Deutscher – 19 Wahlperiode – 53 Sitzung Berlin, Freitag, den 28 September 2018 5689

(A) (C)

53. Sitzung

Berlin, Freitag, den 28. September 2018

Beginn: 9.00 Uhr

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Katja Guten Morgen, sehr geehrte Kolleginnen und Kolle- Suding, , Dr. gen! Bitte nehmen Sie Platz. Die Sitzung ist eröffnet. (Rhein-Neckar), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP sowie der Abgeordneten Katja Vor Eintritt in die Tagesordnung müssen wir noch die Dörner, , , weiterer Wahl eines Vertreters der Bundesrepublik Deutsch- Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ land zur Parlamentarischen Versammlung des Euro- DIE GRÜNEN parats durchführen. Die Fraktion der CDU/CSU schlägt vor, die Kollegin für den Kollegen Bessere Bildung durch einen modernen Bil- als persönliches stellvertretendes Mitglied dungsföderalismus zu berufen. Stimmen Sie dem zu? – Das ist offensichtlich Drucksache 19/4556 der Fall. Dann ist die Kollegin Katrin Staffler als persön- liches stellvertretendes Mitglied gewählt. Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss (f) (B) Damit rufe ich die Tagesordnungspunkte 22 a bis 22 c Ausschuss für Wirtschaft und Energie (D) auf: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen­ abschätzung a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- Ausschuss Digitale Agenda gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für rung des Grundgesetzes (Artikel 104c, 104d, die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Mangels Wi- 125c, 143e) derspruchs ist das so beschlossen. Drucksache 19/3440 Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Überweisungsvorschlag: Bundesfinanzminister . Haushaltsausschuss (f) Ausschuss für Inneres und Heimat (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Finanzausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Olaf Scholz, Bundesminister der Finanzen: Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen­ abschätzung Herren! Das Grundgesetz ist sorgfältig beraten. Man Ausschuss Digitale Agenda sollte es nicht ununterbrochen ändern. Die Finanzver- Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und fassung hat einen hohen Stellenwert in Deutschland und ­Kommunen ist sorgfältig abgewogen und gewachsen. Auch die sollte b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Götz nicht ununterbrochen geändert werden. Wenn man sich Frömming, , , also daranmacht, Verfassungsänderungen vorzunehmen weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD und insbesondere die Finanzverfassung in unserem Land zu ändern, dann muss man dafür gute Gründe haben. Ich Bildungsföderalismus stärken glaube, dass die drei jetzt von der Bundesregierung im Drucksache 19/4543 Wesentlichen vorgeschlagenen Verfassungsänderungen gute Gründe haben und dass wir sie auch vornehmen Überweisungsvorschlag: sollten. Haushaltsausschuss (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Das erste große Thema, mit dem wir uns beschäfti- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen­ gen wollen, ist: Wie können wir den Wohnungsbau in abschätzung Deutschland und insbesondere den sozialen Wohnungs- Ausschuss Digitale Agenda bau voranbringen? Wir haben eine Zeit lang in Deutsch- 5690 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 53 Sitzung Berlin, Freitag, den 28 September 2018

Bundesminister Olaf Scholz (A) land geglaubt, dass es vertretbar wäre, wenn sich der 8 Euro pro Quadratmeter gibt, und das geht nur mit öf- (C) Bund irgendwann aus der Förderung des sozialen Woh- fentlicher Förderung. nungsbaus verabschiedet. Das ist Gegenstand der Verfas- sungsänderung gewesen, die dazu führt, dass der Bund (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten 2019 die Kompetenz verliert, für Mittel zu sorgen, die der CDU/CSU) die Länder und die Gemeinden bei der Förderung des Vielleicht noch ein Hinweis dazu, was sich verändert sozialen Wohnungsbaus einsetzen können. Heute wissen hat: Die Zahl der Sozialwohnungen ist massiv gesunken. wir: Unverändert ist die Notwendigkeit da, geförderte Im Jahr 2000 waren es 2,6 Millionen. Jetzt sind es weni- Wohnungen herzustellen, und unverändert ist es notwen- ger als 1,2 Millionen. Man sieht: Die Zahl geht ständig dig, dass dabei Gemeinden, Länder und der Bund zu- zurück, und deshalb müssen wir eine Wende einleiten. sammenhalten. Deshalb schlagen wir heute hier vor, das Grundgesetz so zu ändern, dass auch in Zukunft, in den Das zweite große Thema, das uns hier zusammenführt 20er-Jahren sozialer Wohnungsbau vom Bund unterstützt und für das wir eine Verfassungsänderung vorbereiten, werden kann. ist, dass der Bund die Länder bei der Bildung unterstüt- zen kann – es geht hier um Infrastruktur; wir wissen das. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Das ist notwendig, damit wir sicherstellen können, dass der CDU/CSU) überall in Deutschland unter Berücksichtigung gleich- wertiger Lebensverhältnisse erstklassige Bildungsange- Warum wollen wir das? Wenn man sich genau um- bote zur Verfügung stehen. schaut, dann stellt man fest: Ein großer Teil der Bür- gerinnen und Bürger unserer Städte ist auf geförderte (Beifall bei der SPD) Wohnungen angewiesen. Die Einkommensverhältnis- Es wird ja gern darüber geredet, was so alles notwendig se in Deutschland sind ganz anders, als es manchmal wäre. Wir haben uns jetzt darangemacht, für gleichwerti- so daherkommt. Ungefähr die Hälfte aller Haushalte ge Lebensverhältnisse viele Vorschläge zu sammeln und in diesen Städten hat schon immer eine Berechtigung, sie in die Tat umzusetzen. Ein Punkt ist immer ganz zen- eine geförderte Wohnung zu beziehen. Nicht alle müs- tral, nämlich dass man, egal wo man aufwächst, die bes- sen das tun, zum Beispiel weil sie schon lange in einer ten Bedingungen vorfindet. Deshalb ist es richtig, dass billigen Wohnung wohnen und das Mietrecht sie schützt der Bund, die Gemeinden und die Länder zusammenhal- oder weil sie in einer Genossenschaftswohnung oder ei- ten und der Bund auch in Zukunft die Möglichkeit hat, ner kommunalen Wohnung wohnen, was sie ebenfalls die Länder hier zu unterstützen. vor allzu großem Preisdruck schützt. Mancher hat sich auch mühsam ein kleines Haus oder eine Eigentumswoh- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (B) nung abgespart und ist deshalb nicht darauf angewiesen. der CDU/CSU) (D) Aber wissen müssen wir immer: Theoretisch ist es von der Einkommenslage her so, dass etwa die Hälfte aller Wenn man allerdings Meinungsumfragen glauben Haushalte einen Anspruch auf eine solche Wohnung hat, darf, sind die Bürger eher der Meinung, dass die föderale und das macht deutlich, welche Dimensionen der soziale Verfassung nicht ganz das ist, was sie sich selber vorstel- Wohnungsbau in Deutschland wieder haben muss. Wir len in dieser Frage – anders als ich übrigens. Ich glaube, müssen zurückkehren zu besseren Zeiten mit mehr sozia- dass es gut ist, dass die Länder für die Bildung zuständig lem Wohnungsbau, und darum geht es bei dieser Verfas- sind. Aber weil das ja immer diskutiert wird, will ich den sungsänderung. Skeptikern eines sagen: Länder und Gemeinden geben für Bildung etwa 130 Milliarden Euro aus. Wenn wir, wie (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU so- es jetzt in der Finanzplanung vorgesehen ist, in dieser Le- wie der Abg. [DIE LINKE]) gislaturperiode etwa 5,5 Milliarden Euro an Bundesmit- teln einsetzen, dann muss man sich schon sehr bemühen, Eines ist doch ganz klar – das in die Richtung derer, darin eine Gefährdung des Föderalismus zu sehen. Es ist die glauben, das löse sich marktwirtschaftlich ganz von nur ein kleiner Beitrag zu einer ganz, ganz großen Sache. alleine –: Eine Neubauwohnung in einer mittleren Stadt mit nicht allzu großem Preisdruck kann in Deutschland (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nicht so errichtet werden, dass sie weniger als 10 Euro der CDU/CSU) netto kalt pro Quadratmeter kostet. Manche müssen noch Deshalb noch einmal: Was wir hier machen, ist ein Zu- viel mehr aufwenden, damit sich das wirtschaftlich rech- sammenhalten von Bund, Ländern und Gemeinden. Es net. Und ich rede hier nicht von Spekulanten. Ich rede ist keine Veränderung der föderalen Zuständigkeiten. Die von Unternehmern, die Häuser bauen und dabei gut rech- Länder sind diejenigen, die für die Bildung zuständig nen. Ein erheblicher Teil der Bürgerinnen und Bürger un- sind. Das halte ich für richtig. Wir müssen sie aber un- seres Landes kann sich solche Mieten nicht leisten. terstützen, und zwar im Sinne der jungen Leute, die bei ( [FDP]: Das hängt auch uns aufwachsen. mit Barbara Hendricks zusammen! – Jürgen (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Kai Braun [AfD]: Weil Sie das künstlich verteuern Wegner [CDU/CSU]) wollen!) Die dritte substanzielle Veränderung, die wir Ihnen Wir müssen es deshalb möglich machen, dass es auch hier vorschlagen, ist, dass wir es möglich machen, den neugebaute Wohnungen für knapp über 6 Euro oder für öffentlichen Personennahverkehr in den Ballungsräumen Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2018 5691

Bundesminister Olaf Scholz (A) und ihrem Umland besser und mehr zu fördern, als das in Schönen Dank. (C) den letzten Jahrzehnten der Fall gewesen ist. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Man muss sich ja fragen, warum ein Land, das ganz vornean war, als die ersten schienengebundenen Nah- Jetzt hat das Wort der Abgeordnete Dr. Götz verkehrssysteme etabliert wurden, und das sehr stolz ­Frömming, AfD. darauf war und Städte hat, die das heute noch in ihrer (Beifall bei der AfD) Geschichte erzählen, jetzt so weit hinten liegt, wenn es darum geht, Metrosysteme auszubauen, S- und U‑Bahn, (AfD): wie wir sie hier nennen. Dr. Götz Frömming Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen ( [CDU/CSU]: Weil die und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister Scholz, Grünen immer dagegen sind!) Sie haben vorhin gesagt, 5 Milliarden Euro seien noch vergleichsweise wenig. Da haben Sie recht. Bei über Wenn man sich einmal in Europa und in der Welt um- 30 000 Schulen im Lande kann man sich ausrechnen, wie guckt, stellt man fest, dass es da massive, große Ausbau- viel davon vor Ort ankommt. Man könnte das Argument programme gibt, die eine wirklich wichtige Rolle für die natürlich auch umdrehen und fragen, warum wir es nicht Stadtentwicklung und die Zukunft der Länder spielen. gleich ganz sein lassen und diesen Bereich den Ländern Gerade hören wir immer wieder mal Zwischenberich- überlassen. Ich will Ihnen sagen, warum Sie es nicht sein te über den großen Plan für Paris. Da werden 200 Ki- lassen: Mit diesem Finanzbetrag, sei er auch so klein, lometer neue Metrostrecken geschaffen, allein für die- will sich der Bund natürlich Kontrollrechte sichern. Aber se eine – zugegebenermaßen große – Stadt. Wenn man dazu gleich mehr. das mit dem gesamten Ausbauvorhaben in Deutschland vergleicht, dann sollten wir ein bisschen bescheiden bei- Lassen Sie mich mit Erlaubnis des Präsidenten mit ei- seitetreten. Deshalb ist es aus meiner Sicht absolut not- nem kurzen Zitat beginnen, das uns direkt zum Thema wendig, dass der Bund einen Beitrag dazu leisten kann, führen wird: dass diese Strukturen, die den Nahverkehr und auch das Dass alles besser geregelt werden kann, wenn es Klima verbessern, wieder mehr gefördert werden. in Berlin entschieden wird, ist eine Wahrnehmung (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) aus Berliner Perspektive. Die Herstellung von Bil- dungsgerechtigkeit ist … keine Frage zentraler (B) In all diesen Ländern geschieht das nämlich. Steuerung. … Wenn es einzelnen Ländern an finan- (D) ziellen Mitteln fehlt, muss die Mitteilverteilung im Keiner von uns käme auf die Idee, zu glauben, dass Rahmen der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ge- Investitionen in Bundesautobahnen und Bundesstraßen prüft und ggf. geändert, aber nicht die einzelstaat- etwas sind, was die Länder und Kommunen alleine stem- liche Bildungsverantwortung aufgegeben werden. men könnten. Wir gehen aber gegenwärtig davon aus – so ist das organisiert –, dass eine Kommune die Investi- (Beifall bei der AfD) tionen in ihre Nahverkehrssysteme, deren Dimension mit So weit – schade, dass die CDU nicht klatscht – der hes- der von Autobahnen vergleichbar ist, alleine stemmen sische Kultusminister Professor Alexander Lorz, CDU, kann. Das war nie richtig. Deshalb ist es wichtig, dass nein, nicht zum vorliegenden Gesetzentwurf, sondern wir hier eine Korrektur vornehmen. Mit der Verfassungs- schon in der „FAZ“ vom 6. Oktober 2016. Es gibt also, änderung, die wir Ihnen hier vorschlagen, wollen wir meine Damen und Herren von der CDU, vernünftige gleichzeitig ermöglichen, dass wir den Betrag, den der Leute bei Ihnen. Das macht Hoffnung auf die Zeit nach Bund für den Ausbau dieser Systeme zur Verfügung stellt Merkel. und der seit Jahrzehnten bei 333 Millionen Euro liegt, auf eine 1 Milliarde Euro anheben (Beifall bei der AfD) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Mit diesem Gesetzentwurf will sich der Bund mehr CDU/CSU) Einflussmöglichkeiten in den Bereichen Bildung, Woh- nungs- und Straßenbau verschaffen. Um den Ländern und dann dynamisieren. Das ist ein Bundesbeitrag zum die Zustimmung zu erleichtern, sich in diesen Bereichen Ausbau der Verbindungssysteme in den großen Städten Stück für Stück an die Zügel des Bundes legen zu las- und ein ganz wichtiger Beitrag dazu, dem Klimawandel sen – das ist heute sicherlich nur der Anfang –, soll der zu begegnen. jeweilige „Zügel“ vergoldet werden. Im Bereich der Bil- dung werden – wir haben es gehört – fürs Erste bis zu (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) 5 Milliarden Euro versprochen. In einer Zeit, in der alle darüber diskutieren, wie wir Nun liegt es in der Natur der Sache, dass die Länder vermeiden können, dass es Fahrverbote für Individual- und Kommunen zwar gerne mehr Geld hätten, sich aber fahrzeuge gibt, ist es doch ein gutes Zeichen, dass wir nicht oder nur ungerne an den Zügel legen lassen wollen. jetzt mehr Geld investieren wollen in das, was an Nah- Der Bund wiederum will sich mit der Vergabe von Steu- verkehrsmöglichkeiten existiert. Ich bitte um Ihre Unter- ermitteln ein Mitspracherecht erkaufen und den Ländern stützung. vorschreiben, was sie mit dem Geld machen sollen, weil 5692 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 53 Sitzung Berlin, Freitag, den 28 September 2018

