DISKUSSION ZWISCHEN PUBLIKUM UND PODIUM

Frage: Frage an Herrn Uschner. Ich halte Dabei kam es zu einem völlig offenen Ge- das für wichtig, was sie über die Dinge sag- spräch über die wahre Lage in der DDR und ten, die in Moskau und Washington gelau- i n der SED. Es gab völlige Übereinstimmung. fen sind. Könnten Sie das präzisieren? Da Danach wurde eine vertrauliche Kontaktlinie kommt ja etwas ganz Spannendes hoch! aufgebaut, die bis März 1990 bestand. Beim Aufenthalt 1988 in den USA konnte ich fest- Peter Merseburger: Herr Uschner bitte. stellen, daß die Leute des State Depart- ments und des CIA gut über diese Kontakte Manfred Uschner: Im April 1986, noch und mein Tun informiert waren. Sie sagten während Gorbatschow seine Diskussions- mir: Der Countdown läuft! rede auf dem letzten, den XI. Parteitag der Auch nach meinem Rausschmiß im Februar SED im Palast der Republik hielt, in der 13 1989 hielt man Kontakt zu mir. Aus langen Ohrfeigen für die SED-Führung versteckt Gesprächen und den Fernsehberichterstat- waren, hatte ich nach Moskau zu fahren, um tungen sowie Informationen guter Freunde dort mit dem Gorbatschow-Vertrauten Pro- konnte ich entnehmen, daß der Countdown fessor Sagladin etwas zum atomwaffen- tatsächlich ablief und die Vorentscheidun- freien Korridor abzustimmen. gen bereits im Sommer 1989 fallen würden. 31 Westen, zur lebendigeren europäischen ben, die in ihrem Erscheinungsbild in vielem Es war dann auch so, wie alle maßgeblichen System? Macht sich das vielleicht auch in Diskussion und Kultur suchten. So. Und dem entspricht, was bei uns in der alten Historiker feststellen. Dabei spielte der Zu- den Berührungsängsten gegenüber der darum habe ich vor allem den 9. Oktober Bundesrepublik auch bei Parteien üblich stand der SED, der NVA usw. eine große PDS bemerkbar? 1989 und das, was dann folgte, mit einer war, die gleichzeitig aber eine Tradition Rolle, und darüber haben wir schon im Zu- unvorstellbaren Dankbarkeit dafür erlebt, hochhält, die ganz offenkundig eine - in un- sammenhang mit dem SED/SPD-Papier Peter Merseburger: Ja, das hieße dann: Vor- wärts und nicht vergessen, von der SED zur daß das alles unblutig über die Bühne ging. serem Sinne -nichtdemokratische Tradition gesprochen. Die SED war in einem Zustand Meine Damen und Herren, wir nehmen das PDS, also SPD und PDS. Die Frage ist: Wol- war, und die natürlich auch noch Spuren der Paralyse und Unschlüssigkeit. heute als selbstverständlich, obwohl vier len Sie gleich darauf antworten, oder wol- dieser nichtdemokratischen Tradition auch Wochen vorher keiner es noch für möglich l en wir so verfahren, daß wir ein paar Fra- personell mit sich herumträgt. Damit schla- Peter Merseburger: O.K. Ich hoffe, Herr gehalten hätte. Und wir haben das dann gen wir uns jetzt herum. Ich will ja nieman- Uschner hat das klar gestellt, obwohl man gen sammeln? - Die Meinung scheint zu nachher kassiert als etwas, was uns eben dem einen Vorwurf machen, daß er diese auch nicht überschätzen darf, was Kreise sein: Bitte gleich. Also Herr Eppler und dann zusteht. Und dann haben wir angefangen, Partei gegründet hat, vielleicht war es auch des CIA und Mitarbeiter des Außenministe- Herr Reißig. Richter zu spielen, nachdem wir überhaupt eine Art von Notwehrreaktion - das war es riums manchmal in solchen Gesprächen nicht mehr gefragt haben, wodurch dieses auch -, daß man nicht alleine dasteht. Ich sagten. Was sie meinen, ist noch lange nicht Erhard Eppler: Ja, ich muß das jetzt doch Wunder eigentlich zustande gekommen ist. verstehe das schon. Nur, Sie müssen ver- offizielle Politik. Und die offizielle Politik der verbinden mit dem, was wir bisher gespro- Jedenfalls hat man dann nachher alle die stehen, daß dadurch dieser Prozeß schwie- Amerikaner in dieser Sache wurde erst ein chen haben. Es gab für mich einen Grund, madig gemacht, die für dieses Wunder et- riger geworden ist. Ich kann mir vorstellen, bißchen später in dieser Richtung aktiv, die auf diese Gespräche - das hat mit dem Pa- pier zuerst mal nichts zu tun - einzugehen, was getan haben. [Applaus] Und ich bin per- daß es auch gelingt, eines Tages die PDS Sie andeuten. Aber, ich will niemanden von sönlich überzeugt, wenn es nur eine Bewe- von dem ich bisher noch nicht gesprochen als Ganzes in diese Gesellschaft, in diesen Wortmeldungen abhalten. gung gegen die SED und nicht auch dazu habe, von dem ich überhaupt selten ge- Staat und diese politische Kultur zu inte- hin noch eine innerhalb der SED gegeben grieren. Das halte ich nicht für unmöglich, Frage: (Heidrun Hankammer): Ich wollte als sprochen habe. - Ich bin Mitte der 80er hätte, dann hätte es gekracht. Und nun bin obwohl die Art, wie sie entstanden ist, dies erstes Ihnen allen einmal danken für diese Jahre zu der Überzeugung gekommen, daß i ch also bis heute glücklich darüber, daß das schwierig macht. Es hätte ja auch sein kön- historische Genauigkeit und Redlichkeit, mit der Kommunismus im Osten zerbröckelt. alles ohne Blutvergießen möglich war. Einer nen, man löst sich auf und gründet etwas der Sie gesprochen haben [Applaus]. Ich I ch hatte natürlich keine Ahnung, wie schnell der großen Glücksfälle der deutschen Ge- ganz Neues, das wäre etwas völlig anderes kenne dieses Papier nicht, und ich kam sehr das geht, aber ich spürte, da zerbröckelt et- schichte oder Glücksfälle der deutschen gewesen. Ich meine allerdings, daß dies nun unvorbereitet. Ich hatte nur meine Ohren was. Ich hatte ihn immer für viel schwächer Geschichte - und davon gibt es ja so nicht nur eine Frage an die übrigen Parteien und meine Augen gespannt, und ich kann gehalten als die Propaganda, aber jetzt schrecklich viele leider nicht. Ich habe da- i st, die ja in Parteikonkurrenz stehen, son- sagen, ich wünsche mir das für jede Talk- hatte ich das Gefühl, er zerbröckelt. Und ich mals gedacht: das erleichtert auch das, dern es ist auch eine Frage an die PDS sel- show. Ich glaube, ich würde dann anfangen, war - das hängt vielleicht auch mit meiner worum es mir immer schon gegangen war, ber. Und ich glaube, daß die PDS selber fernzusehen oder politische Diskussionen geistesgeschichtlichen Ausbildung zusam- nämlich die Reintegration dieses Teils des noch nicht alles getan hat, was da zu tun genauer zu verfolgen. Was mich am meisten men - immer der Meinung, der Marx war ja Marxismus in die übrige europäische Kultur. i st, und daß in dem Augenblick, wo ich das bewegt hat, war die Lebendigkeit, mit der ein typischer Europäer, verwurzelt in der Auch in die deutsche. Und damit natürlich Gefühl habe, sie hat das getan, werde ich Sie, Herr Eppler, und Sie, Herr Reißig, auf- deutschen, französischen, englischen auch in das politische Leben. Und nun bitte das auch anderen Parteien sagen, daß sie traten und Sie, Herr Reißig, sogar mit der Kultur, ein Schüler meines schwäbischen i ch die Vertreter der PDS, mir das folgende nun das ihre zu tun haben. [Applaus] Begeisterung noch, die jetzt wieder auf- Landsmanns Hegel - was ich ihm natürlich nicht übel zu nehmen: Ich bin heute noch ebte, mit der Sie selbst, so hatte ich den besonders hoch anrechne -, und ich habe l der Meinung, daß die Gründung der PDS Peter Merseburger: Herr Reißig fühlt sich Eindruck, Ihren Weg gegangen sind. Und das, was 1917 geschehen ist, immer als und die Art der Gründung, nämlich als erst einmal nicht so sehr angesprochen und dabei ziemlich viel von dem mitgenommen eine Sezession, eine für die europäische Ge- schichte schlimme Sezession verstanden, Nachfolgeorganisation, nicht als Neugrün- meint, Herr Bisky sollte antworten. Ich finde, haben, was dann in Bewegung kam. Was dung, diese von mir für nötig gehaltene die ich aber nie für ewig hielt. Ich glaubte, er hat völlig recht. Herr Bisky, bitte. Wenn's mich berührt