/wander (03.03.2017). 166 Duden online, Streifzug, Bedeutung 1, o.J., http://www.duden.de/rechtschreibung/Streifzug#Bedeutung1 (03.03.2017). 167 Siehe English Oxford Living Dictionaries, wandering, o.J., https://en.oxforddictionaries.com/definition/wandering (23.01.2017). 168 Hamish Fulton im Gespräch mit der Autorin in Augsburg, 09.02.2017. 169 Leo, walking journey, o.J., http://dict.leo.org/german-english/walking%20journey (03.03.2017). 170 Duden online, Reisender, Bedeutung 1, o.J., http://www.duden.de/rechtschreibung/Reisender#Bedeutung1 (03.03.2017). 43 Walking Journeys dauern bei Fulton – wie ein Wandering Walk – mindestens sieben Tage (A Seven Day Walking Journey (France Spain 1992)), können aber auch bis zu 31 Tage andauern (A 31 Day Road Walking Journey (River Rhone to Danube 1994)). Auch hier kann also keine eindeutige Differenzierung aufgrund der Dauer vorgenommen werden. Charakteristisch für seine Walking Journeys sind jedoch die langen Distanzen, die er dabei zurücklegt (A 14 ½ walking journey of approximately 200 miles (Northern India 1978) oder A 2383 Kilometre Walking Journey (Bilbao to Rotterdam 2002)). Start- oder Ankunftsdatum mag bestimmt sein, aber die Länge des Weges dazwischen ist nicht festgelegt. Der lange Weg der Walking Journeys entspricht somit eher dem Begriff des „Reisens“ als ein Wandering Walk – laut Duden ist unter „Reisen“ wiederum eine „(der Erreichung eines bestimmten Ziels dienende) Fortbewegung über eine größere Entfernung“171 zu verstehen. Eine Walking Journey muss nicht auf unbefestigten Wegen durch die Natur führen, sondern findet sich in Fultons Oeuvre häufig auch als „Road Walking Journey“ oder „Walking Journey on Pavements and Roads“.172

1.4 Group Walks

Auch wenn Hamish Fultons „Walking Art“ hauptsächlich aus solistischen Wanderungen besteht, hat er sich seit den 1990er Jahren mehr und mehr für andere Formen des Gehens geöffnet: „Instead of walking alone, I now enjoy walking with other people. I see this as expanding my repertoire, but I continue to enjoy the spiritual pleasures of solitude.”173 Diese gemeinschaftlichen Walks beinhalten sowohl Wanderungen im Zusammenhang mit kommerziellen Bergsteiger-Expeditionen, als auch Gehen in der Gruppe. „In addition to making only solo walks I’ve found a certain interest in group walks and commercial expeditions. It was important to have started by making many solo walks first, before making trips with people who started out as complete strangers.”174 Seine „Group Walk“, „Public Walk“ odervon ihm bevorzugt „Communal Walk“ genannten öffentlichen Geh-Angebote stehen seit 1994 all jenen interessierten Teilnehmern offen, welche die Erfahrung des Gehens im Kontext der Kunst (neu) erfahren möchten. Sie finden

171 Duden online, Reise, Bedeutung 1, o.J., http://www.duden.de/rechtschreibung/Reise#Bedeutung1 (14.02.2016). 172 Zur Bedeutung seiner Wanderungen auf Straßen siehe Kapitel III. 3.1.2 Not By Car, 2017. 173 Hamish Fulton im Interview mit John K. Grande, in: Grande, Art Nature Dialogues, a.a.O., S. 135. 174 Hamish Fulton im Interview mit Ben Tufnell, a.a.O., S. 108. 44 während eines zuvor klar gesetzten Zeitfensters von ein bis zwei Stunden statt und unterliegen dabei bestimmten Handlungsanweisungen des Künstlers. Für die Durchführung dieser Walks sucht sich Hamish Fulton oftmals größere Flächen oder Wege im öffentlichen Raum, an deren Grenzen oder anderen, bestimmten Merkmalen wie z.B. die Parkplatzmarkierungen, Bodenplatten oder Umrandungsmauern er die Teilnehmer platziert. Die Group Walks unterscheiden sich vor allem in der Art des Gehens, aber auch in der vom Künstler oder den Teilnehmern gewählten Geschwindigkeit des Gehens. Drei unterschiedliche Formen lassen sich dabei besonders häufig ausmachen: der Slowalk, der repetitive Walk und der zirkuläre Walk.

Wie der Begriff Slowalk bereits verlauten lässt, ist die Geschwindigkeit hier besonders reduziert, bis hin zu der Handlungsanweisung „as slow as possible“.175 Bei repetitiven Group Walks werden die Teilnehmer meist angewiesen, innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens zwischen zwei Punkten in einer Geschwindigkeit ihres Ermessens auf einer möglichst geraden Linie hin- und herzulaufen.176 Zirkuläre Group Walks wiederum verlaufen in Kreisform bzw. in Form eines Rundweges.177

2. Materielle Werke

In den Kunstwerken, die Fulton in Anlehnung an seine zuvor durchgeführten Wanderungen herstellt, finden sich Fotografien, typografische Wandarbeiten, kleinformatige Holzobjekte, Malereien und Zeichnungen sowie von ihm gestaltete Bildbände, die aufgrund ihrer individuellen Gestaltung durch Fulton selbst auch als Künstlerbücher verstanden werden können.178 Allen materiellen Arbeiten gemein ist der „Walk Text“, der je nach Kunstwerk unterhalb des Bildes zu finden ist oder die Arbeit stellenweise bis gänzlich überlagert.

175 Vgl. hierzu auch Kapitel III. 4.2 Slow Walk Newcastle, 2012. 176 Beispielsweise beim Group Walk in Sion 2017, siehe Kapitel III. 2.3.3 Swifts and Lizards, 2017. 177 Beispielsweise Hamburg Germany (2008) oder der Group Walk im Centre Pompidou 2017, vgl. hierzu Kapitel III. 1.1.3 Kailash Kora, 2007. Bei seinem gemeinschaftlichen Walk in Freiburg im Februarm 2019 hat Fulton eine neue Variante des zirkulären Group Walks durchgeführt: Hier war weder eine gerade Linie, noch ein bestimmtes Ziel vorgegeben. Alle Teilnehmer konnten sich innerhalb eines zirkulären Settings nach eigenem Ermessen ihren ganz individuellen Weg zwischen den rund 200 Teilnehmern hindurch suchen. Während der Biennale in Venedig hat Fulton diese Art des Walks Anfang Mai 2019 beim „Salon Suisse“ als „Walking in every direction“ angekündigt. Bezogen auf die Definition des Begriffs „wandering“ im Oxford English Dictionary kann dies auch als eine zeitlich stark reduzierte Form seiner Wandering Walks verstanden werden, die so auch für die Kunstbetrachter nachvollziehbar und erlebbar werden. 178 Siehe hierzu Kapitel II. 2.5 Künstlerbücher. 45 Lorenzo Giusti sieht in Fultons Walk Texten eine Art „geografischer Poesie“, die – ähnlich wie Landkarten – Orte, Höhenlagen oder die Entfernungen benennen und dadurch wesentliche Elemente seiner Wanderung festhalten.179 Dabei sieht er in der Verwendung von Text auch die Unmöglichkeit bestätigt, eine Erfahrung in all ihren sinnlichen und mentalen Komponenten zu vermitteln. Die Funktion des Textes bestünde daher eher darin, eine Idee davon zu vermitteln, dass jede Erfahrung ein Eigenleben habe: „The text that is superimposed on the image of the landscape, or that in most cases replaces it entirely, suggests the idea that every performance, and thus every experience, lives a life of its own”.180 Somit vermittle das, was von der Erfahrung in Form von Fakten und Worten übrigbleibe, „the idea of time, and a sense of the duration of the walk“.181 Zeit und Dauer werden im Angesicht des Kunstwerks zu Begriffen, deren tiefere Bedeutung auch die Betrachter erfahren können, wenn sie versuchen, den Text nicht nur zu lesen, sondern auch zu verstehen und zwischen den Zeilen zu lesen. „This radical principle reveals the twofold essence of Fultons work, as an ode to wandering as a form of awareness of self and the world and, at the same time, a reflection on art through an analysis of the complex relationship between experience and narration.“182

2.1 Fotografie

Von Beginn an nutzte Fulton die Fotografie als eine Form der Dokumentation sowie künstlerischer Verarbeitung seiner Walks. In den Anfängen seiner künstlerischen Tätigkeit finden sich vor allem Schwarz-Weiß-Fotografien, später immer wieder auch Farbfotografien. In seinen Ausstellungen präsentiert er die Bilder meist eingefasst in breite Passepartouts und hinter Glas in Holz gerahmt. Bis auf ganz frühe Fotografien aus den späten 1960er-Jahren findet sich zu jedem Foto ein Walk Text. In seinen Bildern finden sich zahlreiche Motive, die er wiederholt abbildet: Schatten, Pfade, Wege und Straßen, dicht gefolgt von Felsbrocken und Bergketten. Darüber hinaus zeigen seine Referenzarbeiten auch immer wieder karge Landschaften, Wolken, Bäume, Meilensteine oder Schuhe. Trotz stimmungsvoller Elemente wie Licht und Schatten bei Sonnenschein und Wolken oder das natürliche Licht reflektierende Wasser, wirkt Hamish Fultons „[…] Blick durch die Linse

179 Vgl. Giusti, Lorenzo, The Song Line (The Plain Truth), in: Canto di Strada, a.a.O., S. 9. 180 Ebd. 181 Ebd. 182 Ebd. 46 neutral, sachlich, frontal, ohne jegliche Subjektivität.“183 Auch ist auffällig, dass nur wenige Fotografien Menschen oder gar Tiere zeigen, fast alle Fotos bilden scheinbar lebewesenlose Gegenden ab. Sein Blick auf und in die Natur wirkt oft nüchtern, vermittelt „dokumentarische Sachlichkeit“184 und ein beweisendes „es ist so gewesen“185 im Sinne Roland Barthes‘ – auch die Landschaft selbst zeugt von wenig menschlicher Einflussnahme. Allerdings zeigen vor allem die frühen Schwarz-Weiß-Fotografien Fultons die durchwanderte Landschaft in fast epischer Großzügigkeit, die von den kurzen Texten oder Titeln unterhalb des Bildes kaum tangiert werden. Eine solche Präsentation kommt um den kunsthistorischen Bezug zur Bildtafel nicht umhin, was leicht eine „romantisch-landschaftliche Temperatur“186 attestieren lässt. Vor allem die frühen, streng horizontalen Bilder seiner Wanderungen in Alaska und Tasmanien Ende der 1970er-Jahre „mutieren durch ihre streifenhafte Struktur zu abstrakten Landschaften, werden zu sublimen Orten, trotz des faktisch Topografischen.“187 In Anlehnung an die seit der Renaissance gängige Metapher des Bildes als Fenster in eine andere Welt lassen sich zahlreiche seiner Arbeiten durchaus als eine Art „Fenster der gesehenen Landschaft“188 verstehen. Die Wahl des Ausschnitts, die formale Ausrichtung auf das Querformat und die vielfach horizontal gegliederten Fotografien Fultons führen dazu, dass seine Arbeiten von zahlreichen Rezensenten, Journalisten und Kunsthistorikern dadurch immer wieder in die Tradition der Romantiker und der englischen Landschaftsmalerei gestellt werden. Als Brite muss Hamish Fulton sich diesen Vergleich wohl weiterhin gefallen lassen, scheinen in Großbritannien doch „Landschaft und die Werte ländlicher Szenen zutiefst mit nationaler Identität verknüpft.“189 Dennoch will Fulton sich nicht als klassischen Landschaftsfotograf verstanden wissen, der auf seinen Wanderungen permanent nach dem perfekten Ausschnitt sucht,190 da seine Interessen in einem ganz anderen Bereich zu verorten sind: Zum einen ist er nicht am Medium und dessen Technologie an sich interessiert, vielmehr versteht er die Fotografie als „natural extension of the walker’s body“.191 Durch den körperlich-zeitlichen Akt

183 Steininger, Hamish Fulton, a.a.O., S. 136. 184 Ebd., S. 17. 185 Barthes, Roland, Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie, Frankfurt a/M 1985, S. 87. 186 Steininger, Hamish Fulton, a.a.O., S. 136. 187 Ebd. 188 Ebd. Der Begriff des „Bildes als Fenster“ geht dabei zurück auf Leon Battista Alberti und sein Traktat „De Pictura“ von 1435, siehe Alberti, Leon Battista, Über die Malkunst, hrsg. von Oskar Bätschmann, Darmstadt 2002. 189 Hewison, Robert, Nebel über dem Ärmelkanal. Der Britische Dialog mit dem Modernismus, in: Blast to Freeze. Britische Kunst im 20. Jahrhundert, Ausstellungskatalog Kunstmuseum Wolfsburg, 14. September – 19. Januar 2003, S. 18. 190 Vgl. auch Steininger, Hamish Fulton, a.a.O., S. 136. 191 Siehe und vgl. Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 18. 47 des Gehens inkorporiert er die Erfahrungen seiner Wanderungen, die Fotografien wiederum stellen die „tatsächlich eingefangene Erfahrung“192 dar – eine Sichtweise, die sich auch auf seine anderen Kunstwerke anwenden lässt. Zum anderen ist ihm der Zustand der Umwelt in all seiner umweltpolitischen Thematik ein viel wichtigeres Anliegen, als das Medium der Fotografie allein: „Turner and Constable have nothing to do with questions of environmental changes over the past fifty years. I feel that when their names are brought in, the discussion diverts to art history instead of fuel-efficient freight trains in Canada.”193 Dieser umweltpolitische Fokus seines künstlerischen Schaffens wird sich im weiteren Verlauf dieser Arbeit immer wieder zeigen.

2.2 Typografische Wandarbeiten Die zahlreichen überdimensionalen Wandarbeiten Fultons finden sich in seinem Oeuvre mindestens ebenso häufig wie seine Fotoarbeiten, wurden in der bisherigen kunsthistorischen Literatur jedoch meist völlig vernachlässigt. Sie bestehen im Wesentlichen aus größeren oder kleineren Textblöcken unterschiedlicher Farbigkeit und Typografie und werden häufig mit Zahlen, Zeichen oder Symbolen kombiniert. Rein typografische Arbeiten dieser Art lassen sich am ehesten als „Wandtexte“ bezeichnen während für solche, die mit grafischen Elementen versehen sind, im Folgenden der Begriff „Wandbilder“ verwendet werden soll. Fulton selbst nennt sie „Wall Texts“.194 Wie sich bereits am „Walk Text“ innerhalb seiner Referenzarbeiten gezeigt hat, gehören Worte und Schrift seit Anfang an untrennbar zu Hamish Fultons Kunst. „Since 1973 every piece of art I have materialized (things) contains a walk text. I do not provide the relief of wordless art.”195 Sind es bis weit in den 1980er-Jahren noch mehrheitlich schwarz-weiße Fotoarbeiten,

192 Sontag, Susan, Über Fotografie, Frankfurt a/M 2011, S. 10. Die amerikanische Originalausgabe erschien 1977 in New York unter dem Titel „On Photography“. 193 Hamish Fulton im Interview mit John K. Grande, in: Grande, Art Nature Dialogues, a.a.O., S. 131. 194 Vgl. Center for Contemporary Art Kitakyushu, Hamish Fulton. Old Tree, o.J., http://cca- kitakyushu.org/gallery/20061130_fulton/?lang=en (18.03.2018). 195 Hamish Fulton in: Walk on. From Richard Long to Janet Cardiff, a.a.O., S. 63. In dem Interview mit Esperanza Collado am 08.04.2017 erzählte Fulton von einem Besuch eines Beat Poetry Festivals Juni 1965, das ihn und seine Einstellung zur Kunst nachhaltig veränderte. Konnte er sich zuvor nicht für Literatur erwärmen, scheint die Einfachheit der gewählten Worte, der „street talk“, seine Begeisterung für die Kraft von Worten in dieser Nacht geweckt zu haben: „As the English say, I was ‘changed overnight‘ by this event. Literature was always a burden for me, like when you’re in school, it got boring and incomprehensible. […] So, going to the Beat Poetry Festival […] The poetry was incredible, […] the poets read their own poetry and they said it very powerfully. […] They weren’t academic […]. It was street talk. […] you were amazed at the energy and the power of the words. […] these kinds of words from these poets went straight in.” siehe und vgl. Collado, Hamish Fulton, a.a.O. Tatsächlich finden sich auch schon vor 1973 Werke, die mit Text versehen sind, wie beispielsweise One Hundred Mile Walking 48 unter die Fulton seinen Walk Text setzt, finden sich ab Ende der 80er-Jahre mehr und mehr Werke, in denen die Fläche ganz von Typografie ausgefüllt wird.196

In der Verwendung von Typographie sieht Fulton eine Fülle an kreativem Potential: „I use words because they are independent of any one language or any one medium and can exist in any available colour or size.“197 Mittels Typografie distanziert Fulton sich zudem „[…] von der bildlichen Repräsentation von Natur, bricht mit der zeitgenössischen sehnsuchtsstillenden Bilderflut von Landschaften in Medien, Werbung und Kunst.“198 Gleichzeitig löst er sich davon, die durchwanderte Natur durch eine eigene, fotografische Interpretation zu überschreiben, die nie außerhalb der traditionsreichen Geschichte der Landschaftsmalerei und –fotografie gesehen werden kann. Durch die Reduktion seiner vielfältigen Erfahrungen auf Fakten in Form von Symbolen, Buchstaben oder Zahlen199 kreiert Fulton eine eigene Bildsprache, deren spezifische Zeichenhaftigkeit und Bedeutungen eine Fülle an Assoziationsmöglichkeiten und Lesarten eröffnen.200 Laut Katrin Ströbel bedienen sich Künstler der Gegenwartskunst heutzutage der Typografie, weil Schrift den „Raum der bildenden Kunst“ öffne: „[…] durch die Verwendung von Schrift öffnet sich ein Werk nach innen und außen.“201 Alles, was in unmittelbarem Zusammenhang mit der „Konstituierung und Konstruktion des Werkes selbst und der (Selbst-)Positionierung“ des Künstlers steht, begreift Ströbel als „Öffnung nach innen“202, da es die dem Werk zugrundeliegenden (Herstellungs-)Prozesse offenbare.203 Durch Schrift können die Kunstbetrachter nach Ströbel „am Seelenleben der Künstler/-innen teilhaben und erzählt von

Stick (1971), The Pilgrim’s Way (1971) oder A Condor (1972). Diese Werke sind jedoch noch jener künstlerischen Orientierungsphase zuzuordnen, bevor Fulton sich 1973 entschloss, sich dem Gehen als Grundlage seiner Kunst zu widmen. 196 Vgl. auch Fultons Publikation „Ajawaan“: Fulton, Hamish, Ajawaan, Toronto 1987, teilweise einsehbar unter artistsbooks.info, Fulton, Hamish – Ajawaan, o.J., http://artistsbooks.info/AB_Fulton%20Hamish_Ajawaan.html (06.03.2018). Interessanterweise finden sich unter diesen Referenzarbeiten auffällig viele Werke, welche die alle Sinne einbeziehende Naturwahrnehmung des Künstlers reflektieren. Siehe dazu Kapitel III. 3.2 Natur. 197 Hamish Fulton in: Walking in relation to everything, a.a.O., S. 28. 198 Buchhart, Dieter, Hamish Fulton, in: Kunstforum International, 2003, Band 163, Das Magische I, S. 356. 199 Zur Verwendung und Bedeutung von Zahlen im Werk Hamish Fultons siehe Kapitel III. 2. Zahlen, Zählbare Zeit und Vermessen. 200 Vgl. Buchhart, a.a.O., S. 356. 201 Ströbel, Katrin, Wortreiche Bilder. Zum Verhältnis von Text und Bild in der zeitgenössischen Kunst, Bielefeld 2013, S. 306. 202 Ebd., S. 306f. 203 „Handlungen und das Nachdenken über diese Handlungen werden mit Hilfe der eingesetzten Schrift sichtbar. Das Werk hat keine versiegelte Oberfläche, es öffnet sich dem Publikum und macht durch Kommentare, Chiffren, Schriftfragmente die unterschiedlichen Arbeitsschritten [sic] und Reflexionsebenen, die zum finalen Werk geführt haben, sichtbar und nachvollziehbar.“ Ebd. 49 jenen Themen, die sie beschäftigen oder ausschlaggebender Impuls für ihr Werk waren.“204 Bei den meisten Referenzarbeiten Fultons ist zwar nicht der Herstellungsprozess des Kunstwerkes selbst nachvollziehbar, dafür enthält der Walk Text Hinweise auf das, was ihn überhaupt bewogen hat, es herzustellen. Zudem tragen v.a. die Holzobjekte, Aquarelle und Zeichnungen seine künstlerische Handschrift und malerische Geste; die verwendeten Worte und Symbole sind als Chiffren für seine Erfahrungen zu verstehen. In den Ausstellungskatalogen und seinen eigenen Publikationen finden sich darüber hinaus immer wieder Abbildungen seiner Notizbücher, die Einblick in den kreativen Prozess im Vorfeld ermöglichen. „Schrift öffnet hier einmal mehr einen (Imaginations-)Raum, in dem die Rezipient/-innen die Werke entweder zu Teilen oder vollständig (re-)konstruieren.“205 Die „Öffnung nach außen“ erweitert sich Ströbel zufolge um eine „soziale Dimension“ bzw. „gesellschaftliche[…] Realität“, in der sich die Kunst gleichzeitig neu verankern kann.206 Schrift integriert somit auch in der Kunst Hamish Fultons „kulturelle, soziologische, historische Ereignisse und Prozesse“ in das jeweilige Werk und ermöglicht der „(Kommunikations-) Gesellschaft“ – also vor allem den Kunstbetrachtern – durch Referenzen auf deren Alltagswelt einen persönlichen Zugang.207

2.3 Holzobjekte

Die aus Holz hergestellten Arbeiten, die von Fulton als „Walk Texts on Wood“208 bezeichnet werden, bilden ebenfalls eine eigene Werkgruppe. Sie bestehen aus industriell gefertigten, teilweise abgebrochenen Stöckchen, einzelnen Gliedern hölzerner Zollstöcke bzw. Meterstäbe oder unterschiedlich langen Holzstäben. Bei der Herstellung seiner Arbeiten ist es

204 „Aus vagen und expliziten, ausgesprochenen und unausgesprochenen, visuellen und verbalen Informationen ergibt sich nicht nur das Werk, sondern auch ein Psychogramm der dahinterstehenden Künstler/-innen.“ Ströbel meint hier vor allem Künstlerinnen wie Tracey Emin oder Elke S ilvia Krystufek, die durch ihre authentisch wirkende Kunst Nähe bei den Kunstbetrachtern und Identifikation mit den Künstlerinnen erzeugen, gepaart mit dem schmalen Grad zwischen „Anteilnahme und Voyeurismus“, der die Bereitschaft wecke, selbst „kleinste und unleserliche Details zu entziffern“. Ebd., S. 307f. Zum Thema nur vermeintlicher Authentizität siehe ebd., Kapitel 5.3 Confessions – Schrift als Mittel der Selbstreflexion, S. 167- 190. 205 Ströbel, Wortreiche Bilder, a.a.O., S. 307. 206 Ebd., S. 306. 207 Siehe und vgl. ebd., S. 308. 208 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 09.08.2017. 50 ihm wichtig, dass er sie mit im Handel erhältlichen Materialien produziert hat und keinerlei Materialien oder Fundstücke direkt aus der Natur dafür verwendet.209

Mit dem selbstgewählten Begriff der „Walk Texts on Wood“ scheint Fulton zu versuchen, kategorisierende kunsthistorische Bezeichnungen wie „Objekt“, „Installation“ oder gar „Skulptur“ zu umgehen. Gerade hier ist eine kritische Reflexion seiner Aussagen angebracht, denn tatsächlich ließe sich für diese Werke am ehesten der Begriff Objekt benutzen, da vor allem Materialien wie Zollstöcke und Messlatten durch seinen „künstlerischen Gestaltungsprozeß ein neues Assoziationsfeld erhalten.“210 Dass diese Arbeiten eher klein ausfallen, ist vom Künstler beabsichtigt: „Big experience small art – as opposed to physically ‚heavy‘ art and no experience.“211 Hier geht es ihm vor allem auch darum, so wenig Energie wie möglich für sowohl die Herstellung als auch den Transport seiner Kunst zu produzieren: „Art of this physical weight does not require large quantities of energy – oil, electricity – to be produced, maintained or transported. Conversely, big trucks means big bucks.“212 Die Verwendung industriell hergestellten Holzes unterstützt somit sein Bestreben, während seiner Wanderungen nach Möglichkeit die Umwelt zu schützen und nach dem Credo „Leave no Trace“ zu arbeiten. Dass er sich eben nicht mehr gefundener Äste oder Stöcke aus der Natur bedient, veranschaulicht, dass er sich bis in den Werkstoff hinein einmal mehr deutlich von den Kunstwerken der Land Art abzugrenzen versucht. Dabei ist er sich durchaus bewusst, dass auch der Kauf von Holz aus dem Baumarkt einen nicht unerheblichen ökologischen Fußabdruck hinterlässt – ebenso wie seine Flugreisen, die ihn an die entlegenen Orte bringen, um zu wandern: „I follow the philosophy and practice of leave no trace, where I walk and camp. But, as a contemporary artist, with jet travel and so on, no doubt I will pollute the general environment more than the average person.“213

209 Vgl. BAWAG PSK Contemporary, Hamish Fulton, a.a.O. Im Zusammenhang mit der Ausstellung „Placing One Foot In Front Of The Other“, die vom 28.11.2002-02-02.2003 in der BAWAG P.S.K. Contemporary in Wien stattfand, wies Hamish Fulton darauf hin, dass dieser Punkt jedoch keine ökologischen, sondern symbolische Bedeutung habe: „Ich verwende keine Fundstücke aus der Natur wie Tierknochen oder Steine aus einem Fluss. Dieser Punkt hat jedoch symbolische Bedeutung und keine ökologische.“ Wie sich im Verlaufe der vorliegenden Arbeit zeigen wird, finden sich insbesondere in älteren Arbeiten Fultons durchaus Spuren aus der Natur in seinen Bildern wie Abriebe von Gras oder Erde. Diese Art zu arbeiten hat Fulton jedoch mittlerweile aufgegeben. Zur Ausstellung siehe auch Hamish Fulton. Placing One Foot In Front Of the Other, Ausstellungskatalog BAWAG P.S.K. Contemporary Wien, 28.11.2002-02.02.2003, Wien 2002. 210 Thomas, Karin, Objektkunst, in: DuMont’s kleines Sachwörterbuch zur Kunst des 20. Jahrhunderts. Von Anti- Kunst bis Zero, Köln 1973, S. 155f, hier S. 156. 211 Hamish Fulton in: Walking in relation to everything, a.a.O., S. 18. 212 Ebd. 213 Hamish Fulton in einer Emailkorrespndenz mit der Autorin vom 09.08.2017, Kursivierung durch die Autorin. Im Interview mit John K. Grande sagt Fulton: "I have no desire to rearrange the environment or remove it to the 51

2.4 Malerei und Zeichnung Immer wieder nutzt Hamish Fulton auch Malerei und Zeichnung, um auf seine Wanderungen Bezug zu nehmen. Dabei hinterlässt er Spuren diverser Materialien auf Papier wie der Abrieb von Steinen und Gras, Reste von Erde, Kaffeespritzer oder die Umrisse von Kaffeetasse oder Kochtopf.214 In Anlehnung an gezählte Schritte oder Kilometer hinterlässt er Farb-Punkte auf Papier oder übersetzt mit wenigen Pinselstrichen die Silhouetten verschiedener Bergrücken in Gouache oder Aquarell.215 Mehr noch als die Fotografien, typografischen Arbeiten oder Holzobjekte ermöglichen die Malereien Fultons den Kunstbetrachtern einen Einblick in den künstlerischen Prozess, wie es Katrin Ströbel formuliert und öffnen seine Kunst nach Außen.216

2.5 Künstlerbücher Eine weitere Möglichkeit, Hamish Fultons Oeuvre unter einem bestimmten Gesichtspunkt zu betrachten, besteht in der Sichtung und Analyse der von ihm gestalteten Publikationen. Aufgrund des vom Künstler selbst von Anfang bis Ende durchkomponierten Aufbaus und dem Layout sorgfältig ausgewählter Arbeiten217 sowie den integrierten Texten und Interviews, sind sie als Form eines Künstlerbuchs als eigenes Werk zu verstehen.218 Während jede einzelne Referenzarbeit für sich nur ein kleines Schlaglicht auf die Erfahrung wirft, geben seine Publikationen eine Art Sammeleindruck seiner fast fünfzig Jahre andauernden Wanderungen

city. I prefer to see plastic in a gallery, rather than pure natural materials, which should continue their lives under the influence of the elements: wind, rain, sun. What are the rights of nature? When all is said and done, my attitude is merely ‘symbolic’. Ecologically sound art by definition can never exist (jet travel, jet air pollution). We need to fight on, find new solutions.” Siehe Grande, Art Nature Dialogues, a.a.O., S. 131. 214 Vgl. insbesondere Kapitel III. 1.1.3 Kailash Kora. 215 Zu dieser Art des Zählens siehe Kapitel III. 2. Zahlen, Zählbare Zeit und Vermessen. 216 Vgl. Ströbel, Wortreiche Bilder, a.a.O., S. 307f. 217 Teilweise entstehen manche Arbeiten auch nur für diese Publikation, ein gutes Beispiel ist dafür das gänzlich handschriftliche und zeichnerische Buch „Geronimo Homeland“, das anlässlich der gleichnamigen Ausstellungen in Houston und London entstand, siehe Hamish Fulton. Geronimo Homeland, Ausstellungskatalog Texas Gallery Houston (12.01.-10.02.2007) und Galerie Christine Burgin London (18.05.-16.06.2007), Houston/New York 2007. Eine nicht vollständige, aber für einen ersten Überblick hilfreiche Referenz sei hier folgende Auflistung von Fultons Publikationen und Künstlerbüchern empfohlen: artistsbooks.info, Fulton, Hamish, o.J., http://artistsbooks.info/AB_Fulton%20Hamish.html (23.03.2018). 218 Hier wird vor allem Bezug genommen auf Germano Celants Verständnis eines Buches als eigenständiges künstlerisches Medium, wie er es in seinem Aufsatz „Book As Artwork beschrieben hat, siehe: Celant, Germano, Book As Artwortk. 1960/1972, London 1972. Die Kunsthistorikerin Lucy Lippard schreibt darüber hinaus: „[…] the artist’s book is a work of art on its own, conceived specifically fort he book form and often published by the artist him/herself. It can be visual, verbal, or visual/verbal. […] unlike an exhibition, the artist’s book reflects no outside opinions and thus permits artists to circumvent the commercial gallery system as well as to avoid misreception by critics and other middlerpeople.“ Siehe Lippard, Lucy, The Artist's Book Goes Public, in: Lyons, Joan (Hg.), Artists' Books: A Critical Anthology and Sourcebook, Ann Arbor 1985, S. 48-52, hier S. 49. 52 wider. Im Gegensatz zu seinen materiellen Kunstwerken, die zwar das Jahr der Wanderung enthalten, aber nicht die Angabe ihrer Produktion, lässt sich Fultons künstlerische Entwicklung anhand seiner Künstlerbücher deutlicher nachvollziehen. Die in diesen Büchern abgebildeten Arbeiten unterscheiden sich teilweise deutlich von denen, die Fulton im Kontext von Ausstellungen zeigt und erweitern dadurch das Spektrum seiner künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten. Seine Künstlerbücher veranschaulichen einmal mehr, dass Fulton kaum auf ein künstlerisches Genre festzulegen ist.

53 III. Verbildlichung zeitlicher Strukturen

Wie gelingt es Hamish Fulton, etwas so Ephemeres wie Zeit, Gehen oder die individuelle Erfahrung von beidem künstlerisch so transformieren, dass es für die Kunstbetrachter sichtbar wird? In der Einleitung wurde die These aufgestellt, dass Fultons Wanderungen nicht nur in zeitliche Strukturen eingebunden sind und durch sie mitunter sogar maßgeblich determiniert werden, sondern dass sich diese Strukturen in seinen „Walk Works“ wiederfinden lassen. Im Folgenden soll innerhalb der im Vorfeld herausgearbeiteten vier Kategorien – Kosmologische Zeit; Zahlen, zähl- und messbare Zeit; Ausdauer, Spuren der Zeit und Verschleiß sowie Geschwindigkeit des Gehens und Wahrnehmung von Zeit – anhand ausgewählter Werkanalysen aufgezeigt werden, auf welche Art und Weise sich diese Strukturen in Fultons Kunst sichtbar und nachvollziehbar manifestieren. Als eine der „frühesten Zeitmaßstäbe“219 soll mit dem Thema kosmologischer Zeit begonnen werden, analog zu den „astronomischen Randbedingungen“220, welche alle biologischen Prozesse auf der Erde strukturieren. Im Anschluss daran sollen zeitbasierte Vorgänge wie das Zählen oder Vermessen genauer untersucht werden, bevor auf Spuren von Ausdauer, Gebrauch und Verschleiß im Kontext von Zeit anhand der Themen Körper, Natur und Material eingegangen wird. Das letzte Kapitel widmet sich der Geschwindigkeit des Gehens vor allem in Fultons Solo Walks sowie der Wahrnehmung von Zeit in seinen öffentlichen Group Walks.221

1. Kosmologische Zeit

Am Beispiel Ägyptens zeigt Götz Pochat in seinem Versuch, eine Kunstgeschichte der Zeit zu verfassen, auf, wie stark die zyklischen Rhythmen der Natur im Leben, Denken und Wirken der Menschen damals verankert war.222 „Der Lauf der Sonne, die Mondzyklen, die Sommersonnenwende und der Aufgang des Fixsternes Sirius […] bestimmten weitgehend das in den Mythen von Leben und Tod, Erneuerung, Wiedergeburt und Dauer in Hieroglyphen und

219 Elias, Norbert, Über die Zeit, Frankfurt a/M 1984, S. 5. 220 Siehe und vgl. Wittmann, Marc, Gefühlte Zeit. Kleine Psychologie des Zeitempfindens, München 2012, S. 21 sowie Demandt, a.a.O., S. 18f sowie 28. 221 Es liegt auf der Hand, dass viele der folgenden, übergeordneten Themenkomplexe für sich genommen ganze Bibliotheken füllen können (und es mitunter auch tun). Die einleitenden Worte zu den jeweiligen Kapiteln dienen dementsprechend nur einer ersten Übersicht, um allgemein in das Thema einzuführen. Weiterführende Literatur wird angegeben; innerhalb der Werkanalysen thematisch mitunter auch vertieft. 222 Pochat, Zeit/Los (1999), a.a.O., S. 10-15. 54 Bildern gefaßte Dasein.“223 Der Lauf der Sonne, die Zyklen von Tag und Nacht und die Jahreszeiten – zahlreiche kultische Handlungen sollten Kontinuität gewährleisten. Der Grund dafür ist eng verknüpft mit den damaligen Herrschaftsstrukturen: „Der Mythos und die mit dem Naturgeschehen einhergehende rituelle Handlung bewahrt den Menschen und mit ihm die ganze Welt davor, ins Unbewußte, in ein ungestaltetes Chaos zu verfallen. Zeit und Bewußtsein bleiben an den Kreislauf in Natur und Kosmos gebunden; die Übermacht der Naturzeit bedurfte der Absicherung durch kultische Bräuche, um weiterhin dauerhaft, stabil zu bleiben.“224 Die Vorstellung eines zyklischen Zeitverhaltens unterliegt somit einer gewissen psychologischen Logik, wie auch Rolf Kramer aufzeigt: „Zyklik gibt dem Individuum Stabilität und Zuversicht. Lineares Geschehen dagegen bedeutet Endgültigkeit.“225 Erst in der griechischen Kultur sollte sich der „lineare Zeitbegriff abendländischer Prägung“ entwickeln und das zyklische Zeitverständnis früher Kulturen ablösen.226

Noch heute sind die Menschen „Beobachter eines universellen Geschehens“227, das in seinen kosmischen Rhythmen allein durch den Wechsel von Tag und Nacht und – in unseren europäischen Breitengraden – der Jahreszeiten das Leben auf der Erde grundlegend bestimmt. Als Künstler, dessen künstlerische Praxis sich zu einem Großteil in der Natur abspielt, ist auch Hamish Fulton diesen kosmischen Zeiten bis zu einem gewissen Grad unterworfen. Wie eingangs bereits aufgezeigt wurde, orientiert sich Fulton für seine Wanderungen sowohl an Sonne und Mond, als auch am Sternenhimmel. Das Kapitel Kosmologische Zeit soll untersuchen, wie dies in seiner Kunst sichtbar wird und inwiefern er dabei auf historische Darstellungsformen zurückgreift.

223 Pochat, Zeit/Los (1999), a.a.O., S. 10. 224 Ebd., S. 11. Vgl. auch Safranski, Zeit, a.a.O., S. 134. 225 Kramer, Phänomen Zeit, a.a.O., S. 28. Siehe auch Schmied, Gerhard, Soziale Zeit: Umfang, „Geschwindigkeit“ und Evolution, Berlin 1985, S. 144ff. 226 Siehe und vgl Pochat, Zeit/Los (1999), a.a.O., S. 19. Zum Thema Zeit in der (griechischen) Philosophie siehe und vgl. auch Grüsser, Zeit und Gehirn, a.a.O., S. 84: Grüsser schreibt hier, dass sich bei Platon Gedanken zu zyklischer Zeitvorstellung finden ließen, während Aristoteles eher die Linearität der Zeit betone, die „aus der Vergangenheit über den Jetztpunkt in die Zukunft“ weise. Auch Demandt weist darauf hin, dass schon Seneca den „Wechsel von der Zyklik zur Linearität“ gekannt habe. Siehe Demandt, a.a.O., S. 18f. 227 Paflik-Huber, Kunst und Zeit (1997), a.a.O., S. 38. 55 1.1 Sonne

Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass ohne die Sonne Leben auf der Erde unmöglich ist. Die Sonne und ihre Energie spielen eine elementare Rolle sowohl in den Zyklen der Natur als auch in der Kultur des Menschen. Als „Ordnungsprinzip des Kosmos“228 determiniert die Sonne sowohl Tages- und Jahreszeiten als auch die vom Menschen entwickelten Kalendarien.229 Überall auf der Welt zeugen Kultbauten wie Steinkreise, Pyramiden und nach der Sonne ausgerichtete Grabstätten oder auch Kirchen von einer intensiven, oft kultischen Beschäftigung mit der Sonne.230 Kaum einem anderen Gestirn werden dabei so diametral entgegengesetzte symbolische Eigenschaften zugesprochen: Fruchtbarkeit, Leben und Erkenntnis auf der einen Seite stehen Tod, Verderben oder Wahnsinn auf der anderen Seite gegenüber.231 Nicht umsonst diente die Sonne aufgrund ihrer tiefen und alten Symbolik zahlreichen Herrschern als Zeichen und Legitimation ihres Herrschaftsanspruches.232 In der Bildenden Kunst symbolisiert sie in Anlehnung an das Christentum meist Unsterblichkeit und Auferstehung und wird häufig als planetarische Gottheit (Helios oder Apoll) personifiziert.233 Erst spät trat die Sonne in der Malerei als eigenständige Lichtquelle in Erscheinung,234 dann aber umso intensiver: Ob William Turner, Vincent van Gogh oder Henri Matisse – bis in die zeitgenössische Kunst hinein finden sich Künstler wie beispielsweise Nancy Holt, Olafur Eliasson oder James Turrell, die sich gezielt mit der Sonne auseinandersetzen.235

228 Battistini/Impelluso, Das große Bildlexikon, a.a.O., S. 96. 229 Dicht gefolgt vom Mondkalender. Zur Einführung in die Kalendersysteme siehe Görke, Winfried, Datum und Kalender: Von der Antike bis zur Gegenwart, Berlin/Heidelberg 2011; siehe auch Demandt, a.a.O., sowie Pochat, Zeit/Los (1999), a.a.O., S. 10-15. 230 Siehe hierzu Engler, H. Rudolf, Die Sonne als Symbol. Der Schlüssel zu den Mysterien, Küsnacht-Zürich 1962. 231 Vgl. Ronnberg, Ami/Martin, Kathleen, Das Buch der Symbole. Betrachtungen zu archetypischen Bildern, Köln 2011, S. 22. Richard Cohen schreibt im Vorwort zu seinem Buch „Die Sonne“ von „weltzerstörenden und und weltgebärenden“ Kräften. Siehe Cohen, Richard, Die Sonne. Der Stern, um den sich alles dreht, Hamburg 2012, S. 14. Dieses Buch sei an dieser Stelle vor allen anderen zur weiteren Lektüre empfohlen, da er in seinem umfassenden Band nicht nur die wichtigsten Daten und Fakten zur Sonne auflistet, sondern auch ihre Bedeutung für Literatur, Kunst, Film und Musik aufzeigt. Hier gilt ebenso, dass auch er innerhalb seines Buches die Sonne in Bezug auf die genannten Künste nicht zutiefst durchdringen kann – einen ersten Überblick vermitteln aber durchaus. 232 Vgl. ebd. sowie Berrens, Stephan, Sonnenkult und Kaisertum von den Severern bis zu Constantin I. (193-337 n. Chr.), Stuttgart 2004, S. 503-520. In abgemilderter Form findet sich dieser Herrschaftsanspruch noch heute in der Anzahl von Nationalflaggen, welche die Sonne als Symbol tragen. Siehe ebd., S. 420. 233 Siehe und vgl. Battistini/Impelluso, Das große Bildlexikon, a.a.O., S. 96. Einen ersten Einblick in die Bedeutung der Sonne für die Bildende Kunst bietet Cohen, Die Sonne, a.a.O., ab S. 435. 234 Vgl. ebd. 235 Gemeint sind beispielsweise Nancy Holts Sun Tunnels (1976), Olafur Eliassons The Weather Project (2003) oder James Turrells Sun Moon Chamber innerhalb des Roden Kraters (1977-heute). Zu James Turrell und seiner Sun Moon Chamber siehe auch James Turrell, Sun Moon Chamber, Roden Crater, o.J., http://archive.jamesturrell.com/roden-crater/roden-crater/map-chambers/sun-moon-chamber/ (10.01.2018). 56 Wie die nachfolgenden Werkanalysen aufzeigen werden, spielt die Sonne auch in die Kunst Hamish Fultons hinein. Im Folgenden soll untersucht werden, auf welche Art und Weise dies geschieht und wie dies für Kunstbetrachter erkennbar ist. Angesichts der komplexen Symbolik der Sonne soll dabei auch untersucht werden, ob Fulton bei der Transformation seiner Wanderungen in ein physisches Kunstwerk auf tradierte Zeichen aus der Sonnensymbolik zurückgreift – oder ob er sich ganz anderer, vielleicht sogar eigener Zeichensysteme bedient.236

1.1.1 Sunrise Shadow, 1979 1979 bestieg Hamish Fulton den Gipfel des Pico de Orizaba in Mexiko. Die daraus entstandene, schwarz-weiße Fotoarbeit Sunrise Shadow (Orizaba) (1979, Abb. 2) zeigt den Schatten, den der Berg während des Sonnenaufgangs in den morgendlichen Dunst und das Wolkenmeer unterhalb des Gipfels geworfen hat. Das querformatige Foto ist horizontal gegliedert und lässt sich klassisch in Vorder-, Mittel- und Hintergrund einteilen. Unterhalb des Bildes hat Fulton in großen, roten Versalien auf weißem Grund den Titel platziert, darunter gibt er in etwas kleinerer, schwarzer Schrift zusätzliche Informationen: „SUMMIT RIM PICO DE ORIZABA MEXICO 1979“.237 Als Betrachter weiß man nun, dass sich Fulton zum Zeitpunkt der Aufnahme am Kraterrand auf dem Gipfel des Pico de Orizaba befand, dem höchsten Berg Mexikos.238 Wie kaum ein anderer Moment des Tages steht der Sonnenaufgang für Geburt und Neuanfang.239 Darin spiegelt sich die Erfahrung und das Verständnis von linearer Zeit als sich wiederholender Kreislauf, als sich zirkulär wiederholende Einheiten,240 die mit jedem Tag aufs

236 Den eindeutigsten Hinweis auf die Sonne bieten selbstverständlich alle Fotografien, die bei Tag entstanden sind. Im Zusammenhang mit der Fragestellung sollen jedoch vorrangig jene Arbeiten besprochen werden, in denen die Sonne und ihre Einflussnahme auf seine Walks besonders hervorgehoben werden. 237 Hamish Fulton verwendet in seinen Walk Texten ausschließlich Versalien. Diese Schreibweise wird bei der Angabe des Inhaltes auch in der vorliegenden Arbeit übernommen. Zeilenumbrüche werden durch einen Schrägstrich / gekennzeichnet. Bei mehreren Leerzeilen werden die Umbrüche mit jeweils einem weiteren Schrägstrich // gekennzeichnet. Bei Holzarbeiten, auf denen der Walk Text meist über mehrere Elemente verteilt ist, wird dieser Wechsel zusätzlich durch Anführungszeichen „“ kenntlich gemacht. 238 Laut Stephen Brown erreicht der Pico de Orizaba eine Höhe von umgerechnet 5636 Metern. Siehe Brown, Stephen, Orizaba, in: Sombrilla. The University of Texas at San Antonio Magazine, Summer 2003, Vol. 19. No. 3, S. 23. Zum Pico de Orizaba siehe auch The Editors of Encyclopædia Britannica, Volcano Pico de Orizaba, in: Encyclopædia Britannica, 29.07.2016, https://www.britannica.com/place/Volcano-Pico-de-Orizaba (18.03.2018). 239 Vgl. Ronnberg/Martin, Das Buch der Symbole, a.a.O., S. 90. 240 Vgl. auch Demandt, a.a.O., S. 18: „Wiederholt sich das Geschehen, so sprechen wir von zyklischer Zeit. […] Verändert es sich unumkehrbar in gleichbleibender Richtung, so nennen wir die Zeit linear. […] Wir messen den Lauf der Zeit, indem wir zyklisch sich wiederholende Einheiten zählen.“ 57 Neue erfahrbar sind, wenn die Sonne auf- bzw. untergeht und das Jahr so Tag für Tag voranschreitet.241 Durch den langen Schatten des Berges indirekt dargestellten Sonnenaufgang ist dieser periodische Verlauf von Zeit auch in Sunrise Shadow enthalten. Denn obwohl man die Sonne selbst nicht auf dem Foto sieht, ist sie durch den Schatten des über 5600 Meter hohen Berges immanent. Der Schatten ist demnach als Indikator für die Sonne zu verstehen, fungiert also als ein indexikalisches Zeichen nicht nur für die Sonne, sondern auch für kosmologische und somit periodische und zyklische Zeit.242 Durch den dreieckigen Schatten wird aber auch der Berg selbst präsent,243 als ein indexikalischer Hinweis „auf etwas Anwesendes“244, das weder im Foto sichtbar ist, noch für Fulton selbst im Moment der Aufnahme sichtbar war.245 Durch das Wort „Sunrise“ wiederum wird die Sonne eindeutig thematisiert, gleichzeitig wird für die Kunstbetrachter verständlich, durch welche Art von Lichtquelle der Schatten verursacht wird. Die Fotografie als „etwas Vorzeitliches“246 ermöglicht es den Kunstbetrachtern darüber hinaus grundsätzlich, diesen Moment der

241 Ebd., S. 18f. 242 Zum Thema der Indikatoren siehe Pierce, Charles S., Semiotische Schriften, herausgegeben und übersetzt. von Christian Kloesel, Bd. 1, Frankfurt a/M 1986. Eine erste Einführung findet sich bei Geimer, Peter, Theorien der Fotografie zur Einführung, Hamburg 2009, S. 19-21. Darüber hinaus hat sich auch Herta Wolf mit dem Thema beschäftigt, siehe Wolf, Herta, Der fotografische Apparatus. Wie funktioniert die Fotografie?, in: Zugänge zu einer Oberfläche. Vorträge zur Fotografie an der HBK Braunschweig, Schriftenreihe der Hochschule für Bildende Künste, Band 15, Braunschweig 1994, S. 12–31, hier S. 22f. Siehe zudem Lewandowsky, Mirjam, Im Hinterhof des Realen. Index - Bild – Theorie, Paderborn 2016, S. 10f. 243 Wie sich im Verlauf der Arbeit noch aufzeigen lässt, findet sich die Form des Dreiecks immer wieder im Zusammenhang mit Bergwanderungen. Siehe beispielsweise Kapitel III. 1.1.3 Kailash Kora, 2007; 1.2.2 The Second Full Moon of May, 1988 oder auch 2.2.3.2 Mountain Skyline Switzerland, 2007. 244 Tillmanns, Kathrin, Medienästhetik des Schattens. Zur Neubestimmung des Mensch-Technik-Verhältnisses im digitalen Zeitalter, Bielefeld 2017, S. 125. 245 Der hier abgebildete Schatten stellt etwas dar, das Fulton ohne das Sonnenlicht in dieser Form selbst nicht hätte sehen können: Die Umrisse des Berges, auf dem er stand. Das Medium der Fotografie fängt diesen Moment für die Kunstbetrachter ein. Das Thema Schatten ist ein in der Kunstgeschichte gesondert behandeltes Thema mit einer langen Geschichte: Laut Plinius beruht beispielsweise der Ursprung der Plastik darauf, dass ein Mädchen den Schattenwurf ihres Geliebten („den Schatten des Gesichtes“) an der Wand nachgezeichnet habe, den ihr Vater wiederum mit Ton auffüllte und als Abbild ausstellte. Siehe Plinius Secundus d.Ä., C., Naturkunde, Band 35, Farben, Malerei, Plastik, hrsg. und übers. von Roderich König, 2., überarb. Aufl., Darmstadt 1997, S. 115. Siehe hierzu und vor allem in Hinblick auf das Thema Schatten Tillmanns, Medienästhetik des Schattens, a.a.O., S. 71. Vgl. u.a. auch Gombrich, Ernst H., Schatten: ihre Darstellung in der abendländischen Kunst, Berlin 2009, S. 37f. Neben Tillmanns und Gombrich siehe auch Stoichita, Victor I., Eine kurze Geschichte des Schattens, München 1999. 2009 behandelte eine großangelegte Ausstellung in Museo Nacional Thyssen-Bornemisza in Madrid das Thema Schatten, siehe Museo Nacional Thyssen-Bornemisza in Madrid, Shadows, 10.02.-17.05.2009, Ausstellungsbeschreibung, https://www.museothyssen.org/en/exposiciones/shadows (06.03.2018) sowie Noteboom, Cees, Das Schwarz am Fuß der Dinge, in: Frankfurter Rundschau online, Ressort Kultur, 02.04.2009, http://www.fr.de/kultur/kunst/ausstellung-schatten-in-madrid-das-schwarz-am-fuss-der-dinge-a-1111745 (06.03.2018). 246 Wyller, Truls, Was ist Zeit? Ein Essay, Stuttgart 2016, S. 8. Er bezieht sich hier auf Roland Barthes, der das Betrachten einer Fotografie als das „Anstarren von etwas Vorzeitlichem“ beschrieb, als ob man ein Gespenst sehe. Siehe auch Barthes, Die helle Kammer, a.a.O., S. 22. 58 Vergangenheit in ihrer Jetzt-Zeit der Betrachtung, also auf der Ebene der Rezeption zu erleben. Der subtile Effekt, die Präsenz der Sonne durch das Spiel mit Licht und Schatten darzustellen und auf diese Art ihren Einfluss auf die Natur zu verbildlichen, beschränkt sich nicht nur auf die weiter unten genauer in Augenschein zu nehmenden, verschiedenen Variationen von Sunrise Shadow, sondern durchzieht Hamish Fultons fotografisches Oeuvre von Anfang an wie ein roter Faden. Bereits in frühen Arbeiten wie A Condor (1972)247 oder Seven Winter Midday Shadows (1974)248, aber auch in Werken aus den 1980er- und 1990er-Jahren wie Eight Reed Shadow Line (1985)249 oder Boulder Shadows (1995, Abb. 3) ist dieses Schattenspiel nicht nur im Foto zu sehen, sondern ebenso wie bei Sunrise Shadow titelgebend. In Villanueva de Cordoba (1989/90, Abb. 4)250 ist es der Schatten eines Menschen, der auf ein Straßenpflaster fällt – und visualisiert im Moment der Aufnahme die Zeitlichkeit des dem Kunstwerk zugrundeliegenden Akts des Gehens. Kathrin Tillmanns beschreibt in ihrer umfangreichen Analyse zur „Medienästhetik des Schattens“, dass der Schatten eines Menschen Teil des Schatten werfenden, lebendigen Individuums sei.251 Wie sich im Zusammenhang mit der Werkanalyse von Touching By Hand One Hundred Rocks (1989, siehe Abb. 68)252 zeigen wird, versteht Hamish Fulton Steine als Elemente, die innerhalb natürlicher Zyklen ein gewisses Eigenleben, also eine ganz eigene Form von Zeitlichkeit und Manifestation im Sinne eines Zeichens von „Echtheit und Wirklichkeit“253 besitzen: „THE ROCKS ARE ALIVE IN THEIR HOMELAND“254. Vor allem die Betonung des Schattenwurfs von Steinen und Felsbrocken kann somit als eine Akzentuierung dieser ihnen zugesprochenen Zeitlichkeit verstanden werden, die sich mit Tillmanns Verständnis von Schatten in Einklang bringen lässt.255

247 Abb. siehe Tate, Art & Artists, Hamish Fulton, A Condor, https://www.tate.org.uk/art/artworks/fulton-a- condor-t01762 (09.12.2019). Hier ist das das dritte von drei Bildern rechts außen gemeint: “ON ILLAMPU A SHADOW LINE OF PELICAN FEATHERS AND REEDS FROM LAKE TITICACA”. 248 Abb. siehe mumok, Collection, Collection online, Seven Winter Midday Shadows, https://www.mumok.at/en/seven-winter-midday-shadows (09.12.2019). 249 Abb. siehe artnet.com, Artists, Hamish Fulton, Eight Reed Shadow Line for an Eight Day Walk, http://www.artnet.com/artists/hamish-fulton/eight-reed-shadow-line-for-an-eight-day-walk- k_8wd_C9IuFra7fMe4onxQ2 (12.06.2020). 250 Eine Variante dieser Arbeit findet sich auch in Thirty One Horizons, a.a.O., S. 25. 251 Vgl. Tillmanns, Medienästhetik des Schattens, a.a.O., S. 36. 252 Siehe Kapitel III. 2.2.3.1 Touching By Hand One Hundred Rocks, 1989. 253 Gombrich, Schatten, a.a.O., S. 21. 254 Siehe Hamish Fulton in: Walking in relation to everything, a.a.O., S. 30; auch Wilson, “The blue mountains are constantly walking”, a.a.O., S. 28. 255 Vgl. Tillmanns, Medienästhetik des Schattens, a.a.O., S. 21. 59 Mit dem wandernden Schatten durch den Umlauf der Erde um die Sonne experimentiert Fulton überwiegend in frühen Arbeiten wie Seven Winter Midday Shadows, A Condor und Eight Reed Shadow Line. Der Moment der Aufnahme zeigt jeweils einen kurzen, flüchtigen Moment künstlerisch kreierter Harmonie, bevor sich der Schattenwurf durch die Erdrotation verändert. Fulton verknüpft hier Zyklen der Natur wie den Sonnenlauf und die Tageszeiten mit der kreativen Inanspruchnahme der Natur durch den Künstler. Während die Fotografien von Gesteinsbrocken für seine besondere Beziehung zur Natur stehen und bis heute immer wieder in seiner Kunst vorkommen,256 zeugen die anderen Arbeiten noch stark von seinen frühen Experimenten mit Materialien aus der Natur und einer gewissen Nähe zur Kunst der „Environmental Art“ oder „Ecological Art“, die gemeinhin der Kunstströmung „Land Art“ zugewiesen werden. Hier zeigt sich, wie schwierig es noch immer ist, Fultons Kunst von dem plakativen Begriff „Land Art“ zu trennen.257 Anhand eines Vergleichs mehrerer Varianten der Arbeit Sunrise Shadow soll nachfolgend aufgezeigt werden, wie sich der Inhalt und Umfang der Walk Texte im Laufe seiner künstlerischen Entwicklung verändert hat und somit auch den Kunstbetrachtern andere Sichtweisen auf den zugrundeliegenden Walk und das künstlerische Gehen ermöglicht.

Vergleicht man die soeben besprochene Abbildung aus dem Katalog „Walking Artist“ von 2001 mit der schwarz-weißen Variante, die Fulton für die Publikation der Villa Merkel in Esslingen 2014 verwendet hat – Sunrise Shadow (Orizaba) 1979 (1979, Abb. 5)258 – fällt auf, dass der Künstler für die jüngere Publikation sowohl die Art der Präsentation als auch die gegebenen Informationen der Abbildung verändert hat. In dieser Abbildung ist nicht nur der Text in die Aufnahme integriert, sondern auch deren Ausschnitt an das breitere Format des Katalogs angepasst worden, wodurch der obere Teil der Fotografie abgeschnitten wurde. Zudem ist der Text um die nicht unwesentliche Information bereichert worden, am Kraterrand übernachtet zu haben: „ONE NIGHT BIVOUAC ON THE SUMMIT RIM OF PICO DE ORIZABA MEXICO 1979“.259 Der Grund für die Unterschiede in der Präsentation seien vor allem die Layoutvorstellungen der Grafiker, die immer wieder sowohl das Passepartout als auch den Holzrahmen abschnitten, wodurch es nicht möglich sei, den Walk Text zu lesen, so der Künstler: “This same

256 Vgl. hierzu auch das Kapitel III. 3. Ausdauer, Spuren der Zeit und Verschleiß. 257 Vgl. auch Kapitel III. 1.2.1 July Full Moon over the Doda River, 1979. 258 Abb. siehe auch Hamish Fulton. Walking Transformation, a.a.O., S. 36. 259 Das Wort „Sunrise“ im Titel ließe diese Möglichkeit zwischen den Zeilen zwar auch schon in der früheren Umsetzung zu, aber er hätte auch die Nacht über wandern können, um dann als Krönung mit dem Erleben des Sonnenaufgangs belohnt zu werden. 60 type of designer also does not think to reprint the full walk text below the image. For them, the photo is more important than the walk text.”260 Für Hamish Fulton ist der Text jedoch elementarer Bestandteil des Kunstwerks und ebenso mit der Arbeit verknüpft, wie mit dem zugrundeliegenden Walk. Weit mehr als die Fotografie übernimmt bei Fulton nämlich der Walk Text jene Beweisfunktion im Sinne von „Ich war hier“: „All my walk texts are true. […] I have chosen to record my walks out of respect for their existence. The texts are facts for the walker and fiction for everyone else.”261 Die Entscheidung, die für das Verständnis des Kunstwerks wichtigen Zeilen zugungsten der Sichtbarkeit des Bildes zu beschneiden, ist für Fulton einmal mehr ein Grund, den auf das Bild ausgerichteten Blick der Kunstgeschichte zu kritisieren: “This is another art history classic. We are supposed to be discussing so-called visual art, yet the museum catalogue designers often assassinate the artwork.”262 Jedoch verändern nicht nur die Grafiker offizieller Ausstellungskataloge seine Referenzarbeiten visuell, auch Fulton selbst entwirft Variationen unterschiedlicher grafischer Layouts. Die gleichnamige Farbfotografie Sunrise Shadow (Popocatepetl) 1990 (1990, Abb. 6) ist eine Referenz auf Fultons Wanderung auf den Gipfel des Popocatepetl im Jahr 1990.263 Es zeigt sich, dass die grafische Umsetzung im Vergleich zu den zuvor beschriebenen Referenzarbeiten erneut verändert wurde: Der Titel ist diesmal am oberen Rand mit weißen Versalien in das Bild eingelassen, überlagert also die Fotografie. Die Information „A WALK TO THE SUMMIT OF POPOCATEPETL MEXICO JANUARY 1990 ONE NIGHT BIVOUAC ON THE CRATER RIM“ wiederum findet sich als Einzeiler unterhalb des Bildes. War bei den früheren Umsetzungen noch der geografische Aspekt („Crater Rim“) oder das Übernachten („One Night Bivouac“) wichtig, legt Fulton bei der jüngeren Arbeit den Schwerpunkt darauf, dass es sich um einen Walk, also eine Wanderung gehandelt hat. Erst gegen Ende des Walk Texts folgt die Information, dass er währenddessen die Nacht am Kraterrand verbracht hat. Der dem Kunstwerk vorausgehende künstlerische Akt des Gehens, der unabdingbar mit dem materiellen Werk verbunden ist, gewinnt somit auch in der Referenzarbeit selbst an Gewicht.

260 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 13.07.2017. 261 Fulton, Shadow, a.a.O., S. 27. 262 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 13.07.2017. 263 Auf der Homepage der i8 Gallery aus Reykjavik ist das Bild so zu sehen, wie Fulton seine Fotoarbeiten im Ausstellungskontext am häufigsten präsentiert, nämlich innerhalb eines breiten Passepartouts hinter Glas gerahmt, siehe i8.is, Exhibitions, Hamish Fulton, 25.04.-01.06.2013, Works, Sunrise Shadow, https://i8.is/exhibitions/131/works/artworks9219/ (09.12.2019). 61 Mit der Integration von Typografie in die Fotografie, also der „materiellen Repräsentationsform[…] von Textinformation“264, nimmt Fulton den Aufnahmen das erzählerische Eigengewicht. Zu diesem Gedanken gelangt auch Muriel Enjalran, wenn sie schreibt: „[…] by adding words to these images, he soon undermines their representative and contemplative purpose.“265 Die Fotografie als Dokument des real erlebten Moments tritt in den Hintergrund. Lassen großzügige Fotografien wie Sunrise Shadow von 1979 noch viel Raum für Vergleiche zur (Kunst-)Geschichte und zu Projektionen klischeehafter Vorstellungen über Natur, Umwelt und die Rolle des in seinen Bildern abwesenden Menschen, erzwingt Typografie das Lesen zwischen den Zeilen, das Erinnern an eigene Erfahrungen.266 Zudem enthält der von Fulton integrierte Text ergänzende Informationen, welche eine Fotografie nicht vermitteln kann: „Then, there is the issue of the text and the image, of the relationship established between them both. If something had to be subtracted it would be the photograph, not the text. Photography doesn’t give exact details (when, where, how long I was walking) whereas a very small text can address all those kinds of issues.“267 Auch für Enjalran haben die von Fulton verwendeten Begriffe weniger eine deskriptive oder illustrative Funktion, sondern ergänzen die Erfahrungen des Künstlers.268 Die Verknüpfung einzelner Buchstaben, Fonts und Farben mit einem Bild zu visuellen Kompositionen offenbart eine übergeordnete Sinnhaftigkeit, die über die „metonymische Funktion“ der Worte hinausgeht: “The color and size of the lettering is not chosen randomly, they reinforce the message.“269 Hier wird deutlich, dass auch die Ebene der Rezeptionszeit eine wesentliche Rolle in der Kunst Hamish Fultons spielt: Der Text, vom Künstler gedacht und geschrieben, fordere den Betrachter dazu auf, ihn bewusst zu lesen und dadurch zu aktivieren, so Enjalran270 – ein zeitlich anspruchsvoller Vorgang, der aber den Betrachtern wiederum mehr Freiraum für eigene Bildvorstellungen lässt.

264 Schneider, Dunja, Worträume. Studien zur Funktion von Typografie in installativen Werken von der Conceptual Art bis heute, Berlin 2011, S. 29. 265 Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 18. 266 Das wird vor allem an seinen rein typografischen Kunstwerken deutlich, wie sich him Verlauf der vorliegenden Arbeit noch herauskristallieren wird. 267 Hamish Fulton im Interview mit Esperanza Collado, siehe Collado, Hamish Fulton, a.a.O. 268 Vgl. Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 19. 269 Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 19. 270 Ebd. 62 Auch Richard Long, mit dem Fulton die Wanderung damals gemeinsam unternommen hatte,271 gelang es in einer Farbfotografie, den magischen Moment des Sonnenaufgangs durch den Bergschatten einzufangen und in der zweiteiligen Arbeit Pico de Orizaba (1979)272 zwar ähnlich und doch visuell etwas anders zu verarbeiten als Fulton. Neben der Farbfotografie fügt Long seine Eindrücke hinzu: „SNOW / WARM GRAVEL / SNOW / STONES ROCKS / DUST / PINE NEEDLES / POWDER DUST / GRIT / PICO DE ORIZABA / A 5 ½ DAY WALK FROM TLACHICHUCA / TO THE SUMMIT AT 18855 FEET / AND BACK / MEXICO 1979“. Auch Long verwendet also Wort und Schrift, um die Informationen des Fotos zu ergänzen und den Betrachtern so einen Eindruck von den Gegebenheiten der Wanderung zu vermitteln, allerdings ausführlicher als Fulton und getrennt von der Fotografie. Die Kunstbetrachter erfahren dadurch nicht nur etwas über die landschaftliche Beschaffenheit und die gefühlte Temperatur, sondern auch die Dauer und den Ausgangspunkt der Wanderung sowie die nicht unwichtige Tatsache, dass die Wanderung nicht oben am Kraterrand geendet hat, sondern der Rückweg Teil des künstlerischen Geh-Aktes ist. Longs Bedürfnis, ein möglichst breites und sinnliches Bild der Situation zu vermitteln, scheint ausgeprägter zu sein als bei Fulton, ist aber aufgrund der detailreicheren Angaben für die Betrachter weniger freilassend.

1.1.2 Solstice, 1992

„Solstice“ – in schwarzen Großbuchstaben ist das Wort auf eine kleine, braune Papiertüte gedruckt, darunter befindet sich ein leicht schief platzierter, kleinerer, aber ebenso schwarzer dreizeiliger Walk Text. Mit der querformatigen Farbfotografie Solstice (1992, Abb. 7) nimmt Hamish Fulton Bezug auf eine weitere große Wanderung, bei der er diesmal Frankreich im Juni 1992 von Süden bis nach Norden zu Fuß durchquert hat: “A ROAD WALKING JOURNEY / FROM THE MEDITERRANEAN SEA TO THE ENGLISH CHANNEL / NARBONNE-PLAGE TO BOULOGNE- SUR-MER / FRANCE 1-21 JUNE 1992”. Ähnlich wie bei seiner Schlüsselwanderung von 1973, die er u.a. ebenfalls mittels einer kleinen, braunen Souvenirtüte aus Papier zu einem Kunstwerk verarbeitet hat (Lands End,

271 Eine Fotografie in Hamish Fultons Publikation „Walking Artist“ zeigt Richard Long, wie er, eingehüllt in eine dicke Daunenjacke, am schneebedeckten Kraterrand auf einer kleinen improvisierten Kochstelle eine Mahlzeit zubereitet. Siehe Fulton, Walking Artist, a.a.O., nicht paginiert. Da sich dieses Foto direkt neben der eingangs beschriebenen Abbildung von Sunrise Shadow befindet, wäre es theoretisch möglich, auch ohne die Zusatzinformation des Biwakens davon auszugehen, dass die beiden Künstler dort übernachtet haben könnten. 272 Abb. siehe Richard Long. In Kreisen gehen, Richard Long. Walking in Circles, Hayward Gallery, The South Bank Centre, London, 14. Juni-11. August 1991, S. 41. 63 1973),273 symbolisiert dieser schlicht bedruckte Umschlag nicht nur das erreichte Ziel, sondern auch jenen heroischen Augenblick – den Endpunkt –, an welchem er einmal mehr ein ganzes Land durchwandert hat. Vermittelt wird diese Erfahrung nicht etwa durch eine eindrückliche Fotografie, sondern durch nüchterne Typografie – eine extrem minimalistische Reduktion seiner persönlich durchlebten Realität, dem gelungenen Erreichen seines Ziels.274 Wieder wird deutlich, dass der Walk Text eine wesentliche Rolle für die Rezeption von Fultons Kunst spielt. Anhand des Titels Solstice sowie der im Text angegebenen Daten der Wanderung erfährt man, dass Hamish Fulton sich für den zeitlichen Abschluss der dreiwöchigen Wanderung an einem wichtigen kosmischen Ereignis orientiert hat: Der Sommersonnenwende. Das Solstitium stellt einen Wendepunkt im Sonnenjahr dar, der auch als „goldene Pendelbewegung am Himmel“275 beschrieben wird. Traditionell wird der längste Tag des Jahres von Festen und großen Feuern begleitet. Automatisch möchte man einem so naturverbundenen Künstler wie Hamish Fulton seine auf das kosmologische Ereignis ausgerichtete Wanderung und somit auch die Referenzarbeit in Hinblick auf die mythologische Bedeutung der Sonnenwende auslegen. Schenkt man jedoch seiner Künstleraussage Glauben, hat dies viel profanere Gründe und hängt zuvorderst mit den Lichtverhältnissen zum Zeitpunkt der Sommersonnenwende zusammen: „Energy from sunlight“276, sagt Fulton und meint damit die Tatsache, dass es in den Wochen vor und nach der Sommersonnenwende besonders lange hell ist und er das Tageslicht nutzen kann, um so weit und lange wie möglich zu wandern.277 Die Wintersonnenwende wiederum ist für seine Wanderung aus anderen Gründen interessant: In der dunkelsten Jahreszeit ermöglicht die klare Luft oftmals einen besonders hellen Vollmond – und dessen Licht erleichtert wiederum das Wandern bei Nacht.278 Es ist also durchaus nachvollziehbar, dass er für seinen „CONTINOUS 125 MILE WALK WITHOUT SLEEP“ entlang des Pilgrim’s Way 1991 den Zeitraum der Wintersonnenwende gewählt hat – visuell nachvollziehbar in dem Wandtext Winter Solstice Full Moon (1991)279.