Dr. Götz Frömming (A) er ihnen nicht zutraut, das Richtige zu tun. Mit Verlaub, Zweck wie die Digitalisierung oder den sozialen Woh- (C) meine Damen und Herren, das ist nicht souverän, das ist nungsbau ausgeübt werden soll. Bierzeltpolitik nach dem Motto: Wir haben die Musik be- zahlt und bestimmen auch, was gespielt wird, ob es dem Meine sehr verehrten Damen und Herren, der vor- Publikum nun gefällt oder nicht. liegende Gesetzentwurf ist inhaltlich unausgegoren und verfassungsrechtlich problematisch. Dass er den Grünen (Beifall bei der AfD) und der FDP nicht weit genug geht, lässt tief blicken. Linke Bildungsideologie und neoliberale Wirtschaftspo- Die vorliegende Stellungnahme des Bundesrates zu litik haben in Ihrem Antrag einen Pakt geschmiedet. diesem Gesetzentwurf ist sehr aufschlussreich. Mich wundert nicht, dass sie eben verschwiegen wurde; denn (Christian Lindner [FDP]: Ha, ha!) daraus wird ersichtlich, dass die Länder schon verstan- Sie wollen Bildung zu einer Ware machen, Schulen über den haben, wohin die Reise gehen soll. die Digitalisierung kontrollieren lassen und das Land – Merkwürdigerweise beginnt die Stellungnahme des ich zitiere wörtlich aus dem Antrag, den Sie unterschrie- Bundesrates mit einer vom Gesetzentwurf gar nicht be- ben haben, Herr Lindner – mit flächendeckenden „inklu- rührten Kritik der Förderprogramme zur Verbesserung siven Bildungs- und Ganztagsangeboten“ überziehen. der Agrarstruktur und des Küstenschutzes. Die Länder Das ist mit unserem konservativen und freiheitlichen beklagen, dass in den zurückliegenden Jahren „Bundes- Bildungsverständnis nicht vereinbar. mittel nicht in Anspruch“ genommen werden konnten. (Beifall bei der AfD) Der Grund dafür dürfte in der komplizierten Verfahrens- gestaltung und letztlich in der nicht klar gegliederten Deshalb lehnt die AfD die Anträge von Grünen, Linken Aufgabenverteilung und Verflechtung zwischen Bund und der FDP noch entschiedener ab als den vorliegenden und Ländern zu suchen sein. 2006 hat man ja versucht, Gesetzentwurf der Bundesregierung. die Zuständigkeiten zu entflechten. Jetzt geht die Reise wieder in die andere Richtung. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren. Des Weiteren beklagen die Länder in ihrer Stellung- (Beifall bei der AfD) nahme die ausufernden Sozialausgaben, die ihnen die Luft zum Atmen nehmen. Wörtlich ist von einem „Teu- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: felskreis aus Haushaltsproblemen, schwindenden Hand- Nächster Redner ist der Kollege , lungsspielräumen und verfallender Infrastruktur“ die CDU/CSU. Rede. Statt diese zentralen Probleme anzugehen, welche (Beifall bei der CDU/CSU) (B) natürlich auch mit der völlig verfehlten Einwanderungs- (D) und Asylpolitik zusammenhängen, wollen Sie sich alle gemeinsam hier im Hause mit dem Wohlfühlthema Di- Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): gitalisierung schmücken. Meine Damen und Herren, die Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! AfD hat das nicht nötig und wird sich an solchen Spiel- Das Grundgesetz ist kein Modellbaukasten, an den man chen nicht beteiligen. mal so eben rangeht. Eine Frage ist zum Beispiel: War (Beifall bei der AfD) es notwendig, die Höhe der Gemeindeverkehrsfinanzie- rung ins Grundgesetz aufzunehmen? Jetzt müssen wir Völlig zu Recht beklagt der Bundesrat, dass dieses bei einer Betragserhöhung das Grundgesetz ändern. Aus Gesetzesvorhaben in die Unabhängigkeit der Haus- meiner Sicht hätte hier eine einfachgesetzliche Regelung haltswirtschaft der Länder gemäß Artikel 109 Absatz 1 gereicht; aber das passierte damals auf Druck der Länder. Grundgesetz eingreift und der Bund „Steuerungs- und Kontrollrechte auf die konkrete Erfüllung von Länder- Artikel 143e des Grundgesetzes ist ein Restant des aufgaben gewinnt“. Die „elementare Berücksichtigung Themas Infrastrukturgesellschaft. Deswegen will ich länderspezifischer oder regionaler Besonderheiten“ wäre mich auf die Änderungen beim sozialen Wohnungsbau nicht mehr gegeben, so der Bundesrat in seiner Stellung- und bei der Bildungsinfrastruktur konzentrieren. Ich nahme. möchte zunächst festhalten, dass in beiden Fällen die Verantwortung bei den Ländern verbleibt: Für Schule/ Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Wah- Hochschule und für den sozialen Wohnungsbau sind wei- rung der föderalen Struktur unseres Staates ist ein hohes terhin die Länder verantwortlich. An der Stelle wird das Gut. Sie genießt nicht umsonst einen besonderen verfas- Grundgesetz nicht geändert. Das ist auch gut und richtig sungsrechtlichen Schutz. Eine klare Verantwortungstei- so. lung zwischen Bund und Ländern, die sich als Partner auf Augenhöhe gegenüberstehen sollten, gehört dazu. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Die Festlegung „weitgehender Berichts- und Kontroll- Johannes Kahrs [SPD]) rechte“, die der Bund mit diesem Gesetzentwurf anstrebt, Ich möchte noch einen Punkt ansprechen – das ma- würde die vertrauensvolle Kooperation zwischen Bund, che ich nicht zum ersten Mal von dieser Stelle aus, liebe Ländern und Kommunen schwer beeinträchtigen. Kolleginnen und Kollegen –: Diese Reform wird ihren (Beifall bei der AfD) Zweck nicht erreichen, wenn wir in der Formulierung der Grundgesetzänderung nicht dafür sorgen, dass das Der verfassungsrechtliche Makel wird auch nicht bes- Geld – Stichwort „sozialer Wohnungsbau und Bildungs- ser, wenn diese Kontrollfunktion für einen an sich guten infrastruktur“ – auch wirklich vor Ort ankommt und Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2018 5693

Eckhardt Rehberg (A) nicht durch die Länder zweckentfremdet eingesetzt wird. geben. Und die Landesregierung unter SPD und CDU hat (C) Das ist doch eines der Kernprobleme. entschieden, dass die Mittel nicht in Dörfer mit kleinen Wohnungsgesellschaften fließen dürfen. Ich halte das für (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- schizophren, und deswegen ist mir das auch wirklich ein ordneten der SPD) Anliegen. Hier stellt sich auch die Demokratiefrage. Wir Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden hier über aus Berlin sagen Milliarden Euro für bestimmte Zwecke viel Geld. Und Herr Minister Scholz, es sind nicht nur zu, und die Menschen dort zeigen mir den Piepmatz und die 5,5 Milliarden Euro. Sie müssen hinzurechnen, was sagen: Rehberg, hier kommt kein Geld an. – Das muss wir schon alles gemacht haben: Die Länder tragen nicht aufhören. Wenn wir an dieser Stelle eine Änderung des mehr die Last für das BAföG. Der Hochschulpakt des Grundgesetzes vornehmen, gehen wir nach meinem Da- Bundes umfasst allein über 14 Milliarden Euro. Ein an- fürhalten eines der Kernprobleme an. deres Stichwort ist der Qualitätspakt Lehre; ich könnte (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- mit der Aufzählung fortfahren. ordneten der SPD und der FDP) (Beifall der Abg. [SPD]) Um 35 Milliarden Euro haben wir in der letzten Legisla- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: turperiode einschließlich des Jahres 2018 die Länder und Herr Kollege, der Kollege Dr. Frömming möchte Ih- Kommunen allein im Bildungsbereich entlastet, liebe nen eine Zwischenfrage stellen. Kolleginnen und Kollegen; das muss auch gesagt wer- den. Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Ja, gerne. ordneten der SPD) (AfD): Thema Entflechtungsmittel. Wenn wir vor Ort sind, Dr. Götz Frömming dann gucken uns die Menschen komisch an. Die Mittel Vielen Dank, Herr Kollege Rehberg, dass Sie die Zwi- dafür waren bis 2013 für Investitionen in den kommuna- schenfrage gestatten. – Um Ihren Vortrag verstehen zu len Straßenbau und den ÖPNV, für Hochschulbau und können, muss ich an einer Stelle nachfragen. Sie sagten sozialen Wohnungsbau gebunden. Ab 2014 bis 2019 sind eben zu Recht, dass die Länder in der Vergangenheit diese Mittel nur noch investiv verwendbar. Nur zwei Mittel nicht dort eingesetzt hätten, wo sie sie eigentlich Drittel der Länder haben in einem Entflechtungsgesetz hätten einsetzen sollen. Nun soll die Verwendung des die Zweckbindung beibehalten. Ich könnte jetzt bis Mit- Geldes vom Bund sozusagen mit einem Passus versehen werden, sodass es in der Bildung nicht zweckentfremdet (B) ternacht Fälle und Beispiele dafür aufzählen, wo die Mit- (D) tel für den sozialen Wohnungsbau gehortet werden, wo eingesetzt werden darf. Wie wollen Sie aber gewährleis- sie in Rückstellungen der Länderhaushalte fließen oder ten, dass die Länder die zusätzlichen Mittel, die sie für komplett zweckentfremdet eingesetzt werden. Deswegen Bildung bekommen, nicht an anderer Stelle im Bildungs- ist es ganz richtig, dass wir dem Vorschlag des Bundes- bereich einsparen? Sie müssten ja dann sozusagen den rechnungshofes folgen, wonach diese Mittel zusätzlich gesamten Länderhaushalt unter Kuratel stellen. eingesetzt werden müssen und die Länder sie nicht sub- stituieren dürfen und die Mittel, die sie in ihrer eigenen Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Zuständigkeit zu verantworten haben, zurückfahren. Herr Kollege, ein Blick ins Grundgesetz, so wie wir Nicht das Ob ist aus meiner Sicht an dieser Stelle das es geändert haben – ich bedanke mich an dieser Stelle Kernproblem, sondern das Wie. insbesondere bei meinem Kollegen –: (Beifall bei der CDU/CSU) Artikel 104b und Artikel 114 Grundgesetz machen dies möglich. Wenn es um eine Mittelzuweisung an die Län- Wir haben eine sehr bunte Mischung von politischen der durch Änderung des Anteils an den Einnahmen aus Verantwortlichkeiten in Deutschland. Ich will ein Bei- der Umsatzsteuer geht, dann sind es Steuerminderein- spiel herausnehmen, Frau Göring-Eckardt: Thüringen. nahmen beim Bund und Steuermehreinnahmen bei den Ich könnte auch fünf, sechs oder sieben andere Länder Ländern. Aber wenn wir Zuweisungen vornehmen, dann nehmen. sind wir nach Artikel 104b Grundgesetz in der Lage, (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE dies mit den Ländern einvernehmlich zu vereinbaren. GRÜNEN]: Aber Thüringen ist das beste!) Und dann kann – jetzt kommt der entscheidende Punkt; diese Regelung haben wir nach dem Bundesverfassungs- – Nein, ich kann auch mein eigenes Heimatland nehmen; gerichtsurteil korrigiert – der Bundesrechnungshof die kein Problem, das habe ich drauf. – Thüringen hat in den Verwendung prüfen. Das ist uns damals sehr wichtig ge- letzten vier Jahren 230 Millionen Euro an Mitteln für den wesen; wir haben das vorausschauend gemacht. sozialen Wohnungsbau bekommen. Davon hätte man rund 6 500 Wohnungen bauen können. Gebaut wurden Das heißt: Wenn wir heute beim sozialen Wohnungs- 194 Wohnungen. bau und bei der Bildungsinfrastruktur eine Einigung hinbekommen und der Vorschlag des Bundesrechnungs- Ich könnte weitere Beispiele anführen. Ich könnte hofes greift, dann sind wir in der Lage, erstens eine auch Mecklenburg-Vorpommern nennen. Unser Land be- Vereinbarung mit den Ländern zu finden – das ist im kommt 52 Millionen Euro an Förderung für den sozialen Bundesrat zustimmungspflichtig, das ist richtig – und Wohnungsbau, davon werden 18 Millionen Euro ausge- zweitens – jetzt komme ich auf Ihren Punkt – durch den 5694 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 53 Sitzung Berlin, Freitag, den 28 September 2018

Eckhardt Rehberg (A) Bundesrechnungshof die Länderhaushalte und die Ver- gangenheit erzählen; das habe ich auch versucht – oder (C) wendung der entsprechenden Fördermittel prüfen zu las- wenn wir die Mittel ungebunden weiterreichen, dann sen. Ich bin ganz offen: Ich glaube, wir brauchen diese werden die Mittel ihren Zweck verfehlen. Stellschraube. Wir brauchen auch diesen Hebel, damit Letzte Bemerkung, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Geld, das wir für die Bildungsinfrastruktur vorse- noch einmal zu den Entflechtungsmitteln. Gehen Sie hen, auch dort ankommt, wo es hingehört, nämlich bei mal vor Ort. Die Bürgermeister fordern: Bund, tu ab unseren Kindern, bei den Schülerinnen und Schülern. 2020 was für den kommunalen Straßenbau. Bund, tu was Ansonsten verfehlt es seinen Zweck. für den sozialen Wohnungsbau. – Das Problem des Fi- (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. nanzministers bei der Erstellung des Haushalts für das Ulli Nissen [SPD] und Katrin Göring-Eckardt Jahr 2018 ist gewesen, dass die 3 Milliarden Euro heute [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Investitionen sind. Ab 2020 sind diese Mittel Steuermin- dereinnahmen beim Bund und Steuermehreinnahmen bei Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch ein Wort zu den Ländern. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kolle- den Sozialausgaben; da müssen wir zwischen Brutto und gen: Ja, Vertrauen ist gut. Aber gelegentlich ist die eine Netto unterscheiden. Zum Beispiel übernimmt heute der oder andere Stellschraube notwendig. Bund komplett die Kosten für die Grundsicherung im Al- ter in Höhe von über 7 Milliarden Euro. Das ist in den Danke. letzten fünf Jahren eine Entlastung von mehr als 20 Mil- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- liarden Euro gewesen. Gucken Sie sich die Kosten der ordneten der SPD) Unterkunft an. Ich nenne hier nur das Entlastungspaket; auch darüber, glaube ich, muss hier geredet werden. Die Kommunen und die Länder werden in diesem Jahr um Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: 5 Milliarden Euro entlastet, ohne eine einzige Gegenleis- Nächster Redner ist der Fraktionsvorsitzende der FDP, tung. Da muss man denen, die sagen: „Die Länder und Christian Lindner. Kommunen haben hier die Verantwortung“, schon ein- (Beifall bei der FDP) mal die Frage stellen, warum das Geld nicht eingesetzt wird. Christian Lindner (FDP): Eine nächste Frage muss an dieser Stelle gestellt wer- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! den. Es ist den Menschen vor Ort natürlich egal, wer die Die Bundesregierung schlägt vor, das Grundgesetz in Zuständigkeit hat, ob Bund, Länder oder Kommunen. den Bereichen Bildung, Verkehr und Bauen zu ändern. Aber wenn die Länder schon in der Verantwortung sind – Der Minister hat hier vorgetragen, Kollege Rehberg hat (B) bei manchen Ländern habe ich das Gefühl, sie meinen, vorgetragen. Sie beide als Sprecher der Regierung bzw. (D) dass nur noch der Bund in der Verantwortung ist – und der Koalition haben aber auf einen Umstand nicht hin- klagen, dass sie zu wenig Geld haben – es wird sogar von gewiesen – Ihre Reden hatten auch nicht diesen Charak- einem Solidarpakt III geredet –, dann ist doch die Fra- ter –: CDU/CSU und SPD haben gemeinsam keine ver- ge zu stellen: Warum wird man bei einem Überschuss – fassungsändernde Mehrheit. Sie sind auf andere, auf die 13 Länder haben einen Überschuss von über 14,2 Mil- Unterstützung des Hauses angewiesen. Deshalb hätte ich liarden Euro – der eigenen Verantwortung in diesen mir gewünscht, dass auch Argumente, die andere vorge- Bereichen nicht gerecht? tragen haben, bereits hier zur Sprache gekommen wären; Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind jetzt an denn wir müssen gemeinsam zu einer Lösung kommen. einem Punkt, an dem man sagen kann: Wir drehen die (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ Föderalismusreform zurück. – Ja, in Teilen ist das rich- DIE GRÜNEN) tig. Ich bin übrigens 15 Jahre im Landtag und immer ein überzeugter Föderalist. Aber glauben Sie mir: So kann es Im Verkehrsbereich, Herr Minister Scholz, sind wir nicht weitergehen. aufgeschlossen für das, was Sie vorgetragen haben, wenngleich wir hinsichtlich der Förderbedingungen noch (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Fragen an Sie zu stellen haben. Sie haben viel Augen- Es kann nicht sein, dass der Bund massiv Mittel in die merk darauf gelegt, was im Baubereich passieren soll. Hand nimmt, aber das Geld vor Ort nicht ankommt. Hier muss ich für die Fraktion der FDP Zweifel an Ihrem Vorhaben anmelden. Der soziale Wohnungsbau war in Ich schließe an dieser Stelle den Reigen: Liebe Kolle- den vergangenen Jahrzehnten nicht zielsicher. Im sozia- ginnen und Kollegen, die Menschen verstehen dann den len Wohnungsbau wurden auf lange Zeit auch jene geför- Föderalismus nicht. Die Menschen verstehen an dieser dert, die eigentlich längst einer Bedürftigkeit entwachsen Stelle auch nicht mehr die Demokratie. Deswegen ist waren. Deshalb halten wir andere Instrumente wie das meine herzliche Bitte – ich habe das hier über Fraktions- Wohngeld, also eine Förderung der bedürftigen Perso- grenzen hinweg schon einmal gesagt –, gründlich über nen, für zielführender und für besser. Vor allen Dingen, den Vorschlag des Bundesrechnungshofes nachzuden- Herr Minister, haben Sie geklagt, die hohen Baukosten ken, Steuerungs- und Kontrollrechte sowie die Zusätz- seien ein Problem für den sozial sensiblen Wohnungsbau. lichkeitsklausel einzuführen. Nur das ist hier zielführend. Aber wer treibt denn die Preise, die Kalt- und die Warm- Glauben Sie mir: Wenn wir die Mittel über eine Erhö- miete? Die Warmmiete wird getrieben durch eine Ener- hung des Anteils an den Umsatzsteuereinnahmen verge- giepolitik, die nicht mehr vernünftig ist, und die Kaltmie- ben würden – ich kann Ihnen viele Beispiele aus der Ver- te wird getrieben zum Beispiel durch eine Ministerin wie Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2018 5695