hat, war, daß es Ihr Weg war. Reintegration nicht erleichtert, sondern er- es kommt der Zeitpunkt, vielleicht noch in geht, kurz. Keine Auftragsarbeit sozusagen. Ich habe schwert hat. [Applaus] Es ist leichter, Indivi- diesem Jahrhundert, wo es um die Reinte- deswegen eine Frage an Sie beide: Kann es duen mit einer ganz bestimmten Vergan- : Naja, Herr Eppler wird sich sein, daß der Geist, der 1988 in der SED- gration dieses Teils des Marxismus in die genheit in eine Gesellschaft zu reintegrieren wundern, daß ich ihm nicht zustimmen Führung herrschte, der Geist eines Berüh- übrige europäische Diskussion und Kultur als eine große Partei. Ich habe gesagt: Es kann. Aber, wissen Sie, ich verstehe, daß rungstabus, einer Angst, und trotzdem zu gehen wird. Ich weiß nicht, ob Sie mich rich- i tig verstehen. Und ich hatte das Gefühl, Herr st leichter. Ich behaupte nicht, daß es bei Leute, die die Ostgeschichte so nicht ken- wissen, daß man sich in das Unvermeidli- einer Partei unmöglich wäre, Herr Bisky. Ich Reißig, daß es mindestens unter Ihnen ein nen, Schwierigkeiten haben, die PDS zu che zu fügen hat, wenn man Schadensbe- sage nur, es ist wesentlich schwerer. Und paar gab, die auch aus ihrem Ghetto her- verstehen. Ich verstehe, daß mit der ande- grenzung machen will, kann es sein, daß es wir schlagen uns jetzt mit der Schwierigkeit ren Tradition in den alten Bundesländern, diese Berührungsängste heute auch im We- aus wollten, ihren Kontakt nicht nur nach herum, daß wir es mit einer Partei zu tun ha- man mit diesem Fremdkörper PDS, der aus sten gibt, in einem ebenfalls erstarrendem Westdeutschland, sondern überhaupt zum 33 32 dem Osten kommt und auch noch mit sol- das hat sie auch gesagt. Ansonsten hat mehr wählen. Sie sagen: Ihr seid wenigstens Papier hat deshalb nicht versagt, weil es cher Geschichte, Schwierigkeiten hat. Das auch der letzte Parteitag gezeigt, daß es ehrlich geblieben, Ihr seid Adresse geblie- auch nichtintendierte Wirkungen freisetzte, verstehe ich wohl. Ich billige es nicht. Denn eine Legende ist zu behaupten, da sind ein ben. Das ist im Osten schon teilweise deut- also nicht nur bewußt gewollte. Die Mehr- die PDS kann ja tun und lassen, was sie will, paar akzeptable Vorturner, und dann kommt lich verändert. Anfangs war es sehr schwer. heit der SED-Mitglieder, die nicht engagiert sie wird immer in gleichen Deutungsmu- eine Mitgliedschaft, die ganz schrecklich ist. Aber es wird auch honoriert, daß wir nicht auf Reformkurs ging, war dennoch nicht stern wahrgenommen. Im Osten, wo man Wir haben für alles Riesenmehrheiten be- so tun, als wären wir nun völlig neu, als hät- mehr bereit, auf Gewalt zu setzen, oder war uns kennt, werden wir anders wahrgenom- kommen. Für alle Sachen. Und insofern ten auch wir-oder selbst wir- mit der DDR- nicht mehr für die Führung mobilisierbar. Ich men. Ich will darauf nur hinweisen. Eine Sa- wäre mir etwas wohler, wenn man die PDS und SED-Geschichte nichts zu tun. Der halte das für wichtig, weil dies den friedli- che kann ich ja nicht aus der Welt wischen: sachlich zur Kenntnis nimmt, sich mit ihr Weg bleibt schwer, Herr Merseburger, aber chen Übergang mit sicherte. Das Papier wir sind Nachfolge, das haben wir gesagt, auseinandersetzt, um die Sachen selber ich bin auch ganz optimistisch, daß andere spielte da schon noch eine Rolle, wenn auch und ich stehe dazu, und ich halte das für streitet, aber nicht so sehr mit diesen Kli- Parteien ein anderes Verhältnis zu uns fin- mehr indirekt. ehrlicher als den anderen Weg, einen neuen schees über PDS hantiert. Und die Kli- den. Das können wir ja nicht beschließen, Zum anderen könnten schon Bezüge zwi- Namen anzunehmen und so zu tun, als schees über PDS sind sehr schwer zu sonst wär' es ja einfach. Andere Parteien schen manchem, was in diesem Papier hätte es uns vorher nicht gegeben. Dies ist bekämpfen. Aber, ich sage das auch, ob- debattieren erstaunlich offener über die steht, und der heutigen Bundesrepublik her- ein schwierigerer Weg. Das weiß ich. Aber wohl wir von daher kommen, von der SED, PDS. Das normalisiert sich etwas schneller, gestellt werden. Wir haben der DDR zu i ch hätte den anderen Weg nicht machen und obwohl wir dazu stehen, daß niemand, als man vermutet hatte. Jedenfalls schnel- Recht Reformunfähigkeit vorgeworfen. Ich können. Ich will mit der Geschichte leben der sich mit der PDS ernsthaft beschäftigt, l er, als ich es vermutet hatte. sehe aber heute in der Bundesrepublik auch und die meisten aus der PDS wohl auch. auf den Gedanken kommen wird, daß noch eine Reformblockade großen Ausmaßes Obwohl es schwer ist. Ich will mich nicht ver- einmal eine SED aus dieser PDS hervorge- Peter Merseburger: Danke. Wir lassen das [Applaus]. Ich sehe Bemühungen einzelner stecken, und ich denke auch, die PDS hat hen könnte. Das ist unumkehrbar gewor- j etzt erst mal so stehen. Herr Reißig wollte Kräfte aus den alten Eliten der Bundesre- dies nicht nötig. Was sie deutlich machen den. Und alle, die wissen, wie wir Politik be- ganz kurz drei Sätze sagen, damit er nicht publik, ein neues Feindbild zu schaffen, weil muß, ist, daß sie die Lehren gezogen hat. treiben, wissen auch, daß das undenkbar den Eindruck hervorruft, daß er vor Ihnen sie ohne Feindbild offensichtlich nicht ihre Daß das, was Repression war, daß das, was ist. Vielleicht wird man in ein paar Jahren kneift, und dann kommt Tilman Fichter. politischen Ziele so durchsetzen können. undemokratisch war usw., daß das mit ihr später die PDS auch etwas normaler anse- Bitte. Und Reformsozialisten, die bis zuletzt sich nie wieder zu machen sein wird. Das muß hen. Hier im Osten ist die Meinung bei vie- hier so oder so die Nase eingeschlagen ha- sie mit aller Deutlichkeit sagen. Ich denke, l en gekippt, auch bei denen, die uns nicht Rolf Reißig: Die Frage war ja nicht nur auf ben, haben keine wirkliche Chance bekom- die PDS bezogen. Sie war ja noch etwas men, in dieser Bundesrepublik wirksam zu übergreifender, und dazu würde ich mich werden. Auch beruflich wurden sie ins Ab- schon ganz gern äußern. - Wir stehen zu seits gedrängt, gerade im sozialwissen- dem, was wir getan haben, auch zu den schaftlichen Bereich. Das gehört m. E. Schwächen, die wir gar nicht im einzelnen schon zu den Defiziten, zu den Deformatio- hier besprechen. Als wir den Dialog ver- nen, die man natürlich, gerade wenn man suchten, mit dem Papier begannen, hatte so eine Biographie hat, auch wahrnehmen sich schon ein eigener Reformdiskurs in der muß. Nun kann ich darüber nicht jammern. SED und Teilen der Sozialwissenschaften Ich komme aus dieser SED, ich komme aus entwickelt, der doch ziemlich konsistent dieser DDR - die sind untergegangen, und wurde. Aber wir stehen auch dazu, daß wir, da kann man jetzt nicht irgendwelche als es bei der Luxemburg-Liebknecht-De- großen Erwartungen hegen. Da muß man monstration die Verhaftungen gab, nicht versuchen, seine Position auch neu zu fin- aufgeschrien haben, zwar intern kritisch de- den, seine Biographie zu verorten und sich battierten, aber nicht sozusagen öffentlich kritisch und gesellschaftskritisch einzubrin- bekundeten und gesagt haben: Das nicht! gen und zu engagieren. Dennoch: Ich würde Nicht mit uns. Da gibt es schon ein Versa- nicht auf die Idee kommen, die DDR mit der gen der Reformsozialisten. Das will ich erst gesamtdeutschen Bundesrepublik deswe- einmal sagen, weil wir es bislang nie so rich- gen gleichzusetzen, zu identifizieren. Das tig thematisierten. Dennoch verweise ich sind zwei verschiedene, grundlegend un- auch darauf, daß bis zuletzt reformorien- terschiedliche Systeme, unterschiedliche tierte Kräfte in der SED aktiv wurden und Lebenswelten. Meine Kritik an der Bundes- sich für den friedlichen Umbruch engagier- republik geht