273 Abb. siehe Walking in relation to everything, a.a.O., S. 1. 274 Zur Verwendung von Typografie in Hamish Fultons Kunst siehe Kapitel III. 1.3.1 Stars Paces, 1995. 275 Calasso, Roberto, The Marriage of Cadmus and Harmony, New York 1993, S. 41. Zitiert in Ronnberg/Martin, Das Buch der Symbole, a.a.O., S. 92. 276 Hamish Fulton in: Walking in relation to everything, a.a.O., S. 16. 277 „There is no shortage of daylight for walking at the time of the summer solstice.” Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 08.08.2017. 278 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 23.03.2018. Zur Bedeutung und Verbildlichung des Vollmondes bei Fulton siehe Kapitel III. 1.2 Mond. 279 Abb. siehe Thirty One Horizons, a.a.O., S. 48. 64 Interessanterweise findet sich innerhalb seines Oeuvres keine Arbeit, die eindeutig eine Sonnenfinsternis hervorhebt – andere Künstler nehmen hingegen ganz explizit darauf Bezug, wie beispielsweise Richard Long in seiner Arbeit Walking to A Solar Eclipse (1999)280 oder Roger Ackling in seinem Druck Total Eclipse of the Sun (1999)281. Der Seltenheitswert eines solchen Ereignisses ist für viele Menschen von so großer Faszination, dass sie um den ganzen Globus reisen, um an dem Ereignis teilzuhaben.282 Bei Fulton findet die Sonnenfinsternis von 1999 hingegen keine hervorgehobene Erwähnung. In der typografischen Fotoarbeit Climate Changes (1999-2001) listet der Künstler insgesamt acht Gänge zwischen 1999 und 2001 auf, während derer er zu unterschiedlichsten Tages- und Jahreszeiten sowie kosmologischen Ereignissen barfüßige Schritte gezählt hatte – auch während der Sonnenfinsternis 1999.283 Ob nun aufgrund von mythologischer oder profaner Intention, ob hervorgehoben oder nur en passent im Walk Text werwähnt – die Sonne als lebensspendende Energiequelle in all ihren kosmologischen Erscheinungsformen ist nicht nur elementar für Fultons Walks, sondern auch wichtiger Bestandteil seiner künstlerischen Äußerungen. Nicht immer ist es ihm dabei wichtig, einen verbildlichten Bezug herzustellen, auch, wenn das Ereignis durch seine einrahmende Funktion als Anfangs- oder Endzeitpunkt einer Wanderung eine maßgebliche Rolle für den Walk gespielt hatte. Dass er visuell so deutlich darauf Bezug nimmt, wie in Solstice, ist eher eine Ausnahme, obwohl auch in anderen Arbeiten der Werktitel darauf hinweist, dass die Sonne während des Walks eine besondere Rolle gespielt hat, wie beispielsweise in der

280 Abb. siehe ocrablog.com, Richard Long: Textworks 1990 to 2012 – Lorcan O’Neill, Roma, 22.03.2012, http://ocrablog.blogspot.com/2012/03/richard-long-text-works-1990-to-2012.html (20.06.2020). 281 Abb. siehe Peter Foolen, Roger Ackling – Total Eclipse of the Sun, 20.03.2009, http://peterfoolen.blogspot.com/2009/03/roger-ackling-total-eclipse-of-sun.html (09.12.2019). 282 Für viele Menschen scheint eine elementare Verbindung zwischen dem Kosmos, der belebten Natur und der individuellen Person zu existieren, die im Augenblick beispielsweise einer totalen Sonnenfinsternis am Ort des Geschehens durchlebt werden kann. Aufgrund des hohen Interesses haben sich manche Reiseunternehmen daher sogar auf Reisen zu Sonnenfinsternissen spezialisiert, siehe Eclipse-reisen.de, American Eclipse. Reiseangebote zur Totalen Sonnenfinsternis am 21.08.2017, o.J., http://www.eclipse-reisen.de/2017/index.htm (03.04.2017); sonnenfinsternisreisen.de, Sonnenfinsternis-Reisen rund um den Globus. Reisen zur Schwarzen Sonne, o.J., http://www.sonnenfinsternisreisen.de/index.htm (03.04.2017); South America Classic Tours, Totale Sonnenfinsternis, Übersicht, o.J., http://www.classic-astro-reisen.de/ (03.04.2017). Für die 2017 hauptsächlich über den USA stattfindende Sonnenfinsternis konnte man online alle von der NASA zur Verfügung gestellten Daten abrufen, siehe Sonnenfinsternis-Info, Die Sonnenfinsternis am 21.08.2017 im Überblick, o.J., http://www.sonnenfinsternis.org/sofi2017t/index.htm#ueberblick (03.04.2017). 283 Abb. siehe Hamish, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. Climate Changes ist eine Arbeit, die unterschiedlichste Interessensgebiete Fultons gebündelt zu visualisierene weiß: Die Verwendung von Zahlen und ihrer Verknüpfung mit der Anzahl von Buchstaben (siehe hierzu v.a. das Kapitel III. 3.1.2 Not By Car, 2017, das Zählen von Schritten (siehe Kapitel III. 2.2.2 Schritte) sowie ein immer wieder anklingender Kommentar zum Klimawandel. 65 Schwarz-Weiß-Fotografie SunMoon (2015, Abb. 8) oder der Holzarbeit Two Days of Sunshine (2009)284. Häufiger finden sich die Bezüge jedoch innerhalb des Walk Texts, welche die Hintergründe und Bezüge seiner Wanderungen offenlegen. Die Referenzarbeit Swifts in the Blue Sky (A 43 Day Coast to Coast Walking Journey, 2001) zu seiner Wanderung von Porto nach Cataluna 2001 beispielsweise endet „WITH THE SUMMER SOLSTICE“, zeigt aber ein Foto von Schwalben vor einem blauen Himmel.285 In Bird Rock (1999) wiederum, einer farbigen Fotoarbeit, die einen mit Vogelkot verzierten großen Felsbrocken zeigt, erfährt der aufmerksame Leser, dass der Künstler während seiner 14-tägigen Wanderung in Kanada, die auch 14 Nächte Camping beinhaltete, den Zelteingang jeden Tag an der Position des Sonnenaufgangs ausgerichtet hatte.286 Werke wie Morning Sunshine (1994)287, die bereits erwähnte Arbeit Seven Winter Midday Shadows (1974), Communal Walk Penzance Beach 2013 (2013, Abb. 9), No Thoughts Counting Seven Paces on Senjoh Dake at Sunset (1988, Abb. 10) oder A Line Between the Morning Sun and the Evening Sun (1992)288 zeigen wiederum, wie die Sonne in Form von Tageszeiten Einfluss auf seine Kunst nimmt. Nicht zuletzt finden sich auch Arbeiten, welche die Sonne ganz grundsätzlich thematisieren, beispielsweise in Form visueller Phänomene wie in A Halo round the Sun, (1995)289 oder in Form ihres Einflusses auf Prozesse in der Umwelt wie in Disappearing Lake (1999, Abb. 11).290

284 Abb. siehe Josée Bienvenu Gallery, Exhibitions, Hamish Fulton – Walking Artist, 08.09.-12.10.2016, http://www.joseebienvenugallery.com/exhibitions/hamish-fulton#26 (06.06.2020). 285 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. Der gesamte Walk Text lautet: “A 43 DAY COAST TO COAST WALKING JOURNEY ON PAVEMENTS ROADS AND PATHS STARTING AT THE MOUTH / OF THE DOURO RIVER IN PORTO ENDING WITH THE SUMMER SOLSTICE / AT THE DELTA OF THE RIVER EBRO IN CATALUNA PORTUGAL SPAIN BASQUE PYRENEES FRANCE 2001”, Hervorhebung d.V. 286 Abb. siehe beispielsweise Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert, Thirty One Horizons, a.a.aO., S. 15 oder Fulton, Walking Artist, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. “A 14 DAY WALKING JOURNEY 14 NIGHTS CAMPING / ALONG THE NORTH SHORES AND OVER BLUFFS OF THE MILK RIVER / DOWNSTREAM RETURNING UPSTREAM STARTING ON THE SEVENTH DAY OF THE SEVENTH MONTH / TENT DOORS FACING THE SUNRISE EACH DAY ALBERTA CANADA 1999”, Hervorhebung d.V. 287 Abb. siehe Fulton, Walking Artist, a.a.O., nicht paginiert. 288 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. 289 Entgegen der durch den Titel geschürten Erwartung, das Phänomen fotografisch abgebildet zu sehen, ist die Sonne in dieser Farbfotografie gar nicht abgelichtet – allein Licht und Schatten der abgebildeten verschneiten Berglandschaft geben einen (indexikalischen) Hinweis auf die Sonne. 290 Vgl. hierzu auch das Kapitel III. 3.2 Natur. 66 1.1.3 Kailash Kora, 2007

Wie Solstice kommt auch die Arbeit Kailash Kora (2007, Abb. 12) ganz ohne Fotografie aus. In dem Bild thront ein großer, gelber Kreis über einer weißen Sichelform.291 Darunter ist ein treppenartiges Trapez zu sehen, dessen sieben Stufen gelb umrandet sind und innerhalb derer sich über sechs Zeilen verteilt der rote Walk Text befindet: „KAILASH KORA / WALKING ONE CIRCUIT / OF THE PILGRIMAGE ROUTE / ROUND MOUNT KAILASH TIBET 5 + 6 OCTOBER 2007 / COLD WIND AND SLEET OVER THE 5668 METRE DROLMA PASS / FOLLOWING IN THE ENERGY OF A BUDDHIST NUN“.

Einmal mehr hat Fulton den Walk Text um wesentliche Informationen wie Wetterlage („cold wind and sleet“) und Höhenangaben („5668 metre Drolma Pass“) 292 und sogar um Angaben über eine inspirierende Begleitung („the energy of a buddhist nun“) bereichert – eine seltene persönliche Äußerung innerhalb der ansonsten so nüchternen Fakten des Walk Texts.293 Die visuelle Reduktion auf Symbole bzw. Zeichen ermöglicht es Fulton zudem, die Quintessenz seiner Erfahrung eindrücklich zu verbildlichen, ohne den Betrachter durch die Idylle oder Ästhetik einer Fotografie abzulenken. Zwei wichtige Punkte sollen anhand dieser Referenzarbeit genauer erläutert werden: Die Bedeutung des von Fulton verwendeten Zeichens (Kreis und Sichelform) sowie das Begehen von Rund- und Pilgerwegen als Ausdruck eines zyklischen Zeitverständnisses. Die Inspiration zu dem an Sonne294 und sichelförmigen Mond erinnernde Zeichen fand Fulton in Tibet. Dort ist es dem Künstler zufolge immer wieder an Tempeltüren zu sehen und bedeutet so viel wie „Viel Glück!“.295 Darüber hinaus findet sich dieses Symbol auch auf dem

291 Auf diese Wanderung bezieht er sich noch in einer anderen Arbeit, welche die Silhouette des Berges zeigt und den Untertitel trägt: „GLOBAL INFLUENCES OF TIBETAN BUDDHISM DURING THE 21 CENTURY“, eine eindeutig politische Arbeit, vgl. Kailash Kora, 2007, Abb. 14. 292 Immer wieder finden sich exakte Angaben zu den Höhenmetern der bestiegenen Berggipfel. Siehe hierzu das Kapitel III. 2. Zahlen, Zählbare Zeit und Vermessen. 293 Hamish Fulton beschreibt diese Wanderung ausführlich in seiner Publikation „The Uncarved Block. Hamish Fulton“, welche anlässlich von zehn „Short Walks“ im Himalaya veröffentlicht wurde, die der Künstler zwischen 1975 und 2009 unternommen hat. Siehe Fulton, The Uncarved Block, a.a.O., S. 114f. Im Buch findet sich auch die Abbildung einer von Fulton gezeichneten Art Landkarte, die sowohl Laufrichtung als auch wichtige Orte, Haltepunkte und geografische Begebenheiten enthält und einen guten Eindruck der Wanderung vermittelt. Ebd., S. 112. 294 Zu der Kreisform als Symbol ist Gelb (dicht gefolgt von Gold) die am häufigsten verwendete Symbolfarbe für die Sonne. Vgl. Cohen, Die Sonne, a.a.O., S. 427-431. 295 Vgl. den Saaltext zur Ausstellung „Hamish Fulton. Walking Journey“ in der Tate 2002, siehe Tate, Room 6: Distance and Time, Exhibitions & Events, o.J., http://www.tate.org.uk/whats-on/tate-britain/exhibition/hamish- fulton-walking-journey/hamish-fulton-walking-journey-room-5 (29.08.2017). 67 Kopfschmuck tibetischer Tänzer296 und vor allem als Zierde der Spitze tibetischer Stupas, einer Art Reliquienschrein und wichtigem Symbol des Buddhismus, der vor allem im Zusammenhang mit der Pilgerreise als ritueller Handlung eine besondere Rolle einnimmt.297 Im Buddhismus wird das Zeichen ganz grundlegend als kosmologisches Symbol von Sonne und Mond identifiziert, was sich in verschiedensten Bedeutungsebenen äußert.298 Die Sichelform in Kombination mit dem Kreis findet sich jedoch auch im Zusammenhang mit historischen und kultischen Sonnensymbolen. Hier symbolisiert es das jungsteinzeitliche Zeichen „Ur“, das für den kleinsten Bogenlauf der Sonne steht, also für den Verlauf der Sonne während der Wintermonate.299 Ungeachtet der zahlreichen Bedeutungen des von Fulton verwendeten Symbols zählt für den Künstler vor allem der Zusammenhang mit Tibet, das für den Künstler eine besondere Rolle spielt und immer wieder in seinen Kunstwerken thematisiert wird. Auch

296 Im Ausstellungskatalog der BAWAG-Foundation ist das Foto eines tibetischen Tänzers abgebildet, siehe Hamish Fulton. Placing One Foot In Front Of the Other, a.a.O., nicht paginiert. 297 Zur Geschichte und Symbolik des Stupas siehe Weishaar-Günter, Cornelia, Der Stupa – Umfassendstes Symbol des Buddhismus, in: Tibet-Forum, Ausgabe 1, 1997, Tibetischer Buddhismus im Westen. Missverständnisse und Adaptionsprobleme, online unter https://info-buddhismus.de/Stupa.html (01.09.2017). Zur Bedeutung von Stupas bzw. Chörten als wichtiger Ort im Verlauf einer Pilgerreise in der indisch-buddhistischen Tradition siehe Köpke, Wulf/Schmelz, Bernd (Hg.), Die Welt des tibetischen Buddhismus, Miteilungen aus dem Museum für Völkerkunde Hamburg, Neue Folge, Band 36, Hamburg 2005, S. 395. Auch im Freiburger Tibet-Kailash-Haus steht ein Stupa, der 2007 von Seiner Heiligkeit dem 14. Dalai Lama eingeweiht wurde, siehe Tibet-Kailash-Haus Freiburg, Der Freiburger Weltfriedens-Stupa, Ressort Themen, o.J., https://www.tibet-kailash- haus.de/index.php?id=100&item=1 (01.09.2017). 298 Hier steht es für die weibliche und männliche Attribute der Menschen: „The red or golden sun represents the feminine aspect of wisdom, and the white moon the male aspect of method or compassion.“ Als Quelle (Sonne) und Reflektor (Mond) des Lichts symbolisieren beide Gestirne „absolute and relative truth, and ultimative and conventional bodhichitta.“ Siehe und vgl. Beer, Robert, The Handbook of Tibetan Buddhist Symbols, Chicago 2003, S. 31f. Im Tantra-Yoga wiederum symbolisiert es als Mond-Chakra die schlafende (Mondsichel) bzw. aktivierte Energie (Kreis) des Vollmonds, welche dem Yogi physische, psychische und spirituelle Gesundheit bringt. Vgl. Bharati, Swami Jnaneshvara, Bindu: Pinnacle of the Three Streams of Yoga, Vedanta and Tantra. Piercing the Pearl of Non-Dual Wisdom, in: SwamiJ.com. Traditional Yoga and Meditation of the Himalayan Masters, o.J., http://www.swamij.com/bindu.htm (01.09.2017); vgl. auch Chakras.net, Bindu Chakra. The source of ambrosia, o.J., https://www.chakras.net/energy-centers/bindu (01.09.2017); Ayurveda & Yoaga, Bindu – The Point of Nectar, 28.08.2013, https://ayurvedayogi.wordpress.com/2013/08/28/bindu-the-point-of-nectar/ (07.06.2017) sowie grundlegend Maheshwarananda, Paramhans Swami, Die verborgenen Kräfte im Menschen : Chakras und Kundalini, Wien 2002. Das Symbol ist darüber hinaus Teil des Zeichens für den Klang „Om“. Hier wird der Punkt Turiya bzw. Bindu genannt und steht für die höchste erreichbare Bewusstseinsstufe, da er als jener Punkt gilt, in welchem sich der individuelle und der spirituelle Geist zu höchstem Potential vereinigen. Siehe Bharati, Swami Jnaneshvara, Bindu: Pinnacle of the Three Streams of Yoga, Vedanta and Tantra. Piercing the Pearl of Non-Dual Wisdom, in: SwamiJ.com. Traditional Yoga and Meditation of the Himalayan Masters, o.J., http://www.swamij.com/bindu.htm (01.09.2017). Vgl. auch Srivastava, Kamal Shankar, Hindu Symbolism and Iconography. A Study, Varanasi 1998, S. 143. Als Klang, der allen Mantras innewohnt, symbolisiert der Laut “Om”, der auch als “Aum” ausgesprochen werden kann, nicht nur die drei wichtigsten Götter des Hinduismus Brahma, Visnu und Siva, sondern vereinigt in sich sowohl die Vergangenheit, die Gegenwart als auch die Zukunft sowie alles, was außerhalb dieser drei Zeitformen existiert. Als Ton zu Beginn vieler Meditationsrituale soll es dem Gläubigen den Weg zu innerer Freiheit ebnen. Vgl. Srivastava, Kamal Shankar, Hindu Symbolism and Iconography. A Study, Varanasi 1998, S. 301f. 299 Siehe Engler, Die Sonne als Symbol, a.a.O., S. 127ff. 68 in der Arbeit Cho Oyu (2000, Abb. 13) verwendet er das Zeichen, um eine außergewöhnliche Wanderung in den Bergen des Himalayas künstlerisch zu verarbeiten: Die Besteigung des Cho Oyu ohne Zuhilfenahme künstlichen Sauerstoffs.300 Die unterhalb des tibetischen Glückszeichens befindliche siebenstufige Dreiecksform in Kailash Kora steht für den Berg Kailash, der sich im Südwesten Tibets inmitten des imposanten Gandise-Gebirges erhebt. Er speist nicht nur vier große Flüsse in Tibet, Indien und China mit Wasser, sondern ist Buddhisten wie Hindus als eine Art irdischem Pendant zum Berg Meru – Zentrum des Universums und axis mundi301 – gleichermaßen heilig. Dadurch wird er zum Ziel zahlloser Pilgerreisen.302 Durch eine Umrundung des Berges, Kora genannt, sollen Körper, Geist und Seele eine Reinigung und Läuterung erfahren, weshalb jeder gläubige Tibeter versucht, mindestens einmal in seinem Leben eine Kora zu vollenden.303 Auch Fulton hat sich der Referenzarbeit zufolge auf tibetische Pilgerpfade begeben. Das im Walk Text von Kailash Kora genannte, 52 km lange und zwei bis drei Tage dauernde zirkuläre Gehen um den Kailash ist in der Form des gelben (Sonnen-)Kreises enthalten, der hier für die Versenkung in eine Form pilgernden Gehens „um einen Fixpunkt[,] einen kosmische[n] Punkt, an dem alles beginnt und endet“304 steht. Die Pilger werden durch das Gehen „Teil der Kreisbewegung, die sich um den Mittelpunkt des Universums bewegt.“ 305 Durch diese Art des Gehens verbinden sie nicht nur das Zentrum des Universums (Meru) mit dem „Nabel der Welt“ 306 (Kailash), sondern auch sich selbst wieder mit dem Universum – und begeben sich in dieser Einswerdung gleichzeitig auf eine Reise zu sich selbst.307

300 Zur ausführlichen Analyse dieser Wanderung siehe Kapitel III. 3.1.2 Bardo, 2009. 301 Siehe The Editors of Encyclopædia Britannica, Mount Meru (Mythology), in: Encyclopædia Britannica, 30.07.2013, https://www.britannica.com/topic/Mount-Meru-mythology (17.11.2017). In der abendländischen Symbolik bildet die „axis mundi“ – Achse der Welt – oder auch „omphalos“ – Nabel der Welt – genannt, den Mittelpunkt der Erde (als Scheibe). Vgl. Weißmann, Werner, Sonne, Gral, Dämonen… Bedeutende abendländische Symbole in Mythos, Religion und Kunst, Wien 1998, S. 16. 302 Siehe The Editors of Encyclopædia Britannica, Kailas Range, in: Encyclopædia Britannica, 30.07.2013, https://www.britannica.com/place/Kailas-Range (17.11.2017). 303 Vgl. Fülling, Oliver, Tibet, Stefan Loose Travel Handbücher, 4. Auflage, Ostfildern 2017, S. 298. Einen beeindruckenden Bericht über den misslungenen Versuch, den Mount Kailash zu umrunden und dabei fotografisch zu dokumentieren, liefert der Japaner Kenro Izu in „Passage to Kailash“, in: World Literature Today, März/April 2013, Vol. 87 Iss. 2, S. 68-71. Man kann ihn als Bestätigung dessen sehen, was an Fultons Kunst auf den ersten Blick unzugänglich wirkt: Es ist mitunter unmöglich, eine intensive Erfahrung bildlich zu vermitteln, ähnlich Fultons Aussage „An object cannot compete with an experience“. 304 Fülling, Tibet, a.a.O., S. 296. 305 Ebd. 306 Ebd., S. 295. 307 Ebd., S. 297. 69 Diese Überlegungen spiegeln sich auch in der grundsätzlichen Bedeutungzuschreibung besonderer Berge wieder. Ein heiliger Berg wie der Kailash symbolisiert „die spirituellen Eigenschaften der menschlichen Psyche“308 und gilt als Allegorie des menschlichen Lebens.309 Der Berg verbindet Himmel, Erde und Unterwelt, erhält Bedeutung eines Weltzentrums, eines Nabels der Welt (omphalos) und einer axis mundi (Weltachse).310 Durch Nähe zum Himmel wird er „zu einem Ort numinosen Geschehens und Wirkens“, in der Bibel ein Symbol für Gottesnähe und göttliche Macht.311 Nicht umsonst finden sich in verschiedenen Mythologien auf Bergen die Wohnsitze von Göttern und Gottheiten – sowohl bei den Israeliten (Jahwe), den Germanen (Thor) oder in der hellenistischen Götterwelt (Zeus). Der Berg ist „Sinnbild für Festigkeit, Unerschütterlichkeit und Beständigkeit“, symbolisiert „geistigen Aufstieg und die Erlangung des höchsten Stadiums an Bewußstsein“312

Fultons zirkuläres Gehen um den Kailash verbildlicht in besonderem Maße auch Aristoteles‘ Gedanken zu Zeit als Kreis: „Die Zeit ist wie ein Kreis: Das Jetzt ist Anfang und Ende einer Zeit, aber nicht derselben Zeit.“313 Schließt sich der Kreis nach einer Umrundung, wird die Wahrnehmung der zweiten und jeder folgenden Umrundung nicht dieselbe sein, sondern auf die erste aufbauen. Somit kann das Gehen auf Rundwegen nicht nur als Hinweis auf den Zyklus des Lebens allgemein verstanden werden. Durch sein zirkuläres Gehen als ein künstlerischer Akt scheint Fulton das grundsätzlich Profane seines künstlerischen Konzeptes zu einer Art „Geistigen in der Kunst“314 zu verwandeln, durch deren höheren Sinngehalt zuletzt auch die Betrachter mittels der Reimagination dieser Art des Gehens eins werden können mit dem Universum. Die Wanderung um den Kailash hat Hamish Fulton besonders häufig in Kunstwerke umgesetzt, so beispielsweise als überdimensionales Wandbild Kailash Kora (2007, Abb. 14) oder zarte Malerei (Abb. 15); in Form fotografischer Umsetzung seiner 2011 erfolgten Umrundung durch

308 Battistini/Impelluso, Das große Bildlexikon, a.a.O., S. 135. 309 Diese Vorstellung geht auf einen philosophischen Dialog des 1. Jh. N. Chr. Zurück, der unter dem Namen Pinax bekannt ist. Siehe und vgl. Ebd., S. 136. 310 Weißmann, Sonne, Gral, Dämonen…, a.a.O., S. S. 21. 311 Ebd. 312 Ebd. 312 Seymour, Anne, In Kreisen gehen, in: Richard Long. In Kreisen gehen, a.a.O., S. 27. 313 Flasch, Was ist Zeit?, a.a.O., S. 120. Flasch bezieht sich hier auf Aristoteles, a.a.O., hier Buch IV, Kap. 13. 314 In Anlehnung an Wassily Kandinskys Überlegungen zum Geistigen in der Kunst, siehe Kandinsky, Wassily, Über das Geistige in der Kunst, 10. Aufl., Bern 1973. 70 Kailash The North Face (2011)315 oder The Precious Mountain (2011, Abb. 16), aber auch als höchst politische, typografische Arbeit Chinese Economy Tibetan History (Abb. 17).316 Die Kora um den Kailash ist nicht der einzige Pilgerweg des tibetischen Buddhismus, dem Fulton folgt.317 So läuft er 2007 sowohl eine Runde der Drepung Kora (2007)318 in der Nähe von Lhasa, als auch sieben Runden der Barkhor Kora in Lhasa, visualisiert in der zweiteiligen typografischen Arbeit Justice Barkhor Freedom Jokhang (2007, Abb. 18). Vor allem der Teil Freedom Jokhang ist im Zusammenhang mit den politischen Protesten von 1987 sinnbildlich für sowohl den tibetischen Buddhismus als auch das tibetische Nationalbewusstsein. Mit seiner Referenzarbeit nimmt Fulton ausdrücklich Bezug auf diesen politischen Hintergrund.319

Betrachtet man das vielfältige Oeuvre Fultons, wird deutlich, wie stark zyklische Zeit in seinem Werk verankert ist. In allen Wanderungen, in denen Fulton in Kreisen geht, also entweder einen Rundweg mit demselben Start- und Endpunkt beschreitet, Berge umrundet oder seine Wanderungen an den Rhythmen der Natur ausrichtet, spielt zyklisch wahrgenommene Zeit eine Rolle. Wie sich anhand seiner Referenzarbeiten aufzeigen lässt, wird dieses zirkuläre Gehen bei ihm häufig mittels der Kreisform visualisiert. Der Kreis gilt als „universelle[s] Sinnbild für Vollkommenheit, das Absolute, die Zeit, den Himmel und das Immaterielle“320. In allen Kulturen der Erde finden sich frühe, v.a. kultische Symbole für die Sonne; die Kreisform findet sich dabei am häufigsten.321 Auch in der Kunst Hamish Fultons dient der Kreis als archetypisches Symbol für die Sonne – wie z.B. in der oben beschriebenen Arbeit Kailash Kora – häufiger jedoch als Hinweis auf den Mond, wie das nächste große Kapitel aufzeigen wird,322

315 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Transformation, a.a.O., S. 43. 316 Hamish Fulton hat sogar eine eigene Publikation zum Thema der tibetischen Kora gestaltet: Hamish Fulton. Kora. Tibetan Kora – Circumambulation of a sacred place, Ausstellungskatalog Galerie Riis Oslo, 27.11.2008- 18.01.2009, Oslo 2008, teilweise einsehbar unter Artistsbooks.info, Fulton, Hamish – Kora, o.J., http://artistsbooks.info/AB_Fulton%20Hamish_Kora.html (23.02.2018). Zur Ausstellung selbst siehe Galleri Riis, Hamish Fulton. Kora, http://galleririis.com/exhibitions/9 (18.03.2018). 317 In seiner Publikation “The Uncarved Block” listet Fulton alle allein 2007 durchgeführten Koras auf. Siehe Fulton, The Uncarved Block, a.a.O., S. 106. 318 Abb. siehe Galleri Riis, Viewing Room, Hamish Fulton, http://galleririis.com/viewing-room/5 319 “The Kora of the Barkhor Temple monks in 1987 is emblematic. Through its manifestation of religious fervor [Innbrunst, Leidenschaft], it contributed to building and reinforcing the Tibetan national consciousness. These examples of collective resistance and protest walks have certainly inspired the group walks he [Hamish Fulton] has arranged, some which were organized in support [of] anti-oppression figures [like Slowalk in Support of Ai Weiwei, 2011].” Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 22. 320 Weißmann, Sonne, Gral, Dämonen…, a.a.O., S. 15. 321 Siehe hierzu Engler, H. Rudolf, Die graphischen Sonnensymbole seit der Urzeit bis heute, in: Ders., Die Sonne als Symbol, a.a.O., v.a. 80-204. Vgl. auch Weißmann, Sonne, Gral, Dämonen…, a.a.O., S. 15. Und nicht zuletzt auch Jung, Carl Gustav, Der Mensch und seine Symbole, [Hrsg. des Werkes: C. G. Jung, nach seinem Tod Marie- Louise von Franz et al.], 13. Aufl. der Sonderausg., Solothurn et al. 1993. 322 Zur Bedeutung der Kreisform als Hinweis auf den Mond siehe Kapitel III. 1.2 Mond. 71 oder aber sogar für beide, wie in den sehr unterschiedlichen, sich aber auf denselben Walk beziehenden Referenzarbeiten A Nine Day Circular Walk (1995, Abb. 19+20). Als Zeichen zirkulären Gehens findet sich der Kreis in Fultons Kunst häufig in der Umrandung von Gegenständen, wie A Nine Day Circular Walk, aber auch Outline of a Mountain Rock from the Basque Pyrenees (2001)323, Foot Outline (1998)324 und Walking Barefoot Round The Tent (Outline of the Cooking Pot/Drinking Cup/Candle, 2002)325 oder Outline of the Cooking Pot (2014, Abb. 21) zeigen. Die Umrandung ist jedoch nicht immer ein eindeutiges Indiz für eine zirkuläre Wanderung. So stehen die sieben Steinumrandungen in The Outlines of Seven Stones for: Seven Days Walking Seven Nights Camping (1994)326 für sieben gewanderte Tage; obengenannte Arbeit Outline of a Mountain Rock from the Basque Pyrenees (2001), Outline of a Rock from the Basque Pyrenees (2001)327 sowie Outline of a Rock from the Shore of Lake Toma (2002)328 wiederum stellen die künstlerische Verarbeitung verschiedener Coast-to-Coast-Walks dar und Outline of the Feet of Reinhold Messner (2002, Abb. 22) nimmt Bezug auf eine zweitägige Wanderung, die Fulton 2002 zusammen mit Reinhold Messner unternommen hat. Alle diese Wanderungen folgen demnach einer eindeutig linearen Gehrichtung (von A nach B), nutzen aber die Kreisform bzw. das Mittel der Umrandung, um Spuren tatsächlich erfolgter Begegnungen zu hinterlassen. Wie vielseitig sich zirkuläres Gehen und zyklische Zeit in Fultons Arbeiten visualisieren lässt, zeigt die Tatsache, dass eine Wanderung, die einen Rundweg beschreibt, nicht zwangsläufig eine Kreisform aufweisen muss, sondern ganz anders visuell aufgearbeitet werden kann. A Four Day Circular Walk (1974)329 zeigt das Foto eines Heuhaufens, dessen pyramidenförmige Silhouette sich in einer podestartigen, den oberen Teil der Fotografie ausfüllenden Art Zierfries wiederholt. Ten One Day Walks (1994)330 besteht nur aus orangefarbenen Versalien auf schwarzem Grund, Symmetrical Ribbon Insect (1998)331 zeigt ein überdimensionales

323 Abb. siehe Serralves, Museum, The Collection, Works by collection, F, Fulton, https://www.serralves.pt/en/museum/the-collection/works-by-collections/?l=F&col=FS&cat= (23.06.2020). 324 Abb. siehe Hamish Fulton. Placing One Foot In Front Of the Other, a.a.O., nicht paginiert. 325 Abb. siehe ebd. 326 Abb. siehe Serralves, a.a.O. 327 Abb. siehe Hamish Fulton. Placing One Foot In Front Of the Other, a.a.O., nicht paginiert. 328 Abb. siehe pin.it, https://pin.it/43Pfv7I, via pinterest.de, Hamish Fulton, Outline of a Rock from Lake the Shore of Lake Toma, https://www.pinterest.de/pin/365706432221684632/ (20.06.2020). 329 Abb. siehe Fulton, Walking Artist, a.a.O., nicht paginiert. 330 Abb. siehe Thirty One Horizons, a.a.O., S. 27. 331 Abb. siehe Fulton, Walking Artist, a.a.O., nicht paginiert oder auch Hamish Fulton. Keep Walking, a.a.O., S. 37. 72 Wandbild eines stilisierten Insekts aus Plastikband und A Five Day Circular Clockwise Walk Round London (2011)332 wiederum zeigt einen fast schnurgeraden Trampelpfad auf einer Wiese. Auch der Fotografie eines im Beton verewigten Schuhabdrucks in Lingkor (2013)333 sowie dem Holzobjekt Endless Knot (2007, Abb. 23) ging jeweils ein Circular Walk voraus. Allerdings verbildlicht Letzteres zirkuläre Zeit durch das gewählte Zeichen besonders eindrücklich: The Endless Knot gehört zu Fultons „Walk Texts on Wood“ und besteht aus 14 übereinander genagelten Holzstäbchen, die so angeordnet sind, dass sie einen stilisierten Endlosknoten bilden. Die Form dieser Art Knoten ist vor allem im Buddhismus bekannt und gilt einmal mehr als Glückszeichen, das den „immerwährenden Zyklus der Zeit“ verbildlicht.334 „Der Knoten zeigt zudem, dass kein einziges Phänomen unabhängig von den anderen Erscheinungen existiert. In seiner geschlossenen Ausgewogenheit symbolisiert der unendliche Knoten auch ganz allgemein Harmonie, günstige Umstände und zudem in seiner Endlosigkeit oft auch ein langes Leben.“335 Nicht zuletzt wird in diesem Sinnbild der Kreis durch seine „unendliche Linie“ zum Symbol der Ewigkeit und Unendlichkeit, aber auch der „ewigen Wiederkehr“336 und zu einem Motiv, dass sich immer wieder bei Fulton findet, wie in der Fotografie Walls of Lhasa (2007), welche das Zeichen eingeritzt in einer Hauswand zeigt337, im Hintergrund der typografischen Arbeit Google Champa Tenzin (2007, siehe Abb. 110), Tsampa (2008)338 oder Tibetan Protest (Walking Down the Middle of the Road) (2009, Abb. 24). Wie stark zirkuläres Gehen und somit zyklische Zeit die Kunst Fultons durchdringt, zeigt die Tatsache, dass auch einige der öffentlichen Group Walks des Künstlers als Circular Walks erkennbar sind, wie beispielsweise Communal Walk Hamburg (2008, Abb. 25), Penzance

332 Abb. siehe pin.it, https://pin.it/7HIewWH (02.07.2020), via pinterest.nz, Hamish Fulton, A Five Day Circular Clockwise Walk, https://www.pinterest.nz/pin/17310779804872975/ (02.07.2020). 333 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Transformation, a.a.O., S. 32 334 „Der ‚glorreiche unendliche‘ Knoten ist ein beliebtes Ornament, das die Lehre des Abhängigen Bestehens (die eigentliche Existenzweise aller Phänomene) und ihre Vereinbarkeit mit der Leerheit darstellt. Das Zeichen symbolisiert also auch den immerwährenden Zyklus der Zeit. Zugleich bringt dieses Glückszeichen auch die grenzenlose Erkenntnis des Erleuchteten und die Einheit von Weisheit und Mitgefühl zum Ausdruck.“ Siehe Manshardt, Jürgen, Die acht Glückssymbole und ihre Bedeutung, in: Tibet und Buddhismus, Juli August September 2006, Heft 78, S. 6. In der Publikation The Uncarved Block ist das zeichen u.a. auf einem Türvorhang zu sehen, das als Grundlage für die Referenzarbeit Dooway Curtain (Walking One Indoor Sockfoot Kora) (2009) dient, Abb. siehe Fulton, The Uncarved Block, a.a.O., S. 58. 335 Ebd. 336 Weißmann, Sonne, Gral, Dämonen…, a.a.O., S. 16. 337 Abb. siehe Fulton, The Uncarved Block, a.a.O., S. 59. 338 Abb. siehe ebd., S. 61. Auf der gegenüberliegende Seite ist das Zeichen in Stein geritzt zu sehen; die Schwarz- Weiß-Fotografie dient als Grundlage für die Referenzarbeit A Twenty Day Walking Journey from Dolalghat (1975), siehe ebd., S. 60. 73 Group Walk (2013, vgl. Abb. 9) oder der Public Walk im Centre Pompidou in Paris 2017339. Diese drei künstlerischen Geh-Angebote bestanden darin, eine Stunde lang einer bestimmten Route zu folgen, die letztlich wieder zum Ausgangspunkt (Hamburg und Penzance) oder aber darüber hinaus (Paris) führte. Vor allem die Referenzarbeit Penzance Group Walk weist einen eindeutigen Hinweis auf die Sonne auf. Sie wird in der Fotografie nicht nur eindeutig gezeigt, sondern symbolisiert durch ihre Anordnung im Bild, die der Position von Zwölf Uhr Mittags und der Startzeit des Public Walks entspricht, zugleich den unabänderlichen Verlauf der Zeit und die Versuche des Menschen, sie durch Einteilung in Uhrzeiten nutzbar, berechenbar zu machen.340

Nicht zuletzt soll bereits hier darauf hingewiesen werden, dass Fultons Abschreiten eines Rundwegs auch als eine Art der radialen Vermessung der durchwanderten Landschaft verstanden werden kann.341

1.2 Mond Nicht nur die Sonne bestimmt den Lauf des Jahres und die Jahreszeiten, auch der Mond trägt maßgeblich zu den zyklischen Abläufen in der Natur bei. Und wie die Sonne ist auch der Mond seit Menschengedenken ein großes Faszinosum. Mythen, Legenden und Aberglaube ranken sich um den einzigen natürlichen Trabanten unseres Planten Erde, der diesen innerhalb von 29,53 Tagen342 einmal umrundet und dessen Masse nur ca. 1,2 Prozent der Erdmasse

339 Mehr Informationen zu diesem Walk siehe Centre Pompidou, L'évènement, Hamish Fulton, https://www.centrepompidou.fr/cpv/ressource.action?param.id=FR_R- 5342ba45d2a168bed8203d21352abda9¶m.idSource=FR_E-f781435514c93728d216f4c8a69599 (02.07.2020). 340 Angesichts der Technisierung der Menschen (und damit einhergehend ihrer Entfernung von den natürlichen Rhythmen der Natur) – stellt die Uhrzeit in unserem westlichen Wirtschaftssystem jenen Richtwert dar, der jeden Augenblick unseres Lebens bis in unsere Freizeit taktet. Dass Fulton dieses Foto als Referenz für seinen Public Walk nutzt, kann auch als kritischer Kommentar zu der Rastlosigkeit des Alltags verstanden werden. Ein weiterer kosmologischer, etwas subtilerer Zeitbezug findet sich durch in der in Richtung Horizont gewanderten Wasserlinie, welche die Zeit der Ebbe signalisiert und sich somit direkt auf den Mond bezieht – das Thema des nachfolgenden Kapitels. Da der Zeitpunkt der Ebbe sich aufgrund der Mondphasen täglich verschiebt, ist die Gleichzeitigkeit vom höchsten Sonnenstand und Höhepunkt der Ebbe ein besonderer Moment, den Hamish Fulton für seinen performativen Gemeinschaftsgang geschickt zu nutzen weiß. Die fotografische Dokumentation dieses Walks visualisiert diese Doppelung der seinen Public Walk zeitlich strukturierenden Gestirne auf zugleich eindeutige wie subtile Weise. 341 Zur Vermessung der durchwanderten Landschaft siehe Kapitel III. 2.3 Vermessen. 342 Pinter, Christian, Blue Moon…, in: Astronomie heute, Juni 2007, S. 58. Vgl. auch Kottmann, Albrecht, Vom Geheimnis der alten Meister. Symbolzahlen, Maßeinheiten und Bemessungsverfahren von der Vorzeit bis zur Einführung des metrischen Systems, Lindenberg i. Allgäu 2003, S. 21. Zu der historischen Entwicklung einer siebentägigen Woche siehe insbesondere Demandt, Alexander, Die Woche, in: Ders., a.a.O., S. 171-205. 74 umfasst.343 Ähnlich dem Sinnbild der „Mutter Erde“ wird auch der Mond als „Sammelbecken des Lebens und der universellen Fruchtbarkeit“ verstanden, da er neben den Gezeiten der Weltmeere vor allem den Biorhythmus der Frauen bestimmt.344 Im Gegensatz zur Sonne verändert der Mond sein Aussehen innerhalb seines Zyklus‘ und wird dadurch „zum Urbild eines Kreislaufes, in dem werdendes und vergehendes Leben einander ohne Ende ablösen, ein kosmischer Zyklus, in dem der Mensch sein eigenes Schicksal zu erkennen glaubt.“345 Nicht zuletzt gilt der Mond in der Erkenntnistheorie als ein Symbol für diskursive Erkenntnis, das Unbewusste, die Fantasie, das Gedächtnis.346 Auch der Mond wurde im Laufe der Kunstgeschichte immer wieder auf unterschiedlichste Art und Weise reflektiert. Schon Dürer und Leonardo da Vinci beschäftigten sich mit dem Mond; Caspar David Friedrich, Vincent van Gogh, Henri Rousseau oder Joan Miró malten ihn, in zeitgenössischen Kunstwerken wie beispielsweise den Fotografien Ansel Adams wird er präsentiert. 347 Wie bestimmt der Mond die Wanderungen Hamish Fultons? Und wie verbildlicht Fulton diese Erfahrungen? Auch in diesem Kapitel soll untersucht werden, inwiefern sich Hamish Fulton auf die vielschichtigen Metaphern für den Mond bezieht, wenn er seine Wanderungen zu Kunstwerken verarbeitet.

343 Vgl. Althaus, Tillmann, Der Mond – Begleiter der Erde. Sonnensystem-Basiswissen, in: spektrum.de, Ressort Astronomie, 10.07.2014, http://www.spektrum.de/wissen/steckbrief-mond-begleiter-der-erde/1300375 (18.03.2018). 344 Battistini/Impelluso, Das große Bildlexikon, a.a.O., S. 98. Vgl. auch Ronnberg/Martin, Das Buch der Symbole, a.a.O., S. 26. Überhaupt wird der Mond häufig mit dem Weiblichen assoziiert: In der Alchemie steht der Mond für die weibliche Komponente des androgynen Paares. In der bildenden Kunst wird er häufig durch unterschiedliche weibliche Gottheiten dargestellt, die seine ambivalenten Bedeutungen widerspiegeln: Der Vollmond durch die mesopotamische Göttin Ischtar als positiver Aspekt der Fruchtbarkeit, der zunehmende Mond mit seiner „himmlische[n] und ordnende[n] Funktion“ wird durch die Jungfrau Diana symbolisiert, der Neumond wird durch Hekate verkörpert, die als Unterweltgöttin ein eher negatives bzw. „aquatisches Prinzip“ darstellt. Interessanterweise: „Die christliche Tradition überschrieb die großen weißen Göttinnen der Antike mit der Figur Marias, der Weltmutter und Gnadenspenderin. Im ikonographischen Motiv der Apokalyptischen Frau oder Mondsichelmadonna kommt der mit dem Tod verbundene Aspekt des Mondes zum Ausdruck.“ Battistini/Impelluso, Das große Bildlexikon, a.a.O., S. 98. 345 Lurker, Manfred, Die Botschaft der Symbole in Mythen, Kulturen und Religionen, München 1990, S. 112. 346 Battistini/Impelluso, Das große Bildlexikon, a.a.O., S. 98. 347 Einen guten, ersten und v.a. kunsthistorisch ausgerichteten Überblick gibt der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung „Der Mond“, die vom 26.3.-16.08.2009 im Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud in Köln stattfand. Siehe Blühm, Andreas (Hg.), Der Mond, Ausstellungskatalog, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln/Ostfildern 2009. Siehe auch sie Ausstellung „Nun scheint in vollem Glanze“ im Museum Villa Rot vom 20.11.2016-26.02.2017, http://www.villa-rot.de/de/info-zur-ausstellung-mond-in-der-kunst-%C2%AC/ (28.11.2017). 75 1.2.1 July Full Moon over the Doda River, 1979

Eines der frühesten Kunstwerke Fultons, das eindeutig im Zusammenhang mit dem Mond steht, ist July Full Moon over the Doda River (1978, Abb. 26). Ähnlich wie bei Sunrise Shadow von 1979 dominiert ein breitformatiges Schwarz-Weiß-Foto das Bild. Die in roten Versalien darunter platzierten Informationen sind besonders ausführlich, da Fulton für ihn wichtige Orte entlang der Route am Fluss Doda aufgelistet hat: „JULY FULL MOON OVER THE DODA RIVER / A 14 ½ DAY WALKING JOURNEY OF APPROXIMATELY 200 MILES / TRAVELLING BY WAY OF / THE PEN ZI PASS ZANSKAR VALLEY ATING GOMPA HUTTRA THE MUNI GLACIER MACHAIUL AND THE CHANDER BAGHA RIVER / NORTHERN INDIA JULY 1979“. In dem leicht verwackelten Foto sieht man eine helle Lichtreflexion auf der Oberfläche eines Flusses. Die Blickrichtung folgt dessen mäandernden Verlauf zwischen steilen Berghängen hindurch und führt direkt in die Bildmitte hinein. Auch diese Fotografie ist klar waagerecht gegliedert, die Horizontlinie befindet sich knapp unterhalb der Bildmitte. Die Reflexion des Mondlichtes und der Mond selbst, der sich außerhalb des oberen Bildrandes zu befinden scheint, bilden eine diese Linie durchbrechende Vertikale. Vor allem der Hinweis auf den Vollmond im Titel der Fotografie ermöglicht das Erkennen der leuchtenden Spur als das des fahlen Mondlichts. Liest man die von Fulton gegebenen Informationen, wurde die Wanderung nicht explizit nach dem Mond ausgerichtet. Vielmehr scheint das Foto Produkt eines spezifischen Augenblicks im Verlauf der langen Wanderung zu sein, der als Quintessenz seiner Erfahrung in diesem Werk verarbeitet wurde: der nächtliche Moment, in welchem das Licht des Vollmonds sich auf der Wasseroberfläche spiegelte. Hier zeigt sich, welche Bedeutung Kairos – Personifizierung des richtigen Zeitpunkts – für Fulton spielt.348 Auf manchen Wanderungen entsteht mitunter nämlich nur ein Bild – oder sogar gar keins, weil das Foto im Ergebnis nicht das wiederzugeben vermag, was Fulton in diesem Moment mit dem fotografierten Ort verbunden hat.349 In einem Interview mit Robin White 1983 sagte Fulton: “When I take a photograph and I’m feeling good, and I’m looking through the camera and I’m seeing the view and knowing that’s the place I want to record, then I feel that is a work.”350 Jeder seiner Fotografien liegt demnach ein eng

348 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch Alexander Demandts Aussage: „Die Erkenntnis und die Nutzung des kairos […], des rechten Zeitpunktes, der sachbezogen vorgegeben ist, entscheidet über erfolgreiches Handeln.“ In: Demandt, a.a.O., S. 28f. 349 Hamish Fulton im Gespräch mit der Autorin in Augsburg, 09.02.2017. 350 Hamish Fulton im Interview mit Robin White, siehe White, Robin, Hamish Fulton. Interview by Robin White, in: VIEW, Vol. 4, No. 2 (Spring 1983), Hamish Fulton, Oakland 1983. Vgl. auch Hana Haber: „He is incorporating a moment into a photograph. He only prints the pictures taken in a good state of mind.“ Haber, Hana, Hamish Fulton, in: Crown Point Press, o.J., https://crownpoint.com/artist/hamish-fulton/#biography (14.12.2016). 76 mit dem emotionalen Befinden des Künstlers verbundener Augenblick zugrunde, der aus der Erfahrung des Gehens und seiner langjährigen Kamerapraxis erfolgt. „I think I photograph in an old-fashioned idea of spontaneous visual interest”,351 sagt Fulton über seine Art zu fotografieren. „Each person carries their repertoire of what they are attracted to at that time or for a few years and then this evolves and can become something else with time.”352

In seinem Oeuvre nimmt Fulton – mehr noch als auf die Sonne – häufig in fotografischer Form Bezug auf den Mond. July Full Moon reiht sich in den Stil anderer früher Werke ein, die vor allem das Medium Fotografie zur Grundlage haben. Weitere fotografische Referenzen auf den Mond finden sich u.a. in Moonset and Sunrise (1969-71, Abb. 27), The Second Full Moon of July (1977)353, Moon Eclipse (1982)354, Moon Path (1984/86)355 oder Moon Lake (1985)356. Auch in jüngerer Zeit hat sich Hamish Fulton fotografisch auf den Mond bezogen, wie die Arbeiten Full Moon Rising (2004, Abb. 28) oder SunMoon (2015, vgl. Abb. 8) zeigen. Es fällt auf, dass nur wenige dieser Referenzarbeiten einen Hinweis darauf geben, dass der Zeitpunkt des Vollmondes einen geplanten Einfluss auf den Zeitpunkt der Wanderung hatte. Die meisten dieser den Mond thematisierenden fotografischen Werke scheinen – wie bei July Full Moon over the Doda River – eine Art Zufallsprodukt357 im Verlauf der Wanderung zu sein, das aber die Atmosphäre der Wanderung zu einem bestimmten Zeitpunkt besonders eindrücklich zu visualisieren vermag. Wie im Kapitel zu den Werkgruppen bereits angemerkt wurde, bezeichnet Susan Sontag Fotografie als „tatsächlich eingefangene Erfahrung“ und als Aneignung.358 Auch Hamish Fulton eignet sich die durchschrittene Landschaft in seinen Fotografien an, auch wenn er noch so sehr bemüht ist, sie so sachlich und neutral wie möglich abzubilden. Laut Werner Busch weist

351 Hamish Fulton im Interview mit Esperanza Collado, siehe Collado, Hamish Fulton, a.a.O. 352 Ebd. 353 In dieser schwarz-weißen Referenzarbeit ist der Bezug zum Mond nur im Titel erkennbar, die Fotografie selbst zeigt einen schmalen Trampelpfad, Abb. siehe krollermuller.nl, Hamish Fulton, https://krollermuller.nl/en/hamish-fulton-the-second-full-moon-of-july-1977-a-two-day-101-mile-walk-kent (06.06.2020). 354 Abb. siehe mutualart.com, Artwork, Moon Eclipse, https://www.mutualart.com/Artwork/Moon- Eclipse/90DE9FFE46B96D35 (20.02.2020). 355 Abb. siehe Fulton, Walking Artist, a.a.O., nicht paginiert. 356 Abb. siehe artnet.fr, Artistes, Hamish Fulton, Moon Lake, http://www.artnet.fr/artistes/hamish-fulton/moon- lake-hh908eRsAfuFHj7qazCrmw2 (02.07.2020); diese Referenzarbeit ist auch bekannt als Kingsmere Lake, siehe artnet.com, Artists, Hamish Fulton, Kingsmere Lake, http://www.artnet.com/artists/hamish-fulton/kingsmere- lake-the-second-dawn-after-the-full-b1HYua6MtjXQ1HWFObLjvw2 (02.07.2020). 357 Unter Zufallsprodukt wird hier die Erfahrung des Künstlers verstanden. Erfahrung als ein Zufallsprodukt auf einer Reise, deren Ereignisse nicht bis ins Detail vorhersehbar oder planbar sind. 358 Sontag, Über Fotografie, a.a.O., S. 10. Vgl. auch Busch, Werner/Jehle, Oliver (Hg.), Vermessen. Landschaft und Ungegenständlichkeit, Zürich/Berlin 2007, S. 7. 77 Landschaft als Gattung in der Kunst „immer schon eine Tendenz zur Ungegenständlichkeit“ auf und habe auch immer die „subjektive Erfahrung des Aufnehmenden“359 zu reflektieren. Aus dem Problem, dass um 1800 quasi keine „terra incognita“ mehr existierte, sie sich den Betrachtenden in der Kunst aber wiederum nicht mehr unmittelbar erschlösse, folgte unweigerlich „ihre forcierte Ästhetisierung, ihre Transformation zum inneren Erfahrungsraum“, deren Erscheinungsform sich in der Kunstpraxis mehr und mehr der Ungegenständlickeit genähert habe.360 Laut Florian Steininger fungieren Fultons Aufnahmen daher auch im übertragenen Sinn als „‚Objekte von Gedanken‘, mentale Speicher-Bilder, erlebte Landschaften – Landscapes in my Mind.“361 Die Fotografie ist also zugleich Dokumentationsmittel seiner Wanderungen, als auch visualisierte Erfahrung des Künstlers und nimmt dadurch eine ambivalente Position ein. Sie „[…] changiert zwischen sachliche[m] Beweismittel des Wanderers – ‚ich war hier‘ – und Imaginationsraum des Betrachtenden.“ 362 Diese Form fotografischer Beweislage wird jedoch durch den Walk Text nicht nur gebrochen, sondern teilweise sogar ersetzt, wie sich bereits am Beispiel von Sunrise Shadow aufzeigen lassen konnte. Immer wieder kommt es zudem vor, dass das aus der Wanderung resultierende Werk einen Titel trägt, der keinen Bezug zum Foto oder dem restlichen Text zu haben scheint: „For example, the photograph may show an 'empty' landscape, but the title says […] geese. There are no geese to be seen in this, 250'th of a second photograph, but either seconds before or after the photograph was 'taken', there were geese in the air and on the ground.“363 Diese Brüche zwischen Lesen und Sehen eröffnen den Betrachtern seiner Referenzarbeiten eine weitere Rezeptionsebene der Wanderung, die sich – ähnlich wie in der Literatur – zwischen erzählter Zeit und Erzählzeit bewegt.364 Die erzählte Zeit bezieht sich in diesem Fall auf den Künstler und seine Wanderung, an welcher er die Betrachter mittels grundlegender Informationen im Nachhinein teilhaben lässt. Die Erzählzeit wiederum bezieht sich auf die Betrachter und meint hier vor allem die Zeit des Nachvollziehens – des Nachlesens, also die „Lesezeit“365 – und die Zeit des imaginativen Nacherlebens dessen, was der Künstler an

359 Ebd. 360 Ebd. 361 Steininger, Hamish Fulton, a.a.O., S. 136. Siehe auch Chevrier, Jean-François, Die Abenteuer der Tableau-Form in der Geschichte der Photographie, in: Photo-Kunst, Ausstellungskatalog Graphische Sammlung Staatsgalerie Stuttgart, 11.11.1989-14.1.1990, Stuttgart 1989, S. 39. 362 Steininger, Hamish Fulton, a.a.O., S. 136. 363 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 09.08.2017. 364 Vgl. hierzu auch Eco, Die Zeit der Kunst, a.a.O., S. 77-79. 365 Ebd., S. 79. 78 Hinweisen über sein Wandererlebnis geboten hat. Im Sinne Umberto Ecos können sich die Kunstbetrachter in diesem Moment durch eine „autonome Entscheidung“ von einem „naiven Leser“ in einen „kritischen Leser“ verwandeln. 366 Der „naive Leser“ wird aufgefordert, „die erzählte Zeit mitzuerleben, während der kritische Leser dagegen aufgefordert wird, auch die Erzählzeit und die Erinnerung an seine früheren Erfahrungen in das Bewertungsspiel mit einzubeziehen.“367 Hier kommt nicht zuletzt die Zeit der „Kultur“368 und die „gesellschaftliche Zeit“369 ins Spiel, die es den Kunstbetrachtern, in diesem Fall den Kunstlesern, ermöglicht, das Gelesene in den Gesamtzusammenhang der Welt im Allgemeinen und seiner eigenen Erfahrungswelt zu bringen. Für die Kunstbetrachter bedeutet das laut Helga Peskoller „die Aktivierung der eigenen analytisch-reflektierenden Tätigkeit.“370 „Die Worte funktionieren wie ‚Assoziationsbojen‘, der Abstraktionsprozess des Künstlers bezieht eine Vielfalt atmosphärischer und optischer Eindrücke auf elementare Begriffe, welche dann Imaginationsfelder für den Betrachter eröffnen, ohne dass die Eindrücke Hamish Fultons und die Vorstellung des Betrachters zur Deckung kommen müssen.“371 Dabei ist es gerade die Anordnung der (typo-)grafischen Elemente zueinander, welche die Betrachter darin unterstützen, die von Fulton durchwanderte Landschaft in ihren geografischen Begebenheiten im Geiste nachzuvollziehen.372 ”The text then becomes the image’s equal, not in order not to represent but rather to reconstruct, allowing the viewer to connect with the walk.” 373

1.2.2 The Second Full Moon of May, 1988 Im Frühjahr 1988 führte ein Coast-to-Coast-Walk Hamish Fulton von der Toyama-Bucht im Norden der größten japanischen Insel Honshu über die Gipfel der Berge Ontake und Fuji bis zur südlich gelegenen Bucht von Suraga. In The Second Full Moon of May (1988, Abb. 29), der künstlerischen Referenz zu dieser Wanderung, thront innerhalb eines roten Rahmens auf weißem Grund ein schwarz umrandeter weißer Kreis über einer schwarzen Trapezform, in die in Weiß ein typografisch stilisiertes japanisches Schriftzeichen eingelassen ist. Unterhalb dieser graphischen Elemente ist der einzeilige Walk Text zu lesen: „THE SECOND FULL MOON

366 Ebd., S. 81. 367 Ebd., S. 81. 368 Eco, Die Zeit der Kunst, a.a.O., S. 83. 369 Siehe hierzu Jochimsen, Zeit (1973), a.a.O., S. S. 60. 370 Peskoller, Extrem, a.a.O., S. 93. 371 Ebd. 372 Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 19. 373 Ebd., S. 18. 79 OF MAY.374 A 19 DAY COAST TO COAST WALKING JOURNEY TOYAMA BAY ONTAKE SUMMIT FUJI SUMMIT SURAGA BAY HONSHU JAPAN 1988“. Diese Wanderung ist aufgrund verschiedener Themen von zentraler Bedeutung für Hamish Fulton und seine Kunst: zum einen im Zusammenhang mit dem im Werk anhand der weißen Kreisform nachvollziehbaren Einfluss des Vollmondes auf seine Wanderungen, zum anderen die Bedeutung des Mount Fuji, den Fulton seit 1988 immer wieder neu verbildlicht und so eine besondere Rolle in seiner Kunst einnimmt. Wie bereits im Zusammenhang mit der Sonnensymbolik angedeutet wurde, findet sich in vielen Kunstwerken Fultons, die sich auf Wanderungen zum Zeitpunkt des Vollmonds, aber auch des Neumonds oder der Mondfinsternis beziehen, ein weißer Kreis als Referenz für den Mond.375 Vor allem in The Second Full Moon of May kann der Kreis „als universelle[s] Sinnbild für Vollkommenheit, das Absolute, die Zeit, den Himmel und das Immaterielle“376 verstanden werden, was in der „Quadratur des Kreises“ – „[dem] menschliche[n] Streben, sich der Gottheit anzunähern“ 377 – eine Art Höhepunkt findet und in der Positionierung des Kreises in der oberen Bildmitte veranschaulicht ist.378 Die weiße Kreisform in der hier besprochenen Arbeit hat darüber hinaus eine weitere, im Zusammenhang mit den Zyklen des Mondes wichtige Bedeutung: Normalerweise zeigt sich der Vollmond nur einmal im Monat, zwölfmal innerhalb eines Jahres. Ungefähr alle zwei Jahre gibt es jedoch einen dreizehnten Mond, „Blue Moon“ genannt. Der Begriff beschreibt das Auftreten zweier Vollmonde innerhalb eines Monats379. Aufgrund der Seltenheit dieses

374 Interessanterweise zeigt die Ausstellungsansicht aus der Villa Merkel von 2014, dass Fulton hier einen Punkt nutzt, um den Titel vom Rest des Walk Textes abzugrenzen. Das ist insofern eine Erwähnung wert, da er in fast allen seiner Arbeiten auf Satzzeichen verzichtet. In einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 23.03.2018 schrieb Fulton, dass der Punkt dazu diene, um den Monat „May“ von dem englischen (Frage-)Wort „may“ abzugrenzen und so Missverständnisse zu vermeiden: „The full stop after the word MAY is simply to make a kind of separation between the 'title' and, the walk text. […] May being a month, not the start of a question.” 375 In einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 09.08.2017 gab Fulton an, dass ihm die Idee, den Vollmond durch einen weißen Kreis darzustellen, beim Betrachten des Vollmondes selbst gekommen sei. 376 Weißmann, Sonne, Gral, Dämonen…, a.a.O., S. 15. 377 Ebd. 378 Dessen Position könnte auch als Hinweis auf die Sonne gedeutet werden: Der Kreis in Kombination mit der sich darunter befindende Trapezform (als Teil eines nach oben hin spitzen Dreiecks) wäre in dem Fall ein „solares Symbol für das aufsteigende Feuer“ und der weiße Kreis demnach als ein Hinweis sowohl auf den Mond als auch die Sonne zu interpretieren. Siehe ebd., S. 18. 379 Siehe Long, Kim, Blue Moon, in: Encyclopedia Britannica, 03.11.2016, https://www.britannica.com/topic/blue-moon-astronomy (21.11.2017). In seinem Artikel „Blue Moon… Wie der Elvis-Hit zu seinem Titel kam oder warum der Mond blau sein kann“ schreibt Christian Pinter: „Der »Maine Farmers’ Almanac«, ein Jahrbuch aus dem amerikanischen Bundesstaat Maine, führt die alten Vollmondnamen noch im 20. Jahrhundert auf. Im Frühling nannte er den »Eimond«, »Milchmond« und »Blumenmond«, im Sommer »Heumond«, »Kornmond« und »Fruchtmond«. Manchmal jedoch fielen nicht nur drei, sondern gleich 80 zweiten Vollmonds kommt diesem Phänomen eine besondere Bedeutung zu und wird kulturell vielfältig reflektiert.380 Dass die Wanderung in einem Monat stattgefunden hat, in welchem zwei Vollmonde erscheinen würden, verdeutlicht Fulton mithilfe der dünnen, schwarzen Umrandung – ein Mittel der Visualisierung, das er in der Arbeit Hikosan (1999) ein weiteres Mal aufgreift.381 Das schwarze Trapez, das Fulton mit dem Kreis kombiniert hat, steht wiederum für die Berge, die der Künstler während seiner Wanderung bestiegen hat. Dies wird nicht nur durch die dreieckige Form vermittelt, sondern auch durch das japanische Schriftzeichen für „Berg” bekräftigt. In Hinblick auf das Göttliche, das dem heiligen Fuji zugesprochen wird,382 kann die Trapezform durchaus als unvollendetes, gleichseitiges Dreieck gedeutet werden, das als Zeichen für Göttlichkeit zudem apotropäischen Schutzcharakter besitzt.383 Auf Fultons Kunst bezogen, rührt die Form des „flat topped triangles“ 384 vor allem von der Form eines Vulkans her, durch dessen Ausbruch oder gar Ausbrüche die eigentlich spitze Dreiecksform aufgelöst und der Gipfel dementsprechend abgeflacht wurde. Obwohl der Mount Fuji nicht der einzige Vulkan ist, den Hamish Fulton bestiegen hat (wie durch die Arbeit Sunrise Shadow bereits bekannt z.B. Pico de Orizaba und Popocatepetl, aber auch Ätna oder Ontake, um nur einige zu nennen), spielt dieser Berg bei Hamish Fulton eine ganz besondere Rolle. Die Erfahrung von

vier Vollmonde in eine Jahreszeit. Dadurch würden die regulären Mondnamen nach vorne verschoben: der »Herbstmond« vor den Herbstbeginn, der »Mond nach Weihnachten« noch vor das große Fest. Um das zu vermeiden, erklärte das Jahrbuch den jeweils dritten Vollmond dieser Jahreszeit zum neutralen »Blue Moon« – vielleicht seiner Seltenheit wegen.“ Siehe Pinter, Blue Moon…, a.a.O., S. 58f. Vgl. auch Werner, Pat Edith/Werner, Jörg, Wann wird ein Vollmond »Blue Moon« genannt? 27.07.2015, http://www.vollmond.info/de/blog/vollmond-blue-moon.html (24.11.2016). 380 Der letzte „Blue Moon“ war im Juli 2015 zu sehen, das nächste Mal erst wieder 2018 – aber dann sowohl im Januar als auch im März. In dieser Häufigkeit ist dies erst wieder 2037 zu erleben. Vgl. Der-Mond.org, Blue Moon - Bezeichnung des zweiten Vollmondes innerhalb eines Kalendermonats, o.J., https://www.der- mond.org/basiswissen/blue-moon-was-ist-der-blaue-mond/ (21.11.2017). Der „Blue Moon“ wurde vor allem in der Musik rezipiert, allen voran in dem gleichnamigen, 1934 von Lorenz Hart und Richard Rodgers komponiertem Song, der seitdem von zahlreichen Musikgrößen wie Billy Holiday, The Marcels, Elvis Presly oder Frank Sinatra interpretiert wurde. Mehr zur Bedeutung des Blue Moons z.B. für die Musik und Kultur siehe und vgl. Pinter, Blue Moon…, a.a.O., S. 59. 381 Abb. siehe Fulton, Walking Artist, a.a.O., nicht paginiert. Allerdings endet diese Wanderung am Tag des ersten Vollmondes des Monats, somit kann nicht generell festgehalten werden, dass die schwarze Umrandung des sich auf den Vollmond beziehenden weißen Kreises ein eindeutiger Hinweis darauf ist, dass es sich um den Blue Moon, also den zweiten Vollmond eines Monats handelt. 382 The Editors of Encyclopædia Britannica, Mount Fuji, in: Encyclopædia Britannica, 29.07.2016, https://www.britannica.com/place/Mount-Fuji (19.11.2017). 383 Weißmann, Sonne, Gral, Dämonen…, a.a.O., S. 18. Verlängert man die Seiten des Trapezes nach oben, erhält man ein rechtwinkliges Dreieck, das aufgrund seiner harmonischen Beziehung aller drei Seiten zueinander wiederum für die Ordnung des Universums steht. Hier kommt auch die besondere Zahlenharmonie des „Satz des Pythagoras“ ins Spiel: a²+b²=c². Siehe ebd. 384 Hamish Fulton im Gespräch mit Pascale Krief im Centre Pompidou, 23.02.2017. 81 1988 beschreibt er rückblickend so: „Then when I slept out[side], under the stars on the summit crater rim of Fuji San with my head facing the sun rise [sic], there was only one other man up there. Today we may google the statistics for the vast numbers of people up there on any one summer day.”385 Zu dieser eindrücklichen, seltenen Erfahrung der Anwesenheit von nur zwei Menschen und der auf den Sonnenaufgang ausgerichtete Übernachtung unter dem Sternenhimmel kommt die Tatsache hinzu, dass der Fuji als einer der wenigen der von Fulton bestiegenen Vulkane seitdem nicht ausgebrochen ist (seit 1707 nicht!386) – die Form des Berges sich also nicht durch einen Ausbruch verändert hat.387 Das führte dazu, dass Fulton seitdem immer wieder kleine Malereien zu dieser Wanderung anfertigt, welche sowohl den weißen Kreis als Referenz für den Vollmond als auch die Trapezform des Mount Fujis zeigen, wie beispielsweise The Second Full Moon of May Mount Fuji (1988, Abb. 30)388. ”I intend to keep on making new paintings of Fuji, as it were 'for ever'”389, so der Künstler. Der den einfachen Vollmond symbolisierende weiße Kreis findet sich zudem in so unterschiedlichen Arbeiten wie A 31 Day Road Walking Journey (1994, Abb. 31),390 Walking and Camping for Seven Days (1999)391, dem großformatigen Wandbild Counting 588 barefoot paces on planet Earth (2010, Abb. 32), Eau de Montagne (1995)392, A Nine Day Circular Walk (1995, vgl. Abb. 19) oder der Referenzarbeit auf Papier Outline oft he Drinking Cup (Rising Full Moon Viewed from Cima Setsas) (2004)393.

385 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 09.08.2017. 386 Siehe The Editors of Encyclopædia Britannica, Mount Fuji, in: Encyclopædia Britannica, 29.07.2016, https://www.britannica.com/place/Mount-Fuji (19.11.2017). 387 Der Pico de Orizaba war sogar noch länger inaktiv. Der letzte Ausbruch wurde zuletzt 1687 verzeichnet, siehe The Editors of Encyclopædia Britannica, Volcano Pico de Orizaba, in: Encyclopædia Britannica, 29.07.2016, https://www.britannica.com/place/Volcano-Pico-de-Orizaba (19.11.2017). Anders der Ätna, der als höchster aktiver Vulkan Europas regelmäßig Lava spuckt, siehe The Editors of Encyclopædia Britannica, Mount Aetna, in: Encyclopædia Britannica, 29.07.2016, https://www.britannica.com/place/Mount-Etna /19.11.2017). Ebenso wie der Ätna ist auch der Popocatepetl noch immer seismisch aktiv, zuletzt im September 2017, siehe Deutsche Welle, 28.09.2017, http://www.dw.com/de/popocat%C3%A9petl-spuckt-wieder-asche/g-40735099 (19.11.2017). 388 Vgl. auch Rhona Hoffmann Gallery, Artists, Hamish Fulton, https://www.rhoffmangallery.com/artists/hamish- fulton#9 (17.06.2020). Es existiert auch eine hochformatige Schwarz-Weiß-Fotografie, die den Fuji zeigt, siehe artnet.de, Künstler, Hamish Fulton, Vergangene Auktion, http://www.artnet.de/k%C3%BCnstler/hamish- fulton/fuji-bTZ10hMYeiX-unfQ2mw7kQ2 (17.06.2020). 389 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 09.08.2017. 390 Ausnahme: Im Zusammenhang mit der Ausstellung im BAWAG PSK Contemporary, Wien 2002/2003, stellt er die Wanderung, die sowohl an einem Vollmondtag begann, als auch endete, in Form eines schwarzen Kreises dar, siehe BAWAG PSK Contemporary, Hamish Fulton. Placing One Foot In Front Of The Other, 28.09.2002- 02.02.2003, Ausstellungsbeschreibung, http://www.bawagfoundation.at/index.php?id=111&ausstellung=12 (09.03.2018). 391 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. 392 Abb. siehe Placing One Foot In Front Of The Other, nicht paginiert. 393 Abb. siehe Hamish Fulton. Keep Moving, a.a.O., S. 54, linke Abbildung. 82 In der im Zusammenhang mit zirkulärem Gehen bereits besprochenen Referenzarbeit A Nine Day Circular Walk (1995, vgl. Abb. 20)394, wird die Bedeutung des Kreises um eine weitere zeitliche Dimension erweitert. In dieser Arbeit auf Papier visualisiert die doppelte Kreisform der umrandeten, für das Campen wichtigen Ausrüstungsgegenstände Kochtopf und Trinktasse nicht nur die beiden unterschiedlichen kosmischen Ereignisse, welche die Rundwanderung zeitlich einrahmen – Vollmond und Sommersonnenwende – sondern auch ganz grundsätzlich die Tatsache, sich unterwegs auch verpflegen zu müssen, um eine längere Wanderung überhaupt bewältigen zu können. Darüber hinaus ist das zirkuläre Gehen des beschrittenen Rundwegs sowohl in der Form der farblichen Abdrücke als auch in den Umrandungen enthalten, die wiederum auf die runde, vom Menschen etablierte Uhrzeit hinweisen. Die grafischen Collage Seven Moons (2002) im Ausstellungskatalog der Tate zeigt weitere Varianten grafischer Gestaltungsmöglichkeiten.395 Rein typografische Arbeiten wie die weiter oben bereits erwähnte Arbeite Winter Solstice Full Moon (1991) oder Ten One Day Walks from and to Kyoto (1994)396, zeigen, dass Fulton sich auf den weißen Kreis als Darstellungsform für den Vollmond nicht festgelegt hat.397 In der zeitgenössischen Kunst finden sich weitere Beispiele von Künstlern, die den Kreis als Ausdrucksmittel verwenden oder ihn immer wieder in ihre Kunstwerke integrieren, von Richard Long mit seinen Steinkreisen sowohl in der Natur wie beispielsweise Sahara Circle (1988)398 oder an der Ausstellungswand wie River Avon Mud Circle (2011)399 über James Lee Byars Kugelskulptur Is (1987)400 und Anish Kapoors Shelter (2007)401 bis hin zu Thomas Ruffs Cassini 13 (2008/2009)402.

