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Entscheidungsdatum 23.11.2020 Geschäftszahl W222 2229585-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLI K!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. , vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.04.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA- VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

E n t scheidungsgründe :

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Sri Lankas, reiste am 23.02.2020 via Flug CI 63 aus Taipeh nach Wien an. Im Zuge einer Überprüfung der Identität des Beschwerdeführers am Gate wies sich dieser den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gegenüber mit seinem Reisepass aus Sri Lanka aus und legte gleichzeitig eine italienische Aufenthaltskarte vor, die sich als eine Totalfälschung erwies. Der Beschwerdeführer wurde noch am selben Tag wegen - 2 - des Verdachts der Fälschung einer besonders geschützten Urkunde einvernommen und stellte im Zuge dessen einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Beschuldigteneinvernahme erklärte der BF, dass im Jahr 2019 in der Nähe seines Hauses ein Bombenanschlag auf Muslime gewesen sei. Da er selbst Muslime sei, habe er in ein sicheres Land kommen wollen. Durch Verwandte sei er auf Herrn XXXX gekommen, der ihm für 5 000 000 Sri-Lankische Rupien Dokumente für die Einreise nach Europa hätte organisieren sollen. Er habe jedoch nie Dokumente erhalten. Da Herr XXXX eine gute politische Verbindung habe, habe dieser gemeint, dass er den Beschwerdeführer misshandeln werde, wenn er das Geld zurückfordere. Herr XXXX habe dem Beschwerdeführer einen anderen Herrn vermittelt, der ihm die Dokumente für die Einreise organisiert habe.

Am 24.02.2020 fand die Erstbefragung im Asylverfahren durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt, bei der der Beschwerdeführer folgendes angab:

„Ich wollte weg von Sri Lanka um anderswo zu arbeiten. Ich gab einem Mann namens „ XXXX " ca. 500 000 Rupien, damit er mir behilflich ist. Er hielt sich aber nicht an die Abmachung, mir ein Visum für Europa zu beschaffen. Ich fragte nach 3 Monaten bei ihm nach und wollte mein Geld zurück. XXXX hatte politische Beziehungen. Er bedrohte mich mit dem Umbringen. Ich musste mein Haus mit Frau und Kind verlassen. Aus Angst um mein Leben gelang es mir mit Hilfe eines Schleppers aus meiner Heimat zu flüchten. Ich will in Österreich um internationalen Schutz ansuchen. Ich habe hiermit alle meine Gründe und die dazugehörigen Ereignisse angegeben, warum ich nach Österreich gereist bin. Ich habe sonst keine Gründe für eine Asylantragstellung in Österreich.“

Nachdem dem Beschwerdeführer die Einreise nicht gestattet wurde, wurde dieser am 29.02.2020 im Rahmen eines Flughafenverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er Folgendes an (Schreibfehler teilweise korrigiert):

[…] LA: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen die anwesenden Personen vor? VP: Nein.

LA: Die Dolmetscherin wurde vom Leiter der AH als Dolmetscherin für Tamilisch bestellt und beeidet. Sind Sie dieser Sprache mächtig und damit einverstanden in dieser Sprache einvernommen zu werden? VP: Ja ich verstehe sie gut. Nachgefragt spreche ich etwas Englisch, aber wenig und Hindi, auch sehr wenig. Anmerkung: Die LA überzeugt sich von der einwandfreien Verständigung zwischen Dolmetscherin und Verfahrenspartei. LA: Sind Sie geistig und körperlich gesund? VP: Ja. LA: Stehen Sie in ärztlicher Behandlung? Nehmen Sie irgendwelche Medikamente? VP: Nein. - 3 -

LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die an Sie gestellten Fragen wahrheitsgemäß und umfassend zu beantworten? VP: Ja, es geht mir gut. […] LA: Haben Sie im bisherigen Verfahren, insbesondere bei der polizeilichen Erstbefragung wahrheitsgemäße Angaben gemacht und wurde Ihnen diese rückübersetzt und korrekt protokolliert? Wollen Sie jetzt etwas ergänzen? VP: Ja, ich habe wahrheitsgemäße Angaben gemacht. LA: Können Sie inzwischen irgendwelche Dokumente / Beweismittel vorlegen? VP: Ich habe hier meinen Reisepass, der ist echt. Befragt, ich war selbst bei der Behörde, in , und habe den Pass beantragt und noch am selben Tag erhalten. LA: Was haben Sie für Ihre Ausreise ausgegeben? VP: Ich habe zweimal bezahlt. Einmal war ich bei Herrn XXXX , 500.000 Rupien, und das zweite Mal 50.000 an Herrn XXXX . Nach mehrfachen Befragungen wird nun festgestellt: Ich habe für den ersten Schlepper 50 Lakh bezahlt. Befragt, das sind 500.000 Sri Lanka Rupien. Der zweite Schlepper hat 5 Lakh bekommen. LA: Was haben Sie dem ersten Schlepper gesagt, was er für Sie tun soll. VP: Ich wollte nach Europa zum Arbeiten kommen, ich wollte von ihm eine Arbeitsbewilligung für Europa. LA: Woher hatten Sie das Geld? VP: Ich habe mein Vermögen, das Gold von meiner Frau, alles verkauft und ich habe Geld ausgeborgt. LA: Wieviel haben Sie ausgeborgt und von wem? VP: 20 Lakhs habe ich ausgeborgt. Als Darlehen, privat. Befragt von wem, das war privat. Befragt, von wem, sage ich, den Namen weiß ich nicht. Mein Schwager erledigte das. LA: Das ist schwer zu glauben. VP: Das ist der Mann der Schwester meiner Frau, der das organisiert hat. LA. Und wenn es nicht zurückgezahlt wird, dann hat er wohl die Probleme? Wieso soll er das machen. VP. Ich habe alles Vermögen verkauft und niemand würde mir Geld borgen. LA Und das Wissen die Gläubiger, dass Sie kein Geld haben. Und wieso bekommt Ihr Schwager dann das Geld? VP: Man muss Vermögen zeigen, um Geld zu borgen. LA: Und Ihr Schwager hat Vermögen? VP: Ja. LA: Und wieso borgt dann der Ihnen nicht das Geld? VP: Er hat kein Geld zum Ausborgen, aber er hat Geld und seine Arbeit. LA: Was haben Sie in Sri Lanka gearbeitet? VP: Ich hatte ein Geschäft. LA: Was für ein Geschäft? VP: Ich hatte ein Geschäft, wo ich alles Mögliche vom Großhandel gekauft, und für etwas mehr verkauft habe. LA: Und wie ging das Geschäft? VP: Nach dem Bombardement und den Problemen ist das Geschäft schlecht gelaufen. LA: Wie war es vorher, was haben Sie da ca. verdient und wie war es danach? - 4 -