nicht von der alten DDR aus, ten, wie Herr Eppler feststellte. Das Dialog- vom Ansatz einer Rekonstruktion dessen, 34 35 was historisch überlebt und schließlich zu tan hat. Insofern ist die Funktion des Papiers in Kasachstan, nämlich überhaupt nicht. kräfte in der SED viel wichtiger? Und diese Recht zusammengebrochen ist. Dazu in der DDR - sag ich mal, von meiner Posi- [Applaus] Es ist kein Thema! Ich kann es Illusion in der West-SPD, Steffen Reiche, Du würde mich niemand mehr bekommen. Und tion her - nachträglich sehr positiv zu be- wirklich nur als jemand, der sich zigmal den kannst ja darüber berichten, welche gerade von einer solchen Position aus, werten. Ich glaube, daß Gruppen, wie die Kopf eingerannt hat in Bonn, immer wieder Schwierigkeiten Du hattest, als Du das er- glaube ich, haben auch Kräfte der demo- Truppe um Klein und Brie, moderne Sozia- in sagen: man kann in Bonn im Mo- ste Mal in Bonn aufgekreuzt bist, warja nicht kratischen Linken, Reformkräfte, wie immer listen, überhaupt erst den Mumm bekom- ment keine sachliche, interessengeleitete so, daß da alle Leute Dir sofort die Tür auf- wir sie bezeichnen wollen, wenn sie sich auf men haben, sich hinzusetzen und ihre Ideen Debatte über das Nichtzusammenwachsen gemacht haben, die hängt meines Erach- der Basis von Grundgesetz, Rechtsstaat- aufzuschreiben, nachdem dieses Papier Deutschlands führen. Weil es einfach nicht tens damit zusammen, daß in diesem Pa- pier, li chkeit, Demokratie, Markt in seiner gesell- veröffentlicht worden ist. Da hab ich auch i nteressiert. Die Leute sind sich im Westen Genosse Eppler, die SPD eben nicht genug. Es interessiert einfach nicht. Ich doch ein bißchen von dem gesprochen hat, schaftlichen Einbettung bewegen, ein was gelernt hier auf der Veranstaltung und Recht, eine Pflicht und vielleicht doch auch würde da auch meine Position von 1992 re- würde das auch nicht so aufladen und jetzt was Du jetzt gerade zitiert hast, was seit den eine Chance, sich hier politisch einzumi- vidieren. Ich glaube aber, daß die Wir- sagen: hier sind der Kapitalismus oder alte 80er Jahren Dich umgetrieben hat - daß Eliten, wie Reißig das jetzt getan hat, son- nämlich der Kommunismus wahrscheinlich schen. [Applaus] kungsgeschichte in der Bundesrepublik eine völlig andere ist. Genosse Eppler hat dern es ist wirklich so, daß in Deutschland nicht reformfähig ist und - ich habe es mir aufgeschrieben -, sondern zerbröckelt. Da- Frage: (Tilman Fichter): Wir müssen bei der das schon angesprochen. In erster Linie fällt viel stärker, als ich das je gedacht habe, Wirkungsgeschichte des Papiers davon ein großes Desinteresse auf. Und dieses diese zwei Teilgesellschaften auseinander- von steht natürlich in diesem Papier nicht ausgehen - das hat, glaube ich, auch die Desinteresse an diesem Papier in der Bun- gedriftet sind in den 40 Jahren, und daß mal - sage ich mal - in Nebensätzen etwas. Diskussion heute hier gezeigt-, daß das Pa- desrepublik erklärt vielleicht auch ein wahrscheinlich die SPD, die ja die einzige Aber insofern hat das Papier eben doch Il- pier völlig unterschiedliche Wirkung gehabt bißchen das gefährliche Desinteresse an Partei war, die unter Ollenhauer und Schu- l usionen in der politischen Klasse in Bonn hat in der DDR im Vergleich zur Bundesre- dem, was in Deutschland passiert seit 1989. macher dagegen gekämpft hat, letztlich halt über die Reformfähigkeit der DDR und die publik. Ich, als alter linker Antikommunist, Es ist wirklich so, daß in Bonn ein großer Teil zerrieben worden ist zwischen der Politik Existenz von zwei deutschen Staaten ge- habe es damals nicht für möglich gehalten, der politischen Klasse, und zwar quer durch von Ulbricht und Adenauer. Und daß sich weckt. Insofern würde ich sagen, sehr po- daß das Papier so viel Unruhe in die SED alle Parteien, sich für das, was hier passiert wirklich diese zwei Teilstaaten und Teilge- sitive Wirkung im Osten, eine teilweise ge- reintragen wird, wie es das Papier dann ge- so interessiert, wie für Reformbewegungen sellschaften so auseinandergelebt haben, fährliche Wirkung im Westen. daß wir einkalkulieren müssen, daß die Ein- heit Deutschlands ein Langzeitprojekt ist. Erhard Eppler: Das ist nun ganz wichtig. Ich Und auch das Verhältnis zur PDS ist natür- glaube, es hat in der Grundwertekommis- lich ein Unterkapitel in diesem Langzeitpro- sion der SPD, in der zum Beispiel so ein jekt - wachsen wir zusammen oder wach- Mann wie Richard Löwenthal mein Stellver- sen wir nicht zusammen? Das ist der eine treter im Vorsitz war, - viele wissen, wer Teil. Richard Löwenthal war: er war ein Anti- Jetzt gibt es aber noch eine sehr unange- kommunist vom Scheitel bis zur Sohle, war nehme Auswirkung dieses Papiers, und das ja mal Kommunist gewesen und hatte sich würde ich ganz gerne mit dem Genossen i n den 20er Jahren vom Kommunismus ab- Eppler diskutieren. Nämlich, ob dieses Pa- gewandt -, daß wir schon eine Diskussion pier in der Enkelgeneration der Führung der hatten darüber, ob der Kommunismus re- SPD nicht auch Illusionen über die Reform- formfähig ist. Deshalb will ich jetzt einmal fähigkeit der SED und der DDR geweckt hat. vorlesen, wie das wirklich im Papier steht: I ch kann mir anders das Versagen, nicht der „Keine Seite darf der anderen die Existenz- gesamten Führung, aber eines großen Teils berechtigung absprechen ... Unsere Hoff- der Führung 1989/90 in unserer Partei über- nung kann sich nicht darauf richten, daß ein haupt nicht erklären. Die Leute haben wirk- System das andere abschafft." (gewisser- lich, Genosse Eppler, an das Papier ge- maßen von außen!) „Sie richtet sich darauf, glaubt und haben gedacht, naja, diese De- daß beide Systeme reformfähig sind und der monstration in Leipzig, man hat ja am An- Wettbewerb der Systeme den Willen zur Re- fang gar nicht gewußt in Bonn, ob man das form auf beiden Seiten stärkt." - In der wirklich ernst nehmen soll. Diese Demon- Grundwertekommission war die Meinung stration da von Bürgerrechtlern mit dem Zi- zum Thema Reformfähigkeit etwa so: Ganz tat von Rosa Luxemburg - ist das wirklich gleich, ob die wirklich reformfähig sind oder ernst zu nehmen? Sind nicht die Reform- nicht, alles, was geschieht, muß von innen 36 37 kommen und kann nicht von außen kom- gestellt, als habe die Elite an der Wende mit- klar gewesen sein, daß es Reformsozialisten nuten gesprochen über das, was wir wol- men. Dassteckthinterdiesem: „Keiner kann gearbeitet und sich hinter sie gestellt. Ich gibt in der SED, daß es Leute gibt, die auch l en, was wir gemacht haben, und am Abend den anderen abschaffen." Und ich habe ja möchte auch diese letzte Bemerkung von theoretisch arbeiten, Leute, die sozialdemo- war ich dann von Hans-Jochen Vogel ge- dann am 17. Juni gesagt: „Und heute würde Herrn Uschner doch etwas zurückweisen, kratische Traditionen pflegen und an diesen beten worden: Triff Dich noch mal mit Egon i ch hinzufügen: keiner kann den anderen als habe man keine Demonstration in der anknüpfen -weshalb habt Ihr nicht dafür ge- Bahr im Tulpenfeld. Und da hat er an die- dran hindern, sich selbst zu ruinieren." Ich DDR gebraucht, CIA und KGB hatten ja al- sorgt, daß diese Leute dann sich auch zur sem Abend im Auftrag des Präsidiums am wollte damit sagen, ob Reform oder nicht l es schon in der Hand. Ich habe damals de- SPD im Osten hingezogen fühlten? Diesen 22. Oktober zugesagt, daß es ab diesem Reform, Reform oder Ruin, es muß immer monstriert von der Gethsemane-Kirche zum Vorwurf kann ich Euch nicht ersparen. Und Tag eine Präferenz der Kontakte von der von innen ausgehen, keiner kann in einer Staatsrat, und keiner hat mir gesagt, daß ich da wird heute darüber geredet, daß die PDS SPD zur SDP geben würde, daß man also hochgerüsteten Welt, wo die