Christian Lindner (A) Barbara Hendricks, die vier Jahre nichts unternommen technische Infrastruktur. Wir haben in diesem Bereich (C) hat, um die Baustandards wieder auf ein verhältnismäßi- wirklich einen großen Sanierungs- und Reformstau. Die ges Niveau zurückzuführen. Länder sind in einer finanziellen Problematik aufgrund der steigenden Pensionslasten in den nächsten Jahren. Da (Beifall bei der FDP) kann das Kooperationsverbot möglicherweise bei der In- Ich will mich aber konzentrieren auf den Bereich der vestition in Gebäude und Technik für Bund und Länder Bildung; denn hier haben die Fraktionen von Bündnis 90/ der Strick werden, an dem die Bildungsqualität aufge- Die Grünen und Freien Demokraten einen eigenen Vor- hängt wird. Aber Sie lassen ausgerechnet das Wichtigste schlag vorgelegt. Es ist schon für sich genommen eine aus, worum es in der Bildung geht. Bildung ist keine Fra- Besonderheit, wenn Grüne und Liberale einen gemeinsa- ge von Tablets und Whiteboards in der Schule. Bildung men Vorschlag unterbreiten. ist keine Frage der Qualität der Gebäude. Sicherlich trägt das alles dazu bei. Das Wichtigste in der Bildung ist aber (Johannes Kahrs [SPD]: Das ist wohl wahr!) die Beziehung zwischen Menschen. Deshalb muss auch Das kommt nicht zu oft vor. in Köpfe investiert werden können. (Johannes Kahrs [SPD]: Zu Beginn der Le- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten gislaturperiode erst recht nicht! – Michael des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ­Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Hätten Sie ha- ben können, aber Sie wollten nicht!) Zweitens. Sie wollen das Geld – more or less – den Wir wollen auch nicht den Eindruck erwecken, in jedem Ländern und Kommunen rüberschieben. Das ist aus un- bildungspolitischen Aspekt könnten Grüne und Freie De- serer Sicht nicht richtig. Der Bund muss auch über Fra- mokraten einer Meinung sein. Aber eines ist für uns klar: gen der Qualität und der Mittelverwendung sprechen Bildung ist die wichtigste gesellschaftspolitische Aufga- dürfen; der Kollege der Union hat eben Gründe dafür ge- be. Deshalb darf der Bund Länder und Kommunen bei nannt. Es geht nicht darum, ein Bundeskultusministeri- dieser Frage auf Dauer nicht alleine lassen. um einzurichten. Das wäre völlig überzogen. Das möchte niemand. Das wäre auch mit dem Grundgesetz und der (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Garantie der Eigenstaatlichkeit der Länder unvereinbar. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber die entscheidende Frage lautet, ob es nicht einen Das dokumentieren wir durch unseren gemeinsamen An- Impuls, ausgehend vom Bund, gibt, sodass Bund und trag. Länder bzw. die Länder untereinander Vereinbarungen treffen können. Liebe Kollegen von der AfD, ich muss Der Bildungsföderalismus wurde in Deutschland lan- noch einmal auf Sie zu sprechen kommen – Sie haben (B) ge gesehen als Ausdruck landsmannschaftlicher Eigen- mir eine so schöne Steilvorlage gegeben –, um zu zeigen, (D) arten und der Autonomie der Länder. Ich selber war im wie Sie aus der Zeit gefallen sind. Selbst die Musterfö- Unterschied zu dem Kollegen der AfD 15 Jahre Landtags­ deration der Welt, die Schweiz, hat seit dem vergange- abgeordneter und habe in der Praxis gesehen, was das be- nen Jahrzehnt nicht mehr ein Kooperationsverbot bei deutet. 15 Jahre lang habe ich mit Eltern gesprochen, die den Kantonen, sondern ein Kooperationsgebot. Wenn geklagt haben, wie schwierig es ist, zwischen Bundes- selbst die Schweiz erkennt, dass man gemeinsame Qua- ländern den Wohnort oder den Arbeitsplatz zum Beispiel litätsstandards und Qualitätsvorgaben im 21. Jahrhundert als Lehrende zu wechseln. Sie haben dokumentiert, wie braucht, dann sollten wir in Deutschland dem nicht nach- Sie das sehen: Uralt! Wir sehen das ganz anders. Hessen stehen. steht nicht im Wettbewerb mit Bremen, und Bayern nicht im Wettbewerb mit Sachsen. Aber Deutschland steht im (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Wettbewerb mit Nordamerika und Asien. Deshalb ist der des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bildungsföderalismus, wie wir ihn praktizieren, nicht mehr Teil der Lösung, sondern ist selbst zu einem Pro- Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Bemerkung ne- blem geworden. benbei: Es kann jetzt nur der erste Schritt sein, über die Frage der Qualitätsentwicklung zu Vereinbarungen zu (Beifall bei der FDP) kommen. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, Die Bundesregierung erkennt das dankenswerterwei- dass sich die Abiturnoten so stark unterscheiden, dass gar se – ich sage: endlich – an. In der Vergangenheit gab es kein gerechter Hochschulzugang zu organisieren ist. Da eine große Sperre, irgendetwas zu tun. Herr Minister, Sie ist sehr viel mehr an Vergleichbarkeit erforderlich, wenn selbst haben heute das Problem beschrieben. Sie haben man Familien und Lehrende tatsächlich ernst nimmt. gesagt, es sei nur ein ganz kleiner Beitrag, den die Koa- Mein dritter und abschließender Gedanke, warum wir lition nun leisten wolle. Aber dieser kleine Beitrag ist zu in diesem Punkt der Koalition zu folgen nicht imstande klein, um einen wirklichen Unterschied zu machen. Sie sind: Beim Wohnungsbau sind die Mittel, die Sie zur Ver- öffnen die Tür zu einer Reform des Bildungsföderalis- fügung stellen, unbegrenzt. Bei der Bildung sind sie de- mus einen ganz kleinen Spaltbreit. Grüne und Liberale gressiv und zeitlich begrenzt. Warum dieser Bewertungs- wollen diesen Spalt ein Stück vergrößern und das Ko- unterschied? Da wird gesagt: Wir wollen die Länder für operationsverbot auf den Prüfstand stellen, und zwar aus Versäumnisse der Vergangenheit nicht bestrafen. – Ent- drei Gründen. schuldigung, aber was für eine funktionärische Denke! Erstens. Sie konzentrieren sich mit Ihrem Vorschlag Bestraft werden dann die Familien, die sich dauerhaft mit im Bildungsbereich auf Bestandsimmobilien und die schlechten Bildungseinrichtungen konfrontiert sehen. 5696 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 53 Sitzung Berlin, Freitag, den 28 September 2018

Christian Lindner (A) Deshalb muss der Bund selbstverständlich auf Dauer Die Verträge – das kennen wir von Toll Collect – sind in (C) Verantwortung in dieser Frage übernehmen. der Regel geheim. Schadensersatzforderungen sind häu- fig nicht klar geregelt, wie wir es nun bei der A 1 sehen. (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ Das Baukonsortium fordert vom Bund Millionen für aus- DIE GRÜNEN) gefallene Mauteinnahmen. So etwas dürfen wir uns nicht gefallen lassen, meine Damen und Herren. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, (Beifall bei der LINKEN) Fraktion Die Linke. Das heißt also ganz deutlich: Wir lehnen öffent- (Beifall bei der LINKEN) lich-private Geiselnahmen ab, und deshalb wollen wir ein Gesetz zur Förderung von Investitionen für finanz- schwache Kommunen, das klarstellt, dass öffentlich-pri- Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): vate Partnerschaften nicht mehr gefördert werden, meine Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten Damen und Herren. Damen und Herren! Vielleicht ein kurzer Blick zurück in die Geschichte: Im Jahr 2006 wurde das Kooperations- (Beifall bei der LINKEN) verbot von Union und SPD beschlossen, und zwar ge- Noch eine Bemerkung zu unserer Forderung, Kultur gen die Stimmen der Opposition, gegen die Stimmen der zum Staatsziel zu erklären. Dieses Ziel hatte übrigens die Linken. Das war ein schwerer Fehler. Dieser Fehler muss Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ bereits im vollständig korrigiert werden. Jahr 2007 formuliert. Über zehn Jahre sind seitdem ver- (Beifall bei der LINKEN) gangen, und es ist nichts passiert. Wir erleben doch einen kulturellen Verfall in unserem Land, der beunruhigend Das Kooperationsverbot muss endlich aufgehoben wer- ist. In vielen Dörfern, Gemeinden und auch in einigen den. Angeblich sollte das Kooperationsverbot die Ge- Städten gibt es kein Kulturangebot mehr; es ist ja nicht setzgebung vereinfachen und Prozesse beschleunigen. überall Berlin. Da ist die Freude in einigen kleineren Or- Gerade in der Bildung sehen wir die fatalen Folgen die- ten groß, wenn man wenigstens ein Kino erhalten kann. ses Verbots. Viele Schulen in unserem Land sind in ei- Aber, meine Damen und Herren, die Landflucht kann nur nem erbärmlichen Zustand. In den vergangenen Jahren verzögert werden, wenn wir auch ein kulturvolles Leben wurden immer wieder Sonderprogramme erfunden, um außerhalb der Großstädte anbieten können. dieses Verbot zu umgehen. Dazu war ein erheblicher bürokratischer Aufwand notwendig. Welche Verschwen- In Ostdeutschland wurden nach der Wende reihenwei- dung von Energie! Diese Energie hätte man besser in die se Theater, Orchester und Jugendklubs geschlossen, im- (B) Bildung gesteckt. mer mit der Begründung, dass diese Einrichtungen sich (D) nicht rechnen würden. Welch kurzsichtige Politik! Auch (Beifall bei der LINKEN) das gehört dringend geändert. Die Zahl der Sozialwohnungen hat sich in den vergan- (Beifall bei der LINKEN) genen 15 Jahren halbiert. Auch hier muss dringend etwas getan werden. Im Gegenteil: Die Verödung ganzer Kulturlandschaften führt zur Landflucht. Auch deshalb fordern wir eine Ge- (Beifall bei der LINKEN) meinschaftsaufgabe für die ländliche Entwicklung. Busse und Bahnen sehen Menschen auf dem Land so sel- Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen die Unter- ten wie eine Mondfinsternis. Auch das ist kein haltbarer stützung der Linken anbieten, wenn Sie radikal mit dem Zustand. Kooperationsverbot brechen, um gemeinsam mit Län- Wir als Linke wollen noch mehr Ziele im Grundgesetz dern und Kommunen die drängenden Probleme zu lösen. verankern: zum einen eine umfassende Gemeinschafts- Wir brauchen mehr Bildung, mehr Wohnungen, mehr aufgabe für Bildung und für die ländliche Entwicklung Kultur und mehr Sport, und das geht nur mit mehr Ko- sowie zum anderen Kultur und Sport als Staatsziel. operation und nicht mit weniger. (Beifall bei der LINKEN) Vielen Dank. Wir wollen nicht – das sei an dieser Stelle ganz klar (Beifall bei der LINKEN) gesagt; das ist die Kritik an den Vorschlägen, die vorlie- gen; aber wir haben noch mehrere Anhörungen –, dass Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: mit Steuergeldern die Renditewünsche von Unternehmen Jetzt hat das Wort die Vorsitzende der Fraktion Bünd- erfüllt werden. Uns liegen zahlreiche Berichte der Rech- nis 90/Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt. nungshöfe von Bund und Ländern vor, die deutlich ma- chen, dass öffentlich-private Partnerschaften keine ehr- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) lichen Partnerschaften sind. Kosten und Risiken liegen immer bei den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, und Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- die Gewinne landen immer bei den Unternehmen. Das NEN): sind keine Partnerschaften. Das ist eine moderne Form Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das der Geiselnahme. Das muss beendet werden. Grundgesetz, über das wir heute sprechen, verspricht: (Beifall bei der LINKEN) Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstam- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2018 5697