VP: Ich habe ca. 3-4 Lakhs pro Monat verdient (= 300.000-400.000 Rupien). Ich habe die Sachen immer von Buddhisten gekauft und nachdem Anschlag war es nicht mehr möglich. LA: Und was haben Sie dann gemacht? VP: Nachher ist das Geschäft kaum gelaufen. Befragt ich habe ca. vier Jahren. Befragt, ob ich das genauer sagen kann, es war 28.September 2017. Befragt, ich habe eine Tochter, sie ist zweieinhalb Jahre alt. Befragt, meine Frau arbeitet nicht. Sie hat auch vor der Ehe nicht gearbeitet. Es ist zwar normal, dass Frauen arbeiten, ihre Schwester ist Lehrerin, aber sie hat nicht gearbeitet. Befragt aus welchem Grund, sie mag nicht. Und sie wird auch nicht gehen. Ich hatte Geld und davon haben wir gelebt. Mein Vater hat gearbeitet und hat mir Geld gegeben. Ich habe drei Schwestern und einen Bruder. Zwei sind verheiratet und eine ist erst 15, sie geht zur Schule. Mein Bruder arbeitet zusammen mit meinem Cousin als Verkäufer. LA: Haben Sie nicht versucht, irgendwo Arbeit zu finden, als Ihr Geschäft nicht mehr so funktioniert hat? VP: Ich habe einmal, zweimal pro Woche auf der Straße etwas zu verkaufen versucht, habe aber nur 2000 Rupien eingenommen. Nochmals befragt, ich habe zwar Beschäftigung gesucht, ca. 10.000 Rupien pro Monat, dafür müsste ich bis spät in die Nacht arbeiten. Befragt, drei oder vier Stellen gesucht, überall, war dasselbe. LA: Bitte nennen Sie Ihre Staatsangehörigkeit, Volksgruppe und Religionszugehörigkeit? VP: Ich bin Staatsangehöriger von Sri Lanka, gehöre der Volksgruppe tamilischen Moslems an. LA: Hatten Sie wegen Ihrer Volksgruppe oder Religionszugehörigkeit früher Probleme? VP: Erst nach dem Bombenanschlag hatte ich Probleme. Es war 2019, ich glaube am 28.April. Danach haben die Probleme begonnen. LA. Und früher, als Kind oder Teenager, in der Schule, etc. gab es keine Probleme. VP: Nein. Ich ging auf die tamilische Schule. Befragt es sind ca. 15 % Muslime, und ca. 35 %Christen, der Rest sind Buddhisten. LA: Ihr Reisepass wurde 2014 ausgestellt, warum haben Sie sich den Pass ausstellen lassen? VP: Ich wollte in arabische Länder zum Arbeiten. LA: Sie waren 25 Jahre alt, was habe Sie damals beruflich gemacht? VP: Ich habe bei einem Onkel in einem Kleidergeschäft gearbeitet. Befragt, das Gehalt war nicht ausreichend, zwischen 5000 und 10.000 Rupien. LA: Was ist normal, ausreichend? VP: Z.B. als Lehrerin verdient man 35.000 – 40.000. Meine Schwägerin arbeitet im Privatbereich und mein Schwager beim Staat, deshalb hat er nur 25.000 Rupien. Befragt was mein Vater arbeitet, er ist Contractor für Bauwerke. Befragt er holt Leute, die einen Bau machen. Er arbeitet selbst, wenn es notwendig ist, er ist Supervisor. Er ist nicht ausgebildet, aber er macht das seit 40 Jahren. Er hat seinen Vater mit 14 Jahren verloren und hat die Familie ernähren müssen. Und er hat in der Branche gearbeitet und hat sich die Kenntnisse angeeignet. Als ich dort gearbeitet habe, habe ich auch als Supervisor gearbeitet. Mein Geschäft habe ich ca. ein Jahr gehabt. LA. Als Sie den ersten Schlepper suchten, wieso haben Sie jemanden ausgesucht, der so viel verlangt hat? VP: Ein Arbeitsvisum kostet normalerweise 70 Lakhs, und er hat weniger verlangt. LA: Was heißt, es kostet 70 Lakhs? Woher wussten Sie das? VP: Ich habe nach 3-4 Monaten erfahren, dass er mich betrogen hat. LA: Ich wiederhole meine Frage: Woher haben Sie die Kenntnisse, dass es 70 Lakhs kostet? - 5 -

VP. Es wurde in meinem Dorf so geredet. LA: Haben Sie schon früher einmal im Ausland gearbeitet? VP. Ja, in Katar. Ich habe damals das Visum vom Mann meiner Cousins organisieren lassen. Ich habe dafür 1 Lakh bezahlt. LA: Und wieso wollten Sie dann für 50 Lakhs ein Visum kaufen? VP: Katar ist anders, und Europa ist anders. Es sind in Katar die Regeln sehr streng, auch wenn man nicht selbst schuld ist, können auch die anderen einen beschuldigen und die Arbeitszeiten sind auch lang. LA: Haben Sie in Österreich irgendwelche verwandtschaftlichen oder privaten Bezugspunkte? VP: Nein. LA. Wieso sind Sie ausgerechnet hierhergekommen? VP: Mein Bruder hat in Google gesucht und gesehen, es ist ein gutes Land. LA: Sie hatten ja einen gefälschten italienischen Aufenthaltstitel bei sich, wollten Sie nicht dorthin? VP: Ich konnte nur hierher wegen des Visums. Ich bin aus Taiwan hierhergekommen mit China Airlines. Sie haben den Pass und die Karte angeschaut. LA: Welche Angehörigen haben Sie noch im Heimatland? VP: Meine Eltern, meine Geschwister, meine Frau und meine Tochter. LA: Was machen Ihre Frau und Ihr Kind jetzt? Wovon leben sie? VP: Sie sind derzeit in einem anderen Haus. Nochmals befragt, wo, XXXX . Sie leben bei einer Cousine meiner Frau. Die Leute von dem XXXX werden nach mir fragen, und deshalb leben sie nicht bei meiner Familie. LA: Hatten Sie seit Ihrer Ausreise Kontakt mit Ihrer Familie? VP: Ja, habe ich, mit meiner Frau über WhatsApp. Ich rufe zweimal täglich an. Nochmals befragt wovon sie jetzt leben, sage ich, die Cousine bezahlt für sie. Befragt ich habe auch Kontakt zu meinem Bruder, der gibt auch manchmal das Telefon meinen Eltern. Befragt, was die jetzt so erzählen, sage ich, man sagte mir, ich solle nicht nach Sri Lanka kommen. LA: Weshalb? VP: Weil die nach mir suchen. Weil ich habe das Geld zurückverlangt und wenn ich lebe, werde ich weiter nach dem Geld fragen. LA. Und nur weil er Angst hat, dass Sie weiter fragen, will er Sie töten? Was würde passieren, wenn Sie klagen? Und er sagt, dass er Sie nicht kennt? VP: Die Behörden und die Regierung würden das nicht glauben? LA: Was würden sie nicht glauben? Dass Sie das Geld gegeben haben oder? VP: Es würde mir keiner glauben. LA: Haben Sie im Heimatland strafbare Handlungen begangen, sind Sie vorbestraft/ verurteilt oder waren Sie schon einmal in Haft oder Gefangenschaft? VP: Alles nein. LA: Waren Sie in Ihrem Heimatland politisch tätig oder gehörten Sie einer politischen Partei an? VP: Nein. LA: Hatten Sie jemals persönlich Probleme mit den Behörden / Institutionen Ihres Heimatlandes? VP: Nein. Befragt, weder mein Vater, mein Bruder, noch mein Cousin waren jemals politisch in irgendeiner Weise tätig. LA: Weshalb haben Sie Sri Lanka verlassen? Nennen Sie nun bitte detailliert die Gründe, aus denen Sie Ihr Heimatland verlassen haben, Sie haben hierzu ausreichend Zeit! - 6 -