Atomwaffen da langzulaufen habe. Ich glaube, man sollte ja mal sicherlich in dieses System einge- sozusagen den Partner gewechselt habe. auf beiden Seiten stehen, versuchen, dem sich ein bißchen an das Kausalitätsprinzip bunden wird. Sie ist längst drin in diesem Sy- Und das ist dann durch eine ganz breite anderen irgendetwas aufzuzwingen. Das ist i n der Physik halten: Nachher kann man im- stem; in Ostdeutschland ist sie eine nicht Kommunikation, auch durch viele Leute aus der Sinn dieser Passagen gewesen. Im übri- mer alles anders erklären. wegzudenkende politische Kraft. Und wir er- dem Vorstand, so mitgetragen worden, gen lesen Sie einmaljetzt die deutschen Zei- warten, daß sich dazu die SPD äußert - an- d.h., da ist innerhalb - Tilman Fichter kann tungen, die westdeutschen Zeitungen seit Peter Merseburger: Ich schlage vor, wir ders als bisher. Anders! sich ja erinnern, über den ganzen Prozeß - 1985/86 bis 1990, da wurden doch immer sammeln jetzt Fragen und beantworten sie von ein, zwei Wochen die Situation genutzt nur die Reformen im Ostblock, in der So- hinterher. Peter Merseburger: Dazu würde ich doch worden, und man hat eine - nein, nicht völ- wjetunion, entweder gefordert odergefeiert. auch gerne gleich Herrn Steffen Reiche lige Kehrtwendung - aber doch schon eine Es ist ganz selten einmal ein Kommentar Frage: Ich gehöre auch zu den Mitbegrün- hören, der auch schon von Tilman Fichter relativ deutliche und klare Kehrtwendung drin, der sagt: Wird es überhaupt gelingen? dern der SDP hier in Berlin (Ost). Meine Frage angesprochen worden war. gemacht. Ich will, weil ich gerade rede, Er- Oder kracht das dabei zusammen? Daß an Erhard Eppler: Welchen Stellenwert hatte hard Eppler an einer Stelle noch widerspre- dort Reformen stattfinden müssen, war ei- dieses Papier damals tatsächlich im Bun- Steffen Reiche: Ich denke auch, daß die chen, nämlich an der Stelle, wo gesagt wor- gentlich absoluter Konsens in der west- desvorstand? Nun ist man ja fast zehn Jahre SPD stärker hätte einklagen müssen, daß den ist, die Integration der kommunisti- deutschen Öffentlichkeit. Und erst nach- selber Mitglied der SPD, und man weiß, daß dieses Papier umgesetzt wird, stärker, als schen Bewegung über die PDS und wegen dem der Zusammenbruch gekommen ist, es da auch Flügelkämpfe gibt, daß die einen das geschehen ist. Es ist an einigen Stellen der PDS wäre schwerer geworden. Das sind alle gescheiter gewesen. das eine, die anderen das andere wollen. geschehen. Es ist aber für uns zu wenig er- würde ich bestätigen. Aber, es geht ja gar Aber darum geht es mir nicht. Es geht mir l ebbar gewesen. Ihr habt Euch abgewandt. nicht bei der PDS heute um Kommunisten, Peter Merseburger: Aber ich weiß nicht, ob um folgendes: Nachdem die SDP in Ost- Das hat Erhard Eppler gesagt, aber Ihr habt sondern da geht es in den besseren Teilen, das die richtige Antwort auf Tilman Fichters deutschland gegründet war, kamen ja Stef- Euch niemandem neu zugewandt. Das ist das sind ganz wenige, um engagierte Sozi- Frage war? - Sind Sie damit zufrieden? fen Reiche und andere, Stefan Hilsberg, und nicht passiert. Also, daß man gemerkt hätte, aldemokraten, teilweise engagierter als in es gibt Dokumente, die belegen, daß man hier gibt es jetzt einen neuen Gesprächs- der SPD, und bei dem Rest geht es um die Tilmann Fichter: Ja. denen erst mal empfohlen hat, vielleicht in partner. Und es stimmt auch, was eben ge- Leute, die Du ganz kurz und zu recht ver- die FDJ oder in die SED einzutreten. Und erst sagt worden ist, daß bis in den Herbst 1989 letzend beschrieben hast als die, die noch Peter Merseburger: Gut. Sie stehen schon später hat sich die SPD dahin entschlossen, hinein, auch als ich damals im Oktober in ein bißchen zusammenstehen wollen. Die lange da. plötzlich dieser neuen SDP im Osten, wo ja der Bundesrepublik gewesen bin, eigentlich brauchen wir nicht. Und dieses Problem hat auch sehr viele Bürgerrechtler sich erst mal noch viele gesagt haben: das ist doch jetzt sich vermutlich auch mit einer gewissen Frage: I ch komme aus Berlin-Treptow und organisierten, mehr Aufmerksamkeit zu die große Chance, in die SED einzutreten Zeitlichkeit dann auch erledigt. Aber inso- habe dort die SDP gegründet. Ich kann mich schenken und dann vielleicht zu viel. Also ich und von innen diesen Reformkurs zu be- fern denke ich, gelingt es eben über die PDS erinnern, daß dieses Dokument damals hilf- bin der Meinung, daß die PDS in diese Rolle stärken und die SED von innen zu verän- gerade nicht, diese kommunistische Bewe- reich war für uns. Ich war damals Naturwis- reingekommen ist, in der sie heute ist, das dern. Der große Bruch ist eigentlich dann gung zu integrieren. Und deshalb halte ich senschaftler an der Akademie der Wissen- ist auch ein Versagen der SPD. Das will ich aber auch im Parteivorstand, und zwar am es auch nicht für wünschenswert, daß die schaften. Wir haben damals viele Diskus- hier mal ganz deutlich sagen. Ich kann es 22. Oktober, gekommen und für uns als Ost- PDS in Gesamtdeutschland integriert wird, sionen geführt, auch mit Parteigenossen. einfach nicht verstehen, weshalb so ein Pa- sozialdemokraten dann auch wieder in ei- was, glaube ich, auch gar nicht gelingen Dabei konnten wir das Dokument sehr gut pier nicht stärker von der SPD genutzt ner überraschenden Deutlichkeit. Da hat wird. benutzen. wurde. Also ich war zu DDR-Zeiten nicht nämlich Egon Bahr nach einer Präsidiums- Was mich allerdings wundert ist, daß nach SED-Mitglied, aber zumindest hatte man ja sitzung die Präferenz der Kontakte der SPD Peter Merseburger: Ich möchte hier nur zur der Abkehr der SED-Spitze von diesem Pa- doch die Hoffnung, nachdem Gorbatschow zur SDP zugesagt. Ich war damals durch Klarstellung, vielleicht als Denkansatz sa- pier keine Austrittswelle in der SED ein- so abgebügelt wurde, daß doch vielleicht Zufälle, die jetzt nicht näher zu beschreiben gen, daß sich die PDS-Leute selber nicht als setzte. Also, ich habe das jedenfalls nicht wieder etwas passieren könnte, daß die SED sind, in diese Präsidiumssitzung eingeladen Sozialdemokraten, sondern als Sozialisten erlebt. Hier wurde das ein bißchen so dar- sich reformieren würde... Euch muß doch worden, habe da eine Viertelstunde, 20 Mi- definieren würden, und daß man über die 38 39 ben Kommunisten gegeben hat. Da ist es Peter Merseburger: Wir sollten noch drei, natürlich auch leichter, daß die früheren vier Wortmeldungen zulassen und dann die Kommunisten sich nun wieder auf sozial- Diskussion schließen, so daß das Panel demokratische Wege begeben, wie zum noch eine Möglichkeit zu einer Schlußbe- Beispiel in Ungarn oder in ähnlichen Län- merkung hat. Die drei Herren, die dort ste- dern. Da ich einer von den wenigen war, die hen, sind die letzten Diskussionsredner. sehr viel in die DDR kamen, überwiegend durch Kirchen, Kirchentage, auch mit denen Frage: Grundsätzlich würde ich vielleicht zusammen kam, die sich später als Oppo- dafür plädieren, daß man wieder zurück- sition verstanden haben, denn als Opposi- kommt zum eigentlichen Thema, d. h. die tion wollte sich damals im Grunde niemand Vermengung mit der SPD/PDS-Frage, das verstehen - aus guten Gründen - deshalb wäre sicherlich etwas für eine eigene Ver- hatte ich natürlich schon auch Verständnis anstaltung, da können wir morgen gerne für die Leute, die dort eine SDP gegründet darüber weiter diskutieren, obwohl vielleicht haben, zumal das ja überwiegend Leute wa- beides auch zusammenhängt. Eine Anmer- ren, die ich aus der Kirche bereits kannte. kung vielleicht hierzu: Ich halte es für falsch, Was mich heute noch umtreibt, ist die Frage: wenn man daraus eine Ost-West-Ge- Ob nicht - aber da ist im Grunde niemand schichte macht. Das heißt, also auch hier dran