394 Siehe Kapitel III. 1.1.3 Kailash Kora. 395 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. 396 Abbildungen verschiedener Varianten siehe Thirty One Horizons, a.a.O., S. 37, Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert oder manifoldeditions.com, Hamish Fulton, Ten One Day Walks from and to Kyoto July 1994, https://www.manifoldeditions.com/hamish-fulton/ten-one-day-walks-from-and- to-kyoto-july-1994.html (03.07.2020). 397 Zur Bedeutung von Typografie im Werk von Hamish Fulton siehe einmal mehr Kapitel III. 1.3.1 Stars Paces, 1995. 398 Abb. siehe Tate, Art & Artists, Richard Long, Sahara Circle, https://www.tate.org.uk/art/artworks/long-sahara- circle-t12036 (03.07.2020). 399 Abb. siehe Heilwagen, Oliver, Richard Long: Berlin Circle & Land Art, in: kunstundfilm.de, 2011, 05, 26.05.2011, https://kunstundfilm.de/2011/05/richard-long-berlin-circle-land-art/ (02.07.2020). 400 Abb. siehe Fondation Louis Vuitton, The Collection, Artworks, Is, 1989, https://www.fondationlouisvuitton.fr/en/the-collection/artworks/is.html (02.07.2020). 401 Abb. siehe Anish Kapoor, Shelter, http://anishkapoor.com/82/shelter (02.07.2020). 402 Abb. siehe artsy.net, Artwork, Thomas Ruff, Cassini 13, https://www.artsy.net/artwork/thomas-ruff-cassini- 13-4 (02.07.2020). 83 1.3 Sterne

Am Himmel zeigen sich nicht nur die Sonne und der Mond, sondern in der Nacht – je nach urbaner Lichtverschmutzung – auch zahlreiche Sterne. Laut Alexander Demandt demonstriert der Blick in die Sternenhimmel „die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“, da uns im Moment des Betrachtens mit dem Licht längst vergangener Himmelskörper im Grunde die Vergangenheit gezeigt würde.403 Die Weite des Kosmos, Sterne und die ihnen zugedachten Bilder spielten schon in vorchristlicher Zeit eine große Rolle im Leben der Menschen. Laut Manfred Lurker lebten bereits die Mesopotamier im Einklang mit „kosmischen Rhythmen", im tiefen Glauben an eine „schicksalhafte Verbundenheit zwischen Mensch und astralen Mächten“.404 Ungebrochen übt die Astrologie nicht nur eine große Faszination, sondern in Form von Horoskopen auch weiterhin einen nicht unerheblichen Einfluss darauf aus, wie die Menschen ihr Handeln und Wirken in der Welt ausleben.405 Allgemein betrachtet sind Sterne „Symbol für das Himmlische, Unerreichbare, Jenseitige“, aber auch die „Hoffnung auf eine andere, bessere Welt“406 und bilden gleichzeitig die „Vollkommenheit des Universums“407 ab. Dabei spielt auch die Bedeutung der Nacht als „Urmutter und […] Erzeugerin aller kosmischer Prinzipien“408 eine Rolle. Die Nacht wird daher auch als „Quelle aller Möglichkeiten“ verstanden, die sich allerdings erst am Tag vollständig offenbaren.409

Wenn Hamish Fulton also bei Nacht wandert oder die Sterne in seinen Referenzarbeiten erwähnt oder gar abbildet – welchen Bezug hat er zu den kulturhistorischen Hintergründen? Und welcher Zeichen bedient er sich dabei?

403 Demandt, a.a.O., S. 31. 404 Lurker, Die Botschaft der Symbole, a.a.O., S. 100. 405 Zeitschriften, Bücher und digitale Medien berichten Jahr für Jahr über Jahreshoroskope und an Sternkonstellationen geknüpften Deutungen – angefangen von den „klassischen“ zwölf Sternzeichen bis hin zu den chinesischen Jahressymbolen. Selbst in der Wirtschaft wird scheinbar die Möglichkeit in Betracht gezogen, die Sterne könnten einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäfte haben, siehe Hein, Christoph, Das Jahr des Hundes zwingt zur Vorsicht, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ressort Wirtschaft, 19.02.2018, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/agenda/das-jahr-des-hundes-zwingt-zur-vorsicht-15451758.html (24.02.2018). Matilde Battistini und Lucia Impelluso weisen zudem darauf hin, dass weder „religiöse Riten“ noch andere „Heilverfahren“ die Menschen je von ihrer schicksalhaften Verbundenheit mit den Sternen abbringen konnten. Siehe und vgl. Battistini/Impelluso, Das große Bildlexikon, a.a.O., S. 20. 406 Lurker, Die Botschaft der Symbole, a.a.O., S. 100. 407 Taschner, Rudolf, Pythagoras: Zahl und Symbol, in: Ders., Der Zahlen gigantische Schatten: Mathematik im Zeichen der Zeit, Wiesbaden 2017, S. 15. 408 Der Mythologie nach gingen aus der Nacht sowohl Himmel und Erde, als auch Schlaf und Tod hervor. Siehe Battistini, Matilde, Symbole und Allegorien, Berlin 2003, S. 68. 409 Ebd. 84 1.3.1 Stars Paces, 1995

Gut zwei Drittel der rein typografischen Arbeit Stars Paces (Abb. 33) wird von den zwei titelgebenden, in weißen Versalien vertikal angeordneten Wörtern „STARS / PACES“ dominiert. Der Hintergrund ist schwarz, die Informationen zu der Wanderung sind in kleiner Schrift am unteren Bildrand vermerkt: „NO THOUGHTS COUNTING SEVEN BAREFOOT PACES ON GRASS / WALKING UPSTREAM ON THE NORTH BANK OF THE RIVER ROTTEN / SEVENTH NIGHT OF THE SEVENTH MONTH SWITZERLAND 1995“. Die visuelle Hervorhebung der beiden Begriffe „Stars“ und „Paces“, welche zudem dieselbe Anzahl an Buchstaben haben,410 schafft eine Verbindung, die auf diese Weise im Walk Text zwar nicht genannt, aber spezifiziert wird. Der thematische Schwerpunkt liegt deutlich auf dem Akt des Gehens zu einem bestimmten Zeitpunkt des Tages, der Nacht – die hier sowohl mit „seventh night“ im Text benannt, als auch durch die traditionelle Farbe Schwarz symbolisiert wird.411 Darüber hinaus klingen im Walk Text weitere Themen an, die bei Hamish Fulton immer wieder vorkommen: die sinnliche Wahrnehmung des Gehens und der Natur durch den Körper („barefoot paces on grass“),412 weiter die anhand des Flussverlaufs real erfahrbare lineare Zeit – allerdings gegen den Strom („walking upstream“)413 sowie sein Interesse für die Zahl Sieben („seventh night of the seventh month“)414. Im Folgenden soll zunächst der Schwerpunkt auf der Visualisierung der Sterne liegen, die sich mehrfach in seinem Oeuvre finden lässt, um darüber hinaus genauer auf die Verwendung von Typografie zu sprechen zu kommen. Neben Stars Paces bezieht sich auch die Arbeit No Thoughts Counting Seven Paces Beneath the Stars (1988, Abb. 34)415 auf den Sternenhimmel. Hier wird der Bezug sogar visuell eindeutig mittels sieben weißer Punkte hergestellt, die das Bild des Großen Wagens formen

410 Wie das Kapitel Zählen aufzeigen wird, ist das Zählen von Buchstaben und ihre Anzahl immer wieder von Bedeutung für Fulton. Siehe und vgl. Kapitel III. 2. Zahlen, Zählbare Zeit und Vermessen. 411 In vielen Darstellungen wird die Nacht mit der Farbe Schwarz verbunden, oftmals wird sie als Frau in schwarzem Kleid oder Schleier personifiziert, in die auch der glänzende Sternenhimmel abgebildet ist. Vgl. Battistini, Symbole und Allegorien, a.a.O., S. 68. Zum Thema Schwarz in seiner kultur- und auch kunsthistorischen Bedeutung siehe Pastoureau, Michel, Schwarz. Die Geschichte einer Farbe, Darmstadt 2016. sei auch der Ausstellungskatalog „Die Farben Schwarz“ empfohlen: Die Farben Schwarz, Ausstellungskatalog Landesmuseum Joanneum, Graz, 28.5.-10.10.1999, Wien et al. 1999. 412 Vgl. Hierzu das Kapitel III. 3. Ausdauer, Spuren der Zeit und Verschleiß, 3.1 Körper. 413 Betrachtet man Fultons Bedürfnis, sich von anderen Künstlern seiner Zeit deutlich abzugrenzen (beispielsweise von gehenden Künstlern der Land Art wie z.B. Richard Long oder Konzeptkünstlern), so könnte man seine Art zu gehen – in diesem Fall gegen den Strom – wörtlich nehmen. 414 Vgl. Hierzu das Kapitel III. 2. Zahlen, Zählbare Zeit und Vermessen. 415 „NO THOUGHTS COUNTING SEVEN PACES BENEATH THE STARS KENT ENGLAND 11 SEPTEMBER 1988“. 85 und auf die sieben „Hauptsterne“ – die sieben mit bloßem Auge am Himmel sichtbaren Planeten unseres Sonnensystems Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn – hinweisen.416 Der Große Wagen stellt an und für sich kein eigenes Sternbild dar, sondern ist Teil des Sternbilds des Großen Bären. 417 In Mitteleuropa ist der Große Wagen jedoch ganzjährig fast immer gut zu erkennen und zählt somit zu der bekanntesten Sternenkonstellation unserer Breitengrade.418 Die sieben weißen Punkte in No Thoughts Counting Seven Paces Beneath the Stars wirken wie eine extrem reduzierte Variante von Thomas Ruffs Werkreihe Sterne (1989-1992, hier 03h 36m/- 35° von 1990)419. Während Fulton mit dem Wiedererkennungswert einer bestimmten Sternenkonstellation arbeitet, zeigt Ruff ein „eine räumliche und zeitliche Gleichzeitigkeit der Himmelskörper, die so nie existiert hat.“420 Gleichzeitig drängt sich der Gedanke an Olaf Nicolais Arbeit Welcome to the Tears of St. Lawrence: an Appointment to Watch Falling Stars (2005)421 auf, in welcher er ursprünglich die Kunstbetrachter und Besucher der 51. Biennale von Venedig einlud, einen Blick auf den Meteorschauer der Perseiden zu werfen, welcher auch die Tränen des Laurentius genannt werden. Hier ging es ihm vor allem um Fragen der Wahrnehmung und des Sehens sowie um

416 Wie stark diese sieben Gestirne noch heute in unseren Alltag hineinspielen, zeigt die Etymologie unserer sieben Wochentage, welche in den verschiedenen Sprachen Europas noch immer erkennbar sind: Sonne = Sonntag; Mond = Montag, Mars/Tyr bzw. Ziu = Dienstag, Merkur = Mittwoch (hier spielt v.a. die Christianisierung eine Rolle, welche die althergebrachten Bezeichnungen aus dem Sprachgebrauch verbannen und durch Bezeichnungen wie „Mitte der Woche“ ersetzen wollten); Jupiter/Donar (Thor) = Donnerstag, Venus/Frigg = Freitag; Saturn = Samstag. Siehe und vgl. Herzog, Johann Jakob, Real-Enzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, 17. Band, 1863, S. 255; Sonderegger, Stefan, Sprachgeschichtliche Aspekte der europäischen Christianisierung, in: Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, hrsg. von Werner Besch et al., 2. Teilband, Berlin/New York 2000, S. 1049f. Siehe auch Koller, Edith, Zeitrechnung, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online, hrsg. von Friedrich Jaeger, http://dx.doi.org/10.1163/2352- 0248_edn_a4863000 (22.03.2018). 417 Vgl. Hahn, Hermann-Michael, Welches Sternbild ist das?, Stuttgart 2005, S. 96. 418 Interessanterweise kannten auch die Indianer Nordamerikas das Sternbild unter dem Namen „Bär“, noch bevor sie Kontakt mit den Eroberern ihres Kontinents hatten. Siehe Fasching, Gerhard, Sternbilder und ihre Mythen, Wien/New York 1998, S. 102. Zu den historischen Erzählungen zum Sternbild des Großen Bären siehe insbesondere Fasching, Gerhard, a.a.O., S. 100. Zum besseren Verständnis der Sterne und Sternbilder siehe Hahn, Welches Sternbild ist das?, a.a.O.; Dunlop, Storm/Tirion, Will (Hg.), Der Kosmos-Sternführer: Schritt für Schritt den Sternenhimmel entdecken, Stuttgart 2012; Fasching, Gerhard, Sternbilder und ihre Mythen, a.a.O., S. 108. In der grafischen Collage Seven Moons (2002) im Ausstellungskatalog der Tate greift Fulton diese sieben Gestirne mit The Seven Stars noch einmal gesondert auf. Siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. 419 Abb. siehe artnet.de, Künstler, Thomas Ruff, Sterne, 03h 36m/-35°, http://www.artnet.de/k%C3%BCnstler/thomas-ruff/sterne-03h-36m-35-waCp9Hz5XX09cKveG3BICw2 (02.07.2020). 420 Siehe Puvogel, Renate, Thomas Ruff. „Stellar Landscapes“, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster, 25.9.2011 – 8.1.2012, in: Kunstforum International, 2011, Band 212, res publica 2.0, S. 294. 421 Abb. siehe Kunstmuseum Thurgau, Sammlung, Werke, Olaf Nicolai: Welcome to the Tears of St. Lawrence. An Appointment to Watch Falling Stars, https://kunstmuseum.tg.ch/sammlung/sammlung/werke/werk.html/7913/artwork/54 (02.07.2020). 86 das Verhältnis von Unsichtbarem zu Sichtbarem.422 Das sind Themen, die sich auch bei Fulton wiederfinden lassen, geht es Hamish Fulton während seiner Wanderungen schließlich ebenfalls um die Wahrnehmung – seiner selbst, aber auch des Landschaftsraumes, den er durchschreitet. Fragen zum Verhältnis von Unsichtbarem zu Sichtbaren stehen bei Fulton zwar nicht explizit im Vordergrund, können beim Betrachten seiner Referenzarbeiten jedoch aufkommen, vor allem, wenn es darum geht, das vom Künstler Erlebte vor dem eigenen inneren Auge zu visualisieren und nachzuvollziehen.423 Bei den oben genannten Werken Stars Paces und No Thoughts Counting Seven Paces Beneath the Stars verzichtet Fulton auf eine fotografische Referenz und verwendet stattdessen mithilfe von Worten und weißen Punkte eine Symbolsprache mit hohem Wiedererkennungswert, um auf einen bestimmten Aspekt der zugrunde liegenden Wanderung hinzuweisen: das Zählen barfüßiger Schritte im Kontext der Weite des Universums.424 Dadurch verknüpft er nicht nur den Akt des sinnlichen Gehens mit der Unendlichkeit des Kosmos, sondern stellt mit der Verbildlichung durch die sieben weißen Punkte auch eine visuelle Verbindung sowohl zwischen dem künstlerischen Akt seiner Walking Art und dem daraus resultierenden Kunstwerk, als auch mit dem das Kunstwerk betrachtenden Publikum her. Es entsteht eine Brücke zwischen der erlebten Vergangenheit des Künstlers und der jetzt in der Gegenwart der Kunstbetrachtenden ermöglichten gedanklichen Reimagination der Wandererfahrung. Stars Paces, No Thoughts Counting Seven Paces Beneath the Stars oder The Seven Stars, aber auch die zuvor besprochenen Arbeiten Solstice (vgl. Abb. 7) oder Kailash Kora (vgl. Abb. 12 + 14) sowie weitere erwähnte Beispiele wie Ten One Day Walks from and to Kyoto (1994), A 31 Day Road Walking Journey (vgl. Abb. 31) oder Winter Solstice Full Moon (1991) – sie alle sind Beispiele für einen Aspekt, der in Fultons Kunst von elementarer Bedeutung ist: Typografie.425

422 Vgl. Jocks, Heinz-Norbert, Olaf Nicolai. Der wahre Moment der Leichtigkeit, in: Kunstforum International, 2015, Band 233, 56. Biennale Venedig – All the World's Futures, S. 256. Siehe auch Jocks, Heinz-Norbert, Olaf Nicolai. Im Gespräch mit Heinz-Norbert Jocks, in: Kunstforum International, 2005, Band 177, 51. Biennale Venedig, S. 100. 423 Selbstverständlich kann das vom Künstler Erlebte von den Betrachtern nicht im selben Maß nachvollzogen werden, da es sich um eine sehr individuelle Erfahrung handelt. Allerdings kann die Fußreise als solche mit den eigenen Wander- und Geh-Erfahrungen verglichen bzw. mit ihrer Hilfe auf eigene Weise imaginiert und so besser verstanden werden. 424 Mehr zum Zählen von Schritten in der Kunst Hamish Fultons siehe Kapitel III. 2.2 Zählen, insbesondere Kapitel 2.2.2 Schritte. 425 Im Folgenden wird auf die Bedeutung von Typografie speziell im Werk von Hamish Fulton eingegangen. Grundsätzliches zu Typografie, ihrer Geschichte und ihrer Begrifflichkeiten siehe Beinert, Wolfgang, Typographie, in: Typolexikon.de, 05.08.2017, https://www.typolexikon.de/typographie/ (29.06.2016). 87 Durch die Integration von Typografie reiht sich Hamish Fulton ein in die Reihe jener Künstler, die seit der Kunst von Futurismus, Dada oder Surrealismus in Typografie, Text und Sprache ein wichtiges Gestaltungsmedium sehen.426 Wo jedoch bei den Futuristen lineare Lesbarkeit und Syntax aufgelöst wurden und die einzelnen Buchstaben in ihrem „visuelle[n] Eigenwert“427 akzentuiert wurden, behält Fulton die klassischen Regeln (allen voran die Vermittlung von Information) der Sprache bei. Die Verwendung von Versalien dient ihm in der Regel weniger dazu, einen onomatophonetischen oder bildgestalterischen Effekt zu erzielen, wie es Stephane Mallarmé den Futuristen vorgemacht hat.428 Dennoch finden sich auch bei Hamish Fulton Ausnahmen, die in ihrer Gestaltung daran anknüpfen und durchaus in die Nähe zu Konkreter Poesie gerückt werden könnten, wie A 21 Day Coast to Coast Walking Journey (1996)429 oder A 12 Day Walking Journey Crossing 12 Mountain Passes (1984)430. Hier ist seine künstlerische Position mit der Richard Longs vergleichbar, der in vielen seiner ebenfalls auf Wanderungen basierenden Textarbeiten seine Eindrücke in Typografie umsetzt.431 Häufig kreiert Long mittels der Begriffe und Eindrücke zugleich ein Abbild der geografischen Gegebenheiten, in denen er gewandert ist, z.B. 700 Stones for 700 Years (1990)432. Hier steht Long in der bis zu mittelalterlichen Bildgedichten zurückreichenden Tradition zahlreicher Künstler, die mit „Typographie und Textkörper visuelle Effekte erziel[en]“433 – einer Tradition, der auch Stephane Mallarmé oder Ian Hamilton Finlay nahe stehen.434 Dadurch ist Long der Konkreten Poesie allerdings deutlich näher als Hamish Fulton.

Die von Katrin Ströbel angesprochene „soziale Dimension“435 von Kunst und der Bezug zur Alltagsrealität der Betrachter zeigt sich bei Hamish Fulton vor allem in seinem ausgeprägten

426 Vgl. Schneider, Worträume, a.a.O., S. 201; Schoell-Glass, Charlotte, Text und Bild, in: Pfisterer, Ulrich (Hg.), Metzler Lexikon Kunstwissenschaft, 2. Auflage, Stuttgart 2011, S. 434; siehe auch Thomas, Karin, DuMont’s kleines Sachwörterbuch, a.a.O., S. 216 sowie ausführlich Stooss, Toni, Am Anfang, in: Die Sprache der Kunst. Die Beziehung von Bild und Text in der Kunst des 20. Jahrhunderts, Ausstellungskatalog Kunsthalle Wien, 03.09.1993- 17.10.1993, Ostfildern 1993, S. 1-48 und nicht zuletzt Ströbel, Wortreiche Bilder, a.a.O., S. 25-50. 427 Siehe und vgl. Schneider, Worträume, a.a.O., S. 203. 428 Vgl. ebd., S. 202. 429 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. 430 Abb. siehe Walking Artist, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. 431 Die Ähnlichkeiten sowohl in der Herangehensweise als auch in der künstlerischen Transformation ihrer Naturerfahrungen in Text- und Fotoarbeiten wird besonders deutlich in der Ausstellungspublikation Richard Long. Heaven and Earth, Ausstellungskatalog Tate Britain, 03.06.-06.09.2009, London 2009 sowie Richard Long. Prints 1970-2013, Ausstellungskatalog Museum Kurhaus Kleve et al., 21.04.-30.06.2013 et al., Köln 2013. 432 Abb. siehe ebd., S. 95. 433 Schoell-Glass, Text und Bild, a.a.O., S. 434. 434 Rein formal-ästhetisch erinnert 700 Stones tatsächlich an Mallarmés grafische Gestaltung seines Gedichts Un Coup de dés von 1897. 435 Siehe und vgl. Ströbel, Wortreiche Bilder, a.a.O., S. 308. 88 Interesse an grafischer Komposition: „I am a visual artist, I’m interested in words, I’m interested in layouts and graphics.”436 Fulton bedient sich vor allem in seinen rein typografischen Arbeiten wie der oben beschriebenen Referenzarbeit Stars Paces bewusst einer Ästhetik, die gemeinhin mit der Werbegrafik assoziiert wird. Dies ist vor allem in Arbeiten aus den 1990er-Jahren zu erkennen, z.B. River Rocks (1991)437, Wild Rock (1993, Abb. 35), Small Birds (1994, Abb. 36) oder Boulder Shadows (1995, vgl. Abb. 3). “I like advertizing, and design seems liberating”, sagt er und offenbart in dem Interview mit John K. Grande ein persönliches Anliegen, das seine Arbeit als Künstler wesentlich beeinflusst und somit auch die künstlerische Aussage in die Nähe einer umweltpolitischen und auch gesellschaftskritischen Position rückt: „If we can advertize cars, then surely we should be able to advertize a spiritual relationship with a variaty of life forma.”438 Solange es keine brennstoffzellenbetriebene Autos gebe, läge sein wahres Bestreben darin, Kojoten, kleine Vögel, wilde Blumen oder sauberes Trinkwasser zu bewerben.439 “From contradiction comes Energy. And the Energy that is required today is Spiritual Energy.”440 Durch die Integration von Elementen aus der Werbegrafik begibt sich Fulton in ein dialektisches Spannungsverhältnis, bedient er sich doch genau jener klassischen Medienästhetik des globalisierten Wirtschaftssystems, das durch die wirtschaftlichen Interessen und den immer weiter steigenden Profitwillen der Firmen zusehends das vernachlässigt, für das sich Fulton einzusetzen versucht: Die ursprüngliche Verbindung des Menschen mit seiner Umwelt, mit den lebensbedingenden Abläufen der Natur und einer übergeordneten spirituellen Energie, die aus einer „gesunden“ Symbiose entsteht. Obwohl er mit der ausschließlichen Verwendung von Typografie zwar die Vorprägung anderer Zeichen und Symbole aus seinen Kunstwerken verbannt, betritt er mit jedem nicht selbst kreierten Schrifttyp das Terrain bekannter Werbesprache, deren Schriftbild ein ebenso großen Assoziationsfeld öffnen kann, wie ein althergebrachtes Symbol.441 Die Art der visuellen

436 Hamish Fulton in: Artribunetv, Richard Nonas / Hamish Fulton - Galleria Michela Rizzo, Venezia 2012 [YouTube-Video], 15.06.2012, https://www.youtube.com/watch?v=mvgyJ-0gbT4&feature=youtu.be, ab Minute 1:58 (16.11.2017). 437 Abb. siehe Peter Foolen, The Single Road, 07.03.2011, http://peterfoolen.blogspot.com/2011/03/single- road.html (03.07.2020). 438 Hamish Fulton im Interview mit John K. Grande, in: Grande, Art Nature Dialogues, a.a.O., S. 130. 439 Ebd., S. 130 und 138. 440 Ebd., S. 138. 441 Dunja Schneider beschreibt das Bemühen konzeptueller Künstler wie John Baldessari, die individuelle künstlerische Handschrift durch das Verwenden von Typografie aus dem Kunstwerk zu verbannen – viele Künstler sind aber gerade anhand der verwendeten Fonts und Bildsprache erkennbar. Siehe Schneider, Worträume, 89 Präsentation enthält also nicht nur weiterhin Bezüge zu bereits zuvor verwendeten Schriftstilen, sondern eröffnet ihrerseits neue Bedeutungsebenen.442 „Abstrahiert der Leser bei der Betrachtung des Schriftzeichens von der Funktion als sprachlichem Zeichen, so kann er die Aufmerksamkeit auf seine Eigenschaften als visuelle Gestalt sowie als Konfiguration grafischer und materieller Merkmale richten.“443 Hier kommt erneut die Zeitlichkeit einer ästhetischen Erfahrung auf der Rezeptionsebene ins Spiel, die bereits als „Lesezeit“ beschrieben wurde.444 Die Zeitlichkeit der klassischen kunsthistorischen Bilderzählung, die sich aus dem Neben- und Hintereinander bildlicher Ordnungen ergibt,445 wird zu einer Lesezeit, die durch die Neuordnung der bildgebenden Elemente – lesbarer Typografie – im Kunstwerk bestimmt wird.446 Bei Hartmut Böhme ist die Zeitlichkeit des Sehens die Grundlage jeder ästhetischen Erfahrung: „Ein Kunstwerk erschließt sich nur durch verweilendes Sehen. Jedes entdeckende Sehen ist langsam getaktet. Im schnellen Überblick entdeckt man nichts – und man erinnert auch nichts.“447 Eine ästhetische Erfahrung zu machen bedeutet für Böhme, sich für die Betrachtung Zeit zu nehmen, um zu einer „individuierenden Erinnerung“ und letztlich zu einer „differenzierteren Urteilskraft“ zu gelangen.448

2. Zahlen, Zählbare Zeit und Vermessen

In Anlehnung an Aristoteles bezeichnet Kurt Flasch Zeit als „Zahl der Bewegung“449. „Wir unterscheiden ein Mehr oder Weniger durch Zahlen, ein Mehr oder Weniger an Veränderung durch die Zeit. Dabei hat Zahl eine doppelte Bedeutung, einmal das Gezählte, die Anzahl, sodann das, womit wir zählen, die Zählzahl.“450 Wie eingangs bereits thematisiert, spielen

a.a.O., S. 30. In einer Emailkoreespondenz mit der Autorin vom 23.03.2018 schrieb Fulton, dass er keine Schrift selbst kreiere, sondern in den 1970er Jahren zumeist die Schrifttypen „Times New Roman” und „Helvetica“ benutzt habe, und seit den letzten Jahrezehnten ausschließlich „Century Gothic“ benutze. 442 Dunja Schneider spricht in ihrer Publikation von einer „bedeutungskonstituierenden Funktion von Typografie im Kontext zeitgenössischer Kunst“, siehe ebd., S. 7. 443 Ebd., S. 8. 444 Siehe und vgl. Kapitel III. 1.2.1 July Full Moon over the Doda River, 1979. 445 Vgl. Boehm, Gottfried, Bild und Zeit, in: Paflik, Das Phänomen Zeit (1987), a.a.O., S. 1-23, hier S. 5. 446 Vgl. hierzu auch Myssok, Johannes/Schwarte, Ludger (Hg.), Zeitstrukturen. Techniken der Vergegenwärtigung in Wissenschaft und Kunst, Berlin 2013 sowie Hülsen-Esch, Andrea et al. (Hg.), Bilderzählungen – Zeitlichkeit im Bild, Köln/Weimar/Wien 2003. 447 Böhme, Hartmut, Wollen wir in einem posthumanen Zeitalter leben? Geschwindigkeit und Verlangsamung in unserer Kultur, in: Die Kunst der Entschleunigung, a.a.O., Feuilleton. Brennpunkt Entschleunigung, S. 7. 448 Ebd. 449 Flasch, Was ist Zeit?, a.a.O., S. 118. 450 Ebd. 90 Ziffern und Zahlen sowie der Vorgang des Zählens in Hamish Fultons Referenzarbeiten eine große Rolle.451 Auf unterschiedliche Art und Weise sind Gezähltes und das Zählen selbst in seiner Kunst zu erkennen. In engem Zusammenhang mit dem Vorgang des Zählens und dem Akt des Gehens steht auch das Thema Messen und Vermessen, denn wenn Fulton beispielsweise Tage zählt, misst er gleichzeitig auch die Dauer seiner Wanderung; gezählte Zeit wird zu gemessener Zeit. Dieser Gedanke soll in Folgenden sozusagen „mitlaufen“, daher liegt der Fokus im Kapitel 2.3 Vermessen weniger auf dem Messen zeitlicher Abläufe, als auf dem räumlichen Maßnehmen und Vermessen infolge des Gehens.

Das Kapitel „Zahlen, Zählbare Zeit und Vermessen“ soll aufzeigen, wie diese unterschiedlichen Themen in seinen Kunstwerken visualisiert werden und welche Erkenntnisse sich daraus für die Kunstbetrachter ableiten lassen.

2.1 Zahlen

Zahlen und ihre tiefere Bedeutung treiben die Menschen seit jeher um.452 Dabei fand schon die Antike Möglichkeiten, Zahlen zu visualisieren, wie an den figurierten Zahlen der Pythagoreer erkennbar ist, welche die Polygonalzahlen der Ebene und die Polyederzahlen des Raumes in Form von Dreiecken, Vierecken, Fünfecken etc. anordneten.453 Spätestens seit dem Mittelalter und Augustinus wurden Zahlen als „Spuren Gottes“ verstanden, die er seiner Schöpfung aufgeprägt habe: „Als Spuren verweisen sie auf den erschaffenden Gang Gottes, sind sie also Zeichen in dem Sinne, daß die zahlhafte Ordnung des Kosmos Rückschlüsse auf

451 Die Begriffe „Ziffer“ und „Zahl“ werden in dieser Arbeit so verstanden und verwendet, wie es auch der Duden umschreibt: Der Begriff „Ziffer“ ist somit ein „schriftliches Zeichen, das für eine Zahl steht; Zahlzeichen“, wie beispielsweise die Ziffer 7, siehe Duden online, Ziffer, o.J., http://www.duden.de/rechtschreibung/Ziffer (14.08.2017). Eine „Zahl“ wiederum ist ein „auf der Grundeinheit Eins basierender Mengenbegriff“, beispielsweise der Begriff „Sieben“, siehe Duden online, Zahl, o.J., http://www.duden.de/rechtschreibung/Zahl (14.08.2017). 452 Zur allgemeineren Bedeutung von Zahlen siehe Held, Wolfgang, Alles ist Zahl: was uns die Zahlen 1 bis 31 erzählen, Stuttgart 2011 sowie Magie der Zahl in der Kunst des 20. Jahrhunderts, Ausstellungskatalog Staatsagalerie Stuttgart, 01. 02.-19.05.1997, Ostfildern 1997. Einen grundlegenden Überblick über die Entwicklung des modernen Zahlenbegriffs, der Zählzeichen sowie des Zählens gibt der ausführliche Lexikonartikel von Thiel, Christian, Zahl; Zählen, in: Ritter, Joachim et al. (Hg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 12, Basel 2004, S. 1119-1145. 453 Vgl. Folkerts, Menso, Mittelalterliche Mathematik. Das Quadrivium, in: Zählen, Messen, Rechnen. 1000 Jahre Mathematik in Handschriften und frühen Drucken, Ausstellungskatalog der Staatsbibliothek Bamberg zum Jahr der Mathematik 2008, 15.09.-12.12.2008, Petersberg 2008, S. 13. Siehe auch Thiel, Zahl; Zählen, a.a.O., S. 1123f und nicht zuletzt Gamwell, Lynn, Mathematics + art. A cultural history, Princeton/Oxford 2016, S. 9-11, 16 sowie 70. 91 ihren Stifter und dessen Weisheit erlaubt.“454 Der Metaphernreichtum von Zahlen und der Einfluss wichtiger Symbolzahlen spiegelt sich bis heute nicht nur in der Architektur vieler, nicht nur christlicher Bauwerke wider, sondern auch in zahlreichen wertvollen Werken, die v.a. die Kunstgeschichte nachhaltig geprägt haben. Als die frühesten Kunstwerke, die ohne den Einfluss von Zahlen, ihrer Symbolik (und vor allem Mathematik) nicht denkbar wären, seien Massaccios Trinitätsfresko in der florentinischen Kirche S. Maria Novella (1428) genannt, in welchem erstmals der Einsatz der Zentralperspektive zum Einsatz kam, Leonardo da Vincis Zeichnung Der Vitruvianischer Mensch (um 1490), welche die Idealproportionen des Menschen darstellte, Albrecht Dürers Melencolia I (1514) mit seiner Fülle an Hinweisen auf Zahlen und ihre Symbolik, und nicht zuletzt alle Kunstwerke, die den goldenen Schnitt als bewusstes kompositorisches Gestaltungsprinzip zur Grundlage haben.455

In der Mitte des 20. Jahrhunderts entdeckten zeitgenössische Künstler neben dem Gehen auch Zahlen und den Akt des Zählens erneut für sich.456 Wie die Ausstellung „Magie der Zahl in der Kunst des 20. Jahrhunderts“ in der Staatsgalerie Stuttgart 1997 aufzeigen konnte, ist die Anzahl von Künstlern, die sich mit Zahlen beschäftigen oder sich deren Symbolgehalt zu eigen machen, groß. Neben Hamish Fulton (der allerdings weder in der Ausstellung noch in der Publikation Erwähnung findet) spielten und spielen Zahlen auch bei Künstlern wie Oskar Schlemmer, Giacomo Balla, Jasper Johns, Jannis Kounellis, A.R. Penck, Lawrence Weiner oder Richard Long – um nur einige der bekanntesten Namen zu nennen – eine Rolle.457 Die Katalogtexte verdeutlichen, dass die Bedeutung der Zahl in Hinblick auf ihre mystische Symbolik in der Kunst der vergangen hundert Jahre zugunsten einer „Analyse der

454 Siehe Meyer, Heinz/Suntrup, Rudolf, Zum Lexikon der Zahlenbedeutungen im Mittelalter. Einführung in die Methode und Probeartikel: Die Zahl Sieben, in: Frühmittelalterliche Studien, hrsg. von Wolfram Drews und Bruno Quast, 1977, Band 11, 12/1977, Berlin/New York, S. 1-73, hier S. 10. Zur Zahlensymbolik im Mittelalter siehe v.a. Münsch, Oliver, Die Zahl als Zeichen. Symbolik und Allegorese der Zahlen im hohen und späten Mittelalter, in: Symbole des Übergangs [Kurztitel], hrsg. von Hermann Jung, Symbolon: Jahrbuch der Gesellschaft für Wissenschaftliche Symbolforschung e.V., Band 18, Frankfurt a/M et al. 2012, S. 237-259. Zwar finden sich auch im sunnitischen Islam immer wieder Verweise auf eine besondere Bedeutungstiefe von Zahlen, allerdings dient in unserem mitteleuropäischen Kulturkreis die Bibel als eine der wichtigsten Quellen zur Entschlüsselung von Zahlensymbolik. Siehe hierzu v.a. Hartmann-Schmitz, Ulrike, Die Zahl Sieben im sunnitischen Islam. Studien anhand von Koran und Hadit, Frankfurt 1989. Siehe auch Reinhold, Gotthard G. G. (Hg.), Die Zahl Sieben im Alten Orient. Studien zur Zahlensymbolik in der Bibel und ihrer altorientalischen Umwelt, Frankfurt a/M et al. 2008. 455 Siehe hierzu Heinlein, Stefan, Christliche Zahlensymbolik und ihre Chiffrierung in der alten Kunst, in: Magie der Zahl, a.a.O., S. 291-303. 456 Siehe hierzu v.a. Magie der Zahl, a.a.O. 457 Der Katalog zur Ausstellung „Magie der Zahl“ gibt nicht nur eine umfassende Übersicht über jene Künstler des 20. Jahrhunderts, welche sich intensiv mit Zahlen auseinandergesetzt haben, sondern arbeitet das Thema anhand verschiedener Essays historisch auf, so dass dieser Katalog als einführendes Überblickswerk zu empfehlen ist. Siehe Magie der Zahl, a.a.O. 92 Zeichenfunktion und [der] Vernetzung der Zahlen untereinander“458 zurückgegangen ist. Diese Entwicklung ist auch einer „verstärkten Hinwendung zur zeitgenössischen Realität“459 zuzuschreiben, die vor allem durch Werbung beeinflusst wurde. Wenn also heute ein Künstler wie Hamish Fulton Zahlen als maßgebliches Stilmittel in seine Kunst integriert, so ist das daher auch immer vor dem Hintergrund der Geschichte der Zahlen und der Zahlensymbolik zu betrachten, welche die Menschen seit der Antike zwischen Wissenschaft und Esoterik bewegt und beeinflusst.

2.1.1 Hitchhiking Times, 1967 Von Beginn an suchte Hamish Fulton nach einer Möglichkeit, Erfahrungen in ein für ihn probates künstlerisches Medium zu übersetzen. Auf einer Reise von London nach Andorra, die er zusammen mit seinen Studienkollegen Rodney McDonald und Alistair Milne trampend zurücklegte, notierte Hamish Fulton sämtliche Zeiten, Daten und Orte ihrer Reiseroute und präsentierte sie in seiner daraus entstandenen Arbeit Hitchhiking Times (1967, Abb. 37)460. Über zweimal drei Spalten sind Orte, Uhrzeiten und das Datum der jeweiligen Stopps zu lesen. Anstatt die durch den Wechsel der Transportmittel bedingten Unterbrechungen ihres Unterwegsseins und das daraus resultierende Warten auf eine neue Mitfahrgelegenheit in viele ausschmückende Worte zu fassen, reduzierte Fulton diese besondere Reiseerfahrung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: Zahlen und Fakten als minimale Stellvertreter für eine maximale Erfahrung. “My idea was to write down all the continuous times of the lifts – an involved minimal way of describing a unique experience – the opposite of writing a novel.”461 Reduziert bereits reine Typografie die Erfahrung Fultons zu lesbaren Fakten, werden Zahlen in der Kunst Fultons zur ultimativen Reduktion von Sprache. Trotz dieser Minimalisierung gelingt es ihm durch dieses weitere visuelle Mittel, eine anschauliche Verbindung mit der zuvor unternommenen Reiseerfahrung herzustellen: „Fulton constructs a link with the walk through a relationship between image and text […].”462

458 Ebd., S. IX. 459 Ebd. 460 Der komplette Titel lautet: “HITCHHIKING TIMES FROM LONDON TO ANDORRA AND FROM ANDORRA TO LONDON APRIL 1967 / Hamish Fulton Rodney McDonald & Alistar Milne Students of St. Martins School of Art London”. 461 Hamish Fulton in: Walking in relation to everything, a.a.O., S. 10. 462 Siehe Wilson, Andrew, The New Art, in: Conceptual Art in Britain 1964-1979, Ausstellungskatalog Tate Britain, 12.04.-29.08.2016, London 2016, S. 54. 93 Für Hamish Fulton war Hitchhiking Times 1967 jedoch nicht als eine Erweiterung von Skulptur angedacht, wie es Ende der 1960er Jahre im Zuge der künstlerischen Umbrüche hätte verstanden werden können.463 „What I build is an experience, not a sculpture.”464 Gehen ist für den Künstler eher als ein unsichtbares Objekt zu verstehen, da man mittels der Bewegung durch Zeit und Raum eine Erfahrung mache, auch, wenn dies für die Kunstbetrachter nicht sichtbar ist: „Walking is like an invisible object. You’re making something, you make an experience – you’re building an experience – but I’m not building an object when I’m actually walking.”465 Vielmehr seien die aus dem eigentlichen Walk resultierenden Referenzarbeiten die tatsächliche Objekte.466 Beides ist für Fulton jedoch gleichermaßen Kunst: “I am an artist who walks, not a walker who makes art. Walking art is the bringing together of two entirely separate activities. WALKING IS AN ARTFORM IN ITS OWN RIGHT. WALKING IS CONSTANT, THE ART MEDIUM IS THE VARIABLE.”467 Die Auflistung von Zeiten wie in der Arbeit Hitchhiking Times bleibt somit in Hamish Fultons Oeuvre ein einmaliges künstlerisches Projekt – zumal die Reise nicht zu Fuß zurückgelegt wurde. Die Verwendung von Zahlen und Ziffern als Mittel, elementare Erfahrungen von Zeitlichkeit zu verbildlichen, zieht sich jedoch seitdem wie ein roter Faden durch seine Kunst und äußert sich in zahlreichen, gänzlich unterschiedlichen Medien und Materialien.

Zahlen sind für Fulton sowohl von Bedeutung, als auch nicht von Bedeutung.468 Als Fakten stellen Zahlen (wie Symbole und Worte) für ihn grundsätzlich eine Möglichkeit dar, die Erfahrungen seiner Wanderungen „konkreter“ zu machen, wie er im Interview mit der Galerie Nara Roesler formuliert.469 Als bildnerisches Element, das „nur sich selbst bedeutet, einfach und visuell kontrollierbar und und in einer exakten Technik gestaltet ist“470, rückt die Verwendung von Zahlen Fulton deutlich in die Nähe Konkreter Kunst, für die 1930 im

463 Vgl. Walking in relation to everything, a.a.O., S. 10. Vgl. Auch die Einleitung in der vorliegenden Arbeit, I. 2.2. Über das Gehen in der Kunst im Kontext von Hamish Fulton. 464 Hamish Fulton in: Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., S. 16. 465 Hamish Fulton in: Artribunetv, a.a.O., ab Minute 1:33. Einmal mehr gilt, dass die Erfahrung seines Gehens nur für Fulton selbst wirklich erlebbar ist! Sie kann aber im Nachhinein von den Kunstbetrachtern – sofern sie selbst schon einmal gegangen sind und vielleicht auch die Erfahrung körperlicher Erschöpfung durch eine Wanderung gemacht haben – wiederum aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen nachvollzogen werden. 466 Ebd., ab Minute 1:44. 467 Fulton, “no walk, no work”, a.a.O., S. 63. 468 „Numbers are both of significance and no significance.“ Hamish Fulton in: AA School of Architecture, Hamish Fulton - An Object Cannot Compete With an Experience [YouTube-Video], 27.05.2015, Vorlesung in der AA School of Architecture, London, 10.03.2000, https://www.youtube.com/watch?v=0rlYhR4Xd0M, Minute 11:48 (18.03.2018). 469 Hamish Fulton im Interview mit der Galerie Nara Roesler, a.a.O., Minute 2:41. 470 Thomas, Karin, Konkrete Kunst, in: DuMont’s kleines Sachwörterbuch, a.a.O., S. 126. 94 „Manifest der konkreten Kunst“ in der von Theo van Doesburg herausgegebenen Zeitschrift „Art Concret“ ihre theoretischen Grundlagen fomuliert wurden.471 Dem Manifest zufolge sollte Konkrete Kunst jegliche Nähe zu Natur, Lyrismus oder Symbolismus vermeiden.472 Gerade hier wird jedoch eine eindeutige Zuordnung Fultons zur Konkreten Kunst ebenso schwierig, wie eine eindeutige Abgrenzung, denn bei Fulton vermischt sich das Konkrete der Zahlen an sich mit der individuellen Symbolik derselben, durch die sie wiederum die oben genannte Bedeutung erlangen. Einen besonderen Stellenwert hat dabei die Zahl Sieben. Spielten in Hitchhiking Times noch Zahlen aller Art eine Rolle, entwickelte Hamish Fulton im Verlauf der folgenden vierzig Jahre eine starke Affinität vor allem zu dieser Zahl. Immer wieder bestimmt die Sieben seine Wanderungen und wird auf unterschiedlichste Weise in den daraus resultierenden Kunstwerken und in seinen Publikationen reflektiert.473 Ob durch die passende Anzahl gezählter Elemente oder Zählzeichen wie in Seven Days (Abb. 38), Seven Small Engadin Mountains (2007)474, 28 Tally Marks (1998)475 oder Seven One Day Walks in the Rain (1990)476, als ausgeschriebenes Wort wie in Seven Winds (1985, Abb. 39) oder No Talking for Seven Days (1988)477, als Ziffer wie in Seven Miles to Penybont (1976)478, dem Sammelwerk 7 14 21 28 (1985-2013)479 oder der Arbeit Mercantour 21 (2011)480 – Fulton findet immer neue Varianten, Zahlen wie die Sieben und ihre Vielfachen in seine Kunst zu integrieren. Obwohl Fulton die Sieben vor allem zur Nennung von Fakten wie der Anzahl gewanderter Tage oder Kilometer etc. nutzt, sind diese Arbeiten immer auch vor dem Hintergrund der vielfältigen Symbolik der Zahl zu betrachten.481 Tatsächlich spielt die Sieben in vielen Kulturen eine besondere Rolle und

471 Die Zeitschrift umfasst nur eine Nummer, siehe und vgl. ebd. 472 Zur Vertiefung siehe v.a. Schröder, Britta, Konkrete Kunst. Mathematisches Kalkül und programmiertes Chaos, Berlin 2008 sowie Riese, Hans-Peter, Kunst: Konstruktiv/Konkret. Gesellschaftliche Utopien der Moderne, München/Berlin 2008. 473 In der Publikation „Thirty One Horizons. Hamish Fulton“ anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Kunstbau Lenbachhaus in München vom 09.09.-05.11.1995 hat Hamish Fulton einige Gedanken zur Sieben notiert, siehe Thirty One Horizons, a.a.O., S. 52. 474 Abb. siehe Peter Foolen, Hamish Fulton – Galerie Tschudi, Zuoz, Engadin, 16.08.2012, http://peterfoolen.blogspot.com/2012/08/hamish-fulton-galerie-tschudi-zuoz.html (06.07.2020). 475 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. 476 Abb. siehe Placing One Foot In Front Of The Other, a.a.O., nicht paginiert. 477 Abb. siehe Hamish Fulton, Kunsthalle Baden-Baden, a.a.O., S. 9. 478 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. 479 Abb. siehe Maureen Paley, Exhibitions, Hamish Fulton, 19.07.-24.08.2013, 1, 7, 14, 21, 28 Day Walks Cairngorms Scotland, https://www.maureenpaley.com/exhibitions/hamish-fulton?image=1 (03.07.2020). 480 Abb. siehe Peter Foolen, Hamish Fulton – Mercantour, 2011, 18.09.2011, https://peterfoolen.blogspot.com/search?q=mercantour (03.07.2020). 481 Damit ist auch die Zahl 12 gemeint, die mit der Zahl Sieben verwandt ist, da sowoh die Sieben als auch die 12 als Summe oder Produkt aus denselben Grundzahlen hervorgehen: 7 = 3+4, 12 = 3x4. Siehe hierzu Meyer, Zum Lexikon der Zahlenbedeutungen im Mittelalter, a.a.O., S. 7. 95 findet bereits zu Babylonischer Zeit Erwähnung.482 In Form der Sieben Weltwunder war die Sieben auch schon in der griechischen Antike bekannt; besonders stark ist sie allerdings im christlichen Glauben verankert: Von der Erschaffung der Welt innerhalb von sieben Tagen bis hin zu den Sieben Tugenden und Sieben Todsünden prägt die Sieben bis heute unseren (christlichen) Alltag.483 Die Ursprünge dafür liegen an ihrer besonderen Verbindung mit kosmischen Zeiten: die Sieben findet sich nicht nur im rund 28-tägigen Zyklus des Mondes,484 sondern auch am Sternenhimmel in den sieben wichtigsten Planeten, wodurch sie das Leben der Menschen bis in die Benennung der Wochentage hinein bis heute grundsätzlich strukturiert.485 Vor allem diese Verbindung mit zyklischen Abläufen in der Natur macht die Sieben auch für Hamish Fulton zu einer einer „[…] ‘readymade’ number to walk with; a number that already exists in nature and history […]“486. Bei allen Wanderungen, die sieben Tage und sieben Nächte dauern, auf den Mondzyklus ausgerichtet sind oder während derer er sieben Berggipfel besteigt, ist dieser historische Verweis demnach immanent und wird von Fulton sozusagen en passant miterlebt. Die Verknüpfung der Sieben mit Erlebnissen in der Natur ist zudem als Hinweis zu verstehen, dass in den Abläufen der Natur alles auf magische Weise miteinander verbunden ist. Wie sich im weiteren Verlauf der Arbeit aufzeigen lässt, nutzt Hamish Fulton die Ästhetik der Zahlen mit Ausnahme der Zahl Sieben nicht um ihrer selbst willen oder aufgrund ihrer Symbolkraft. In seinem Bestreben, den Symbolgehalt romantischer Landschaftsmalerei und –fotografie in seinen Kunstwerken durch Zahlen und Fakten aufzulösen, erfüllen Zahlen auch bei Fulton den Zweck, den Mythos zugunsten des Logos‘ aus der Kunst der Gegenwart zu verdrängen.487

482 Vgl. Heinlein, Christliche Zahlensymbolik, a.a.O., S. 294; darüber hinaus Ebel, Christian, Zeit-Forschung. Nach einer Biblischen Feyer- und Hall-Jahrs-Rechnung Durch die von Gott geheiligte Zahl Sieben, Berlin 1740, http://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/55282/10/0/ (12.08.2017). 483 Für diese und weitere Beispiele siehe Heinlein, Christliche Zahlensymbolik, a.a.O., S. 294. 484 Vgl. Kapitel III. 1.2.1 July Full Moon over the Doda River, 1979. 485 Vgl. Kapitel III. 1.3.1 Stars Paces, 1995. Nicht zuletzt existiert bei den Freimaurern das Bild der sieben Erkenntnisstufen, enthalten in der sog. VITRIOL-Formel: V.I.T.R.I.O.L. = Visita interiora terrae, rectificando invenies occultum lapidem. Vgl. Voss, Axel, Die Symbolik der Zahl Drei in der Freimaurerei, in: Symbolon. Gesellschaft für wissenschaftliche Symbolforschung e.V., Jahrbuch Band 18, hrsg. von Hermann Jung, Frankfurt a/M 2012, S. 305. Mehr zur Symbolik der Freimaurer siehe Béresniak, Daniel, Symbole der Freimaurer, Augsburg 2000. 486 Siehe Turner Contemporary, Hamish Fulton: Walk, a.a.O. 487 Hier wird auf die Überlieferung Bezug genommen, in welcher Thales von Milet durch die Vorhersage der totalen Sonnenfinsternis am 28. Mai 585 v.Chr. die Schlacht zwischen den Lydiern und den Medern zugunsten der Lydier beeinflusst haben soll. Er begriff die Sonnenfinsternis als eine logische Konsequenz aus der rational berechenbaren Bewegung der Gestirne, während die Meder noch an göttliche Mächte und somit an den Mythos glaubten. Vergleiche Taschner, Pythagoras, a.a.O., S. 9. 96 2.1.2 Not By Car, 2017

Rund fünf mal vier Meter488 misst der große Wandtext Not By Car von 2017 (Abb. 40). Auf grauem, schwarz umrandetem Grund sind über zehn Zeilen abwechselnd weiße und schwarze Buchstaben sowie graue Ziffern zu erkennen: „N O T / AN 8 DAY COAST TO COAST ROAD WALK ACROSS THE NORTH OF ITALY / 1 2 3 / B Y / FROM BOCCA DI MAGRA VIA THE SEMINARIO TUNNEL / 4 5 / C A R / ENDING WITH THE FULL MOON OF MARCH / 6 7 8 / AT THE ENTRANCE TO PALAZZO DUCALE IN VENICE 2017”. Liest man das Bild nicht Zeile für Zeile, sondern orientiert sich an den jeweiligen Farben bzw. Schriftgrößen und Zahlen, wird der Inhalt deutlicher: „NOT / BY / CAR“ ist sowohl der Titel, als auch ein wichtiges Statement der Referenzarbeit und verschränkt sich mit den Ziffern 1-8. Der zugrundeliegende „ROAD WALK“ führte ihn im Verlauf von acht Tagen von Küste zu Küste einmal quer durch Norditalien: „FROM BOCCA DI MAGRA VIA THE SEMINARIO TUNNEL / ENDING WITH THE FULL MOON OF MARCH / AT THE ENTRANCE TO PALAZZO DUCALE IN VENICE 2017”.489 In dieser Referenzarbeit kombiniert Fulton natürliche Zahlen mit von ihm gewählten Begriffen oder Aussagen, deren Buchstabenanzahl sich mit der Anzahl gewanderter Tage deckt. Fulton geht es in Arbeiten wie diesen darum, Worte und Zahlen visuell miteinander zu verbinden: „In choosing a text ‘title’ with the same number of letters as the days walked, the graphic elements are ‘locked’ together.”490 Schriftgröße sowie die Unterscheidung zwischen Buchstaben und Ziffern helfen den Lesern, innerhalb ihrer „Lesezeit“491 zu einem „Leserhythmus“492 zu gelangen, um die gegebenen Informationen erfassen und verstehen zu können. Diese Verknüpfung von Worten, gezählten Buchstaben und grafischer Gestaltung ist ein von Fulton bewusst gesetztes und wichtiges Gestaltungselement, für das er bei den Vorüberlegungen zu möglichen Referenzarbeiten in seinen Notizbüchern immer wieder neue Kombinationen durchspielt.493

488 510 x 410 cm, vgl. die Homepage der Galerie Michela Rizzo, Hamish Fulton, Mostre, Unlike a drawn line a walked line can never be erased, o.J., http://www.galleriamichelarizzo.net/artisti/hamish-fulton/?id=1752 (15.01.2018). 489 Diese Arbeit ist ein gutes Beispiel dafür, dass seine Walks miteinander verbunden sind, da Fulton zwei Jahre zuvor (zum Abschluss der Biennale 2015) am Palazzo Ducale seinen Repetitive Walk durchführte, einen öffentlichen Group Walk, siehe auch Kapitel III. 2.3.3 Swifts and Lizards, 2007. 490 Vgl. Walking in relation to everything, a.a.O., S. 28. 491 Eco, Die Zeit der Kunst, a.a.O., S. 79. 492 Ebd., S. 80. 493 Anhand seiner Aufzeichnungen aus den Jahren 1977 und 1996 im Ausstellungskatalog der Tate sieht man weitere Möglichkeiten, welche Wörter Fulton mit welchen Zahlen verknüpfen könnte. Siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. 97 Das oft titelgebende Wort bzw. die durch die Kombination mit den Zahlen besonders hervorgehobenen Wörter repräsentieren dabei gleichzeitig einen oder mehrere wichtige Aspekte des Walks. Der Fotograf und Journalist Freddy Langer kommt dem Grund für eine solche Verbindung auf einem Spaziergang mit Fulton näher: „WORDS notiere ich in Gedanken. Noch einmal fünf Buchstaben. Die englische Sprache macht es einem leicht, aus Vokabeln ein Ornament zu arrangieren.“494 Ähnlich wie in Hitchhiking dient die Verwendung von Ziffern in Kombination mit Typografie als kleinstmögliche Komprimierung aller gemachten Erfahrungen während der Wanderung. Die Verknüpfung von Text und Zahl nutzt Fulton häufig in seiner Kunst, beispielsweise in Taxi (1975)495, Sit Net Tel (1981)496, den Leuchtkasten-Arbeiten Indoors Outside (1989)497 oder Tibet Is Not Free (2007, Abb. 41), aber auch Keeping Still Mountain (2006)498, die bereits erwähnte Arbeit Carrara Walking (2007), Volcano (2008)499, Himalayan Snow Mountains (2013, Abb. 42), Boulder 1234567 (2014, Abb. 43) oder sogar als Plakat im öffentlichen Raum in seiner Billboard-Arbeit Dolomites Marmolada (2004)500.501

In den zahlreichen weiteren Werken dieser Art lassen sich mehrere Themen erkennen, die Fulton besonders am Herzen liegen: Unterschiedliche Arten des Gehens selbst in Footprints (1995)502, From A to B (1995, Abb. 44), Walking Camping (1985-1999)503, Walk Walk Walk

494 Siehe Langer, Im Zweifelsfalle Weiterwandern (2014), a.a.O., S. 21. 495 Abb. siehe pin.it, https://pin.it/Oo1zapW, via pinterest.de, Hamish Fulton, Taxi, https://www.pinterest.de/pin/275071489714870530/ (02.07.2020). 496 Abb. siehe Maureen Paley, Exhibitions, Hamish Fulton, 12.02.-24.03.2005, 7, Sit Net Tel, https://www.maureenpaley.com/exhibitions/hamish-fulton-1?image=7 (03.07.2020). 497 Anhand von Indoors Outside wird einmal mehr erkennbar, wie gerne Fulton mit Worten spielt: Der Text ist in einem Schaukasten außerhalb der Ausstellungsräumlichkeiten angebracht, siehe espaivisor, Hamish Fulton. Indoors Outside, 29.05.-04.09.2015, http://espaivisor.com/exposicion/indoors-outside/ (07.06.2017). 498 Abb. siehe Puglisi, Rosa Maria, Il cammino di Hamish Fulton, in: Lo Specchio Incerto, 16.03.2007, https://specchioincerto.files.wordpress.com/2007/03/invito.jpg (04.07.2020). 499 Abb. siehe i8.is, Exhibitions, Hamish Fulton, 25.04.-01.06.2013, Works, Volcano, https://i8.is/exhibitions/131/works/#/image_popup/artworks9244/ (03.07.2020). 500 Abb. siehe Hamish Fulton. Keep Moving, a.a.O., S. 34. 501 Laut Hamish Fultons eigener Aussage in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 09.08.2017 nutzt er diese Art Verbildlichung noch nicht lang: „Some years ago, I originated another layout system for text only works where I choose a word with the same number (quantity) of letters as the number of days I walked.” Dass seine zeitliche Einschätzung von “some years” durchaus dehnbar ist, zeigt die Tatsache, dass sich derlei Verknüpfung mit Werken wie Climate Changes oder Walking Camping bereits im Katalog seiner Einzelausstellung in der Tate aus dem Jahr 2001 findet – also knapp 16 Jahre vor dem Emailaustausch. Zum Thema Zeitschätzung siehe Kapitel III. 4. Geschwindigkeit des Ghens und Wahrnehmung von Zeit. 502 Abb. siehe Galleria Alessandra Bonomo, Hamish Fulton, Exhibitions, http://bonomogallery.com/portfolio- item/hamish-fulton/ (06.07.2020). 503 Abb. siehe Fulton, Walking Artist, a.a.O., nicht paginiert sowie Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. 98 Walk (2006)504, der Group Walk Margate Walking (2010, Abb. 45) und Transformation Walking (2010, Abb. 46). Des Weiteren finden sich wirtschaftspolitisch konnotierte Arbeiten wie Market Forces (1984, Abb. 47) oder aktuelle Flüchtlingspolitik, wie sie in Migrant Volcano (2014)505 anklingt. Zudem realisiert Fulton immer wieder Arbeiten über den andauernden Tibet-China-Konflikt wie Tibet Is Not Free (2007, vgl. Abb. 41), Justice Barkhor Freedom Jokhang (2007, vgl. Abb. 18), Bodnath Chorten (1998)506 oder The Tibetan National Flag (2013, Abb. 48) sowie zu Umweltschutz und Klimawandel mit Arbeiten wie The Wolf (2011)507, Global Warming (1976-1994)508, die bereits angesprochene Fotografie Climate Changes (2000-2001) oder Melting Glacier (2005, Abb. 49).

Diese politische Konnotoation im Blick, wundert es nicht, dass Fulton ein Kunstwerk kreiert, das „Not By Car“ heißt – auch, wenn es zuvorderst mit seinem Anspruch zu tun hat, dass alle seine Kunstwerke aus dem Akt des Gehens resultieren – „art deriving from the experience of walking.”509 Dazu kommt das Bedürfnis nach einer Art der faktenbasierten Dokumentation, aus dem sich auch das Begehren nach Authentizität, nach Glaubwürdigkeit und nicht zuletzt nach Autorität in Bezug auf das Kunstwerk heraushören lässt:510 „Egal wie kurz eine Wanderung war, ich wollte sie genau dokumentieren. Ich bin kein Schriftsteller und kann mich nicht literarisch ausdrücken und habe mich stattdessen darauf verlegt, die reinen Fakten zu liefern: Ausgangs- und Zielort, Datum und Uhrzeit und die exakte Distanz, die ich marschiert bin. Das Wichtige ist nämlich: Ich lege jeden einzelnen Meter dieses Weges zu Fuß zurück, da gibt es kein den Busnehmen oder Autostoppen, sondern nur ein ganz puristisches Einen-Fuß- vor-den-anderen-Setzen.“511

504 Abb. siehe Christine Burgin, Exhibitions, Hamish Fulton, GERONIMO HOMELAND, 18.05.-16.06.2007, https://www.christineburgin.com/exhibitions/eh_fulton_2007.html (05.06.2020). 505 In Migrant Volcano bezieht sich Fulton sowohl auf die bestehende und den Berg regelmäßig verändernde Vulkanaktivität, als auch die Flüchtlingspolitik in Europa, die während seiner Wanderung auf den Vulkan Ätna 2014 ein großes Thema in Sizilien war, so Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 23.03.2018. 506 Abb. siehe espaivisor, Hamish Fulton. Indoors Outside, 29.05.-4.09.2015, Publicación, http://espaivisor.com/wp-content/uploads/2015/02/A3-Hamish-Fulton-2015.pdf (06.07.2020). 507 Abb. siehe Galerie Torri, Mercantour, Hamish Fulton, 10.09 – 08.10.2011, http://www.galerietorri.com/pages/09_TORRI_MERCANTOUR.htm (06.07.2020). 508 Abb. siehe Hamish Fulton. Keep Moving, a.a.O. S. 68. 509 Turner Contemporary, Hamish Fulton: Walk, a.a.O. 510 Vgl. Daur, Uta, Authentizität und Wiederholung. Künstlerische und kulturelle Manifestationen eines Paradoxes, Bielefeld 2013, S. 8. Zum Thema Authentizität siehe v.a. Knaller, Susanne/Müller, Harro (Hg.), Authentizität. Diskussion eines ästhetischen Begriffs, München 2006. 511 Siehe ö1Radio, Walking Art - eine Einführung, Kulturjournal, 30.11.2016, http://oe1.orf.at/artikel/458012 (08.12.2016). Eva Ulrike Pirker und Mark Rüder verstehen Künstler der Gegenwart als Menschen, die „im Einklang mit sich selbst, im quasi-genialen Auftrag einer höheren Ordnung“ kreativ sind und durch ihr Kunstschaffen Authentizität erlangen, siehe Pirker, Eva Ulrike/Rüdiger, Mark, Authentizitätsfiktionen in populären 99 Liest man im Text den Hinweis „Road Walk“, so impliziert dies darüber hinaus zwei Dinge: zum einen, dass Fulton im Vorfeld des Kunstwerks auf seiner Fußreise eine große Anzahl an Kilometern zurückgelegt hat. Denn Road Walks bedeuten für ihn, auf einem langen Marsch nicht alles bei sich tragen zu müssen, da die Infrastruktur für Reisende entlang von Straßen in den meisten Ländern gut ausgebaut ist: „All my longer distance walks are road walks. The practicalities of what needs to be carried. On the road, a light pack, aided by places to eat and sleep.“512 Die Möglichkeit, sich regelmäßig mit Nahrung und Getränken versorgen zu können, hält sein Energielevel hoch: “Petrol – food as fuel, not a stimulant.“513 Dadurch unterscheiden sich Road Walks ganz grundsätzlich von jenen Wanderungen, während derer Fulton die Nächte campierend im Zelt verbringt.514 Zum anderen versteht der Künstler seine Road Walks vor allem als einen Kommentar zu der auf das Auto so stark angewiesenen Gesellschaft bzw. die Dominanz des Automobils: „Walking against traffic.“515. Alle Road Walks stehen also in Verbindung mit Hamish Fultons kritischer Einstellung zur Mobilität durch fossile Brennstoffe.516 Wie man an seinem Oeuvre erkennen kann, schritt Fulton schon früh immer wieder dem Verkehr entgegen, so in dem Sammelwerk Twenty One Road Walks (1971-95)517 oder Wayside Boulders (1977)518, aber auch Werke wie A Road Walk Across France (1983)519, A Nineteen Day Coast To Coast Road Walking Journey (1988)520, A 31 Day Road Walking Journey (1994, vgl. Abb. 31) oder Door Road (1996-98)521. Im Wandtext Not By Car greift Fulton dieses Thema einmal mehr auf und präsentiert es auf britisch-lakonische Art in der Galleria Michela Rizzo – angesiedelt in der autofreien Lagunenstadt Venedig.

Geschichtskulturen: Annäherungen, in: dies. Et al. (Hg.), Echte Geschichte. Authentizitätsfiktionen in populären Geschichtskulturen, Bielefeld 2010, S. 15; auch zitiert in Daur, Authentizität und Wiederholung, a.a.O., S. 9. Angesichts der eher marginalen Reflexion seiner Kunst im Kreis der Kunstgeschichte erscheint es so, als versuche Fulton, sich in seiner Kunst für sein künstlerisches Tun abzusichern oder gar zu rechtfertigen – obwohl er das nach Meinung von Pirker und Rüder gar nicht müsste. 512 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 08.08.2017. 513 Fulton, Shadow, a.a.O., S. 28. 514 Siehe auch Kapitel III. 2.1.2 Not By Car, 2017. 515 Walking in relation to everything, a.a.O., S. 26. Der Vergleich mit dem „gegen Windmühlen” anlaufenden Don Quichote liegt auf der Hand. 516 Hamish Fulton im Interview mit John K. Grande, in: Grande, Art Nature Dialogues, a.a.O., S. 130 und 138. 517 Abb. siehe Thirty One Horizons, a.a.O., S. 57. 518 Abb. siehe quia.com, https://www.quia.com/jg/2663262list.html (06.07.2020). 519 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O. nicht durchgehend paginiert. 520 Abb. siehe Fulton, A Walking Artist, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. 521 Abb. siehe ebd. 100 2.2 Zählen

Wie sich bereits in der Einleitung zum Thema Zahlen gezeigt hat, befindet sich Hamish Fulton als Zählender in guter Gesellschaft: bereits Pythagoras von Samos (ca. 570 - 497 v. Chr.) war Zahlen und dem Akt des Zählens verfallen; ihm wird das Zitat nachgesagt: „Alles ist Zahl“.522 In Bezug auf wichtige Philosophen wird Zählen für Gernot Böhme zu einem Synonym für Zeit: „Zeit ist etwas, das gezählt werden kann, nicht die Zahl, mit der wir etwas zählen. Man kann die Zeit zählen, indem man je und je ein Jetzt feststellt.“523 Dieses „je und je“ äußert sich in der Kunst auf unterschiedlichste Art und Weise. Als einer der konsequentesten zählenden Künstler ist allen voran wohl der „Zeit malende“524 Roman Opalka zu bewerten, bei dem sich seine Lebenszeit untrennbar mit der Produktionszeit und Werkzeit verbindet.525 Aber auch andere Künstler zählten und zählen. Jonathan Borowsky beispielsweise zählte von 1 bis ∞ und notierte die Zahlen auf Papierblättern, die er übereinanderstapelte und mit einem Gewicht beschwerte.526 Richard Long wiederum zählt auf seinen Wanderungen Steine am Wegesrand, zurückgelegte Kilometer oder überquerte Flüsse und setzt dies in Zeichnungen oder in Form typographischer Wortbilder um. Wie sich zeigen wird, ist sowohl sein Zählen, als auch die Art der bildlichen Umsetzung fast zum Verwechseln ähnlich mit der Art und Weise, wie sich das Zählen in Fultons Kunst wiederfindet. Bei Hamish Fulton äußert sich das Zählen insbesondere in der Anzahl gewanderter Tage oder überquerter Berggipfel, Schritte, Sonnentage, Nächte, Buchstaben oder zurückgelegten Meilen bzw. Kilometern. Welche Möglichkeiten zur Verbildlichung wählt er? Was lässt sich dadurch über seine Kunst aussagen? Die folgenden Unterkapitel sollen aufzeigen, wie das am häufigsten Gezählte in seinen Kunstwerken visuell transformiert wird.

522 Vgl. Taschner, Pythagoras, a.a.O., S. 10. Zu Pythagoras und vor allem Mathematik in der Kunst siehe Gamwell, Mathematics + art, a.a.O., hier S. 8-12. 523 Böhme, Gernot, Zeit und Zahl. Studien zur Zeittheorie bei Platon, Aristoteles, Leibniz und Kant, Frankfurt a/M 1974, S. 186. 524 Ackermann, Tim, Von einem, der auszog, die Zeit zu malen. Herr der Zahlen: Zum Tod des großen polnischen Konzeptkünstlers Roman Opalka, in: Welt online, Ressort Kultur, 09.08.2011, https://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article13534022/Von-einem-der-auszog-die-Zeit-zu-malen.html (09.03.2018). 525 Siehe hierzu v.a. Jochimsen, Margarethe, Die durchzählte Zeit des Roman Opalka, in: Magazin Kunst, Nr. 3, 1975, S. 80-84. 526 Vgl. Magie der Zahl, a.a.O, S. 163. 101 2.2.1 Tage

„Wiederholt sich das Geschehen, so sprechen wir von zyklischer Zeit. […] Verändert es sich unumkehrbar in gleichbleibender Richtung, so nennen wir die Zeit linear. […] Wir messen den Lauf der Zeit, indem wir zyklisch sich wiederholende Einheiten zählen.“527 Eine der gängigsten zyklischen Einheiten findet sich in der Bemessung eines Tages.528 Der Tag kann als jene Einheit verstanden werden, die sich inmitten des Spannungsverhältnisses von kosmologischer Zeitmessung von einem Jahr und der Zeitmessung durch die Einteilung bis in die kleinste wahrnehmbare Einheit in Form von Millisekunden bewegt.529 Tage zu zählen bedeutet somit auch, sich Tag für Tag, Woche für Woche und Monat für Monat einer gewissen Rhythmik zyklischer Zeit und somit einer gewissen Stabilität hinzugeben.530

Für jede der Wanderungen Fultons steht – spätestens am Ende derselben – eine eindeutige Anzahl von Tagen fest, die er gewandert ist. Diese Angabe ist eine feste Größe in jeder seiner Referenzarbeiten und meist in den Walk Texts zu finden. Seit Anfang an findet er jedoch immer neue Varianten, die Anzahl der Tage als sichtbares Element in seinen Kunstwerken zu verbildlichen.