Beginnen Sie bitte damit, warum Sie ursprünglich, also bereits vor den Problemen mit XXXX das Land verlassen wollten. VP: Nach dem Bombenanschlag war das Leben an meinem Wohnort sehr schwer geworden. Da ist keine Sicherheit. Mein Haus lag ca. drei Kilometer von dem Anschlag entfernt. Befragt, was damals passiert ist, ich war damals in Sri Lanka. Ich weiß nicht, wer den Anschlag gemacht hat. LA: Wieso erwähnen Sie das ausdrücklich, dass Sie damals dort waren? VP: Ich war damals dort. Ich habe das nur gehört, aber nichts gesehen. Ich habe nicht verstanden, was das für ein Geräusch war. Nach ca. 20 Minuten habe ich gehört, dass das ein Bombenanschlag war. Freunde haben mich angerufen und mir das gesagt. LA. Erzählen Sie bitte weiter!? VP: Ich bin mit meinen Freunden dorthin gegangen, was passiert ist. Ich bin ganz in die Nähe gegangen, aber das war von der Polizei gesperrt. Dann bin ich wieder nach Hause gegangen. LA. Wissen Sie, welche Uhrzeit das war? VP: Es war am Abend, zwischen 10.00 und 12:00 Uhr. Um 10: 00 Uhr. LA. Wieso wissen Sie das so genau? Das Sie in der Nacht in die Stadt gegangen sind? VP: Nein, es war doch in der Früh, es war in der Früh. (AW wiederholt es öfters). LA: Wieso nun in der Früh? VP. Ich habe das verwechselt. LA: War Ihr Geschäft an diesem Tag geöffnet? (Frage wird wiederholt gestellt). VP: Nein. Befragt, es waren an diesem Tag keine Geschäftsleute da. AW erklärt nochmals, dass er nur Waren kauft und lagert. Es kämen nicht jeden Tag Geschäftsleute zu ihm. LA. Und nach diesen Anschlägen ist dann niemand mehr zu Ihnen gekommen? VP: Ca. für drei Wochen ging das Geschäft weiter, dann hatte ich keinen Geschäftskontakt mehr. Dann habe ich alles was ich hatte, verkauft, nicht für Profit. LA Haben Sie dann erfahren, was konkret passiert ist? VP: Ja, Freunde haben nach 15 Minuten angerufen und haben mir das gesagt. LA: Und was konkret wurde Ihnen gesagt. VP: Ich war drei bis vier Stunden mit meinen Freunden unterwegs. LA: Und WAS haben Sie dann erfahren? VP: Ich habe am nächsten Tag erfahren, dass Moslems verdächtigt sind, den Bombenanschlag durchgeführt zu haben. LA: Was war für Sie der Grund, aus dem Sie sich ursprünglich, also bevor dem Problem mit dem Schlepper dazu entschlossen haben, das Land zu verlassen? VP: Das Geschäft ist schlecht gelaufen, und der XXXX … LA. Vor dem XXXX ? VP: Nach dem Bombenanschlag hat sich meine Wirtschaftslage geändert. Ich konnte mein Geschäft nicht weiterführen. LA: Aber Sie haben ja ein Jahr vorher auch noch kein Geschäft gehabt? VP: Es gab keine Chancen für eine andere Arbeit. Jeder hat muslimische Leute beobachtet und sogar sind sie zu Moslems nach Hause gekommen und haben diese geschlagen. Da gibt es Videos, die wurden aufgenommen, aber es ist schon alles gelöscht. Die hat mir mein Bruder geschickt. LA: Was sind das für Videos? VP: Sie wurden privat aufgenommen. - 7 -

LA: Und was ist bei Ihnen konkret vorgefallen? Wie sind Leute die Sie gekannt haben, zu Ihnen gewesen? VP: Es wurden alle beobachtet. Die Frage wird wiederholt. VP: Es kamen 400-500 Leute zu den Moslems…. LA. Wie waren Ihre Bekannten, Geschäftspartner zu IHNEN? Nicht zu anderen, zu Ihnen? VP: Ich ging nicht mehr aus dem Haus. LA: Was sieht man auf den Videos? VP: Man sieht die Nachbarhäuser, dass man Leute geschlagen hat. LA: und wer hat die Videos aufgenommen? VP: Ein Freund von meinem Bruder. Befragt, worauf hat er das aufgenommen? LA: Vom Handy aus. LA: Wo war der Freund des Bruders, während er das aufgenommen hat? VP: Er hat das von meinem Nachbargebäude aufgenommen. LA. Wann haben Sie den Entschluss gefasst, auszureisen? VP: Sechs bis sieben Monate vor der Ausreise. LA: Und wann haben Sie entdeckt, dass der XXXX Ihnen keine Unterlagen besorgen wird? VP: Ca. drei Monate nachdem ich das Geld übergeben habe. LA: Wann war das? VP: Letztes Jahr 2019, den ersten Teil im August oder September. Den zweiten Teil am 28.11. und den dritten Teil am 03.Dezember. LA: Warum haben Sie, nach August oder September und es ist nichts passiert, noch den zweiten und dritten Teil bezahlt? VP: Ich habe nachgefragt und er sagte, er werde innerhalb von 10 Tagen alles erledigen und deshalb habe ich bezahlt. LA. Und was haben Sie sich vorgestellt, was er machen sollte, wie er Ihnen das Arbeitsvisum besorgen sollte? VP: Ich habe ihm sogar meinen Pass ausgefolgt, und er sollte sich um das Arbeitsvisum kümmern. LA. Und warum haben Sie sich nicht selbst darum gekümmert? VP. Das ist nicht möglich, er hat sich um alles gekümmert. Ich kann nicht viel lesen und schreiben. LA. Und Ihre Frau, die Schwägerin, die Lehrerin ist, könne auch nicht lesen und schreiben? VP: Die Schwägerin schon. LA: Und Sie glaubten, dass der XXXX das legal bewerkstelligen kann? VP. Der XXXX ist ein Agent (= Schlepper) mit politischen Involvierung. LA: Was soll ich mir darunter vorstellen? VP: Er ist Mitglied der Moslem Congresspartei. LA. Und wieso fürchten Sie sich vor denen? VP: Ich habe sogar den Beweis, dass ich das Geld auf sein Konto überwiesen habe. LA. Das ist völlig unglaubwürdig! Der Schlepper hat Ihnen seine Kontonummer gegeben? VP: Er hat auch ein Geschäft und ich habe es so überwiesen. Er hat ein ganz großes Geschäft. Befragt was für ein Geschäft, ein Textilgeschäft. LA. Und Sie haben das Geld auf sein Geschäftskonto überwiesen. AW zeigt auf seinem Handy die Überweisung über 10 Lakh, als Verwendungszweck ist ein Kredit eingetragen. Datum: 28.11.2020. - 8 -