Katrin Göring-Eckardt (A) mung, Sprache, Heimat oder Herkunft benachteiligt wer- Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (C) den. – Ausgerechnet dort, wo es um den Kern geht, wo es NEN): um die Bildung geht, gilt das ganz offensichtlich nicht. Liebe Frau Kollegin, da sind wir uns vollkommen ei- Es haben eben nicht alle Kinder und Jugendlichen glei- nig. Es geht nicht darum, dass nur diejenigen erfolgreich che Chancen. Das müssen wir ändern. sind, die Abitur machen. Aber worum es doch gehen muss, ist, dass die Frage, welche Bildungserfolge man (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben kann, egal auf welchem Niveau, auf welchem Le- und bei der FDP) vel, mit welcher Zukunftsaussicht, nicht daran hängt, wie man heißt oder wo man herkommt, sondern dass die Fra- Mal ganz einfach gesprochen: Wenn die Eltern von ge, welche Möglichkeiten man bekommt, davon abhängt, Paul studiert haben, hat er dreimal so hohe Chancen, welches Talent man hat. Darum geht es mir in diesem selbst Abitur zu machen und zu studieren, als wenn sie Kontext. gemeinsam einen Kiosk betreiben. Wenn das Kind nicht Paul heißt, sondern vielleicht Fatima, dann sinken die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Chancen noch mal. Das liegt nicht daran, dass Paul oder sowie bei Abgeordneten der FDP) Charlotte schlauer sind, sondern das liegt ganz einfach Meine Damen und Herren, genauso wenig wie es von an unserem System, an der Ungleichheit, die wir in der den Eltern abhängig sein darf, darf die Frage, wie die Bildungspolitik haben. Deswegen muss ganz klar sein: Chancen sind, davon abhängig sein, wo man wohnt, so Es darf bei Kindern und ihren Chancen nicht mehr davon nach dem Motto: armer Stadtteil – Klo kaputt; reicher abhängen, wo sie wohnen, wie sie heißen und wer die Stadtteil – schicker Schulhof. Wir wollen, dass die Ge- Eltern sind. Das müssen wir ändern, und zwar nicht mit bäude intakt sind, dass die Lehrerzimmer voll sind, dass einmaligen Finanzierungen, sondern wirklich dauerhaft. Abi gleich Abi ist und Abschluss gleich Abschluss ist, Es geht um eine Kernaufgabe der Republik. und zwar nicht nur ein bisschen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wir wollen, dass Bund und Länder sich auch zusam- und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der mentun können, wenn es um die Aus- und Weiterbildung LINKEN) des Fachpersonals geht. Da können wir nicht sagen: Das soll dann mal wieder irgendwie nur vier Jahre passieren, Die Bildungskooperation ist dieser Kern. Natürlich das soll dann vielleicht mal wieder jemand anders ma- war es ein Fehler der Großen Koalition, in 2006 die chen. – Nein, das ist der Kern, um den es geht: dass wir Kooperationsmöglichkeiten auf die Art und Weise ab- tatsächlich auf Dauer stellen. zuschaffen. Ich finde, wir müssen es zurückholen. Ich (B) finde, wir müssen das ändern. Ich finde, wir müssen das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (D) aber auch wirklich konsequent ändern. Es kann nicht sein, dass es davon abhängt, ob die Schule in Bautzen, in Bielefeld oder in Baunatal steht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Es geht darum, dass Bund und Länder wirklich zusam- sowie bei Abgeordneten der FDP) menarbeiten und dass wir unsere Schulen in dieser Weise unterstützen, mit mehr Geld und mehr Personal. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Göring-Eckardt, gestatten Sie eine Zwischenfra- Es ist doch absurd: Für die energetische Sanierung ge der Kollegin Pantel? darf man was geben, für die Schultoiletten, wenn man die Klodeckel austauschen will, schon wieder nicht; für den Internetanschluss: ja, sehr gern, aber wenn der Rou- (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Katrin Göring-Eckardt ter streikt – der Router streikt sehr oft –, können wir für NEN): den Support kein Geld geben. Das ist die Gesetzeslage. Bitte schön. Das ist widersinnig. (Beifall der Abg. Tabea Rößner [BÜND- (CDU/CSU): NIS 90/DIE GRÜNEN]) Sehr geehrte Frau Göring-Eckardt, Sie tun gerade wie- Wir haben genug Geld in der Staatskasse, aber die der so, als ob nur das Abitur die Voraussetzung für eine Klassenkassen sind leer. Deswegen, finde ich, muss es gute Bildung ist. Wir exportieren das duale Bildungssys- so sein, dass der Bund in Zukunft nicht mehr nur bei den tem überallhin. Es hat Riesenanstrengungen gegeben, Schuldächern helfen kann, sondern auch da, wo es auf dass der Meister dem Bachelor angeglichen wird. Wenn Zukunftsinvestitionen ankommt. das jetzt von den Leuten in der Öffentlichkeit verfolgt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird, dann wird bei ihnen wieder der Eindruck erweckt, und bei der FDP) dass bei uns nur jemand, der ein Abitur hat, Bildungser- folge hat und dann auch weiterkommt. Das würde ich für Ich sage das auch vor dem Hintergrund der gestrigen absolut falsch ansehen. Debatte um den Klimaschutz. Es geht um die Zukunft unserer Kinder in diesem Land. Sie werden uns irgend- (Beifall bei der CDU/CSU und der AfD so- wann mal nicht fragen, ob es vielleicht kompliziert war, wie bei Abgeordneten der SPD) sie werden uns auch nicht fragen, ob vielleicht die oder 5698 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 53 Sitzung Berlin, Freitag, den 28 September 2018

Katrin Göring-Eckardt (A) jene mal zuständig waren – da bin ich komplett bei Herrn Es ist so – das weiß jeder –, dass wir mehr Sozialwoh- (C) Rehberg –, sondern sie werden uns eines Tages fragen: nungen, mehr bezahlbare Wohnungen in diesem Land Habt ihr alles für unsere Zukunft getan, für unsere Chan- brauchen. Es ist so, dass wir mehr in Bildung investieren cen und für unseren Planeten? Darum geht es, wenn wir müssen, dass nicht nur die Schulen saniert werden müs- hier heute wie auch gestern diskutieren. sen, dass wir eine moderne Schul-IT bekommen. Aber ernsthaft – jeder von Ihnen war einmal in der Schule –: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wie soll eine moderne Schul-IT funktionieren, wenn ein Ich will ein Argument von Christian Lindner aufneh- Lehrer dafür halb freigestellt wird und er das nebenbei men. Liebe Große Koalition, beim Wohnungsbau zeigen machen soll, ob er das kann oder nicht. Denn Schule mit Sie gerade, dass es geht. Da werden Sie nämlich die Mit- teilweise dreistelligen Lehrerzahlen und Tausenden von tel auf Dauer stellen. Das ist auch richtig so, weil der Schülern ist wie ein Unternehmen; die haben norma- soziale Wohnungsbau – wir haben darüber viel debat- lerweise eine eigene IT-Abteilung. Und das soll in den tiert – eine der zentralen Fragen ist, die wir in diesem Schulen nebenbei gemacht werden? Wie soll denn eine Land klären müssen. Ich kann zu Hause und sonst wo Kommunikation zwischen Eltern und Lehrern, zwischen niemandem erklären, warum eigentlich bei der Bildung Schülern und ihrem Lehrer und innerhalb des Kollegiums nicht das gelten soll, was beim Wohnen selbstverständ- laufen, wenn man keine funktionierende IT hat? Auch lich ist. mit Blick darauf muss man das richtig unterfüttern. Das sind alles Dinge, die wir gemeinsam angehen müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deswegen sage ich Ihnen: Geben Sie sich einen Ruck! Machen Sie sich klar, dass Sie eine Zweidrittelmehrheit Jetzt kann natürlich – das finde ich in Ordnung – jede brauchen. Machen wir draußen gemeinsam klar, mit ei- Partei die Bedingungen stellen, zu denen man das Thema ner Kooperation, dass wir in der Lage sind, solche gro- angeht. Die FDP sagt natürlich: Sozialer Wohnungsbau ßen Probleme wie den Bildungsnotstand in dieser Repu- ist doch viel schöner. Wir bekommen es hin, dass Private blik zu lösen. Das ist eine Tatsache, der wir uns auf Dauer das machen und der Staat zahlt. – Dann ist die Klien- stellen müssen. Lassen Sie uns das gemeinsam angehen – tel der FDP auch glücklich. Die Grünen haben einmal nicht im Gegeneinander, sondern als Bund und Länder gedacht: „Wir spielen Umwelt gegen Bildung aus“, und gemeinsam, auch in diesem Haus. festgestellt: Das ist eine doofe Idee. Herzlichen Dank. Am Ende muss man es gemeinsam machen. Ich glau- be, dass man es nur hinbekommt, wenn wir uns alle die- (B) (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ser Aufgabe bewusst sind. Olaf Scholz hat stellvertretend und bei der FDP) für die Bundesregierung hier ein Angebot an Länder und Kommunen, an die Opposition gemacht, diese Aufgabe – mehr für die Schüler, mehr für bezahlbares Wohnen und Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: mehr für eine funktionierende Infrastruktur zu unterneh- Nächster Redner ist der Kollege Johannes Kahrs, men – gemeinsam zu bewältigen. SPD-Fraktion. Zum Abschluss sei mir eine Bemerkung gestattet: (Beifall bei der SPD) Ernsthaft, das Einzige, was die AfD zu bieten hat, ist: Sie spaltet – das, was sie am besten kann. Johannes Kahrs (SPD): (Lachen bei der AfD) Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier heute von unserem Bundesfi- Länder gegen den Bund, Kommunen gegen die Länder. nanzminister gehört, dass wir große Milliardensummen (Jürgen Braun [AfD]: Herr Kahrs, Sie haben investieren werden – in den Wohnungsbau, in die Bil- das Wort!) dung und in die Infrastruktur – und dass wir jetzt gemein- sam schauen müssen, wie wir die Gesetzesänderung vor- Wir als Bund würden den Ländern was aufdiktieren wol- nehmen können, damit das vernünftig funktioniert. len. Es geht – das muss die AfD einmal zur Kenntnis nehmen – nicht, wie bei Ihnen immer, um Spaltung, um Ich glaube, das ist – Olaf Scholz hat das gesagt – eine Gegner, um den einen gegen den anderen, um wichtige nationale Aufgabe, und das werden wir nicht hinbekommen, wenn wir hier gegeneinander marschie- (Zuruf von der AfD: Sie sind ein Spalter!) ren; das bekommen wir nur hin, wenn Kommunen, Län- der und Bund das gemeinsam machen, diese Aufgabe Aufstampfen mit dem Fuß wie Rumpelstilzchen. Es geht Hand in Hand gemeinsam angehen. Wir brauchen die ausnahmsweise einmal um die Sache. Landesbildungsminister. Wir brauchen die Kommunen (Zurufe von der AfD) vor Ort. Wir als Bund wollen da gern mittun und helfen. Und – Eckhardt Rehberg hat das ja gesagt –: Wir müssen Es geht um Schüler, es geht um Bildung, es geht um gemeinsam die Grundlagen schaffen, gemeinsam dafür Wohnen. Deswegen zu sagen, dass wir als Bund kein sorgen, dass in den Schulen, auf den Straßen und am Geld an die Länder geben sollen, um das gemeinsamen Ende im Wohnungsbau das Geld ankommt. hinzubekommen, das ist spalten. Es ist nicht Berlin ge- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2018 5699

Johannes Kahrs (A) gen die Länder – das sind wir alle gemeinsam! Nur so gelegenheit der Gliedstaaten. In diesen Bereich können (C) funktioniert das. Sie mit allem, was hier diskutiert wird, nicht eingreifen. Deshalb geht der Schuss in den Ofen und führt nur dazu, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dass die Ebenen ihre Verantwortungen verschleifen. In der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ jedem Vorwort zu einem verwaltungswissenschaftlichen DIE GRÜNEN) Buch können Sie lesen, dass dies das Letzte ist, was man für ein gutes Ergebnis machen darf. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Herr Kollege Kahrs, der Kollege Glaser möchte gerne Herzlichen Dank. eine Zwischenfrage stellen. (Beifall bei der AfD)

Johannes Kahrs (SPD): Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Mit Rechtsradikalen rede ich nicht. Herr Kollege Kahrs, mögen Sie antworten? (Lachen bei der AfD) ( [AfD]: Wenn Sie nicht so Das heißt also im Ergebnis: Wir müssen schauen, schreien!) dass wir uns im Interesse von allen zusammenraufen. Ecki Rehberg hat gesagt: Es muss zusätzlich sein. – Wir Johannes Kahrs (SPD): wollen, dass wir das gemeinsam hinbekommen, dass die Zuhören bildet, denken hilft. Das könnte funktionie- Länder mehr investieren und der Bund mehr investiert. ren. Wir als Große Koalition haben auf Drängen der SPD in den letzten vier Jahren die Kommunen und die Länder (Lachen bei der AfD) gestärkt. Ich habe Ihnen eben doch einfach nur erklärt, dass, (Jürgen Braun [AfD]: 5 Prozent!) wenn eine Schule mit sehr vielen Schülern und sehr vielen Lehrern und Eltern ein funktionierendes IT-Sys- Die haben mehr Geld bekommen, die schreiben alle tem braucht, wir als Bund helfen. Ich habe Ihnen auch schwarze Zahlen, die haben jetzt Geld. Und wir geben erklärt – das könnten Sie vielleicht verstehen und nach- noch einmal Geld dazu. Gemeinsam werden wir das vollziehen, hoffe ich –, schaffen – gegen die Spalter in diesem Land. Gemeinsam sind wir stark! (Zuruf des Abg. Albrecht Glaser [AfD]) (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Eckhardt dass wir über viele Jahre viel Geld – der Kollege Rehberg (B) Rehberg [CDU/CSU]) hat es betont – strukturell an Kommunen und Länder (D) gegeben haben. Deswegen schreiben die Länder jetzt schwarze Zahlen. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Jetzt hat das Wort für eine Kurzintervention der Kol- Das heißt: Wenn wir in IT investieren und die Länder lege Glaser, AfD. in Personal investieren, bekommt man das gemeinsam hin. Deswegen ist die Spalterei, die Sie betreiben – Ber- lin gegen die Länder, gegen die Kommunen –, falsch. Albrecht Glaser (AfD): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter (Widerspruch bei der AfD) Herr Kahrs, einmal abgesehen davon, dass Sie wahr- Sie müssen einmal lernen, dass wir in dieser Gesellschaft scheinlich eine Spalterneurose haben – die können wir nicht spalten, sondern Menschen mitnehmen und nur ge- hier aber nicht therapieren –, will ich mir zu dem Kern meinsam stark sind. Das ist das Problem dieser Rechtsra- Ihrer Ausführungen erlauben festzustellen, dass Sie mit dikalen hier in diesem Hause. all dem, was Sie über das Thema „Lehrer“ und „fachlich besonders geschulte IT-Lehrer“ und, und, und erzählen, Vielen Dank. völlig neben der Sache liegen, weil es um investive Mit- tel geht. (Beifall bei der SPD – Jürgen Braun [AfD]: Bruder Johannes für Arme!) (Beifall bei der AfD) Das gilt natürlich auch auf den Kollegen Lindner bezo- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: gen. Nächste Rednerin ist die Kollegin Nicole Höchst, AfD. Die Frage, ob wir in Deutschland ein Zentralabitur wie in Frankreich machen und eine Vereinheitlichung solcher (Beifall bei der AfD) Bildungsstandards erreichen wollen, kann man diskutie- ren. Die Kultusministerkonferenz hatte Jahrzehnte Zeit, Nicole Höchst (AfD): solche Dinge zu betreiben, wenn das für die Bildungsge- Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Minister! Wer- meinde wichtig ist. te Kollegen! Hochgeschätzte Bürger! Dr. Frömming hat Aber worüber wir heute reden, sind investive Fragen. schon sehr zutreffend Kritik am Regierungsvorstoß ge- Die Inhalte der Bildungspolitik, also das einheitliche Abi- übt. Die Regierung will die Axt an unser föderales Bil- tur in Deutschland, ist Kultusangelegenheit und Herzan- dungssystem legen, und das unter der Standarte der Digi- 5700 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 53 Sitzung Berlin, Freitag, den 28 September 2018