2.2.1.1 Eleven Notches for an Eleven Day Walking Journey, 1979 Die hochformatige Schwarz-Weiß-Fotografie Eleven Notches for an Eleven Day Walking Journey von 1979 (Abb. 50) bildet einen mehrfach gekrümmten Ast mit aufgesteckter Feder ab, der auf einer bearbeiteten Holzplatte zu liegen scheint. Auf dem dunklen Stock selbst sind elf weiße, in nicht regelmäßigen Abständen platzierte Striche zu sehen. Sie stehen für die elf Tage, während derer Hamish Fulton im Frühjahr 1979 in Tasmanien gewandert ist, wie am linken Bildrand von unten nach oben zu lesen ist: „ELEVEN NOTCHES FOR AN ELEVEN DAY WALKING JOURNEY FROM THE MIDDLE TO THE NORTH COAST OF TASMANIA MARCH APRIL 1979“. Fulton visualisiert die Dauer seiner Wanderung durch die Landschaft Tasmaniens mithilfe eines mit der Natur vor Ort verbundenen Gegenstandes. Der Ast sowie die darauf aufgetragenen Markierungen werden zu einem Zeitstrahl, der die für Hamish Fulton linear

527 Demandt, a.a.O., S. 18. 528 Siehe auch Kaletsch, Hans, Tag und Jahr. Die Geschichte unseres Kalenders, Zürich et al. 1970, hier vor allem S. 22-25. 529 Siehe und vgl. hierzu Eigen, Manfred, Evolution und Zeitlichkeit, in: Die Zeit. Schriften der Carl Friedrich von Siemens Stiftung, a.a.O., S. 40. 530 Laut Jan Assmann enden alle Zeiteinheiten mit der Einheit Jahr und wiederholen sich danach periodisch. Vgl. Assmann, Das Doppelgesicht der Zeit, a.a.O., S. 193. 102 vergehende Zeit in eine ebenso linear lesbare, allgemeingültig erkennbare Form umzusetzen vermag.531 Der Hintergrund des Fotos eröffnet dabei eine weitere, zeitliche Dimension, die nicht nur auf die Zeit Bezug nimmt, die Hamish Fulton brauchte, um seine Wanderung zu absolvieren. Die deutlich sichtbaren Jahresringe des bearbeiteten Holzes, auf welchem der Ast liegt, sind Zeichen jener Zeit, die der Baum brauchte, um zu wachsen und Jahr für Jahr die Wetterdaten in seinen Jahresringen zu verewigen. Die Jahresringe können hier wie der Schatten für die Sonne als ein indexikalisches Zeichen für das Vergehen von Zeit verstanden werden. Im erweiterten Sinne visualisiert Hamish Fulton mit der Kombination beider Hölzer auch die Zeit, die gebraucht wurde, um den Baum zu fällen und zu Nutzholz zu verarbeiten und schlägt zudem eine Brücke vom Zeitpunkt der Aufnahme seines Fotos bis hin zu dem Augenblick, in welchem die Kunstbetrachter dieses Foto anschauen – also der „Umlaufzeit“ des Fotos im Sinne Lyotards.532 Die Betrachtung von Zeitlichkeit innerhalb einer Fotografie wird somit zu einer Betrachtung verschiedener Gegenwarten: Die Gegenwart der Vergangenheit im Moment der Aufnahme, die tatsächliche Gegenwart der eigenen Betrachtung und die in der Zukunft liegende Gegenwart all jener, die das Foto einmal sehen werden.533 Diese Form mehrfach erfahrbarer Zeitlichkeit findet sich beispielsweise auch in der Sepia-Fotografie Seven Days (1978, vgl. Abb. 38), die mit dem von Moosen und Flechten bewachsenen, steinernen Untergrund zudem lexikalisch auf die Zeit der Verwitterung der Natur durch die Elemente hinweist.534 Wie der Blick in sein künstlerisches Oeuvre zeigt, hat Fulton schon von Anfang an die gewanderten Tage mittels unterschiedlichster Materialien darzustellen gewusst. In der zuvor erwähnten Fotoarbeit Five Knots for Five Days of Walking (1973) sind es fünf Knoten in einem dünnen Strick, dessen horizontal mäandernde Form zudem fünf Vertikalen aufweist und ebenfalls den klassische Zeitstrahl linear verlaufender Zeit erkennen lässt.535 Auch in den

531 Vgl. Fultons Aussage „Time is like a flowing river. One way.“ Hamish Fulton im Interview mit John K. Grande, in: Grande, Art Nature Dialogues, a.a.O., S. 135. 532 Vgl. die Einleitung der vorliegenden Arbeit sowie Lyotard, Der Augenblick, a.a.O., S. 99. 533 Vgl. Demandt, a.a.O., hier insbesondere S. 33f. 534 Auch hier können die Moose und Flechten als indexikalische Zeitzeichen verstanden werden. Vgl. auch Kapitel III. 3. Ausdauer, Spuren der Zeit und Verschleiß, hier v.a. Unterkapitel 3.2 Natur. 535 Der gesamte Walkt Text lautet: „FIVE KNOTS FOR FIVE DAYS OF WALKING / THE STRING WAS BRAIDED AND KNOTTED AT BOTH ENDS / AND ONE KNOT TIED AFTER EACH DAY / ISLE OF LEWIS AND HARRIS / SCOTLAND / SUMMER / 1973”. Interessant ist hierbei die Ähnlichkeit mit der Einheit “Knoten”, die in der Schifffahrt zur Bestimmung der Geschwindigkeit verwendet warden. Die Bezeichnung stammt von den tatsächlichen Knoten, den die Seefahrer ursprünglich in ein Seil geknüpft hatten, das sie mite einem Holzscheit über Bord gehen lassen 103 bereits angesprochenen Arbeiten A Condor (1972), Seven Winter Midday Shadows (1974) und Eight Reed Shadow Line (1985) entspricht die Anzahl dargestellter Federn und Stöcke der Anzahl gewanderter Tage. All diese Kunstwerke stehen darüber hinaus für Fultons anfängliche Nähe zu Land Art, deren Spuren sich jedoch seit den 1990er Jahren nach und nach aus seinem Oeuvre verflüchtigen und unter anderem durch die Verwendung industriell hergestellter Materialien ersetzt werden. Wie sich darin zeitliche Strukturen verbildlichen lassen, soll das nachfolgende Kapitel verdeutlichen.

2.2.1.2 Seven Pieces of Wood for Seven One Day Walks, 2006 Die mittels Nägel an der Wand angebrachte Arbeit Seven Pieces of Wood for Seven One Day Walks (2006, Abb. 51) besteht aus sieben abgeschliffenen Gliedern eines hölzernen Zollstocks, auf dem teilweise noch Zahlen und weiße Lackreste zu erkennen sind. Für die Präsentation hat Fulton sie in Form eines nach unten offenen, spitzen Dreiecks aufgereiht. Die ersten drei linken Hölzer der kleinformatigen, installativen Präsentation tragen den handschriftlich notierten Walk Text: „SEVEN PIECES OF WOOD FOR:536 / 7 ONE DAY WALKS / VIA 2170 YEAR OLD JOMON SUGI CEDAR”537 / „1936 METRE MIYANOURA DAKE / AND WALKING IN A COMPLETE CIRCLE / ROUND YAKU ISLAND” / „KAGOSHIMA JAPAN 19-25 NOVEMBER 2006.”538 Jedes Holzstück steht für eine von sieben Ein-Tages-Wanderungen, die der Künstler 2006 auf der Insel Yakushima im Süden Japans unternommen hat. Sowohl mit ihrer formalen, dreieckigen Anordnung als auch mit dem asiatischen Zeichen für Berg, das Fulton auf das mittlere Zollstockglied gedruckt hat, nimmt er Bezug auf Miyanoura Dake, den mit 1936 Metern höchsten Berg der Insel, den er im Zuge seiner Wanderung bestiegen hat. Aus dem Walk Text geht zudem hervor, dass er einmal die gesamte Insel umrundet hat. Die

konnten. Anhand der Anzahl der Knoten, die im Verlauf einer bestimmten Zeit über der Reeling verschwanden, konnte so die Geschwindigkeit berechnet werden. Vgl. Beckmann, Katharina, James Cook. Knoten – eine eigene Einheit für Seefahrer, Planet Wissen, 18.07.2017, https://www.planet- wissen.de/geschichte/persoenlichkeiten/james_cook_entdecker_aus_leidenschaft/pwiewissensfrage534.html (25.04.2018). 536 Auffälligerweise finden sich fast ausschließlich auf den „Walk Texts on Wood“ Satzzeichen, v.a. beendet Hamish Fulton darauf das Ende der Texte mit einem Punkt, wie auch hier im Fall von Seven Pieces of Wood. Mehr zu Typografie siehe im Kapitel III. 1.3.1 Stars Paces, 1995. 537 Die Anführungszeichen signalisieren das Ende des Walk Textes auf dem Holz, die Schrägstriche in diesem Fall sowohl den Zeilenwechsel als auch den Übergang zu einem anderen Stück Holz. 538 Mehr zu dem zugrundeliegenden Walk siehe Center for Contemporary Art Kitakyushu, hamish fulton: 9, o.J., http://cca-kitakyushu.org/?s=hamish+fulton&lang=en (18.03.2018) sowie Center for Contemporary Art Kitakyushu, Hamish Fulton. Old Tree, o.J., a.a.O. 104 Referenzarbeit ist somit ein weiteres Beispiel dafür, dass Fulton einen zirkulären Walk nicht immer in Form eines Kreises visualisiert, wenn er einen anderen Aspekt der Wanderung als wichtiger erachtet.539 In dieser Arbeit war es neben der Verbildlichung gewanderter Tage etwa die Erwähnung der über zweitausendjährigen Zeder „Jōmon Sugi“540, die er im Zuge seiner Wanderungen passierte. Diese Angabe lässt sich auch als Hinweis darauf lesen, dass Zeit in der Natur im Vergleich zu einem Menschenalter relativ ist, da dieser Baum über Jahrhunderte hinweg nicht gerodet wurde, sondern überdauert hat. Hier vermischt sich auf der Ebene der Rezeption die Lebenszeit des Künstlers sowohl mit der Lebenszeit Natur, als auch mit der Lebenszeit der Betrachter.

Auch diese Art, das Zählen von Tagen künstlerisch umzusetzen, hat sich bereits früh entwickelt, wie sich anhand von A Five Day Walking in the Big Bend Region (1976)541, Nakota Seven Days Walking (1978)542, Seven Pieces of Wood for a Seven Day Walk (1978)543 oder A Seven Day Walk (1978, Abb. 52) erkennen lässt, die ebenfalls die nach unten hin offene Dreiecksform zeigen. Bis heute finden sich zahlreiche Varianten an Zollstöcken und Messlatten in Fultons Oeuvre, die als materialisierte Zeitstrahlen sein Gehen von Ort zu Ort, von Tag zu Tag mit derselben Anzahl an Elementen wie gewanderten Tagen visualisieren. Am häufigsten bedient er sich dabei der Dreiecksform als Zeichen für den bestiegenen Berg bzw. die durchwanderten Gebirge. Das Dreieck lässt sich dabei nicht nur wie aufgezeigt in der nach unten geöffneten Form mit vertikalen Hölzern kreieren, sondern auch in geschlossener Form wie unter anderem in A Seven Day Walk (1989)544 oder Teton Mountains (A 14 Day

539 Zum Thema Visualisierung zirkulären Gehens durch die Kreisform vgl. Kapitel III. 1.1.3 Kailash Kora, 2007. 540 Das Alter dieser besonderen Zeder variiert je nach Quelle. So sind 600-8000 Jahre möglich, aber auch bis zu 7200. Eine eindeutige Bestimmung scheint bislang nicht möglich gewesen zu sein, im Durchschnitt wird die Zeder auf bis zu 2700 Jahre alt geschätzt. Siehe hierzu v.a. Die Botschaft von Japan in Deutschland, Reisen in Japan: Unberührte Natur auf einer geheimnisvollen Insel, auf der die Zeit still steht – Yakushima, 25.12.2006, www.de.emb-japan.go.jp/NaJ/NaJ0612/filesD/Dyakushima.pdf (09.03.2018). Fulton gab in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 23.03.2018 an, dass er das in der Referenzarbeit angegebene Alter aus einer Infobroschüre vor Ort entnommen habe. 541 Abb. siehe artsy.net, Artwork, Hamish Fulton, A five Day Day Walk in the Big Bend Region of the Rio Grande, https://www.artsy.net/artwork/hamish-fulton-a-five-day-walk-in-the-big-bend-region-of-the-rio-grande-texas- early-1976 (05.07.2020) oder artsy.net, Artwork, Hamish Fulton, A Five Day Walk in the Big Bend Region of the Rio Grande, https://www.artsy.net/artwork/hamish-fulton-a-five-day-walk-in-the-big-bend-region-of-the-rio- grande (05.07.2020). 542 Abb. siehe Peter Foolen, Hamish Fulton – Josee Bienvenu Gallery, NY, 27.09.2016, http://peterfoolen.blogspot.com/2016/09/hamish-fulton-josee-bienvenu-gallery-ny_27.html (06.07.2020). 543 Abb. siehe artsy.net, Artwork, Hamish Fulton, Seven Pieves of Wood for a Seven Day Walk in the Rocky Mountains of Alberta, https://www.artsy.net/artwork/hamish-fulton-seven-pieces-of-wood-for-a-seven-day- walk-in-the-rocky-mountains-of-alberta-canada-autumn-1 (05.07.2020). 544 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Transformation, a.a.O., Seite 68. 105 Walking Journey) (1993, Abb. 53); als Podestform wie in Eleven Pieces of Cut Ruler (1995)545 oder 21 Pieces of Wooden Ruler (2007, Abb. 54); als horizontal gestapelte Pyramide in A Seven Day Walk in the Rocky Mountains of Alberta Canada Autumn 1978. [sic] (1978, Abb. 55) oder A Seven Day Walk in the Mountains of Northeast California (1981)546; als Trapez wie in Seven Pieces of Wood for a Seven Day Walk (1984, Abb. 56), mit gezacktem Rand in Weiß wie bei A 21 Day Walking Journey (2007)547 oder Schwarz in Seven one day walks to the top of 4971 Metre Jorquencal Atacama Chile November 2012 (2012, Abb. 57) oder auch in Form mehrerer ineinander verschränkter Dreiecke wie Seven Pieces of Red Wood for a Seven Day Walk in the Mountains (1984)548 oder Three Guided and Sherpa Assisted Climbs (2008, Abb. 58).

Neben der Dreiecksform orientiert Fulton sich für die materielle Umsetzung gezählter Tage auch an der Horizontlinie der ihn umgebenden Bergketten wie in Broken Wood Mountain Skyline (1993, Abb. 59), Rapperswil (A 21 Day Walk) (2007, Abb. 60)549 oder sogar in Form eines mehrarmigen Kaktusstrauches in Sixteen Pieces of Wood (2006)550. Dieser ausschnitthafte Überblick verdeutlicht, wie vielseitig Hamish Fulton den Werkstoff Holz als Mittel seiner künstlerischen Ausdrucksfähigkeit in seiner Ästhetik zu variieren weiß. Darüber hinaus präsentiert Fulton die Anzahl der gewanderten Tage nicht immer in Form von „Walk Texts on Wood“. In A Bag of Ribbons (1997)551 sind es zahlreiche schwarze und weiße Plastikbänder, die wie bei Broken Wood Mountain Skyline vertikal an der Wand angeordnet sind, in der Text-Zeichen-Arbeit A Nine Day Circular Walk (1995, vgl. Abb. 19) wiederum ist es jeweils die podestartige Form aus neun aneinander gereihten Linien, die auf die Anzahl der gewanderten Tage verweist. Und in der bereits erwähnten Arbeit 28 Tally Marks for 28 One Day Walks (1998) verwendet er 28 dreiecksförmig angeordnete Striche, wie man sie sowohl für Strich- als auch Rechenlisten benutzt – ein aus dem Unärsystem entnommenes Hilfsmittel zum Zählen.552 Wie sich zeigt, sind sowohl die Verwendung einer dreieckigen Form als auch

545 Abb. siehe artsy.net, Artwork, Hamish Fulton, Eleven Pieces of Cut Ruler for an Eleven Day Circular Walk, https://www.artsy.net/artwork/hamish-fulton-eleven-pieces-of-cut-ruler-for-an-eleven-day-circular-walk-ten- nights-camping-wind-river-range-wyoming-september-1995 (06.07.2020). 546 Abb. siehe Peter Foolen, Hamish Fulton – Josee Bienvenu Gallery, NY, 27.09.2016, a.a.O. 547 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Transformation, a.a.O., S. 5. 548 Abb. siehe Galleria Alessandra Bonomo, a.a.O. 549 Mehr zur Verbildlichung der Bergketten und Horizontlinien in der Kunst Hamish Fultons siehe Kapitel III. 2.2.3.2 Mountain Skyline Switzerland, 2007. 550 Abb. siehe youhavebeenheresometime.blogspot, the walking artist, o.J., http://youhavebeenheresometime.blogspot.com/2009/11/walking-artist.html (06.07.2020). 551 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. 552 Zu Zählzeichen und Zählsystemen siehe vor allem Thiel, Zahl; Zählen, a.a.O., S. 1119-1121. 106 die gezackte Linie in allen diesen Arbeiten als Hinweise auf die Berge der durchwanderten Landschaft zu verstehen.

2.2.1.3 Geronimo Homeland, 2006

Das für Not By Car553 verwendete zehnzeilige typografisch-numerische Konglomerat aus Buchstaben und Ziffern wählte Fulton auch für Geronimo Homeland (2006, Abb. 61). Die leicht hochformatige Arbeit besteht aus dem in schwarzen und weißen Buchstaben auf leuchtend rotem Grund platzierten Walk Text, der das Bild in unterschiedlicher Schriftgröße ausfüllt: „G E R O N I M O / WALKING FOR 16 DAYS CAMPING FOR 16 NIGHTS / GUIDED BY THE AVAILABILITY OF WATER DURING A DROUGHT YEAR / 1 2 3 4 5 6 7 8 / VIA THE HEADWATERS OF THE GILA RIVER / HOMELAND OF GERONIMO / AND THE WORLDS FIRST DESIGNATED WILDERNESS AREA / 9 10 11 12 13 14 15 16 / NEW MEXICO U.S.A. WANING MOON OF MAY 2006 / H O M E L A N D“. Die beiden auffälligsten Worte – der Titel „Homeland“ am oberen Rand und der in ebenso großen Lettern geschriebene Name „Geronimo“ am unteren Rand – bestehen beide aus jeweils acht weißen Großbuchstaben. Ebenfalls weiß sind die Ziffern 1-8 sowie 9-16, die sich in Zeile vier und acht befinden und in etwa der Größe der weißen Buchstaben entsprechen. Auch in dieser Arbeit wechseln sich Begriffe, Walk Text und Ziffern ab, allerdings weniger verwirrend, als in Not By Car. Auffällig ist, dass Fulton den Mond zwar erwähnt, die Wanderung allerdings nicht wie gewöhnlich am Vollmond ausgerichtet war, sondern bei abnehmendem Mond stattfand – eine im Oeuvre Fultons seltene Angabe. Darüber hinaus stehen die 16 gewanderten Tage in keinem Zusammenhang mit der von Fulton so oft favorisierten Zahl Sieben, sondern sind in diesem Fall als eine nüchterne Zeitangabe zu verstehen, welche die Faktizität, also das „Konkrete“ seiner Aussagen unterstreicht: “I try to make [walking] as real as possible, so everything has a date, a place, numbers and so on, to make it a little more concrete.”554 Geronimo Homeland zählt zu den Arbeiten Fultons, die sowohl umweltpolitisch als auch gesellschaftskritisch zu verstehen sind. Die durchwanderte Region – das Quellgebiet des Flusses Gila – hat eine ereignisreiche Geschichte, die u.a. eng mit den dort ansässigen

553 Vgl. Kapitel III. 2.1.2 Not By Car, 2017 sowie Abb. 40. 554 Vgl. Hamish Fulton im Interview mit der Galerie Nara Roesler, a.a.O., ab Min. 2:29 sowie Minute 2:41. 107 Indianderstämmen verknüpft ist.555 Durch die Eingriffe in das Flusssystem im 19. Jahrhundert hatten sie mit einem zunehmend sinkenden Wasserstand zu kämpfen und mussten letztlich aufgrund von Wasserknappheit ihre Siedlungsgebiete verlassen.556 Wie aus dem Walk Text hervorgeht, führte die ungewöhnlich extreme Trockenheit des Jahres 2006 dazu, dass auch Fulton seine Wanderung nach der Möglichkeit ausrichten musste, seine Wasservorräte aufzufüllen – eine elementare Erfahrung, welche die Route und somit seine gesamte Fußreise bestimmte. Die Gegend ist auch als die Heimat Geronimos bekannt, eines berühmten Kämpfers vom Stamme der Chiricahua Apachen. Er wurde 1823557 als Goyahkla im heutigen Grenzgebiet von New Mexico und Arizona – wo der Fluss Gila seinen Ursprung hat – geboren und starb 1909 in einem Reservat in Oklahoma.558 Aufgrund seiner jahrelangen erbitterten, cleveren, aber auch brutalen Kriegszüge gegen die Invasoren seiner Heimat gilt er in den USA als großer Krieger und Patriot, steht aber gleichzeitig als tragische Figur Pate für den verlorenen Kampf der Indianer gegen die Übermacht der westlichen Eroberer.559

Homeland Geronimo zeigt auch, wie sich die Rezeption eines Werkes im Laufe der Zeit und vor allem durch politische Ereignisse verändern kann: Der Name Geronimo erlangte 2011 erneut Berühmtheit, da er während der „Operation Neptune‘s Spear“, die letztlich zur Auffindung und Ermordung von Osama Bin Laden führte, als Codewort im Zusammenhang mit Bin Ladens Tötung genannt worden war560 – eine Verbindung, die in Kreisen der Native Americans stark

555 Grundsätzliches zum Fluss Gila siehe The Editors of Encyclopædia Britannica, Gila River, in: Encyclopædia Britannica, 18.10.2013, https://www.britannica.com/place/Gila-River (04.12.2017). Mehr zu der Geschichte des Flusses Gila findet sich unter Gila River Indian Community Arizona, http://www.gilariver.org/ (17.08.2017). 556 Vgl. Gila River Indian Community Arizona, Water Settlement, Resort About, http://www.gilariver.org/index.php/about/water-settlement (17.08.2017). 557 Siehe Utley, Robert M., Geronimo, New Haven 2013, S. 5; Angie Debo, die Autorin der bis zu Utleys Buch wichtigsten, 1967 erschienenen Biografie konnte das Geburtsdatum lediglich auf „Anfang der 1920er Jahre” eingrenzen, siehe Debo, Angie, Geronimo. The Man, His Time, His Place, 3. Auflage, Norman 1982, S. 8. Andere Quellen nennen 1929, allen voran Geronimo selbst, siehe Barrett, S.M., Geronimo. Ein indianischer Krieger erzählt sein Leben, München 1979, S. 25; siehe auch Bilhartz, Terry D., Geronimo. Native American Leader, in: Great Lives From History, hrsg. von Frank Magill, Pasadena 1987, S. 900-904, auch als pdf unter https://salempress.com/store/pdfs/geronimo.pdf (28.06.2017). 558 Mehr zu Geronimo sowie v.a. zum Leben und Kampf der Chiricahua-Apachen über die in der vorigen Fußnote genannten Publikationen hinaus siehe Sweeney, Edwin R., From Cochise to Geronimo: The Chiricahua Apaches. 1874-1886, Oklahoma 2010. 559 Vgl. Bilhartz, Geronimo, a.a.O. Der verzweifelte Kampf Geronimos um Gerechtigkeit wird auch in Aram Mattiolis Publikation „Verlorene Welten“ thematisiert, siehe Mattioli, Aram, Verlorene Welten. Eine Geschichte der Indianer Nordamerikas 1700-1910, Stuttgart 2017, hier v.a. S. 289. Das Buch bietet darüber hinaus einen ausführlichen Überblick über den Niedergang indianischer Kulturen Nordamerikas. 560 Das Codewort lautete „Geronimo EKIA“ (EKIA = Enemy Killed in Action), vgl. Flock, Elizabeth, Geronimo code name for bin Laden: ‘We got him’, in: The Washington Post, Ressort National, 03.05.2011, 108 kritisiert wurde.561 Die Wanderung unternahm Fulton 2006, als die Suche nach Bin Laden noch nicht abgeschlossen war, das inoffizielle Codewort also noch unbekannt war. Ab 2011 kann der Name Geronimo jedoch manche Kunstbetrachter auch auf genau diese Fährte bringen – und damit die dem Werk zugrundeliegende Aussage und den Kontext in eine vollkommen andere, globalpolitischere Richtung lenken.562

Der Begriff „Homeland“ für Heimat bzw. das Heimatland bekommt dadurch eine doppelbödige Bedeutung: Zum einen steht er für Heimat im Allgemeinen, im engeren Sinne für die Heimat Geronimos, auf die Fulton mit seiner Wanderung Bezug nimmt. In Amerika ist er jedoch auch stark mit Homeland Security, dem staatlichen Verfassungsschutz verknüpft, der auf ganz eigene Weise das Land und seine Kultur zu schützen versucht.563 Hamish Fulton nimmt folglich mit dieser Arbeit nicht nur Bezug auf das Bedürfnis Geronimos (und anderer berühmter und für Fulton wichtige Persönlichkeiten wie Crazy Horse und Iron Shell564), dessen Heimat und somit auch die Tradition der indianischen Lebenskultur zu

https://www.washingtonpost.com/blogs/blogpost/post/geronimo-code-name-for-bin-laden-we-got- him/2011/05/03/AFtBGhfF_blog.html?utm_term=.c2da691a9c7c (26.06.2017). 561 Zur Reaktion auf die Verbindung des berühmten Kämpfers für die Freiheit der amerikanischen Ureinwohner mit dem Wort „Feind“ siehe Nichols, Michelle, Bin Laden, Geronimo link angers Native Americans, in: Reuters, 04.05.2011, https://www.reuters.com/article/us-binladen-geronimo/bin-laden-geronimo-link-angers-native- americans-idUSTRE74378U20110504?feedType=RSS&feedName=topNews (28.06.2017) sowie Tucker, Neely, American Indians object to ‘Geronimo’ as code name for bin Laden raid, in: The Washington Post, Ressort Style, 03.05.2011, https://www.washingtonpost.com/lifestyle/style/american-indians-object-to-geronimo-as-code- name-for-bin-laden-raid/2011/05/03/AF2FZIjF_story.html?utm_term=.8953e40a8d4c (26.06.2017). Die Aktivistin Winona LaDuke bezeichnete dies sogar als "The Continuation of the Wars Against Indigenous People", siehe Gonzales, Amy/Goodman, Juan, Native American Activist Winona LaDuke on Use of “Geronimo” as Code for Osama bin Laden: “The Continuation of the Wars Against Indigenous People”, in: Democracy Now!, 06.05.2011, https://www.democracynow.org/2011/5/6/native_american_activist_winona_laduke_on (26.06.2017). Zur Verwendung des Namens Geronimo als Code für Osama Bin Laden selbst siehe Flock, Elizabeth, a.a.O. Zur Operation Neptune‘s Spear siehe Hickok, Lauren, The Decision in Favor of Operation Neptune Spear: Presidential Leadership and Political Risk, in: Journal of Political Risk, Vol. 2, No. 7, 07/2014, 31.07.2014, http://www.jpolrisk.com/the-decision-in-favor-of-operation-neptune-spear-presidential-leadership-and- political-risk/ (26.06.2017) sowie Bergen, Peter L., Die Jagd auf Osama Bin Laden. Eine Enthüllungsgeschichte, München 2012 oder auch Bowden, Mark, Killing Osama – Der geheime Krieg des Barack Obama, Berlin 2012. 562 An dieser Stelle ist anzumerken, dass Homeland Geronimo kurz nach der Wanderung für die gleichnamige Ausstellung in der Texas Gallery in Houston (12.01.-10.02.2007) hergestellt wurde, Fulton somit den welthistorischen Zusammenhang der Anschläge auf das World Trade Center und die Verwendung des Namen Geronimos in Kombination mit der Suche nach Osama Bin Laden nicht mitgedacht haben kann. 563 Der 2. Çanakkale Art Walk, der vom 06.06.-06.08.2017 in Osnabrück stattfand, griff den Begriff Homeland im Sinne von Heimat in einem aktuellen, politischen Kontext auf und definierte Homeland folgendermaßen: „‘Homeland‘ im Sinne von Heimat ist ein Raum, ein Ort, der zwar von anderen bestimmt wird, in den wir hinein geboren werden, der die eigene Identität beeinflusst, der aber täglich neu definiert werden muss und Veränderungen unterliegt. Was ist das Besondere an Homeland/Heimat in einer historisch bedeutsamen Zeit, in der Länder und Staaten sich zusehends mit Zäunen und Mauern umgeben? Der zweite Çanakkale Art Walk bittet um Einreichungen, die diesen zentralen Begriff u.a. im Spannungsfeld von (Staats-)Bürgerschaft, Vertreibung und kultureller Vielfalt reflektieren.“ Siehe Kunsthalle Osnabrück, Çanakkale Art Walk 2017: Homeland OPEN CALL, Rückblick, http://kunsthalle.osnabrueck.de/usstellungen/rueckblick/open-call-canakkale.html (31.05.2017). 564 Vgl. Kapitel III. 2.2.5.1 One Hundred Mile Walking Stick, 1971. 109 schützen, sondern auch auf die von den Indianern selbstverständlich gelebte, enge Verbundenheit von Mensch und Natur. Das Interesse an der Kultur und Lebensweise der Native Americans prägte von Beginn an Fultons Zugang zur Natur. „He admires their direct, spiritual relationship with nature, the way they instinctively preserve it.“565 Schon früh las er sich tief in ihre Geschichte ein, zahlreiche frühe Wanderungen sind als eine Form der Ehrerbietung ihrer Kultur und ihres Kampfes gegen die Unterdrückung und Auslöschung ihrer Stämme zu verstehen.566 Seitdem prägt den Künstler eine große Sensibilität für die Belange der Natur und den Umgang des Menschen mit ihrem Schutz sowie für die Interessen unterdrückter Minderheiten, insbesondere die völkerrechtlich umstrittene Zugehörigkeit Tibets zur Volksrepublik China. „I travelled from my home in East Kent to the Gila, to pay my respects“567, schreibt Hamish Fulton in der Publikation „Walking in relation to everything” und fügt hinzu, dass dies auch in Erinnerung an Geronimo, aber auch an den bekannten Naturschützer John Muir sowie insbesondere an Henri David Thoreau, dem berühmten, amerikanischen „Waldgänger und Rebell“, wie ihn der Autor Frank Schäfer in seiner Biografie bezeichnet.568 Zu all den genannten Hintergründen unternahm Fulton die Reise darüber hinaus zu Ehren des amerikanischen Forstwissenschaftlers Aldo Leopold, der mit dem Gila-Quellgebiet auf besondere Weise verbunden ist. Dort wurde 1924 die erste sogenannte „Wilderness Area“ errichtet, an deren Entstehung Leopold maßgeblich beteiligt war.569

565 Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 21. Vgl. auch Peter Campbells Ausstellungsbesprechung von 2002: “Fulton’s heroes include the Marathon Monks in Japan, who have been in a continuous walk round Mount Hiei for centuries, and the spokesmen of American Indian tribes; and there is a strong connection between his art of walking, their land-rooted beliefs and a wider ecological responsibility.” Campbell, Peter, At Tate Britain, in: London Review of Books, Vol. 24, No. 9, S. 27, auch online, https://www.lrb.co.uk/v24/n09/peter-campbell/at- tate-britain (01.02.2018). 566 Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 21. 567 Siehe Walking in relation to everything, a.a.O., S. 38. 568 Schäfer, Frank, Henry David Thoreau: Waldgänger und Rebell. Eine Biographie, Berlin 2017. Eine gute Einführung über das Leben und Wirken Thoreaus findet sich auch bei Ott, Konrad et al. (Hg.), Handbuch Umweltethik, Stuttgart 2016, S. 76-80. 569 Vgl. Weishaar-Günter, Cornelia, Der Stupa – Umfassendstes Symbol des Buddhismus, in: Tibet-Forum, Ausgabe 1, 1997, Tibetischer Buddhismus im Westen. Missverständnisse und Adaptionsprobleme, online unter https://info-buddhismus.de/Stupa.html (01.09.2017). Eine kurze Einführung in die Geschichte der ersten „Wilderness Area“ am Gila River gibt die Homepage der amerikanischen Organisation „American Rivers“, die sich für den Erhalt und Renaturierung der amerikanischen Fließgewässer einsetzt, siehe American Rivers, Gila River: The Origin of Wilderness, o.J., https://www.americanrivers.org/river/gila-river/ (18.0382017). Zur Geschichte der modernen Umweltbewegung in den USA siehe Bergthaller, Hannes, Populäre Ökologie. Zu Literatur und Geschichte der modernen Umweltbewegung in den USA, Frankfurt a/M et al. 2007. Spätestens durch sein Buch „A Sand Country Almanac“ von 1949 gilt Aldo Leopold als Mitbegründer der Naturschutzbewegung und Umweltethik: Leopold, Aldo, A Sand Country Almanac and sketches here and there, Oxford 1949; in der 110 Die Wildnis – oder das, was in unserer Kulturlandschaft an Gebieten übriggeblieben ist, die der Natur wieder überlassen wurden – ist ein wichtiges Anliegen für Fulton, was sich auch anhand der Wortwahl innerhalb seiner Walk Texte offenbart. So verbirgt sich in der Betonung auf „Camping“ auch der Hinweis, dass Wanderungen, während derer Fulton die Nächte campierend im Zelt verbringt, sich grundsätzlich von anderen Wanderungen wie Road Walks unterscheiden und den Aspekt der Naturbelassenheit betonen: „A cross-country walk including camping allows a continuity of time influenced by the weather. A road walk can transform the everyday world and give a heightened sense of human history, but in the end all paths point to what we call – ‘the wilderness’, or homeland.“570 Die Wanderung am Gila River verarbeitet Fulton noch in weiteren Arbeiten, wie z.B. in farblich variierenden, aber vom Layout her ähnlichen, gleichnamigen Arbeiten Geronimo Homeland,571 sowie in der zuvor erwähnten Arbeit Walk Walk Walk Walk (2006), in welchem er die Anzahl der Tage nicht nur mit der Anzahl der Buchstaben (4x4 Buchstaben des Wortes „walk“ ergeben die 16 gewanderten Tage), sondern im übertragenen Sinn auch mit dem Akt des Gehens selbst kombiniert.

2.2.2 Schritte Ein Schritt macht noch keine Wanderung, aber eine Wanderung besteht aus vielen einzelnen Schritten, der „kleinste[n] Einheit der menschlichen Fortbewegung“572. Im Römischen Reich war die Anzahl der Schritte ein von den Legionären angewendetes Verfahren, um die Distanz messen zu können, die sie zurücklegten, um sich so in den zu erschließenden Gebieten orientieren zu können.573 Die eigenen Schritte zu zählen, scheint also ein probates Mittel, um sich selbst in einem größeren Zusammenhang zu verorten.574

deutschen Übersetzung siehe Leopold, Aldo, Am Anfang war die Erde. Plädoyer zur Umwelt-Ethik, München 1992. Mehr zu Aldo Leopold, seinem Leben und Denken siehe v.a. Ott, Handbuch Umweltethik, a.a.O., S. 85-90. 570 Fulton, Shadow, a.a.O., S. 28. Siehe auch Kapitel III. 2. Zahlen, Zählbare Zeit und Vermessen. 571 Siehe Ikon Gallery, Event, Hamish Fulton, 15.02.-29.04.2012, https://www.ikon-gallery.org/event/hamish- fulton/ (20.06.2020), weitere Ausführungen siehe und vgl. Hamish Fulton. Geronimo Homeland, a.a.O. 572 Daniela Hahn, Epistemologien des Flüchtigen. Bewegungsexperimente in Kunst und Wissenschaft um 1900, Freiburg 2015, S. 37. 573 Vgl. Huth, John Edward, The Lost Art of Finding our Way, Cambridge (Mass.) 2013, S. 53. Dass auch bei Hamish Fulton Gehen als ein Akt des Vermessens verstanden werden kann, wird in der vorliegenden Arbeit im Kapitel III. 2.3 Vermessen behandelt. 574 Der Legionär als kleinste Einheit bei der Erschließung römischer Provinzen innerhalb des großen Römischen Reiches, Neil Armstrong wiederum bei seinem Schritt auf dem Mond bei der Erschließung extraterrestrischer Orte für die gesamte Menschheit: „A small step for a man, a giant leap for mankind“, siehe Gray, Richard, Neil Armstrong’s family reveal origins of 'one small step' line, The Telegraph online, Ressort Science, 30.12.2012, 111 Wie die Analyse von Stars Paces575 bereits gezeigt hat, wandert Hamish Fulton nicht nur, sondern zählt immer wieder währenddessen seine Schritte – manchmal ist dieser Akt sogar elementarer Bestandteil des gesamten Walks. Welche Beweggründe hat das bei ihm? Im Folgenden soll darüber hinaus aufgezeigt werden, welche bildgebenden Methoden er anwendet, um diese Handlung in ein künstlerisches Medium umzusetzen.

2.2.2.1 Counting 33210 Paces, 1991 In der Referenzarbeit Counting 33210 Paces (1991, Abb. 62) macht Fulton keinen Unterschied zwischen Titel oder Begleittext; auf vier Zeilen sind alle Informationen, die für das grundsätzliche Verständnis des vorausgegangenen Walks nötig sind, in derselben Typographie und Schriftgröße in roter Schrift auf weißem Grund vermerkt: „COUNTING 33210 PACES ON MOUNT HIEI / WALKED IN A CIRCUIT ON ANCIENT PATHS / WEST TO NORTH TO EAST TO SOUTH TO WEST / 10 OCTOBER 1991“. Weder Bild noch Symbol bieten den Kunstbetrachtern interpretative Assistenz. Wer wissen und verstehen will, worum es geht, muss sich einmal mehr mit der Typografie anfreunden, sich Zeit nehmen, den Text zu lesen und mit ihm zwischen den Zeilen. Aus dem Text wird dann erkennbar, dass dem Künstler drei Punkte besonders wichtig waren: Das Begehen eines Rundwegs auf historischen religiösen Pfaden, das Ausrichten dieses zirkulären Gehens an den vier Himmelsrichtungen sowie das Zählen seiner Schritte. Mit der Umrundung des Hiei ist Hamish Fulton einmal mehr einem Pilgerweg als Künstler gefolgt.576 Der japanische Berg Hiei liegt in der Nähe der Millionenmetropole Kyoto und gilt als heiliger Ort für Mönche, die der japanischen, synkretistischen Religion Shugendō huldigen.577 Während ihrer siebenjährigen Ausbildung laufen die Ordensbrüder, die auch

https://www.telegraph.co.uk/news/science/space/9770712/Neil-Armstrongs-family-reveal-origins-of-one- small-step-line.html (09.03.2018). 575 Siehe Kapitel III. 1.3.1 Stars Paces, 1995. 576 Vgl. die zuvor besprochene Arbeit Kailash Kora von 2007, Kapitel III. 1.1.3 Kailash Kora, 2007. 577 Shugendō setzt sich aus dem schamanistischen Shinto, esoterischem Buddhismus und daoistischen Prinzipien zusammen. Siehe Gill, Andrea K., Shugendō: Pilgrimage and Ritual in a Japanese Folk Religion, in: Pursuit – The Journal of Undergraduate Research at the University of Tennessee, Vol. 3, Iss. 2, Art. 4, S. 49-64, hier S. 49. Online einsehbar unter http://trace.tennessee.edu/pursuit/vol3/iss2/4/# (08.03.2017). Laut Julian Braun bedeutet Shugendō (修験道) wörtlich übersetzt „der Weg (dô), durch Übungen (shu) Wunderkräfte (gen) zu erlangen“. Die Shugendō praktizierenden Mönche werden yamabushi (山伏, „die sich in den Bergen niederlegen“) oder shugenja („Personen des shugen“) genannt. Siehe Braun, Julian, Ninjutsu – Geschichte und Gegenwart, Magisterarbeit, Ludwig-Maximilians-Universität München, München 2001, S. 25, online unter https://www.yumpu.com/de/document/view/51650926/ninjutsu-ma-dr-julian-braun (28.07.2017). Eine ausführliche Übersicht zur Tradition des Shugendō siehe ebd. Besonders eindrücklich sind die Filme „Marathon 112 „Marathon-Mönche“ genannt werden, so oft um den Berg Hiei, dass die Strecke am Ende der des Erdumfangs entspricht.“578 Diese Umrundung wird Kaihōgyō genannt.579 Hamish Fulton ist kein Mönch, das Gehen um den Hiei erfolgt nicht aus religiösen, am ehesten vielleicht aus spirituellen Gründen. Als gehender Künstler mit einer starken Verbundenheit zu der Natur steht für ihn vor allem das Gehen entlang der vier Himmelsrichtungen im Vordergrund, das gleichzeitig dem Uhrzeigersinn und somit einem globalen, allgemeingültigen Zeitverständnis entspricht. Durch den Akt des Gehens vergewissert sich Fulton zum einen „der realen Existenz des Raumes“580, zum anderen verortet sich Fulton durch die körperliche Orientierung an den Himmelsrichtungen darin. Dies wird nur dadurch in seinem Erfahrungswert gesteigert, indem der Künstler diese Wanderung unter veränderten Parametern wiederholt: Wenige Wochen nach der oben beschriebenen Wanderung läuft Fulton am 29. Oktober 1991 erneut um den Hiei, diesmal in entgegengesetzter Richtung, also gegen den Uhrzeigersinn und entgegen des Sonnenlaufs: „WEST TO SOUTH TO EAST TO NORTH TO WEST“, verbildlicht in Counting 21320 Paces on Mount Hiei (1991)581. Wie der Vergleich der beiden, fast identischen Referenzarbeiten aufzeigt, benötigte Fulton somit für die Umrundung des Berges im Uhrzeigersinn 33210 Schritte, entgegen des Uhrzeigersinns nur 21320 Schritte. Counting 33210 Paces on Mount Hiei und Counting 21320 Paces on Mounti Hiei sind nicht die einzigen Arbeiten, in denen Fulton das Zählen von Schritten (typografisch) visualisiert. Dabei sind die Schrittzahlen ebenso unterschiedlich, wie die Orte, an denen er sie zählt: Sieben Schritte in Japan in der zuvor erwähnten Arbeit No Thoughts Counting Seven Paces on Senjoh Dake at Sunset (1988, vgl. Abb. 10), unter dem Schweizer Sternenhimmel in Stars Paces (vgl.

Monks of Mount Hiei“, Regie: Christopher J. Hayden, 2002, 57 min., online unter https://www.youtube.com/watch?v=emE-dxCyRz4 (26.06.2017) sowie „Shugendo Now“, Regie: Jean-Marc Abela und Mark Patrick McGuire, 2010, 88 min. 578 Siehe Stevens, John, The marathon monks of Mount Hiei, Boston 1988. Vgl. auch BAWAG PSK Contemporary, Hamish Fulton, a.a.O. 579 Siehe Covell, Stephen G., Learning to Persevere. The Popular Teachings of Tendai Ascetics, in: Japanese Journal of Religious Studies, Vol. 31, No. 2, 2004, Traditional Buddhism in Contemporary Japan, S. 256; ausführlich auch bei Rhodes, Robert F., The Kaihogyo Practice of Mt. Hiei, in: Japanese Journal of Religious Studies, Vol. 14, No. 2- 3, 1987, S. 185-202. Dabei unterliegen die Pilger strengsten Regeln: diejenigen, denen diese Aufgabe nicht gelingt, sind verpflichtet, sich ihr Leben zu nehmen, siehe Time Magazine, Vol. 182, Iss. 15, 10/2013, S. 20. Einer der bekanntesten zeitgenössischen Mönche des Kaihōgyō war Yusai Sakai, der 2013 im Alter von 87 Jahren eines natürlichen Todes gestorben ist. Als einer von nur drei Mönchen seit fast 450 Jahren war es ihm gelungen, die traditionelle Gipfelumrundung zweimal zu vollenden, vgl. ebd. Mehr zu Yusai Sakai siehe The Telegraph online, Yusai Sakai, Ressort Religion Obituaries, 17.10.2013, https://www.telegraph.co.uk/news/obituaries/religion- obituaries/10385695/Yusai-Sakai.html (26.06.2017). 580 Giersch, Der gemessene Schritt, a.a.O., S. 271. 581 Abb. siehe artistsposters.com, Fulton, Hamish, 1991 – Counting 21320 Paces on Mount Hiei, https://www.artistsposters.com/F/Fulton-Hamish/Fulton-Hamish-1991-Counting-21320-Paces-on-Mount- Hiei::24859.html?language=en (20.02.2020). 113 Abb. 33) oder England, Kent, in No Thoughts Counting Seven Paces Beneath the Stars (1988, vgl. Abb. 34), zwölf mal 49 barfüßige Schritte auf der Welt allgemein in Counting 588 Barefoot Paces on Planet Earth (2010, vgl. Abb. 32), 369 Schritte in den schottischen Cairngorms in Geese Flying South (1990)582, glatte tausend in Nepal in der gleichnamigen Arbeit One Thousand Paces (1989, Abb. 63) oder sogar ganze einhunderttausend Schritte in der Grafschaft Kent in Counting One Hundred Thousand Paces (1994, Abb. 64). Dass Hamish Fulton so häufig und so viele Schritte zählt, hat einen ganz bestimmten Zweck. Indem er sich auf das Zählen von Schritten konzentriert, gelingt es ihm, seine Gedanken auszublenden und eine Art meditative Grundstimmung zu erreichen.583 “The benefits of walking are wide ranging. Just to mention one, meditation. Too much thinking results in us not being ‘here’ in the present.”584 Gegenwärtig zu sein, ist vor allem während seiner Solowanderungen in unwegsamem Gelände nicht nur befreiend, sondern notwendig: “I have experimented on walks with both thinking, and a reduction of thinking. On difficult terrain that requires concentration, the constant chatter in the head is reduced out of necessity.”585 Dieser Zustand der “no thoughts”, wie es u.a. in der Arbeit No Thoughts Counting Seven Paces on Senjoh Dake at Sunset zu lesen ist, führt also zu einer gewissen Zeitspanne, in welcher er ganz im Augenblick (auf-)geht.586 "Then walking becomes meditative. You stop the endless thinking mind. And that’s a good thing – because every now and then you want to stop going down the same neural pathways. Then you have other perceptions.”587 Die Wahrnehmung der Natur und der durchwanderten Landschaft ist in einem Zustand der Konzentration und Ruhe eine andere, als in einem Zustand mentaler Repetition. Für Fulton ist die durch den Akt des Zählens herbeigeführte Veränderung seiner Rezeption wichtig für seine geistige Gesundheit: “We need water, food and shelter in our lives, but I think for our mental health we also need meditative moments.”588

582 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. 583 Vgl. Fulton, “no walk, no work”, a.a.O., S. 63. Vgl. auch Fulton im Interview mit Heinz Schütz, a.a.O., S. 209: „Es ist eine Art von Meditation, weil es dich völlig ausfüllt und beschäftigt und dir nicht erlaubt, ins negative Denken abzudriften.” 584 Hamish Fulton im Interview mit Ben Tufnell, a.a.O., S. 111. 585 Ebd. Diesen Effekt des Gehens lässt Thomas Bernhard auch seinen Gehenden Oehler beschreiben: „Gehen wir intensiver, sagt Oehler, läßt unser Denken nach, denken wir intensiver, unser Gehen“ siehe Bernhard, Thomas, Gehen, Frankfurt 1971, S. 84; vgl. auch Janhsen, Thomas Bernhards Gehen, a.a.O., S. 61. 586 Vgl. auch Fulton, “no walk, no work”, a.a.O., S. 63. 587 Ebd. 588 Hamish Fulton im Interview mit Ben Tufnell, a.a.O., S. 111. 114 Ähnlich wie beim Umkreisen des Kailash589 kann das Zählen von Schritten zu einem den Gehenden mit sich selbst ins Gleichgewicht bringenden Erlebnis werden: „Das Gleichmaß der Schritte ist wie eine Waagschale, in die man etwas hineingibt, aber auch wieder herausnimmt, um sie auszutarieren. Auf eine dynamische Art und Weise gelingt es dem Gehenden dabei, sich selbst allmählich zu zentrieren.“590

2.2.2.2 Counting 539 Coloured Dots, 2016 Neben der typografischen Verbildlichung des Zählens entwickelte Fulton noch weitere Darstellungsformen, wie sich u.a. an Counting 539 Coloured Dots for Counting 49 Barefoot Steps von 2016 (Abb. 65) aufzeigen lässt. Von einem braunen Holzrahmen und einem weißen, breiten Passepartout eingefasst erinnert die Referenzarbeit auf den ersten Blick an die Präsentation früher fotografischer Arbeiten. Anstelle eines schwarz-weißen Fotos ist in der Mitte allerdings eine postkartengroße Malerei auf Papier zu sehen. 539 Punkte in neun verschiedenen Farben (Blau, Türkis, Schwarz, Rot, Rosa, Weiß, Grau, Gelb und Orange) sind die an Konfetti erinnernde Quintessenz eines 14-tägigen Walks im spanischen Gebirgszug Picos de Europa im Herbst 2016. Wie der am äußersten Rand des Blattes entlanglaufende Text erläutert, zählte Fulton während dieser Wanderung an elf Abenden jeweils 49 Schritte, die ihn vom Zelt weg und wieder zurückbrachten: „COUNTING 539 COLOURED DOTS FOR COUNTING 49 BAREFOOT STEPS WALKING FROM AND TO / MY TENT FOR ELEVEN NIGHTS OF CAMPING DURING A 14 DAY / CIRCULAR WALK IN THE WESTERN PICOS DE EUROPA SPAIN OCTOBER 2016.“ Während die farbigen Punkte die mit der Anzahl von Tagen multiplizierte Anzahl der Schritte visualisieren, verbildlicht der umlaufende Text den Circular Walk, bei dem Anfangs- und Endpunkt derselbe sind, veranschaulicht also zirkuläre Zeit. Dass er von seinem Refugium – dem Zelt – aus aufbricht und wieder zurückkehrt, verdeutlicht die Bedeutung eines geschützten Rückzugsortes in der Natur. Auch hier lässt sich das Zählen der Schritte als eine

589 Vgl. Kapitel III. 1.1.3 Kailash Kora, 2007. 590 Giersch, Der gemessene Schritt, a.a.O., S. 265. Gehen als Möglichkeit, seinen Kopf „freizubekommen“ und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, wurde (und wird) besonders gern von Literaten angewendet, soll in dieser Arbeit aber nicht vertieft werden. Wie Muriel Enjalran beschreibt, war Gehen für Henry David Thoreau beispielsweise ein Mittel, das „Sein“ zu erweitern, da es eine „sehr starke, fast schon religiöse Beziehung mit der Natur“ ermögliche. Geprägt von der animistischen Religion der Plains Indians Nordamerikas könnte auch Fultons Gehen als eine Art „spiritueller Suche“590 verstanden werden. Siehe Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 20. 115 Form des Vermessens der natürlichen Umgebung verstehen, da es der Orientierung und somit einem ganz grundlegenden Sicherheitsaspekt dient.591 In einer Gesellschaft, die sich hauptsächlich in Schuhen fortbewegt, ist Barfußgehen grundsätzlich ungewöhnlich, je nach Jahreszeit sogar befremdlich. Die amerikanische Gruppierung „Barefoot Hikers“592 wartet daher mit einer Guideline auf, die Menschen mit dem Bedürfnis, sich barfuß fortzubewegen, beachten sollten. Sie nutzen und preisen das Barfußgehen als Möglichkeit, sich wieder zu erden und sich auf eine Art fortzubewegen, die die „früher“ als natürlich galt: „Experience walking and hiking as nature intended! It is HEALTHY, it's FUN, and it's FREE”.593 Das barfüßige Gehen in der Natur dient also dazu, sich als „Städter“ wieder mit der Natur zu verbinden – eine Verbindung, die mit der Entwicklung immer stabilerer und „sicherer“ Schuhe mehr und mehr verloren gegangen ist.594 Auch Hamish Fulton unternimmt seine Barfuß-Gänge vor allem, um die unterschiedliche Beschaffenheit des Bodens sinnlich zu erfahren. “I make barefoot walks to respectfully acknowledge the natural surface of our planet. Dew covered grass, being very different to the carpet in a hotel room.” 595 Alle diese Gänge seien kurz und rituell und würden vor allem auf den Prozess des Alterns Bezug nehmen: “One idea here is, that these extremely short walks, that I started years ago, acknowledge the physical reality of aging. Keep moving, keep walking, no matter what age you are. An Olympic athlete may have to retire in their twenties.”596

591 Vor allem in Gegenden fernab der Zivilisation oder in Gebieten mit wechselhafter Witterung ist es durchaus sinnvoll und mitunter auch lebenswichtig, zu wissen, wo das Zelt steht oder der nächstmögliche Unterschlupf ist, sollte das Wetter plötzlich umschlagen oder sonstige Unvorhersehbarkeiten passieren. Mehr zum Akt des Gehens als Mittel des Messens und Vermessens siehe Kapitel III. 2.3 Vermessen. 592 Siehe Kutscher, Tom A., Natural Walking for Exercise, o.J., http://www.barefootkc.com/exercise.html (12.12.2016). Mehr zu den “Barefoot Hikers” siehe Barefoot Hikers and Grass Walkers of Greater Kansas City, http://www.barefootkc.com/index.html (18.03.2017). 593 Siehe http://www.barefootkc.com/index.html (18.08.2017). Jedoch sollte nicht vergessen werden, dass das ganzjährige Barfußgehen lediglich in Regionen praktiziert wurde, deren Wetterlagen das begünstigt haben. In Mittel- und Nordeuropa, in dem es im Winter Minusgrade, Eis und Schnee gibt, haben auch schon vor tausenden Jahren die Menschen ihre Füße mittels Fellen, Leder und anderen Materialien vor Kälte und Verletzungen geschützt, wie auch die Überreste der Fußbekleidung an der Gletschermumie Ötzi bestätigen. Vgl. Südtiroler Archäologiemuseum, Ötzi: Bekleidung, o.J., http://www.iceman.it/de/bekleidung/ (18.08.2017). 594 Das Tragen sogenannter Barfuß- oder Minimalschuhe soll die Menschen dabei unterstützen, sich dem natürlichen Gehgefühl wieder anzunähern und gleichzeitig die Fußphysiognomie sowie -muskulatur zu stärken und zu unterstützen. Die Homepage minimalschuhe.de gibt einen guten Überblick aktueller Studien zu den Vor- und Nachteilen des Tragens von Barfußschuhen, siehe MinimalSchuhe.de, Studien zum Thema Barfussschuhe/Minimalschuhe, 10.11.2014, http://www.minimalschuhe.de/blog/2014/11/10/studien-zum- thema-barfussschuhe-minimalschuhe/ (20.12.2017). vgl. auch Miller, Elizabeth E./Whitcome, Katherine K./Lieberman, Daniel E. et al., The effect of minimal shoes on arch structure and intrinsic foot muscle strength, in: Journal of Sport and Health Science, Volume 3, Issue 2, June 2014, S. 74-85. 595 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 08.08.2017. 596 Ebd. Mehr zum menschlichen Alterungsprozess siehe auch Kapitel 3.1.3 A Shepherd Walking with his Sheep and Dogs, 2005. Dort ist das Altern im zerfurchten Gesicht des Schäfers sichtbar – in Referenzarbeiten, die auf 116 In Fultons Oeuvre finden sich zahlreiche, äußerst heterogene Arbeiten, die das Barfußgehen im Titel oder Walk Text benennen, allen voran Barefoot Way (1975)597 oder Walking Barefoot Round the Tent (Outline of the Cooking Pot) (2002)598, die im vorigen Kapitel bereits angesprochene Arbeit Geese Flying South (1990) sowie Song Path (1993)599 – hier zählte er 177 barfüßige Schritte im Tiefschnee –, oder einmal mehr Stars Paces (1995, vgl. Abb. 33). Immer wieder nutzt Fulton jedoch bunte Farbpunkte als künstlerische Visualisierung seiner Schrittzählung. Die Referenzarbeit Los Voladores de Papantla (1990, Abb. 66) beispielsweise zeigt 6000 Punkte für insgesamt 6000 barfüßige Schritte auf Gras, die er in einem Park in Mexico City abgezählt hat, zunächst 1000 Schritte, dann 2000, zuletzt 3000 Schritte. In dieser Art mathematischem Zählen erinnert er stark an Richard Long, der beispielsweise am ersten Tag 10 Meilen wandert, um die Anzahl der Meilen pro Tag um weitere zehn Meilen zu erhöhen, bis er am fünften Tag ganze fünfzig Meilen zurückgelegt hat und dies in seiner Arbeit A Five Day Walk (1980) typografisch umsetzt.600 Überhaupt zählen beide Künstler immer wieder auf ähnliche Weise. In Counting 49 Barefoot Paces (1995, Abb. 67) sind es Hamish Fultons rote Fingerabdrücke, die er auf kariertem Papier quadratisch in den vorgegebenen Kästchen verewigt; Richard Long wiederum drückt seine Fingerabdrücke u.a. mithilfe von Flussschlamm auf das Papier und ordnet sie in einer viereckigen Spirale im Uhrzeigersinn an, wie z.B. in Untitled (1994)601. Dass die eingangs beschriebene, 2016 entstandene Arbeit in ihrer gestalterischen Umsetzung kein Einzelfall ist, zeigen darüber hinaus die verschiedenen Versionen von Counting 343 Dots (2014-2018), die sich in der visuellen Umsetzung nur farblich unterscheiden.602

gezählte Schritte Bezug nehmen, ist das Altern als Prozess nur hintergründig in dem sich in der Zeit vollziehenden Zählvorgang symbolisiert, also so versteckt, dass es nicht aus dem Bild selbst hervorgeht. 597 Die Fotografie Barefoot Way von 1975 weist allein durch den Titel auf ein mögliches Barfußgehen hin, im Walk Text findet sich kein Hinweis: „A 20 DAY WALKING JOURNEY FROM DOLALGHAT FOLLOWING THE TRAIL TO THE EVEREST ICEFALL / POST MONSOON SEASON NEPAL 1975“. Abbildung in: Thirty One Horizons, a.a.O., S. 21. In leicht veränderter Form auch in Fulton, Walking Artist, a.a.O., nicht paginiert. 598 Abb. siehe Placing One Foot In Front Of The Other, a.a.O., nicht paginiert. 599 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. 600 Abb. siehe Richard Long, Textworks, A Five Day Walk, http://www.richardlong.org/Textworks/2011textworks/21.html (05.07.2020). 601 Abb. siehe Richard Long. Prints, a.a.O., S. 120. 602 Abb. siehe artsy.net, Artwork, Hamish Fulton A Walking Artist, https://www.artsy.net/artwork/hamish-fulton- counting-343-coloured-dots-for-counting-49-barefoot-steps-from-and-to-the-tent-for-seven-days-a-14-day- walk-from-and-to-sea-level-camping-for-seven-nights-in-the-gennargentu-mountains-sardinia (05.07.2020), artsy.net, Artwork, Hamish Fulton A Walking Artist, https://www.artsy.net/artwork/hamish-fulton-counting- 343-coloured-dots-for-counting-49-barefoot-steps-from-and-to-the-tent-for-seven-days-twenty-one-days- walking-twenty-one-nights-camping-wind-river-range-wyoming-usa (05.07.2020), artsy.net, Artwork, Radical Drawings, https://www.artsy.net/artwork/hamish-fulton-counting-343-coloured-dots-for-counting-49- barefoot-paces-from-and-to-the-tent-each-morning-for-seven-days-a-14-day-walk-from-sea-level-up-to-the- 117 2.2.3 Steine und Berge

Steine besitzen seit jeher eine traditionsreiche Rolle als universeller Bedeutungsträger. Sie sind Sinnbild für „unveränderliche göttliche Macht, Fruchtbarkeit und die Verbindung von Himmel und Erde“603, symbolisieren „Stabilität, Dauerhaftigkeit, Zuverlässigkeit, Unsterblichkeit, Unvergänglickeit, das Ewige“604. Vor allem in früheren Kulturen waren Steine in Form von Megalithbauten, Menhiren, Steinblockalleen, Henge-Bauten, oder Dolmen eng mit Kultriten verschiedenster Naturreligionen verknüpft.605 Mit geflügelten Worten wie „Fels in der Brandung“, „Herz aus Stein“ oder „einen Stein im Brett haben“ findet ihr ambivalenter Symbolgehalt weitverbreiteten Widerhall im täglichen Sprachgebrauch,606 als Diamant wiederum ist die Symbolik des Steins bis hin zur „vollkommenen Reinheit und Geistigkeit“ gesteigert.607 Im Kontext der Kunst erweitert sich die Bedeutung eines Steins erneut. Anne Hoormann schreibt in ihrem Buch „Land Art. Kunstprojekte zwischen Landschaft und öffentlichem Raum“ über Findlinge: „Der Findling suggeriert Ursprüngliches. Er ist ein Produkt der Erde und ihrer dynamischen Kräfte, die sich auf dem Gestein abbilden. Als solcher ist er ein Symbol für die gesamte Region, steht stellvertretend für ihren Ursprung, ihre erdgeschichtliche Entstehung. Auch als Einzelexemplar verkörpert er noch die regionale Geschichte.“608 Welchen Bezug hat nun Fulton zu Steinen? Findet sich in seiner Kunst der Hinweis auf Ursprünglichkeit und die Verbindung zur Zeit der Erdgeschichte? Wie bereits anklang, hat Hamish Fulton eine besondere Verbundenheit mit Steinen, Bergen und ihren Gipfeln.609 Neben der fotografischen Darstellung der durchwanderten Gebirge oder dem Arrangement von Hölzern als Metaphern für die Berge zählt er sowohl die Gipfel als auch unterwegs passierte Gesteinsbrocken und transformiert das Gezählte in verschiedenste Kunstwerke. Das folgende Kapitel soll aufzeigen, welche Form der Verbildlichung Fulton wählt und was die Analyse der Werkbeispiele über seine künstlerische Intention aussagen.

highest-point-and-back-down-to-the-water-edge-sardinia-italy-november-2014 (05.07.2020), Galleri Riis, Artists, Hamish Fulton, Works, http://galleririis.com/artists/hamish-fulton#image-8781 (05.07.2020). 603 Weißmann, Sonne, Gral, Dämonen…, a.a.O., S. 22. 604 Weilacher, Zwischen Landschaftsarchitektur und Land Art, a.a.O., S. 17. 605 Weißmann, Sonne, Gral, Dämonen…, a.a.O., S. 22f. 606 Vgl. auch Weißmann, Sonne, Gral, Dämonen…, a.a.O., S. 23. 607 Ebd., vgl. auch Biedermann, Hans, Knaurs Lexikon der Symbole, München 1994, S. 90. 608 Hoormann, Anne, Land Art. Kunstprojekte zwischen Landschaft und öffentlichem Raum, Berlin 1996, S. 103. 609 Vgl. Kapitel 1.1.1 Sunrise Shadow, 1979. 118 2.2.3.1 Touching By Hand One Hundred Rocks, 1989

Eine sehr haptische Variante des Zählens hat Fulton während einer Wanderung 1989 in Japan durchgeführt und in der Arbeit Touching By Hand One Hundred Rocks (1989, Abb. 68) verbildlicht. Auf 100 breitformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien ist jeweils ein Felsbrocken inmitten einer kargen, teilweise noch mit Schnee bedeckten Landschaft zu sehen. Wie Titel und schriftliche Informationen unterhalb des Fotos vermitteln, hat der Künstler auf einer siebentägigen Wanderung zur Zeit des Vollmonds 100 Steine mit der Hand berührt: „TOUCHING BY HAND ONE HUNDRED ROCKS / SEVEN DAYS WALKING AND SEVEN NIGHTS CAMPING / JUNE FULL MOON 1989 / CENTRAL HOKKAIDO JAPAN“. Eine jede Fotografie ist von breiten Passepartouts und Rahmen eingefasst und trägt über dem Walk Text die Nummer des berührten Steins. Touching By Hand One Hundred Rocks vermittelt den Betrachtern eine sehr sinnliche Form des Zählens. In dem Wort „berühren“ („touching“) wird die „wechselwirkende physische Bindung an die Natur”610 offenbar, die Fulton durch seine Wanderungen und die nachfolgende künstlerische Verarbeitung seiner Erfahrungen innerhalb seiner Kunst durch Fotografien, Zeichnungen, Holzobjekte oder Wortbilder eingeht. Dem Künstler geht es dabei um weit mehr als das tatsächliche Berühren eines Felsbrockens. Es sind nicht nur „Augen, Ohren und Geist [des Künstlers, d.V.] in diese Erfahrung einbezogen“611, sondern auch die der Betrachter, wenn sie das Gesehene und Gelesene internalisieren und mit ihren eigenen Erfahrungen in Einklang bringen. Ähnlich wie bei Richard Long ermöglichen auch Fultons Arbeiten jene Form seelischer Berührung, die bei den Betrachtern das „Einswerden von Subjekt und Objekt, von Betrachter und Natur bewirkt“612. Für Hamish Fulton bekommen Felsbrocken vor allem deshalb eine besondere Bedeutung, da sie nicht von Menschenhand geschaffen, sondern von den Dynamiken der Natur geformt sind.613 Sie durch die Berührung wahrzunehmen versteht Fulton als Gruß, da er sie als „Bewohner jener Landschaft“614 ansieht. Hier klingt vor allem die „Landethik“ Aldo Leopolds an: „Die Landethik erweitert das politische Konzept von Gemeinschaft (community) über die Sphäre zwischenmenschlicher Beziehungen hinaus auf

610 Seymour, In Kreisen gehen, a.a.O., S. 20. 611 Ebd. 612 Ebd. Sicherlich haben die meisten Betrachter schon einmal einen Felsen berührt und können die Erinnerung an dieses haptische Erlebnis nutzen, um Fultons „Begrüßen“ der Steine für sich zu reimaginieren. So kann ein Einswerden im übertragenen Sinne möglich werden – und beim nächsten Gang durch die Natur vielleicht eine ganz neue Sicht auf oder sogar Verbundenheit mit Steinen oder der natürlichen Umgebung bewirken. 613 Vgl. Hoormann, Land Art (1996), a.a.O., S. 103. 614 Langer, Alles zu Fuß, a.a.O., S. 39. 119 Mensch-Umwelt-Beziehungen und versteht folglich Boden, Wasser, Pflanzen oder Tiere als Mitglieder einer biotischen Gemeinschaft (biotic community).“615 Der Mensch kann innerhalb dieser community als Eroberer („conqueror“) oder Bürger („citizen“) agieren.616 Hier wird einmal mehr Fultons tiefgehendes Bewusstsein für die Natur und Umwelt deutlich, wenn er sagt: „THE ROCKS ARE ALIVE IN THEIR HOMELAND“617. Die Steine an ihrem Ursprungsort zu belassen und sie als wesentlicher, „lebendiger“ Bestandteil der natürlichen Umgebung zu respektieren, anstatt sie – wie beispielsweise bei Kunstwerken der Land Art üblich – zu entfernen und als Kunstwerk zu verarbeiten, ist für ihn elementarer Bestandteil seiner künstlerischen Wanderungen. Nach Fultons Ansicht sollte die Natur nicht zugunsten einer idealen Vorstellung von Natur oder einem idealisierten Abbild derselben vom Menschen umgestaltet oder beschönigt werden, wie man es beispielsweise aus der Kunst der Romantik kennt.618 Wie bereits angeklungen ist, geht es ihm nicht um die „Transformation der Landschaft […], sein Ziel ist die Transformation des Ichs“619. Ähnlich formuliert es Muriel Enjalran in ihrem Essay „The Value of Experience“: „By acting on space they [die Land Art- Künstler, Anm. d. Verf.] change it, transform it. For Hamish Fulton, it is nature, that transforms us.“620 Überhaupt hat Natur für Fulton einen ganz eigenen Lebenszyklus, der vom Menschen nicht gestört werden sollte – schon gar nicht im Namen der Kunst: „For him, it is all about suggesting what it is, not representing it.“621 Für die Kunstbetrachter wiederum besteht durch die Betrachtung dieser Fotos und das Lesen der Walk Texts die Möglichkeit, durch die imaginierte Vergegenwärtigung von Fultons Handlung einen Perspektivwechsel in der Rezeption von Natur zu vollziehen. 622

615 Ott, Handbuch Umweltethik, a.a.O., S. 21. 616 Ebd. 617 Siehe Walking in relation to everything, a.a.O., S. 30; auch Wilson, “The blue mountains are constantly walking”, a.a.O., S. 28. 618 Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 17. 619 Langer, Alles zu Fuß, a.a.O., S. 38. 620 Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 17. 621 Ebd. 622 Zur „Vergegenwärtigung“ siehe die Definition bei Myssok/Schwarte: „Vergegenwärtigung nennt man einen Vorgang, bei dem etwas zeitlich oder räumlich Entferntes, Abwesendes in die Gegenwart geholt wird. Wenn wir uns an etwas erinnern oder uns in eine zukünftige Lage versetzen, oder auch, wenn wir etwas erfahrbar oder beurteilbar machen, das den Sinnen entzogen an einem Ort weilt, stellen wir eine Gegenwart her. Vergegenwärtigung – so könnte man grundsätzlich annehmen – produziert eine Präsenz und erweitert damit den Radius dessen, was wir als zeitgleich erleben, was mit uns zugegen ist und über das wir potentiell verfügen können.“ Myssok, Johannes/Schwarte, Ludger (Hg.), Zeitstrukturen. Techniken der Vergegenwärtigung in Wissenschaft und Kunst, Berlin 2013, S. 9. 120 Fultons besonderer Bezug zu Steinen zeigt sich nicht nur in gleichnamigen Varianten von Touching Boulders By Hand (2013, Abb. 69), sondern insbesondere in jenen Referenzarbeiten, in denen sich dieser Bezug bereits im Titel zu erkennen gibt und in denen sich Text und visuelle Umsetzung auf verschiedenste Art ergänzen, beispielsweise in Returning Ten Crystals to the Mountains (1986)623, Life of Mountains (1992, Abb. 70), Boulder Transported by Ice Shaped By Erosion (2013, Abb. 71) oder A Tree At its Birthplace A Boulder At Its Resting Place (2017, Abb. 72)624. Auch im Zusammenhang mit dem Zählen von Steinen ist die Zählweise Hamish Fultons am ehesten mit der Richard Longs vergleichbar, da auch Longs Kunstwerken eine Wanderung vorausgeht und er häufig dabei zählt – allerdings zählt Long mithilfe von Steinen, die er am Wegesrand ablegt: Tage wie in A Line of 33 Stones A walk of 33 Days (1998)625 oder die zurückgelegten Meilen wie in A Line of 164 Stones A Walk of 164 Miles (1974)626. Und anhand von Longs bereits erwähnten Arbeit 700 Stones for 700 Years (1990)627 können die Kunstbetrachter nicht nur nachvollziehen, wo er seine Steinhaufen angelegt hat und was er mit allen Sinnen erfahren hat, sondern erhalten gleichzeitig eine visuelle Repräsentation der geografischen Situation vor Ort.628 Hamish Fulton zählt Steine darüber hinaus auch durch Umrandungen, wie beispielsweise in den zuvor genannten Arbeiten The Outlines of Seven Stones for: Seven Days Walking Seven Nights Camping (1994), Outline of a Rock from the Basque Pyrenees (2001), Outline of a Mountain Rock from the Basque Pyrenees (2001) oder Outline of a Rock from the Shore of Lake Toma (2002), aber auch in A 31 Day Road Walking Journey from the river Rhone at Valence to the river Danube at Vienna (1994)629 oder The Outlines of 49 Rocks (1994/1995)630. Wie bei

623 Abb. siehe Thirty One Horizons, a.a.O., S. 74. 624 Mehr zu der in der Arbeit A Tree at its Birthplace A Boulder at its Resting Place angesprochenen Zeitlichkeit siehe Kapitel III. 3.2.1 Melting Snow Ice, 1996. 625 Abb. siehe Richard Long, Textworks, A Line of 33 Stones, http://www.richardlong.org/Textworks/2011textworks/29.html (02.07.2020). 626 Abb. siehe Richard Long. In Kreisen gehen, a.a.O., S. 58. 627 In der vorausgegangenen Wanderung platzierte Richard Long auf seinem Weg um den Urner See sieben Steinhaufen aus jeweils 100 Steinen. Damit bezog er sich auf die damals 700-jährige Geschichte der Schweiz, die er auf dem sogenannten „Schweizer Weg“ entlang des Urner Sees nachvollzogen hat. Mehr zum „Weg der Schweiz“ siehe Weg der Schweiz, Erleben & Entdecken, Geschichte, http://www.weg-der- schweiz.ch/de/geschichte-sehens/gesch (18.03.2018). 628 Wie in Kapitel 1.3.1 Stars Paces dargestellt wurde, ist dies weniger eine ästhetische Herangehensweise Fultons, obwohl sich auch bei ihm Arbeiten finden, die einen bildgestalterischen Effekt aufweisen (z.B. A 21 Day Coast to Coast Walking Journey von 1996 oder A 12 Day Walking Journey Crossing 12 Mountain Passes von 1984). 629 Abb. siehe Placing One Foot In Front Of The Other, a.a.O., nicht paginiert. 630 Abb. siehe Thirty One Horizons, a.a.O., S. 56. 121 Long ist hier mehr als nur die Berührung wie bei Touching By Hand One Hundred Rocks notwendig, um den Stein auf das Papier und wieder zurück an seinen ursprünglichen Ort zu legen.631 Übrig bleiben Dreck- und Kratzspuren des Steins – eine allerletzte, hauchzarte Reminiszenz der Land Art in der Kunst Hamish Fultons. Die Umrandung fungiert hier ähnlich wie ein Foto oder der Walk Text: Mit den teilweise noch sichtbaren Abriebspuren vermitteln das Bild und die individuelle Form des Steins Authentizität und Fakten. 632 Die für die Kunstbetrachter sichtbaren, unterschiedlichen Steinformen können als Abbilder der unterschiedlichen Erfahrungen, die der Künstler an jedem einzelnen Tag gemacht hat, verstanden werden. Für Fulton selbst stehen sie allerdings mehr für eine „nah[e], konkret[e]“633 Erfahrung, im Gegensatz zu den Horizonten und den Umrissen der Berge, die für ihn ferne „Landschaftssilhouetten“634 sind – ein Thema, das in der folgenden Werkanalyse aufgegriffen wird.