LA: Wann haben Sie dann nachgefragt, als noch immer nichts geschah? VP: Ca. am 18. oder 19. Dezember sollte ich nach Europa fliegen. Ich habe gewartet bis 28.12. und fragte, wo mein Visum ist und wieso ich noch da bin. Er sagte, wenn ich wieder frage, wird er mich umbringen. LA: Schon bei diesem Telefonat? VP: Ich habe am nächsten Tag wieder angerufen und er mich an diesem Tag bedroht. Er sagte, wenn er mich erledigte, dann würde ich nicht mehr fragen. Nach zwei Tagen rief er mich an, und sagte, wenn ich mich beschweren sollte, würde er auch die Eltern bedrohen. Befragt ich habe dann mich versteckt. Ich habe auch die SIM-Karte weggeworfen. Befragt ob ich nochmals angerufen habe, sage ich, am 28. habe ich das letzte Mal angerufen. LA. Am 29.? Oder nicht? VP: Am 29. hat der XXXX mich angerufen. La. Also haben Sie ihn nur einmal angerufen? Oder wie soll ich das verstehen? VP: Ich habe ihn am 28. dreimal angerufen. Pause von 12:30 bis 13:00 Uhr Um 13:00 Uhr kommt Herr GI Griemann und teilt mit, dass sich der AW selbst verletzt (sich oberflächlich mit einem Messer in den Arm geschnitten habe), der Arzt sei bereits vor Ort und der AW versorgt. Nach Tel. mit CI Knotzer werden Beamte angefordert und die Einvernahme in Beisein von Beamten fortzusetzen, da das weitere Verhalten in der EV nicht abzuschätzen ist. Ab 13:15 Uhr nehmen GI Georg Beck sowie Insp Nicole Mönzer an der EV teil. LA: Also Sie haben den XXXX dreimal angerufen und er hat Sie am nächsten Tag angerufen und Sie bedroht, woraufhin Sie sich versteckt hätten. Ist das richtig? VP: Ja. LA: Und wo haben Sie sich versteckt? VP: Das war bei der Cousine meiner Frau, wo sie jetzt auch ist. Das ist ca. 30 km von XXXX . LA: Wo leben Ihr Vater, Bruder und Cousins? VP: Sie wohnen in einem anderen Haus in XXXX . Das gehört meinem Vater. LA: Haben diese kein Problem? VP: Deshalb haben sie das Haus gewechselt. Das andere Haus gehört auch meinem Vater. VP: Haben Sie sich nach der Bedrohung an die Polizei gewandt oder wegen dem Geld an ein Gericht? VP: Nein, ich habe niemandem das bekannt gemacht. Und zwar deshalb, weil der XXXX hat mich bedroht. LA: Ja, was will der XXXX denn nun von Ihnen? Was soll werden wollen? Sie haben nichts unternommen und außerdem gibt es keinen Beweis dafür, dass Sie ihm kein Darlehen zurückgezahlt haben. Was würden Sie einem Gericht sagen, wenn Sie das Geld zurückfordern würden? Er ist in der besseren Position, das wäre er auch in jedem Rechtsstaat. VP: Ich habe sonst keinen Beweis, außer dass meine Frau dabei war. Befragt was der XXXX von mir will, sage ich, solange ich lebe, würde ich von ihm etwas fordern können. LA: Der angebliche politische Einfluss ist lediglich eine Floskel von Ihnen. Was sollte das sein? Dass er Parteimitglied ist. Was soll das für ein politischer Einfluss sein. Zudem von einer Moslempartei. VP: Er ist ein mächtiger Mensch von der Congresspartei, er ist „ XXXX “. Konkret befragt er hat einen Platz in der Politik. - 9 -

Nochmals befragt, ob er gewählt ist, sage ich, er hat eine höhere Position. Er hat einen Freund namens XXXX . Befragt, ich habe den XXXX ihn ca. vor 7-8 Monaten kennen gelernt. LA: Und seit wann wissen Sie von seiner Existenz? VP. Seit ca. 8 Monaten. LA: und wie hat er sich Ihnen vorgestellt? Dass er einflussreich ist und eine hohe Stellung in der Partei hat? VP: Ich habe durch eine Angehörige meiner Frau von ihm erfahren. LA: Haben Sie nach dem letzten Telefonat noch etwas von XXXX gehört? VP: Ich habe keinen direkten Kontakt gehabt. Ich bin dann versteckt geblieben. Nochmals befragt, es sind andere Leute zu meinem Haus gekommen. LA: Hat Ihnen wer gesagt? VP: Meine Eltern haben das gesagt? Befragt, sie wussten nicht, wer das war. LA: Woher wussten die Eltern das? VP: Sie waren noch dort, als das war. Sie sind dann umgesiedelt. LA: Wurden Sie sonst jemals persönlich belangt, bedroht oder verfolgt? VP: Nein. LA: Haben Sie zu dem Themenbereich XXXX noch etwas zu sagen oder ins Treffen zu führen? VP: Jemand ist gestern zu meiner Frau nach Hause gekommen, ich habe hier ein Video. Von einer Überwachungskamera. Es ist darauf zu sehen, dass ein Motorrad vorbeifährt und eine Frau mit einem Kind auf der Straße geht. Weiters einige Pflanzen. Befragt was ich damit sagen möchte, ist, dass meine Frau mich angerufen hat. Und gesagt hat LA: Welche Rückkehrbefürchtungen haben Sie jetzt? Nur was den XXXX betrifft. VP: Er wird mich umbringen. Sie haben sogar meine Frau gefunden. LA: Das wissen Sie nicht, da niemand da war. Es fuhr jemand am Haus vorbei. Ob das das Haus war in dem Ihre Frau ist, wissen wir nicht einmal. LA: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alle Ihre Gründe für die Antragstellung vorzubringen oder wollen Sie noch etwas hinzufügen? VP: Bitte schicken Sie mich nicht zurück. Ich werde getötet werden. Sie wissen, wie sie mich finden werden. A: Haben Sie soweit den Inhalt der Einvernahme verstanden, oder haben Sie dazu noch irgendwelche Fragen? VP: Ich habe alles verstanden und keine Fragen mehr. Belehrung: Laut den Länderfeststellungen, die sich mit dem von Ihnen genannten Anschlag auseinandersetzen, gab es diese Unruhen, bei denen ein Moslem ums Leben kam. Der Vorsitzende der größten islamischen Partei Sri Lankas (SLMC) und Minister für Stadtplanung, gab zur Diskriminierung von Muslimen an, dass es Verhaftungen von 2000 Personen gegeben habe, dass die islamische Gemeinde diese hingenommen habe und auch mit der Regierung zusammenarbeiten. Dass es zu Diskriminierungen gegen Muslimen kommen kann, ist nachvollziehbar, auch Sie persönlich waren betroffen, durch Ihre Geschäftspartner, jedoch kann keiner Meldung entnommen werden, dass es Muslimen, die 10% der Bevölkerung Sri Lankas darstellen, nicht mehr möglich wäre, im Land zu bleiben. Es gibt keine Gruppenverfolgung und ist Ihnen und Ihrer Familie auch nichts passiert. - 10 -