Nicole Höchst (A) talisierungsnebelkerze und dem Winken mit der prallen Man könnte fast meinen, Sie bedauern, nicht hier auf der (C) Geldbörse. Ich möchte Ihnen allen – besonders Ihnen, Regierungsbank in ebendieser Konstellation zu sitzen. Herrn Kahrs – eine Tatsache ins kollektive Gedächtnis rufen: Die Schöpfer unseres Grundgesetzes wollten den (Beifall bei der AfD) Missbrauch von Kunst, Kultur und Bildung erschweren. Wie gut, dass es endlich eine echte Opposition im „Wehret den Anfängen“, dachte man wohl und stellte mit Bundestag gibt. Artikel 30 des Grundgesetzes die Bildung in die Kultur- hoheit der Länder. (Lachen bei Abgeordneten der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Das glauben Sie selbst nicht!) (Abg. Johannes Kahrs [SPD] begibt sich zum Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]) In unserem Antrag zur Stärkung des Bildungsföderalis- mus halten wir eines klar fest: Der Bund hat bereits auf- – Ja, da läuft er weg. – Nach den einschlägigen Erfahrun- grund der Einführung des Artikels 91b Grundgesetz die gen mit der zentralen Bildungsverwaltung Deutschlands Möglichkeit, gemeinsam mit den Ländern in Fällen über- bis 1945 ist auch das heute noch absolut nachvollziehbar. regionaler Bedeutung bei Förderung von Wissenschaft, Es ist bezeichnend, wer heute mit welchen Gründen die Forschung und Lehre zusammenzuwirken. Bund und Grundpfeiler unseres Bildungsföderalismus weiter ansä- Länder haben dies bereits in zahlreichen gemeinsamen gen bzw. abschaffen möchte. Projekten durchexerziert, und Herr Rehberg hat dies hier Aber des Pudels Kern: Ist die Abschaffung im Zeit- durchdekliniert. Wozu also die Änderung? alter der deutschen Bildungsniveaurekordjagd eine gute Meine Damen und Herren, es ist einfach keine wei- Idee? Angesichts des Ziels einer sich ins Gegenteil ver- tere Erhöhung der Einflussnahme des Bundes in diesem kehrenden Bildungsoffensive wäre eine Aufhebung des Bereich nötig. Die bisherige Zusammenarbeit zwischen Kooperationsverbots nicht hinreichend, Herr Lindner, Bund und Ländern gewährleistet bereits die internationa- sondern eher sträflich und wettbewerbsschädlich. Wo- le Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Bildungswesens. hin eine links-grün-schwarze Strukturveränderung bin- Es muss nur endlich richtig gemacht werden. nen kürzester Zeit führen kann, ist am Kaputtschlagen eines hervorragend differenzierten Schulsystems in Ba- (Lachen bei der SPD) den-Württemberg erhellend zu studieren. Die Länder sollten aufgrund ihrer Unterschiede in Kul- (Beifall bei der AfD) tur, Struktur, Region in den wichtigen Bildungsbereichen ihre Länderhoheit bewahren, insbesondere in der Gestal- Josef Kraus beschreibt dies hervorragend in seinem Werk tung des Unterrichts, in der Ausgestaltung und Umset- „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“. zung der Lehrpläne sowie hinsichtlich der Unterrichts- (B) (D) Meine Damen und Herren, man gewinnt aus der bis- materialien und Unterrichtsgegenstände. herigen Debatte fast den Eindruck, der Bildungsfödera- (Zuruf des Abg. René Röspel [SPD]) lismus, das sogenannte Kooperationsverbot, sei an allen Problemen schuld, die Schulen so haben. Das mag viel- Der Bildungsföderalismus und der offen zutagetreten- leicht populär und politisch opportun sein, es stimmt aber de Länderniveauvergleich ist zudem der letzte Qualitäts- einfach nicht. rettungsanker des deutschen Bildungssystems. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Denn schuld sind die verantwortlichen Landesregierun- NEN]) gen, und da gibt es auffällige Korrelationen zwischen ideologischem Bekenntnis der Regierungsparteien und Es gibt keine belastbaren Prognosen, dass der Bund dies dem Grad der Herabwirtschaftung und der Versiffung des besser könnte. Bildungssystems. (René Röspel [SPD]: Prognosen sind nie be- (Beifall bei der AfD) lastbar!) Beispiel Berlin: Die Lehrer fliehen geradezu aus den Ganz im Gegenteil! Infrage stehen die Bildungsqualität Schulen. Und das, meine Damen und Herren, liegt be- und sogar der humanistische Kerngedanke von Bildung. stimmt nicht am Bildungsföderalismus und auch nicht an Der Bildungsföderalismus sollte deshalb gestärkt und mangelnder Digitalisierung. nicht geschwächt werden, meine Damen und Herren. Die FDP zeichnet den Antrag der Grünen mit, der (Beifall bei der AfD) ebenfalls fleißig am Bildungsföderalismus sägen möchte. Für die anderen in der Gesetzesänderung angestrebten (Christian Lindner [FDP]: Mitzeichnen!) Bereiche mögen Änderungen ja sinnvoll sein; dies sollte dann aber auch getrennt debattiert werden. Wir lehnen Sie schreiben in Ihrer Antragsbegründung mit anderen öffentliche, staatliche Geiselnahme von Kultur und Bil- Worten – mein Kollege hat es bereits gesagt –: Wer zahlt, dung ab, Frau Lötzsch. bestellt. Gestatten Sie mir eine kleine Nebenbemerkung, Herr Lindner: Sie von der FDP bieten sich hier so wohl- (Beifall bei Abgeordneten der AfD) feil Ihrer gescheiterten Jamaika-Koalition an. Ich möchte Sie herzlich einladen, unseren Antrag zu un- (Zurufe von der FDP) terstützen; denn wir von der AfD gestalten Zukunft. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2018 5701

Nicole Höchst (A) Vielen Dank. te des Geldgebers ablehnen, konterkariert deshalb das (C) Konnexitätsprinzip. (Beifall bei der AfD – Lachen bei Abgeordne- ten der SPD und der LINKEN – Ulli Nissen Wenn die Länder ihrer Verantwortung nachkämen [SPD]: Sie gestalten einen Abgrund!) und die Kommunen auskömmlich finanziell ausstatten würden, könnten wir uns eine Ausweitung der Mitfi- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: nanzierungskompetenz des Bundes in einem ureigenen Der nächste Redner ist der Kollege , Länderaufgabengebiet sparen. Dann würde jede Ebene CDU/CSU-Fraktion. ihre Aufgabe wahrnehmen, so wie es in einer früheren Föderalismusreform einmal festgelegt worden ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD]) Ziel der Föderalismusreform 2006 ist es gewesen, kla- re Strukturen und Verantwortlichkeiten in der Aufgaben- Christian Haase (CDU/CSU): wahrnehmung zwischen Bund und Ländern zu schaffen. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Dieses Ziel war richtig, bleibt richtig, und ist auch in Zu- Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kunft richtig. ebnen heute den Weg für eine Ausweitung der Mitfinan- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und zierungsmöglichkeiten des Bundes bei Aufgaben in Trä- der AfD) gerschaft von Ländern und Kommunen. Das betrifft zum Beispiel die Digitalisierung im Schulbereich. Hierbei Deshalb wäre die beste Lösung: weiterhin in Deutsch- handelt es sich um eine Herausforderung, die Länder und land ein Wettbewerbsföderalismus. Wer hat die beste Kommunen unter optimalen Finanzbedingungen allein Bildung? Wo klappt es am besten mit dem sozialen Woh- meistern könnten und müssten. Diese optimalen Bedin- nungsbau? Wer kümmert sich am besten um innere Si- gungen sind zwar bei den Ländern, aber längst nicht in cherheit, und wer geht mit seinen Kommunen am besten allen Kommunen gegeben. Daher begrüßen wir grund- um? Die Länder bekommen ab 2020 mit der Neuordnung sätzlich den Ansatz unserer Bundesbildungsministerin, der Bund-Länder-Finanzbeziehungen dafür die finanziel- den Ländern und Kommunen mit dem DigitalPakt in den len Mittel an die Hand: jährlich fast 10 Milliarden Euro kommenden fünf Jahren 5 Milliarden Euro zur Verfü- mehr, und das dynamisch. Dabei fließt auch die Finanz- gung zu stellen. Das ist ein wichtiges Signal für Eltern situation der Kommunen zukünftig deutlicher als bisher und Schulkinder, aber auch für Länder und Kommunen. in die Berechnung ein. Die Länder sind jetzt aufgefordert, lösungsorientiert (B) die Bund-Länder-Vereinbarungen zum DigitalPakt zu Die Länder erzielen bereits jetzt deutliche Überschüs- (D) verhandeln und diese Verhandlungen auch zügig zum se: im Jahre 2017 allein 14 Milliarden Euro. Geld, mit Abschluss zu bringen. Es geht vor allem auch darum, dem sie sich um ihre finanzschwachen Kommunen küm- dass die Kommunen mit den Folgekosten der anstehen- mern könnten, ist also bei den Ländern vorhanden. Mit- den Investitionen aus Betrieb und Wartung nicht allei- unter hat man den Eindruck: Es fehlt am Willen, weil es ne gelassen werden. Hier sind die Länder in der Pflicht, bequemer ist, nach dem Bund zu rufen. sonst nutzt die schönste Grundgesetzänderung am Ende nichts. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD) (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, wir setzen also nur die Das großzügige finanzielle Engagement des Bundes zweitbeste Lösung um. Bereits bei der Einfügung des Ar- ist für viele Kommunen eine große Hilfe. Aber: Misch- tikels 104c Grundgesetz hatten die Kommunalen davor zuständigkeiten und Mischfinanzierung führen zu kei- gewarnt, dass aus der erweiterten Mitfinanzierungsmög- ner Klärung von Verantwortung. Im Gegenteil: Sie wir- lichkeit des Bundes bei der Bildungsinfrastruktur finanz- ken als goldene Zügel und untergraben letztendlich die schwacher Kommunen keine Allgemeinzuständigkeit kommunale Selbstverwaltung, und das darf nicht sein, des Bundes für die Probleme vor Ort werden darf. Das meine Damen und Herren. Und wer Geld gibt, will ver- Argument, die Menschen würden es nicht verstehen, dass ständlicherweise am Ende des Tages auch wissen, wo- der Bund nicht für marode Schulen zuständig sei, lässt für dieses Geld ausgegeben worden ist. Wir beschwören sich genauso auf marode Straßen und Brücken, andere immer wieder das Konnexitätsprinzip. Zum Prinzip der öffentliche Einrichtungen oder geschlossene Schwimm- Konnexität gehört auch, auf die Kontrollmöglichkeiten bäder ausdehnen. Sägen die Länder mit ihren Forderun- des Bundes hinzuweisen und nicht auf sie zu verzichten. gen also am Ast des Föderalismus, auf dem sie selbst Das ist im Prinzip wie beim Schützenfest: Wer die Musik sitzen? bestellt, der bezahlt; aber wer bezahlt, will auch wissen, welche Musik gespielt wird. (Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Ja!) (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der AfD: Ja, genau!) Lässt sich das Vertrauen in einen Staat stärken, wenn Zu- ständigkeiten verwässert werden? Ich denke: Nein, mei- Dass die Bundesländer zwar einerseits die Finanzmittel ne Damen und Herren. Deshalb gilt: Am Grundsatz, dass des Bundes, zum Beispiel den DigitalPakt, herbeisehnen, für angemessene Finanzausstattung der Kommunen die auf der anderen Seite aber Steuerungs- und Kontrollrech- jeweiligen Bundesländer verantwortlich sind und blei- 5702 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 53 Sitzung Berlin, Freitag, den 28 September 2018

Christian Haase (A) ben, darf sich auch nach der anstehenden Grundgesetz- Entwurf der Bundesregierung ist zu wenig. Wir brauchen (C) änderung nichts ändern. mehr als nur Investitionen in Kabel und Beton. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten sowie des Abg. Albrecht Glaser [AfD]) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Und eines, meine Damen und Herren, muss auch klar Deshalb legen FDP und Grüne heute einen gemein- sein: Wenn der Bund Mittel für die Kommunen zur Ver- samen Antrag vor. Liebe Kolleginnen und Kollegen von fügung stellt, müssen diese ungekürzt und zusätzlich vor Union und SPD, ja, es geht, man kann in diesem Hause Ort ankommen. Kommunalmittel sind kein Beitrag zur tatsächlich noch über Parteigrenzen hinweg in der Sache Konsolidierung von Landeshaushalten. arbeiten. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Eine gekürzte Weiterleitung der Bundesmittel oder eine Verrechnung im Zuge des kommunalen Finanzausgleichs Unser gemeinsamer Antrag enthält zwei Kernforderun- sind ebenso inakzeptabel wie der Ersatz von Landesmit- gen. teln durch Bundeshilfen, beispielsweise bei Investitions- zuschüssen. Machen Länder nicht? – Doch, meine Da- Erstens. Der Bund soll die Länder und Kommunen men und Herren! Alles schon vorgekommen. nicht nur mit kurzlebigen Programmen unterstützen dürfen, sondern muss es dauerhaft tun können. Deshalb Die in diesem Jahr erstmals greifende Kommunalent- müssen Degressivität und Befristung der Mittel gestri- lastung in Höhe von eigentlich 5 Milliarden Euro ist da- chen werden. Länder wie Dänemark und die Niederlande für symptomatisch. Auf Druck der Länder werden 1 Mil- sind uns im Wettlauf um die beste Bildung zehn Jahre vo- liarde Euro über die Landeshaushalte und nicht direkt an raus. An die Spitze kommen wir nicht mehr mit ein paar die Kommunen verteilt. Eine vollständige Weiterleitung Hundertmetersprints, sondern nur mit einem entschlosse- an die Kommunen erfolgt aber längst nicht in allen Län- nen und dauerhaften Marathon. dern. Besonders dreist fallen Rheinland-Pfalz und Bran- denburg auf: Der überwiegende Teil des über das Land Und zweitens. Der Bund soll gemeinsam mit den weitergeleiteten Geldes – nämlich 77 Prozent in Rhein- Ländern bundesweit einheitliche und ambitionierte Bil- land-Pfalz und 80 Prozent in Brandenburg – verbleiben dungsstandards schaffen und deren Umsetzung sicher- im Landeshaushalt und werden nicht an die Kommunen stellen. Die Bildungschancen unserer Kinder dürfen weitergeleitet. Ich nenne das unredlich, meine Damen nicht länger davon abhängen, in welchem Bundesland sie und Herren, und so darf es hier nicht weitergehen! zur Schule gehen. Die Menschen nehmen das zu Recht (B) nicht mehr hin. (D) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten ordneten der AfD) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Liebe Länder, behandeln Sie Ihre Kommunen, wie Ein Abitur in Bremen oder Berlin muss endlich so hohe Sie selbst behandelt werden wollen! Bewahren Sie den Standards erfüllen wie eines in Bayern oder Sachsen, und Schatz der kommunalen Selbstverwaltung! Denn ohne ein Umzug in ein anderes Bundesland darf für Familien Kommunen ist kein Staat zu machen. mit schulpflichtigen Kindern keine Zumutung mehr sein. Danke. In der Debatte sind ja einige kritische Anmerkungen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- zu unseren Vorschlägen gemacht worden, auf die ich ger- ordneten der AfD und der Abg. Ulli Nissen ne kurz eingehen möchte. Es ist gesagt worden: Bundes- [SPD]) weit einheitliche Standards würden bedeuten, dass quasi ein Berliner Bundeskultusministerium in jede Schule hineinregiert. Das ist natürlich falsch. Wir wollen genau Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: das Gegenteil. Wir wollen verbindliche Ziele setzen. Auf Ich erteile der Kollegin , FDP-Fraktion, welchem Weg diese Ziele aber am besten erreicht wer- das Wort. den, das sollen die Lehrer, Eltern und Schüler vor Ort entscheiden; sie sind die Experten, nicht die Bürokraten. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Katja Suding (FDP): des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich Andere kritische Töne betreffen die Kontrolle der freue mich sehr, dass wir heute endlich über eine Moder- Mittelverwendung. Natürlich darf der Bund nicht nur nisierung des Bildungsföderalismus debattieren. Unsere Zahlmeister sein. Als der Bund die Finanzierung des Schulen stehen vor riesigen Herausforderungen: Integra- BAföG übernommen hat, haben etliche Länder mit den tion, Sprachförderung, Inklusion, Lehrermangel, marode freigewordenen Mitteln eben nicht die Bildung gestärkt, Schulgebäude und Digitalisierung. Schüler, Eltern und sondern ihre Haushaltslöcher gestopft. Auch beim Hoch- Lehrer warten sehnsüchtig darauf, dass der Bund mehr schulpakt weiß der Bund nicht genau, wie die Gelder Verantwortung übernimmt. Und so sehr wir als FDP eine konkret verwendet werden. Die Mittel für die Bildung Lockerung des Kooperationsverbotes unterstützen: Der müssen endlich wirksamer eingesetzt werden; das muss Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2018 5703