2.2.3.2 Mountain Skyline Switzerland, 2007 Hamish Fulton zählt nicht nur Steine und Findlinge, sondern auch die Anzahl der während einer Wanderung bestiegenen Berggipfel. Das Aquarell Mountain Skyline Switzerland (2007, Abb. 73) zählt zu der Werkgruppe der Malerei in Fultons Oeuvre. Die obere Hälfte des Blattes wird von dynamischen, Himmel und Wolken evozierenden Pinselstrichen in Weiß und Blau dominiert, die untere Hälfte zeigt eine siebenzackige Trapezform. Aus dem am unteren Rand der Arbeit platzierten Walk Text gehen Dauer, Zeitraum und Region der Wanderung hervor: „A 21 DAY WALKING JOURNEY VIA THE TOPS OF SEVEN SMALL ENGADIN MOUNTAINS SWITZERLAND SUMMER 2007“. Am rechten Rand hat Fulton das Bild in schwungvollen Linien signiert.

Das kleine Aquarell visualisiert eine weitere Variante des Zählens bei Fulton, in welcher die sieben Zacken der gemalten geometrischen Form die sieben überquerten Gipfel

631 Einmal mehr ließe sich hier kritisch hinterfragen, inwiefern Hamish Fulton durch das kurzzeitige Entfernen des Steins von seinem „Resting Place“ nicht doch in den natürlichen Prozess der Umwelt bzw. des Steinlebens eingreift und die Natur um der Kunst willen minimal verändert. 632 Selbstverständlich gilt hier dasselbe wie bei allen nicht-fotografischen Arbeiten: Man muss dem Künstler schon glauben, tatsächlich an Ort und Stelle gewesen zu sein. Für die potentielle sinnliche Erfahrung auf seitens der Kunstbetrachter ist das jedoch nicht zwangsläufig notwendig. Ob der Stein nun tatsächlich vor Ort mit dem Stift umrundet wurde oder doch an einem Feldweg in Kent – es geht um das bewusste Nachvollziehen der Handlung und Reimaginieren einer physischen Verbindung mit natürlichen Elementen. 633 Zwei Straßenwanderungen. Hamish Fulton im Gespräch mit Ulrich Wilmes, in: Thirty One Horizons, a.a.O., S. 102. 634 Ebd. 122 symbolisieren. Dabei steht das Trapez als Sinnbild für die durchwanderten Alpen als Ganzes sowie für die sich in der Bewegung des Wanderers ständig im Wandel befindliche Silhouetten der Berge. Je nach Perspektive ist eine stilisierte, scherenschnittartige Ansicht möglich, die sich innerhalb eines Schrittes verändern kann. Auf der einen Seite markieren die Umrisse der Bergketten für den Künstler eine Art Ende der Welt im Sinne von Begrenzung, auf der anderen Seite sind sie für ihn „Spuren der Unendlichkeit“635, da sich hinter ihnen der Welt(en)raum unendlich ausbreitet. Gleichzeitig bleibt für ihn als Betrachter der Bergsilhouette immer das Mysterium, nicht zu wissen, was dahinter liegt, da die andere Seite unsichtbar bleibe: „[…] this kind of mystery of the other side of the Mountain as viewed from one position“.636 Die sich verändernde Horizontlinie ist ein immer wiederkehrendes Motiv bei Hamish Fulton und zieht sich wie ein roter Faden durch eine Kunst. Wie Mountain Skyline Switzerland hat Fulton die Silhouette der durchwanderten Gebirge häufig zu Aquarellen bzw. kleinen Malereien verarbeitet, so in Mountain Skylines (Dolomites) (2004)637 oder Mountain Skylines Mercantour (2011)638 oder sogar als Holzschnitt wie in Twilight Horizon (1988)639.640

Die gezackten Bergsilhouetten finden sich auch in zahlreichen seiner Fotografien, angefangen von frühen Arbeiten wie Small Hills (1972-74)641 oder France on the Horizon (1975)642 über Shoshone (1983)643, Facing South (A View from the Summit of Marmolada (2004)644 oder Mountain Skylines 2004 (2004, Abb. 74) bis hin zu breitformatigen Panoramafotografien wie

635 Hamish Fulton im Gespräch mit Pascale Krief im Centre Pompidou, 23.02.2017. 636 Siehe auch Hamish Fulton in: St.Moritz Art Masters, St. Moritz Art Masters 2012 - Hamish Fulton [YouTube- Video], 31.08.2012, https://www.youtube.com/watch?v=LjN-ulhZAV0, ab. Min. 1:11 (31.01.2018). 637 Abb. siehe Rhona Hoffmann Gallery, Artists, Hamish Fulton, https://www.rhoffmangallery.com/artists/hamish-fulton?view=slider#12 (05.07.2020). 638 Abb. siehe Contemporary Art Daily, Group Show at Le Plateau. 31.07.2012, http://www.contemporaryartdaily.com/2012/07/group-show-at-le-plateau/sonydsc-1434/ (26.03.2018). 639 Abb. siehe artsy.net, Artwork, Hamish Fulton, Twilight Horizon, https://www.artsy.net/artwork/hamish- fulton-twilight-horizon (05.07.2020). 640 Anders als seine Werke zu einzelnen Bergen wie Vulkanen oder heilige Berge stellen die hier besprochenen Arbeiten Bergketten oder gezählter Gipfel dar, sind also weniger spezifische Darstellungen einzelner Berge. 641 Abb. siehe i8.is, Exhibitions, 25.04.-01.06.2013, Works, Small Hills, https://i8.is/exhibitions/131/works/artworks9234/ (05.07.2020). 642 Abb. siehe Tate, Art & Artists, Hamish Fulton, France on the Horizon, https://www.tate.org.uk/art/artworks/fulton-france-on-the-horizon-t03268 (23.02.2020). 643 Abb. siehe Thirty One Horizons, a.a.O., S. 46. 644 Abb. siehe Hamish Fulton. Keep Moving, a.a.O., S. 50. 123 Memorized Horizon (1984)645 Changing Weather (2000)646, Khumbu (2009, Abb. 75) oder Facing Cairn Toul 7 14 21 28 (1986-2016)647. Häufig isoliert Fulton die Horizontlinie aus der eindrücklichen Gebirgssilhouette und materialisiert sie in allen denkbaren Arten. Grafisch wie in Twilight Horizons (1983)648, Skyline Switzerland (2012, Abb. 76) oder Mountain Skyline Nepal (1983, Abb. 77), gezeichnet wie in Wordless Art Mountain Skyline (1983, Abb. 78), oder Mountain Skyline Nepal (1989)649. Vor allem findet sich die Horizontline als Holzobjekt in Fultons Kunst, beispielsweise in 21 Pieces of Wood for A 21 Day Walk (1997)650, Mountain Skyline (A 25 Day Walking Journey Dolaghat Everest Icefall) (1975)651, Mountain Skyline 28 Pieces of Wood (2011, Abb. 79) oder Mountain Skyline Nepal (2011, Abb. 80), einem großformatigen Wandbild aus Vinyl. Wie die Dreiecksform stehen auch sie sowohl für die gezählten Gipfel als auch das durchwanderte Bergmassiv als Ganzes. Es scheint dabei, als könnten die herausgelösten Darstellungen der Horizontlinie in Form von Vinyl oder Holz jene fernen Eindrücke der Bergketten besser wiedergeben, als die Fotografie.652 An verschiedenen Ausstellungsansichten wie z.B. von

645 Abb. siehe mutualart.com, Artwork, Memorized Horizon, https://www.mutualart.com/Artwork/Memorized- Horizon-and-Worshipful-Alignme/48279EB70D665227 (05.07.2020). 646 Abb. siehe Galleri Riis, Artists, Hamish Fulton, http://galleririis.com/artists/hamish-fulton#image-4360 (05.07.2020). 647 Abb. siehe The Fine Art Society in Edinburgh, Artists, Hamish Fulton, http://www.fasedinburgh.com/artists/5364/ (22.03.2018). 648 Abb. siehe flickr.com, Photos, Les Abattoirs, Les.abattoirs: https://www.flickr.com/photos/lesabattoirs/2944703504/in/photostream/ (23.03.2018). 649 Abb. siehe artcurial.com, Sale Vincent Wapler Collection, 27.09.2016, Lot 30 Hamish Fulton, Mountain Skyline, https://www.artcurial.com/en/lot-hamish-fulton-ne-en-1946-mountain-skyline-eleven-and-half-day- wandering-walk-nepal-april-1989-0 (05.07.2020). 650 Abb. siehe Missoula Art Museum, Exhibitions : Hamish Fulton: 21 Pieces of Wood for a 21 Day Walk in Montana, 18.01.-14.04.2013, , https://www.missoulaartmuseum.org/index.php/ID/b9b73aae6f936c46f5e06833ce00c725/fuseaction/exhibiti ons.detail.htm (06.07.2020). 651 Abb. siehe artsy.net, Artist, Hamish Fulton, https://www.artsy.net/artist/hamish-fulton (06.07.2020). 652 Vgl. auch Hamish Fulton im Gespräch mit Ulrich Wilmes, a.a.O., S. 102. Immer wieder greift Fulton diese Thematik auch in seinen Publikationen auf, siehe beispielsweise „Wild Flowers“, „Horizon to Horizon“ oder „Twilight Horizons“, siehe Fulton, Hamish, Wild Flowers: Fleurs Sauvages, Paris 1981; ders., Horizon to Horizon, London 1983 oder ders., Twilight Horizons, Bordeaux 1983. Einen ersten Einblick gibt auch die Homepage artistsbooks.info, Fulton, Hamish - Wild Flowers / Fleurs Sauvages, o.J., http://artistsbooks.info/AB_Fulton%20Hamish_Wild%20Flowers%20Fleurs%20Sauvages.html (19.03.2018), ders., Fulton, Hamish - Horizon to horizon, o.J., http://artistsbooks.info/AB_Fulton%20Hamish_Horizon%20to%20horizon.html (19.03.2018) sowie ders., Fulton, Hamish - Twilight Horizons, o.J., http://artistsbooks.info/AB_Fulton%20Hamish_Twilight.html (22.01.2018). 124 Turner Contemporary653 und der Galerie Maureen Paley654 lässt sich sehr gut erkennen, dass sich das Motiv der Linie nicht nur in den Kunstwerken Fultons findet, sondern auch in der Hängung seiner Referenzarbeiten zu erkennen ist, welche die Betrachter entlang einer Art Berg-Horizontlinie führt.655 Wie bei seinen Katalogen bestimmt Hamish Fulton auch die Präsentation der Werke im Ausstellungskontext maßgeblich mit.

„Wenn ein Punkt eine Linie wird, so erfordert das Zeit“, so Paul Klee im Zuge der von ihm aufgestellten Linientheorie.656 Als eine Aneinanderreihung von „Jetztpunkten“ entwickelte sich die Linie seit Aristoteles zum Zeitstrahl, der nicht nur die Linearität von Zeit verbildlicht, sondern auch Zeitabschnitte darstellen lässt.657 Bei Fulton stellt die Transformation der gesehenen Bergsilhouette in die gezeichnete Linie die Visualisierung eines ganz bestimmten Jetztpunktes während seiner Wanderung dar, steht aber gleichzeitig auch für die Gesamtheit aller aufeinandergefogten Jetztpunkte im Verlauf seiner Route: „A Line is a dot that went for a walk“658. Sie kann auch als eine Art Schreibvorgang verstanden werden, als eine Art „Aufschreiben von Bewegungen in Gestalt von Linien als eine Schwelle der Epistemologisierung von flüchtigen Erscheinungen“.659 Darüber hinaus lässt sich in diesem Vorgang auch etwas Performatives erkennen, wenn man diesen Akt des Schreiben-Zeichnens in Fultons Zeichnungen und Malereien als „Sich-Vollziehendes und Sich-Entziehendes“660 verstehen mag. Wird die Linie mit der Hand gezeichnet, unterscheidet Johannes Grave zwischen den Begriffen „Linie“ und „Zug“: „Im dynamischen Linienzug hallt der Moment nach,

653 Siehe Peter Foolen, Hamish Fulton at Turner Contemporary, Margate, 24.01.2012, http://peterfoolen.blogspot.com/2012/01/hamish-fulton-at-turner-contemporary.html (23.02.2020). 654 Siehe Maureen Paley, Exhibitions, Hamish Fulton, 19.07.-24.08.2013, 3, exhibition view, https://www.maureenpaley.com/exhibitions/hamish-fulton?image=3 (23.02.2020). 655 Vgl. auch die Ausstellungsansichten aus der isländischen i8 Gallery Reykjavik, 2013: Daily Artfair, installation views i8 Gallery Reykjavik. Hamish Fulton, 25.04.-01.06.2013, o.J., https://dailyartfair.com/exhibition/1776/hamish-fulton-i8-gallery (25.02.2018). 656 Siehe Klee, Paul, Das bildnerische Denken, Basel 1964, S. 78. Zur Linientheorie Klees siehe Bonnefoit, Régine, Die Linientheorien von Paul Klee, Petersberg 2009, darin v.a. Kapitel 4. Die Linie als Bewegungsspur, S. 43-50. Die Linie ist auch ein eigens behandeltes Thema in der Kunstgeschichte, siehe hier v.a. Faietti, Marzia/Wolf, Gerhard (Hg.), The power of line, München 2015. Siehe auch Kandinsky, Wassily, Punkt und Linie zur Fläche. Beiträge zur Analyse der malerischen Elemente, Bern-Bümpliz 1964. Die Theorien Klees und Kandinskys werden auch bei Gottfried Boehm behandelt, siehe hierzu Boehm, Gottfried, Bild und Zeit, in: Das Phänomen Zeit in Kunst und Wissenschaft, Weinheim 1987, S. 8. Eine Einführung und Übersicht über Künstler, deren Kunst immer wieder das Motiv der Linie aufgreift findet sich bei Jochimsen, Zeit (1973), a.a.O., S. S.61f. 657 Siehe und vgl. Grüsser, Zeit und Gehirn, a.a.O., S. 85. 658 Russeth, Andrew, A Line Is a Dot That Went for a Walk: Hamish Fulton in Venice, 11.05.2011, http://www.artnews.com/2017/05/11/a-line-is-a-dot-that-went-for-a-walk-hamish-fulton-in-venice/, (23.03.2018). 659 Siehe und vgl. auch Hahn, Epistemologien des Flüchtigen, a.a.O., S. 22. 660 Siehe und vgl. ebd. 125 in dem die Hand die Linie zog, und im rasch dahingeworfenen Strich wird nochmals die Zeit erfahrbar, die im Zeichenakt verstrich.“661 Je nach Werk hat diese von Fulton wiedergegebene Linie der Berge eher etwas von der statischen Linie, wie in den Holzarbeiten, in den skizzenhaften Pinselstrichen seiner Aquarelle wiederum wird der dynamische Zug und die kurze Zeitspanne der Produktionszeit sichtbar.662 Auch Muriel Enjalran erkennt in der Linie ein zentrales Element in der Kunst Fultons, das zahlreiche seiner Arbeiten strukturiere: „The line is that of the horizon, both fluid and unchanging, […] it becomes a continuous line that splits the landscapes of his text-photos, drawn schematically or built with pieces of wood.“663 Auch hier schlägt sie eine Brücke zur meditativen Ausdruckskraft von Fultons Kunst: “the line that you follow but never reach.”664 Sichtbar wird die Linie auch in Form der Kreise, die Fulton als Referenz auf Sonne und Mond, aber auch als bildliche Metapher seiner zirkulären Wanderungen verwendet.665 In Arbeiten wie Seven Small Engadin Mountains (2007), welche mittels vertikalen, hölzernen Zollstockgliedern ebenfalls die oben beschriebene Wanderung thematisiert, werden die durchwanderten Berge und Gipfel wiederum zu „Diagrammen[n], die das ‚Auf und Ab‘ des Lebens aufzeichnen.“666 Diese diagrammartige Wahrnehmung spiegelt sich in allen Werken wider, welche die Berge, ihre Silhouetten, Gipfel oder Konturen zum Thema haben und vereint so unterschiedliche Arbeiten wie die oben erwähnte Fotografie Small Hills (1974) mit einer Wandarbeit aus Vinyl wie Himalayan Snow Mountains (2013, vgl. Abb. 42). Alle Arbeiten Fultons, welche die Skyline von Bergen oder Horizonten zeigen, verbinden die dem Gestein und dem Gebirge zugeschriebene Statik und Beständigkeit mit dem steten Wandel der Bewegung. Dadurch stehen sie im übertragenen Sinne auch für das „menschliche Bedürfnis nach Orientierung und Basis“667 und im weiteren Sinne für ein Verorten des eigenen Selbst im Kontext des Weltgeschehens. Und nicht zuletzt spiegeln sie die mentale Fähigkeit wider, Standpunkte und Blickwinkel zu verändern, seinen Horizont zu erweitern, andere Perspektiven einzunehmen und dadurch Situationen, Menschen oder auch Lebensphasen

661 Grave, Johannes, Form, Struktur und Zeit. Bildliche Formkonstellationen und ihre rezeptionsästhetische Temporalität, in: Zeiten der Form – Formen der Zeit, hrsg. von Michael Gamper et al., Hannover 2016, S. 141. 662 Rohsmann erkennt in der Skizzenhaftigkeit des Malvorgangs ein indexikalisches Zeichen für einen kurzen Malvorgang, vgl. Rohsmann, Manifestationsmöglichkeiten von Zeit, a.a.O., S. 43. 663 Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 20. 664 Ebd. 665 Ebd., S. 21. 666 Hamish Fulton im Gespräch mit Ulrich Wilmes, a.a.O., S. 103. 667 Ammann, Katharina, Übersicht als Illusion. Vermessungsstrategien in der Kunst, in: Vermessen. Strategien zur Erfassung von Raum, Ausstellungskatalog Bündner Kunstmuseum Chur, 11.04.-07.06.2009, Nürnberg 2009, S. 60. 126 anders beurteilen zu können – eine Position, die einzunehmen eine der vielen Möglichkeiten der Rezeption durch die Betrachter darstellt. Auch andere Künstler befassen sich mit der Horizontlinie der Berge. Kerstin Ergenzingers horizontalen, zackigen Bleistiftzeichnungen Berglinie Rocky Mountains (2003) oder Richtung Meer (2006)668 erinnern stark an die gezackten Linien der Bergsilhouetten, wie sie auch Fulton wiedergibt. Arbeiten von Olivo Barbieri wie zum Beispiel Dolomites Project (2010)669, Michael Najjars Serie High Altitude (2008-2010)670 oder Pep Matas Arbeit Pic de Prat (2003)671 greifen die Silhouetten der Berge fotografisch auf. Wie bereits in der Einleitung geschrieben, beruht die Kunst Matas ebenfalls auf dem Akt des Gehens, auf den er in Form von Fotos Bezug nimmt, die er nach topographischen und ortsspezifischen Merkmalen der durchwanderten Orte benennt. Mit Hilfe eines dokumentarischen Referenztextes bringt er darüber hinaus etwas in das Bild ein, das sich aus der Fotografie selbst nicht erschließen lässt.672

2.2.4 Wanderungen und Wege Neben der Anzahl gewanderter Tage, getätigter Schritte oder berührter Steine zählt Hamish Fulton auch ganze Wanderungen und begangene Strecken. Mit Blick auf die gezählten Schritte

668 Abbildungen siehe Vermessen. Strategien zur Erfassung von Raum, a.a.O. 669 In den mittels Luftaufnahmen entstandenen Fotografien Olivo Barbieris stehen die abgebildeten Berge nicht für das Erhabene der Natur, sondern vielmehr für die touristische Vermarktung desselben durch die Menschen, ausgerichtet weniger auf die Naturerfahrung als auf Kommerz und Profit. Abbildungen siehe Yancey Richardson, Exhibitions, Olivo Barbieri – The Dolomites Project, 16.02.-31.03.2012, https://www.yanceyrichardson.com/exhibitions/olivo-barbieri2 (02.07.2020). Mehr Informationen siehe auch Knoblauch, Loring, Olivo Barbieri: The Dolomites Project @Yancey Richardson, in: Collector Daily.com, Galleries, 02.03.2012, https://collectordaily.com/olivo-barbieri-the-dolomites-project-richardson/ (22.01.2018). 670 Die Fotografien dieser Serie sind 2009 bei einer Wanderung Najjars auf den Aconagua entstanden. Die abgebildeten Horizontlinien so allerdings nicht in der Realität zu erkennen, sondern bilden die Entwicklung der weltweit führenden Börsenindizes Dow Jones, Nikkei oder Dax der letzten 20-30 Jahre ab. „Just like the indices, mountains too have their timeline, their own biography. The rock formations soaring skywards like so many layered folds of a palimpsest bear witness to the life history of the mountain – stone storehouses of deep time unmeasureable on any human scale. The immediate reality of nature thus becomes a virtual experience“, schreibt Najjar über seine Serie unter dem Punkt “Concept” auf seiner Homepage, siehe Michael Najjar, high altitude (2008-2010) / nasdaq_80-09, o.J., http://www.michaelnajjar.com/artworks/high-altitude#1 (19.03.2018). Siehe auch Mensvoort, Koert van, Michael Najjar – High Altitude, in: Next Nature, Network, 09.08.2011, https://www.nextnature.net/2011/08/high-altitude/ (22.01.2018). 671 Abb. siehe Pep Mata, Portfolio, Andar-i-ego, https://pepmata.com/portfolio/andar-i-ego/ (02.07.2020). Mehr zur Kunst Pep Matas, der vor allem von Hamish Fulton und Richard Long inspiriert ist, siehe und vgl. García García, Ascensión, Andar-i-ego: una mirada a la obra de Pep Mata, in: Estúdio, Vol. 4, No. 8 (Dezember 2013), online unter http://www.scielo.mec.pt/scielo.php?script=sci_arttext&pid=S1647- 61582013000200007&lng=en&tlng=en#? (22.01.2018). 672 Mehr zum Thema und Interpretation von Horizonten bei Hamish Fulton siehe Martín, Paula Santiago, El camino como libro en Hamish Fulton, in: Estúdio, Vol. 3, No. 6, 12/2012, http://www.scielo.mec.pt/scielo.php?script=sci_arttext&pid=S1647-61582012000200027&lng=en&tlng=en# (22.01.2018). 127 kann diese Form des Zählens als eine weitere Form der Verortung verstanden werden, indem er den Radius von seinem Wohnort in England in die Welt hinaus ausdehnt. Wie sich diese Art gezählter Wanderungen wiedererkennbar in seinen Kunstwerken manifestieren, soll das nun folgende Kapitel aufzeigen.

2.2.4.1 17 Seven Day Walks, 1985-2017 Die hochformatige Schwarz-Weiß-Fotografie 17 Seven Day Walks (1985-2017, Abb. 81) erinnert formal an die frühen Fotoarbeiten Fultons. Die Abbildung zeigt einen knorrigen, alten Baum inmitten eines schneebedeckten Waldstücks. Darunter ist auf dem breiten Passepartout in unterschiedlichen Schriftgrößen und -farben der Walk Text vermerkt: „SEVEN DAYS WALKING AND SEVEN DAYS CAMPING IN A WOOD CAIRNGORMS SCOTLAND MARCH 1985 / A SEVEN DAY WALK SEVEN NIGHTS CAMPING CAIRNGORMS SCOTLAND JANUARY 2017 / 17 SEVEN DAY WALKS 1985 – 2017“. Die titelgebende Zeile ist größer geschrieben, als die anderen Angaben. Exemplarisch für alle getätigten Wanderungen stellt Fulton zwei heraus. Die Kunstbetrachter können also davon ausgehen, dass Fulton auch auf allen anderen 15 Wanderungen durch die schottischen Cairngorms sieben Tage gewandert ist und sieben Nächte campiert hat.673 Die unterschiedliche Bezeichnung dieser Wanderungen spiegelt dabei auch die Weiterentwicklung seiner Reflexionen im Verlauf der dreißig Jahre wider, die zwischen beiden genannten Wanderungen liegen.674 Immer wieder finden sich in Fultons Oeuvre Arbeiten, in denen er verschiedenste Wanderungen auflistet. Häufig sind dies Ein-Tages-Märsche, welche der Künstler zählt, wie z.B. Seven One Day Walks in the Rain (1990), Seven One Day Walks Kyoto (1991)675 oder Ten One Day Walks from and to Kyoto (1994) sowie in Form der zahlreichen “Walk Texts on Wood“ wie Seven Pieces of Wood for seven One Day Walks (2006, vgl. Abb. 51 sowie alle Werke der Abbildungen 52-60 und 79) oder Four Walks (1988, Abb. 82). Darüber hinaus zählt er aber

673 Zu Fultons Wanderungen in den schottischen Cairngorms und ihrer Verarbeitung in Form von Walk Texts sei Alan Machphersons Text „Sensuous Singularity“ empfohlen. Macpherson interpretiert Fultons Walk Texts darin vor allem als „ethical responses to the environment“. Siehe Macpherson, Alan, Sensuous Singularity. Hamish Fulton’s Cairngorm Walk-Texts, in: Critical Survey, Vol. 29, No. 1, 2017, S. 12-32, genanntes Zitat auf S. 12. 674 In einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 23.03.2018 schrieb Fulton, dass sich die unterschiedliche Bezeichnung darüber hinaus auch darauf bezieht, ob er jeweils den ganzen Tag zum Wandern nutzen konnte oder er beispielsweise durch schlechtes Wetter o.Ä. am Weitergehen gehindert wurde. 675 Abb. siehe Thirty One Horizons, a.a.O., S. 26. 128 auch zahlreiche andere Arten von Wanderungen auf, die sich in der künstlerischen Umsetzung ebenso wenig ähneln, wie die Ein-Tages-Märsche untereinander: Fotografien wie obige 17 Seven Day Walks oder Climate Changes (2000/2001); grafisch und typografisch gestaltete Werke wie die „Walk Maps“ Seventeen Coast to Coast Walks (1971-1999)676 oder Seven Walks Map (1989-2012, Abb. 83).677 Nicht zuletzt wird das Zählen und Auflisten von Wanderungen auch in Werken wie Three Connecting Walks (1986-1990)678 oder Eyes Feet Road (1990)679 aufgegriffen.680 Denn obwohl jede einzelne seiner Wanderungen für sich genommen ein Unikat ist, sind für Fulton alle je unternommenen Walks miteinander verbunden („connected“) und bauen aufeinander auf: „All my walks are related from the first to the last.“681 An anderer Stelle sagt er: „The walks are like a pack of cards. I’m always comparing and relating one walk with another.“682 Wie der lineare Zeitstrahl reihen sich auch seine Wanderungen zeitlich aneinander. In der künstlerischen Umsetzung jedoch hat Fulton dieses Zeitverhältnis im Laufe der Jahre zugunsten vielfältiger Beziehungen untereinander aufgelöst: „At my start the artworks were about particular walks. But then I decided to make new work from old walks. This was because […] the environment was being disregarded, mostly in unthinking ways with few alternatives. Now I feel totally free to comment again on the way we treat nature today, using material from much earlier walks.”683 Seine Aussage verdeutlicht, dass ihm der Umgang mit der Natur schon immer ein Anliegen war, sich jedoch sowohl sein künstlerischer Stil, als auch sein persönlicher Blickwinkel mit den Jahren weiterentwickeln musste, um zu einer passenden Ausdrucksform zu finden. Auch wenn alle zuvor erfolgten Walks, Walking Journeys und Wandering Walks miteinander in Beziehung stehen, bleibt das Besondere jeder einzelnen Wanderung in der Referenzarbeit erhalten, wird durch die

676 Abb. siehe Fulton, Walking Artist, a.a.O., nicht paginiert. 677 Zu dieser Art künstlerischer Gestaltung siehe das Kapitel 2.3 Vermessen. 678 Abb. siehe artsy.net, Artwork, Hamish Fulton, Three Connecting Walks, https://www.artsy.net/artwork/hamish-fulton-three-connecting-walks (06.07.2020). 679 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. 680 Die Publikation „One Hundred Walks“ von 1991 greift das Zählen von Wanderungen ausführlich auf. Hier hat Fulton 100 seiner wichtigsten Walks zwischen 1969 und 1991 auf unterschiedliche Weise aufgelistet. Interessant ist, dass er gänzlich auf Fotografie verzichtet und ausschließlich Typografie in den Farben Rot, Grün, Schwarz und Blau verwendet. Darüber hinaus fällt auch seine unorthodoxe Gliederung auf, die von der Auflistung von Cloud Formations über Coast-to-Coast- oder Moon-Walks bis hin zu Worten führt, die er aus seinen Wandertagebüchern entnommen hat. Siehe Fulton, Hamish, One Hundred Walks, Haags Gemeentemuseum, Den Haag 1991. Für einen ersten Einblick siehe Artistsbooks.info, Fulton, Hamish – One hundred walks, o.J., http://artistsbooks.info/AB_Fulton%20Hamish_One%20hundred%20walks.html (20.09.2017). 681 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 09.08.2017. 682 Hamish Fulton im Interview mit Ben Tufnell, a.a.O., S. 108. 683 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin am 09.08.2017. 129 Erfahrungsfülle in seiner Bedeutung sogar noch vielschichtiger und erfährt in kombinierten Referenzarbeiten sogar eine Potenzierung.

2.2.5 Meilen und Kilometer Eine sicht- und zählbare zeitliche Größe sind in manchen Referenzarbeiten Hamish Fultons neben der Anzahl gewanderter Tage auch die währenddessen zurückgelegten Meilen oder Kilometer. Die Umsetzung in ein künstlerisches Medium hat seit den 1970er Jahren eine deutlich sichtbare Veränderung durchlaufen, die im Folgenden genauer herausgearbeitet werden soll.

2.2.5.1 One Hundred Mile Walking Stick, 1971 1971 markierte Hamish Fulton auf einem industriell gefertigten Spazierstock mit gekrümmten Griff 100 Meilen, die er innerhalb von zehn Ein-Tages-Wanderungen zurückgelegt hatte. Die daraufhin entstandene Referenzarbeit One Hundred Mile Walking Stick (1971, Abb. 84) enthält drei Schwarz-Weiß-Fotografien sowie den obligatorischen Walk Text: „100 Mile Walking Stick / BOURNE PARK LAKE NEAR CANTERBURY / A 100 MILE WALK FROM / CANTERBURY TO CANTERBURY / SUMMER 1971 / ten miles a day for ten days in succession. / The thick bands represent the days and the thin bands represent the miles. / There are four lapwing feathers attached to the handle, / found on a walk by Bourne Park Lake.“. Die ersten beiden Fotos sind nebeneinander angeordnet und zeigen einen See, das dritte darunter einen weißen Spazierstock mit gekrümmtem Griff. Ähnlich den Markierungen eines Zollstocks kennzeichnete er darauf die gegangenen Meilen mit einem schwarzen dünnen Strich, die Tagesmarke mit einem dicken. Den Stock teilte er so ein, dass alle 100 Meilenstriche bis zum Beginn der Krümmung des Griffes Platz fanden. „One hundred black rings were painted on a white stick, one ring for each mile, in groups of ten.“684 Die Inspiration zu dieser Arbeit kam ihm durch seine Beschäftigung mit den Indianern der Siuox und nördlichen Cheyenne Ende der 1960er Jahre, insbesondere durch die Lektüre eines Buches über einen Häuptling der Sicangu-Indianer namens Iron Shell, der einen „moon counting stick“ mit sich trug, dessen Einkerbungen alle Monde eines Jahres zählten.685 Diese

684 Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., S. 106. 685 Vgl. Hamish Fulton im Interview mit Ben Tufnell, a.a.O., S. 106. In diesen Moon-Counting-Stick ritzte Iron Shell für jeden Aufgang des Mondes eine Kerbe auf eine Seite eines Stockes. Jeden vergangenen Mondmonat 130 Art der Markierung ermöglichte den Sioux eine eigene Zeitrechnung, die sich am Mond orientierte und diente als Ergänzung zu den sogenannten „Winter Counts“, einer kalendarischen Chronik, in der jedes Jahr durch ein Bild oder Zeichen visualisiert wurde, was das jeweilige Jahr besonders geprägt hatte.686 Interessant ist, dass Fulton dieses Foto im Katalog der Tate 2002 zusammen mit dem Foto von Eleven Notches abdrucken ließ.687 Wie bereits im Zusammenhang mit der Analyse von Eleven Notches erwähnt,688 offenbart sich auch in diesem Bildpaar ein erweiterter Zeitraum. Während der natürlich gewundene Ast in Eleven Notches auf einer bearbeiteten Holzplatte zu liegen scheint, lehnt der künstlich hergestellte Stock in One Hundred Mile Walking Stick an einem Baum, dessen zerfurchte und vom Wettereinfluss gewunden gewachsene Rinde einen diagonalen Kontrast bietet. Zeigt sich also in den beiden Hölzern die Zeitspanne zwischen noch nicht gefälltem Baum hin zum bearbeiteten Holz, kann man an den „Walking Sticks“ die Entwicklung moderner Geh-Hilfen ablesen: Von der rudimentären Wanderhilfe aus mehr oder weniger unbehandelten Naturmaterialien bis hin zum industriell gefertigten Gehstock, stellt der Weg zu gegenwärtigen Nordic-Walking-Sticks und High-Tech-Bergsteigerstöcken nur noch einen evolutionären Katzensprung dar. Durch die gemeinsame Abbildung beider Referenzarbeiten auf einer Seite im Katalog visualisiert der Künstler nicht nur unterschiedliche Formen des Zählens, sondern präsentiert zugleich zwei wesentliche Werte seiner Wanderungen: Die Dauer (11 Tage bei Eleven Notches) sowie die gewanderte Strecke (100 Miles bei One Hundred Mile Walking Stick). Das Zählen von Kilometern in Form von Knoten oder Farbringen hat Hamish Fulton nach dieser Arbeit nicht mehr so stark interessiert, so dass er sich dazu entschied, stattdessen die Anzahl der

vermerkte er auf der anderen Seite des Stockes mit einer einzelnen Kerbe, so dass am Ende eines Jahres alle Monde an dem Stock abzulesen waren. War ein Jahr vergangen, schnitt Iron Shell im April, dem Monat, in welchem die neuen Kälber geboren wurden, einen neuen Stock, der ihn wieder ein Jahr lang begleitete. Vgl. Hassrick, Royal B., The Sioux: Life and Customs of a Warrior Society, Norman 1964. S. 11. Mehr zu dem Jahreszyklus und Monatsnamen siehe ebd., S. 174. Mehr zum Leben von Iron Shell siehe: Sprague, Donovin Arleigh, Rosebud Sioux, Charleston 2005, S. 49; Hyde, George E., Spotted Tail’s Folk: A history of the Brulé Sioux, Norman 1961, S. 316. Hintergründe zum Leben der Sioux siehe: Hassrick, Royal B., The Sioux: Life and Customs of a Warrior Society, Norman 1964. 686 Zu den Winter Counts siehe Zhang, Jane, Lakota winter counts, pictographic records, and record making and remaking histories, in: Archives & Manuscripts 2017, Vol. 45, Iss. 1, S. 3–17 sowie für einen ersten Einblick Akta Lakota Museum & Cultural Center, The Lakota Winter Count, o.J., http://aktalakota.stjo.org/site/News2?page=NewsArticle&id=8993 (17.08.2017). 687 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. 688 Vgl. Kapitel 2.2 Zählen, hier 2.2.1.1 Eleven Notches for an Eleven Day Walking Journey, 1979. 131 gewanderten Tage hervorzuheben.689 ”Some years ago, I felt much more inclined to point to days, than kilometres. Days being somehow more timeless, capable of relating to history.“690 Tatsächlich weisen die meisten Referenzarbeiten keine Angabe von Meilen oder Kilometern auf, sondern vor allem die Anzahl der gewanderten Tage. Nur bei längeren Distanzen sind daher Meilen- oder Kilometerangaben zu finden, wie z.B. 1022 Meilen in Lands End (1973)691, 200 Meilen in July Full Moon over the Doda River (1978, vgl. Abb. 26), 560 bzw. 622 Meilen in Villanueva de Cordoba (1989/1990, vgl. Abb. 4), 125 Meilen am Stück in Winter Solstice Full Moon (1991)692, 2838 Kilometer in Outline of a Rock from Lake Toma (A 2838 Kilometre Coast to Coast Walking Journey) (2002) oder Approaching Rotterdam (2002, siehe Abb. 128 sowie 2498 Kilometer in Ocean River (2005, Abb. 85).693

2.2.5.2 Thirteen Miles to Brecon, 1987 In den 1970er und 1980er Jahren visualisierte Hamish Fulton einige Wanderungen in Form fotografischer Arbeiten, die verschiedene historische Meilensteine als Motiv haben. Ein besonders eindrückliches Beispiel dafür ist die hochformatige Schwarz-Weiß-Fotografie Thirteen Miles To Brecon von 1987 (Abb. 86), wie sie im Ausstellungskatalog der Tate 2002 abgebildet ist. Am oberen Rand des Fotos ist bildbreit in Großbuchstaben der Titel zu lesen, darunter befindet sich in deutlich kleineren Versalien der dreizeilige Walk Text: „A TWENTY ONE DAY 604 MILE COAST TO COAST ROAD WALKING JOURNEY FROM SOUTH WALES TO NORTH EAST ENGLAND / BY WAY OF SEVEN HILL TOPS LATE SUMMER 1987 / BRECON BEACONS CADER IDRIS BLEAKLOW HEAD CLEVELAND HILLS YORKSHIRE DALES HELVELLYN CHEVIOT HILLS”. Inmitten einer baum-, tier- und menschenlosen Landschaft sieht man in der unteren Bildhälfte einen schiefen Meilenstein in einer Pfütze stehen. Der steinige Untergrund wurde von Regen

689 „But after that I didn’t like the idea of recording miles in this way so changed to days. Notches, knots, rings etc. to record the days. Miles were then recorded only in words.“ Hamish Fulton, in: Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., S. 106. 690 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 08.08.2017. 691 Siehe Kapitel III. 1.1.2 Solstice, 1992. 692 Zu den körperlich äußerst herausfordernden Long-Distance-Walks von Hamish Fulton siehe Kapitel 3.1 Körper. 693 Eine weitere Ausnahme bilden auch jene Referenzarbeiten, die sich auf seine „Climbs“, also besondere Bergsteigertouren, beziehen und beispielsweise die Gipfelbesteigungen von Cho Oyu oder den Mount Everest thematisieren. Hier gibt Hamish Fulton häufig die Höhenmeter der Gipfel an. Da Fulton diese Angaben nicht selber zählt bzw. errechnet, werden sie hier nicht weiter ausgeführt, sondern als Angabe von Fakten im Walk Text zunächst lediglich erwähnt. Im Kapitel 3. Ausdauer, Spuren der Zeit und Verschleiß, v.a. im Kapitel 3.1.2 Bardo, wird diesen Angaben jedoch besondere Aufmerksamkeit zuteil. 132 ausgespült, was augenscheinlich die Standfestigkeit des Wegweisers beeinträchtigt hat. Wind und Wetter haben auch am Stein selbst ihre Spuren hinterlassen und ihn im Laufe der Jahre verwittern lassen.694 Nach oben hin breiter werdend, mit einem halbrunden Abschluss sieht der Meilenstein eher aus wie ein Grabstein auf einem alten Friedhof. Die schwarz-weiße Ästhetik der Fotografie gepaart mit dem windgepeitschten Gras und den tiefhängenden Wolken am schmalen Horizontstreifen verstärkt den leicht morbiden Eindruck der Szenerie.695 Die auf dem Markstein angegebenen 13 Meilen, die noch bis Brecon zurückzulegen wären, stehen in keinem Zusammenhang mit den im Walk Text angegebenen Information zu Dauer („twenty one day“) und Länge („604 Miles“) der Wanderung. Vielmehr ist die Angabe innerhalb der Fotografie das Beispiel für nur eine kleine Teilstrecke (1/46 der gesamten Strecke), die Hamish Fulton insgesamt zurückgelegt hat. Die Fotografie selbst lässt die Betrachter im Unklaren darüber, ob Fulton die 13 Meilen bereits zurückgelegt oder noch vor sich hatte – oder der Meilenstein schlicht ein denkwürdiger Moment auf seiner Wanderung darstellte und Brecon gar nicht auf seiner Route lag.

Obwohl die Meilensteine keinen sichtbaren Bezug zu einem der im „Walk Text“ genannten Aspekte von Zeit aufweisen, sind sie Monumente der Zeit schlechthin, besteht ihre ursprüngliche Aufgabe doch darin, den Reisenden darüber zu informieren, wieviel Meilen er noch vor sich hat und gibt einen Hinweis darauf, wieviel Zeit dafür voraussichtlich noch gebraucht wird. Wie bereits erwähnt, sieht man den Steinen dieser Fotografien darüber hinaus deutlich an, dass sie bereits eine lange Zeit der Witterung ausgesetzt waren. Sie sind von Flechten, Moosen oder Ranken überzogen, teilweise sind ganze Stücke des Gesteins herausgebrochen, Farbe blättert ab und lässt die eingravierten Ziffern und Buchstaben verblassen. Sie stehen als Zeitzeugen da und zeugen selbst vom Lauf der Zeit, der an ihnen nicht spurlos vorübergegangen ist. Zugleich zeigt ihr Zustand auf, dass sie als elementarer Wegweiser hauptsächlich begangener oder befahrener Routen bis zum Zeitpunkt des Fotos augenscheinlich nicht mehr relevant waren, ihre Instandsetzung also zur Zeit der Aufnahme nicht zur obersten Priorität zu gehören schien.696

694 Mehr dazu siehe Kapitel III. 3. Ausdauer, Spuren der Zeit und Verschleiß, hier v.a. 3.2 Natur. 695 Die in der Numerologie eine eher unheilvolle Rolle spielende Zahl 13 verstärkt einmal mehr die dunkle Stimmung des Bildes und die Assoziation mit einem Gedenkstein auf einem historischen Friedhof. 696 In Großbritannien hat sich 2001 The Mile Stone Society gegründet, deren Ziel es ist, “[to] identify, record, research, conserve and interpret for public benefit the milestones and other waymarkers of the British Isles”. Siehe The Milestone Society, About Milestone, o.J., http://www.milestonesociety.co.uk/ (22.06.2017). Es könnte also tatsächlich sein, dass die von Fulton fotografierten Wegsteine mittlerweile in einem ganz anderen, nämlich renovierten Zustand sind. 133 Ein Blick auf die von der britischen Mile Stone Society zusammengetragenen Bilder697 gibt einen faszinierenden Einblick in die historische Dimension, die Meilensteine in vergangenen Zeiten hatten. Im Bestreben, ihre Counties voneinander abzugrenzen und auch zu unterscheiden, wurden die Steinmetze äußerst kreativ. Ihrer „praktisch-zweckmäßigen Bedeutung“698 geschuldet, müssen Meilensteine einerseits so nüchtern wie möglich und auf einen Blick erkennbar die benötigten Informationen aufzeigen. In ihrer formal-ästhetischen Ausgestaltung kann diese Nüchternheit jedoch durch künstlerische Individualität aufgehoben werden. Das führt zu einer Vielzahl von unterschiedlich gestalteten Wegmarkierungen, die en passant auch die Geschichte des Designs in Bezug auf regionale Corporate Identity erzählen. Die den Meilensteinen eigene reduzierte Formensprache, die nur die wesentlichen Informationen kenntlich macht, scheint Hamish Fulton im Verlauf der Jahrzehnte mehr und mehr auf seine Arbeiten übertragen zu haben. Die Tatsache, dass diese Wegsteine frei zugänglich sind, sich also im öffentlichen Raum befinden, impliziert eine fast endlose Zeitlichkeit, die über Jahre hinweg bestehen kann. Wenngleich historische Meilensteine im Zeitalter motorisierter Mobilität ungleich weniger von Nutzen sind (obwohl auch der moderne Straßenverkehr Wegweiser benötigt), sind sie für den Wanderer zeitlos elementar. Einerseits durch ihre Materialität, andererseits behalten sie auch in Zeit von Smartphones und GPS-Wanderleitsystemen weiterhin ihre Gültigkeit – insbesondere dann, wenn die Technik streikt, die Akkus der Geräte leer sind, man keine physische Wanderkarte zur Hand hat und somit auf tradierte Orientierungshilfen angewiesen ist. Im Frühling 2017 wurde in der Münchner Galerie Häusler Contemporary eine Ausstellung Fultons mit dem Titel „Walking Without a Smartphone“ 2017 eröffnet, in welcher der Künstler bewusst auf diese Tatsache Bezug genommen hat.699 Hamish Fulton, der nur mit „the lightest maps fort the job“700 wandert, machte bei der Eröffnung deutlich, dass er definitiv nicht mithilfe eines Smartphones wandern würde.

697 Siehe The Milestone Society, Gallery, About Milestones, o.J., http://www.milestonesociety.co.uk/milestoneimages.html (30.12.2017). 698 Wassily Kandinsky, Über die Formfrage, in: Der Blaue Reiter, München 1912, S. 87. 699 Siehe die Ausstellungsbeschreibung auf der Homepage der Galerie Häusler Contemporary München, Hamish Fulton “Walking Without a Smartphone“, 09.02.-31.03.2017, http://haeusler-contemporary.com/hamish-fulton- walking-without-a-smartphone/ (22.06.2017) 700 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 08.08.2017. 134 Für Hamish Fulton stellen die Milestones-Arbeiten eine Form von „Outdoor Text Art“ dar, eine Form von Textkunst im öffentlichen Raum, die von Wanderern, die Meilen oder auch Tage voneinander entfernt laufen, gleichermaßen gelesen und passiert werden konnte.701 Die oben besprochene Abbildung 13 Miles to Brecon entstammt der Ausstellungspublikation der Tate, stellt also eine grafisch dem Layout des Katalogs angepasste Version dar. Wie z.B. bei einer seiner frühesten Meilensteinfotos To Worcester 8 Miles (1972, Abb. 87) zu sehen ist, präsentiert Fulton diese Fotos im Ausstellungskontext innerhalb eines breiten Passepartouts in einem schlichten Holzrahmen. Sowohl hier, als auch in anderen Abbildungen von Meilensteinen werden die Fakten zu der Wanderung wie ein Untertitel unter das Bild ins Passepartout gesetzt, so in The Dover Road (1977)702, The Lancaster Richmond Road (1977)703 oder die bereits erwähnte Arbeit A Road Walk Across France (1983). Seven Miles to Penybont (1976)704 und Border Stone (1977)705 sind weitere Beispiele, wie Fulton Fotografie und Walk Text in ein stimmiges Design fasst. Dass er auch heute noch ein Interesse an Meilensteinen hat, zeigt nicht zuletzt die Arbeit Milestones von 2010 (Abb. 88). Vergleicht man To Worcester 8 Miles mit Milestones, ist erkennbar, wie stark sich die visuelle Umsetzung im Laufe von fast 40 Jahren verändert hat: in der älteren, naturholzgerahmten Arbeit erhält die Fotografie noch viel Raum, für sich selbst zu sprechen; auch der Walk Text ist in kleiner Schrift vergleichsweise unauffällig ins Passepartout gesetzt. In der jüngeren Arbeit hingegen bleiben in der im Ausstellungskontext gezeigten Arbeit706 Rahmen als auch Passsepartout weiß und unbeschrieben, das Foto hingegen wird vom Walk Text am oberen und Titel am unteren Rand überlagert. Die Darstellung entspricht von der Gestaltung her eher großformatigen Wandarbeiten, als den frühen Fotografien. 2.3 Vermessen

„Der Wunsch, die Welt zu vermessen und sie dadurch zu erfassen und zu kontrollieren, ist so alt wie die Menschheit selbst“, schreibt Katharina Ammann 2009.707 Distanzen würden von

701 Walking in relation to everything, a.a.O., S. 26. 702 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. 703 Abb. siehe artnet.de, Künstler, Hamish Fulton, The Lancaster Richmond Road, http://www.artnet.de/k%C3%BCnstler/hamish-fulton/the-lancaster-richmond-road-1977- flwbRrBcXRWKdTJ8aDi8Tg2 (06.07.2020). 704 Siehe Kapitel III. 2.1.1. Hitchhiking Times, 1967. 705 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert. 706 Für die gerahmte Version siehe ocula.com, Art Galleries, Parafin, Artworks, Hamish Fulton, Milestones, https://ocula.com/art-galleries/parafin/artworks/hamish-fulton/milestones-wales--england-2010/ (06.07.2020). 707 Ammann, a.a.O., S. 9-40, hier S. 9. 135 jeher in „subjektiven, auf Zeit und Raum basierenden Referenzsystemen, etwa in Tagesmärschen oder in ‚Fuss‘ gemessen“.708 Wie bereits am Beispiel der römischen Legionäre deutlich wurde, besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Akt des Gehens, des Zählens und des Vermessens. Dass sich diese Verbindung bis in die Sprache hinein etablieren konnte, zeigt sich nicht zuletzt in der Etymologie des englischen Wortes für die Maßeinheit „Mile“, welches sich aus dem lateinischen „mille pacem“ ableitet und das „tausend Schritte“ bedeutet.709

Laut Anne Seymour setze der menschliche Körper „eine Vielzahl von sinnengestützten Meßverfahren gleichzeitig“ ein, um „sein Verhältnis zu Natur und Wirklichkeit zu bestimmen“.710 Das Gehen Fultons, „jener rhythmisch-alternierende Prozess, der sich räumlich, zeitlich, lautlich und körperlich entfaltet“,711 ist dabei das grundlegendste dieser Messverfahren. Im folgenden Kapitel „Vermessen“ soll herausgearbeitet werden, auf welche Weise dies in der Kunst Hamish Fultons sichtbar wird.

2.3.1 Walking (35 Walks Map), 1971-2019 Die Referenzarbeit Walking (35 Walks Map) (1971-2019, Abb. 89) zeigt schablonenartig die Umrisse Westeuropas bis hin zum östlichen Rand Deutschlands, jedoch keine Landesgrenzen. Stattdessen verzeichnete Hamish Fulton die Weglinien von 35 zwischen 1971 und 2019 unternommenen Wanderungen, bei denen entweder Küsten, Flüsse oder beide Themen eine Rolle gespielt haben.712 Neben den Linien sind die Jahreszahlen verzeichnet und mittels kleiner Pfeile auch die Laufrichtung angegeben. Im rechten oberen Eck notierte der Künstler unterhalb des Titels „WALKING“ die Arten seiner Wanderungen: „COAST TO COAST / COAST TO RIVER / RIVER TO COAST / RIVER TO RIVER“. Am unteren rechten Rand steht nüchtern: „33 WALKS 1971-2017“. Der dritte Textblock in der linken Bildhälfte gibt zudem einen Hinweis auf die Intention des Künstlers: „A WALKED LINE / UNLIKE A DRAWN LINE / CAN NEVER BE ERASED“713. Obwohl in der Natur unsichtbar, sind diese gewanderten Routen dennoch für

708 Ebd. 709 Vgl. Huth, John Edward, The Lost Art of Finding our Way, Cambridge (Mass.) 2013, S. 53. 710 Seymour, In Kreisen gehen, a.a.O., S. 7. 711 Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 19. 712 In der zur Prüfung eingereichten Fassung dieser Dissertationsschrift wurde eine Version der Referenzarbeit von 2012 besprochen. Für diese Publikation wird nun auf die neueste Version von 2019 Bezug genommen, um aufzuzeigen, dass diese Arbeit zu den Werken Fultons zählt, die sich kontinuierlich weiterentwickeln. 713 Auch in Hamish Fulton im Interview mit der Galerie Nara Roesler, a.a.O., Minute 28:35. 136 immer vorhanden, da sie durch den Akt des Gehens unwiderruflich in die Geschichte der durchwanderten Region im wahrsten Sinne des Wortes eingegangen sind. Die zurückgelegten Strecken verbinden weit mehr als zwei Orte miteinander. Auf eine „urtümliche, territoriale Erfahrungsweise“714 begangen, werden sie im Kunstwerk durch die sich kreuzenden Linien für die Betrachter erkennbar und nachvollziehbar gemacht. Dadurch visualisiert die Arbeit Walking auch besonders gut Fultons Anspruch, sich durch das Wandern mit der Natur zu verweben: “I walk on the land to be woven into nature“.715 Man kann diese Visualisierung der gewanderten Routen auch als Aktivierung des Weges auf der Landkarte verstehen, wie es Fulton selbst beschreibt: „If I look at a map I want to walk but I haven’t made that walk yet, then this map will appear to me as every other map. I still haven’t activated the lines on the map, so to speak. If I make a walk and it shows on the map, then I have a relationship with it because my walk shows up on it.“716 Je kürzer der Weg, desto weniger wäre er auf der Weltkarte sichtbar – für Fulton eine Frage des Maßstabs, nicht des Egos.717 Für Marie-Louise Geiseler stellt diese Art von Visualisierung eine Form von „Lebenskarte“ dar, da sie nicht nur eine einzelne Wanderung darstellt, sondern vielmehr einen langen Zeitraum verbildlicht: „Der Zeitaspekt wird hervorgekehrt, nicht die momentane Zeit, das heißt die Dauer einer einzelnen Wanderung […], sondern der Zeitraum vieler Jahre.“718 Die für Fulton eigentlich wichtige Angabe zur Dauer der Wanderung tritt zugunsten der Strecke in den Hintergrund: nicht (mehr) von Bedeutung ist die Dauer einer Wanderung, sie bildet nur noch eine Strecke.719 Durch die Sichtbarmachung der von Fulton beschrittenen Routen verbildlicht dieses Werk eindrücklich das Durchschreiten eines ganzen Landes bzw. Kontinents. In Relation zu der Größe des Landes kann der Akt des Gehens somit auch als Akt des Messens und Vermessens verstanden werden, bei welchem auch Hamish Fulton im Sinne Seymours körpereigene Meßverfahren aktiviert.720 Bei dem Künstler ist dies sein Schrittmaß, das ihn die zurückgelegte Strecke mit jedem einzelnen Schritt als „kleinste Einheit des Gehens“721 in Relation zu seinem

714 Brüderlin, Markus, Stille Monumente zwischen Ankunft und Abfahrt, in: Zeitlos. Kunst von heute im Hamburger Bahnhof, Ausstellungskatalog Hamburger Bahnhof, 22.06.-2509.1988, Berlin/München 1988, S. 17f. 715 Thirty One Horizons, a.a.O., S. 8. 716 Hamish Fulton im Interview mit Esperanza Collado, siehe Collado, Hamish Fulton, a.a.O. 717 Ebd. 718 Geiseler, Marie-Louise, Zeit/Raum/Natur-Erfahrung im Werk von Richard Long, Dissertation, Berlin 2003, S. 38. 719 Vgl. ebd. 720 Seymour, In Kreisen gehen, a.a.O., S. 7. 721 Siehe und vgl. auch Hahn, Epistemologien des Flüchtigen, a.a.O., S. 22. Sie bezieht sich hier auf Louis Aragon, Le Paysan de Paris, Paris 1926. 137 eigenen Körper setzen lässt und umgekehrt. Seine pendelnden Beinbewegungen werden dabei – wie schon 1836 von den Brüdern Eduard und Wilhelm Weber in ihrer „Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge“722 erforscht – zu einem messenden Element, zu „Zeitmaß und Wissensmaschine“723 gleichermaßen. Wie sich noch aufzeigen lassen wird, kann das Gehen Fultons durchaus als eine körperliche „Mechanik[…] der Zeit“724 begriffen werden, mit deren Hilfe auch Aussagen zu Zeitverbrauch und Geschwindigkeitgetroffen werden können.725 Das Weglassen von Grenzlinien in Walking ist ein bewusstes Gestaltungselement Fultons:

„The British Isles are defined by sea water. The borders have been naturally formed. […] Importantly, the map indicates the ground of Western Europe, not the human made country border lines. Not Brexit.“726 In der Natur sind natürliche Grenzen beispielsweise durch Flussläufe, Küstenlinien oder Gebirge vorgegeben. Das territoriale, vermessende Machtgefüge der Menschen weiß solcherlei Hindernisse aber längst kraft diverser Hilfsmittel zu überwinden und neue Grenzen zu ziehen. „Sich selbst in Bezug zur Umwelt und Mitmenschen zu setzen, hat ebenso mit Kommunikation wie Abgrenzung zu tun. Das Abstecken des eigenen Territoriums und die dafür nötige Entwicklung immer neuer Vermessungstechnologien geschahen und geschehen stets im Zusammenhang mit Macht.“727 Schon die territoriale Abgrenzung Germaniens durch den von den Römern errichteten Limes diente dazu, das dadurch ins Römische Reich integrierte Gebiet zu vermessen und insbesondere steuerlich taxierbar und wirtschaftlich nutz- und berechenbar zu machen.728 Trotz der Wirtschaftsgemeinschaft der Europäischen Union, trotz der Bemühungen eines vereinten Europas scheint es auch im 21. Jahrhundert nicht zu gelingen, diese wirtschaftlichen Grenzen weniger bedeutsam werden zu lassen oder gar aufzulösen, was sich nicht zuletzt an dem aktuell stark debattierten und von Fulton angesprochenen „Brexit“ erkennen lässt.729 Der

722 Weber, Wilhelm/Weber, Eduard, Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge, Göttingen 1836. Mit ihrem Vergleich entdeckten die Brüder „[körperliche] Mechaniken der Zeit“, in denen „die zeitliche und räumliche Vermessung des Schritts zum Dreh- und Angelpunkt eines Wissens der menschlichen Fortbewegung“ wurde. Siehe und vgl. auch Hahn, Epistemologien des Flüchtigen, a.a.O., S. 22 sowie S. 33f. 723 Siehe und vgl. ebd. 724 Siehe und vgl. ebd., S. 22 sowie S. 33f. 725 Siehe Kapitel III. 3. Ausdauer, Spuren der Zeit und Verschleiß und Kapitel 4. Geschwindigkeit des Gehens und Wahrnehmung von Zeit. 726 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 09.08.2017. 727 Siehe Ammann (2009), a.a.O., S. 9. 728 Vgl. Moschek, Wolfgang, Der Römische Limes: eine Kultur- und Mentalitätsgeschichte, Speyer 2011, hier insbesondere S. 58-60. 729 Am 23. Juni 2016 stimmten die Briten mit 51,9 Prozent für den Austritt aus der EU. Siehe hierzu auch Zeit Online, Brexit. Bye-Bye, EU, Ressort Politik, o.J., http://www.zeit.de/thema/brexit (13.03.2018). 138 angekündigte Ausstieg Großbritanniens aus der EU ist in den Kunstwerken Hamish Fultons zwar nicht eindeutig erkennbar, spielt aber spätestens seit 2016 in alle Wanderungen mit hinein, die an die Grenzen der „British Isles“ stoßen und über sie hinausgehen: „This catagory of walks is based on an acknowledgement of living on an island. Land surrounded by sea.”730 Arbeiten wie Walking thematisieren also gleich mehrere Dinge: Zum einen thematisieren sie als eine Form der Landvermessung die geografischen Gegebenheiten der jeweiligen kontinentalen Landschaften, die der Künstler durchwandert. Zum anderen weisen Fultons Fluss- und Küstenwanderungen durch das Fehlen der Grenzlinien auf die menschengemachten Begrenzungen von Ländern und Regionen hin. Mit seinem messenden Schritt zieht er jedoch keine neuen Demarkationen, sondern überwindet sie, indem er gehend Verbindungslinien zwischen den Ländern schafft und sie in eigenen, die Landkarte überschreibenden Linien künstlerisch sichtbar macht. Das Motiv der Linie zieht sich also weit vielschichtiger durch Fultons Oeuvre, als es bereits in der Werkanalyse zu Mountain Skyline Switzerland731 angesprochen wurde. Eine weitere Ebene zeigt sich auch in der Titelwahl der Ausstellung „Canto di Strada”, die 2015 Werke Fultons und Arbeiten des ebenfalls gehenden Künstlers Michael Höpfner zeigte. Der Titel vermittelt nicht nur die Leidenschaft beider Künstler für das Gehen, sondern wurde auch in Anlehnung an Bruce Chatwins Buch „The Songlines“732 gewählt. Darin beschreibt Chatwin rituelle Lieder der Aborigines auch als „maps of the territory“, die als imaginierte Linien – die „songlines“ – kulturell wie territorial den gesamten Kontinent umspannen.733 Giusti sieht darin eine Ode an das Nomadische, wie es auch Deleuze und Guattari beschreiben und zugleich die Möglichkeit, ein Territorium gehend abzustecken.734 Dieser Gedanke lässt sich gleichermaßen auf Walking und all jene Werke und „Walk Maps“ Fultons übertragen, die mit dieser Art „Walking Lines“

730 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 08.08.2017. 731 Siehe Kapitel III. 2.2.3.2 Mountain Skyline Switzerland, 2007. 732 Chatwin, Bruce, The songlines, London 2005. 733 Vgl. Giusti, The Song Line, a.a.O., S. 8. 734 Vgl. ebd. Zu Deleuze/Guattari siehe auch Männing, Maria, Hans Sedlmayrs Kunstgeschichte: Eine kritische Studie, Köln et al. 2017, S. 179. Der Titel der Ausstellung bezieht sich darüber hinaus auch auf die Sardische Tradition des „Canto a tenore“, eine polyphone, pastoral-choralähnliche Gesangstradition, die von vier männlichen Stimmen a capella gesungen wird und sowohl historische als auch zeitgenössische Texte vertont. Wie Lorenzo Giusti schreibt, ist diese Tradition in ähnlicher Form nur bei nomadischen Völkern der Mongolei oder im südlichen Sibirien zu finden. Vgl. Giusti, The Song Line, a.a.O., S. 9. Siehe auch UNESCO, Canto a tenore, Sardinian Pastoral Songs [YouTube-Video], 28.09.2009 https://www.youtube.com/watch?v=cWVCMvbGcPA (19.10.2017). 139 arbeiten, wie beispielsweise Fourteen Coast To Coast Walks (1982-1989)735, der bereits erwähnten Arbeit Twenty One Road Walks (1971-1995) oder Seventeen Coast to Coast Walks, 1971-1999)736. Das Kreuzen und miteinander Verweben von Wegen wird auch in Arbeiten wie Water (1971-2001)737, Seven Walks Map (1989-2012, vgl. Abb 83) und Villanueva de Cordoba, 1989/99, vgl. Abb. 4) aufgegriffen. Visuell scheint sich dieser Aspekt auch in Arbeiten wie The Endless Knot (2007, vgl. Abb. 23) widerzuspiegeln. Bei der hier zugrundeliegenden Wanderung handelte es sich jedoch um eine Wegstrecke, die Fulton auf bestimmte Art und Weise immer wieder gegangen ist, und nicht um unterschiedliche Wege, die sich im Verlauf der Wanderung gekreuzt haben. Während die oben beschrieben Wanderungen vor allem als Verbildlichungen linear verlaufender Zeit verstanden werden können – wie grundsätzlich all jene seiner Wanderungen, die From A to B (1995, vgl. Abb. 44) führen738 – stellen wiederholte Wanderungen eine Form repetitiv erfahrbarer Zeit innerhalb des linearen Zeitverlaufs dar, vergleichbar mit zirkulärem Gehen. Diese spezifischen Walks finden sich ebenfalls zahlreich im Oeuvre Fultons und sollen weiter unten anhand der Arbeit Swifts and Lizards von 2017 gesondert analysiert werden.739 Dass Fulton in seinen Referenzarbeiten auch die zurückgelegte Distanz im Blick hat, wird an seinen Arbeiten The Distance (1997)740, Distance and Time (1979/1990)741 sowie der gleichnamigen Farbfotografie Distance and Time (1991/1996)742 deutlich. War es bei The Distance die Strecke zwischen den beiden Küsten, die er gehend erfahren hat, so spielen die Varianten von Distance and Time sowohl auf die Entfernung zwischen den von ihm erklommenen Gipfel an, als auch auf die Zeit, die zwischen den jeweiligen Besteigungen vergangen war. Fulton ist nicht der einzige Künstler, der ganze Länder von Küste zu Küste durchschreitet oder sich an Flussläufen orientiert. Einmal mehr ist es vor allem Richard Long, dessen Wanderungen

735 Abb. siehe artnet.com, Artists, Hamish Fulton, Fourteen Coast To Coast Walks, http://www.artnet.com/artists/hamish-fulton/fourteen-coast-to-coast-walks-9-works-mRc1LJ29tIhCYiolyyyITg2 (06.07.2020). 736 Siehe Kapitel III. 2.2.4.1 17 Seven Day Walks, 1985-2017. 737 Abb. siehe Fulton, Walking Artist, a.a.O., nicht paginiert. 738 From A To B beschreibt einen achttägigen Wandering Walk, den er im Sommer 1995 in der Schweiz unternommen hat: „FROM A TO B / 12345678 / AN EIGHT DAY WANDERING WALK / FROM THE RIVER SALTINA TO THE RIVER ROTTEN / SWITZERLAND SUMMER 1995“. 739 Siehe hierzu die Kapitel 2.3.3 Swifts and Lizards, 2017. 740 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht paginiert. 741 Abb. siehe Fulton, Walking Artist, a.a.O. nicht paginiert. 742 Abb. siehe ebd. 140 und die daraus resultierenden Kunstwerke denen Fultons ähnlich sind, wie Arbeiten wie Waterlines (1989)743, Water Walk (1999)744 oder Walking Flowing (2005)745 zeigen. Auch bei Long findet sich Gehen als vermessendes Element, wird mitunter aber detaillierter visualisiert: Mithilfe einer Fotografie und eingezeichneten Linien auf einer Landkarte in der Arbeit Two Walks (1972)746 oder der Landkarte From the Sea to the Clouds (1989)747, die nicht Orte oder Straßen visualisiert, sondern Flüsse und Bäche Großbritanniens (ohne Irland). Dabei hat auch Long Distanz und Zeit im Blick, wie sich an seiner Arbeit Distance and Time (2014)748 aufzeigen lässt.