Sie haben bereits vor den Vorfällen im Ausland gearbeitet und geht aus Ihrer Darstellung hervor, das Sie nicht mehr in arabischen Ländern arbeiten wollen, und daher haben Sie versucht nach Europa zu gelangen. Was die angebliche Bedrohung durch den Schlepper betrifft, so kann die Behörde keine Bedrohung erkennen. Sie haben nicht versucht, an Ihr Geld zu kommen und zudem hätten Sie aller Wahrscheinlichkeit keine Chance, und zwar in keinem Land, so wie Sie die Beweislage schildern. Zudem leben Ihre Verwandten weiterhin am Wohnort. Es wird die Lage in Sri Lanka anhand der Länderfeststellungen erörtert: Die Menschenrechte sind in der sri-lankischen Verfassung geschützt. Sri Lanka hat zudem zahlreiche internationale Menschenrechtsabkommen ratifiziert, darunter den Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte, den Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die Anti-Folter-Konvention (jedoch nicht das Zusatzprotokoll CAT-OP) und die Kinderrechtskonvention (AA 16.12.2017). Es gibt eine Reihe von Ministerien und präsidentiell ernannte Gremien, die sich mit den sozialen und entwicklungspolitischen Bedürfnissen der tamilischen Minderheit befassen sollen. Die Regierung hat eine Reihe von vertrauensbildenden Maßnahmen ergriffen, um Beschwerden der tamilischen Gemeinschaft zu begegnen. Sie ersetzte auch die Militärgouverneure der nördlichen und östlichen Provinzen durch Zivilisten (USDOS 20.4.2018). Das vom Präsidenten im Jahr 2016 eingerichtete Büro für nationale Einheit und Versöhnung koordinierte weiterhin die Versöhnungsbemühungen der Regierung. Das Büro konzentriert sich auf die Förderung der sozialen Integration zum Aufbau einer integrativen Gesellschaft, die Sicherung der Sprachrechte für alle Bürger, die Unterstützung eines Heilungsprozesses innerhalb der vom Krieg betroffenen Gemeinden durch die von der Regierung vorgeschlagene Kommission für Wahrheit, Gerechtigkeit, Versöhnung und Nichtwiederholung der Gewalt (USDOS 20.4.2018). LA: Was sagen Sie dazu? Haben Sie wegen Ihrer Volksgruppe Probleme? VP: Ja. Befragt, warum dann meine Angehörigen in Sri Lanka leben können, nur ich hatte die Chance, ins Ausland zu gehen. Niemand weiß über die richtigen Probleme. Wir bekommen nicht einmal ein Haus zum Mieten, weil Moslems diesen Anschlag gemacht haben. LA: Sie haben laut Ihrem Pass das Land verlassen, von 23.04. bis 25.04.2019 nach Thailand. Befragt, ich wollte ein Visum holen, diese Reise war schon lange gebucht. Nochmals befragt, was ich in Thailand gemacht habe, sage ich, ich war dort für Transit da ich nicht direkt nach Österreich fahren konnte. LA: Das war vor einem Jahr? Ich verstehe den Zusammenhang nicht. VP: Ich war in Thailand um Sachen für jemanden zu holen, ich war mit meinem Bruder dort. Befragt es gab keine Probleme bei der Ein-oder Ausreise. AW schaut ständig in seinem Handy auf den Kalender und gibt an, dass es nach seiner Rückreise war, als der Anschlag war. Nochmals befragt, es war nachher. Am 28.04. LA: Nachher erst? VP: Nein, ich denke, es war vorher. Befragt, ich war das letzte Mal 2018. Ich war in China, im Oktober 2019. Um Dinge zu bringen. Für meinen Bruder. Das habe ich gratis gemacht. LA: Sie waren im Heimatland – wenn auch unter schwierigen Verhältnissen - berufstätig. Es ist nicht davon ausgehen, dass Sie dies in Zukunft nicht könnten. Wollen Sie hierzu eine Stellungnahme angeben? - 11 -

VP: Man wird mich töten, man hat auch schon meine Frau gefunden. LA: Ihre wirtschaftlichen Interessen betreffend Ihrer Ausreise sind zwar glaubhaft, können aber hinsichtlich des Asylstatus nicht berücksichtig werden. Als Ergebnis der heutigen Einvernahme wird Ihnen mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, gem. § 33. Abs.1 Z. 3. AsylG, Ihren Antrag auf internationalen Schutz hier in der EAST Flughafen abzuweisen. Eine individuelle Verfolgung vermochten Sie offensichtlich nicht glaubhaft ins Treffen zu führen bzw. haben Sie keine asylrelevante Verfolgung iVm der GFK geltend gemacht. Aus Sicht des Bundesamtes ist nicht davon auszugehen, dass Ihnen bei einer Rückkehr nach Sri Lanka dort mit einer hohen Wahrscheinlichkeit unmenschliche Behandlung, Strafe oder der Todesstrafe drohen könnte. Möchten Sie dazu etwas sagen? VP: Ich würde getötet von XXXX . Anmerkung: In einem allgemeinen Rechtsgespräch wird für die VP der weitere mögliche Ablauf eines Flughafenverfahrens erörtert, d.h. Einbindung von UNHCR – Zustimmung von UNHCR - Abweisung des Antrages mit Bescheid des BFA im Flughafenverfahren – Beschwerdemöglichkeit an Bundesverwaltungsgericht – abweisendes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes – Zurückweisung der VP durch LPD - eventuell Verhängung der Schubhaft usw. - aber auch die jeweiligen Chancen für die VP im Flughafenverfahren - keine Zustimmung von UNHCR – Einreisegestattung – Weiterführung des Verfahrens im Inland – oder Stattgebung der Beschwerde durch Bundesverwaltungsgericht - Einreisegestattung - Weiterführung des Verfahrens im Inland. VP wird in allgemeinem Rechtsgespräch auch über die Dauer der einzelnen Verfahrensschritte, die Umstände der Konfinierung, Möglichkeit der Unterstützung durch ORS, SWB des Wachzimmers, ärztliche Betreuungsmöglichkeiten, Telefonkontakte usw. – abermals in Kenntnis gesetzt. LA: Haben Sie diese beabsichtigte Vorgehensweise verstanden? VP: Ja. LA: Möchten Sie nun am Ende der Befragung noch weitere Angaben machen oder irgendwelche Ergänzungen anbringen oder etwas korrigieren? VP: Nein. LA: Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen? VP: Ja. LA an Rechtsberater (RB): Gibt es von Ihrer Seite noch offene Fragen oder Anträge? RB: Danke nein. LA: Haben Sie die Dolmetscherin verstanden? VP: Ja. Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt. Um 14:48 verlassen die Beamten die Einvernahme. LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst oder die Art Ihrer Einvernahme, wurde alles richtig und vollständig protokolliert? VP: Ich habe keine Einwände, alles passt. LA. Ich habe noch Fragen zum Reisepass: Sie sagten, die italienischen Stempel darin seien gefälscht. Wer hat das gefälscht.? VP: XXXX . LA: Sie haben im Reisepass noch ein gültiges Visum für China? Was hat es damit auf sich? VP: Ja, ich habe ein Visum. Das habe ich von der Botschaft geholt. LA: Wünschen Sie die Ausfolgung einer schriftlichen Ausfertigung? VP: Ja, bitte. - 12 -