Katja Suding (A) kontrolliert werden. Wir werden an dieser Stelle auch Ich darf mich über diesen Sinneswandel auch freuen; (C) nicht lockerlassen. denn als wir dieses Anliegen vor 15 Monaten hier zur Abstimmung gestellt haben, gab es noch Ablehnung der Schließlich – das ist ja auch immer zwischen den Zei- Koalition und Enthaltung der Grünen. Ich freue mich len angeklungen – wurde gesagt: Wenn wir den Entwurf sehr, wenn Sie Ihre Meinung an dieser Stelle ändern. der Bundesregierung nicht einfach abnicken, würden wir die Grundgesetzänderung und damit auch den Digi- (Beifall bei der LINKEN) talPakt verschleppen. Das ist natürlich falsch. Wenn der Bauer nicht schwimmen kann, dann hat doch nicht die Nun habe ich gehört, dass die FDP von diesem Vor- Badehose Schuld. haben noch nicht überzeugt ist, Herr Lindner. Wohngeld alleine ist nicht die Lösung, auch wenn ich weiß, dass das (Beifall bei der FDP) ein beliebtes Argument der Immobilienlobby ist. Klar wollen die das. Aber das heißt ja im Endeffekt, dass wir Dass der DigitalPakt vor zwei Jahren großspurig ange- mit öffentlichen Geldern die Rendite in privaten Händen, kündigt wurde, die Länder aber immer noch keinen Cent die Mietenexplosion in den Händen von wenigen Kon- gesehen haben, hat nur einer zu verantworten, und das ist zernen subventionieren würden. Das ist finanziell keine diese Bundesregierung. Nicht wir verzögern die Grund- nachhaltige Politik. gesetzänderung; das sind schon Sie. (Beifall bei der LINKEN) Lieber Herr Minister Scholz und liebe Frau Ministerin Karliczek – auch Sie spreche ich da an –, liebe Kollegin- Wenn wir keine Belegungsrechte für Sozialwohnun- nen und Kollegen von Union und SPD, Sie wissen doch gen mehr haben, dann heißt das, dass sich bald kein Nor- seit langem, dass Sie keine eigene Mehrheit haben, son- malverdiener eine Wohnung in den Innenstädten mehr dern die Stimmen von FDP und Grünen benötigen. Wir leisten kann. Dann haben wir dort Monokulturen von haben Ihnen immer wieder das Gespräch angeboten; Sie Besserverdienenden und Businessleuten; das können wir haben noch nicht mal darauf geantwortet. alle nicht wollen. (Christian Lindner [FDP]: Doch, gestern!) (Beifall bei der LINKEN) Wir fragen uns jetzt: Wie ernst meinen Sie es eigentlich Ja, keine Frage: Die Verantwortung für den sozia- mit der Grundgesetzänderung? Spekulieren Sie viel- len Wohnungsbau in die Hände der Länder zu geben, leicht am Ende sogar darauf, dass Sie gar keine parla- war keine gute Idee. Die Anzahl der Sozialwohnungen mentarische Mehrheit bekommen? Herr Haase hat ja in sank rapide. Sie liegt gerade mal bei 1,2 Millionen. seinem Beitrag gerade eigentlich gegen den Antrag der Auch die Zweckentfremdung der Mittel für den sozia- (B) Bundesregierung gesprochen. In den Jamaika-Verhand- len Wohnungsbau durch die Länder erreicht erhebliche (D) lungen gab es ja auch ein Veto aus der Union gegen die Größenordnungen; das habe ich mit meinen Anfragen Reform des Bildungsföderalismus. Deshalb wollen wir regelmäßig nachgewiesen. Der massive Rückgang an von Ihnen, lieber Herr Minister, endlich ein Zeichen se- Sozialwohnungen ist auch schuld an der Mietenkrise. hen. Steigen Sie mit uns in die Verhandlungen ein! Oder Deswegen müssen wir diese Politik ändern. sagen Sie einfach klipp und klar, dass Sie eigentlich auf ein Scheitern setzen! (Beifall bei der LINKEN – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Die Schuld liegt bei den Län- Vielen Dank. dern, weil sie Mittel nicht eingesetzt haben!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Ich finde allerdings, dass es zu kurz greift, sich als des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bundesregierung einen schlanken Fuß zu machen und zu sagen: Allein die Länder sind schuld am Niedergang des Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: sozialen Wohnungsbaus. Ich will daran erinnern: Es war die gleiche Koalition, Für die Fraktion Die Linke hat das Wort die Kollegin Caren Lay. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig! Genau!) (Beifall bei der LINKEN) die diese Frage vor zwölf Jahren entschieden und, wie wir heute wissen, falsch entschieden hat. Caren Lay (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) hier beschließen, dass der Bund wieder für den sozialen Wohnungsbau zuständig wird und diesen dann auch wei- Als die Föderalismusreform 2006 hier diskutiert wur- ter mitfinanzieren kann, dann freue ich mich; denn da- de – ich habe mir das Plenarprotokoll extra noch einmal mit würde eine langjährige Forderung der Linken, eine durchgelesen –, war es allein Die Linke, die problemati- langjährige Forderung auch von mir ganz persönlich in siert hat, dass es zu einem Rückgang der sozialen Woh- Erfüllung gehen. Sie sehen, meine Damen und Herren: nungen kommen wird. Deswegen haben wir dem damals Die Linke wirkt. auch nicht zugestimmt. Und als wir vor fünfeinhalb Jah- ren einen Neustart im sozialen Wohnungsbau gefordert (Beifall bei der LINKEN – Lachen bei Abge- haben, ernteten wir vor allen Dingen von der Unionsfrak- ordneten der CDU/CSU) tion Hohn und Spott. 5704 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 53 Sitzung Berlin, Freitag, den 28 September 2018

Caren Lay (A) Wenn wir jetzt aber die Grundlagen legen, dass der Es ist einfach an der Zeit, nicht nur diesen Fehler zu (C) Bund Sozialwohnungen weiterhin mitfinanzieren darf, korrigieren; es ist auch Zeit, unseren Bildungsföderalis- dann sollten wir aus meiner Sicht auch mehr mitreden mus auf gesunde Füße zu stellen. Es ist Zeit für einen dürfen. Denn es geht nicht nur um das Ob des sozialen modernen Bildungsföderalismus, in dem der Bund, die Wohnungsbaus, sondern auch um das Wie; und da muss Bundesländer und die Kommunen im Sinne der Bildung, sich einiges ändern. im Sinne der Kinder und Jugendlichen an einem Strang ziehen können. (Beifall bei der LINKEN) Mit den Geldern für den sozialen Wohnungsbau Haus- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haltslöcher zu stopfen oder Eigenheime zu subventio- und bei der FDP) nieren – damit, meine Damen und Herren, muss endlich Wir beraten heute eine Grundgesetzänderung. Das ist Schluss sein. ja keine Lappalie. Wenn man das Grundgesetz ändert, Ein anderes und aus meiner Sicht das zentrale Pro- dann sollte man es auch gut und richtig machen. Wir ha- blem sind die auslaufenden Belegungsbindungen. Das ben jetzt die große Chance, wichtige Weichen zu stellen heißt: 15 Jahre lang gelten die subventionierten Woh- und die Bildungspolitik in diesem Land ernsthaft zum nungen als Sozialwohnungen; danach fallen sie aus der Besseren zu bewegen. Belegungsbindung. Das ist ein Fehler. In Zukunft muss Ich sage Ihnen: Ich habe es satt, in jedem Bildungs- gelten: einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung. bericht, in jeder OECD-Studie, ja sogar in jeder dritten (Beifall bei der LINKEN) Pressemitteilung der Bildungsministerin zu lesen, wie eng der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bil- Es fehlen nämlich im Moment 4 bis 5 Millionen Sozial- dungserfolg in diesem Land ist. Dass wir beim Thema wohnungen. Die 100 000 Wohnungen, die Sie in dieser „Chancengleichheit in der Bildung“ weiter Schlusslicht Legislatur bauen wollen, sind natürlich nur ein Tropfen sind, das muss ein Ende haben, liebe Kolleginnen und auf den heißen Stein; denn wenn jedes Jahr mindestens Kollegen. 80 000 Wohnungen aus der Sozialbindung herausfallen, dann werden wir am Ende der Legislatur weniger Sozial- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wohnungen statt mehr Sozialwohnungen haben. Und das und bei der FDP) ist eine falsche Politik. Ohne die Möglichkeit, dass Bund und Länder zusam- (Beifall bei der LINKEN) menarbeiten, wird das kein Ende haben. Dafür wird es am Ende des Tages Geld brauchen. Die Deshalb sind wir als grüne Bundestagsfraktion – ich (B) 5 Milliarden Euro, die Sie in dieser Legislatur und nicht, denke, das gilt auch für die FDP-Fraktion – sehr ent- (D) wie wir fordern, im Jahr zur Verfügung stellen, reichen schieden und sagen ganz klar: Ein kleiner Schritt in die nicht aus. Sie geben demgegenüber 14 Milliarden Euro richtige Richtung ist zwar nie verkehrt; aber der kleinste für Sonder-AfA und für Baukindergeld aus. Das, meine gemeinsame Nenner von SPD und Union reicht an die- Damen und Herren, steht in keinem Verhältnis. ser Stelle nicht. Das ist nicht das, was diese Republik braucht. Nein, wir müssen jetzt das tun, was tatsächlich (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) notwendig ist. Das heißt für den Bund, nicht nur in Be- Zu guter Letzt: Wenn Fehler korrigiert werden sol- ton, sondern in Köpfe zu investieren, nicht nur Schulklos len, dann bitte schön auch noch weitere; denn die fal- zu sanieren oder Whiteboards aufzuhängen – – sche Wohnungspolitik hat ihren Anfang nicht erst in der Föderalismusreform 2006, sie begann 1989 mit der Ab- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schaffung der Wohngemeinnützigkeit. Diese müssen wir sowie bei Abgeordneten der FDP) jetzt in veränderter, in moderner Form wieder einführen. Das ist der nächste Schritt. Daran werden wir weiter ar- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: beiten. Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der (Beifall bei der LINKEN) Kollegin ?

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Für Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Katja Gerne. Dörner das Wort. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ronja Kemmer (CDU/CSU): Frau Kollegin, herzlichen Dank. – Ihre Kritik geht ja Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): dahin, dass die Grundgesetzänderung nicht weit genug gehen würde. Jetzt wundere ich mich schon; denn da, Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie- wo die Grünen in den Ländern Verantwortung tragen, be Kollegen! Mit der Einführung des sogenannten Ko- zum Beispiel in Baden-Württemberg, gibt es auch ande- operationsverbots in der Bildung wurde ein sehr schwe- re Stimmen. Ministerpräsident Kretschmann bezeichnet rer Fehler gemacht. die jetzige Grundgesetzänderung als zu weit gehend, als (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aushöhlung des Föderalismus. Da frage ich mich dann sowie der Abg. [DIE LINKE]) schon: Was ist denn jetzt die Position der Grünen? Zwi- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2018 5705

Ronja Kemmer (A) schen Bund und Ländern scheint die ja nicht wirklich ab- Der Bund soll den Ländern die Hand reichen können, um (C) gestimmt zu sein. miteinander zu kooperieren. Sich dem entgegenzustellen, das ist für uns rundum nicht nachvollziehbar. ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Doch!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP) Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, vor exakt zehn Wissen Sie, es ist ja der Kern des Föderalismus, dass Jahren hat die Union die Bildungsrepublik Deutschland eine Bundestagsfraktion und ein Ministerpräsident eines ausgerufen. Unlängst rief den Bildungs- Bundeslandes auch unterschiedlicher Meinung sein dür- notstand aus. Nach 13 Jahren CDU-Bildungsministerin- fen. nen und genauso langem Gewürge um dieses Koopera- tionsverbot muss ich sagen: Eine solche Äußerung ist (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einfach nur noch Realsatire. sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Notfalls sogar haben von kommunalen Lehrern gesprochen!) dauerhaft! – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Wir brauchen jetzt einen mutigen Schritt. Ich erwarte – Den Satz müssen wir uns merken!) ich denke, es ist an der Zeit –, dass die Regierungsfrakti- Ich habe, glaube ich, die Meinung der Bundestagsfrakti- onen mit uns über diesen Schritt ins Gespräch kommen. on an dieser Stelle sehr deutlich gemacht. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NEN]: Seit zehn Jahren!) und bei der FDP) Es darf eben nicht so sein, dass nur Schulklos saniert und Whiteboards aufgehängt werden, sondern es muss Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: auch in die Ganztagsbetreuung investiert werden können, Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort die Kollegin in die Inklusion. Unsere Lehrkräfte müssen fit gemacht Ulli Nissen. werden für den digitalen Wandel. Das werden die Bun- desländer nicht alleine wuppen können, und die Schüle- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) rinnen, die Lehrkräfte, die Eltern, alle, die mit Schule zu tun haben, wissen das auch. Ulli Nissen (SPD): (B) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und (D) Kollegen! Es ist für mich eine große Ehre, dass ich heu- Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir müssen jetzt te zu den geplanten Verbesserungen beim Grundgesetz die Chance nutzen, Möglichkeiten zu schaffen, um wich- reden darf. Für diese jetzt hoffentlich kommenden Ände- tige Ziele auf einem vernünftigen Weg erreichen zu kön- rungen habe ich mich schon lange eingesetzt. nen. Das Bildungs- und Teilhabepaket ist ein Beispiel für einen unvernünftigen Weg. Es ist ein kompliziertes Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir das Leben der Von-hinten-durch-die-Brust-ins-Auge-Konstrukt, das Menschen in unserem Land verbessern. Wir werden ein unter anderem versucht, die Nachhilfe für arme Kinder milliardenschweres Investitionspaket für die Städte und unter mühsamer Umgehung des Kooperationsverbots Gemeinden auf den Weg bringen. Es geht um den Ausbau zu finanzieren – mit dem Effekt, dass ein Großteil der der kommunalen Bildungsinfrastruktur, um die Stärkung anspruchsberechtigten Kinder diesen Anspruch gar nicht des öffentlichen Nahverkehrs und um die Förderung des wahrnimmt. Zu kompliziert, zu bürokratisch. Das ist sozialen Wohnungsbaus – alles Themen, die unmittelbar doch absurd. Warum legt der Bund sich selbst Steine in wichtig sind für ein gutes Zusammenleben der Menschen den Weg? Warum kann er nicht unmittelbar in die Schu- und für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. len investieren? Das ist aus unserer Sicht nicht nachvoll- (Beifall bei der SPD) ziehbar. Ich als Baupolitikerin spreche bei den Grundgesetzän- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN derungen zum Bereich „bezahlbares Wohnen“. Die SPD und bei der FDP) hat lange dafür gekämpft, dass die soziale Wohnraumför- derung fortgeführt werden kann. Es ist uns gelungen: Die Deshalb wollen wir einen mutigen Schritt bei dieser soziale Wohnraumförderung wurde im Koalitionsvertrag Grundgesetzänderung. festgeschrieben. Wir wollen nicht nur den Artikel 104c ändern, damit (Beifall bei der SPD) der Bund dauerhaft und nicht nur befristet in die Infra- struktur investieren kann, sondern auch in Artikel 91b Wir wollen, dass der Bund auch in Zukunft gemeinsam die Möglichkeit für Vereinbarungen zwischen Bund und mit den Ländern Verantwortung für die soziale Wohn- Bundesländern im Sinne der Verbesserung der Qualität raumförderung übernehmen kann. Dazu brauchen wir die von Bildung schaffen. Ich sage es noch einmal, weil das Grundgesetzänderung. Wenn wir nichts ändern würden, ja hier in diversen Debattenbeiträgen ziemlich durch- läge die soziale Wohnraumförderung künftig allein bei einanderging: Wir wollen die Möglichkeit für Verein- den Ländern und – besonders wichtig – die Finanzhilfen barungen zwischen Bund und Bundesländern schaffen. durch den Bund würden auslaufen und wären nach 2019 5706 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 53 Sitzung Berlin, Freitag, den 28 September 2018