2.3.2 Die Vechte entlang gehen, 1997 Ein besonders gutes Beispiel dafür, dass Fulton nicht nur von Küste zu Küste läuft, sondern auch ganzen Flussläufen folgt, ist die 1997 in Deutschland durchgeführte Wanderung entlang der Vechte.749 Eine der zahlreichen daraus entstandenen Fotoarbeiten Die Vechte entlang gehen zeigt die von leichten Wellen gekräuselte Wasseroberfläche (Abb. 90). Auf dem Bild sind sowohl Gehrichtung als auch Fließrichtung des Wassers vermerkt und mithilfe von Pfeilen verdeutlicht: „FLIESSRICHTUNG / DIRECTION OF THE RIVER FLOW →“; „GEHRICHTUNG /

743 Bei der dreiwöchigen Wanderung durch Portugal und Spanien von der Atlantikküste bis zum Mittelmeer hinterlässt Long täglich eine Wasserspur aus seiner Trinkflasche auf seinem Weg. Angesichts der Notwendigkeit von Trinkwasser sowohl auf der Wanderung als auch in dem eigentlich eher durch trockene Klimazone bekanntes Terrain ein verschwenderisch anmutendes Verfahren. Abb. siehe Richard Long, Textworks, Waterlines, http://www.richardlong.org/Textworks/2011textworks/35.html (02.07.2020). 744 In der Coast-to-Coast-Wanderung Water Walk trägt Long Wasser insgesamt von Küste zu Küste, wobei er das Wasser bei jedem Fluss, an den er gelangt oder den er überquert, austauscht. Wasser, was sich sonst nicht vermischt hätte. Abb. siehe artnet.com, Artists, Richard Long, Water Walk, http://www.artnet.com/artists/richard-long/water-walk-kW0tfGHM85sz-xtZIGJLrQ2 (02.07.2020). 745 Walking Flowing bezieht sich auf eine Wanderung durch Frankreich von der Atlantikküste bis zur Rhône an der Schweizer Grenze. War der Ozean Longs Start, ist selbiger für den Fluss das Ziel – dass Long dies mit einer Fotografie des verbindenden Elements Wasser visualisiert, erscheint nur logisch. 746 Die Arbeit zeigt eine Wanderkarte, auf der sowohl Start- als auch Endpunkt mit der gewanderten Zeit vermerkt sind. Neben diesem gezeichneten X, das sich keinem der auf der Karte eingezeichneten Wege anpasst, ist das Schwarz-Weiß-Foto eines verwitterten Wegsteines abgebildet. Dieses Foto vermittelt einen Eindruck jenes Moments, in welchem Long nicht nur auf seinen eigenen, zuvor gegangenen Weg trifft, sondern zeigt auch jenen offiziellen Punkt, an welchem sich seine beiden Wanderwege mit einem offiziellen Weg kreuzen. In der Landkarte ist somit auch jener Weg eindeutig festgehalten, der auf den Weg der Kunst führt – zu finden abseits gewöhnlicher Pfade. Abb. siehe Richard Long. In Kreisen gehen, a.a.O., S. 28. 747 Abb. siehe Richard Long, Prints, a.a.O., S. 155. 748 Abb. siehe The Richard Long Newsletter 108, Personal Exhibition No 231, http://www.therichardlongnewsletter.org/previous-exhibitions-berlin (23.03.2018). 749 Vier Tage lang wanderte Fulton anlässlich des Skulpturenwegs „kunstwegen EWIV“ entlang der Vechte zwischen den Orten Nordhorn und Emlichheim hin und her. Siehe hierzu Nachtigäller, Roland, kunstwegen – Perspektiven für eine Kunst im öffentlichen Raum, in: Kunstwegen. Der Vechte folgen, hrsg. von Roland Nachtigäller, Nordhorn 2005, nicht paginiert. 141 STROMAUF VON EMLICHHEIM NACH NORDHORN 23.10.97 /  DIRECTION OF THE WALK / UPSTREAM FROM EMLICHHEIM TO NORDHORN 23.10.97“.750 Nur die gekräuselte Oberfläche und die Wellen signalisieren Bewegung, die sowohl von der Strömung herrühren oder aber auch andere Ursachen haben könnte. Im Katalog „Die Vechte entlang gehen“751 finden sich zahlreiche weitere fotografische Abbildungen des Flusses, die jeweils unterschiedliche Zeiten und Aspekte von Fultons Wanderung hervorheben. In manchen dieser Abbildungen notiert der Künstler seine Beobachtungen der Wasserbewegungen durch den Einfluss der Elemente: „WASSERPFLANZEN NEIGEN SICH DER STRÖMUNG / WATER PLANTS BEND WITH THE FLOW“, „WOLKENSCHATTEN QUEREN DEN FLUSS“, „NEUES WASSER ZIEHT VORBEI / NEW WATER PASSING BY“ oder „EINE BRISE WEHT STROMAUF / A BREEZE BLOWING UPSTREAM“. Alle Fotos zeigen die mehr oder weniger bewegte Oberfläche des Flusses, auf der sich im Laufe der Zeit hin und wieder auch pflanzliches Material angesammelt hat. Durch den Walktext können die Betrachter also spätestens hier die Bewegung der Wasseroberfläche als vom Wind oder durch die Strömung verursacht identifizieren. Indem Fulton an der Vechte zwischen zwei Städten einmal stromaufwärts, einmal stromabwärts entlanggeht, vermisst er beide Entfernungen durch den Akt des Gehens in Relation zum Verlauf des Flusses. Gleichzeitig begegnet er im übertragenen Sinne dem Lauf der Zeit: einmal entgegen, einmal mit der Fließrichtung. Auch, wenn er nicht im Wasser und somit mit oder gegen die Strömung läuft, spielen Sprichwörter wie „go with the flow“ oder „gegen den Strom schwimmen“ in diese Art von Wanderungen und Kunstwerke hinein. Das Sinnbild des Flusses für das lineare Vergehen von Zeit wird von Fulton in seinen Wanderungen entlang von Flüssen in physische Bewegungen transformiert, die anhand der anschließend entstehenden Kunstwerke in Form von Fotos, Worten oder Zeichen von den Betrachtern visuell und sinnlich nachempfunden werden können.

750 Die Vechte entlang gehen ist ein gutes Beispiel dafür, dass es dem Künstler wichtig ist, dass seine Walk Texts in die jeweilige Landessprache seiner Ausstellungen übersetzt werden, damit sie von den Besuchern auch verstanden werden können. 751 Die Vechte entlang gehen. Hamish Fulton, Ausstellungskatalog Städtische Galerie Nordhorn, 21.02.- 19.04.1998, Nordhorn 1998. Einen ersten Einblick gibt es auch unter artistsbooks.info, Fulton, Hamish - Die Vechte entlang gehen - Walking beside the River Vechte, o.J., http://artistsbooks.info/AB_Fulton%20Hamish_Die%20Vechte%20entlang%20gehen.html (25.01.2018). 142 Wasser ist für Hamish Fulton von besonderer Faszination,752 die sich nicht nur in den natürlich entstandenen Küstenlinien, sondern auch im Verlauf von Flüssen zeigt: ”The meandering shapes of rivers were all once naturally formed by the very precise, gravitational flow of water.”753 Für den Künstler offenbart sich im Zusammenhang mit Wasser eine der größten Herausforderungen der Zukunft: „The issue of water has become of global significance. Sea levels rising, floods and draughts, this is called global warming. […] As a contemporary artist – I believe the causes of global warming are humanity’s lack of consideration for the diversity of species on the planet.”754 Hier kommt die von Margarethe Jochimsen angesprochene „gesellschaftliche Zeit“755 zum tragen, denn in Fultons Oeuvre lassen sich immer wieder Werke finden, die das Thema Wasser direkt oder vergleichsweise subtil und vor allem politisch thematisieren und so von seiner intensiven wie vielschichtigen Auseinandersetzung mit dieser wertvollen Ressource zeugen. Wie die Arbeiten Walking (35 Walks Map) (1971-2019, vgl. Abb. 89) und An der Vechte entlang gehen sind dies ganz allgemein all jene Referenzarbeiten, die sich auf Wanderungen von Küste zu Küste oder entlang von Flüssen oder sonstiger Gewässer beziehen, so auch die bereits erwähnte Fotografie France on the Horizon (1975), Yurok (1980)756, Ocean River (2005, vgl. Abb. 85) oder die verschiedenen foto-typografischen Versionen von Sea Level (1989, 2009)757.

In vielen Arbeiten findet sich der Bezug bereits im Titel, wie in Water (1971-2001)758, Water Stone (1985), Drinking Mountain Water (1995)759, Water Cycle (2001)760 oder großformatigen Wandarbeiten wie Water (2002, Abb. 91),761 oder The Flow of Water (2002)762.

752 „[I have] a constant fascination with the very special substance, water. No human could have invented and then manufactured it.” Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 09.08.2017. 753 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 09.08.2017. 754 Hamish Fulton in: Walking in relation to everything, a.a.O., S. 32. 755 Jochimsen, Zeit (1973), a.a.O., S. 60. 756 Abb. siehe desordre.net, Photograhie, Photographes, Robert Frank, Fulton, o.J., https://www.desordre.net/photographie/photographes/robert_frank/fulton.html (06.07.2020). 757 Abb. siehe Thirty One Horizons, a.a.O., S. 60, Fulton, Walking Artist, a.a.O., nicht paginiert oder Fulton, The Uncarved Block, S. 2. 758 Abb. siehe Fulton, Walking Artist, a.a.O., nicht paginiert. 759 Abb. siehe ebd. 760 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht paginiert. 761 Zur Arbeit Water siehe auch Baur, Simon, Hamish Fulton im Haus Konstruktiv, kunstbulletin 7-8/2004, https://www.artlog.net/de/kunstbulletin-7-8-2004/hamish-fulton-im-haus-konstruktiv (24.01.2018). 762 Abb. siehe Cordula von Martha, Cordula Huber, Hamish Fulton, http://www.cordulavonmartha.com/cordula_huber_seite/html/hamish_fulton.html (06.07.2020). 143 Immer wieder enthalten Fultons Arbeiten dabei bewusste, kritische Anspielungen. Melting Glacier (vgl. Abb. 49) und Disappearing Lake (1999, vgl. Abb. 11)763 thematisieren den Klimawandel und die globale Erderwärmung durch den Hinweis auf schmelzendes Gletschereis, Rrrrrrraaaaaaaiiiiiiinnnnnnn (1990)764, Rain (1992)765 oder The Road Swept Away By A Landslide (2000)766 wiederum thematisieren oder zeigen anhaltenden Regen, Überschwemmungen und ihre Folgen. Geronimo Homeland (2006, vgl. Abb. 61) thematisiert hingegen eine Dürreperiode, welche Wasserknappheit als ein gleichermaßen globales Problem aufzeigt. Mit den Abbildungen diverser Etiketten von Plastik-Wasserflaschen, aus denen er während seiner Wanderungen getrunken hat, wie in der Arbeit Via de la Plata (2008, Abb. 92) oder die zuvor angesprochene Arbeit Eau de Montagne (1995) zu sehen ist, nimmt Hamish Fulton Bezug zur wirtschaftlichen Vereinnahmung von Wasser. Das Gehen als künstlerischer Akt wird zu einem subtilen politischen Fingerzeig, der in Zeiten von extremen Dürren jüngster Zeit wie 2016 in Kalifornien oder 2017 in Ostafrika, aber auch durch Waldbrände 2017 in Europa zusammen mit den starken Überschwemmungen der letzten Jahre überall auf der Welt zu einem achtsameren Umgang mit dieser wertvollen Ressource mahnt. “I didn’t start out as a political artist,” sagt Hamish Fulton, “but when you are walking in [the 21st Century, d.V.], you can’t avoid politics. If someone were to ask me what my work was about today, I might say justice, instead of the role of the land.”767 Gehen ist für Fulton ein Mittel, die eigene, durch das Stadtleben distanzierte Wahrnehmung für die natürliche Landschaft zu re-sensibilisieren. Wer seine Umgebung wahrnimmt, wird sich auch für ihren Erhalt interessieren, so sein Gedanke.768 Übertragen auf die Umwelt sieht er im Gehen die Möglichkeit, langfristig die Diversität des Planeten in Flora und Fauna zu schützen bzw. für die Zukunft sicherzustellen. Seine Wanderungen an den Wassern der Welt sind dementsprechend ähnlich zu verstehen: Sind sich die Menschen der Bedeutung eines sauberen, möglichst natürlichen Wasserkreislaufs bewusst, wird sich ihr Interesse am Schutz und Erhalt von sauberen Gewässern folglich steigern.

763 Zu Hamish Fultons Wanderung zum Disappearing Lake, der „Iceberg Lake“ im Wrangell St. Elias Nationalpark in Alaska, siehe auch Clynes, Tom, Going to Extremes, in: Backpacker, 09/2007, ab S. 66. 764 Abb. siehe Fulton, Walking Artist, a.a.O., nicht paginiert. 765 Abb. siehe Thirty One Horizons, a.a.O., S. 44. 766 Abb. siehe Fulton, Walking Artist, a.a.O., nicht paginiert. 767 Hamish Fulton im Interview mit Alastair Sooke, in: Sooke, Alastair, Hamish Fulton wanders the neural pathways, in: The Telegraph, Ressort Art Features, 17.01.2012, http://www.telegraph.co.uk/culture/art/art- features/9014354/Hamish-Fulton-wanders-the-neural-pathways.html (28.08.2017). Siehe auch sub rosa, “no walk, no work”, 26.05.2012, https://omstreifer.com/2012/05/26/no-walk-no-work/ (19.03.2018). 768 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 23.03.2018. 144 Dass Fulton mit diesen Beobachtungen künstlerisch nicht allein ist, zeigt beispielsweise Minerva Cueva in der Ausstellung „Peace“ 2017 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt mit der Markenpersiflage Égalité (2004).769 Spätestens hier wird deutlich, dass Wasser auch in der Kunst des 21. Jahrhundert weiterhin als Symbol des Lebens dargestellt,770 jedoch auch mehr und mehr als Politikum genutzt wird.

2.3.3 Swifts and Lizards, 2017 Swifts and Lizards (Abb. 93) ist der Titel einer Arbeit, die Fulton 2017 für das Kunstmuseum im Wallis angefertigt hat und die während der Dauer der Ausstellung „En Marche. Faire un pas, c'est faire un choix“771 an der Außenwand des Le Pénitencier in Sion zu sehen war. Das langgezogene, rechteckige Werk ist so von Diagonalen durchzogen, dass 48 Dreiecke in vier unterschiedlichen Schattierungen der Farbe Grau entstehen, die in der Mitte zwei gleichhohe Dreiecke in Mittelgrau bilden. Am unteren Rand sind die Fakten des zugrundeliegenden Walks notiert: „WALKING SLOWLY ONE HUNDRED TIMES BETWEEN THE DOORWAY OF VALÈRE AND THE DOORWAY OF TOURBILLON SION SWITZERLAND 25-29 MAY 2017”. Valère und Tourbillon sind zwei Hügel, die sich über der Schweizer Altstadt Sions erheben und zu den Wahrzeichen der Stadt zählen. Über fünf Tage hinweg lief Fulton im Frühjahr 2017 zwischen der Basilika auf dem Hügel Valère und der Ruine eines ehemaligen Bischofsschlosses aus dem 13. Jahrhundert langsamen Schrittes hin und her – insgesamt einhundert Mal. Ähnlich wie im Zusammenhang mit Die Vechte entlang gehen, wo er zwischen Nordhorn und Emlichheim hin- und herging, kann dies als ein Maßnehmen, ein Vermessen der Distanz zwischen diesen beiden Orten durch den Akt des Gehens verstanden werden. Gehen, das zwischen zwei Punkten auf derselben Strecke vollzogen wird und, einmal am Ausgangspunkt wieder angelangt, darüber wieder hinausgeht, wird zu einer sich wiederholenden Einheit, vergleichbar mit zirkulär bzw. repetitiv wahrgenommener Zeit. Die im Bild durch die Farbe Grau hervorgehobenen Dreiecke können als Verbildlichung der beiden Hügel Sions verstanden werden. Die restlichen Diagonalen und Linien wiederum als Darstellung des wiederholten

769 Abb. und mehr zu den Hintergründen siehe auch Köhler, Gislind, Minerva Cuevas "Égalité", monopol- magazin.de, Ressort Blogs, 08/24/2017, https://www.monopol-magazin.de/minerva-cuevas-egalite (16.03.2018). 770 Siehe Battistini/Impelluso, Das große Bildlexikon, a.a.O., S. 65. 771 03.06.2017-07.01.2018, siehe und vgl. Musées Valais, a.a.O. 145 Gehens. Der Walktext informiert darüber hinaus über die Anzahl der Wiederholungen, die sich allerdings nicht in der Anzahl der Diagonalen wiederfinden lassen. Immer wieder hat Hamish Fulton ganze Wanderungen erneut unternommen und so die Landschaft in Form von zirkulärem oder repetitivem Gehen vermessen. 2017 beispielsweise wiederholte er einen seiner ersten künstlerischen Walks, den er 1967 zusammen mit einer Gruppe von Studienfreunden durchgeführt hatte: London 2 February 1967 Repeat Solo Walk 2017 (1967-2017, Abb. 94). Während er hier die historische Fotografie nutzte und sie um die typografische Umschreibung der Wiederholung ergänzte, finden sich in seinem Ouevre zahlreiche Werke, die wie Swifts and Lizards mit sich kreuzenden Linien arbeiten und mittels unterschiedlichster Materialien auf repetitives oder auch zirkuläres Gehen verweisen, wie z.B. die Holzarbeit Endless Knot, (2007, vgl. Abb. 23), die typografische Arbeit Tibetan Protest (2009, vgl. Abb. 24) oder die kleinformatige Zeichnung Tibetan Lingkor (2013)772. Die in all diesen Arbeiten sichtbaren, durch die sich kreuzenden Linien entstandenen Rautenformen, bezeichnet Fulton selbst als „diamond shapes“ – architektonische Formen, die Fulton überall in Lhasa entdeckt hat und seitdem in seine Kunstwerke integriert.773 Fulton nutzt diese Form der Visualierung auch für Referenzarbeiten anderer Wanderungen. Three One Day 80 Kilometre Walks (2002)774 beispielsweise hat seinen Schwerpunkt auf der Wiederholung der zurückgelegten Distanz. Dem großformatigen Wandbild Mugu Nepal (A 28 Day Walking Expedition) (2011, Abb. 95) liegt ein linearer Walk von A nach B zugrunde, die Linien reflektieren hier die zahlreichen Berge im Himalaya. Die vier Briefumschläge in 11 One Day Walks (2014, Abb. 96) wiederum verweisenauf elf sich kreuzende Wanderungen, die der Künstler in und um Bern herum unternommen hat. Das Gehen auf ein- und derselben Route macht für Hamish Fulton einen besonderen Reiz aus: „Just as fast walks are very interesting so are walks that go over that same route every day.”775 Zu sich wiederholenden Wanderungen wurde der Künstler von den Marathon-Mönchen Japans inspiriert, die Runde um Runde um den Berg Hiei pilgern776: „My greatest inspiration

772 Abb. siehe Häusler Contemporary, Künstler, Hamish Fulton, Werke, https://haeusler- contemporary.com/hamish-fulton/werke (21.03.2018). 773 siehe auch Illanes, Carol, Hamish Fulton Conferencia - Exhibición Jorquencal 1234567 Galería Nara Roesler- Plataforma Atacama [YouTube-Video], 20.09.2015, https://www.youtube.com/watch?v=uCKd6dAGQJk, ab. Min. 12:54 (31.01.2018). 774 Abb. siehe Placing One Foot In Front Of The Other, a.a.O., nicht paginiert. 775 Hamish Fulton im Interview mit Ben Tufnell, a.a.O., S. 109. 776 Vgl. auch Kapitel III. 2.2.2.1 Counting 33210 Paces, 1991. 146 for repeat walks are the present-day marathon monks of Mount Hiei in Japan.”777 Ihr zirkuläres, religiös motiviertes Gehen überträgt Fulton auf seine künstlerischen Wanderungen, um seine Wahrnehmung immer wieder aufs Neue zu schulen: “I am interested in perception; you can make very interesting experiences by repeating the same walk.”778 Der Reiz in der Wiederholung einer Wanderung liegt für Fulton darin, auf demselben Weg völlig neue Entdeckungen und Erfahrungen machen zu können.779 An der Umgebung und auch am Weg selbst lässt sich bei jedem Schritt nachvollziehen, dass der lineare Lauf der Zeit nicht spurlos an der Natur vorübergegangen ist.780 Der Gehende wird nicht in demselben Gemütszustand wie zuvor denselben Weg beschreiten, wird ihm doch die Erinnerung an den bereits gegangenen Weg immer vor Augen sein und die in der Zwischenzeit gemachten Lebenserfahrungen unterschiedliche Perspektiven der Wahrnehmung eröffnen. Gleichzeitig wird er bei jedem erneuten Gang auf andere Weise aufmerksam sein, so dass sich durch die Wiederholung ein komplexeres Bild der Wirklichkeit ergibt, da nicht alles auf einmal wahrgenommen werden kann.781 Ein Kunstwerk, das im Zusammenhang mit Gehen in der Kunst, dem Vermessen von Raum immer genannt wird und auch im Kontext repetitiven Gehens nicht fehlen darf, ist Richard Longs A Line Made by Walking von 1967. Katharina Amman vergleicht die von Long im Gras zurückgelassene Spur mit einem „Massstab im Gelände“, von dem man auf „dessen Größenverhältnisse“ schließen könne.782 Angeli Jahnsen benennt in diesem Zusammenhang sowohl Zeit, als auch Bewegung und eben jenen mit dem Richtungswechsel verbundenen Wechsel der Perspektive auf den Weg.783 Dieser damit verbundene Wechsel der Wahrnehmung desselben Weges ist es vor allem, was in Fultons Interesse liegt, wenn er geht – und vor allem, wenn er zum wiederholten Male geht. Repetitiv erfahrbare Zeit und Gehen als Akt des Vermessens lässt sich für die Kunstbetrachter nicht nur durch die kontemplative Versenkung in die Kunstwerke Fultons nachvollziehen. Ganz real besteht für sie in Form der Group Walks die Möglichkeit, dies gemeinsam mit Fulton selbst zu erleben, vor allem bei jenen Geh-Angeboten, bei denen die Teilnehmer ein- und denselben

777 Hamish Fulton im Interview mit Ben Tufnell, a.a.O., S. 109. Mehr zu den “Marathon-Mönchen” siehe Kapitel III. 2.2.2.1 Counting 33210 Paces, 1991. 778 Hamish Fulton im Interview mit der Galerie Nara Roesler, a.a.O., Min. 0:30. 779 Dies ist ein Effekt, der auch bei der wiederholten Betrachtung ein und desselben Kunstwerks auftreten kann. 780 vgl. Kapitel III. 3.2 Natur. 781 Vgl. auch das Kapitel III. 1.1.3 Kailash Kora, 2007. 782 Siehe Ammann (2009), a.a.O., S. 10. 783 Janhsen, Angeli, Neue Kunst als Katalysator, Berlin 2012, 123f. 147 Weg über einen bestimmten Zeitraum hin- und zurückgehen, wie beispielsweise bei 31 Walkers (2012, Abb. 97), Slowalk in Support of Ai Weiwei (2011, Abb. 98), One Hour Walk Palazzo Ducale784 2015 oder Group Walk Sion von 2017785. Gerade bei letzterem ist es in Hinblick auf die vom Künstler zuvor durchgeführte Wanderung (vgl. die obige Beschreibung von Swifts and Lizards) interessant, dass er die Teilnehmer bei seinem Public Walk zwar nicht den gleichen Weg gehen ließ, ihnen aber ermöglichte, im Gehen zwischen zwei Punkten eine ganz ähnliche Erfahrung repetitiven Gehens zu machen.786 Gleichzeitig entstand durch die individuell gewählten Wege der Teilnehmer ein dichtes Netz miteinander verwobener Routen.787

3. Ausdauer, Spuren der Zeit und Verschleiß

Das Gehen als sich im Raum vollziehende Bewegung ist spätestens seit Aristoteles ein zeitlicher Vorgang.788 Hamish Fultons physische Erfahrung des Gehens und die beim Wandern verstrichene Zeit ist für die Betrachter allerdings nicht direkt erlebbar. Lässt sich dennoch das durch die Aktivität des Gehens erfolgte Verstreichen von Zeit in den Kunstwerken nachvollziehen? Und falls ja, auf welche Art und Weise? Das folgende Kapitel untersucht anhand der Themen Körper, Natur und Material, wie es Fulton gelingt, Zeit und Zeitlichkeit in Form von Bezügen zu (körperlicher) Ausdauer, sichtbaren Spuren der Zeit und (materiellen) Verschleißerscheinungen in seinen Kunstwerken darzustellen.

784 Hier waren die 216 Teilnehmer angewiesen, eine Stunde lang entlang der Linien der Bodenplatten im Hof des Palazzo Ducales hin- und herzulaufen. Siehe auch Palazzo Ducale, Hamish Fulton. Repetitive Walk. 22 Novembre 2015 Palazzo Ducale, o.J., http://palazzoducale.visitmuve.it/it/eventi/archivio-eventi/hamish-fulton- performance/2015/11/16656/repetitive-walk/, (15.01.2018). 785 Zu dem durchgeführten Walk siehe auch Goujon, Rémy, Vidéo de la Marche collective avec Hamish Fulton du 03.06.2017 [YouTube-Video], 08.08.2017, https://www.youtube.com/watch?v=Vi-pcTttysI&feature=emb_title (06.07.2020). 786 Die Handlungsanweisung bestand darin, sich auf der gegenüberliegenden Seite des Burghofes einen Punkt anzuvisieren, und zwischen ihm und dem Ausgangspunkt eine Stunde lang in ein einem selbstgewählten Schritttempo hin- und herzulaufen. Am Ende war ersichtlich, welchen Teilnehmern es gelungen war, immer denselben Weg zu gehen: Hier zeichnete sich eine deutliche Spur des Weges im Gras ab. Zum Gehen auf diese Weise siehe auch Janhsen, Neue Kunst als Katalysator, a.a.O., S. 123. 787 Aus eigener Erfahrung durch die Teilnahme am Group Walk in Sion kann die Autorin berichten, dass das Gehen in diesem Setting die aktive Wahrnehmung nicht nur des eigenen Schritttempos erfordert, sondern auch das der anderen Teilnehmer, welche die eigene gewählte Route zahlreich durchkreuzen. Zur Geschwindigkeit des Gehens siehe das Kapitel III. 4. Geschwindigkeit des Gehens und Wahrnehmung von Zeit. 788 Vgl. Kapitel I.1. Heranführen an das Thema und Fragestellung. 148 3.1 Körper

Spätestens im Zuge der „Performativen Wende“ 789 in den 1960er Jahren erwachte der bis dahin zumeist auf Leinwand oder Papier gebannte, in Stein gemeißelte oder in Bronze gegossene menschliche Körper zu revolutionärem Leben. Vor allem die infolgedessen entstandene Kunst der Performance übt bis heute sowohl auf Künstler als auch auf Kunstbetrachter eine ungebrochene Faszination aus. Wie bereits in der Einleitung aufgezeigt, stellt das Gehen als künstlerischer Akt eine von vielen performativen Möglichkeiten dar, den eigenen Körper als künstlerisches Ausdrucksmitel zu verwenden.790

„Das Gehen ist Öffnung zur Welt. Das Gehen als ein Sinn des Körpers schließt geistige und körperliche Kräfte nicht nur zusammen, sondern weckt Reserven und löst Verspannungen, was als Lustgewinn erlebt wird.“791 Was bei Ulrich Giersch reizvoll klingt, wird in der performativen künstlerischen Praxis oft fast grenzenlos überreizt: Margarethe Jochimsen konnte herausarbeiten, dass das Erleben von Zeit in der Kunst auch in der „Repetition stereotyper ‚Kraftakte‘“792 bzw. im anhaltenden „Agieren“793 bestehen kann, welche oftmals die Grenzen physischer und psychischer Leistungsfähigkeit ausloten. In solchen Arbeiten „[korreliert] die Intensität des Zeiterlebens positiv […] mit der Intensität des menschlichen Energieverbrauchs.“794 Jochimsen verweist dabei u.a. auf fünf von Bruce Nauman wiederholte Handlungen (Revolving Upside Down, Pacing Upside Down, Walking in Contraposto, Bouncing in a Corner, Lip Sync, (1969), Ulrike Rosenbachs Tanz für eine Frau (1973) und Marina Abramowitsch und Ulays Performance Relation in Time (1977). Sie beschreibt jedoch auch Kunstwerke, welche die lange Dauer einer minimalen Handlungen aufzeigen, wie Friederike Pezolds Video Toilette (1979) und Vito Acconcis Videoperformance Air Time (1973) oder Nam June Paiks Videoinstallation Viedeobuddha (1974).795 Wie bereits mehrfach aufgegriffen, ging es Hamish Fulton nach seiner entscheidenden Wanderung quer durch Großbritannien 1973 vor allem darum, Kunst herzustellen, die aus der Erfahrung und dem körperlichen Erleben des Gehens resultierte: „I wanted my art to be about real experience, not fictional situations or media manipulation.“796 Seit 1973 hat Fulton immer

789 Fischer-Lichte, Ästhetik des Performativen, a.a.O., S. 29. 790 Vgl. Kap. I.2.2 Über das Gehen in der Kunst im Kontext Hamish Fultons. 791 Giersch, Der gemessene Schritt, a.a.O., S. 267. 792 Jochimsen, Zeit zwischen Entgrenzung und Begrenzung (1985), a.a.O., S. 232. 793 Jochimsen, Zeit (1973), a.a.O., S. 64. 794 Jochimsen, Margarethe, Zeit zwischen Entgrenzung und Begrenzung (1985), a.a.O., S. 232. 795 Auffällig häufig werden künstlerischen Äußerungen dieser Art durch das Medium Video vermittelt. 796 Hamish Fulton im Interview mit John K. Grande, in: Grande, Art Nature Dialogues, a.a.O., S. 130. 149 wieder Wanderungen unternommen, die auch ihn physisch und psychisch bis an seine Grenzen gebracht haben. Wie sich in den folgenen Werkanalysen zeigen wird, spiegelt sich diese körperlich erfahrbare Zeitlichkeit, die vor allem Ausdauer erfordert und Spuren vergangener Zeit sowie Verschleißerscheinungen hinterlässt, auf unterschiedliche Weise in seinen Kunstwerken wider und wird so auch für die Kunstbetrachter nachvollziehbar.

3.1.1 Mind Body Walk, 1998 Im Juni 1998 unternahm Hamish Fulton sieben Ein-Tages-Märsche in der Grafschaft Kent, auf die er sich in der hochformatigen, typografischen Arbeit Mind Body Walk bezieht (1998, Abb. 99). Auf beigem Untergrund sind fünf Wörter in Großbuchstaben zu sehen. Alle Begriffe sind seitenbreit ausfüllend geschrieben, der oberste, „MIND“, in schwarzer, der mittlere, „BODY“, in grauer, der untere, „WALK“, in weißer Farbe. Dazwischen sind zwei weitere Worte platziert, deren Buchstaben sich farblich abwechseln. „ENDORPHIN“ ist abwechselnd weiß-rostbraun geschrieben, „ADRENALIN“ abwechselnd in rostbraun und schwarz. Wie der im Vergleich zur restlichen Typografie winzige Walk Text in der untersten Zeile des Bildes vermittelt, ging Fulton eine Woche lang täglich dieselbe Strecke von 44 Meilen hin und zurück, bis er das Projekt am Tag der Sommersonnenwende beendete: „7 ONE DAY WALKS ON COUNTRY ROADS AND PATHS OUT AND BACK 44 MILES EACH DAY MONDAY TO SUNDAY BY THE SAME ROUTE ENDING ON THE SOLSTICE KENT ENGLAND 15-21 JUNE 1998“. Der Deutsche Alpenverein hat auf den Wegweisern seiner Wanderrouten nicht nur die Richtungen, sondern auch die Geh-Zeiten notiert. Sie wurden nach einer Formel auf Grundlage der Norm gemäß DIN 33466 ermittelt und attestieren ein durchschnittliches Schritttempo von 4 km/h in der „Horizontalentfernung“.797 In dieser Geschwindigkeit lässt sich laut Forenbeiträgen eine durchschnittliche Strecke von ca. 25 km pro Tag zurücklegen.798 Für

797 Vgl. Deutscher Alpenverein, Orientierung auf Bergwegen, o.J., Ressort Hütten&Touren, http://www.alpenverein.de/huetten-wege-touren/wege/orientierung-auf-bergwegen_aid_10537.html (15.12.2016). Die französische Webseite der Wanderwege in den Vogesen, Hautes Vosges Randonnées, attestiert einem erfahrenen Wanderer eine Schrittgeschwindigkeit von 4 km/h und mehr, siehe Hautes Vosges Randonnées, Tipps für Wanderer, Praktische Informationen, o.J., http://de.hautes-vosges- randonnees.com/tipps-fur-wanderer.html (15.12.2016). Die Schweizer Webseite Alternatives-Wandern.ch rechnet mit 4.2 km/h ebenfalls mit etwas höheren Kilometerzahl, siehe Alternatives Wandern, Wanderzeitberechnung, o.J., http://www.alternatives-wandern.ch/reports/wanderzeit.htm (15.12.2016). 798 In diesem Forum ging es vor allem um den Austausch von Erfahrungen unter Pilgern, wieviel Wegstrecke pro Tag einzuplanen sei, siehe hierzu die Antwort von Günter [Full Member bei Pilgerforum.de], Re: km pro Tag?, Antwort #1, in: pilgerforum.de, Pilgerwege in Spanien, Camino Frances, 15.02.2010, http://pilgerforum.de/forum/index.php?topic=1788.0 (15.12.2016). 150 seinen Mind Body Walk ist Fulton somit eine Woche lang täglich 44 Meilen, also umgerechnet 70 Kilometer denselben Weg hin- und wieder zurückgegangen – eine für den ungeübten Wanderer extreme, für Hamish Fulton lediglich eine ungewöhnliche, seine persönlichen, körperlichen Grenzen austestende Leistung. Diese Wanderungen als „extrem“ zu bezeichnen, versteht er als Übertreibung: „None of my walks can be considered, as you say 'extreme'. I am an artist, so have made my walks, as a contemporary artist. I identify this fact in view of the issue of exaggeration, which is of no interest and is counter productive. Accuracy, as much as possible, is the aim.”799 Über das Joggen wird berichtet, dass der Läufer nach ca. einer Stunde in ein sogenanntes Läuferhoch, auch Runner’s High genannt, kommt. Darunter wird ein rauschähnlicher Zustand verstanden, der durch die Ausschüttung körpereigener Endorphine erreicht wird.800 Diesen sogenannten „Glücks"-Hormonen wird eine schmerzlindernde und euphorisierende Wirkung nachgesagt,801 sie sind jedoch nicht allein für diese positive Stimmung verantwortlich. Vor allem die körperliche Ertüchtigung sowie die gleichmäßige Bewegung des Laufens erhöhen die „Menge an Serotonin und anderen Botenstoffen wie Dopamin, Adrenalin und Noradrenalin“.802 Laut Oswald Oelz basiert dieser Zustand des Glücks und der Entspannung

799 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 08.08.2017, in welcher diese die oben beschriebene Wanderung als “extrem” bezeichnete. 800 Siehe Aderhold, Dr. Dr. med. Lutz, Endorphine, Runners High, Flow und Trance [2013], http://contao3.berlin- laeuft.de/fitness-news-details/items/endorphine-runners-high-flow-und-trance-dr-dr-med-lutz-aderhold.html (18.03.2018). Vgl. auch Hübner, Wendelin, Runner's High: Sechs Fakten, o.J., online unter http://www.achim- achilles.de/lauf-tipps/motivation/1880-runners-high-sechs-fakten.html (18.03.2018) sowie Joung, Frank, Mythos Endorphine: Warum Laufen glücklich macht, o.J., online unter http://www.achim- achilles.de/gesundheit/laufen-a-gesundheit/22416-mythos-endorphine.html (15.12.2016). Zum Runner’s High äußert sich Aderhold kritisch: „Runners High kann man nicht auf die Endorphine reduzieren. Es ist auch nicht gesichert, dass Endorphine euphorische Stimmungsveränderungen durch Sport erklären (Stoll 1997). Aber es ist vorstellbar, dass Schmerzen durch Endorphine reduziert werden, was indirekt mit dem Runners High verbunden ist. Die Zusammenhänge scheinen doch komplexer zu sein. Auch wer nur 3-mal in der Woche eine halbe Stunde joggt, kann durchaus ein Runners High erleben und das hat dann nichts mit Endorphinen zu tun. Der Sachverhalt, dass Runners High häufiger im Wettkampf als im Training und dort stärker in Ziel-Nähe als im Wettkampfverlauf und oft erst nach dem Wettkampf auftritt, weist auf die Bedeutung von Kognitionen (Bewertung des Handlungsergebnisses) hin (Stoll et al. 2010). Laufen stellt neuronal eine sehr komplexe Aktivität dar und so ist anzunehmen, dass es dabei auch zu Veränderungen in verschiedenen Neurotransmitter-Sytemen (Endorphine, Endocannabinoide, Serotonin, Dopamin, Noradrenalin) kommt (Stoll und Ziemainz 2012).“ Siehe Aderhold, Lutz, a.a.O. 801 Joung, Frank, Mythos Endorphine: Warum Laufen glücklich macht, o.J., online unter http://www.achim- achilles.de/gesundheit/laufen-a-gesundheit/22416-mythos-endorphine.html (15.12.2016). 802 „Das endogene Opioidsystem wird aktiviert, und es werden körpereigene, im Gehirn lokalisierte Substanzen mit morphiumähnlicher Aktivität wie Enkephalin, die Endorphine des Rückenmarks sowie die Dynorphine zusammen mit dem die Nebennieren stimulierenden Hypophysenhormon ACTH sowie die Katecholamine Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin als biochemische Stressmediatoren ausgeschüttet.“ Siehe Oelz, Oswald, Die Risikosucht als medizinisches Phänomen, in: Neue Zürcher Zeitung, 14.02.1998, S. 82. Auch zitiert bei Peskoller, Extrem, a.a.O., S. 93. 151 vor allem „auf soliden biochemischen Prozessen im Rahmen der Stressreaktion“, ist also eigentlich ein Schutzmechanismus des Körpers.803 Auch im Verlauf von Mind Body Walk scheint Hamish Fulton diese physischen Begleiterscheinungen aufgrund von körperlicher Anstrengung wortwörtlich durchlaufen zu haben. Seinem Anspruch nach Genauigkeit („accuracy“) Folge leistend, werden sie Teil seiner „Walk Facts“ innerhalb der Referenzarbeit. Die zwischen die groß geschriebenen Wörter des Titels platzierten Begriffe „Endorphin“ und „Adrenalin“ lassen durchscheinen, welche körperlichen und geistigen Phänomene bei ihm durch andauerndes Gehen hervorgerufen wurden. Der schnelle Gang und die gleichmäßige Bewegung seines Körpers – der Rhythmus – scheinen im Verlauf des Tages auch bei ihm Endorphine und Adrenalin ausgeschüttet zu haben. Die dafür nötige körperliche Ausdauer verbildlicht er in seiner Referenzarbeit in Form unterschiedlich farbiger Buchstaben und Begriffe. Als indirekte zeitliche Referenzen zeigen sie die Wechselwirkungen zwischen „Mind“ und „Body“ auf, welche dazu beitrugen, die täglichen 70 Kilometer im Zeitraum von sieben Tagen auch tatsächlich zu vollenden.804 Mind Body Walk ist nicht die erste Wanderung, während der Fulton seine körperlichen Grenzen testet. Ein Blick auf sein Oeuvre zeigt, dass er die Anzahl zurückgelegter Kilometer und am Stück gewanderter Tage im Laufe der Jahre langsam gesteigert hat: 40 Meilen (ca. 64 km) in A One Day 40 Mile Walk Facing East Sussex (1974)805, 50 Meilen (ca. 80 km) in France on the Horizon (1975) oder 106 Meilen (ca. 170 km) in Night Changing Shapes (1991)806. 1991 schließlich lief er 125 Meilen (mehr als 200 km) am Stück ohne Schlaf auf dem historischen „Pilgrim’s Way“ in Großbritannien und verarbeitete diese Erfahrung in so unterschiedlichen Arbeiten wie dem 402 x 857 cm großen Wandbild Winter Solstice Full Moon (1991)807 oder der

803 Für Oelz sind dies körpereigene Substanzen, die sowohl instinktives Verhalten wie Flucht, als auch wagemutige Extremsportarten möglich machen: „Diese Substanzen ermöglichten dem nackten Affen die Flucht vor dem Büffel und Hans Kammerlander die erste Skiabfahrt über die Nordflanke des Mount Everest. Sie vermitteln aber auch das "natural high", das während oder nach solchem Tun den Spieler trägt.“ Siehe Oelz, Oswald, Die Risikosucht als medizinisches Phänomen, in: Neue Zürcher Zeitung, 14.02.1998, S. 82. Auch zitiert bei Peskoller, Extrem, a.a.O., S. 93. 804 Aus einem Erfahrungsbericht zu einem der so genannten "long distance Hikes” geht hervor, dass die körperlichen Reaktionen vorher nicht abzuschätzen seien: „There’s no way to predict how your body will react to hiking all day for many days, but you’ll probably develop symoptoms you never had before.” Graybill, Richard, What You Do Is Walk, in: Backpacker, 12/2001, S. 112 sowie (Fortsetzung auf S. 106). 805 Abb. siehe Van Abbemuseum, Collection, A One Day 40 Mile Walk Facing East Sussex Summer 1974, https://vanabbemuseum.nl/en/collection/details/collection/?lookup%5B1673%5D%5Bfilter%5D%5B0%5D=id% 3AC1046 (07.07.2020). 806 Abb. siehe Hamish Fulton, Kunsthalle Baden-Baden, a.a.O., S. 17. 807 Abb. siehe ebd., S. 15. 152 Schwarz-Weiß-Fotografie The Pilgrims Way (1991, Abb. 100)808. 20 Jahre, nachdem er diesen Weg zum ersten Mal gewandert war (visualisiert in The Pilgrims Way, 1971809), führten die veränderten Regeln, seine „Rules of the Way“810, zu einer völlig neuen Wahrnehmung des Weges und der Umgebung: „After the second night of walking without sleep my chemistry was affected and I started to hallucinate – I ‚changed‘ the landscape without handling it“.811 Und an anderer Stelle berichtet er: “On the third and last dawn I was treated to magical hallucinations, not something I had planned.“812 Die veränderten Parameter führten also zu einer veränderten Reaktion des Körpers und dadurch zu einer eindrücklichen Veränderung der Wahrnehmung, die er sonst nicht gehabt hätte. Seine Aussage verdeutlicht, dass die Quintessenz dieser Wanderung letztlich nicht im Erreichen und Überwinden seiner physischen und mentalen Leistungsfähigkeit bestand, sondern vor allem in der Erfahrung einer körperlich- sinnlichen Reaktion, die ursprünglich von ihm nicht beabsichtigt worden war. Diese nicht detailliert planbaren Erfahrungen sind es, die es ihm ermöglichen, neue und auch andere Perspektiven auf die von ihm durchwanderten Landschaften und Orte einzunehmen.813 Mit der Rückbesinnung auf die natürlichste Art der Fortbewegung, das Gehen, tritt Hamish Fulton in einen intensiven und authentischen Dialog mit der Umwelt: Mit seinen Wanderungen setzt er sich, seinen Körper und Geist den Naturgesetzen der Gegend aus, in welcher er wandert. „Er tritt in unmittelbaren Kontakt zur Topographie des Landes […], erfährt die geographischen und klimatologischen Qualitäten der Landschaften am eigenen Körper […].“814 Laut Muriel Enjalran ermöglicht der durch die Anstrengung geforderte Körper der Natur einen direkten Zugang zum Verstand des Wanderers, der in diesem Moment sozusagen entleert wird: „The mind is then no longer cluttered with information; it empties itself and follows the rhythm of the body.“815 Hier kommt einmal mehr der von Fulton immer wieder thematisierte, meditative

808 „A CONTINUOUS 125 MILE WALK WITHOUT SLEEP / THE PILGRIMS WAY FROM WINCHESTER TO CANTERBURY / ROADS PATH SAND ANCIENT TRACKWAYS / ENGLAND 21 22 23 DECEMBER 1991“. 809 Der ganze Walk Text lautet: „THE PILGRIMS WAY / 1971 / A HOLLOW LANE ON THE NORTH DOWNS / ANCIENT PATHS FORMING A ROUTE BETWEEN WINCHESTER AND CANTERBURY / ENGLAND – TEN DAYS IN APRIL – A 165 MILE WALK“. Abb. siehe Tate.org, Fulton, The Pulgrims Way, https://www.tate.org.uk/art/artworks/fulton-the- pilgrims-way-t07995 (24.02.2020). 810 Hamish Fulton im Interview mit Ben Tufnell, a.a.O., S. 111. Fulton bezeichnet diese Regeln auch als “self- imposed rules”, vgl. u.a. Fulton, The Uncarved Block, a.a.O., S. 149. 811 Hamish Fulton im Interview mit Ben Tufnell, a.a.O., S. 111. 812 Walking in relation to everything, a.a.O., S. 14. 813 Vgl. auch Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 19. 814 Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 37. Ralph Fischer spricht hier im Zusammenhang mit den Wanderung Richard Longs, die auf Hamish Fultons grundlegende Art zu Wandern übertragbar sind. 815 Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 20. 153 Aspekt es Gehens zum Vorschein, wie es bereits zuvor im Zuge der Analyse seines Werkes Counting 33210 Paces von 1991 zur Sprache gekommen ist.816 Neben dem Zählen von Schritten ist es also auch der kräftezehrende Einsatz seines Körpers, durch den es ihm möglich ist, präsenter im Hier und Jetzt zu sein.817 Fulton selbst versteht diese körperlich herausfordernden Wanderungen – Wanderungen mit einem „more dominant physical aspect“818 – als eine Art Verschmelzung des Geistes sowohl mit dem Körper als auch der Landschaft, „mind with body with land“.819 Die chemischen Prozesse innerhalb seines Körpers sind ihm dabei durchaus bewusst: „Experiences in the alteration of body chemistry, distinguishing dehydration from the emotion of irritation.“820 Ihm kommt es darauf an, die eigene Wahrnehmung zu verändern – und nicht die Natur selbst: „CHANGE PERCEPTIONS – NOT THE LANDSCAPE. THE LANDSCAPE AS LOCATION – NOT RAW MATERIALS.“821 Damit wird verständlich, dass er sich von der Natur beeinflussen lassen möchte, und nicht umgekehrt. Sich mit der Natur zu verweben bedeutet für ihn vor allem, sich ihr mit all seinen Sinnen hinzugeben und sie im wahrsten Sinne des Wortes sinnlich zu erfahren – also das tranformative Potential der Natur ungefiltert mit all seinen Sinnen aufnehmen zu können. Auch bei Richard Long wird dieses Erleben beschrieben: „Mittels seines eigenen […] leistungsfähigen […] Körpers veranschaulicht er uns die in steter Bewegung und Veränderung befindliche Körperlichkeit der Natur in ihrer ganzen Faßbarkeit und Unfaßbarkeit, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, praktisch statisch und eingebunden in das reale Raum-Zeit-Kontinuum, das für uns Leben ist. Alles durchläuft gleichsam das enge Richtmaß des menschlichen Körpers, seine Empfindungswelt und seine Möglichkeiten“822 Immer wieder finden sich in Fultons Kunstwerken Hinweise auf Wanderungen, in denen er das Regelwerk zugunsten neuer Erfahrungen verändert hat. So spricht er tagelang nicht, wie in dem bereits erwähnten Wandtext No Talking for Seven Days (1988) oder No Talking for 14 Days (1997)823 oder testet das Gehen unter erschwerten Bedingungen wie beispielsweise mit verbundenen Augen, rückwärts oder nachts. Diese Geh-Variationen führt er auch im

816 Vgl. Kapitel III. 2.2.2.1 Counting 33210 Paces, 1991. 817 Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 21. 818 Hamish Fulton in: Walking in relation to everything, a.a.O., S. 16. 819 Ebd. 820 Ebd. 821 Ebd. 822 Seymour, In Kreisen gehen, a.a.O., S. 12. 823 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht durchgehend paginiert oder auch als Farbfotografie in Fulton, Walking Artist, a.a.O., nicht paginiert. 154 Zusammenhang mit Group Walks aus und bezieht sich darauf beispielsweise in der Arbeit 23 People Attempting To Walk As One Group (2002)824. Im Zusammenhang mit der körperlichen Herausforderung sind einmal mehr auch jene Werke zu betrachten, die von einer langen Distanz zeugen, wie Three One Day 80 Kilometre Walks (2002), Walking into the Distance Beyond Imagination (2002, Abb. 101) und The Flow of Water (2002) mit den zurückgelegten 2838 Kilometern. Dazu gehören auch Werke, deren vorausgegangene Wanderung von außergewöhnlich langer Dauer war wie A 43 Day Coast To Coast Walking Journey (2001)825 oder welche in extreme Höhen führte, wie sie in allen Werken anklingt, welche Fultons Expeditionen auf die höchsten Berge der Welt widerspiegeln.826 Dabei muss Fulton gar nicht immer bis zur völligen körperlichen Erschöpfung gehen – manchmal reichen auch abgezählte Schritte, die er barfuß im Schnee läuft, um sich seiner selbst in der Natur mit allen Sinnen zu vergewissern, wie beispielsweise die bereits erwähnten 177 Schritte in Song Path (1993). Und genauso wenig müssen sich hinter visuell eindrücklichen Referenzarbeiten auch gleich außergewöhnlich herausfordernden Erfahrungen verbergen. So kann eine Arbeit wie Sleep (1979/1990)827 sowohl die Notwendigkeit von Schlaf nach einer Gipfelbesteigung meinen, als auch nur von der besonderen Erfahrung sprechen, unter freiem Himmel an einem Kraterrand geschlafen zu haben.828 Und Humming Heart (1983)829 wiederum suggeriert (mit dem Wissen um Fultons Naturverbundenheit) das Körper und Geist des Künstlers erfüllende Glück, eins zu werden mit der Natur.830

824 Der Titel weckt dabei den Verdacht, dass nicht unbedingt die Aufgabenstellung die größte Herausforderung dieses Group Walks war, sondern, eine Gruppe von 23 Menschen dementsprechend zu koordinieren. Abb. siehe Hamish Fulton. Keep Moving, a.a.O., S. 60. 825 Abb. siehe z.B. Serralves, a.a.O. 826 Da das Besteigen extrem hoher Berge wie des Cho Oyus und des Mount Everests wiederum weit komplexere Herausforderungen mit sich bringt, sollen diese Expedition im nachfolgenden Kapitel gesondert betrachtet werden. Siehe dazu die Werkanalyse Bardo, 2009. 827 Abb. siehe Sharley Cotter Blogspot, Hamish Fulton, 18.11.2010, http://sharleycotter.blogspot.de/2010/11/hamish-fulton.html (24.03.2018). 828 Sleep bezieht sich auf dieselbe Wanderung wie u.a. Sunrise Shadow (Orizaba) (siehe Kapitel III. 1.1.1 Sunrise Shadow (Orizaba), 1979, Abb. 2). 829 Abb. siehe MoMA, Art and artists, Hamish Fulton, Humming Heart, https://www.moma.org/collection/works/91464 (07.07.2020). 830 Fulton selbst schrieb jedoch in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 23.03.2018, dass der Titel des Bildes aus dem 1977 publizierten Buch „The Challenge“ von Reinhold Messner stamme, in welchem dieser die Besteigung des Berges Gasherbrum I (Hidden Peak, 8068 m.ü.M.) ohne die Verwendung künstlichen Sauerstoffs gemeinsam mit Peter Habeler beschreibt – ein Jahr vor der legendären Besteigung des Mount Everest: „The raging of the wind and the humming from the heart of the mountain blanket off the life of the valleys.“ Messner, Reinhold, The Challenge, New York 1977, S. 187. Humming Heart bezieht sich demnach eher auf die Erfahrung der Lebendigkeit der Natur, die im Zusammenhang mit alpinen Wanderungen erlebbar wird. Zum Buch und Gasherbrum I siehe Climbandmore.com, The Challenge by Reinhold Messner, Books/Movies, o.J., 155 In Anlehnung an Ulrich Giersch liegt es nahe, die Gründe für den teilweise extremen künstlerischen Einsatz des Körpers in der „technologisch induzierte[n] Veränderung der Lebenskultur“ zu finden, welche „die körpereigene Fortbewegung des Menschen in einen neuen Kontext gestellt“ habe.831 Die Interessen der Künstler liegen somit nicht mehr in der Darstellung des Gehenden selbst, sondern in der Erprobung am eigenen Körper.832 Angesichts der zahlreichen Wanderungen, in denen Fulton über einen längeren Zeitraum hinweg regelmäßig seine körperlicher Grenzen austestet und dieses Gehen auch immer wieder als Kommentar zur übermobilisierten Gesellschaft versteht – wie beispielsweise in seinen Road Walks – scheint dies auch auf Fulton zuzutreffen. Zudem erinnern Walks wie Mind Body Walk oder Winter Solstice Full Moon in ihrer Intensität nicht nur an „long durational performances“, wie sie von Barbara Gronau beschrieben werden,833 sondern auch an Performances der sogenannten Endurance Art: „In einer Kunst des Aushaltens wird der eigene Körper zum Test- und Untersuchungsfeld unter Extrembedingungen“.834 Als Wanderer ist Hamish Fulton mit solchen Gewaltmärschen nicht allein. Auch Hans Kammerlander, einer der bekanntesten Extrembergsteiger unserer Zeit,835 hat in den letzten Jahren begonnen, Dauerwanderungen zu unternehmen – im Gegensatz zu Hamish Fulton allerdings nicht alleine, sondern in Begleitung einer ganzen Gruppe von Interessierten. Seine

http://www.climbandmore.com/climbing,326,0,1,books.html (24.03.2018). Zu Fultons eigenem Höhenbergsteigen siehe Kapitel III. 3.1.2 Bardo, 2009. 831 Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 20. 832 Ebd. Vgl. auch Giersch, Der gemessene Schritt, a.a.O., S. 273. 833 Gronau, Barbara, Die Zeit aufführen. Zur Kunst der long durational performance, in: Zeiten der Form, a.a.O., S. 163-176. Sie beschreibt hier u.a. das berühmt gewordene 24 Stunden-Happening, das 1965 in der Vilaa des Architekten und Galeristen Rolf Jährling stattfand und dank des eindrücklichen Berichts Bazon Brocks nachvollziehbar ist. Siehe hierzu Brock, Bazon, Ästhetik als Vermittlung. Arbeitsbiographie eines Generalisten, hrsg. von Karla Fohrbeck, Köln 1977, hier vor allem S. 1006-1012. Eine Zusammenfassung unter dem Gesichtspunkt, Zeit aufzuführen, findet sich bei Gronau, Barbara, Die Zeit aufführen. Zur Kunst der long durational performance, a.a.O., S. 163-176, hier v.a. S. 163-172. 834 Gronau, Barbara, Die Zeit aufführen. Zur Kunst der long durational performance, in: S. 167. Siehe auch Heathfield, Adrian, Out of Now. The Lifeworks of Tehching Hsieh, London/Cambridge 2009, S. 22. Mit dem eigenen Körper künstlerisch zu arbeiten, ist im Verlauf des 20. Jahrhunderts eine gängige künstlerische Methode geworden, die v.a durch Performance-Künstlerinnen wie Yoko Ono und Marina Abramovic auch außerhalb der Kunstszene Bekanntheit erreichte. Die facettenreiche „Bewegungs-“Künstlerin Simone Forti (*1935) sagt über die künstlerische Arbeit mit ihrem Körper: „Mich interessiert, was wir durch unsere Körper über die Dinge wissen.“ Und die Museumsdirektorin Sabine Breitwieser fügt hinzu: „Die direkte Erfahrung, vor allem über den Körper, zählt mit Sicherheit zu dem, was uns am stärksten prägt.“ Siehe hierzu Breitwieser, Sabine, Simone Forti. Mit dem Körper denken, Ausstellungskatalog Museum der Moderne Salzburg, München 2014, S. 9. 835 Einen ersten Einblick in das Leben und Wirken Kammerlanders – häufig an der Seite Reinhold Messners – bietet vor allem seine Hompage, siehe Hans Kammerlander EXTREM, Hans Kammerlander: ein Leben für die Berge. Begeistert zwischen Moosstock, Matterhorn und Mount Everest, Vita, o.J., http://www.kammerlander.com/vita/ (01.02.2018). 156 bislang längste Tour ohne längere Unterbrechungen836 dauerte 48 Stunden, in denen er zusammen mit 30 Teilnehmern 100 km zurückgelegt und 5000 Höhenmeter überwunden hat.837 Der Erfolg solcher Unternehmungen zeigt vor allem, dass miteinander Gehen den Nerv des Zeitgeistes zu treffen scheint. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der wachsenden Teilnehmerzahl von Fultons partizipativen Gehangeboten wider.838 Dass und warum Fulton, der sich den körperlichen Herausforderungen immer zu allererst als Künstler stellt, unter Bergsteigern dennoch in guter Gesellschaft ist, soll das nächste Kapitel aufzeigen.

3.1.2 Bardo, 2009 Auf blau-türkisfarbenem Grund ist über das gesamte Querformat der typografischen Arbeit Bardo (2009, Abb. 102) der schwarze und weiße Walk Text verteilt: „BARDO / A GUIDED AND SHERPA ASSISTED CLIMB / OF MOUNT EVEREST / USING BOTTLED OXYGEN / REACHING THE 8850 METRE SUMMIT / ON THE MORNING OF 19 MAY 2009 / 49TH DAY OF THE EXPEDITION / VIA NEPAL AND THE SOUTHEAST RIDGE”. Der Blick auf die Art, wie Fulton die Worte auf der Bildfläche verteilt, zeigt, welche Gewichtung er unterschiedlichen Aspekten der Expedition gibt. Innerhalb der schwarzen Schrift variiert er die Schriftgröße, um in der dritten Zeile den bestiegenen Gipfel (Mount Everest) hervorzuheben und in der vierten auf die Tatsache Bezug zu nehmen, dass er den Gipfel mithilfe zusätzlichen Sauerstoffes erreicht hat.839 Mittels weißer Schrift wiederum setzt Fulton

836 Laut Erfahrungsbericht wurde die Tour nur für kurze Trinkpausen und Nahrungsaufnahme unterbrochen, siehe Conzelmann, Rosalinde, Kammerlander zieht: Wanderer bewältigen 100 Kilometer in 48 Stunden, in: swp.de, 09.09.2016, https://www.swp.de/suedwesten/landkreise/zollernalb/kammerlander-zieht_-wanderer- bewaeltigen-100-kilometer-in-48-stunden-23070201.html (23.03.2018). 837 Siehe Hans Kammerlander im Interview mit Robert Mucha und Lea Pomocnik, in: Hanix. Das Magazin aus Heilbronn, Nr. 46, Dezember/Januar 2017, S. 49, sowie Conzelmann, Rosalinde, Kammerlander zieht: Wanderer bewältigen 100 Kilometer in 48 Stunden, in: Hohenzollerische Zeitung, 09.09.2016. Immer wieder bietet Kammerlander derlei Langzeit-Wanderungen an, allein im Sommer 2018 sowohl eine 24-Stunde-Wanderung, als auch eine 30-Stundenwanderung, siehe Hans Kammerlander EXTREM, So weit die Füße tragen. 24-Stunden- Wanderung mit Hans Kammerlander, o.J., http://www.kammerlander.com/berge/24-stunden-wanderung- 2018/ (01.02.2018) bzw. Hans Kammerlander EXTREM, Die Kasseler Route. 30-Stunden-Wanderung, o.J., http://www.kammerlander.com/berge/30-stunden-wanderung/ (01.02.2018). Dass Kammerlander nicht der Einzige ist, der dieser Art Touren anbietet, zeigt u.a. der von Dagmar Steigenberger verfasste Artikel „Neue Nomaden. Über die Faszination Wandern“, siehe Steigenberger, Dagmar, Neue Nomaden. Über die Faszination Wandern, in: Bergsteiger, 08/2016, http://bergsteiger.de/bergszene/reportagen/ueber-die-faszination- wandern (01.02.2018). 838 Siehe hierzu das Kapitel III. 4.2 Slow Walk Newcastle, 2012. 839 Da mit steigender Höhe der Sauerstoffgehalt in der Luft abnimmt, kann sich das bereits ab einer Höhe von ca. 1500 Metern auf Körper und Geist auswirken, was sich vor allem durch Kopfschmerzen und Schwindel bemerkbar macht und als Höhenkrankheit bezeichnet wird. Durch langsame Aufstiege und sogenannte 157 bewusst Akzente auf den Begriff „Bardo” sowie die Zeile „49th day of the exhibition“. Beide Zeilen thematisieren Aspekte von Zeit: den Gipfel selbst hat er am 49. Tag der Expedition erreicht, was einen Hinweis auf die Dauer der Unternehmung gibt – auf dem Gipfel selbst befand er sich in dem zeitlichen „Zwischenzustand“ des Bardo. Unter dem Begriff „Bardo“ werden im tibetanischen Buddhismus verschiedene Bewusstseinszustände verstanden, durch deren Verinnerlichung man glaubt, auf der Schwelle zwischen Leben und Tod den ewigen Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt durchbrechen zu können.840 Hoch oben auf dem Gipfel in der dünnen Luft eisiger Höhen841 oberhalb von 8000 M.ü.M. ist Fulton nicht nur dem Himmel und den Gestirnen näher als irgendwo sonst auf der Welt, sondern gleichzeitig immer auf der Schwelle zwischen Leben und Tod – eine Erfahrung, die er nicht ohne Grund in Form einer weiteren Arbeit Death Zone (2000, Abb. 103) verarbeitet hat.842

Einmal auf dem höchsten Berg der Welt zu stehen, ist das Ziel der meisten ambitionierten Bergsteiger. Für die Professionellen unter ihnen gehört es spätestens seit Reinhold Messners und Peter Habelers Besteigung ohne Zuhilfenahme zusätzlichen Sauerstoffes 1978843 dazu, den Gipfel „by fair means“ zu erreichen – also ohne künstlichen Sauerstoff, von anderen zuvor angebrachten Fixseile oder ohne die Hilfe von Climbing-Sherpas, die Ausrüstung und Gepäck tragen. Für alle anderen Gipfelstürmer hat sich in den letzten Jahrzehnten ein großer Markt für geführte Bergtouren eröffnet, der die Gipfelbesteigung auch allen anderen Bergtouristen

Akklimatisierungstage kann sich der Körper an die jeweilige Höhe anpassen, wodurch die Höhenkrankheit normalerweise vermieden werden kann. Siehe hierzu vor allem Schaffert, Wolfgang, Akute Höhenkrankheit (AMS), in: Alpin- und Höhenmedizin, hrsg. von Franz Berghold et al., Wien 2015, ab S. 420 sowie Berghold, Franz, Praxis der alpinistischen Höhentaktik: Höhenakklimatisation, in: ebd., S. 411. Zu den körperlichen Auswirkungen extremen Höhenbergsteigens siehe auch Simons, Elisabeth/Oelz, Oswald, „…nicht geschaffen für die Höhe“. Eine kurze Geschichte der Höhenmedizin in der Schweiz, Alpnach Dorf 2001; auch Oelz, Oswald, Das kleine Einmaleins der Bergmedizin. Die akute Bergkrankheit und das Höhen-Hirnödem, o.J., http://www.oswald- oelz.ch/bergmedizin.php (30.01.2018). Zur Charakterisierung der unterschiedlichen Höhen siehe auch Deutsche Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin e.V., Informationen zur Berg- und Höhenmedizin, o.J., https://www.bexmed.de/medizinische-aspekte-beim-trekking (30.01.2018). 840 Siehe Rinpoche, Sogyal, Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben: ein Schlüssel zum tieferen Verständnis von Leben und Tod, Frankfurt a/M 2009; Dalai Lama, Der Weg zum sinnvollen Leben: Das Buch vom Leben und Sterben, Freiburg 2006. Siehe auch Stefon, Matt, Bardo Thödol, in: Encyclopædia Britannica, 16.10.2015, https://www.britannica.com/topic/Bardo-Thodol (29.01.2018). 841 In Anlehnung an Jon Krakauers Buch „Into Thin Air“ (Auf Deutsch „In eisige Höhen“), das die dramatischen Momente der Everest-Saison im Frühjahr 1996 beschreibt, infolge dessen insgesamt acht Menschen ums Leben kamen; siehe Krakauer, Jon, Into Thin Air, London 1997 sowie Krakauer, Jon, In eisige Höhen. Das Drama am Mount Everest, München 1998. 842 Die sogenannte Todeszone, in der Menschen nur noch maximal 48 Stunden überlebensfähig sind, beginnt in Höhen ab 7000 m, vgl. Netzer, Nikolaus, Schlaf und Atmung in der Höhe, in: Alpin- und Höhenmedizin, a.a.O., S. 364. 843 Siehe hierzu Steinle, Bernd, Mount Everest. „Ihr werdet als Deppen zurückkommen", in: Frankfurter Allgemeine online, Ressort Gesellschaft, 27.05.2003, http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/mount-everest- ihr-werdet-als-deppen-zurueckkommen-1100166.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0 (30.01.2018). 158 möglich macht – vorausgesetzt, sie verfügen über die erforderlichen finanziellen Mittel.844 Auch Hamish Fulton benutzte für die Besteigung des Everests zusätzlichen Sauerstoff. „At this altitude, even with the benefits of bottled oxygen, my brain – was in unfamiliar territory.”845 Einmal mehr wird durch diese Aussage deutlich, dass eine Everestbesteigung für die Profis zwar lapidar als „High Altitude Trekking“846 bezeichnet werden kann, es dennoch für jeden Menschen auch tödlich enden kann, sich diesen lebenswidrigen Bedingungen auszusetzen. Ohne Zweifel zählt eine solche Wanderung in dieser Höhe zu einer extremen Herausforderung, die man seinem Körper dabei zumutet. Für professionelle und ambitionierte Bergsteiger erscheint dies ein nachvollziehbares Ziel – wieso jedoch besteigt ein Künstler einen der höchsten Berge der Welt? Für Hamish Fulton selbst ist die Antwort einfach. Von Anfang an war er als Künstler stark an Abenteurern, Expediteuren, Bergsteigern der Midlands oder Naturalisten wie John Muir interessiert, deren Umgang mit der Natur ihn ansprach.847 “[…] I’m attracted to mountains and inspired by the abilities of mountaineers, male and female. They inspire me to find solutions to the question of a career as an artist on one hand and a desire for interesting, challenging experiences on the other.”848 Auf der einen Seite sind es also die körperlichen Herausforderungen, die ihn als gehenden Künstler reizen. Auf der anderen Seite dient Fulton das Bergsteigen dazu, sich der Kategorisierung durch Kunstkritiker zu entziehen, die ihn immer

844 Die Kosten für eine Expedition auf den Mount Everest schwanken stark, wie ein Blick auf die Presie verschiedener aktueller Anbieter zeigt: Summitclimb bietet den Gipfel schon ab 27.500€ an, vgl. Summitclimb, Everest Expedition Nord. 06. April – 06. Juni 2018, o.J., https://www.summitclimb.de/de/expedition/everest- expedition-nord-tibet-2735 (31.01.2018), mit 47.540 € verlangt Amical Alpin bereits fast das Doppelte, vgl. Amical Alpin, TIBET/Mount Everest 8.848 m, „Über die tibetische Nordseite auf das Dach der Welt“. Mount Everest Expedition und Besteigung mit deutschem Expeditionsleiter, https://www.amical- alpin.com/expeditionen/tibet/mount-everest-8-848m/ (31.01.2018). Der u.a. durch das Everest-Unglück von 1996 in die Schlagzeilen geratene Anbieter Adventure Consultants, den auch Hamish Fulton für seine Expedition auswählte, verlangt 65.000 USD, also umgerechnet rund 52.000 €, vgl Adventure Consultants, Everest, online unter https://www.adventureconsultants.com/expeditions/seven-summits/everest/ (31.01.2018). Hamish Fulton verkaufte nicht nur eigene Kunstwerke, um diese Expedition zu finanzieren, sondern wurde vor allem von seiner Galerie Häusler Contemporary unterstützt, die Sponsoren akquirieren konnte, um die erforderliche Summe bereitzustellen. Vgl. u.a. Hamish Fulton anlässlich einer Konferenz im Zusammenhang mit seiner Ausstellung „Atacama 1234567“ in der Galeria Nara Roesler 2015, siehe Illanes, Carol, Hamish Fulton Conferencia - Exhibición Jorquencal 1234567 Galería Nara Roesler-Plataforma Atacama [YouTube-Video], 20.09.2015, https://www.youtube.com/watch?v=uCKd6dAGQJk, ab Min. 4:48 (31.01.2018). 845 Hamish Fulton in ders., The Uncarved Block, a.a.O., S. 149. Auf S. 10 dieser Publikation spricht Fulton detaillierter über die Gedanken, die ihm während der Gipfelbesteigung durch den Kopf gingen. 846 Ebd., S. 3. 847 “He is more inspired by the walkers and climbers of the Midlands and the North of England and by such naturalists as John Muir than by other artists and photographers, although he admires the work of Richard Long as well as the straightforward landscape photographs of the 19th-century American, Timothy O'Sullivan.“ Siehe Lewallen, Hamish Fulton, a.a.O. 848 Hamish Fulton im Interview mit Ben Tufnell, a.a.O., S. 110. 159 wieder in die Nähe der Landschaftsmalerei oder der Land Art rückten.849 Da er sich weder einer der beiden Kunsttraditionen noch wirklich irgendeiner anderen Strömungen zugehörig fühlt, prägte er für sich den Begriff des Walking Artists und beschäftigte sich intensiv mit Persönlichkeiten des Extrembergsteigens.850 Erneut kommt in diesem Zusammenhang sein Bedürfnis zum Ausdruck, in seiner Kunst vor allem Fakten sprechen zu lassen.851 Fulton ist daher vorrangig wichtig, den Everest als Künstler bestiegen zu haben: „I climbed Mount Everest as a contemporary artist; consequently, I say that this verifiable event was a work of art.“852 Nichtsdestotrotz musste auch die „big idea“853, als Walking Artist den Everest zu besteigen, letztlich dem von Fulton selbst aufgestellten Regelwerk unterliegen, um zu einem Kunstwerk weiterverarbeitet werden zu können: „[…] if I did not reach the true summit / I would not, by my own self-imposed rules, be able to produce any resulting art.“854 Auch, wenn er die Besteigung des Everests als „big idea“ bezeichnet, versteht er sich nicht als Konzeptkünstler, da er es nicht bei der Idee belässt, sondern sie tatsächlich aus- und in erfahrbare Realität überführt: “I transform ideas into experienced realities.“855 Eine der Gipfelbesteigungen, die Fulton die Teilnahme an der Expedition auf den Everest überhaupt erst ermöglichte, erfolgte 2000, als er ohne die Zuhilfenahme zusätzlichen Sauerstoffes den Gipfel des Cho Oyus erreichte. Auf diese Expedition nimmt er in der Farbfotografie Cho Oyu (2000, Abb. 104) Bezug. Die von Typografie überlagerte Fotografie erinnert an Bilder Ed Ruschas wie Porch Crop (2001)856, Ice at Nice Price (2009)857 oder Pay

849 Vgl. Walking Art - eine Einführung, Kulturjournal, 30.11.2016, ö1Radio, http://oe1.orf.at/artikel/458012 (08.12.2016). 850 Die Arbeit Outline of Feet of Reinhold Messner aus dem Jahr 2002 (Abb. 22) zeigt, dass es ihm gelungen ist, Kontakt bis zu den berühmtesten Bergsteigern herzustellen. 851 Vgl. Fultons Aussage, die bereits im Zusammenhang mit Zahlen in der Werkanalyse von Not By Car zitiert wurde: „Das führte auch zu meiner Hinwendung zum klar Faktischen. Egal wie kurz eine Wanderung war, ich wollte sie genau dokumentieren. Ich bin kein Schriftsteller und kann mich nicht literarisch ausdrücken und habe mich stattdessen darauf verlegt, die reinen Fakten zu liefern: Ausgangs- und Zielort, Datum und Uhrzeit und die exakte Distanz, die ich marschiert bin.“ Hamish Fulton in Walking Art - eine Einführung, Kulturjournal, 30.11.2016, ö1Radio, http://oe1.orf.at/artikel/458012 (08.12.2016). 852 Hamish Fulton in ders., The Uncarved Block. Ten Short Walks in the Himalayas 1975-2009, Baden 2010, S. 149. 853 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Der Weg ist nur der Weg, das Ziel ist das Ziel, Feuilleton, 13.01.2011, Nr. 10, Seite R8, online unter http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/reise/der-weg-ist-nur-der-weg-das-ziel-ist-das- ziel-1582643.html (01.02.2018). 854 Fulton, The Uncarved Block, a.a.O., S. 149. 855 Hamish Fulton in: Walking in relation to everything, a.a.O., S. 16. 856 Abb. siehe Ed Ruscha, Works, Porch Crops, https://edruscha.com/works/porch-crop/ (02.07.2020). 857 Abb. siehe sleepyjones.com, Ed Ruscha, Ice at Nice Price, https://sleepyjones.com/ed-ruscha-ice-nice-price- 2009/ (02.07.2020). 160 Nothing Until April (2013)858. Wo Ruscha die Ästhetik der Werbesprache nutzt, um die Vermarktung der Berge zugunsten billigen Massentourismus‘ ironisch zu kommentieren, verwendet Fulton sie (ähnlich wie bei Wild Rock oder Small Birds von 1994, vgl. Abb. 35+36), um die Erfahrung des Bergsteigens aus einer künstlerischen Sicht zu bewerben.859 Nur 20 km westlich des Mount Everest gelegen, zählt der Cho Oyu mit seinen 8188 M.ü.M. als sechsthöchster Berg der Welt und gilt als vergleichsweise „einfach“ zu besteigender Achttausender.860 Nichtsdestotrotz benötigt man auch für den Cho Oyu nicht nur eine überdurchschnittlich gute körperliche und mentale Kondition, sondern auch ausreichende Erfahrung im Höhenbergsteigen, um den Gipfel erfolgreich zu erreichen. Wie bereits im Zusammenhang mit Mind Body Walk angesprochen, reduziert die körperliche Anstrengung auch während einer solchen Expedition in Schnee und Eis das Denken auf das Notwendigste. Die unabdingbare Konzentration – „the chemistry of physical exhaustion“861 – wiederum führt zu einem Zustand sinnlicher Aufnahmefähigkeit, durch welche die Natur wiederum reduziert und dadurch anders und neu wahrgenommen werden kann. Wie in der Werkanalyse von Kailash Kora (2007, vgl. Abb. 12)862 zur Sprache kam, stehen Berge sinnbildlich „für das Zentrum der Welt, ermöglich[en] den Aufstieg in den Himmel oder die Rückkehr zum Ursprung“.863 Im Zuge einer Gipfelbesteigung oberhalb von 8000 Metern kann dieses Bild ganz real durchlebt werden, indem man einen Gipfel erklimmt und anschließend auch den Abstieg bewältigt – nicht umsonst schreibt Fulton auch: „Reaching the summit is half the journey.“864 Dass Fulton, um den Gipfel ohne zusätzlichen Sauerstoff überhaupt erreichen zu können,

858 Abb. siehe Ed Ruscha, Works, Pay Nothing Until April, https://edruscha.com/works/pay-nothing-until-april/ (02.07.2020). 859 Zu Ed Ruscha und seiner Kunst siehe u.a. artsation.com, Ed Ruscha – Biographie, o.J., https://artsation.com/artists/ed-ruscha (27.01.2018) oder Cumming, Laura, Ed Ruscha: Fifty Years of Painting; John Baldessari: Pure Beauty, in: The Guardian.com, 18.10.2009, https://www.theguardian.com/artanddesign/2009/oct/18/ed-ruscha-hayward-baldessari-tate (27.01.2018). 860 Dies ergibt sich auch aus der Anzahl erfolgreicher Besteigungen im Verhältnis zu der Todesrate im Vergleich zu beispielsweise dem Mount Everest. Vgl. Adventure Geo Treks Deutschland, Expedition - Cho Oyu Expedition, o.J., http://www.geotreks.de/mountaineering/cho-oyu_expedition.html (28.01.2018). Reinhold Messner bezeichnet ihn sogar als den am leichtesten zu besteigenden Achttausender überhaupt! Siehe Skiinfo & Bergleben, Reinhold Messner über den Cho Oyu, 05.10.2007, https://www.youtube.com/watch?v=CLFca9VOQYY (28.01.2018). 861 Fulton, Shadow, a.a.O., S. 27. 862 Siehe Kapitel III. 1.1 Sonne. 863 Battistini/Impelluso, Das große Bildlexikon, a.a.O., S. 135. Dass man sich in der sogenannten Todeszone oberhalb von 8000m.ü.M. tatsächlich auf der Schwelle zwischen Leben und Tod befindet, hat Fulton wie bereits geschreiben, treffend in seiner Arbeit Bardo (2009) formuliert. 864 Fulton, Shadow, a.a.O., S. 27. 161 umso bewusster auf seinen Körper hören und seinen Geist beruhigen muss, versinnbildlicht er in der Arbeit Brain Heart Lungs (2000, Abb. 105). In Fultons Oeuvre findet sich eine große Anzahl an Gipfeln und Pässen, die der Künstler seit den 1970er Jahren in den Bergen des Himalayas und der ganzen Welt bestiegen und durchwandert hat.865 Neben der Besteigung des Cho Oyus ohne zusätzlichen Sauerstoff, die er zu den bereits genannten noch in den fotografischen Referenzarbeiten Cho Oyu, the Turquoise Goddess (2000)866 oder auch Lha Tse (2000)867 verarbeitet hat, spielt auch die Besteigung des höchsten Berg Südamerikas, des 6959 Meter hohen Aconcaguas 2003 sowie die des mit 6190 Metern höchsten Berges Nordamerikas, des Denalis im Jahr 2004 eine wichtige Rolle. Beide Expeditionen hat Fulton in der Doppelarbeit A View from the highest Point in South America /North America (2003/2004, Abb. 106+107) verarbeitet.868 Die meisten seiner Referenzarbeiten zu der „Mountaneering Expedition“ auf den Denali hat er jedoch mit dem Schriftzug „This Is Not Land Art“ versehen, wie beispielsweise in den drei unterschiedlichen Versionen von This Is Not Land Art (2004, vgl. Abb. 1) und Earthworks and Beyond (2004), um sich einmal mehr deutlich von der die Natur verändernden Land Art und den Earth Works seiner amerikanischen Künstlerkollegen abzugrenzen. Als Krönung seiner künstlerisch motivierten „Bergsteigerkarriere“ ist es aber vor allem die Expedition auf den Gipfel des Mount Everest, die als ein herausragendes Erlebnis in zahlreichen unterschiedlichsten Ausführungen in seine Kunst Eingang fand, so u.a. unter dem Titel Chomolungma (2009) als Glicéedruck869, Malerei870 oder als fotografischen Beweis für seine Gipfelbesteigung (Abb. 108)871, als dreizackige Holzarbeit Everest A Guided and Sherpa

865 Einen guten Eindruck gibt vor allem Fultons Publikation „The Uncarved Block“, a.a.O. 866 Abb. siehe Maureen Paley, Exhibitions, Hamish Fulton, 12.02.-24.03.2005, 3, Cho Oyu The Turquioise Goddess, https://www.maureenpaley.com/exhibitions/hamish-fulton-1?image=3 (07.07.2020). 867 Abb. siehe i8.is, Exhibitions, 25.04.-01.06.2013, Works, Lha Tse, https://i8.is/exhibitions/131/works/artworks9229/ (07.07.2020). 868 Je nachdem, in welchem Teil der Welt das Werk gezeigt werde, könne man es dementsprechend andersherum hängen, so Fulton während eines Vortrags im Zusammenhang mit seiner Ausstellung in der Galerie Nara Roesler, Illanes, Carol, Hamish Fulton Conferencia - Exhibición Jorquencal 1234567 Galería Nara Roesler-Plataforma Atacama [YouTube-Video], 20.09.2015, https://www.youtube.com/watch?v=uCKd6dAGQJk, ab Min. 1:30 (02.02.2018). 869 Abb. der Farbfotografie mit der tibetischen Nationalflagge siehe Maureen Paley, Exhibitions, Hamish Fulton, 19.07.-24.08.2013, 7, Chomolungma, https://www.maureenpaley.com/exhibitions/hamish-fulton?image=7 (07.07.2020). 870 Abb. siehe Maureen Paley, Exhibitions, Hamish Fulton, 19.07.-24.08.2013, 11, Chomolungma (Everest), https://www.maureenpaley.com/exhibitions/hamish-fulton?image=11 (07.07.2020). 871 Ein weiteres Gipfelfoto zeigt Fulton mit Sauerstoffmaske als Selbstporträt; der Gipfel und andere Bergsteiger spiegeln sich in seiner Sonnenbrille, Abb. siehe The Uncarved Block, a.a.O., S. 144. Für das Foto gewann Fulton bei Berg.Welten 2010 das „Beste Bergfoto des Jahres“, siehe tourismuspresse.at, Berg.Welten 2010: Im Takt zum Gipfelsieg - Lorenz Wagner und Hamish Fulton heißen die Preisträger, 22.05.2011, 162 Assisted Climb of Mount Everest (2009)872, als schwarz-weiße Panoramafotografie wie in Khumbu (2009, vgl. Abb. 75) oder als typografisches Wortquadrat Duchamp Messner Habeler (2009)873.