Anmerkung: VP erhält eine Ausfertigung der Niederschrift. LA: Bestätigen Sie nunmehr durch Ihre Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift und die erfolgte Rückübersetzung! […]

Nachdem das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR am 05.03.2020 die Zustimmung gem. § 33 Abs. 2 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) erteilt hatte, wurde mit Bescheid des BFA der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 33 Abs. 1 Z 2 iVm § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Sri Lanka (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerde mit Erkenntnis vom 24.03.2020 statt und behob die Spruchpunkte ersatzlos, da dem Beschwerdeführer am 19.03.2020 die Einreise von Seiten des BFA bereits gestattet worden war, weil die zum Rücktransport nach Taipeh verpflichtete Airline ihren Flugbetrieb eingestellt habe. Daher seien die Voraussetzungen für die Anwendungen der Sonderbestimmungen für das Flughafenverfahren nicht mehr vorgelegen.

Das BFA erließ am 06.04.2020 den gegenständlichen Bescheid, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Sri Lanka (Spruchpunkt II.) erneut abgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Sri Lanka zulässig sei (Spruchpunkt IV. und V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage gem. § 55 FPG zwei Wochen.

Begründend führte das BFA hinsichtlich der konkreten Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes unter anderem aus: „Sie haben aus wirtschaftlichen Gründen Ihren Herkunftsstaat verlassen. Es konnte nicht festgestellt werden, dass Sie jemals belangt, bedroht oder verfolgt wurden. […] Nachvollziehbar an der Geschichte ist jedenfalls, dass Sie als Moslem - 13 - von Ihren nichtmuslimischen Geschäftspartnern nach einiger Zeit nicht mehr beliefert worden seien, und dies stellt den Kern Ihres ursprünglichen Ausreisewunsches dar. Ihre Ausführungen der nach dem Bombenanschlag folgenden Übergriffe aus Muslime, die ein Freund Ihres Bruders aus einem Nachbarhaus gefilmt hätte- wobei die Aufnahmen jedoch wieder gelöscht wurden – sind ebenfalls nachvollziehbar, jedoch gaben Sie mehrfach explizit auf Nachfragen an, dass weder Sie selbst noch irgendein Mitglied Ihrer Familie angegriffen, bedroht oder eingeschüchtert worden sei, dass im Übrigen alle Familienmitglieder nach wie vor in XXXX lebten und dass Ihr Vater, Ihre Schwägerin und Ihr Schwager auch dort arbeiten würden. Diversen Interneteinträgen ist zu entnehmen, dass es nachfolgend in Sri Lanka zwar Verhaftungen Tausender Moslems gab, auch Drohungen bzw. Diskriminierungen von Privaten gegen Muslime - so etwa wurden muslimische Geschäfte zerstört, Asylwerber aus muslimischen Ländern von Vermietern hinausgeworfen, eine Person sogar vom Mob getötet, die schon vorher bestehenden Spannungen verschärften sich, jedoch ist keiner Quelle zufolge von einer systematischen Verfolgung aller Moslems oder staatlich geduldeter Übergriffe zu lesen. […] Zieht man in Betracht, dass Sie Ihr Heimatland schon in der Vergangenheit wiederholt zu Erwerbszwecken verlassen haben, nämlich nach Katar, wo Ihre Aussage nach die Lebens- und Arbeitsbedingungen schlecht seien, so wundert es nicht, dass Sie nun, da Ihnen das gut gehende Geschäft weggebrochen ist, erneut ausreisen wollten. Insgesamt kann man aus Ihrem Vorbringen entnehmen, dass Sie Sri Lanka ursprünglich lediglich aus wirtschaftlichen Zwecken verlassen wollten. Sie kamen immer wieder auf Herrn XXXX zu sprechen, der offenbar das Zentrum Ihrer Besorgnis darstellt. Die Probleme mit ihm stehen auch im Zentrum Ihres Vorbringens. Dieser Schlepper hätte von Ihnen 5 Millionen Sri Lanka Rupien erhalten, um Ihnen eine Arbeitserlaubnis für Europa zu besorgen. Nachdem Sie das Geld in drei Tranchen überwiesen hätten, sei jedoch immer noch nichts passiert. Dann hätten Sie am 28.12.2019 nachgefragt, was nun mit den Dokumenten sei, und er habe Sie bedroht. […] Insgesamt ist aufgrund Ihrer Angaben absolut nicht glaubhaft, dass der Schlepper Sie verfolgt hätte. Zum einen sind Ihre Aussagen zu dem gesamten Sachverhalt vage und widersprüchlich. Sie machten unterschiedliche Angaben, wie oft es eine telefonische Bedrohung gegeben hätte, wie oft insgesamt angerufen wurde und wer wen angerufen hätte. Auch machten Sie divergierende Angaben (einmal in der Beschuldigteneinvernahme) dazu, womit gedroht wurde, mit Misshandlung oder dem Umbringen. Es ist schließlich kein Grund ersichtlich, warum der Schlepper irgendwelche Aktionen setzen hätte sollen, da er von Ihnen eine Menge Geld bekommen, aber keine Gegenleistung erbracht hätte (wobei nochmals darauf hinzuweisen ist, dass Sie bei der Beschuldigtenbefragung angegeben hatten, dass er Ihnen den zweiten Schlepper vermittelt hätte und daher doch eine Leistung erbracht hat, indem er Ihnen den gefälschten Aufenthaltstitel besorgte). Ihre Behauptung wäre noch - 14 - nachvollziehbar, wenn Sie ihm noch Geld schulden würden, in dieser von Ihnen dargelegten Variante kann Ihrer Darstellung jedoch nicht gefolgt werden. Der Verweis auf eine politische Machtstellung des Schleppers ist als reine Floskel zu werten. Die Behauptung, der Gegner hätte eine meist nicht näher bezeichnete Machtposition inne bzw. sei einflussreich, wird standardmäßig von Asylwerbern behauptet. Diese Behauptung ist jedoch nur zu berücksichtigen, wenn gewisse Mindestinformationen darüber gegeben werden, woraus sich diese Annahme ergibt. Sie konnten hingegen mit keinem Wort erklären, welche Position der XXXX hätte, einmal sagten Sie, er sei Parteimitglied der Muslem Congress Party, später, er sei ein mächtiger Mensch (wörtlich: XXXX ) in der Partei, dann wieder, er habe einen Freund namens XXXX . Was genau er in der Partei sei oder mache, konnten Sie nicht sagen. Insgesamt machten Sie bei diesem an sich kurzen und überschaubaren Sachverhalt verschiedene Angaben, sowohl über die Anzahl der Bedrohungen als auch über deren Inhalt, und ist zum anderen der Grund für die Bedrohung völlig unverständlich. Auch ist nicht glaubhaft, dass der Schlepper, der keinen weiteren Kontrakt zu Ihnen wollte, Sie zweimal angerufen hätte, um Ihnen zu sagen, dass Sie nicht mehr anrufen sollten, andernfalls er Sie umbringen würde. Ihre Ausführungen erreichten ein derartiges Ausmaß an Unglaubwürdigkeit, welches geeignet war, die Schwelle zur offensichtlichen Tatsachenwidrigkeit zu überschreiten, und war daher beabsichtigt, Ihren Asylantrag gem. § 33 AsylG am Flughafen abzuweisen. UNHCR erteilte hiezu auch seine Zustimmung und wurde Ihnen ein entsprechender Bescheid zugestellt. In der Folge wurde Ihnen - während des laufenden Beschwerdeverfahrens - die Einreise gestattet, da die zu Ihrem Rücktransport verpflichtete Airline wegen der Corona- Krise ihren Flugbetrieb eingestellt hatte. Es war nicht davon auszugehen, dass in absehbarer Zeit eine Änderung der Lage eintreten, bzw. – für den Fall eines gänzlich negativen Ausgangs Ihres Verfahrens – die Möglichkeit einer Zurückweisung auf dem Luftweg vom Flughafen Wien-Schwechat bestehen würde. Das BVwG gab Ihrer Beschwerde in der Folge statt, da aufgrund Ihrer Einreise kein Flughafenverfahren mehr durchführbar und Ihr Verfahren daher im Inland weiterzuführen war. An der Unglaubwürdigkeit Ihres Vorbringens ändert dies jedoch nichts.“