Ulli Nissen (A) nicht mehr möglich. Durch Aufnahme eines zusätzlichen immer wieder vor Augen führen – das ist so schön ein- (C) Artikels 104d Grundgesetz wird dem Bund die Möglich- gängig –: Egal ob Bund, Kommune oder Land, es kommt keit gegeben, den Ländern zweckgebunden Finanzhilfen aus Steuerzahlerhand. für den sozialen Wohnungsbau zu geben. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ein „Zweckgebunden“ ist ein ganz wichtiges Stichwort. Reim!) Viele Jahre hat der Bund den Ländern Milliarden für den sozialen Wohnungsbau gegeben. Leider haben nur 3 von Die Bürger müssen das, was ausgegeben wird, vorher 16 Bundesländern die Mittel in all diesen Jahren auch erst mal erwirtschaften. wirklich dafür verwandt. Große Hochachtung an Ham- burg! Olaf, ich habe mir die Zahlen angeschaut: Ihr habt Nun sehen sicherlich wieder einzelne Bundesländer das großartig gemacht! die eigene Entscheidungssouveränität in Gefahr. Aber (Beifall bei der SPD) wenn man sich die zahlreichen Länder anschaut, in denen sich die Schulen in katastrophalem Zustand befinden und Leider gehörte mein eigenes Bundesland Hessen nicht zu in denen die hohen Abschlusszahlen nur noch durch ste- den Guten. Die Mittel wurden zum Teil fremdverwandt. tes Absenken der Anforderungen erreicht werden, dann Das gibt es nach der Grundgesetzänderung nicht mehr, müssen wir uns wirklich die Frage stellen, inwieweit wir liebe Kollegen; und das ist auch gut so. auch vonseiten des Bundes hier eingreifen. Es braucht eben weit mehr, um unsere Bildung wieder zurück an die (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Spitze des internationalen Wettbewerbes zu bringen. Wir von der SPD-Bundestagsfraktion denken, dass wir bei der Unterstützung der Kommunen auch die Stadt- Als blaue Partei streben wir ebenfalls bundesweit ein- entwicklung mit einbeziehen müssen. Wir wollen im par- heitliche Bildungsstandards an, die sich natürlich an den lamentarischen Verfahren prüfen, ob wir Artikel 104d besten Schulsystemen Deutschlands orientieren müssen. Grundgesetz auch im Hinblick auf die künftigen Bedarfe Die Zeiten, in denen ein Umzug in ein anderes Bundes- unserer Städte und Gemeinden um die Städtebauförde- land gleichbedeutend mit dem Wechsel in ein anderes rung ergänzen können. Das wäre aus meiner Sicht ein Schulsystem mit anderen Schwerpunkten, mit anderen wichtiger Schritt. Bewertungsmaßstäben war, müssen der Vergangenheit angehören. Der bildungspolitische Flickenteppich ist Noch einmal: Es geht um Milliarden, die der Bund eine Belastung für die Schüler, für die Familien und für an die Kommunen geben will. Wir wollen starke Städte die Lehrer und damit in der Folge für die Zukunft un- und Gemeinden, und wir wollen gute öffentliche Leis- seres Nachwuchses. Das kann also nur heißen, sich an tungen für die Menschen in unserem Land bei Bildung, (B) den Spitzenreitern in den Bildungsrankings auszurichten. (D) beim öffentlichen Personennahverkehr und beim Woh- Das sind mit Sachsen und Bayern zwei Länder, die sich nen. Für diese Änderung des Grundgesetzes brauchen den bisherigen Bildungsexperimenten wie Inklusion, wir im Bundestag und im Bundesrat die entsprechenden Gender, Abschaffung der Mehrgliedrigkeit, Absenkung verfassungsändernden Mehrheiten. Deshalb mein Appell der Leistungsstandards völlig zu Recht weitgehend ver- an Grüne, Linke und FDP: Lassen Sie uns gemeinsam weigert haben. an einem Strang ziehen, um die Lebensbedingungen in unserem Land zu verbessern! Die Diskussion über die Unterstützung bei der Schaf- Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. fung von Wohnraum scheint mir eine Symptomdebatte, die wir ewig führen werden, wenn sich nichts an den (Beifall bei der SPD) eigentlichen Ursachen ändert. Die Ursachen dafür, dass Menschen Mieten nicht mehr bezahlen können, sind un- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: ter anderem eben auch zu hohe Steuern, zu hohe Energie- Als Nächstes hat das Wort der Kollege . kosten, die Euro-Politik, zu geringe Löhne, zu viele Auf- stocker und damit letzten Endes viel zu wenig Kaufkraft im Vergleich zur eigentlichen Arbeitsleistung. Mario Mieruch (fraktionslos): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Wer in dieser Diskussion diese Dinge ignoriert, der Herren! Eine Verbesserung der Bildungsinfrastruktur ist mag nach Marzahn schauen. Dort stehen die Paradebei- lange überfällig. An Geld mangelt es an allen Ecken und spiele sozialistischen Wohnungsbaus. Das hat die Men- Enden, und das mindestens schon seit so vielen Jahren, schen nicht glücklich gemacht, und das weiß ich aus ei- wie hier in diesem Hause Diskussionen darüber geführt gener Erfahrung. werden. Das wirft auch immer wieder die Frage auf, wo die Finanzmittel der Länder eigentlich hin sind. Gleiches (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Abwarten! gilt für die Kommunen, welche insbesondere die stei- Ich habe da gerne drin gewohnt!) genden Kosten für die Sozialleistungen anführen. Das tun sie aber nicht erst seit der Flüchtlingskrise. Das ta- ten sie auch schon viele Jahre vorher. Seit 2015 kommt Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: halt noch eine schöne Schippe obendrauf, die nur keiner Der Kollege hat das Wort für die CDU/ richtig kalkulieren kann. Aber es ist letzten Endes egal, CSU-Fraktion. wohin wir das Geld verschieben, auf kommunale Ebene, auf Landesebene, auf Bundesebene. Es sollte sich jeder (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2018 5707

(A) Kai Wegner (CDU/CSU): Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Wohnungs- (C) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- politik stehen wir vor großen Herausforderungen, und ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 2006 wurde die wir als Bundesregierung, wir als Koalition gehen diese soziale Wohnraumförderung in die alleinige Verantwor- auch an. Mir ist durchaus bewusst, dass es – das hat auch tung der Länder übertragen. Deutschland war angeblich die Aktuelle Stunde am vergangenen Mittwoch gezeigt – „fertig gebaut“, und auch hier im Haus war der Ruf nach bei der Wohnungspolitik unterschiedliche Positionen, „Bildung statt Beton“ zu hören. unterschiedliche Auffassungen hier im Hause gibt. Unser Ansatz, der Ansatz der CDU/CSU, ist, dass wir von allem Heute, zwölf Jahre später, müssen wir feststellen: Die- etwas brauchen. Wir brauchen einen breiten Mix, um die- se Entscheidung hat sich in Zeiten angespannter Woh- sen Herausforderungen gerecht zu werden. Wenn wir uns nungsmärkte nicht bewährt. Heute geht es nicht mehr darauf verständigen könnten, dass wir von allem etwas um Bildung statt Beton, heute geht es um Bildung und brauchen, sehe ich große Chancen, dass wir fraktions- Beton, liebe Kolleginnen und Kollegen. übergreifend für die angemessene Wohnraumversorgung Das bezahlbare Wohnen steht nun wieder ganz oben der Bürger gemeinsam sehr viel erreichen können. Daher auf der politischen Agenda. Die Öffentlichkeit erwartet, bitte ich Sie: Lassen Sie uns in den Ausschussberatungen dass der Bund hier maßgeblich zur Problemlösung bei- immer im Kopf behalten, was für ein starkes Signal es ist, trägt, ganz unabhängig davon, was dazu im Einzelnen wenn das Parlament mit breiter Mehrheit im Grundgesetz steht. Ohne die sprichwörtlichen gol- ( [FDP]: Wir brauchen eine denen Zügel ist die wirksame Aufgabenwahrnehmung Zweidrittelmehrheit!) durch viele Länder leider nicht vollständig gewährleistet. Eckhardt Rehberg hat vorhin die Zahlen dargestellt. Die – wenn das Parlament mit breiter Mehrheit, lieber Herr von der Bundesregierung vorgeschlagene Grundgesetz- Kubicki – seinen Beitrag dazu leistet, die soziale Wohn- änderung greift das auf und macht, wie ich finde, dazu raumförderung mit starker Unterstützung des Bundes ein gutes Angebot. und zweckgerichtetem Mitteleinsatz für die Zukunft zu sichern, liebe Kolleginnen und Kollegen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine erneute Grund- Ich glaube, das erwarten die Menschen von uns. Das gesetzänderung machen wir uns nicht leicht, weil unser ist alle Anstrengungen wert, und dieser Verantwortung föderales System von klaren Verantwortlichkeiten lebt. für das soziale Gesicht in unserem Land sollten wir ge- Aber bei der Versorgung aller Bürger mit Wohnraum meinsam gerecht werden. Lassen Sie uns über den richti- handelt es sich in der Tat um eine nationale Aufgabe. gen Weg diskutieren, aber lassen Sie uns diskutieren mit Darum ist es sinnvoll und geboten, dass sich der Bund dem klaren Ziel einer Einigung: dass wir es hinbekom- zukünftig aktiv auch hier wieder mit zweckgebundenen men, dass das Grundgesetz für die Menschen in diesem (B) Finanzhilfen voll einbringen kann. (D) Land in dieser Form geändert wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Herzlichen Dank. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Zweck- gebunden!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) – Ja, in der Tat, zweckgebunden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Wohnungs- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: frage muss sich die Stärke unserer sozialen Marktwirt- Der nächste Redner ist für die SPD-Fraktion der Kol- schaft bewähren. Gerade weil unsere Marktwirtschaft lege . sozial ist, müssen wir immer darauf reagieren, wenn sich Menschen in Deutschland aus eigener wirtschaftlicher (Beifall bei der SPD) Kraft unter reinen Marktbedingungen angemessenen Wohnraum nicht leisten können. Das machen wir als Oliver Kaczmarek (SPD): Bundesregierung: über das Wohngeld, über das soziale Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glau- Mietrecht. Das machen wir selbstverständlich aber auch be, dass auf diese Debatte nicht nur viele Bildungspoli- über die soziale Wohnraumförderung. Die soziale Wohn- tikerinnen und Bildungspolitiker, sondern auch viele Be- raumförderung ist integraler Bestandteil unseres Sozial- teiligte in Schulen und Verbänden gewartet haben. Der staates. Darauf können wir stolz sein. Unterschied zu den vielen Diskussionen, die wir über (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) das Kooperationsverbot in diesem Haus schon geführt haben, und der Unterschied zu Klammerbemerkungen in 5 Milliarden Euro nimmt allein der Bund bis 2021 für Sondierungspapieren ist doch: Wir haben einen Gesetz- den sozialen Wohnungsbau in die Hand. Wenn wir die entwurf der Bundesregierung auf der Grundlage eines Mittel der sozialen Wohnraumförderung von Bund, Län- Koalitionsvertrages. Damit liegt der Aufbruch zu Digita- dern und Kommunen zusammenrechnen, können damit lisierung und Ganztag zum Greifen nahe. Bitte lassen Sie 100 000 zusätzliche Sozialwohnungen entstehen. Für die uns diese Chance gemeinsam ergreifen. Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt ist die Zu- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten kunftssicherung der sozialen Wohnraumförderung kein der CDU/CSU) Allheilmittel, aber sie ist ein wichtiger Bestandteil der gemeinsamen Wohnraumoffensive von Bund, Ländern Was wir wollen, ist nicht eine Veränderung der Zu- und Kommunen. ständigkeiten – der Minister hat gerade darauf hingewie- 5708 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 53 Sitzung Berlin, Freitag, den 28 September 2018