schuld, sondern so ist das eben ge- sind die Unterschiede im Osten. Das nun l aufen - die soziologische, die soziale Basis zur Anmerkung auch zu Herrn Bisky. Also, dessen, was dann als SDP zuerst einmal ge- i ch würde da ganz eindeutig, obwohl auch gründet wurde, von Anfang an zu schmal ich Ostgewächs bin, die Bedenken von war? Und ob die nicht deshalb zu schmal Eppler teilen. Das nur am Rande. -Zwei Be- sein mußte, weil eben die SED als Staats- merkungen. Es ist so, ich bereite gerade Definition mal nachdenken sollte. Unter Um- aber ganz bewußt gemacht. Das war un- partei alles aufgesogen hatte, auch viele eine historische Magisterarbeit in der Hum- ständen haben ja einige Ostsozialdemokra- sere bewußte Entscheidung. Das hat übri- Leute, die potentielle Sozialdemokraten wa- boldt-Universität gerade zu diesem Thema ten auch noch Schwierigkeiten im Umgang gens die CDU auch nicht verstanden. Ich ren? Leute, denen es so ging, wie Steffen vor, und deswegen habe ich da auch einige mit dem, was eigentlich Sozialdemokratie habe ihr immer gesagt: Leute, im Grunde Reiche, als sie das Papier gelesen haben: kleine Fragen und Anmerkungen ... ist. Das frage ich mich nur. -Aber eigentlich könntet Ihr genau dasselbe machen. Es gab Da steh' ich ja eigentlich auf dieser Seite und müßte Erhard Eppler antworten, denn es in der CDU Leute, die sagten: Ja, wir müß- nicht auf deranderen. Es kann sein, daß dies Peter Merseburger: Wenn es ganz viele sein geht im Grunde um die Frage der Wirkung ten das machen, und manche zum Beispiel gar nicht anders laufen konnte, aber bis zum sollten, stünde Herr Reißig sicherlich nach des Streitpapiers im Westen - hat dieses haben gesagt, schade, daß wir so was nicht heutigen Tage hängt dies der SPD an. Die der Veranstaltung zur Verfügung. Streitpapier dazu geführt, daß die SPD län- zustande bringen. Das gab's da zum Bei- Frage, wie zum Beispiel die SPD in den Ost- ger als ihr selber gut getan hat, den einzi- spiel in Baden-Württemberg, ich will keinen l ändern in die Arbeiterschaft hineinkommt, . .. Nein, nein. Ich denke, daß es auch von gen Partner im Osten in der SED erblickt Namen nennen. Ich bin am 1. April 1989 frei- bleibt offen. Wahrscheinlich ist die PDS allgemeinem Interesse ist. Grundsätzlich hat? Das war im Kern die Frage. willig aus dem Präsidium ausgeschieden; auch kaum drin, es könnte sein, daß die mei- hat mich gewundert, daß die Meinung so über die Gründe will ich jetzt nicht reden, so sten Arbeiter in den neuen Bundesländern einhellig ist, wie tief und wie stark das Pa- Erhard Eppler: Also zuerst einmal, dieses daß ich diese Dinge, von denen Steffen Rei- weder PDS noch SPD wählen. pier gewirkt hat in der DDR. Ich dagegen Papier ist im Parteivorstand seinerzeit ohne chejetzt gesprochen hat, im Präsidium nicht würde dafür plädieren, daß man es doch Gegenstimmen verabschiedet worden. Im mehr miterlebt habe. Was ich weiß, das ist, Rolf Reißig: 45 % davon wählen CDU. eher im Kontext sehen muß, gerade mit Gor- Parteivorstand. In der Fraktion gab es Wi- daß es in der SPD Leute gegeben hat, die batschow und der Entwicklung in Osteu- derstand. Im Parteivorstand und Parteiprä- etwa im Blick auf Osteuropa, aber da ging Erhard Eppler: Jedenfalls, mir ist klar, daß ropa. Man neigt vielleicht auch jetzt im Zuge sidium gab es dies nicht, übrigens auch es immer um Ungarn oder Polen, also um hier Fehlsteuerungen, Fehlentwicklungen dieser Veranstaltung ex post dazu, dieses nicht im Parteirat, soweit ich mich entsinnen nichtdeutsche Gebiete, die gehofft haben, passiert sind, die möglicherweise unver- Papier einfach zu wichtig zu nehmen in sei- kann. [Einwurf] Ja, aber er hat auch zuge- daß bei der Umwandlung aus diesen kom- meidbar waren, die uns aber noch Jahr- nen Folgen - auch in der DDR. Da gab es stimmt. Wobei übrigens die Kritik von links munistischen praktisch sozialdemokrati- zehnte anhängen werden. Und die Frage, andere Faktoren, die sicherlich wichtiger ge- lautete: Ihr seid ja in diesem Papier nicht die sche Parteien werden könnten. Das hat es wie zum Beispiel in den früheren DDR-Län- wesen sind, meiner Meinung nach. Frage Sprecher einer anderen Form von Sozialis- gegeben. Die Dinge laufen ja in manchen dern eine Sozialdemokratie mit einer breiten an Erhard Eppler: Sie haben von der Kritik mus, sondern Ihr geriert Euch als Sprecher Ländern wirklich ganz anders, also in Län- sozialen Basis entstehen kann, die wird uns gesprochen, die später gekommen ist, auch der westlichen Demokratie. Das haben wir dern, wo es nie eine Sozialdemokratie ne- noch ziemlich lange umtreiben. von seiten der Grundwertekommission, ha- 40 41 ben das Beispiel vom 29. März 1989 ge- sehr große Unsicherheit wurde formuliert. wählt. Die Frage natürlich: Warum erst Meine Frage lautet in diesem Zusammen- dann... Also, die offizielle Kritik vielleicht von hang an diejenigen, die die DDR von innen der Grundwertediskussion hätte sicherlich gekannt haben: Wann oder ist überhaupt je- auch früher und rascher kommen können. mals diese ökonomische Verunsicherung Das hat meiner Meinung nach auch zum ge- oder dieses Gefühl, es geht ökonomisch wissen Teil der SPD an Glaubwürdigkeit ge- nicht mehr weiter und deshalb müssen wir kostet-das nur am Rande. Gesine Schwan uns gesellschaftspolitisch ändern - wann ist hat zum Beispiel von den Chancen und Ge- das überhaupt jemals thematisiert worden? fahren gesprochen, die dieses Papier hat, gleich im September 1987, deswegen Peter Merseburger: Und nun Sie mit der al- glaube ich, daß eine Fülle an Chancen, die l erletzten Frage des Abends. gerade dieses Papier zweifellos gehabt hat, durch dieses zögerliche Verhalten hinterher, Frage: Ich habe das Papier immer für her- diesen Mangel an Kritik, vergeben worden vorragend gehalten, deshalb, weil es zu der sind. Da hätte dieses Papier sicherlich sehr friedlichen Kultur, zu der Kultur der friedli- viel mehr an Chancen innerhalb der DDR ha- chen Revolution in der DDR, nach meiner ben können. - Das andere spare ich jetzt Meinung, entscheidend beigetragen hat. vielleicht. - Die Kontakte zur Opposition Und das habe ich auch gehofft, daß das in wären natürlich wichtig... diese Richtung geht-allerdings im Sinne ei- nes Systemwandels in der DDR. Deshalb hat PeterMerseburger: Die wichtigsten Fragen es mich gewundert, daß heute in der Dis- sind Sie los geworden. Ich möchte jetzt den kussion nicht die Frage eines Generations- Herrn dort bitten. wechsels in der SED-Führung stärker the- matisiert worden ist. Ich habe ziemlich ge- kussion von fünf Stunden. Das können wir Friedens. Ich erinnere mich sehr lebhaft, daß Frage: - Danke. Ich fasse mich auch kurz. nau die sowjetischen Dinge verfolgt und war jetzt nicht machen. Und außerdem meine Rainer Eppelmann und ich Mitte Oktober Eine Anmerkung und eine Frage. Die An- 1986 einer der ersten, der darauf hingewie- i ch, die Beweisführung für die PDS, daß sie miteinander darüber debattierten, hier in merkung ist: Ich habe nirgendwo im Westen, sen hat, daß es nicht um Gorbatschow ging, i hren demokratischen Neuanfang ehrlich Ostberlin, und er zu mir sagte: Wir müssen und da komme ich nun auch her, weder bei sondern um die Gorbatschow-Generation. meint, wäre, daß wir über Stalinismus dis- ungeheuer vorsichtig sein, in der Art und der SPD noch in der Ebert-Stiftung, die Raf- Wir hatten unter Breschnew 30 Jahre Kar- kutieren müssen, und zwar historisch von Weise, wie wir jetzt vorgehen, denn wir wol- finesse dieses Papiers eigentlich gewürdigt rierestau, und entsprechend war dann 1917 bis 1937, bis zu dem fürchterlichen l en auf keinen Fall die Staatsmacht so pro- gesehen, die im Regelwerkdes Umgangs mit 1985/86 plötzlich ein Generationswechsel in Pakt mit Hitler und dem Rüstungsabkom- vozieren, ich wiederhole