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 10.04.2020 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde wegen „Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, in Folge einer mangelhaften Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung“. Demnach habe es die belangte Behörde unterlassen, sich mit dem gesamten individuellen Vorbringen sachgerecht auseinanderzusetzen und ein adäquates Ermittlungsverfahren durchzuführen. Der Beschwerdeführer habe sich in keinerlei Widersprüche verstrickt. - 15 -

Am 28.05.2020 reichte das BFA die Verständigung von der Anklageerhebung gegen den Beschwerdeführer wegen §§ 223 Abs. 2, 224 StGB nach.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Sri Lankas und wurde in XXXX , Sri Lanka geboren. Am 23.02.2020 hat der Beschwerdeführer im Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er gehört der Volksgruppen der Tamilen und der muslimischen Religionsgemeinschaft an, ist verheiratet und hat eine Tochter. Er verfügt über eine neunjährige Schulbildung, arbeitete zeitweise im Ausland und hat zuletzt ein Gebrauchtwarengeschäft in Sri Lanka betrieben. Der Beschwerdeführer spricht neben Tamil auch etwas Englisch und wenig Hindi. In Sri Lanka leben nach wie vor die Eltern und Geschwister sowie die Ehefrau und seine Tochter. Sein Bruder arbeitet ebenso wie sein Cousin als Verkäufer, sein Vater arbeitet als Contractor für Bauwerke. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Im Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über keinerlei Familienangehörige, er lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer die deutsche Sprache beherrscht, einer regelmäßigen Beschäftigung nachgeht, sich sozial engagiert oder hier Freunde gefunden hat.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Das Vorliegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen ist nicht bekannt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat. Es konnte vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft vermittelt werden, dass er im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre oder ihm ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) oder eine dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitende Behandlung droht, und ist dies auch nicht von Amts wegen hervorgekommen.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Sri Lanka wird Folgendes festgestellt:

1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen KI vom 15.5.2019: Muslim bei Anschlag getötet (Betrifft: Abschnitte 3./Sicherheitslage und 14./Religionsfreiheit) - 16 -

Gut drei Wochen nach den mutmaßlich islamistischen Anschlägen auf katholische Kirchen und Luxushotels in Sri Lanka gibt es neue Spannungen zwischen Christen und Muslimen (TB 13.5.2019). Ein Muslim ist am 13.5.2019 bei gewaltsamen Unruhen von einem Mob getötet worden (DS 14.5.2019). Im Nordwesten des Inselstaates wurden am 13.5.2019 Steine auf mehrere von Muslimen geführte Geschäfte geworfen, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Die Polizei ging daraufhin gegen hunderte christliche Randalierer in mindestens sechs Städten im Westen des Landes vor (DS 13.5.2019). Die Übergriffe wurden durch Posts eines 38-jährigen muslimischen Geschäftsmanns auf Social-Media-Foren ausgelöst. Der Mann wurde verhaftet (BBC 13.5.2019). Die Regierung hat erneut Soziale Medien wie WhatsApp und Facebook blockiert (RP 13.5.2019). Der Premierminister appelliere auf Twitter, das nicht blockiert wurde, an alle Bürger, ruhig zu bleiben und sich nicht von falschen Informationen beeinflussen zu lassen (BBC 13.5.2019). Am frühen Morgen des 13.5.2019 wurden sechs Moscheen im Distrikt Kurunegala geplündert. Als sich die Ausschreitungen auf mehrere Bezirke nördlich der Hauptstadt Colombo ausweiteten, wurde erneut Ausgangssperre für das ganze Land verhängt (RP 13.5.2019).