Obwohl Fulton sich selbst nicht als „Politischen Künstler“ bezeichnen würde,874 finden sich vor allem bei Referenzarbeiten zu Wanderungen in Nepal, Indien und Tibet besonders viele Werke, in denen er sich eindeutig politisch äußert. Wie bereits in der Werkanalyse zu Not By Car angesprochen wurde, sind das Arbeiten wie Tibet Is Not Free (2007, vgl. Abb. 41) oder The Tibetan National Flag (2013, vgl. Abb. 48)875, aber auch Chinese Economy Tibetan History (2007, vgl. Abb. 17) oder Chinese Economy Tibetan Justice (2009, Abb. 109), Google Champa Tenzin (2007, Abb. 110) und Google Palden Gyatso (2009, Abb. 111)876 oder auch Tibetan Protest Led By Palden Gyatso (2009)877. Immer wieder bezieht er sich auch direkt auf den Dalai Lama, das religiöse Oberhaupt Tibets, wie in Kilroy was here but the Dalai Lama wasn’t (2000)878, das nicht zuletzt ebenfalls die Besteigung des Cho Oyu thematisiert, oder Life Span of the 14th Dalai Lama (1975, Abb. 112). Im Zusammenhang mit Tibet fällt auf, dass Fulton seine sonst eher subtil angebrachte, politische Zurückhaltung aufgibt und stattdessen mit eindeutigem Statement klare politische Stellung bezieht. Überraschenderweise spielt dies in der öffentlichen wie kunsthistorischen Debatte bislang kaum eine Rolle.

https://www.tourismuspresse.at/presseaussendung/TPT_20110522_TPT0002/bergwelten-2010-im-takt-zum- gipfelsieg-lorenz-wagner-und-hamish-fulton-heissen-die-preistraeger-bild (02.07.2020). 872 Abb. siehe Peter Foolen, Hamish Fulton at Peter Foolen Editions, 03.12.2015, http://peterfoolen.blogspot.com/2015/12/hamish-fulton-at-peter-foolen-editions.html (07.07.2020). 873 Abb. siehe Van der Mieden Gallery, Hamish Fulton, Works, 5, http://www.vandermieden.com/hamish-fulton (07.07.2020). 874 Politisch nicht im Sinne einer hauptsächlich politisch ausgerichteten Kunst, mit einem „capital P“, sondern in Form gelegentlichen politischen Kommentars, so Hamish Fulton im Gespräch mit der Autorin am 09.02.2017 in Augsburg. 875 Zum Tibet-China-Konflikt im Zusammenhang mit Hamish Fulton siehe Illanes, Carol, Hamish Fulton Conferencia - Exhibición Jorquencal 1234567 Galería Nara Roesler-Plataforma Atacama [YouTube-Video], 20.09.2015, https://www.youtube.com/watch?v=uCKd6dAGQJk, ca. ab Min. 09:30 spricht Fulton über Tibet und die Auswirkungen auf Tibet durch die chinesische Wirtschaft. 876 Die Titel dieser Arbeiten können als Aufforderung verstanden werden: „Google Champa Tenzin, google Palden Gytso!“, deutlicher: „Recherchiere zu den beiden Namen mithilfe der mächtigsten Suchmaschine des Internets!“ Folgt man der Aufforderung, so findet man beispielsweise heraus, dass Palden Gytso ein tibetischer Mönch ist, der 33 Jahre seines Lebens im Gefängnis von den chinesischen Besatzern gefoltert wurde und nun im indischen Exil lebt. In seinem Vortrag, den Fulton anlässlich der Ausstellung in der Galerie Nara Roesler hielt, berichtet Fulton, dass man in China selbst keinerlei Informationen zu Palden Gyatso findet, wenn man ihn dort bei Google sucht, siehe Illanes, Carol, Hamish Fulton Conferencia - Exhibición Jorquencal 1234567 Galería Nara Roesler- Plataforma Atacama [YouTube-Video], 20.09.2015, https://www.youtube.com/watch?v=uCKd6dAGQJk, ab Min. 11:08 (02.02.2018). 877 Abb. siehe Maureen Paley, Exhibitions, Hamish Fulton, 19.07.-24.08.2013, 2, https://www.maureenpaley.com/exhibitions/hamish-fulton?image=2 (02.07.2020). 878 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O., nicht paginiert. 163

3.1.3 A Shepherd Walking with his Sheep and Dogs, 2005 Die schmale, hochformatige Farbfotografie A Shepherd Walking With His Sheep And Dogs (2005, Abb. 113) ist eine der seltenen fotografischen Arbeiten Fultons, in denen er keine Landschaft, sondern einen Menschen zeigt. Zu sehen ist ein alter Mann mit gebogenem Stock und struppigem Hund als Begleiter. Der am oberen Bildrand im Blau des Himmels platzierte Titel klärt darüber auf, wer der Mann ist: „A SHEPHERD / WALKING / WITH HIS SHEEP AND DOGS“. Am unteren Rand schließlich wird in kleinen Buchstaben der eigentliche Walk Fultons erklärt: „A 2498 KILOMETRE WALKING JOURNEY ON [sic] SPAIN / STARTING FROM THE ATLANTIC COAST AT FINISTERRE / DÍA DE LA HISPANIDAD 12 OCTOBER 2005 / ENDING BY THE BANKS OF THE RIO TAJO IN TOLEDO“. Die Hinweise auf Zeit finden sich in dieser Fotografie vor allem in Form indexikalischer Zeichen. So ist die vergangene Zeit im Leben des Schäfers in seinem Gesicht zu erkennen, dessen von der Sonne gegerbte braune Gesichtshaut von den unzähligen Stunden im Freien ebenso zeugt wie sein vom Alter gebeugter Körper oder seine staubige und abgewetzte Kleidung. Auf einer anderen Ebene könnte man durch das Porträt eines spanischen Schäfers aber auch auf sterbende Traditions-Berufe schließen, also im übertragenen Sinne auf einen Zeitenwandel, der durch wirtschaftspolitische Entscheidungen herbeigeführt wurde. Dabei leisten die Wanderschäfer einen wichtigen Beitrag zur Pflege der europäischen Kulturlandschaft und zur Erhaltung der Biodiversität.879 In Spanien gehörte die sogenannte „Transhumanz“, also die saisonale Wanderweidewirtschaft, zu der auch die Wanderschäferei zählt, viele Jahrhunderte zu einer von den Königen geschützen kulturellen Erscheinung, für die sogar extra Wege („Cañadas“) und Schutzhütten angelegt wurden.880 Seit den 1990er Jahren ist eine Rückbesinnung auf diese Tradition zu beobachten, die Mitte des 20. Jahrhunderts fast in Vergessenheit geraten war. Insofern steht das Bild des Schäfers auch für das genaue Gegenteil: die Revitalisierung traditioneller Berufe, die aufzeigen, wie (Land-)Wirtschaft im Einklang mit der Natur funktionieren kann.881 Dass die Wanderschäfer während dieser

879 Siehe und vgl. Clausen, Catharina, Schafe als Landschaftsgestalter, Planet Wissen, Ressort Natur, 21.12.2015, online unter https://www.planet-wissen.de/natur/haustiere/schafe/pwieschafealslandschaftsgestalter100.html (13.03.2018). 880 Ebd. 881 In Deutschland bemüht sich der Naturschutzbund (NABU) seit 2014 darum, die Wanderschäferei als immaterielles Kulturerbe der UNESCO unter Schutz stellen zu lassen. Siehe Naturschutzbund (NABU), Positionspapier „Aktionsprogramm traditionelle Schäferei in Baden-Württemberg“ 01/2014, https://baden- 164 Wanderung Fultons besondere Aufmerksamkeit geweckt haben, lässt sich auch daran erkennen, dass er neben der oben beschriebene farbigen Arbeit weitere fotografische Referenzarbeten in Schwarz-Weiß umgesetzt hat, so Extremadura Shepherd (Plasencia) (2005, Abb. 114+115) oder Walking in Opposite Directions (Logroño) (2005, Abb. 116). Ausgangspunkt für die Wanderung war das Cap Finisterre, beginnend am 12. Oktober. Um sein Ziel zu erreichen, wählte Fulton nicht etwa den direkten Weg, der „lediglich“ um die 700 km beträgt, sondern näherte sich seinem Ziel über knapp 2500 km hinweg spiralförmig im Uhrzeigersinn – visuell nachvollziehbar vor allem in der Referenzarbeit Seven Walks Map (1989-2012, vgl. Abb. 83). Fulton wählte diese Route in Anlehnung an zuvor durchgeführte Wanderungen, die er in Spanien, Frankreich und Portugal unternommen hatte. Dass er am Ende der sechsten Wanderung 2004 in Toledo stand und von seinem Standpunkt aus fast alle Horizonte erkennen konnte, die er auch während all jener vorausgegangenen Wanderungen hatte sehen können, war für Fulton ein unvergessliches Erlebnis. Seine Äußerung dazu kann durchaus als Synonym für seinen Kunstbegriff verstanden werden: „I was surrounded by the memories of all six walks, spanning sixteen years. IT’S NOT WHAT IT LOOKS LIKE, IT’S WHAT IT’S ABOUT“.882 Als Ergänzung zu dem Datum des Beginns seiner Wanderung verwendet Fulton zudem die spanischen Begriffe für Nationalfeiertag „Día de la hispanidad“, legt also den Schwerpunkt des Datums auf die Bedeutung desselben für das durchwanderte Land selbst. Dass Fulton sowohl Bezug auf die einheimische Bevölkerung und ihre Traditionen als auch auf den Nationalfeiertag des durchwanderten Landes nimmt, legt die Vermutung nahe, dass der eigentliche Schwerpunkt der Referenz seiner Wanderung nicht etwa bei den vordergründigen Fakten, den Eckdaten des Walks, liegt, sondern vielmehr in den dahinterliegenden gesellschaftspolitischen Themen zu finden ist, welche der Künstler im zeitlichen Verlauf seiner Wanderung wahrgenommen hat. Dass diese Themen folglich auch in seiner Kunst erkennbar werden und als politischer Kommentar verstanden werden kann, ist Fulton bewusst: “There is the idea that all art is political whether intended or not. I feel all my art is now political, a few more obviously than others. For me reading the news is a source of material to consider in relation to my art.”883

wuerttemberg.nabu.de/imperia/md/content/badenwuerttemberg/themen/praktischernaturschutz/2014-01- 30_positionspapier_aktionsprogramm_-_nabu_lsv.pdf (13.03.2018). 882 Hamish Fulton in: Walking in relation to everything, a.a.O., S. 34. 883 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 09.08.2017. 165 Die Erfahrung von Zeit sei abhängig vom Gedächtnis des Menschen, schreibt Rolf Kramer in seiner Publikation „Phänomen Zeit“.884 Er bezieht sich darauf, dass „der Mensch ohne Kenntnis seines Vorher und ohne eine Perspektive zum Später keine Identität mit sich selbst herstellen [könne].“ Erst das Gedächtnis versetze die Menschen in die Lage, „Ereignisse in eine definierte Folge von und in Ereigniseinheiten (Herzschläge, Tage, Vollmonde, Jahre) zu unterteilen, zu ordnen, zu speichern und wieder abzurufen.“885 Die bewusste Erfahrung von Zeit setzt also voraus, sich des Dreiklangs von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bewusst zu sein. Während Nationalfeiertage vorrangig die Einheit des jeweiligen Staates beschwören, indem sie am jeweiligen Tag auf wichtige Ereignisse in der Geschichte des Landes verweisen, ist dabei immer auch der Blick in die Zukunft wichtig. Auch für Fulton ist der Erfahrungsschatz aller vorausgegangenen Wanderungen für die Durchführung und das Erleben der aktuellen Wanderung elementar – und gleichzeitig richtungsweisend für jeden zukünftigen Walk.

3.2 Natur Wie bereits im Kapitel Kosmologische Zeit deutlich wurde, verläuft die Zeit in der Natur in Zyklen, die alles Leben auf der Erde maßgeblich bestimmen.886 Das Vergehen von Zeit in der Natur lässt sich nicht nur in direktem Bezug zu den uns umgebenden Gestirnen wie Sonne, Mond oder Sternen und dadurch mit einem visuellen Bezug zu Licht und Schatten oder Tages- und Jahreszeiten visualisieren, sondern auch in Form von erkennbaren Veränderungen in der Natur, die vor allem mit den jeweiligen klimatischen Bedingungen vor Ort zusammenhängen. Das folgende Kapitel zeigt auf, wie der Faktor Zeit in diesem Moment das Bild der Natur maßgeblich mitbestimmt und in Fultons Kunstwerken sichtbare Spuren hinterlässt.

3.2.1 Melting Snow Ice, 1996 Wie es Fulton ganz ohne fotografische Referenz gelingt, Veränderungen in der Natur im Verlauf der Zeit zu verdeutlichen, zeigt die Arbeit Melting Snow Ice (1996, Abb. 117). Auf schwarzem Grund sind drei weiße Textblöcke in unterschiedlicher Größe zu lesen, die jeweils einen anderen Aspekt der Wanderung und auch der künstlerischen Intention vermitteln:

884 Kramer, Phänomen Zeit, a.a.O., S. 18. 885 Ebd. 886 Zu dem in der Arbeit verwendeten Naturbegriff siehe Kapitel I. 1. Heranführen an das Thema und Fragestellung. 166 „MELTING SNOW ICE / RAIN AND MUD PUDDLES / CHANGING TO DUST //887 SEVEN ONE DAY WALKS ON COUNTRY ROADS / 38 MILES EACH DAY BY THE SAME ROUTE / KENT ENGLAND 8- 14 FEBRUARY 1996 // ON COMPLETION OF THE SEVENTH WALK ONE IMAGINARY CIRCUIT WAS MADE FROM MEMORY”. Der erste dreizeilige Textblock dominiert die Arbeit und gibt Aufschluss über das Verstreichen von Zeit und Fultons Wahrnehmung der dadurch erfolgten, sichtbaren Veränderungen in der Natur. Während die ersten beiden Zeilen noch als für sich genommene, momentane Beobachtungen wahrgenommen werden können, impliziert die dritte, kursiv abgesetzte Zeile durch das Verb einen zeitlichen Aspekt und Effekt, der als Folge verstanden werden kann und somit alle drei Zeilen inhaltlich miteinander verbindet: Schnee und Eis schmelzen, werden zu Regen und matschigen Pfützen, vertrocknen schließlich und hinterlassen nur noch Staub. Hier wird deutlich, welchen Einfluss Haiku, eine japanische Gedichtform, auf Fulton hat. Haiku bezeichnet eine dreizeilige, japanische Gedichtform weniger Silben, die „einen spontan und konkret erlebten, alltäglichen Moment einfängt“, der „räumlich und zeitlich konkretisiert“ werden kann.888 Das Besondere an Haiku ist, in gestraffter Kürze ein überraschendes, „assoziatives Feld“ zu eröffnen und so die individuelle Vorstellungskraft der Leser zu aktivieren.889 Werden Fultons Texte mit einem Haiku verglichen, so liegt das daran, dass es dem Künstler mit seinen reduzierten Informationen innerhalb der Walk Texte gelingt, nicht nur einen erkennbaren Bezug zu Zeit und Ort der Wanderung herzustellen, sondern den Betrachtern darüber hinaus einen persönlichen Erlebnismoment zu vermitteln, der bei diesen wiederum eine Vielzahl an Assoziationen und Erinnerungen an eigene Erfahrungen wecken kann. „Of course haiku poetry, such as that by Basho, or more precisely Santoka, is important: walkers who basically said – less is more. The reader should respond and participate.”890 In diesem Sinne Fultons können die Betrachter seiner Bilder demnach sowohl auf seine Arbeit

887 Der doppelte Schrägstrich weist hier auf den Wechsel der Schriftgröße und somit auf den Beginn des nächsten Textblockes hin. 888 „Haiku ist ein japanisches Kurzgedicht, das formal zumeist aus 5-7-5 Lauteinheiten (Moren) besteht, ein Jahreszeitenwort (kigo) beinhaltet und einen spontan und konkret erlebten, alltäglichen Moment einfängt. Haiku-Momente sind räumlich und zeitlich konkretisiert und werden kommentar[sic] und interpretationslos dargestellt. Außerdem haben Haiku idealiter einen grammatikalischen Bruch, der durch ein ‚Schneidewort‘ (kireji) die inhaltliche Juxtaposition zweier Entitäten in der Welt formal unterstreichen soll. Durch diese Juxtaposition wird ein assoziatives Feld eröffnet, das Haiku mehrdimensional schillern lässt.“ Reich, Annika, Was ist Haiku? Zur Konstruktion der japanischen Nation zwischen Orient und Okzident, Münster et al. 2000. 889 Ebd. Zu den Stilmerkmalen des von Bashô gedichteten Haikai-Stil siehe vor allem Bashô, Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland, aus dem Japanischen übertragen sowie mit einer Einführung und Annotationen versehen von G. S. Dombrady, Mainz 1985, S. 18. 890 Hamish Fulton im Interview mit Ben Tufnell, a.a.O., S. 107. 167 reagieren („respond“), als auch an der Erfahrung des Künstlers teilhaben („participate“).891 Laut Muriel Enjalran schafft Fulton in seinen an Haikus erinnernden, typografischen Kompositionen genügend Raum, in welchem die Betrachter ihre ganz eigene, innere Erfahrung machen können: „[…] he includes several empty spaces so that their minds can be free and mobile.“892 Dabei hilft auch die Variation unterschiedlicher Textgrößen, die wiederum eine eigene Einheit bilden. Der zweite Textblock enthält nämlich den klassischen Walk Text und gibt Aufschluss über die Rahmenbedingungen des Walks. Hervorzuheben ist die letzte Zeile, aus der hervorgeht, das Fulton zum Abschluss der siebten Wanderung eine achte imaginär vollzogen hat. Wie zuvor im Zusammenhang mit repetitiv erfahrbarer Zeit bereits erwähnt, ist Melting Snow Ice ein Beispiel für einen von Fultons repetitiven Walks, die es ihm ermöglichen, seine Wahrnehmung zu schulen. Durch das wiederholte Gehen derselben Wege wird ihm die Umgebung so vertraut, dass er sie sogar in der Vorstellung ablaufen kann. Am letzten Tag den auf gleichen Wegen siebenfach begangenen Tag zu imaginieren, bedarf dennoch absoluter Konzentration – schließlich ist Fulton umgerechnet rund 61 km pro Tag gewandert.893 Werke wie Melting Snow Ice zeigen, dass es möglich ist, den von Fulton angestrebten Einfluss der Natur nicht nur während der Wanderung selbst zu erfahren, sondern auch für die Betrachter im gedanklichen Nachvollzug seiner Wanderung vis-à-vis mit dem Kunstwerk möglich ist. Die Worte und der Walk Text spielen bei der Vermittlung eine wesentliche Rolle. Immer wieder finden sich in Fultons Oeuvre Werke, welche die Wahrnehmung eines bestimmten Moments seiner Wanderung wiedergeben. Häufig hat dieser Moment etwas mit der sinnlichen Wahrnehmung der Natur zu tun. Fast alle Sinne des Menschen werden dabei angesprochen und sind oft bereits im Titel erkennbar. Hören wie beispielsweise in The Crow Speaks (1986/1991)894, Rock Fall Echo Dust (1988, Abb. 118), Wind Through the Pines (1991)895, The Sound of Rocks (1992)896, Song Path (1994) oder Thunder Boulder Walking (1997)897; Sehen wie in Geese Flying South (1990), Windblown Snow (1993)898, Morning

891 Ebd. 892 Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 20. 893 Melting Snow Ice ist ein gutes Beispiel dafür, dass ein körperlich herausfordernder Walk Fultons nicht zwangsläufig die physischen Folgen thematisieren muss, wie beispielsweise in Mind Body Walk. 894 Abb. siehe Tate, Art & Artists, Hamish Fulton, The Crow Speaks, https://www.tate.org.uk/art/artworks/fulton- the-crow-speaks-p77616 (24.02.2020). 895 Abb. siehe Tate, Art & Artists, Hamish Fulton, Wind Through The Pines, https://www.tate.org.uk/art/artworks/fulton-wind-through-the-pines-p77621 (07.07.2020). 896 Abb. siehe Hamish Fulton. Walking Journey, a.a.O. nicht paginiert. 897 Abb. siehe Cordula von Martha, a.a.O. 898 Abb. siehe Thirty One Horizons, a.a.O., S. 45. 168 Sunshine (1994), White Snow Black Sand (1996)899, Seeing The Bird That Sings (1996, Abb. 119), die bereits erwähnte Arbeit Eine Brise weht stromauf (1997), Changing Weather (2000), oder Two Days of Sunshine (2009); Fühlen wie in Bitten By A Dog (1983, Abb. 120), die Nässe durch unaufhörlichen Regen wie in Rrrrrrraaaaaaaiiiiiiinnnnnnn (1990), barfüßige Schritte im Tiefschnee wie ebenfalls in Song Path (1993) oder Touching Boulders By Hand (2013, vgl. Abb. 69) oder sogar Schmecken wie in Drinking Mountain Water (1995).900 Ein weiterer Sinn, wie beispielsweise der Gleichgewichtssinn, wird im Gehen mit verbundenen Augen angesprochen wie in 23 People Attempting To Walk As One Group (2002).901 Andere Werke signalisieren wiederum, wie sich die Natur im Laufe der Zeit verändert hat bzw. inmitten eines längerfristigen Veränderungsprozesses befindet – sei es in fotografischen Arbeiten, in welchen natürliche Vorgänge deutlich sichtbar sind, beispielsweise von Moosen oder Flechten überwachsene Felsbrocken wie in Fultons Boulder-Arbeiten (vgl. Abb. 3, 43, 68, 69, 71, 72) oder Abbildungen der von Wind und Wetter verwitterten Meilensteine (vgl. Abb. 86-88), aber auch in bereits erwähnten Arbeiten wie River Rocks (1991) oder Bird Rock (1988), bei denen insbesondere letztere die Spuren der Vögel aufweisen, ebenso wie die Arbeit Eroded Rock Outline (1988/1991)902, die durch das verwendete Wort „eroded“ auf den Einfluss vergangener Zeit hinweist.

Durch den teilweise sichtbaren, aber vor allem durch Worte eindeutig eingebrachten Hinweis auf in der Natur ablaufende Prozesse, werden in seinen Kunstwerken einmal mehr elementare Themen wie Umweltschutz und Klimawandel angesprochen, so etwa Global Warming (1976- 2005), Disappearing Lake (1999, vgl. Abb. 11), Climate Changes (2000-2001) oder Melting Glacier (2005, vgl. Abb. 49). Nicht zuletzt zeigt die Gegenüberstellung zweier Fotos desselben Ortes zu unterschiedlichen Zeiten, welche Materialien in der Natur anfälliger sind für Witterung, als andere: in A Seven Day Wandering Walk 1971, Seven Days Walking 1997 (1991/1997, Abb. 121) sind es lediglich

899 Abb. siehe Fulton, Walking Artist, a.a.O., nicht paginiert. 900 In dieser Reihe fehlt der Riechsinn, zu dem sich kein Werk Fultons explizit zuordnen lässt. Auf Nachfrage antwortete Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 23.03.2018: „Just because smell was not mentioned, it cannot be assumed that I was not influenced by smells. Many aspects of the walks are not mentioned, in fact very little is mentioned.” 901 Dass es noch weitere Sinne gibt, die in den Walks und Walk Works Fultons thematisiert werden, wie beispielsweise der von Ernst Pöppel angesprochene Sinn der „Lagewahrnehmung“ und der „Bewegungswahrnehmung“ des eigenen Körpers im Raum, wird im Kapitel III. 4.1. Walking Slowly on the Condor’s Outline, 1972 untersucht. 902 Abb. siehe Tate, Art & Artists, Hamish Fulton, Eroded Rock Outline, https://www.tate.org.uk/art/artworks/fulton-eroded-rock-outline-beinn-mheadhoin-p77619 (24.02.2020). 169 die Gesteinsbrocken, die sich innerhalb von knapp sechs Jahren nur unwesentlich verändert haben, alles andere zeigt eindeutige Spuren der vergangen Zeit: von Moosen und Flechten überzogene, vermoderte Äste, in die Jahre gekommenen Bäume und anhand der dehlenden Blätter auch die unterschiedlichen Jahreszeiten. Im Gegensatz dazu umschreibt der Titel der Fotografie A Tree At Its Birthplace A Boulder At Its Resting Place (2017, vgl. Abb. 72) eine viel längere Zeitspanne: Wenn Fulton den Ort, an welchem der Stein liegt, als „resting place“ bezeichnet, impliziert dies bereits Zeitlichkeit. Er geht demnach davon aus, dass dieser Felsbrocken, der schon immer den Veränderungen der Natur unterworfen war, dies auch weiterhin sein wird und in ferner Zukunft vielleicht an einer anderen Stelle zu liegen kommen wird. An dem Ort, an welchem der Künstler den Stein berührt und/oder fotografiert hat, ist er nur eine im Leben des Steins eher begrenzte Zeitspanne zu sehen, die für uns Menschen allerdings ein ganzes Leben oder darüber hinaus bedeutet.903 In Anlehnung an Foucault könnte man sagen, dass der Ort des Steins ein Punkt in seiner durch natürliche Einflüsse motivierten Bewegung darstellt, während seine scheinbare Ruhe als unendlich verlangsamte Bewegung verstanden werden könnte.904 Wie wichtig es für die Erfahrung einer Wanderung ist, sich den Abläufen in der Natur auszusetzen und sie am eigenen Leibe zu erfahren, verdeutlicht das folgende Zitat Fultons: „When I started, I didn’t understand the importance of being exposed to the influences of nature”.905 Somit macht es für den Künstler, seine Wanderungen und daher auch für die daraus entstehenden Kunstwerke einen deutlichen Unterschied, ob Fulton die Wanderung als Camping-Tour durchführt oder sie entlang urbaner Unterkünfte geplant hat. Denn außerhalb städtischer Zentren ist man den natürlichen Zeitabläufen der Natur deutlich stärker unterworfen: Man spürt nicht nur den Wechsel der Temperaturen zwischen Tag und Nacht, sondern auch jeden Stein unterhalb der dünnen Isomatte – Erfahrungen zeitlicher Rhythmen, die innerhalb von Städten beispielsweise durch künstliches Licht, Heizungen oder weiche Matratzen von den natürlichen entkoppelbar sind.

903 Dies gilt nur unter natürlichen Bedingungen. Sobald der Stein manuell oder mechanisch entfernt wird, z.B. für ein Kunstprojekt, gelten die von Fulton postulierten Parameter nicht mehr. Ähnlich gilt dies für die lange Lebensdauer der japanischen Zeder Jōmon Sugi, die mit ihren mehreren tausend Jahren Lebensalter das Alter eines Menschen weit hinter sich lässt (vgl. Kapitel III. 2.2.1.2, Seven Pieces of Wood, 2006) Dennoch ist auch das Alter dieser Zeder angesichts der Langlebigkeit eines eiszeitlichen Steins nur marginal. 904 „[…] der Ort einer Sache war nur mehr ein Punkt in ihrer Bewegung, so wie die Ruhe einer Sache nur mehr ihre unendlich verlangsamte Bewegung war.“ Vgl. Foucault, Andere Räume, a.a.O., S. 36. Foucault bezieht sich hier auf die von Galilei angestoßene Öffnung eines mittelalterlichen „Ortungsraumes“, wodurch sich die hierarchisch konstituierte Ordnung der Orte „für das wirkliche Leben der Menschen“ auflöste. Ebd. 905 Hamish Fulton im Interview mit der Galerie Nara Roesler, a.a.O., Min. 1:22. 170 Fultons Wanderungen und seine in Ausschnitten präsentierten Erfahrungen werden zu einem Spiel von Rekontextualisierung und Erinnerung, wie es die ebenfalls gehende Künstlerin Joanna Louise Mayes für ihre künstlerische Praxis beschreibt: „I enjoy a more multi-layered experience and enjoy the play of recontextualisation and memory. […] it is impossible to re- play an experience lived in a particular time and place but it is possible to give a taste of what it was like and to encourage others to try it for themselves.“906 Dies deckt sich auch mit Aussagen Fultons, es sei unmöglich, die Erfahrung einer Wanderung adäquat wiederzugeben.907 Dennoch ist es möglich, die Erfahrungen ausschnitthaft zu vermitteln und die Betrachter so einerseits zum Mitdenken und Nachvollziehen und andererseits zum Selbsterleben zu animieren.

3.3 Material Zeitlichkeit bzw. das Verstreichen von Zeit kann auch in Form von Materialverschleiß bzw. Abnutzung gemessen und sichtbar gemacht werden – ein klassisches „bildliche[s] Festhalten der unaufhaltsam verrinnenden Zeit.“908 Die folgenden zwei Werkanalysen zeigen exemplarisch, welche materiellen Abnutzungsspuren sich in Fultons Kunst auffinden lassen.

3.3.1 Bird Of Prey Vanishes Into A Blue Cloudless Sky, 1984 Im Frühsommer 1984 unternahm Hamish Fulton eine siebentägige Wanderung in den Schweizer Bergen, die er als Bird Of Prey Vanishes Into A Blue Cloudless Sky untertitelte (Abb. 122). Anstatt auf diesen Walk jedoch mit einem Foto zu verweisen, das einen Raubvogel vor einem strahlend blauen, wolkenlosen Himmel zeigt, wählt er als Referenz zwei übereinander platzierte Fotografien von Holz, das zahlreiche Schnitzereien und Einkerbungen aufweist. Neben der kursiv geschriebenen titelgebenden Information „BIRD OF PREY“ fügt er die Details zur unternommenen Wanderung hinzu: „A SEVEN DAY WALK IN THE MOUNTAINS SWITZERLAND EARLY SUMMER 1984“. Bei dem abgebildeten Holz ist nicht ganz klar, ob es sich um Tischplatten oder um hölzerne Wände einer Schutzhütte in den Schweizer Alpen handelt. Fakt ist allerdings, dass die

906 Mayes, Joanna Louise, Experiments with the Activated Presence, Dissertation Dartington College of Art 2014, S. 62. 907 Vgl. Auch Hamish Fulton: “[It is impossible] to represent the experience of walking“, Hamish Fulton in http://www.youtube.com/watch?v=S03mjyCBHto (13.11.2014). 908 Battistini/Impelluso, Das große Bildlexikon, a.a.O., S. 264. 171 abgebildeten Holzelemente deutliche Spuren der Zeit aufweisen. Im oberen Foto sieht man, wie sich Wasserflecken entlang der Maserung des Holzes mittels dunkler Ränder verewigt haben. Das untere Bild zeigt die von Menschen in das Holz geritzten Initialen, Zahlen (337) oder Bildchen, hier insbesondere die Gravur eines Tieres (es ist ebenfalls nicht genau erkennbar, ob es sich dabei um ein Schaf, eine Kuh oder ein anderes in den Alpen lebendes Tier handelt). Ähnlich wie bei der zuvor besprochenen Referenzarbeit Eleven Notches For An Eleven Day Walking Journey (1979, vgl. Abb. 50)909 wird Zeit auf unterschiedliche Art visualisiert: Zum einen durch Jahresringe sowie anhand der Zeit, die das Holz brauchte, um von Wind und Wetter und den Menschen abgenutzt zu werden. Zum anderen spielt auch hier die Zeit hinein, die das Holz gebraucht hat, um zu wachsen, gefällt und bearbeitet zu werden sowie die Zeit, die zwischen der Aufnahme des Fotos liegt, also dem Zeitpunkt, an dem Fulton die beiden Hölzer betrachtet hat bis hin zu dem Zeitpunkt, an welchem jeder der Betrachter sich diese Referenzarbeit in dem Katalog oder an der Wand eines Ausstellungsraumes anschauen.

Die Tatsache, dass Menschen immer wieder Schnitzereien und Gravuren ihrer Initialen hinterlassen, hat eine lange Tradition und lässt sich auch psychologisch erklären. Erich Witte, Professor für Psychologie an der Uni Hamburg, sagt dazu: "Der Baum bedeutet für die meisten Menschen etwas Positives, niemand würde zum Beispiel in einen Mülleimer ritzen. Das Einritzen dokumentiert: Man war hier. Und es geht um die Idee des Überdauerns. Man benutzt als Untergrund etwas, das den Menschen im Allgemeinen überlebt."910 Für den Schnitzenden selbst ist dies eine Art Bestätigung seiner Selbst, seiner physischen Anwesenheit an diesem Ort, den er wahrscheinlich nicht erreicht hätte, ohne gewisse Mühen und körperliche Strapazen auf sich zu nehmen. Der sich Verewigende kann sich also sicher sein, dass seine Anwesenheit – wenn auch nur in Form seiner Initialen – wahrgenommen wird. Die

909 Siehe Kapitel III. 2.2.1.1, Eleven Notches for an Eleven Day Walking Journey, 1979. 910 Hamburger Abendblatt, Der Baum als Herzenssache, 25.04.2001, Zeitungsarchiv 2001, http://www.abendblatt.de/archiv/2001/article204862081/Geritzt-Der-Baum-als-Herzenssache.html (12.12.2016). Im Gegensatz zu dem Ersten, der dies in einer Art Eroberungsakt tut, ist die Motivation der Anderen eher diejenige, dazuzugehören, es ihm gleich tun zu wollen. Der Akt der ersten Verewigung hat psychologisch auch immer eine sexuelle Komponente, nämlich in Form der Entjungferung einer bislang nicht berührten Fläche durch das Eindringen des Schnitzwerkzeugs in die tieferen Schichten des Holzes. Unter dieser Prämisse sind auch die weiter vorne beschriebenen Gipfelbesteigungen der höchsten Berge der Welt interessant. An dieser Stelle soll auf Helga Peskollers feministische Denkskizze „Götterberge – Berggötter“ von 1989 hingewiesen werden, in welcher sie anhand diverser Bergliteratur die Eroberung des Berggipfels als sexuellen Akt männlicher Dominanz aufzeigt. Siehe Peskoller, Helga, Götterberge – Berggötter. Wahnsinnsunternehmen Tiamat bis Güllich – eine feministische Denkskizze, in: dies., Extrem, a.a.O., S. 38-45. 172 Verewigung in Holz kann somit auch als Ersatztrophäe für das Erreichen dieses Ortes verstanden werden, die im öffentlichen Raum bzw. einem Ort, der sehr wahrscheinlich zahlreiche weitere Menschen zugänglich ist, platziert wird. Hier spielt auch der Faust’sche Wunsch hinein, die Zeit anzuhalten, einen Moment zu bewahren.911 „Unser Leben ist eine Kette von Augenblicken. Wir wissen, dass sie einmal enden wird und dass nichts bleibt, wie es ist. Umso mehr suchen wir nach Wegen, einen besonders schönen Moment für immer festzuhalten – wie illusorisch das auch sein mag.“912 Das Bedürfnis, etwas für die Ewigkeit festzuhalten, erinnert auch an On Kawaras Arbeit I am still alive (1970)913. Kawara zeigt darin nicht nur seinen Versuch, sich möglichst objektiv zu seinem Dasein zu äußern, sondern erreicht auch eine Verlängerung des Augenblicks, des „Jetzt“.“914 Obwohl Fulton selbst in Hinblick auf „Leave no Trace“ vermutlich seine Initialen nicht zu den anderen hinzugefügt hat, kann seine Fotografie dennoch als eine Form von „Ich war hier“ verstanden werden – und somit als eine Verlängerung des Jetztzeitpunktes seiner Wanderung in die jeweilige Rezeptionsgegenwart der Kunstbetrachter.

3.3.2 A 2498 Kilometre Walking Journey, 2005 Wie bereits im Zuge der Werkanalyse A Shepherd Walking with his Sheep and Dog (2005) beschrieben wurde, wanderte Hamish Fulton von der atlantischen Küste Spaniens bis zum Rio Tajo in Toledo – von der äußersten nordwestlichen Spitze bis ins Herz Spaniens. Die Referenzarbeit A 2498 Kilometre Walking Journey (2005, Abb. 123) zeigt eindrücklich die Spuren, welche Zeit auf einem so langen Weg zwangsläufig hinterlassen musste: die völlig abgelaufenen Sohlen seiner Wanderschuhe, die kaum noch Profil tragen und die tieferen Schichten der Sohle freilegen. In den verbliebenen Rillen im Kunststoff sind Reste der unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten zu erkennen, über die er im Verlaufe seiner Reise ging – eine visuelle Referenz auf die unterschiedlichen Vegetationszonen innerhalb Spaniens. Am oberen und unteren Rand findet sich der Walk Text: „A 2498 KILOMETRE WALKING

911 So, wie Goethe Faust zu Mephisto im Studierzimmer (II) sagen ließ: „Werd‘ ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! du bist so schön!“, in Goethe, Johann Wolfgang von, Faust, herausgegeben von Albrecht Schöne, Band I Texte, Frankfurt a/M 1999, Textzeile 1669f, S. 76. 912 Stohler, Martin, Eingeritzt für die Ewigkeit, in: TagesWoche online, 22.12.2014, http://www.tageswoche.ch/de/2014_52/leben/676524/ (12.12.2016). 913 Siehe hierzu Guggenheim, Teaching Materials, On Kawara – Silence, Telegrams: I am still alive, https://www.guggenheim.org/teaching-materials/on-kawara-silence/telegrams-i-am-still-alive (02.07.2020). 914 Paflik-Huber, Kunst und Zeit (1997), a.a.O., S. 274. 173 JOURNEY ON [sic] SPAIN STARTING FROM THE ATLANTIC COAST AT FINISTERRE / 12 OCTOBER – INDIGENOUS PEOPLE DAY – 2005 AND ENDING BY THE BANKS OF THE RIO TAJO IN TOLEDO”. Der historische Kontext der Wanderung eröffnet in dieser Referenzarbeit eine weitere Bedeutungsebene des Gehens915, da das gewählte Anfangsdatum seiner Walking Journey geschichtsträchtig ist: der 12. Oktober ist nicht nur als spanischer Nationalfeiertag, sondern auch als „Kolumbustag“ bekannt. Seit den 1990er Jahren wird dieser zunehmend als „Indigenous People Day“ bezeichnete Tag vor allem in Nordamerika feierlich begangen.916 Wie bereits mehrfach angesprochen wurde, hatte Hamish Fulton bereits den 1960er Jahren ein starkes Interesse an den Indianern der amerikanischen Prärie: ”My interest in Plains indians I think came about because of a feeling that their way of life was one that was close to nature. The significance of battles such as the one by the Little Big Horn (Greasy Grass River) was that it signaled the end of a whole way of life. This collision, let’s say between ‘nature’ and ‘industry’, has real and symbolic importance. […] In 1969 I went to these Sioux and Cheyenne sites to get away from opinions about the so-called great civilisations, away from notions of great architecture. So I had no questions for art about color, form and space. The only question for me was how to relate to nature.”917 Dass er sich hier auf den „Indigenous People Day“ bezieht und nicht auf den umstrittenen „Kolumbus-Tag“, hängt mit seiner Solidarität mit den Ureinwohnern Amerikas zusammen. Das bewusst gesetzte Wort „on“ wiederum ist ebenfalls politisch motiviert: Hier bezieht sich Fulton auf den Boden, den er betretenen hat, welcher nur aufgrund nationaler Grenzziehungen als Spanien bekannt ist. Das Motiv abgelaufener Schuhe findet sich immer wieder bei Fulton, angefangen von Dead Boots (1973)918 über ausgetretene Schuhe von Pilgern in Morning Sunshine (1994) oder der oben beschrieben Wanderung ganz ähnlichen Arbeit Salomon (A 28 Day Walking Journey) (2003)919 bis hin zu einem Foto von Fultons schlammigen Schuhen, die als Artefakte Teil der digitalen Sammlung von Europeana Collections wurden.920 In Zusammenarbeit mit Peter

915 Vgl. Geiseler, Zeit/Raum/Natur-Erfahrung, a.a.O., S. 8. 916 Siehe Feeney, Nolan, How Indigenous Peoples Day Came to Be, Time online, Ressort History Politics, 13.10.2014, http://time.com/3495071/indigenous-peoples-day/ (13.03.2018). 917 Hamish Fulton im Interview mit Ben Tufnell, a.a.O., S. 106. 918 Abb. siehe Fulton, Walking Artist, a.a.O., nicht paginiert. 919 Abb. siehe Fundación Ortega Munoz, Hamish Fulton @ MEIAC, El camino. Rutas cortas por la Península Ibérica. 1979.2008, 25.04.-30.05.2008, http://ortegamunoz.com/2013/07/hamish-fulton-meiac/ (06.07.2020). 920 Abb. siehe Europeana Collections, Artist’s Shoes. Hamish Fulton, 28.07.2008, https://www.europeana.eu/portal/de/record/2048222/M1189.html?l%5Br%5D=11&l%5Bt%5D=21 (02.02.2018). Mehr zu Europeana Collections siehe https://www.europeana.eu/portal/de/about.html (02.02.2018). 174 Foolen hat Fulton sogar ein ganzes Buch herausgebracht, das sich diesem Thema widmet: „Shoes and Boots Walked by Hamish Fulton“ aus dem Jahr 2003.921 In abgewandelter Form findet sich dieses Thema auch in den Arbeiten, die Fußspuren, Füße oder Fußumrandungen abbilden oder im Titel darauf Bezug nehmen, wie in Foot Outline (1988), Eyes Feet Road (1990), Footprints (1995), die Außenarbeit Seven Paces (2002, Abb. 124), Huellas En La Arena (2004, Abb. 125) oder Lingkor (2013). Auch Werke, die sich auf Wege beziehen, die von Mensch und Tier nur zu Fuß begangen werden können, zählen dazu; hier sei Footpath (2012, Abb. 126) als Beispiel für seine zahlreichen gleichnamigen Arbeiten genannt.922 Zu Werken mit sichtbaren Spuren im wahrsten Sinne vergangener Zeit bzw. Zeitlichkeit lassen sich auch alle Arbeiten zählen, die Spuren anderer Elemente aufweisen, wie den Abrieb von Gras oder Erde in Mountain Skyline Nepal (1989) oder seine Referenzarbeiten Ridge Skyline (19989 und 1991)923, aber auch alle im Zusammenhang mit zirkulärem Gehen thematisierten Arbeiten, welche die Spuren von Kochtopf oder Trinktasse aufweisen (vgl. Abb. 20+21).

4. Geschwindigkeit des Gehens und Wahrnehmung von Zeit

Wie in der Einleitung bereits zur Sprache kam, bildete sich im Zuge der künstlerischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts mit dem Gehen als künstlerischer Praxis eine „ästhetische Gegenreaktion zur Beschleunigung der sozialen Lebenswirklichkeit“924, die sich der „Suche nach einer Ästhetik der Langsamkeit“ verschrieben hatte.925

Für Fulton ist seine “Walking Art mehr als nur eine Rückbesinnung auf eine der natürlichsten und ursprünglichsten Fortbewegungsarten der Menschen, sondern eine Form der Lebenseinstellung: “To be committed to walking means to slow down to the pace of

921 Fulton, Hamish, Shoes & Boots walked by Hamish Fulton, Eindhoven 2003. Siehe auch Peter Foolen, Hamish Fulton – Sealevel. Shoes and Boots, 24.02.2009, http://peterfoolen.blogspot.de/2009/02/hamish-fulton-shoes- and-boots.html (02.02.2018). In seinen Publikationen fügt Fulton häufig weitere Abbildungen abgelaufener Schuhe hinzu, so in Fulton, Hamish, Keep Moving, Mailand 2005, S. 15, 30, 33, 42. Auch in seiner Publikation „Walking Transformation“ finden sich Schuhe, siehe Hamish Fulton. Walking Transformation, a.a.O., S. 25, 26, 31. Auf S. 29f unterlegt er sogar die Fußnoten des Textes mit stilisierten Zeichnungen nackter Füße. 922 Allein die Eingabe der Schlagworte „Footpath“ und „Hamish Fulton“ bei der Suchmaschine Google liefert bereits acht unterschiedliche Ergebnisse zu unterschiedlichen Wanderungen, siehe google.com, footpath + hamish fulton, https://www.google.com/search?q=footpath+hamish+fulton&client=firefox-b- d&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=2ahUKEwiQsv- RqL3qAhXHy6QKHS4sBasQ_AUoAXoECAsQAw&biw=1600&bih=730 (08.07.2020). 923 Abb. siehe Hamish Fulton, Kunsthalle Baden-Baden, a.a.O., S. 28f. 924 Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 20. 925 Brüderlin, Markus (Hg.), Vorwort, in: Die Kunst der Entschleunigung. Bewegung und Ruhe in der Kunst von Caspar David Friedrich bis Ai Weiwei, Ausstellungskatalog Kunstmuseum Wolfsburg, 12.11.2011-09.04.2012, Ostfildern 2011, S. 8. 175 walking.”926 Die Geschwindigkeit in seiner Kunst bestimmt Fulton durch den Akt des Gehens, jedoch kann der Schritt als relationale Maßeinheit aufgrund der körperlichen Verfassung und der jeweiligen Witterungsverhältnisse niemals gleich sein: „Die angegebenen Daten bezüglich der Zeit sind in Relation zum Raum zu sehen, ihm zugeordnet, und in Relation zu setzen mit der körperlichen Verfassung Hamish Fultons. Jede andere Person hätte eine andere Zeit benötigt.“927 Das Gehen als grundlegendes Element von Hamish Fultons Kunst ist eine für den Künstler individuelle Erfahrung, die für die Kunstbetrachter so zunächst allerdings nicht fassbar ist: „Das Event ist passé, sobald es in der Galerie oder im Museum ausgestellt wird, und die ureigene Erfahrung des Ereignisses nicht direkt vermittelbar.“928 Mit seinen Group Walks hat Fulton öffentliche Angebote geschaffen, bei denen die Teilnehmer nicht nur verschiedene Formen des Gehens erproben, sondern auch unterschiedlichste Erfahrungen von Zeitlichkeit machen können. Die Wahrnehmung von Zeit kommt dabei in besonderem Maße zum Tragen. „Was gerade noch gegenwärtig war, ist im nächsten Moment schon Vergangenheit. So entsteht ein gefühlter Fluss der Zeit: […] Wir erleben Dauer.“929 Das letzten Analysekapitel der vorliegenden Arbeit versuchen nun aufzuzeigen, auf welche Art und Weise sich anhand der Kunstwerke Fultons erkennen lässt, ob, und wenn ja, wie sich die Geschwindigkeit des Gehens in seinen Kunstwerken manifestiert. Abschließend soll untersucht werden, wie sich darüber hinaus die Wahrnehmung von Zeit und Gehen in seinen partizipatorischen Angeboten äußert.

4.1 Walking Slowly on the Condor’s Outline, 1972 Im Herbst 1972 unternahm Hamish Fulton zusammen mit Richard Long Reisen nach Peru, Bolivien und Chile. In Peru trafen die beiden Künstler auf die deutsche Mathematikerin Maria Reiche, welche die Bodenzeichnungen in der Nazca-Wüste untersuchte und sich Zeit ihres Lebens für deren Schutz und Erhaltung einsetzte.930 Seit die Scharrbilder 1994 in die Liste des

926 Fulton, Hamish, Walk, in: Visual Studies, Vol. 25, No. 1, April 2010, S. 11. 927 Paflik-Huber, Kunst und Zeit (1997), a.a.O., S. 257. 928 Steininger, Hamish Fulton, a.a.O., S. 136. 929 Wittmann, Gefühlte Zeit, a.a.O., S. 55. 930 Zum Leben und Wirken Maria Reiches siehe insbesondere Schulze, Dietrich/Zetzsche, Viola, Bilderbuch der Wüste. Maria Reiche und die Bodenzeichnungen von Nasca, Halle (Saale) 2005. Laut Anne Hoormann beziehen sich einige der Land Art-Künstler auf die These Reiches, dass den Scharrbildern eine „kosmologische Elementarmathematik“ zugrundliege, weshalb sich auch in der Kunst der Land Art Werke finden ließen, deren „Zahlenrelationen […] verdeutlichen können, welche Bedeutung und welche Stellung im Universum die Erde im 176 UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen wurden,931 ist es untersagt, auf den Linien zu laufen – 1972 hatte Hamish Fulton jedoch noch die Gelegenheit dazu. Von Reiche erhielt er die Anweisung, langsamen Schrittes zu gehen, um die Zeichnungen nicht zu zerstören. Auf diese Erfahrung, die einen ganz besonderen Moment seines künstlerischen Gehens markiert, verweist Fulton mit der typografischen Arbeit Walking Slowly on the Condor’s Outline, die er mit einem Foto Reiches kombiniert, das sie entlang der Scharrbilder gehend zeigt (Abb. 127). Mit Ausnahme des Wortes „slowly“ dominieren schwarze Großbuchstaben auf beigem Grund das Kunstwerk: „WALKING / SLOWLY / ON / THE CONDOR’S / OUTLINE / NAZCA DESERT / PERU / 1972“. Das weiß geschriebene Wort „slowly“ verschwindet fast auf dem hellen, an den Wüstenboden erinnernden Hintergrund, dabei kennzeichnet es den wichtigsten Aspekt dieses Ganges: das langsame Gehen. Die Langsamkeit, mit der Fulton die Linien des Kondors entlangläuft, war zunächst Wertschätzung der uralten Zeichen und Respekt vor den Forschungen Reiches, die ihn und Long mit den Geheimnissen der Bilder vertraut gemacht hatte. Für Fulton selbst war es jedoch auch der Anreiz einer bewussten Auseinandersetzung mit der Geschwindigkeit des Gehens, die er seitdem bis heute in zahlreichen seiner Walks als bewusstes Element einsetzt. Dabei spielte Geschwindigkeit schon von Anfang an immer wieder eine Rolle bei Fulton. Der erste „Slow Walk“ hatte bereits 1967 stattgefunden, als Fulton noch zusammen mit Richard Long an der St. Martin‘s School of Art studierte. Von Fulton schlicht London 2 February 1967 betitelt (vgl. Abb. 94), ist auf der schwarz-weißen Fotografie eine kleine, mit einem Tau zusammengebundene Gruppe Studenten zusehen. Inmitten von London liefen sie von der Straßenecke Greek Street/Old Compton Street einen Block weit bis zur Charing Cross Road, auf welcher sich die Kunsthochschule befand. „They weren't the first students to stumble through Soho, but they were all roped together, walking as a single body. It took ages.“932 In seiner künstlerischen Umsetzung bezeichnete Fulton diesen langsamen Gang nicht als „Slowalk“ wie bei späteren geschwindigkeitsreduzierten Walks, sondern hob den Ort (London) und das Datum (2 February 1967) hervor. Das langsame Gehen bezeichnete er als „walking slowly“. Diese Verschiebung des Fokus im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte zeigt auch die

Zeitalter der Weltraumfahrt“ haben könne. Siehe Hoormann, Land Art (2014), a.a.O., S. 243. Mit Blick auf die bereits erfolgten Werkanalysen zum Thema Kosmologische Zeit scheint es allerdings nicht so, dass derlei Gedanken auch in Fultons Kunst eine große Rolle spielen würden. 931 Siehe auch die Auflistung der Unesco-Welterbestätten, Deutsche UNESCO-Kommission, Welterbeliste, 10.07.2017, http://www.unesco.de/kultur/welterbe/welterbestaetten/welterbeliste.html (13.12.2016). 932 espaivisor, Hamish Fulton, a.a.O. 177 Bedeutungsverlagerung im Laufe seines künstlerischen Gehens: vom langsamen Gehen während des Studiums bis hin zu einem „Slowalk“, dessen Grundthema in der bewussten Auseinandersetzung mit Geschwindigkeit besteht. Auch die bereits beschriebene Arbeit Hitchhiking Times von 1967 (vgl. Abb. 37)933 hatte Geschwindigkeit als Thema, auch wenn es hier um die Reisegeschwindigkeit ging, die mal schnell, mal langsam vonstatten ging und immer abhängig vom jeweiligen Fortbewegungsmittel war – „another natural measure […] based on travel time.”934 Erst die Verbindung des Gehens mit der Besonderheit des Ortes in der peruanischen Wüste brachte Fulton 1972 jenen Impuls, den Akt des Gehens bewusst mit dem Element der Geschwindigkeit zu verbinden. Seit seinem ersten Group Walk 1994 wurde dies mehr und mehr essentieller Bestandteil seiner Group Walks.935 Liest man die Angaben in den Kunstwerken Fultons in Hinblick auf die Geschwindigkeit des Gehens, so findet man keinen eindeutigen Hinweis darauf, dass er jemals bewusst eine besonders schnelle Wanderung unternommen hätte. Dennoch sagt Fulton selbst, dass er, um innerhalb des gesetzten Zeitrahmens seiner Wanderung auch das anvisierte Ziel, seine „rules of the Way“ zu erreichen, immer wieder die täglich zu laufende Kilometeranzahl und somit auch seine Gehgeschwindigkeit anpassen muss: „One plan was to end a walk on the summer solstice. Walking 1-21 June. Half way up France [1992, d. V.] I had to calculate the remaining kilometres. All this meaning, I had [to] reach certain points every day in order to arrive on schedule.”936 Fultons Wanderungen beinhalten somit immer wieder auch Fragen zu „durchschnittliche[n] Schrittlängen, Gehgeschwindigkeiten, […] Kraftverbrauch[…] und den Möglichkeiten ihrer Optimierung und Synchronisierung“ 937 – Fragen, die schon die Gebrüder Weber bei ihren Forschungen zu den Beinbewegungen des Menschen umtrieben.938 Dem Weg kommt dabei besondere Bedeutung zu: laut Anne Seymour verkörpert er „ein mächtiges Kräftepotential, bezeichnet er doch die Strecke einer Bewegung, ein Bewegungskontinuum zwischen zwei Orten, die durch die Länge des Weges, die Beschaffenheit des dazwischenliegenden Geländes und die jeweilige Geschwindigkeit des den Weg Beschreitenden bestimmt werden.“939

933 Siehe Kapitel III. 3.1.1 Hitchiking Times, 1967. 934 Huth, John Edward, The Lost Art of Finding our Way, Cambridge (Mass.) 2013, S. 53. 935 Zu den Group Walks siehe Kapitel III. 4.2 Slowalk Newcastle, 2012. 936 Hamish Fulton in einer Emailkorrespondenz mit der Autorin vom 09.08.2017. vgl. z.B. Solstice, Abb. 7. 937 Siehe und vgl. auch Hahn, Epistemologien des Flüchtigen, a.a.O., S. 22 sowie S. 33f. 938 Vgl. Weber/Weber, Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge, a.a.O. 939 Seymour, In Kreisen gehen, a.a.O., S. 27. 178 Seit Fultons Entdeckung der Langsamkeit in der Wüste Perus hat er das Tempo seiner Wanderungen immer wieder variiert und darauf in seinen Referenzarbeiten mittels unterschiedlicher Medien Bezug genommen. Dass es mit Hilfe von Fotografie vergleichsweise einfach ist, Bewegung und somit auch Geschwindigkeit zu evozieren, wird anhand der Arbeit Approaching Rotterdam (2002, Abb. 128) deutlich. In der verwackelten Fotografie hat Fulton sein linkes Bein im Gehvorgang abgelichtet, kurz bevor es im Vorwärtsgehen wieder den regennassen Asphalt berührt. Villanueva de Cordoba (1989/90, vgl. Abb. 4) oder Walking to Paris (2002)940 zeigen weitere Varianten fotografisch festgehaltener Bewegung in Fultons Fotos.

Ralph Fischer scheint Gehen als Fortbewegung im Zeitalter technologischer Mobilität paradox;941 die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Körper versteht er als eine „kulturelle[…] Herausforderung“942. Obwohl der Körper im Vergleich zu anderen Technologien der Fortbewegung eher langsam wirke, bilde er seiner Meinung nach „in seinen motorischen und sensorischen Kompetenzen noch immer einen unentbehrlichen anthropologischen Maßstab zur räumlichen und zeitlichen Orientierung.“943 Fischer sieht in den zeitgenössischen pedestrischen Kunstformen, zu denen auch Fultons Walking Art gehört, „Beispiele einer Ästhetik, die sich Zeit nimmt […], eine Kunst, die in der Langsamkeit der körpereigenen Fortbewegung eine Chance sieht, eine Möglichkeit zur Wiederentdeckung des gelebten Raumes, zur Kultivierung der Sinne und zur Erforschung der Korrelation zwischen Subjekt und Raum, Bewegung und Wahrnehmung.“944 Eine der wenigen Arbeiten, in welchen Fulton diese Form von Zeitnehmen bereits im Titel und als Hauptthema aufgreift, ist der großformatige, einem Fries ähnliche Wandtext Slowness (2008, Abb. 129), das sich im Eingangsbereich von Schloss Hohenkammer in Bayern befindet. Dort werden die Gäste des Tagungsortes von den großen, grauen Buchstaben des Wortes „SLOWNESS“ begrüßt. Die Arbeit wurde durch vier kleine Wanderungen inspiriert, die Fulton im Sommer 2008 rund um Hohenkammer unternommen hatte945. Die Wege, die Fulton für diese kleinen Touren beschreitet, sind hauptsächlich Nebenwege wie Feld- und Fahrradwege

940 Abb. siehe Peter Foolen, Hamish Fulton – WALKING TO PARIS II, 20.05.2010, http://peterfoolen.blogspot.com/2010/05/hamish-fulton-walking-to-paris-ii.html (08.07.2020). 941 Vgl. Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 37. 942 Ebd., S. 34. 943 Ebd. 944 Ebd., S. 37. 945 Der Walk Text unterhalb des Begriffes „Slowness“ informiert genauer darüber „FOUR SMALL WALKS ON FARM TRACKS FOOTPATHS BICYCLE ROUTES AND PAVEMENTS FROM AND TO HOHENKAMMER 16 17 18 19 JULY 2008” 179 oder Trampelpfade. Für Fulton sind Trampelpfade „old human marks on the land“946 und auf eine gewisse Art lebendig, da sie durch das Gehen geformt werden.947 Entgegen seiner Road Walks sind diese Walks nicht als Gegenpol zur Urbanität zu verstehen (auch wenn er in Hohenkammer unter anderem auf asphaltierten Straßen gegangen ist), sondern eher im Sinne eines Hinweises auf bewusstes Gehen in weniger urbanen Landschaften, in denen der Mensch noch nicht alles eingeebnet und betoniert hat. „Weit weg vom täglichen Stress und lästiger Routine“ soll Schloss Hohenkammer als Tagungsort und Hotel den Besuchern eine „Atmosphäre kraftvoller Gelassenheit“ sowohl „Bodenhaftung“ ermöglichen als auch „Höhenflüge“ bescheren.948 Laut Hannelore Paflik-Huber kann ein „natürliches, d.h. zum eigenen Körper in Beziehung stehendes Zeiterlebnis“ durch die äußeren, vom Alltagsleben bestimmten Zeitstrukturen verloren gehen. Das Gehen außerhalb der Stadt und über einen längeren Zeitraum kann jedoch dazu beitragen, sein inneres Zeitgleichgewicht wiederzuerlangen: „Nach einer gewissen Zeit, etwa drei bis vier Tagen, stellt sich das Gefühl ein, daß der Rhythmus der Vorwärtsbewegung in einem ausgeglichenen Verhältnis zum eigenen Körperrhythmus, d.h. zur sogenannten inneren „Zeituhr“ steht.“949 Die künstlerische Verwendung des eigenen Körpers sieht Fischer als eine „notwendige Entschleunigungsstrategie in einer beschleunigten Welt“950, mit welcher die Künstler in der Langsamkeit eine neue Form der Selbstverortung erfahren können. „Der Rhythmus des menschlichen Ganges, der ebenso wie Herzschlag und Atem als eine leibliche Zeiteinheit zu

946 Hamish Fulton im Gespräch mit Pascale Krief im Centre Pompidou Paris am 23.02.2017. 947 David Le Breton versteht den Pfad als „ein Gedächtnis, das direkt in die Erde eingeschrieben ist, die Spur zahlloser Wanderer in den Maserungen des Bodens, die im Laufe der Zeit diese Orte aufgesucht haben“. Sich auf dieser Art Routen fortzubewegen ist für Le Breton ein solidarischer Akt, bei dem man „seine Schritte in die Masse der anderen Gehenden einreiht, in ein unsichtbares, aber wahrhaftiges Einverständnis.“ Siehe Le Breton, Lob des Gehens, a.a.O., S. 82. Auch für Hamish Fulton sind diese durch kulturelle und religiöse Aktivitäten entstandenen Wege wichtige Zeichen der jeweiligen Kultur. Umso entsetzter war der Künstler verständlicherweise, als er 2011 in Tibet – um eine weitere Kora um den Mount Kailash zu laufen – dort nicht mehr den historischen Fußweg vorfand, sondern die Fundamente einer von den Chinesen angelegten asphaltierten Straße. Diese Erfahrung hat er in seiner Holzarbeit Kailash (2011, Walking One Circuit of the Pilgrimage Route Round Mount Kailash on the Fundations of a new Chinese Motor Road) verarbeitet. 948 Siehe Schloss Hohenkammer, Bodenhaftung und Höhenflüge, Über Uns, Philosophie, o.J., http://www.schlosshohenkammer.de/ueber-uns_7_0.html#Philosophie (18.09.2017). Einmal mehr zeigt sich, wie aktuell das Thema der beschleunigten Gesellschaft noch immer ist, wenn mit Orten wie Schloss Hohenkammer Plätze geschaffen werden, in denen die Menschen sich dem Diktat der Schnelllebigkeit entziehen können. Siehe auch Ball, Rafael, Die pausenlose Gesellschaft. Fluch und Segen der digitalen Permanenz, Stuttgart 2014. Wie sehr das Thema der Entschleunigung außerhalb der Kunstwelt von Bedeutung ist, zeigt nicht zuletzt eine hohe Anzahl diverser Ratgeberlitertur. Stellvertretend sei auf folgende Publikation hingewiesen: Hille, Winfried, Slow. Die Entscheidung für ein entschleunigtes Leben, Gütersloh 2016. 949 Paflik-Huber, Kunst und Zeit (1997), a.a.O., S. 257. 950 Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 34. 180 betrachten ist – fungiert als unentbehrliches Instrument zur raumzeitlichen Orientierung. “951 Die Walking Art Hamish Fultons wird somit zu einer „[…] Methode zur Wiederentdeckung der Nähe, des anthropologischen Um-Raums, mit all seinen taktilen, auditiven, visuellen und olfaktorischen Reizen.“952 Bei Fulton ist das langsame Gehen vor allem als Gegenpol zur Atmosphäre einer schnelllebigen Gegenwart zu verstehen: „Walking slowly to resist the current climate: walking instead of driving to get somewhere, at the speed imposed by our way of life, at the speed of information, contrasting the time of lived or transmitted experience – its story.“953 Die in Fultons Wall Text deutlich erkennbare Aufforderung zur Entschleunigung ist somit ein guter Einstieg in einen Zustand der Entspannung, die mit Langsamkeit einhergehen kann.