das, was er mir ge- Andersdenkenden eine Gleichheit einfordert, fast allen Führungsbereichen - bis weit in men von 1940 und dann über Stalinismus sagt hat, daß das, was in China geschehen die so gar nicht gegeben war. Es waren ja mittlere Etagen runter, soweit man das ver- als Exportartikel nach '45. Auch das können i st, auf dem Platz des Himmlischen Frie- zwei völlig verschiedene gesellschaftliche folgen konnte. Das ist die erste Frage. Und wir jetzt nicht machen. Das dauert auch fünf dens, sich bei uns hier in der DDR und in Voraussetzungen, und trotzdem zwang man die zweite Frage ist die nach dem fürchterli- Stunden. Selbstverständlich. Das waren ja Ostberlin abspielen wird. Das heißt, daß sich die andere Seite auf Westniveau. Ich selber chen Ausspruch von Egon Krenz, als er auf nur zwei kurze Anmerkungen. Danke. etwas ändert und daß man sich mitten im habe es auch nicht gemerkt, und ich glaube, dem Platz des Himmlischen Friedens war fundamentalen Wandel befindet, dessen es ist auch ziemlich untergegangen. Daß die- und lobte, wie man chinesische Studenten Peter Merseburger: Vielen Dank. Sie liefern war man sich bewußt. Aber jeder hat höl- ses Papier eine Wirkung hatte, habe ich am mit Panzern zu Tode gefahren hat. Meine den Diskussionsplan für ganze Wochen. li sch aufgepaßt, also auch auf der Seite de- B. Mai 1989 gesehen, wo wir noch mit Lei- Frage ist: Welche Funktion hatte eigentlich Und sich als Referent mit. Ja. Die Frage ist, rer, die die Veränderungen selber vorantrei- tern von Studentenorganisationen aus der dieses Zitat, dieses Auftreten von Egon wie wir jetzt verfahren? Ich würde alle Refe- ben wollten, daß dies ausschließlich fried- DDR, aus Ungarn, aus der Sowjetunion usw. Krenz? War das vom Politbüro abgesegnet? renten hier vorn, alle Diskussionsteilnehmer, li ch verläuft und der Staat nicht zu brutalen über die Zukunft des Sozialismus diskutiert Welche Absicht steckte eigentlich dahinter? zu einem kurzen Wort und zu einer kurzen Gewaltaktionen herausgefordert wird. Die- haben. Und hierzu meine Frage: Bei dieser - oder war das nur eine leere Drohung? Und Antwort einladen. Und da ich gehört habe, ses Bewußtsein war bei allen vorhanden. Diskussion, jetzt mal einfach vom Überbau zwei ganz kurze Bemerkungen: Eigentlich daß Herr Weisskirchen uns schnell verlas- Und insofern meine ich sehr wohl, das Pa- auch zur Basis, ist das erste Mal thematisiert müßte man auf die sowjetische Deutsch- sen muß, würde ich mit ihm anfangen. pier hat eine zivilisierende Wirkung gehabt, worden das Damoklesschwert des drohen- landnote von 1952 verweisen. Ich nenne nur eine selbstzivilisierende Wirkung, die man den ökonomischen Untergangs der soziali- die Namen Gustav Heinemann, Johannes : Ich will nur eine Anmer- nicht unterschätzen darf, gerade im Wan- stischen Staaten. Dramatisch gesagt. Eine Rau und Erhard Eppler. Das wäre eine Dis- kung machen zum Platz des Himmlischen del, wie er vonstatten ging im Oktober und 42 43 November und dann später, glaube ich, daß tei in den neuen Bundesländern so schwach das eine ganz wesentliche, entscheidende ist. Die sonderbare Versuchung, jetzt eine Funktion gehabt hat. Ich will nur eine einzige li nke Allianz mit der PDS zu schmieden, was Schlußbemerkung machen, denn das ich für ausgesprochen gefährlich halte, wird Thema muß neu diskutiert werden: PDS. Ich durch das Fehlverhalten der Parteizentrale meine, um das mit aller Klarheit zu sagen, i m Erich-Ollenhauer-Haus mitgefördert. 1989 gab es eine Chance, die PDS neu zu gründen als linkssozialdemokratische oder Peter Merseburger: Herr Uschner bitte. li nkssozialistische Partei. Soweit man sich vom Leninismus nicht verabschiedet hat, Manfred Uschner: Wenn ich hier die inter- und das hat man nicht bei der Neugründung nationalen Komponenten erwähnte, die im der PDS, kann die PDS für ein Bündnis in- Herbst 1989 keine unwesentliche Rolle nerhalb der demokratischen Linken nicht spielten, dann deshalb, weil ich danach ge- der geeignete Partner sein. Denn man muß fragt wurde und weil es so war. Die Sieger- mit aller Klarheit sagen: 1989 gab es eine mächte des Zweiten Weltkrieges, die sich Neuanknüpfung an 1789, an die große eu- i m „Kalten Krieg" über 40 Jahre an der ropäische Revolution: Freiheit, Gleichheit deutsch-deutschen Grenze hochgerüstet und - heute würde man sagen - Geschwi- gegenüberstanden, schauten doch nicht sterlichkeit. Wenn die PDS nicht begreift, passiv und untätig zu, wie der Status quo daß alle leninistischen Modelle hinter die verändert wurde. Sie waren aktiv beteiligt, französische Revolution zurückgefallen was sonst? Gorbatschow selbst hat mehr- sind. Wenn sie nicht begreift, daß es einen fach hervorgehoben: Ohne seinen Amtsan- völligen Neuanfang geben muß mit Freiheit, tritt 1985 und nachfolgende sowjetische Gleichheit, Geschwisterlichkeit, der hat Entscheidungen wäre die deutsche Einheit nichts verstanden von der Entwicklung der nicht möglich gewesen, demzufolge auch setzung verstreut und verfolgt. Das betraf nen) und andere, die dabei waren, sprechen Demokratie, und der hat nicht verstanden, offener Widerstand in der SED und in den sehr viele Menschen, auch wenn man dar- heute von rund 300 aktiven Bürgern, in ver- warum die friedliche demokratische Revo- Machtapparaten nicht, wo in allen Syste- über heute nicht so gern reden mag. schiedenen Gruppen organisiert. Fast alle l ution nötig war in der DDR. men immer zuerst „Gefahrenstellen" und Die SDP entstand in der Endphase der DDR. kannten sich. Nach der Wende ging man „Anfällige" entfernt werden. Er bestätigt da- Die Stasi war dabei, wagte aber nicht mehr, sehr bald verschiedene Wege, oft recht ein- Peter Merseburger: Rolf Schneider bitte. mit die schon erwähnte Aussage Dr. Kohls. einzugreifen. Sie, Herr Mohry, haben die trägliche. Die Entscheidung, daß die UdSSR mi- SDP in Berlin-Altglienicke, wo ich wohne, zu Massenaustritte und Massenausschlüsse Rolf Schneider: Es sind noch zwei Dinge an- litärisch bei Unruhen in der DDR nicht ein- dritt am 21. November 1989 in Ihrer Woh- aus der SED gab es 1950, 1953, 1956, zumerken. Zum einen: Der Name Gorba- greifen würde, war spätestens am B. Okto- nung gegründet, also auch erst nach dem 1961, 1968 und ab 1988. Mit Gorbat- tschow ist gefallen, es ging um Gorba- ber 1989 bekannt geworden. Das erst Mauerfall. So habe ich es einer SPD-Veran- schows Machtantritt wagte man aber keine tschows Reformbemühen. Wir sollten uns machte freies Demonstrieren großer Men- staltung in Königs Wusterhausen entnom- politischen spektakulären Prozesse mehr. klar sein, daß auch Gorbatschow geschei- schengruppen möglich. Ich unterschätze men. Da waren schon alle Messen gesun- Um den Strom der „Abtrünnigen" einzu- tert ist. Er wollte den Kommunismus retten, deshalb die Tätigkeit von Bürgerrechtlern gen! dämmen, wurde ihre Zahl auf Anweisung er hat ihn in Wahrheit vernichtet. Es ist völ- und den Mut von Demonstranten in keiner I ch bin auch gegen falsche Legendenbil- des SED-Organisationschefs Horst Dohlus li g gleichgültig gewesen, ob 1989 jemand Weise. Ich ging erstmals am 4. November dung. Deswegen sollte man auch aufhören, geheimgehalten bzw., wie schon erwähnt, Reformen wollte für den Kommunismus 1989 auf die Straße und viele Male danach. die DDR-Bürgerbewegung im Nachhinein statistisch als „Streichungen" kaschiert. Die oder ob er sie verweigert hat. Das Ding war I ch tat aber auch schon lange vorher etwas, wie ein mutiges Millionenheer darzustellen. Stasi hatte nun völliges Kontrollrecht über zum Tode verurteilt, der Tod ist eingetreten. solange ich die Möglichkeiten hatte. Ich war Die DDR implodierte, sie explodierte nicht in die SED-Mitgliedschaft und die Funktionäre. Das zweite: Ich habe im Ohr, was Tilman gewiß nicht der einzige! einer Revolution. Nicht umsonst riefen die Viele SED-Mitglieder glaubten aber bis zu- Fichter über die Situation der politischen Eine Bewegung wie Solidarnosc in Polen Demonstranten: „Keine Gewalt!"