Oliver Kaczmarek (A) sen –, sondern eine neue Verantwortungsgemeinschaft schlagen, nicht ignorieren. Ich glaube, das verzögert die (C) von Bund, Ländern und Kommunen für die großen He- Abläufe. Wir müssen deutlich machen: Taktik darf nicht rausforderungen im Bildungswesen. Wir wollen, dass wichtiger sein, als Verantwortung zu übernehmen. sie auf Augenhöhe kooperieren. Deswegen ist das keine abstrakte Gesetzesänderung, sondern wir wollen etwas (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: erreichen. Ich will Ihnen drei Beispiele nennen, damit Es geht um die Sache! Es geht nicht um Tak- deutlich wird, warum wir das machen. tik!) Wir wollen erstens, dass Schulen weiterhin moderni- Ich plädiere dafür, dass wir gemeinsam Verantwortung siert werden. Wir wollen uns nicht damit abfinden, dass übernehmen, und lade dazu ein. Schülerinnen und Schüler teilweise die Toiletten meiden, Herzlichen Dank. weil sie sich in keinem guten Zustand befinden. Wir wol- len die Schulsanierung weiterführen. Mit dieser Grund- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten gesetzänderung ermöglichen wir, dass das nicht nur auf der CDU/CSU – Wolfgang Kubicki [FDP]: finanzschwache Kommunen begrenzt ist. Es ist ein guter Was ist das für eine Argumentation? – Kai Schritt, wenn wir das gemeinsam schaffen. Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Ihre vierte Grundgesetzänderung bei der (Beifall bei der SPD) Bildung! Schluss mit Rumdoktern!) Wir wollen zweitens qualitativ hochwertige Angebote der Ganztagsbetreuung, insbesondere in Grundschulen. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Die Eltern brauchen das. Die Kinder profitieren davon. Für die CDU/CSU hat das Wort der Kollege Alois Das ist ein richtig guter Schritt in Richtung Chancen- Rainer. gleichheit. Drittens. Der DigitalPakt ist hier schon angesprochen (Beifall bei der CDU/CSU) worden. Ich glaube, es ist mittlerweile unumstritten, dass wir ihn als Instrument brauchen. Die GEW, die Gewerk- Alois Rainer (CDU/CSU): schaft Erziehung und Wissenschaft, hat in dieser Woche Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe geschätzte Kol- eine Lehrerbefragung vorgelegt. 82 Prozent aller Leh- leginnen und Kollegen! Wir sprechen heute in erster Le- rerinnen und Lehrer sagen, die technische Ausstattung sung über die Änderung des Grundgesetzes, die Ände- ihrer Schulen sei ein sehr großes Hindernis für die wei- rung der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Es tere Schulentwicklung. Deswegen müssen wir jetzt die gibt viele Gründe dafür; viele sind auch schon angespro- (B) Grundlagen dafür schaffen. Wir dürfen jetzt nicht noch chen worden. Ein Grund ist, dass es im Koalitionsvertrag (D) mehr Zeit verplempern. Das hat es beim DigitalPakt lan- verankert worden ist. Ich bin und bleibe ein großer Fan ge genug gegeben. Wir müssen die Voraussetzungen da- des Föderalismus in unserer Bundesrepublik Deutsch- für schaffen, dass es am 1. Januar nächsten Jahres losgeht land. Er wurde schon 1949 im Grundgesetz verankert. und die Schulträger Anträge stellen können. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich (Wolfgang Kubicki [FDP]: Warum reden Sie immer mal wieder höre, es gibt Schulhäuser, in denen die dann nicht mit uns?) Toiletten nicht in Ordnung sind, dann mag das durchaus Das sind wir den Schulen, den Schülerinnen und Schü- stimmen. Ich erinnere mich gerne an meine Zeit als Bür- lern schuldig. germeister. Das war eine gute Lehrzeit. Ich kann an jeden Bürgermeister und auch an jede Landesregierung nur ap- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Tankred pellieren: Setzen Sie Prioritäten! Zeigen Sie nicht immer Schipanski [CDU/CSU]) mit dem Finger auf den Bund! Fordern Sie nicht immer, Wir wissen doch, dass es derzeit keine Absicherung der Bund soll sanieren! Denn es gibt Zuständigkeiten, für diese Vorhaben im Grundgesetz gibt. Es ist klar, dass und hier liegen sie nun einmal bei den Kommunen und das, was die ehemalige Bildungsministerin vorgeschla- bei den Ländern. gen hat, nämlich das über den Artikel 91c Grundgesetz, (Beifall bei der CDU/CSU) über die Verwaltungszusammenarbeit im IT-Bereich, ab- zuwickeln, nicht geht. Das ist hinlänglich belegt, auch Ja, wir wollen helfen, und das ist gut. Bisher hatten durch Kommentare. Es ist eine Feststellung, die im Üb- wir nur notleidenden Kommunen unter die Arme greifen rigen auch Bündnis 90/Die Grünen in der vergangenen können. In Zukunft sollen wir bei der Bildungsinfrastruk- Wahlperiode getroffen haben. Also, dieser Weg ist nicht tur jeder Kommune unter die Arme greifen können. Man gangbar. kann sich seine Gedanken darüber machen. Ich hoffe, dass am Ende der Tage nicht wir im Deutschen Bundes- Sie von FDP und Grünen wissen doch, dass das, was tag die Verantwortung für marode Schulhäuser tragen. Sie vorschlagen – bei aller Sympathie, die man dafür haben kann –, nicht nur hier im Haus beschlossen wer- Wenn es um Bildungsinfrastruktur geht, geht es auch den muss. Sie wissen doch, dass es hier im Haus – Sie um Investitionen in die Köpfe. Wir müssen uns darüber haben mit der CDU/CSU selbst verhandelt – auf große miteinander unterhalten. Aber ich denke, es wird schwie- Vorbehalte stößt und auch bei den eigenen Ländern auf rig werden, den Kultusministerinnen und ‑ministern un- Vorbehalte stoßen wird. Deswegen meine Bitte: Wir dür- serer Bundesländer zu sagen, wie sie es machen sollen. fen die Vorbehalte bei der Gesetzesänderung, die Sie vor- Sie nehmen gerne das Geld, das wir für Investitionen zur Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 53. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. September 2018 5709

Alois Rainer (A) Verfügung stellen, aber die Entscheidungen darüber sol- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (C) len bei den Ländern liegen. Ich finde das auch gut. Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt: der Ich weiß auch, dass sich die Kultusminister zum Bei- Kollege , CDU/CSU-Fraktion. spiel schon länger über das Thema unterhalten, dass man (Beifall bei der CDU/CSU) die Abiturnoten in Deutschland harmonisieren könnte. Na ja, wenn man sich am bayerischen System orientiert, dann kann ich mir es durchaus gut vorstellen, dass das Tankred Schipanski (CDU/CSU): funktioniert. Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle- gen! Das ist eine amüsante Debatte heute Morgen, gerade (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und mit Blick auf den Bildungsbereich. Ich möchte zur Aus- der AfD) gangslage zurückkommen. Es geht um den Koalitions- Aber andere Länder werden das nicht mitmachen. vertrag Zeilen 1 139 bis 1 145, in dem wir versprechen: Ich bin stolz darauf, Mitglied dieser regierungstragen- Zur Verbesserung der Bildung werden wir eine den Partei zu sein. Wir haben die kommunalfreundlichste Investitionsoffensive für Schulen auf den Weg Bundesregierung, die es je gab, schon in der letzten und bringen. Diese umfasst zusätzlich zum laufenden auch in dieser Legislatur. Der Bund entlastet die Länder Schulsanierungsprogramm die Unterstützung der und Kommunen im Jahr 2018 um circa 75 Milliarden Länder … Euro. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist richtig gut. Das darf man auch einmal sagen. – Hört! Hört! Wir kooperieren schon, Bund und Länder arbeiten schon zusammen. – Wir wollen insbesondere In- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- vestitionen in die Bildungsinfrastruktur leisten. ordneten der SPD) Dazu werden wir die erforderliche Rechtsgrundla- Für eine Grundgesetzänderung braucht man eine ge in Art. 104c Grundgesetz (GG) durch die Strei- Zweidrittelmehrheit. Das finde ich gut. So ein wichtiges chung des Begriffs „finanzschwache“ in Bezug auf Gesetz braucht eine breite Mehrheit. Auch hier muss man die Kommunen anpassen. Die Kultushoheit bleibt sich noch unterhalten. Wir werden mit dieser Grundge- Kompetenz der Länder. setzänderung die Möglichkeit schaffen, den Ländern mehr Geld zum Beispiel für den sozialen Wohnungsbau Alois Rainer hat es gesagt: Es geht darum, dass mit zu geben. Blick auf die Bildungsinfrastruktur nicht nur finanz- schwache Kommunen zukünftig unsere Hilfe bekom- Es wurde vorhin schon darüber gesprochen, welche (B) men, sondern Länder und Kommunen generell. (D) Länder das zur Verfügung gestellte Geld bisher ordentlich eingesetzt haben. Ich hoffe, es folgen viele Länder dem Die AfD will alles so belassen, wie es ist. Das ist ihr Beispiel Bayerns, indem man das Geld, das der Bund für gutes Recht. Dieser Ansicht kann man sein. Grüne und den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellt, auch für FDP sagen: Lasst die Hände von Artikel 104c, ändert den sozialen Wohnungsbau verwendet. Das ist unglaub- lieber Artikel 91b und Artikel 104b Grundgesetz. – Sie lich wichtig. Wir haben einen Wohnungspakt. Wir wol- verknüpfen damit eine Sachfrage, bei der es um eine len zusätzliche bezahlbare Wohnungen bauen lassen. Wir Rechtsgrundlage für eine notwendige Maßnahme geht, lassen uns auch gerne in die Verantwortung nehmen, aber nämlich den DigitalPakt, mit einer generellen Föderalis- wir lassen nicht zu, dass sich die Länder aus ihrer Verant- musdebatte. wortung stehlen. Das darf nicht passieren. Die Regierungskoalition will mit dieser Grundgesetz- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und änderung den DigitalPakt ermöglichen, den wir schon so der SPD) oft hier in diesem Hause diskutiert haben. Es geht um 5 Milliarden Euro, die wir für die wichtige Aufgabe „di- Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich fordere gitales Lernen“ temporär zur Verfügung stellen wollen. ausdrücklich: Wenn der Bund mehr Geld zur Verfügung Wir wollen finanzielle Impulse setzen, wir wollen an- stellt, dann brauchen wir verfassungsmäßig die entspre- schieben, wir wollen die Länder anspornen und sie mo- chende Kontrolle über das Geld, das wir zur Verfügung tivieren, ihrer Verantwortung bei der digitalen Bildung stellen. Es soll nämlich für den Zweck verwendet wer- nachzukommen. Ich bin sehr überrascht, dass die FDP den, für den wir es zur Verfügung stellen. Es soll der plötzlich gegen Ansporn und gegen Leistung ist. Das ist Grundsatz gelten: keine Leistung ohne Gegenleistung. schon sehr vielsagend. Ich freue mich auf die kommenden spannenden Ver- Wir brauchen den DigitalPakt. Er ist Startschuss, handlungen zu diesem Thema. Wir haben am Montag der Weckruf und Ansporn. Wer sich gegen die geplante nächsten Sitzungswoche eine Anhörung zu den geplan- Grundgesetzänderung stellt, stellt sich gegen den Digital- ten Grundgesetzänderungen. Ich bin der Meinung, man Pakt. Er stellt sich auch gegen das Geld, das der Finanz- sollte sich die Zeit nehmen, über diese wichtigen Ände- minister bereits zur Verfügung gestellt hat. Er verhindert rungen unserer Verfassung ausführlich zu diskutieren. gute Bildung und fördert sie nicht. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Ulli Nissen [SPD]) Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage? 5710 Deutscher Bundestag – 19 Wahlperiode – 53 Sitzung Berlin, Freitag, den 28 September 2018

(A) Tankred Schipanski (CDU/CSU): geklärt. Wir haben eine große Bund-Länder-Finanzre- (C) Nein, ich würde gerne ausführen und später auf eine form auf den Weg gebracht: 9,6 Milliarden Euro jährlich Kurzintervention reagieren. für die Bundesländer zusätzlich vom Bund. Mehr geht nicht. Richtig ist: Sie waren nicht im Parlament. Die Grü- Wenn FDP und Grüne in dieser Debatte von Ermög- nen waren dagegen. Aber so ist es nun einmal. Sie haben lichen sprechen, dann müssen wir in einer sachlichen die Chance verpasst, dieser dauerhaften Finanzierung Debatte auch schauen, was überhaupt möglich ist. Wir zuzustimmen. debattieren die Grundgesetzänderung eben nicht im luft- leeren Raum. Wir benötigen auch eine Zweidrittelmehr- Eine Bund-Länder-Zusammenarbeit ist im Bundes- heit im Bundesrat. Ich kenne keinen einzigen Minister- staat möglich. Wir wollen die Verfassung ändern, um et- präsidenten, der auf seine Kultushoheit verzichten will, was zu ermöglichen. Wir wollen anschieben, wir wollen aber genau das schlagen FDP und Grüne in ihrem Antrag Schwung geben. Fahren müssen die Bundesländer aber vor. selbst; sie tragen dafür die Verantwortung. Oder um es mit Frau Suding zu sagen: Wir bezahlen den Bauern die (Christian Lindner [FDP]: Quatsch!) Badehose, aber schwimmen müssen sie schon selber. Für die Grünen scheint es ganz normal zu sein, dass die Bundestagsfraktion eine andere Meinung vertritt als Der FDP rufe ich zu: Sie haben die Möglichkeit, Ihr ihre Länderkollegen, insbesondere der Ministerpräsi- Wahlprogramm, in dem Sie auf Seite 25 von „Digitali- dent. Außerdem verwenden Sie wiederholt den Begriff sierung der Bildung“ usw. sprechen, umzusetzen. Das „Kooperationsverbot“ bewusst falsch. können Sie hier mit Zustimmung zu unserer Verfassungs- änderung erreichen. Seien Sie in dieser Sache doch mal (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- mutig! NEN]: Überlegen Sie sich mal was Neues!) Den Grünen kann man nur sagen: Seien Sie nicht stän- Sie wissen, dass wir in einem Bundesstaat leben und dig gegen etwas! Sie haben es am 13. November 2014 dass unsere Verfassung ein Kooperationsgebot enthält. schon versäumt, der Änderung von Artikel 91b zuzustim- Sie wissen, dass wir klare Zuständigkeitsregeln haben men. Ermöglichen Sie jetzt den DigitalPakt durch Ände- und dass wir bereits umfangreich kooperieren. Ich denke rung von Artikel 104c! Seien Sie nicht immer dagegen! an den Hochschulpakt, an den Qualitätspakt Lehre und Unsere Hand ist ausgestreckt zum Wohle der Bildungsre- an den Pakt für Forschung und Innovation. Erst gestern publik Deutschland. wurden den Hochschulen 2,7 Milliarden Euro im Rah- men der Exzellenzinitiative zur Verfügung gestellt. Das Vielen Dank. ist Kooperation. Da muss der Kollege Lindner nicht erst (B) in die Schweiz schauen; er kann auf Deutschland schau- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (D) en, wie hier kooperiert wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: ordneten der SPD) Ich schließe die Aussprache. In Ihrem Antrag und in Ihrem Brief an die Bundes- Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf kanzlerin fordern Sie nationale Bildungsstandards und den Drucksachen 19/3440, 19/4543 und 19/4556 an die deren verbindliche Umsetzung. Ich freue mich sehr, dass in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge- Sie hiermit eine Forderung der CDU/CSU-Bundestags- schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der fraktion aus dem Jahr 2010 aufgreifen und unterstützen. Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Jedoch ist Ihr vorgeschlagener Weg, diese Forderung umzusetzen, ein Irrweg; denn der Fehler mit Blick auf Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 23: Bildungsstandards und Verbindlichkeit liegt nicht in der Verfassung. Der Mangel liegt in einem fehlerhaften Beratung des Antrags der Abgeordneten Peter Verfahren der Kultusministerkonferenz; deren Beschlüs- Boehringer, Dr. , Dr. Bernd se sind nämlich nicht verbindlich, und man hat es – da Baumann, weiterer Abgeordneter und der Frak- haben Sie recht – in 70 Jahren nicht geschafft, diesen tion der AfD Mangel abzustellen. Daher haben wir uns im Koalitions- zu der Empfehlung für einen Beschluss des vertrag für die Einrichtung eines Nationalen Bildungsra- Europäischen Parlaments und des Rates tes entschieden, der sich der Lösung dieser Problematik zur Änderung des Artikels 22 der Satzung annehmen soll. des Europäischen Systems der Zentralban- Der einzig verfassungsrechtlich zulässige Weg ist im ken und der Europäischen Zentralbank Übrigen ein Bildungsstaatsvertrag, den die Ministerprä- Ratsdok. 10850/17; 2017/0810 (COD) sidenten gemeinsam abschließen, analog zum Rundfunk- staatsvertrag. Aber auch das ist eine Forderung der CDU/ Das Vermögen der Deutschen Bundesbank CSU, aus Bund und Ländern gemeinsam. Das heißt, eine schützen – Target-Forderungen besichern Verfassungsänderung, wie sie Grüne und FDP hier vor- Drucksache 19/4544 schlagen, verfehlt leider ihr Ziel. Überweisungsvorschlag: Auch mit Blick auf dauerhafte Finanzhilfen kommen Haushaltsausschuss (f) Sie zu spät. Dies haben wir abschließend am 13. Juli 2017 Finanzausschuss