Die Performance-Künstlerin Marina Abramovic sagt zum Thema Geschwindigkeit: „Unser Leben wird immer schneller, also muss die Kunst langsamer werden.“954 Als Walking Artist hat Fulton dies künstlerisch professionalisiert. Dass er damit den aktuellen Zeitgeist trifft und unter anderem im bewusst geschwindigkeitsreduzierten Gehen der Reiz seiner Group Walks liegt, soll abschließend das nachfolgende, letzte Analysekapitel verdeutlichen.

4.2 Slow Walk Newcastle, 2012 Fultons Group Walks unterscheiden sich von seinen Solo Walks neben der Öffnung für Teilnehmer vor allem in der Zurücknahme von Geschwindigkeit. Dass Hamish Fulton die Reduzierung von Geschwindigkeit durchaus ernst meint, konnten die Teilnehmer des

951 Ebd. 952 Ebd. 953 Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 22. Das von Fulton angesprochene Klima der Schnelllebigkeit ist wohl als eines anzusehen, mit welchem eine jede neue Generation jeweils auf ihre Weise konfrontiert wird: selbst Goethe sah 1825, dass die Jugend „viel zu früh aufgeregt und dann im Zeitstrudel fortgerissen“ würde – ein Phänomen, dem auch er selbst sich nicht entziehen konnte: Er empfand die Flut von Informationen um sich herum als unzumutbar und verbat sich für eine Weile das Lesen der Zeitungen. Siehe Goethe an Carl Friedrich Graf von Reinhard am 26. Dezember 1825, in: Goethe, Johann Wolfgang von, Briefe. Hamburger Ausgabe in vier Bänden, Bd. 4, hrsg. von K. R. Mandelkow, Hamburg 1967, S. 165. Ebenso zitiert in Böhme, Wollen wir in einem posthumanen Zeitalter leben?, a.a.O., S.3. Zeitlos und brandaktuell erscheint auch Goethes Gesellschaftskritik desselben Jahres, die eine unverkennbare Parallele zu den gegenwärtigen digitalen Kommunikationsmöglichkeiten darstellt: „Haben wir doch schon Blätter für sämtliche Tageszeiten, ein guter Kopf könnte wohl noch ein und das andere interpolieren. Dadurch wird alles, was ein jeder tut, treibt, dichtet, ja was er vorhat, ins Öffentliche geschleppt. Niemand darf sich freuen oder leiden, als zum Zeitvertreib der übrigen; und so springt’s von Haus zu Haus, von Stadt zu Stadt, von Reich zu Reich und zuletzt von Weltteil zu Weltteil, alles veloziferisch.“ Ebd. sowie Goethe, Briefe, a.a.O., S. 159. 954 Marina Abramovic im Interview mit Claudia Bodin, siehe Bodin, Claudia, "Feminismus kann ich nicht ausstehen", in: Art. Das Kunstmagazin, 03/2010, S. 78-85. 181 zweistündigen Group Walks Slowalk Newcastle (2012)955 2012 in Newcastle erleben.956 Anlässlich des AV Festival „As slow as possible“ wurden die 150 Teilnehmer angewiesen, auf den weißen Markierungen eines Parklplatzes am Kai von Newcastle innerhalb der vorgegebenen zwei Stunden nur so weit zu gehen, bis sie das Ende derselben erreicht hätten oder zwei Markierungen aufeinanderträfen. Dadurch brauchten manche Teilnehmer lediglich eine Strecke von umgerechnet 2-3 m zurückzulegen. Was bei normaler Schrittgeschwindigkeit eine Sache von Sekunden wäre, wurde durch das reduzierte Tempo in Newcastle zu einer starken mentalen Herausforderung. Im Gegensatz zu dem meditativen Effekt, den Fulton mitunter durch lang andauerndes Gehen oder das Zählen von Schritten für sich erreicht, ermöglichte diese Form von Konzentration jedoch nicht allen Teilnehmern das Gefühl von entspannender Versenkung: „I tried to meditate, but the walk was neither still enough nor at the pace of one’s heart for that.“ 957 Augenscheinlich führte die außergewöhnliche Reduktion von Bewegung zu dem Bedürfnis, die noch vor dem Teilnehmer liegende Zeitspanne durch alternative Handlungen zu füllen. Gleichzeitig wurde ihm das Verstreichen von Zeit bewusst: „Half-an-hour in and I take a first look back over my shoulder at the line I’d been set to follow. I’d walked three, maybe four feet. ‘How far I’ve come!’ I thought to myself (strictly no talking), genuinely surprised. It felt as if I hadn’t moved.“958 In Fultons künstlerischem Group Walk in Newcastle kam Zeit also nicht wie in seinen Referenzarbeiten „als Bildgegenstand, sondern als Form der Erfahrung“959 zum Tragen – die qualitativ-konkrete „Handlungs- oder Ereigniszeit“ steht im Vergleich zur quantitativ-abstrakten Uhrzeit im Vordergrund.960 Nicht zuletzt ist das (Gruppen-)Erlebnis als künstlerischer Prozess untrennbar verbunden mit „der Körperlichkeit, der ‚Leibzeit‘, dem Leiblichen-Sein, der gelebten und geatmeten Zeit des Rezipienten“961.

955 Zu diesem Communal Walk existiert keine Referenzarbeit Fultons. Fotos des Walks siehe beispielsweise Lockwood, Alex, Hamish Fulton, Slowalk, in: WALK. University of Sunderland's Walking, Art, Landskip and Knowledge research group, 04/2012, https://www.walk.uk.net/portfolio/hamish-fulton-slow-walk/ (02.07.2020). 956 Eine kurze Zusammenfassung des Slow Walks anlässlich des letzten Tag des AV Festivals „As slow as possible“ am 31. März 2012 bietet das Video „AV Festival 12: Hamish Fulton: Slowalk“, 12.01.2013, https://vimeo.com/57270323 (05.02.2018). Siehe auch den Bericht des Teilnehmers Alex Lockwood im Zusammenhang mit der Erfahrung langsamen Gehens: Lockwood, Alex, Hamish Fulton, Slow Walk, 31.03.2012, http://alexlockwood.co.uk/2012/03/31/hamish-fulton-slowalk/ (05.02.2018). 957 Lockwood, Alex, a.a.O. 958 Ebd. 959 Geiseler, Zeit/Raum/Natur-Erfahrung, a.a.O., S. 146. 960 Siehe auch Wyller, Was ist Zeit?, a.a.O., S. 18. Er beschreibt die Uhrzeit als „quantitativ, homogen, kontinuierlich, abstrakt und universal“, die Handlungs- und Ereigniszeit hingegen als „qualitativ, heterogen, diskret, konkret und lokal“. Siehe ebd., S. 22. 961 Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 24. Fischer bezieht sich auch hier auf Hilarion Petzolds “Leibzeit”, vgl. Hilarion Petzold, 1982, S. 68. 182 Denn die Wahrnehmung der Teilnehmer richtet sich – anders als beim Betrachten eines Kunstwerks – aufgrund mangelnder Projektionsfläche auf sich selbst: Das Gehen selbst rückt für den Einzelnen in den Fokus, „der Gegensatz von Gehen und Stehen wird ihm erfahrbar, er bemerkt seinen eigenen Körper.“962 Allen Erfahrungsberichten seiner Group Walks gemein ist die Feststellung, dass Zeit durch das langsame Gehen „eine andere Dimension“963 bekomme und der Group Walk dadurch als ein „Moment der Entschleunigung und der Nicht-Kommunikation“964 wahrgenommen wird, Group Walks also ein zeitlich-sinnliches Erfahrungsangebot darstellen. Dies bestätigt Hartmut Rosas Aussage, dass „Kunsträume […] auch Zeit-Räume [sind], in denen eine andere Zeiterfahrung gesucht und gemacht werden kann.“965 Laut Hannelore Paflik-Huber versucht Hamish Fulton in seinen Wanderungen, „durch den Einsatz und das Zusammenwirken aller Sinnesmodalitäten zu einem umfassenden Zeiterlebnis zu gelangen.“966 Das kann auch auf seine Group Walks übertragen werden. In Anlehnung an Otto Joachim Grüssers Erkenntnisse zu „Zeit und Gehirn“967 versteht Paflik-Huber unter „allen Sinnesmodalitäten“ nicht nur die fünf bekannten Sinne Sehen, Hören, Fühlen, Riechen und Schmecken, sondern auch den Sinn der „Lagewahrnehmung“ und der „Bewegungswahrnehmung“ des eigenen Körpers im Raum. Diese beiden Sinne sind wiederum eng verknüpft mit dem Faktor Zeit, der nach Ernst Pöppel anhand von fünf Punkten erlebt werden kann: Gleichzeitigkeit, Ungleichzeitigkeit, Folge, Jetzt und Dauer.968 Bezogen auf die Group Walks Hamish Fultons können die Teilnehmer dieses Zeiterleben auf unterschiedlichen Public Walks dementsprechend vielsinnig erfahren. Die begrenzte Zeit von bis zu zwei Stunden wie 2012 in Newcastle oder beim Slowalk in Support

962 Janhsen, Thomas Bernhards Gehen, a.a.O., S. 54. 963 Edelbert Köb, Kurator nock/art, siehe Bad Kleinkirchheim, Public Art Walk mit Hamish Fulton - Long Version - 21.9.2013 [YouTube-Video], 18.10.2013, https://www.youtube.com/watch?v=W9IciWrM8VU, ab Min. 12:16 (06.02.2018). 964 Teilnehmerin des Group Walks, siehe Bad Kleinkirchheim, Public Art Walk mit Hamish Fulton - Long Version - 21.9.2013 [YouTube-Video], 18.10.2013, https://www.youtube.com/watch?v=W9IciWrM8VU, ab. Min. 13:49 (06.02.2018). 965 Dies zeigt sich vor allem am Beispiel klassischen Theaters: „Es konfrontiert den Zuschauer mit einer anderen historischen Zeit, einer anderen Alltagszeit und einer fremden lebenszeitlichen Perspektive. Nicht selten setzen Kunstwerke aller Art daher auch bewusst auf Langsamkeit und Geduld statt auf Tempo und Stimulation. Durch solche Konfrontationen entsteht eine reflexive Distanz zur eigenen atemlosen und kurzsichtigen Lebenspraxis. Die Kunst ist daher eines der letzten Refugien für die Bewahrung anderer Temporalitäten und birgt in diesem Sinne auch Widerstandspotenziale gegen das Beschleunigungsdiktat.“ Hartmut Rosa im Interview mit Markus Brüderlin und Uta Ruhkampo vom Kunstmuseum Wolfsburg, in: Die Kunst der Entschleunigung, a.a.O., S. 11. 966 Paflik-Huber, Kunst und Zeit (1997), a.a.O., S. 252. 967 Siehe Die Zeit. Schriften der Carl Friedrich von Siemens Stiftung, a.a.O., S. 80. 968 Pöppel, Ernst, Erlebte Zeit und die Zeit überhaupt: Ein Versuch der Integration, in: Die Zeit. Schriften der Carl Friedrich von Siemens Stiftung, a.a.O., S. 371. 183 of Ai Weiwei (2011, vgl. Abb. 98) ermöglicht ihnen beispielsweise die Erfahrung von Dauer und Jetzt; ebenso die radikale Zurücknahme von Geschwindigkeit wie beim Group Walk Bad Kleinkirchheim (2013).969 Das Erlebnis von Folge ermöglichen nicht nur alle Walks, bei denen immer wieder zwischen zwei Punkten hin und hergelaufen wird wie beispielsweise in jenem 2017 in Sion,970 dem Group Walk 31 Walkers (2012, vgl. Abb. 97) oder One Hour Walk Palazzo Ducale (2015)971, sondern auch jene Walks, bei dem dieselbe Strecke in Form eines zirkulären Walks wiederholt wird, wie beispielsweise beim Group Walk Centre Pompidou (2017).972 Und nicht zuletzt ist durch die grundlegende Tatsache, dass die Teilnehmer nicht alleine, sondern in der Gruppe laufen und sich zudem bewusst darüber sind, dass sie an einem performativen künstlerischen Akt teilhaben (der wiederum von Unbeteiligten beobachtet werden kann, die in diesem Augenblick nicht daran teilhaben können), auch das Erlebnis von Gleichzeitigkeit und Ungleichzeitigkeit möglich. „Linearität und Gleichzeitigkeit überlagern sich im komplexen Geflecht aus Entstehungszeit, Rezeptionszeit, Weltgeschichte, und persönlichem Zeitempfinden.“973 Dass Fulton sich neben seinen Solo Walks auch dem gemeinsamen Gehen mit anderen geöffnet hat, lässt sich auch als Folge davon verstehen, dass Erfahrungen aufgrund ihrer individuellen Qualitäten schwer vermittelbar sind.974 Bereits 1984 schrieb Ulrich Giersch, dass vor allem körperliche Bewegungsvorgänge und –erfahrungen nicht mehr durch die üblichen Medien darstellbar seien, da lebendige Prozesse nicht durch etwas anderes repräsentiert werden könnten.975 „Deshalb muss der Betrachter oftmals selber zum Akteur werden, was ihm zum Beispiel durch die begehbaren Plastiken oder Environments ermöglicht werden soll.“976 Harald Szeemann schrieb in seinem Einführungsessay zur Ausstellung „Zeitlos“, dass

969 Hier liefen die Teilnehmer aufgeteilt in zwei Gruppen auf einem schmalen Wanderpfad innerhalb von einer Stunde auf einer Strecke von rund 300 Metern aufeinander zu und schließlich aneinander vorbei – für Fulton ein besonders wichtiger Moment innerhalb des Walks. Vgl. Bad Kleinkirchheim, Public Art Walk mit Hamish Fulton - Long Version - 21.9.2013 [YouTube-Video], 18.10.2013, https://www.youtube.com/watch?v=W9IciWrM8VU, ab Min. 7:00 (06.02.2018). 970 vgl. Kapitel III. 2.3.3, Swifts and Lizards, 2017. 971 Mehr Informationen zu diesem Public Walk siehe myartguide.com, Events, Hamish Fulton: Repetitive Walk, 22 Nov 2015, https://myartguides.com/events/venice/hamish-fulton-repetitive-walk/ (08.07.2020). 972 Der Group Walk im Centre Pompidou, an dem auch die Autorin teilnahm, zählt darüber hinaus auch zu jenen Group Walks, die viele unterschiedliche Elemente beinhalteten, so das Zirkuläre, das sich aus der Route ergab, das Repetitive, das sich aus der Strecke und der anvisierten Zeit von einer Stunde ergab, sowie das Kreuzen der Wege sowohl der beiden Gruppen untereinander als auch der unbeteiligten Besucher des Ausstellungshauses. 973 Ströbel, Wortreiche Bilder, a.a.O., S. 307. 974 Vgl. Fultons Aussage “It’s not possible to represent the experience of a walk, so what you have is something else.“ Hamish Fulton im Interview mit der Galerie Nara Roesler, a.a.O., ab Min. 0:30. 975 Vgl. Giersch, Der gemessene Schritt, a.a.O., S. 270. 976 Ebd. 184 es vor allem die Kunst sei, „die uns die Einschmelzung des Konzentrats erlebter Zeit ins Reservoir objektiver Zeit erlebbar macht. Wir wissen es ja alle […], daß nur das intensive Erleben des Jetzt die Chance hat, in die objektive Zeit einzugehen.“977 Hamish Fulton scheint das ähnlich zu sehen: „It’s like this, there’s what you’ve experienced yourself, and then there’s what you’ve read about.”978 Durch die Möglichkeit der Partizipation, bei dem es den Teilnehmern möglich ist, in einem künstlerischen Setting die Erfahrung bewussten Gehens am eigenen Leibe zu machen, bekommen die Gruppengänge auch etwas Theatrales und Inszeniertes, werden zu einer Arena des Performativen: „Dieses pedestrische Erforschen performativer Erfahrungsräume und topographischer Systeme ist paradigmatisch für die Auseinandersetzung mit dem Gehen im Kontext performativer Ästhetik: Gehen fungiert sowohl als Instrument einer haptischen Form der Wahrnehmung, als auch als Methode zur Inszenierung von Situationen, die sowohl ästhetischer, als auch politisch-subversiver Natur sein können.“979

Der von Fulton gewählte urbane Ort wird zu einem „performativen Raum, mit spezifischem Handlungs- und Wahrnehmungspotential, der erst dann in seiner ästhetischen Dimension erfahrbar wird, sobald der Rezipient ihn betritt, erkundet, durchquert.“980 Mehr noch als seine klar strukturierten Solo Walks können seine Group Walks dadurch auch als eine Art „Hortus Conclusus“981 der zeitgenössischen Kunst verstanden werden – eine Form der Heterotopie im Foucault’schen Sinne: Der örtlich festgesetzte, aber zeitlich begrenzte Handlungsrahmen steht für einen Ort, an welchem durch die vom Künstler vorgegebenen Handlungsanweisungen eigene Gesetzmäßigkeiten gelten.982 Man könnte in Fultons Public Walks auch

977 Szeemann, Harald, Zeitlos, in: Zeitlos. Kunst von heute, a.a.O., S. 9. 978 Hamish Fulton in: Thirty One Horizons, a.a.O., S.4. Auch in Fulton, Shadow, a.a.O., S. 37. 979 Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 25. Zur Rolle des aktiven Zuschauers siehe auch Primavesi, Patrick, Zuschauer in Bewegung. Randgänge theatraler Praxis, in: Paradoxien des Zuschauens. Die Rolle des Publikums im zeitgenössischen Theater, hg. von Jan Deck und Angelika Sieburg, Bielefeld 2008, S. 85-106. Siehe auch Primavesi, Patrick, Fliegen, Gehen, Fahren. Wie neuere Theaterformen ihre Zuschauer in Bewegung setzen, in: Orte des Lernens, hrsg. von Kristin Westphal und Nicole Hoffmann, Weinheim/München 2007, S. 79-94. 980 Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 24. 981 Der „Hortus Conculsus“ umschreibt im Lateinischen einen geschützen, eingefassten Ort. In der christlichen Ikonografie wird er meist als Paradiesgarten dargestellt und symbolhaft für Maria und das Paradies auf Erden steht. Vgl. Battistini, Symbole und Allegorien, a.a.O., S. 368. Der Gedanke des zeitgenössischen „Hortus Conclusus“ geht auf Hartmut Böhme zurück: Böhme erkennt in den „gute[n] Ratschläge[n] zur Verlangsamung unserer Highspeed-Kultur verkappte religiöse Sehnsüchte“, welche der sündigen Ungeduld der Postmoderne die Erlösung im paradiesischen Hortus Conclusus zu versprechen scheinen. In der „Kritik an der Geschwindigkeit“ sieht er die „religiöse Kritik am irdischen Leben“ gespiegelt und verweist auf „patientia“, die Geduld, in der sowohl Ruhe als auch fromme, also religiöse Ergebenheit zu finden sei. Siehe Böhme, Wollen wir in einem posthumanen Zeitalter leben?, a.a.O., S.2. 982 Vgl. Fischer, Walking Artists, a.a.O., S. 22 bzw. u.a. den vierten Grundsatz von Foucaults Heterotopie: „Die Hererotopien sind häufig an Zeitschnitte gebunden, d.h. an etwas, was man symmetrischerweise Heterochronien 185 „Abweichungsheterotopien“ erkennen: Die Teilnehmer werden innerhalb der von Fulton kreierten Räume zu „Individuen, deren Verhalten abweichend ist im Verhältnis zur Norm“ – und welches vor allem durch den künstlerischen Kontext abweichend sein darf.983 Als Abweichung von der Norm wird hier insbesondere die Zurücknahme der Gehgeschwindigkeit gesehen, die auf öffentlichen Plätzen, Straßen oder sogar Fußgängerüberwegen wie bei seinem Group Walk 31 Walkers (2012) zu Irritationen und Verkehrsbehinderungen führen können. Weiteres Indiz dafür, die Public Walks als eine Form von Heterotopie zu sehen, wäre die Tatsache, dass das Betreten dieses Raumes, das in Form der Teilnahme geschieht, das Einverständnis der Teilnehmer voraussetzt, sich an die Handlungsanweisungen des Künstlers zu halten.984 Interessanterweise wählt Fulton für die Durchführung seiner Public Walks selbst immer wieder Orte im urbanen Raum, die nach Marc Augé als Nicht-Orte bezeichnet werden können,985 wie beispielsweise der Parkplatz in Newcastle oder ein Parkhaus in St. Moritz 2012.986 Die oft städtische Umgebung fördert dabei eine von Fulton intendierte, veränderte Rezeption der Umgebung: „In such walks, the point is to focus on aspects of nature that are normally unseen in an urban environment.“987 Gerade Orte wie ein Parkplatz scheinen dafür besonders geeignet, markieren sie doch einen ganz besonderen Augenblick innerhalb unserer beschleunigten Lebenswirklichkeit: den Wechsel von Mobilität hin zum Gehen, den die Teilnehmer nun künstlerisch transformiert erleben können. Durch ihre aktive Rolle als eigenverantwortlicher Teil eines größeren Ganzen haben die Teilnehmer nicht nur direkten Anteil an der Entstehung der künstlerischen Aktion, sondern werden auch Teil des Kunstwerks selbst. Dadurch werden Fultons Public Walks auch zu Orten sozialer Prozesse.988 Ein Erlebnis gemeinsam mit anderen zu erfahren, „gewissermaßen ein

nennen könnte. Die Heterotopie erreicht ihr volles Funktionieren, wenn die Menschen mit ihrer herkömmlichen Zeit brechen.“ Foucault, Andere Räume, a.a.O., S. 43. 983 Vgl. Foucault, Andere Räume, a.a.O., S. 40. 984 Hier ist der fünfte Grundsatz von Foucaults Heterotopie gemeint: „Die Heteroropien setzen immer ein System von Öffnungen und Schließungen voraus, das sie gleichzeitig isoliert und durchdringlich macht. Im allgemeinen [sic] ist ein heterotopischer Plan nicht ohne weiteres zugänglich[, …] man muß sich Riten und Reinigungen unterziehen. Man kann nur mit einer gewissen Erlaubnis und mit der Vollziehung gewisser Gesten eintreten.“ Siehe ebd., S. 44. 985 Zu den von Marc Augé entwickelten Begriff der „Non-Lieux“ siehe Augé, Marc, Orte und Nicht-Orte. Vorüberlegungen zu einer Ethnologie der Einsamkeit, aus d. Franz. von Michael Bischoff, Frankfurt a/M 1994. 986 Siehe Fuchs, Marina U., An Fultons Kunst führt im Engadin kein Weg vorbei, in: suedostschweiz.ch, 22.08.2012, https://www.suedostschweiz.ch/zeitung/fultons-kunst-fuehrt-im-engadin-kein-weg-vorbei (22.02.2018). 987 Morgan, Robert C., Hamish Fulton: Walking Artist, in: White Hot Magazine, 09/2016, http://whitehotmagazine.com/articles/hamish-fulton-walking-artist/3522 (14.12.2016). Zum Begriff der Stadt als Landschaft, der hier mitschwingt, siehe Weidmann, Heiner, Flanerie, Sammlung, Spiel. Die Erinnerung des 19. Jahrhunderts bei Walter Benjamin, München 1992, S. 85. 988 Vgl. Huber, Thomas R., Ästhetik der Begegnung. Kunst als Erfahrungsraum der Anderen, Bielefeld 2013, S.9. 186 gemeinsames Schicksal zu teilen“, wird von vielen Menschen als positiv wahrgenommen.989 Dadurch, ein Teil einer Gruppe zu sein, wirkt die gemeinsame Aktivität zudem identitätsbildend, wodurch auch eine positive Selbstwirksamkeitserfahrung möglich ist.990 Mit Blick auf Thomas Alkemeyers Untersuchung zu Subjektivierungstechniken kann davon ausgegangen werden, dass die Mitwirkung an einem der Gruppen-Walks aufgrund eines „subjektiven Sinns“ geschieht, den die Teilnehmer dem Walk und ihrer Partizipation zuschreiben. Sie sind demnach „kein bloßes Objekt disziplinierender Zurichtungen“, also folgen nicht in blindem Gehorsam den Handlungsanweisungen Fultons, sondern können sich bis zu einem gewissen Grad selbst engagiert in die Gestaltung und Durchführung der künstlerischen Aktion einbringen.991 Es liegt dabei an den Teilnehmern, was sie aus der Teilnahme machen: „Kunst lebt aus dem Wechselspiel von Nähe und Distanz, von Phasen der Kontemplation und solchen der Aktion, und es ist für den nachhaltigen Umgang mit Kunst unabdingbar, die Tiefe der individuellen Begegnung auszuloten und in all ihren Konsequenzen zuzulassen.“992 Durch das gemeinschaftliche Erleben – “united in silence”993 – wird auch das soziale Potential dieser Group Walks deutlich, wie es auch Muriel Enjalran erkennt: “These group walks […] have that exemplary value attached to experience, materializing a collective effort that serves to demonstrate the change that is possible when a group walks together down the same road.”994 .

989 Der Sportpsychologe Jens Kleinert im Interview mit Rainer Harf und Jörn auf dem Kampe, in: GEOkompakt, Nr. 34, Sport und Gesundheit, 03/2013, S. 69. Vgl. auch Hamish Fultons Aussage zum gemeinschaftlichen Aspekt seines Walks: “Walking with other people is actually an expansion of the experience of the solo walk. It’s easy to sort of drift into the idea of walking with other people and share the experience of the walk.” Hamish Fulton im Interview mit Esperanza Collado, siehe Collado, Hamish Fulton, a.a.O. 990 Vgl. Jens Kleinert im Interview mit Rainer Harf und Jörn Auf dem Kampe, a.a.O., S. 69. 991 Alkemeyer, Thomas/Michaeler, Matthias, Subjektivierung als (Aus-)Bildung körperlich-mentaler Mitspielkompetenz, in: Techniken der Subjektivierung, hrsg. von Andreas Gelhard et al., München 2013, S. 223. 992 Huber, Ästhetik der Begegnung, a.a.O., S.9. 993 Hamish Fulton in einem Interviewfilm zu seinem Public Walk in Birmingham am 08.04.2012, siehe IkonGallery, Hamish Fulton interview [YouTube-Film], 30.07.2012, https://www.youtube.com/watch?v=EKJ7G_btW34 (13.11.2014). 994 Enjalran, The Value of Experience, a.a.O., S. 22. 187 IV. Zusammenfassung und Fazit

Zu Beginn der Arbeit ließen sich in der Einleitung (I.) innerhalb von Hamish Fultons Art und Weise zu gehen vier übergeordnete Kategorien von Zeit herausarbeiten, welche seine Wanderungen ergänzen, ihnen Struktur verleihen und nicht zuletzt maßgeblich bestimmen: Kosmologische Zeit, Zahlen, zähl- und messbare Zeit; Ausdauer, Spuren der Zeit und Verschleiß sowie die Geschwindigkeit des Gehens und damit verbunden die Wahrnehmung von Zeit. Infolgedessen wurde die These aufgestellt, dass sich der Einfluss dieser zeitlichen Strukturen auch in Fultons materiellen Kunstwerken sicht- und nachvollziehbar aufzeigen lassen müsse – denn seine „Walk Works“ sind als Referenzen künstlerisch transformierter Erfahrungen zu verstehen, welche der Künstler während seiner Wanderung erlebt hat. Während diese als „Artform in its own right“ (Fulton) für sich gelten können, sind seine materiellen Kunstwerke (Referenzarbeiten) nach eigener Aussage an eine vorausgegangene Wanderung gebunden: „No walk, no work.“ Diese Form zeitlichen Nacheinanders in der Werkproduktion ist nachvollziehbar – wie aber lässt sich etwas so Ephemeres wie Zeit, Spuren ihres Verstreichens oder gar die Wahrnehmung von Zeit darstellen? Einen seit einem halben Jahrhundert konsequent gehenden Künstler unter dem Aspekt der Zeit zu untersuchen, erforderte zunächst einen etwas ausführlicheren Blick auf die Forschungslage im Kontext der Fragestellung und Hamish Fulton selbst (2. Forschungsüberblick). Der Blick in die Kunstgeschichte (Kapitel 2.1) konnte aufzeigen, dass die Auseinandersetzung mit Zeit eine lange Tradition hat – von Personifizierungen von Gottheiten wie Chronos – der Zeitdauer – und Kairos – dem richtigen Zeitpunkt – bis hin zu Vanitasdarstellungen als eigene Gattung in der Kunst. Deutlich wurde, dass sich in der Kunst infolge gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Dynamiken zu Beginn des 20. Jahrhunderts völlig neue Felder öffneten, diese zeitlichen Umbrüche künstlerisch zu visualisieren: der Darstellung flüchtiger Eindrücke (Impressionisten), Dynamiken technischer Errungenschaften (Futuristen) oder der Gleichzeitigkeit verschiedener Ansichten (Kubisten) folgte die Auflösung akademisch geprägter Gattungsgrenzen hin zu ungegenständlicher Kunst. Die Visualisierung von Zeit löste sich von der zweidimensionalen Bildebene und den gängigen Personifizierungen und verlagerte sich in den dreidimensionalen Raum, wurde zu einem gestaltenden Element im Zuge der Entwicklungen künstlerischer Strömungen wie Land Art, Fluxus oder Performancekunst und fand nicht zuletzt eine neue Erscheinungsform in Videokunst und neuen Medien (2.2.1). Diese „performative Wende“ (Fischer-Lichte) führte zu

188 einer Wiederentdeckung des Gehens als performativ-künstlerischem Akt, dem sich Fulton seitdem konsequent verschrieben hat. Im Zuge dieser Entwicklungen wurde das Thema Zeit auch vermehrt Gegenstand kunsthistorischer Forschungen, die sich vor allem mit Zeit auf der Werkebene beschäftigte (2.1). Für die vorliegende Arbeit waren es besonders die Veröffentlichungen Margarethe Jochimsens, Arnulf Rohsmanns, Hannelore Paflik-Hubers, Umberto Ecos oder Jean-François Lyotards, welche die Grundlage für die Untersuchung von Zeit im Werk von Hamish Fulton bildeten. Es konnte dargestellt werden, dass sich Zeit in der Kunst Fultons auf vielen Ebenen ausmachen lässt: auf einer Konzeptions- und Produktionsebene, die in Form der Wanderungen auch bereits eine performative Werkebene enthält, die „klassische“ Ebene materialisierter Kunstwerke (Bildebene) sowie eine erneute performative Ebene, welche im Zusammenhang mit seinen „Group Walks“ auch die Betrachter involviert und die Rezeptionsebene seiner Kunst um eine aktive, partizipative Dimension erweitert. Da der Schwerpunkt der Arbeit auf dem Aufzeigen sichtbarer, zeitlicher Strukturen in den materiellen Werken Fultons liegt, sollte die Analyse zunächst auf der Werkebene stattfinden. Als gehender Künstler ist Fulton längst nicht alleine. Allerdings finden sich wenige Künstler, die das Gehen ähnlich konstant und mit einer vergleichbaren ethisch bedingten Haltung der Natur gegenüber vollziehen. Am vergleichbarsten war im Zuge der vorliegenden Untersuchung immer wieder Richard Long, dessen Arbeiten auf Papier ebenso wie seine typografische Wandarbeiten und Drucke denen Fultons mitunter zum Verwechseln ähnlich sind (Sunrise Shadows, Distance and Time, A Line of 33 Stones). Trotz dieser Ähnlichkeit könnten die beiden Künstler in ihrer Kunst und ihrer künstlerischen Praxis innerhalb des Naturraums nicht unterschiedlicher sein: Während Longs Steinkreise in der Natur oder das Entfernen natürlichen Materials für seine kreisförmigen Skulpturen in Ausstellungsräumlichkeiten einen längerfristigen Einfluss auf die natürliche Umgebung haben, wandert Fulton nach den ethischen Richtlinien des „Leave No Trace“-Verhaltenskodex, um gerade keine dauerhaften Spuren seines menschlichen Einwirkens zu hinterlassen. Wie im Zuge der Untersuchung jedoch deutlich wurde, lässt sich Fulton eindeutig von jenem Verständnis von Land Art abgrenzen, da er unter dieser künstlerischen Praxis einen deutlich sichtbaren, den Landschaftsraum oft massiv verändernden Eingriff versteht. Inwiefern der sehr weit dehnbare Begriff „Land Art“ nicht doch durch seine weiteren Bedeutungsfelder als

189 oberflächliche Kategorisierung anwendbar wäre, konnte hinsichtlich der übergeordneten Fragestellung nicht abschließend geklärt werden. Der Blick auf das Gehen als künstlerische Praxis im Spiegel der Gegenwartskunst und der Kunstgeschichte (2.2.2) verdeutlichte, dass sich vor allem in den vergangenen Jahren eine große Anzahl an Künstlern dem Gehen verschrieben hat – eine Entwicklung, die sich auch gesellschaftlich anhand einer großen Anzahl an Wanderführern, performativen Geh- Angeboten und politisch motivierten Märschen erkennen lässt. Dennoch ist die Forschungslage vergleichsweise dürftig. Auch wesentliche neuere Publikationen zum Thema Gehen in der Kunst wie von Ralph Fischer oder David Evans können die von Fulton selbst immer wieder angebrachte Kritik, die Kunstgeschichte habe sich bislang nicht ausreichend mit dem Gehen als Kunstform auseinandergesetzt, nicht gänzlich entkräften. Dies trägt bis heute nicht unerheblich dazu bei, dass seine Kunst immer wieder missverständlich verortet wird. Obwohl der Künstler selbst immer wieder betont, dass es nicht möglich sei, individuell erlebte Erfahrungen wiederzugeben, hat er im Laufe der vergangenen 50 Jahre ein umfangreiches und äußerst facettenreiches materielles Oeuvre geschaffen, das seine ephemere „Walking Art“ auch für die Kunstbetrachter nachvollziehbar macht. Der Forschungsüberblick zu Hamish Fulton (2.3) hat aufgezeigt, dass es bislang noch kein Überblickswerk gibt, das diese Kunst dezidiert kunsthistorisch bespricht. So erschien es sinnvoll, vor Beantwortung der Forschungsfrage ein Kapitel zu den Werkgruppen Fultons einzufügen, um eine theoretische Grundlage für das Verständnis der weiteren Analysen zu schaffen (II.). Hier ließ sich eine Unterscheidung in Wanderungen (1.) und materielle Werke (2.) treffen. Seine Wanderungen (1.) trotz unterschiedlicher Bezeichnungen klar voneinander zu differenzieren, erwies sich als schwierig, da er sowohl kurze Gänge als auch Wanderungen über weite Distanzen gleichermaßen als „Walks“, „Wandering Walks“ oder „Walking Journeys“ benennt. Dennoch konnte festgehalten werden, dass ein „Walk“ (1.1) eher kurze Wanderungen umschreibt, auf denen er ein klares Ziel vor Augen hat und die zurückzulegende Route zuvor weitestgehend definiert hat. In seinen Kunstwerken werden Walks häufig in direkter Verbindung zu Angaben der Dauer oder Entfernung formuliert und enthalten auch spezifischere Bezeichnungen wie „Connecting Walk“, „Circular Walk“, „Coast to Coast walk“,“Slow Walk” oder auch “Group Walk”. Ein Wandering Walk (1.2) kommt hingegen ohne Angabe von Kilometern oder Meilen aus: häufig finden sich stattdessen Angaben zu anderen zählbaren Elementen sowie die

190 Materialisierung in Form von Holzobjekten. Ist bei einem Walk die Route meist festgelegt, sind bei einem Wandering Walk sowohl Dauer als auch Weg flexibel.

Die „Walking Journeys“ (1.3) zeichnen sich durch die langen Distanzen aus, die Fulton während dieser Fußreisen zurückgelegt hat. Ein fixer Start- und möglichst eindeutiger Endpunkt sowie eine grobe Schätzung der Dauer lassen viel Spielraum für den Weg, der sowohl durch die Natur als auch in Form von „Road Walking Journeys“ auf befestigten Straßen vollzogen werden kann. All diese Formen von Wanderungen setzt Fulton in unterschiedliche materielle Werke (2.) um, für welche in dieser Arbeit der Begriff „Referenzarbeiten“ geprägt wurde, um die Inbezugnahme auf die vorausgegangenen Wanderungen eindeutig hervorzuheben. Diese Arbeiten umfassen Fotografie (2.1), überdimensionale typografische Wandbilder (2.2), kleine Holzobjekte (2.3), Malereien und Zeichnungen (2.4) sowie zahlreiche Künstlerbücher (2.5).

Wichtigster Bestandteil dieser künstlerischen Äußerungen ist dabei der „Walk Text“, welcher alle Arbeiten schriftlich um Information zu den Fakten der Wanderungen ergänzt und in allen materialisierten Arbeiten jeglicher Form zu finden ist. Nach dieser umfassenden Einführung in die Fragestellung und die Kunst Hamish Fultons war eine solide Grundlage geschaffen, im Hauptteil der Arbeit (III.) anhand ausgewählter Beispielarbeiten die Verbildlichung zeitlicher Strukturen im Oeuvre Fultons aufzuzeigen. Das 1. Kapitel widmete sich dem Aufzeigen sichtbarer Einflüsse kosmologischer Zeit in seinen Referenzarbeiten (1. Kosmologische Zeit). Wie eingangs angenommen wurde, hat kosmologische Zeit einen großen Einfluss sowohl auf Hamish Fultons Wanderungen, als auch auf die daraus entstehenden Kunstwerke. So richtet der Künstler seine Wanderungen vor allem an Sonnenwenden (1.1 Sonne) und Vollmonden (1.2 Mond) aus oder bestimmt einen eindeutigen Start- bzw. Endpunkt und grenzt dadurch sowohl die Dauer einer Wanderung, als auch die zurückzulegende Strecke ein. Während die Lichtverhältnisse zum Zeitpunkt der Sommersonnenwende Fulton ermöglichen, möglichst weite Strecken bei Tageslicht zurücklegen zu können, bieten die klaren Nächte zum Zeitpunkt der Wintersonnenwende einen besonders hellen Vollmond, was der Künstler sich für Wanderungen in der Nacht zunutze macht. Die Verbindung zur großen Geschichte der Mythologie liegt nahe, ist aber nicht Fultons vorderster Beweggrund. Wie sich aufzeigen ließ, visualisiert Fulton den Bezug zu kosmologischer Zeit oft in Form von Fotografien, welche einen Hinweis auf die Sonne oder den Mond geben (July Full Moon), häufig erkennbar durch den Schattenwurf von Bergen, Steinen oder anderen Gegenständen,

191 auf welche die Sonne scheint (z.B. Sunrise Shadow; Boulder Shadow; Eight Reed Shadow Line; Villanueva de Cordoba). Der Schatten ist dabei ein immer wiederkehrendes Motiv in Fultons Ouevre (1.1.1). Immer wieder greift Fulton auch Symbole aus der Kulturgeschichte auf: hier ist es vor allem der weiße Kreis, der Fulton dazu dient, auf Wanderungen bei Vollmond Bezug zu nehmen (1.1.2, z.B. The Second Full Moon of May; Walking and Camping for Seven Days; A Nine Day Circular Walk (Wandbild)) sowie der gelbe Kreis für die Sonne (Kailash Kora; The Second Full Moon of May). Darüber hinaus konnte herausgearbeitet werden, dass zyklische Zeit eine große Rolle in Fultons Kunst spielt. Die Kreisform wird von Fulton somit auch als Visualisierung zirkulär verlaufender Wanderungen verwendet und häufig – jedoch nicht ausschließlich – in Form von Umrandungen von Steinen oder diverser Gegenstände wie Camping-Equipment (Kochtopf, Trinktasse oder Kerze) visualisiert (z.B. The Second Full Moon of May; Walking and Camping for Seven Days; A Nine Day Circular Walk (Outlines). In seinen rein typografischen Arbeiten (1.3 Sterne) ist es vor allem der Walk Text, der die Betrachter über den Einfluss kosmologischer Zeit auf seine Wanderungen informiert (Solstice; Stars, Paces). Anhand von unterschiedlichen Versionen von Sunrise Shadow (1.1.1) konnte aufgezeigt werden, dass sich sowohl Position wie Inhalt des Walk Texts im Laufe der Zeit verändert haben, als auch die grafische Umsetzung seiner Referenzarbeiten eine deutliche Veränderung durchlaufen hat. Eine wichtige Entwicklung war dabei die Integration des Walk Textes in die Fotografie bis hin zur Ersetzung derselben (Sunrise Shadow, Stars Paces). Das ließ sich auf Fultons Bedürfnis zurückführen, sich von Vergleichen mit Landschaftsmalern der Romantik abzugrenzen. Der Walk Text ermöglicht es den Kunstbetrachtern, das vom Künstler Erlebte vor dem inneren Auge zu visualisieren und nachzuvollziehen. Wie sich anhand von Stars Paces (1.1.3) erläutern ließ, bietet das Gestaltungsmittel der Typografie Fulton die Möglichkeit, sein Interesse für Werbegrafik in seiner Kunst umzusetzen und so sein gesteigertes Interesse für die Belange der Natur deutlich zu machen. Kairos, der Richtige Zeitpunkt, spielt immer wieder eine Rolle in der Kunst Fultons, vor allem in Hinblick auf Fotografie, die als Momentaufnahme einen Zeitpunkt seiner Wanderungen betont (July Full Moon). Auf der Ebene der Rezeption ist es vor allem die Zeit der Betrachter in Form von Lesezeit, die gefordert ist (July Full Moon, Stars Paces).

In Hamish Fultons Kunst bestimmen Zahlen, der Akt des Zählens sowie des Vermessens als Strukturen von Zeit sowohl die Wanderungen, als auch die daraus resultierenden Kunstwerke

192 (2. Zahlen, Zählbare Zeit und Vermessen). Ob als Fotografie, Wandbilder aus Vinyl oder installativ präsentierten Holzobjekten: auf vielfältige Art und Weise setzt Fulton die gezählten Elemente in Kunstwerke um und stellt so für die Betrachter einen sichtbaren Bezug zu seinen zuvor erfolgten Wanderungen her. Seit seinem Kunstprojekt Hitchhiking Times (2.1.1), das Hamish Fulton 1967 noch zu Studienzeiten umsetzte, sind Zahlen (2.1) elementarer Bestandteil seiner Wanderungen wie auch seiner Walk Works. Dient Fulton die Verwendung von Zahlen zuvorderst dazu, die Fakten seiner Wanderungen so präzise wie möglich wiederzugeben, kommt der Sieben eine besondere Bedeutung zu, die eng verknüpft ist mit kosmologischer Zeit und der Verschränkung historischer Begrifflichkeiten, die bis heute in Sprachgebrauch und Lebensweise hineinreichen. Häufig orientiert Fulton die Dauer seiner Wanderungen oder Gezähltes an der Sieben oder ihren Vielfachen. Seit 1967 hat Fulton verschiedene Darstellungsformen für Zahlen verwendet, zwei davon sind am stärksten vertreten: Die Ziffer selbst sowie das ausgeschriebene Zahlwort. Anhand der Analysen von Not By Car (2.1.2) und Geronimo Homeland (2.2.1.3) konnte aufgezeigt werden, dass er Worte und Zahlen dabei häufig miteinander verschränkt und Wörter verwendet, deren Buchstaben sich mit der Anzahl gewanderter Tage decken. Dies setzt er vor allem in Werken ein, in welchen er Themen wie Umweltschutz, Klimawandel oder Gesellschaftspolitik thematisiert (The Wolf, Climate Changes, Market Forces, Tibet Is Not Free). Anhand von Eleven Notches for an Eleven Day Walking Journey (2.2.1.1) wurde deutlich, dass Fulton in der künstlerischen Visualisierung des Zählens (2.2) zwar zu Beginn seines Schaffens noch mit Elementen der Land Art experimentierte, sich aber mittlerweile deutlich davon entfernt hat. Zudem zeigt sich, dass es nicht möglich ist, ihn einer Kunstgattung alleine zuzuordnen. Das Zählen von Schritten (2.2.2) ist für Fulton ein probates Mittel, seine kreisenden Gedanken („constant chatter“) zu beruhigen, präsenter im Hier und Jetzt zu sein, sich also nicht in der Zeit zu verlieren und in eine meditative Grundstimmung zu kommen. Als bildnerisches Hilfsmittel dient ihm dabei Typografie (Counting 33210 Paces), die teilweise sogar die Art des Walks sichtbar macht (z.B. Circular Walk in Counting 539 Barefoot Paces, 2016) sowie farbige Fingerabdrücke oder bunte Farbpunkte (Counting 539 Coloured Dots for 49 Barefoot Steps). Versteht man im Sinne Fultons seine Walking Art als „artform in its own right“ mit dem Akt des Gehens als künstlerischem Ausdrucksmittel, so transformiert Fulton im zweiten Teil seiner

193 künstlerischen Tätigkeit diese Kunsthandlung in ein klassisches künstlerisches Medium. Gezählte Schritte werden zu gezählten Punkten, Walking Art wird zu Painting Art. Touching By Hand One Hundred Rocks (2.2.3.1) visualisiert eine sehr sinnliche Form des Zählens, in der die Landethik Aldo Leopolds mitschwingt. Ziel von Hamish Fultons Gehen ist die Transformation des Ichs in Wechselwirkung mit der Natur. Titel, Text und visuelle Umsetzung ergänzen sich dabei auf verschiedenste Weise und ermöglichen den Betrachtern ihrerseits einen Perspektivwechsel in der Rezeption von Natur. Das Interesse am Zählen von Steinen war dabei mit der Richard Longs vergleichbar.

Anhand des Aquarells Mountain Skyline Switzerland (2.2.3.2) konnte aufgezeigt werden, dass sich Zeit auch in Form der Linie als Aneinanderreihung von „Jetztpunkten“ (Klee und Grüsser) wie ein roter Faden durch Fultons Kunst zieht. Die künstlerische Umsetzung erfolgt dabei in vielen verschiedenen Medien: Fotografie, Malerei, Holz und Wandbilder symbolisieren sowohl gezählte Berggipfel, als auch durchwanderte Bergmassive. Die Linie kann dabei als Symbol für Auf und Ab des Lebens, das menschliche Bedürfnis nach Orientierung und Abgrenzung, aber auch Horizonterweiterung verstanden werden. Das Auflisten von Wanderungen wie 17 Seven Day Walks (2.2.4.1) ist Hinweis darauf, dass all seine Wanderungen aufeinander aufbauen. Dabei verschiebt sich der Fokus von einzelnen Wanderungen hin zum Blick auf die Quintessenz verschiedenster Wanderungen zu unterschiedlichen Zeiten. Fulton sieht diese Arbeiten als Kommentar dazu, wie die Menschen mit der Natur und der Umwelt umgehen, offenbart deutlich eine damit verbundene politisch motivierte Haltung. One Hundred Mile Walking Stick (2.2.5.1) konnte aufzeigen, dass Fultons Art zu zählen und sein Umgang mit der Natur deutlich von dem Naturverständnis amerikanischer Indianerstämme geprägt wurde. Die Analyse zeigte auch, dass sich im Verlauf der Zeit seine Zählweise weg von der zurückgelegten Distanz, hin zu der Anzahl gewanderter Tage, also der Dauer der Wanderung insgesamt, verlagert hat. Thirteen Miles to Brecon (2.2.5.2) zeigte seine Vorliebe für die grafische Gestaltung historischer Meilensteine als Monumente der Zeit schlechthin. Für Fulton sind Meilensteine eine Form von „Outdoor Text“, der im öffentlichen Raum zugänglich ist. Die im Zusammenhang mit der Analyse von Sunrise Shadow vorgenommene Werkanalyse zeigt, wie sich Fotografie und Walk Text im Laufe der Jahre miteinander verschränken.

194 „A walked line unlike a drawn line can never be erased“ und “I walk to be woven into nature” – diese zwei Zitate Fultons sind nicht nur zwei wichtige Aussagen, die sein Kunstschaffen ausmachen, sondern beschreiben auch besonders gut das Kapitel 2.3 Vermessen. Unwiderruflich in die Geschichte der durchwanderten Region eingegangen, werden die in der Natur nicht mehr erkennbaren Wanderrouten Fultons im Kunstwerk zu sichtbaren Linien (2.3.1 Walking (32 Walks Map)). Sie symbolisieren nicht nur den Anspruch des Künstlers, sich beim Gehen mit der Natur zu verweben, sondern bilden diese Struktur tatsächlich ab. Diese nun sichtbaren Wege Fultons ergeben ein weltumspannendes Netz, das sowohl politische, kulturelle als auch natürliche Grenzen überwindet und dadurch als verbindendes Element in vielen seiner Kunstwerke in Erscheinung tritt. Die Vechte entlang gehen (2.3.2) als Sinnbild des Flusses für linear verlaufende Zeit und volkstümlich geprägter Sprichwörter war Anlass, Fultons umweltpolitisches Interesse an der kostbaren Ressource Wasser aufzuzeigen (Drinking Mountain Water, Water Cycle). Dürre und Überschwemmungen werden in seinen Werken ebenso thematisiert wie schmelzende Gletscher oder die Praktiken globaler Wasserwirtschaft (Melting Glacier, Disapearing Lake, Geronimo Homeland). Bei sich wiederholenden Wanderungen auf denselben Wegen wie anhand von Swifts and Lizards (2.3.3) aufgezeigt, wird Zeit im Distanzen messenden Schritt repetitiv erfahrbar – ähnlich wie bei Rundwegen, die mit zirkulär verlaufender Zeit vergleichbar sind. Häufig finden sich im Oeuvre Fultons diagonale und sich kreuzende Linien, um diese Art von Wanderungen zu verbildlichen (Endless Knot; Tibetan Lingkor; 11 One Day Walks; Swifts and Lizards). Die Kunstbetrachter können die Erfahrung des Künstlers jedoch nicht nur in seinen Arbeiten nachvollziehen, sondern auch tatsächlich in Form von partizipativen Geh-Angeboten wie beispielsweise beim Group Walk Sion selbst erleben

Im Kapitel Ausdauer, Spuren der Zeit und Verschleiß (3.) wurde untersucht, wie sich Zeit auf Körper, Natur und Material auswirkt. In Form von Ausdauer ist Zeit zuvorderst physisch- sinnlich erfahrbar und wird vor allem in den performativen Künsten oft bis an die Grenzen physischer und psychischer Belastbarkeit ausgereizt (3.1 Körper). Wie sich aufzeigen ließ, war die Erfahrung des Gehens im Zuge von Hamish Fultons Wanderung durch Großbritannien 1973 nur die erste von zahlreichen Fußmärschen, in deren Verlauf er seine persönlichen, körperlichen und mentalen Grenzen auslotete (Mind Body Walk; Bardo; A 2498 Kilometre Walking Journey). Wo die Kunstbetrachter nicht selbst als Beobachter oder gar Teilnehmer

195 anwesend sein können, sind es indexikalische Zeichen und zeitlich oder emotional konnotierte Begrifflichkeiten auf der Werkebene, welche in Form typografischer Visualisierung physiologischer Vorgänge den intensiven und authentischen Dialog des Künstlers mit der Umwelt aufzeigen (Mind Body Walk; Bardo; A Shepherd walking with his Sheep and Dog). Die Hinwendung zum Körper in der Kunst lässt sich als Folge „technologisch induzierter Veränderungen in der Lebenskultur“ (Fischer) verstehen: Künstler wollen weniger bildlich oder skulptural darstellen, sondern mehr selbst erproben. Die körperliche Anstrengung stellt für Hamish Fulton darüber hinaus eine Möglichkeit dar, wie bei Zählen von Schritten, präsenter im Hier und Jetzt zu sein.

Zeit kann auf körperlicher Ebene auch durch körperlich-mental besonders herausfordernde Situationen wie Höhenbergsteigen erfahrbar werden (3.1.2 Bardo). Das Bergsteigen hat bei Fulton drei Gründe: Erstens ein grundsätzliches Interesse an Abenteurern, Expediteuren und Bergsteigern und zweitens die körperlichen Herausforderungen („chemistry of physical exhaustion“, Fulton) und der Akt des Gehens. Drittens bietet es Fulton die Möglichkeit, sich als Künstler auf künstlerisch bislang selten erprobtes Terrain zu begeben und sich dadurch deutlicher von Zuschreibungen wie „Land Art“ oder „Concept Art“ distanzieren zu können. Die Referenzarbeiten zu seinen zahlreichen Bergbesteigungen sind daher häufig mit Statements versehen (This is not Land Art, Earth Art and Beyond) oder politisch konnotiert: Vor allem im Zusammenhang mit dem Tibet-China-Konflikt bezieht er eindeutig politisch Stellung und belässt es nicht bei einem subtilen Kommentar (Kilroy was here but the Dalai Lama wasn’t; Chinese Economy Tbetan Justice; Tibet Is Not Free). Anhand von A Shepherd Walking with his Sheep and Dog (3.1.3) ließ sich auch der Hinweis auf das Aussterben, aber auch die Revitalisierung traditioneller Berufe aufzeigen, die einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität im Landschaftsraum leisten. Dies ist erneut als Hinweis zu verstehen, dass Fultons Arbeiten zunehmend auch eindeutig politische Kommentare beinhalten. Im Zusammhang mit Natur (3.2) finden sich Spuren der Zeit bei Fulton sowohl in Form von Fotografie (Bird of Prey), aber vor allem mittels typografischer Werke. Da die Veränderungen der Natur für Fulton vor allem von sinnlicher Qualität zu sein scheinen, finden sich hier häufig die körperlichen Sinne implizierende Begriffe, die mitunter an die japanische Gedichtform des Haiku erinnern (Melting Snow Ice). Dabei konnte aufgezeigt werden, dass Fulton fast alle fünf

196 Sinne auffällig häufig in seinen Referenzarbeiten thematisiert (The Crow Speaks; Geese Flying South; Bitten By A Dog; Drinking Mountain Water). Auch hier lassen sich immer wieder Werke ausmachen, die aktuelle Themen wie Klimawandel und Umweltschutz aufgreifen (Global Warming; Disappearing Lake; Climate Changes) oder deren großen Zeitspannen aufzeigen (A Tree at its Birthplace A Boulder at its Resting Place). Nicht zuletzt kann Zeit auch anhand von Materialabnutzung (3.3 Material) erkennbar werden, entweder in Form von Holz als indexikalisches Zeichen für das Vergehen von Zeit (Jahresringe) oder Holzschnitzereien als identitätsstiftendes Zeichen von „Ich war hier“ (Bird of Prey). Die Anzahl zurückgelegter Kilometer verbildlicht Fulton häufig durch die Fotografie abgelaufener Schuhsohlen (A 2498 Kilometre Walking Journey). Im Zusammenhang mit dieser Arbeit konnte auch der Hinweis auf Verbindung und Solidarität mit den Ureinwohnern Amerikas herausgearbeitet werden. Die vorrangige Erwähnung des „Indigenous Peoples Day“ anstelle von Nationalfeiertag oder „Kolumbustag“ macht das deutlich. Die Geschwindigkeit des Gehens (4.) ist in den Referenzarbeiten Fultons hauptsächlich in Form von Typografie und Bewegung implizierender Fotografie ersichtlich (4.1 Walking Slowly on the Condor’s Outline). Hatte sein erster „Slow Walk“ bereits 1967 mit London 2 February 1967 stattgefunden, sollte erst das Gehen auf den Linien der uralten Scharrbilder in der Wüste Nazcas, deren Betreten mittlerweile verboten ist, eine Auseinandersetzung mit und Hinwendung zum bewusst langsamen Gehen erwirken. In seinen Arbeiten findet sich kein Hinweis auf besonders schnelle Wanderungen, aber laut eigener Aussage variiert er sein Schritttempo, um das gesetzte Ziel seiner Wanderungen, seine „rules of the way“ (Fulton) zu erreichen. Gehen als Praxis, die sich Zeit nimmt, bietet einen Gegenpol zur Beschleunigung des 20. und 21. Jahrhunderts und grundsätzlich die Möglichkeit, das innere Zeitgleichgewicht wiederzuerlangen. Sein Wandbild Slowness (2008) steht daher beispielhaft für die symptomatische Suche nach Ruhepolen in unserer Gesellschaft und nach Möglichkeiten, sich dem Diktat der Schnelllebigkeit entziehen zu können. Am Beispiel von Slowalk in Newcastle (4.2) konnte aufgezeigt werden, dass Zeit in seinen Group Walks nicht als Bildgegenstand, also auf der Werkebene zu verzeichnen ist, sondern vor allem als zeitlicher und physischer Erfahrungswert für die Kunstbetrachter, die in diesem Fall Teilnehmer sind, in die Kunst eingeht. Das liegt darin begründet, dass lebendige Prozesse wie die Erfahrung des Gehens schwer vermittelbar sind. Die Group Walks bieten den Teilnehmern

197 eine Möglichkeit, verschiedene von Fulton in seinen Solo-Wanderungen bereits erprobte Formen des Gehens in einem künstlerischen Setting aktiv selbst zu erleben: das Hin- und Hergehen (Sion, Palazzo Ducale), zirkuläres Gehen (Pompidou, Hamburg), richtungsweisendes, lineares Gehen (Penzance, Bad Kleinkirchheim). In den meisten Fällen führt die bewusste Auseinandersetzung mit dem Akt des Gehens zu einer bewussten Wahrnehmung von Zeit, dies vor allem in jenen Goup Walks, die als Slow Walks bezeichnet werden (Ai Wei Wei, Newcastle). Group Walks erweitern die bekannten fünf Sinne Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken, Riechen um die von Pöppel genannten Sinn der Lagewahrnehmung und der Bewegungswahrnehmung, die durch Erlebnisse von Dauer, Jetzt, Folge, Gleichzeitigkeit und Ungleichzeitigkeit erfahrbar werden. Hier ist vor allem die qualitativ-konkrete Handlungs- und Ereigniszeit sowie die körperlich-sinnlich erfahrbare Zeit der Rezipienten selbst in Form von Erlebniszeit tragend. Group Walks können darüber hinaus als eine Form zeitgenössischem Hortus Conclusus, als Form Foucault‘scher Heterotopie und als Arena performativer Partizipation verstanden werden, in denen soziale Prozesse wie beispielsweise Erfahrungen von Selbstwirksamkeit möglich sind.

Wie die Zusammenfassung der Arbeit noch einmal vergegenwärtigt, ist Zeit in all ihren Facetten ein geradezu selbstverständlicher Teil von Hamish Fultons Kunst. Sie bestimmt nicht nur den Verlauf seiner Wanderungen, sondern lässt sich auch in seinen materiellen Kunstwerken visuell nachvollziehen und bei Teilnahme an einem seiner partizipativen Geh- Angebote in der Gruppe körperlich-sinnlich erfahren. Die Strukturen von Zeit manifestieren sich dabei vor allem auf der Werkebene sicht- und nachvollziehbar. Darüber hinaus ist Zeit aber auch auf allen anderen Ebenen enthalten, so als Zeit der Wanderung selbst, als Zeit der Werkproduktion sowie als Zeit jenes rezeptionsästhetischen Moments, in welchem die Betrachter bis in die Zukunft hinein aktiv an seiner Kunst teilhaben oder sich mit ihr auseinandersetzen. Dabei ist die Rezeption von Fultons Kunst zeitlich durchaus anspruchsvoll, denn sie erfordert mündige Betrachter, die sich Lesezeit und Teilnehmer, die sich Geh-Zeit nehmen. Darüber hinaus haben die Analysen einzelner Werke ergeben, dass sich bestimmte zeitliche Hinweise auch immer wieder in Form verschiedener Zeichen und Symbole erkennen lassen:

198 Kreis, Dreieck und Linie sind dabei die am häufigsten verwendeten Formen (einmal mehr eine Gemeinsamkeit mit der Symbolsprache der Land-Art-Künstler):

Der gelbe Kreis kann im Allgemeinen dahingehend „gelesen“ werden, dass die Wanderung in einem engen Bezug zur Sonne stand; der weiße Kreis vor allem für Wanderungen zum Zeitpunkt des Vollmonds. Fulton verwendet die Kreisform allerdings auch für Wanderungen, die zirkulär verlaufen, also in Form eines einmaligen Rundweges sowohl an ihrem Ausgangspunkt enden, als auch in Form wiederholten Gehens mehrfach über ihn hinausführen. Dies findet sich oft anhand von Umrandungen von Kaffeetasse und/oder Kochtopf.

Ein Dreieck kann im Allgemeinen sowohl ein Hinweis darauf sein, dass Fulton den Gipfel eines ganz bestimmten Berges bestiegen hat, wie z.B. den Fuji oder den Everest, oder innerhalb eines Gebirges gewandert ist. Es finden sich zahlreiche Formen: Treppe/Podest, gerade Linie, Holzstapel, Malerei, Zeichnung, Fotografie. Zudem lässt sich sogar unabhängig vom Walk Text anhand der Anzahl der von Fulton verwendeten Zacken des Dreiecks oder Anzahl der Holzelemente feststellen, wieviel Tage er unterwegs war, ob er innerhalb eines Gebirges gewandert ist oder einen einzelnen Berg bestiegen hat: Ein flaches Dreieck lässt eine Wanderung auf einen Vulkan erahnen, die trapezähnliche Form mit abgeflachter Spitze bezieht sich dabei auf Fultons Wanderung auf den Fuji, ein hochformatiges Rechteck mit dreieckiger Spitze wiederum symbolisiert Wanderungen um den Kailash. Überlagern sich die Linien der Dreiecke, kann dies auch ein Hinweis darauf sein, dass alle seine Wanderungen aufeinander aufbauen und sich mitunter sogar kreuzen. Nicht zuletzt visualisiert diese Form der Linie Fultons Anspruch, sich während seiner Wanderungen mit der Natur verbinden zu wollen. Als einzelnes gestalterisches Element tritt die Linie vor allem gezackt in Erscheinung und deutet darauf hin, dass Fulton während seines Walks innerhalb eines größeren Gebirges gewandert ist.

Im Zuge der Frage, wie sich die postulierten zeitlichen Strukturen sichtbar in seinem Werk manifestieren, hat sich also gleichzeitig eine Art Ikonografie der von Fulton verwendeten Zeichen und Symbole herauskristallisiert, welche die Grenzen sichtbarer, zeitlicher Strukturen überschreitet. Nicht immer lässt sich durch das oben aufgezeigte Vokabular jedoch eindeutig Form und Bedeutung zusammenbringen. Dennoch ist damit ein schnelles, erstes Einordnen seiner Referenzarbeiten zu bestimmten thematischen Schwerpunkten seiner Wanderungen

199 möglich, ohne dass ein weiterer Hintergrund zur Wanderung oder der Walk Text bekannt sein müsste. In der vorliegenden Arbeit stand im Vordergrund, sichtbare Strukturen von Zeit in den materiellen Kunstwerken Hamish Fultons aufzuzeigen. Dies stellt einen Zugang von vielen weiteren, denkbaren Möglichkeiten dar, sich seinem umfassenden Oeuvre zu nähern. Auch die thematische Einteilung zeitlicher Strukturen selbst ist eine von vielen Varianten, Zeit in seiner Kunst aufzuzeigen und orientierte sich an jenen Zeitbezügen, die thematisch am augenscheinlichsten zu erkennen waren. Fultons Kunst im Verlauf der Untersuchung mit Werken anderer Künstler zu vergleichen, war möglich, aber auch nicht immer sinnvoll – schnell lassen sich rein formalästhetische Vergleiche ziehen, die sich auf die verwendete Technik, das verwendete Material, die angewandte Methode oder das sichtbare bildliche Motiv beziehen. Ein Künstler jedoch wie Fulton, dessen materielle Kunstwerke alle aus der Erfahrung des Gehens resultieren, ist nicht mit rein formalästhetischen Vergleichen zu erklären, bestenfalls in seiner Individualität abzugrenzen. Am ehesten bot sich für einen Vergleich die Art des Gehens selbst an, ebenso wie der Bezug zur Natur oder die Öffnung seiner Kunst für weitere Gehende. Eine eindeutige Verortung Fultons als Gehender im Kontext und in Abgrenzung zu anderen gehenden Künstlern war jedoch aufgrund der klar formulierten Fragestellung nicht in der gebührenden Tiefe möglich. Wie sich im Zuge der Werkanalysen en passant immer wieder gezeigt hat, ist Zeit nur eins von vielen weiteren und oft großen Themen, die sich wie rote Fäden durch seine Kunst ziehen – sowohl durch seine Solo Walks, als auch seine Walk Works oder die partizipativen Group Walks. Hier ist zuvorderst sein gesellschaftskritischer und immer wieder deutlich politischer Kommentar zu nennen, aber auch sein physischer wie geistiger Zugang zur Natur selbst, der von den Ureinwohnern Amerikas und der „Leave No Trace“-Ethik geprägt wurde. Auch hinsichtlich seiner Verortung im Kontext der von ihm verwendeten Medien wie Fotografie, Typografie, Malerei oder den partizipativen Geh-Angeboten wäre es interessant, tiefer zu forschen. Wurden manche dieser und weiterer Themen nur oberflächlich berührt, so ist dies der Tatsache geschuldet, den Fokus auf der zu Beginn der Arbeit aufgeworfenen Forschungsfrage zu behalten. Es zeigt aber deutlich, dass die Kunst Hamish Fultons weitaus komplexer ist, als gemeinhin angenommen – und sich der gezielte Blick einer kunsthistorischen Analyse ebenso lohnt wie die interdisziplinäre Untersuchung seines Oeuvres.

200 Eine Dissertation über einen Künstler zu schreiben, dessen Werk noch nicht in ausführlichen Forschungen publik gemacht worden ist, führt unweigerlich zu einem Spagat zwischen der Beantwortung der Fragestellung und der Bereitstellung eines grundsätzlichen Überblicks, der dann leicht als fixierte Form einer Anleitung zum Kunst-Sehen oder den-Künstler-Verstehen missverstanden werden könnte. Bei Hamish Fulton wird dieser Spagat darüber hinaus zu einem Zickzack-Parcours sowohl durch die Kunst- als auch Kulturgeschichte. Die vorliegende Arbeit hatte nicht den Anspruch, Hamish Fulton und seine Kunst ein für allemal zu deuten – oder gar abschließend zu klären, ob er nun doch ein Land Art-Künstler ist, sein Gehen nicht doch konzeptuell oder seine Herangehensweise an und in der Natur nicht doch auch mit Denkkonzepten der Romantik oder großer Philosophen viel besser zu verstehen wäre. Aber es wurde versucht, mithilfe einer eindeutigen Forschungsfrage einen ersten, intensiven Zugang zu seiner Kunst zu ermöglichen und dabei gewisse bis dato getätigte Aussagen und Einordnungen seiner künstlerischen Praxis kritisch zu hinterfragen sowie mögliche Schwerpunkte und Entwicklungen aufzuzeigen. Im Idealfall bieten sich in dieser Dissertation Möglichkeiten zur Beantwortung alter, großer Fragen – und wecken bei den Lesern idealerweise den Wunsch, Antworten auf neue, ebenfalls große Fragen zu finden.

201

202 Literaturverzeichnis

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Ausstellungskataloge

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213 Richard Long. Heaven and Earth, Ausstellungskatalog Tate Britain, 03.06.-06.09.2009, London 2009 Richard Long. In Kreisen gehen, Ausstellungskatalog zur Ausstellung Richard Long. Walking in Circles, Hayward Gallery, The South Bank Centre, London, 14.06.-11.08.1991, Stuttgart 1994 Richard Long. Prints 1970-2013, Ausstellungskatalog Museum Kurhaus Kleve (21.04.-30.06.2013), Hamburger Kunsthalle (15.07.-20.10.2013), The New Art Gallery Walsall (Mai-Juli 2013), Köln 2013 Thirty One Horizons. Einunddreissig Horizonte. Hamish Fulton, Ausstellungskatalog Lenbachhaus München, 09.09-05.11.1995, München 1995 Walk on. From Richard Long to Janet Cardiff. 40 years of Art Walking, Ausstellungskatalog Northern Gallery for Contemporary Art Sunderland, 01.06.-31.08.2013, Manchester 2013, online unter https://issuu.com/stereographic/docs/walkon_for_issuu (08.02.2018) Walking in relation to everything. Hamish Fulton, Ausstellungskatalog Turner Contemporary (17.01.- 06.05.2012) und IKON Gallery (15.02.-22.04.2012), Manchester 2012 Zeit. Die vierte Dimension in der Kunst, Ausstellungskatalog Kunsthalle Mannheim et al., 11.07.- 01.09.1985, Weinheim 1985 Zeit/Los. Zur Kunstgeschichte der Zeit, Ausstellungskatalog Kunsthalle Krems, 30.05.-03.10.1999, Köln 1999

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