... Wie l etzt daran, daß sich Gorbatschow in der Klasse in Bonn gesagt hat. Er hat damit nicht gab es in der DDR nicht. Hier hätte man wohl Bärbel Bohley in einem Interview mit der DDR letztlich durchsetzen würde. Sie woll- nur die Regierung gemeint, sondern auch frühzeitig zugeschlagen an der Trennlinie „Berliner Zeitung" bekundete - à la bonheur ten Reformen, aber keine Rückkehr zum ka- seine eigene Partei. Ich habe den Eindruck, der beiden Weltsysteme. Auch einen Lech -, gab es vor und nach der Wende keine pitalistischen System mit seinem Gegen- daß die Westfixierung auch der überwie- Walesa gab es nicht. Aufmüpfige in den Bürgerbewegung in der DDR, sondern nur satz von Arm und Reich und geringen ge- genden Mehrheit des Parteivorstands der Machtapparaten wurden bis zum Mauerfall für eine kurze Zeit in der unmittelbaren Um- sellschaftlichen Reformambitionen. Leider Sozialdemokratie dazu führt, daß diese Par- sofort ausgesondert, durch berufliche Um bruchsphase. Sie, Tschiche (Bü 90/Die Grü- kam es zu keinem Bündnis jener Bürger- 44 45 rechtler mit den Reformern der SED, die eine so dumm, daß man sagte, na, wenn die aus gangen. Und ich habe auch nicht gewußt, sitionen so wichtig. Vielleicht gelingt uns demokratisierte, pluralistische DDR, einen dem Westen, das sind doch die großen daß die DDR so rasch implodiert. Klar war dann ja vielleicht noch mal so ein durch- Sozialismus mit menschlichem Antlitz an- Wirtschaftsexperten, die Milliarden rein- es, als der 9. November kam, da war klar, schlagender Erfolg, wie der SPD das mit strebten. Stattdessen wurde aus der DDR stecken, dann kann es noch nicht so das war's. i hrem Papier gelungen ist. ein „Anschlußgebiet". schlimm sein. So hab' ich damals gedacht. Ich war deshalb von meinem Freund Egon Das war falsch. Peter Merseburger: Danke. Herr Reiche. Peter Merseburger: Also danach brauchten Bahr etwas enttäuscht, als er in der Nacht Und dann noch etwas zur Austrittswelle aus Sie dringend ein Streitpapier zwischen der des Mauerfalls im Fernsehen der BRD der SED. Es gab keine Riesenaustrittswelle, Steffen Reiche: Drei kurze Bemerkungen. SPD und der PDS? [Applaus] Herr Reißig sagte, daß nun die SPD-Ostpolitik am Ende die kam erst dann, als klar war, die Auto- Zum einen: Ich stimme Herrn Eppler zu, die bitte. sei. Sie habe ihr Ziel erreicht. Ich glaubte im- rität der SED ist weg, und es bringt auch soziologische Basis für die Ost-SPD ist zu mer an das Ziel der SPD und der „Soziali- nichts mehr dabeizubleiben. Aber, es war schwach, aber ich will in Erinnerung rufen - Rolf Reißig: In aller Kürze zuerst zu den noch stischen Internationale", Europa und die auch nicht das große Bedürfnis zu Austrit- wir haben, als wir am 7. Oktober die SDP anstehenden Fragen. Die Mehrheit der Welt sozialdemokratisch umzugestalten, so ten da. Man darf doch nicht verkennen, gegründet haben, im Grunde genommen SED-Mitglieder stand hinter diesem Papier, wie es in seinem Buch „Die Gorbatschow wurde damals als Kommu- dies auch als eine Einladung an die SED- auch noch als Hager die Umkehr einleitete, Befreiung von der Bombe" dargelegt hat. nist gesehen. Wir können nicht mit unse- Leute verstanden. Uns kamen drei Dinge und es immer deutlicher wurde, daß die I ch glaubte, es geht erst richtig los, denn rem heutigen Wissen da herangehen. Und dazwischen... [im Hintergrund: ha ha ha] SED-Führung von diesem Papier abkehrt. Reformstau gab und gibt es auch in West- deshalb war die Bereitschaft von vielen, aus ... ja, ja, ja. Es waren sehr viele dabei, die das Warum aber, so die Frage, ist die Mehrheit deutschland. Ich vermisse bis heute eine der SED auszutreten, überhaupt nicht da. damals so verstanden haben, daß wir diese dann nicht ausgetreten? Es gab ja Ausein- neue große Zukunftsvision der SPD und Oder bei Kulturleuten. Was wäre denn die Partei überhaupt nicht aufbauen könnten, andersetzungen, auch Austritte und Aus- eine zweite, neue Phase sozialdemokrati- Kultur, die europäische Kultur dieses Jahr- ohne daß die Sozialdemokraten aus der schlüsse. In einem Bezirk, Leipzig, gab es scher Ostpolitik. Gerade in der jetzigen Si- hunderts ohne Kommunisten? Dazu hatte SED rauskommen und da mit eintreten allein 1988 2.569 Austritte, 1.186 Aus- tuation. ich und habe heute auch noch eine andere würden. Drei Dinge kamen dazwischen: Das schlüsse, 379 Streichungen. Es war aber Beziehung. So einfach ist es nicht. Und die eine war die Maueröffnung, das zweite war minimal; und das kann eigentlich doch nicht Peter Merseburger: Ein kurzes Schlußstate- DDR-Geschichte, gerade die letzten Jahre dann kurz danach die Umwandlung der so überraschen. Ich finde, die Reaktion in ment, Herr Bisky. sind außerordentlich kompliziert. Man soll SED in die PDS, und das dritte war dann der SED war eine andere. Die Zustimmung sie nicht verniedlichen. Aber, sie läßt sich der durch den Wahlkampf der CDU ent- zur SED-Politik ging immer mehr zurück; Lothar Bisky: Dann kann ich aber nicht auf auch nicht so mit schwarz-weiß oder mit standene Beschluß des Leipziger Parteita- aber es gab auch nicht das Aufbegehren, die Fragen eingehen, die ich mir aufge- zwei, drei Sätzen erklären. Es gab Gründe, ges, und das macht diese Basis so nach- den Mut zum offenen Widerstand, die klare schrieben hatte, aber ich weiß, die Zeit ist warum Leute so gehandelt haben, warum haltig schmal. Aber es ist nicht so einfach, Abkehr von dem, was man schon nicht begrenzt. Ich will nur eines sagen: Herr sie auch bis zum Schluß noch gedacht ha- wie Gert Weisskirchen oder auch wie Herr mehr für richtig hielt. Dazwischen beweg- Weisskirchen ist nun weg, aber wo er das ben: na, vielleicht geht es doch noch. Und Schneider das hier gesagt haben. Ich ten sich die Mehrheiten. Diese Entwicklung mit dem Leninismus und der PDS her hat, i ch erinnere daran: die absolute Mehrheit, denke, in der Ost-SPD bzw. gar in den Ost- zeigte aber dann doch eine gewisse Wir- das würde mich interessieren. Das stimmt i ch glaube es war jeder zweite, jeder zweite Parteien, haben die West-Parteien ihre ei- kung. In Interviews erklären ehemals füh- einfach nicht. Übrigens: In dem Tonfall soll- war in der DDR in irgendeiner Weise ge- gene Zukunft vor Augen - das ist das Pro- rende Personen aus dem SED-Machtap- te man auch gar nicht miteinander reden. wählt - vom Politbüro bis zum Anglerver- blem. parat auf die Frage, warum es im Okto- [Applaus] Wir haben so viel Belehrungen band - und aktiv. Natürlich nur in einer klei- Das zweite: Ich frage mich nach dieser Dis- ber/November 1989 in der DDR keine Ge- erfahren dürfen, daß ich für den Rest nen Funktion. Also, jeder zweite Bürger der kussion, wie man heute den Dialog mit der waltanwendung gab, obwohl doch ein meines Lebens auf diesen Ton verzichten DDR war irgendwo, ob im Elternaktiv oder PDS eigentlich führen soll und kann. Herr übermächtiger Repressionsapparat zur kann. in der Gewerkschaft, irgendwie aktiv. Das Bisky hat mir eben auf meine Frage, wo er Verfügung stand: Vor allem auch deshalb Es war die Frage gestellt worden nach dem hat eine soziologische Untersuchung Mitte sich denn bei diesen beiden Positionen ein- nicht, weil wir uns auf die Kader der SED, Führungswechsel. Das ist eine interessante der 80er Jahre ergeben. Und da sage ich bringen würde, gesagt: na, irgendwo da- auf die wir uns immer „verlassen" konnten Frage. Aber, das Politbüro war noch nicht mir: Das waren nicht alles Staatsfeinde. zwischen. Ich denke, diese Positionsbe- (1953, 57, 61, 68) offensichtlich nun nicht so alt, nach seinen eigenen Maßstäben. Der Also, ich will mit Pauschalurteilen nicht le- stimmung ist außerordentlich wichtig, denn mehr so stützen konnten. Hier war eine be- Führungswechsel wäre so schnell nicht ge- ben. Niemand hat gewußt, auch ich habe dann würde sichtbar werden, ob diese PDS merkenswerte Erosion in Gang gekommen. kommen. Also, es kam die Lösung, wo dann es im Oktober 1989 nicht gewußt, daß die überflüssig oder wirklich notwendig ist. Ich Das war die Veränderung, die man nicht mit wirklich alles schnell ging. DDR so rasch abhanden kommt. Ich habe denke, es wird der PDS außerordentlich Austritten oder anderem festmachen kann. Man hat ja immer wieder gezweifelt an der es nicht gewußt, und ich denke, es hat auch schwer fallen, in Abgrenzung zur SPD ihre Es gab jedoch keine vernetzte, organisierte ökonomischen Leistungsfähigkeit der DDR. kaum jemand richtig geahnt, daß das über- Position noch so klar zu machen, wie es der Reformbewegung in der SED wie in ande- Meine Zweifel sind relativiert worden, weil haupt möglich wäre. Ohne Zustimmung SED damals zumindest gelungen ist. Und ren kommunistischen Parteien. Es gab Strauß den Kredit gegeben hat. Man war ja von Moskau wäre das sowieso nicht ge- deshalb denke ich, ist dieser Streit der Po- Grüppchen, es gab Diskurse, es gab Wi- 46 47 derspenstige, aber es gab keine Vernet- Geschichte hinter sich gebracht haben, ist Gesellschaft, als ganze Parteien. Und wenn zung. Und damit gab es auch keine orga- das so. Ich darf vielleicht hier etwas sagen, man das nicht einmal hinkriegt, das ist nisierte Alternative zum Austritt. Und die was vielleicht falsch verstanden wird. Ich schlimm. Vielen Dank. [Applaus] Opposition selbst war für diese Kreise nicht glaube, daß das große Geheimnis von die Alternative. Da wirkten andere Biogra- Adenauers Erfolg war, daß er den Deut- Peter Merseburger: Vielen Dank, meine Da- phien, Identitäten, Mentalitäten, Diskurse. schen ein Angebot machte, ein ungeheuer men und Herren für Ihre Geduld. Gestatten Diese kann man nicht von heute auf mor- entlastendes Angebot, nämlich: Ich gebe Sie mir noch einen letzten kleinen Hinweis, gen wechseln. Und dies ist entscheidend - Euch die Chance, gegen den zweiten Tota- der sich an alle überzeugten Anhänger der ihre kulturell-mentale Bindung an die DDR litarismus gut zu machen, was Ihr gegen den Entspannungspolitik richtet. Wir haben ja als Reformprojekt, solange es diese Mög- ersten versäumt habt. Und das war unge- heute abend über ein Dokument der Ent- li chkeit noch zu geben schien. Daß sich dies heuer entlastend und hat viele Menschen in spannungspolitik diskutiert, aber ich warne mit Illusionen über die Reformfähigkeit der Deutschland dann in diese Richtung getrie- einfach aus historischen Gründen vor der SED und des Sozialismus verband, ist be- ben. Und das alles ist ja noch da, und die Annahme, daß die Entspannungspolitik al- kannt. PDS muß damit rechnen. - Und jetzt eine l ein zum Zusammenbruch des Kommunis- Zum Problem SDP und PDS will ich ange- letzte Bemerkung, nein die zweitletzte. So- mus geführt hätte. Es war eben auch die sichts des Zeitlimits nur folgendes anmer- weit ich das noch übersehen kann, obwohl Rüstungspolitik, ohne die wahrscheinlich ken: Die Chance zu einer starken linken ich es wahrscheinlich nicht mehr erleben die Sowjetunion zum Einlenken nie gekom- Volkspartei im Osten Deutschlands nach werde: die Zukunft unserer Gesellschaft men wäre. Das heißt: Entspannung plus 1989/90 ist durch die SPD-West und durch hängt davon ab, ob in den nächsten zehn Nato-Doppelbeschluß haben dazu geführt, die SDP-Ost und durch einflußreiche Kräfte, Jahren eine mehrheitsfähige Gegenbewe- auch wenn viele Linke und Grüne das heute die sich dann in der PDS formiert haben, gung gegen die neoliberale Orthodoxie ent- ungern zugeben. Und als allerletzte Bemer- erst einmal wechselseitig verspielt worden. steht. [Applaus] So, wie ich das sehe, kann kung: Wir haben über ein Dokument disku- Die SPD im Westen hatte sich über den sie entstehen. Die wird reichen können vom tiert, in dem drin steht, daß kein System das Schreck des plötzlichen SED-Zusammen- Erhard Eppler: Ich habe noch drei Bemer- li nken Gewerkschaftler bis zum katholi- andere abschaffen sollte. In der Tat hat das bruchs erst einmal von allen SED-Mitglie- kungen. Die erste ist eine Antwort auf den schen Bischof. Ja. Die katholische Sozial- eine System das andere nicht abgeschafft dern losgesagt, auch von den kritischen und Diskussionsredner, der sagte, die Grund- lehre, soweit ich sie kenne, ist das Gegen- - aber eines hat sich selbst aus der Ge- reformorientierten Kräften, mit denen sie ge- wertekommission hat einfach zu wenig pro- teil des Turbo-Kapitalismus, den wir im Au- schichte abgemeldet. Darüber bin ich froh rade eben noch den Dialog geführt hatte. testiert. Sie hat dreimal die Grundsätze ein- genblick erleben. Ich sage das als Prote- und glücklich, doch ich räume ein, daß man- Und die Gründer der SDP, in Gegensatz und gefordert und die SED kritisiert, aber, und stant, damit das nicht falsch verstanden cher der hier Anwesenden darüber anders Auseinandersetzung zur SED entstanden, das hängt nun mit dem Desinteresse im We- wird. Hier ist etwas, vielleicht in Ansätzen, denken mag. Vielen Dank für Ihre Geduld. verweigerten praktisch das Gespräch. Ei- sten zusammen, das hat in den Westme- schon im Werden. Und jetzt Herr Bisky, ver- [Applaus]. nige gar bis heute und mit Argumenten, als dien so wenig Echo gefunden, daß es auch stehen Sie mich, daß diese Mehrheit nur ent- ob sie weiter noch in der DDR agierten. Die nicht auf den Osten ausgestrahlt hat. Viel- stehen kann, so breit, wie ich sie jetzt ange- Messen sind also erst einmal gelesen. Doch leicht hätten wir noch mehr schreien sollen, deutet habe, - und so breit muß sie sein -, deshalb glaube ich, bedarf es zumindest, aber im Westen hat keiner darauf gehört, wenn auch nicht der geringste Verdacht wie es Steffen Reiche und andere vertreten, weil das inzwischen nicht mehr interessant kommunistischer Affinität geltend gemacht des Dialogs. Nun sollte man sich aber auch war. Zweiter Punkt: Ich glaube, wenn man werden kann. So ist das in dieser Gesell- nicht beschweren, daß es eine PDS gibt, die deutsche Geschichte der letzten 70, 80 schaft. Jedenfalls noch in den nächsten nachdem man sie nahezu alle ausgegrenzt Jahre ansieht, daß der Antikommunismus in zehn Jahren. Das ist natürlich auch eine un- hat! Daß diese, wie die „kulturellen DDR-Eli- Deutschland insgesamt immer wesentlich geheuere Aufgabe für die PDS selbst. - Und ten", die einen anderen Weg gesucht ha- stärker war als der Kommunismus. Und das jetzt meine letzte Bemerkung. Was ich mei- ben, - mit wenigen Ausnahmen - zur PDS i st bis heute so. Der Antikommunismus hat ner Partei übel nehme, ist nicht ihre Position gingen, provoziert geradezu die Frage. Wo i m Grunde den Kommunismus überlebt. zur PDS. Die würde ich im Augenblick etwa sollten sie denn sonst hingehen? Werwill sie Und es reichen heute ganz wenige kom- so einnehmen, wie das Lafontaine auch tut. denn haben, nicht einfach als Wähler, son- munistische Spuren, um sehr viel Antikom- Was ich ihr übel nehme zum Beispiel ist, daß dern als politisch Engagierte? munismus zu mobilisieren. [Zwischenruf: zwei Leute, die hier auf diesem Podium sit- Das kann man laut sagen.] Ja, sicher. Das zen, heute keine Sozialdemokraten sind. Peter Merseburger: Wo sie sonst hingehen ist vielleicht auch eine Generationsfrage, [Applaus] Denn, ich habe am Anfang ge- könnten, könnte ja vielleicht Erhard Eppler das wird vielleicht in 40 Jahren anders sein. sagt, es ist viel leichter, Individuen zu inte- jetzt beantworten. Aber so, wie die Deutschen nun einmal ihre grieren, auch in eine Partei, nicht nur in eine 48 49