Die Zahl der Todesopfer der Anschläge vom Ostersonntag wurde mittlerweile von den Behörden von 359 auf 257 Menschen herabgesetzt. 496 Verletzte wurden in die Krankenhäuser eingeliefert, davon waren am 2.5.2019 insgesamt noch 47 Verletzte in Behandlung und zwölf Opfer wurden auf Intensivstationen versorgt (AJ 2.5.2019). Nach Angaben der Behörden befinden sich alle Täter in Haft oder wurden getötet. Zwei „Bombenexperten“ der Gruppe sind darüber hinaus ebenso getötet worden. Zur genauen Anzahl der in Gewahrsam sitzenden Personen, geben die Behörden keine Angaben, sagte Polizeichef Wickramaratne in einer Audiobotschaft. Ein Polizeisprecher hat von 73 Verdächtigen, darunter neun Frauen, gesprochen (DS 7.5.2019). Sri Lankas Regierung macht die Islamistengruppe National Thowheeth Jama'ath (NTJ) für die Anschläge verantwortlich (SO 7.5.2019), deren Anführer Zahran Hashim, bei den Oster-Anschlägen ebenfalls als Selbstmordattentäter starb (DW 5.5.2019). Zwar reklamierte die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) die Anschläge für sich (SO 7.5.2019), belegt ist deren Urheberschaft jedoch nicht (DW 5.5.2019). Doch nimmt die Regierung an, dass die NTJ Unterstützung aus dem Ausland hatte (SO 7.5.2019). Aus Furcht vor weiteren Anschlägen haben die katholischen Kirchen in Sri Lanka ihre Sonntagsgottesdienste auch am ersten Sonntag im Mai wieder abgesagt, da sich die Sicherheitslage gemäß eines Sprechers der Erzdiözese Colombo noch nicht verbessert hat. Hintergrund sind demnach Geheimdienstwarnungen aus dem Ausland, wonach Extremisten vor Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan am Montag, erneut Attentate verüben könnten. So hat eine „sehr zuverlässige ausländische Quelle“ vor einem Angriff auf eine bedeutende Kirche gewarnt (DW 5.5.2019). Präsident unterrichtete am 6.5.2019 die diplomatische Gemeinschaft über den Fortschritt der Operationen der Sicherheitskräfte zur Eindämmung muslimischer terroristischer Aktivitäten und die Maßnahmen der Regierung zur raschen Wiederherstellung der Normalität im Land (CP 8.5.2019). Als Konsequenz aus der Anschlagsserie an Ostern müssen mehr als 600 Ausländer Sri Lanka verlassen. Besonders betroffen von dieser Maßnahme sind islamische Geistliche, da befürchtet werde, dass ausländische Geistliche Einheimische radikalisieren könnten (DW 5.5.2019).

Laut Information des österreichischen Außenministeriums hieß es am 15.5.2019, dass nach mehreren Explosionen am 21.4.2019 in Kirchen und Hotels an verschiedenen Orten, bei denen es zu Hunderten Todesopfern und Verletzten gekommen ist, ein hohes Sicherheitsrisiko von weiteren Anschlägen besteht (BMEIA 15.5.2019). Kommentar: Die Lage vor Ort wird weiterhin beobachtet und gegebenenfalls wird mit weiteren Kurzinformationen reagiert. - 17 -

KI vom 23.4.2019: Anschläge gegen Kirchen und Hotels am 21.4.2019 (Betrifft: Abschnitte 3./Sicherheitslage und 14./Religionsfreiheit)

Eine offenbar sorgfältig geplante Attentatsserie (CT 22.4.2019) hat in Sri Lanka mindestens 310 Tote und mehr als 500 Verletzte gefordert (ZO 23.4.2019). Unter den Toten sind auch rund 40 ausländische Staatsbürger (DS 23.4.2019).

Binnen kurzer Zeit wurden am Morgen des Ostersonntags [21.4.2019] von Selbstmordattentätern sechs Sprengstoffanschläge in drei Luxus-Hotels sowie drei christlichen Kirchen in Colombo, dem nahe gelegenen Küstenort Negombo und der Ostküstenstadt Batticaloa verübt (DS 22.4.2019). Stunden später erschütterten Explosionen in Vororten von Colombo zwei Gebäude, die von Polizisten gerade durchsucht wurden. Bei einer dieser Detonationen wurden drei Polizisten getötet. Am Abend des 21.4.2019 wurde in der Nähe des Flughafens eine Rohrbombe entdeckt und entschärft. In der Nähe eines der Anschlagsorte ist am 22.4.2019 ein Sprengsatz in einem geparkten Auto in der Nähe der St.-Antonius-Kirche in der Hauptstadt Colombo gefunden worden. Bombenentschärfer haben, wie die Polizei berichtete, das Fahrzeug kontrolliert gesprengt.An einem anderen Ort der Stadt seien an einer Bushaltestelle 87 Zünder sichergestellt worden (DS 22.4.2019).

Noch hat sich niemand zu den Anschlägen bekannt (SZ 22.4.2019).Die Regierung bestätigt allerdings die Festnahme von 40 Verdächtigen (ZO 23.4.2019). Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene erklärte, dass die Täter zu einer Gruppe „religiöser Extremisten“ gehören (AFP 22.4.2019), am 22.4.2019 äußerte sich ein Regierungssprecher darüber, dass hinter den Anschlägen die Gruppe National Thowheeth Jama'ath (NTJ) stehe (BBC 22.4.2019). Bislang ist über die Gruppierung nur wenig bekannt. Im vergangenen Jahr wurde diese Organisation muslimischer Tamilen (DP 21.4.2019) beschuldigt, buddhistische Statuen geschändet zu haben (AFP 22.4.2019). Doch nehmen die Behörden nicht an, dass eine kleine Organisation wie die NTJ allein derartig verheerende, koordinierte Angriffe verüben kann. Deshalb werde geprüft, ob die Gruppe „internationale Unterstützung“ hatte, über welche anderen Verbindungen sie verfügt und wie sie zu den Sprengsätzen für die Selbstmordattentate kam (BBC 22.4.2019).

Ein Regierungssprecher informierte am 22.4.2019 darüber, dass „mehrere Warnungen ausländischer Geheimdienste vor den bevorstehenden Angriffen“ vorgelegen seien (BBC 22.4.2019). Die Sicherheitskräfte wurden mindestens zehn Tage vor der Anschlagsserie gewarnt, dass durch militante Gruppen Angriffe auf Kirchen geplant sind, jedoch wurde gemäß den Aussagen des Premierministers Ranil Wickremesinghes weder er noch sein Kabinett über die Warnung informiert (NYT 22.4.2019). Dass seine Regierung trotz der Warnungen aus Indien keine ausreichenden Schutzmaßnahmen vor einem Terroranschlag ergriff, wird auch mit dem Streit zwischen ihm und dem Präsidenten in Verbindung gebracht (ZO 22.4.2019).

Mögliche Hintergründe der Anschläge werden auch als eine Strategie internationaler Kräfte zur Spaltung der Gesellschaft und der Destabilisierung dieser im „Fadenkreuz der Großmächte und ihrer zunehmenden Konkurrenz im Indischen Ozean gesehen“ (CT 21.4.2019). Bislang allerdings gibt es keine Belege dafür, dass die National Thowheeth Jama'ath tatsächlich von globalen Dschihadisten unterstützt wird (ZO 22.4.2019).

Sri Lankas Regierung rief am Montag den Ausnahmezustand aus. Das Büro von Präsident Maithripala Sirisena teilte mit, der Ausnahmezustand mit zusätzlichen Befugnissen für die Sicherheitskräfte gelte, um der Polizei und dem Militär zu ermöglichen, „die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten“ (AFP 22.4.2019). Mit den verhängten - 18 -

Notstandsbestimmungen erhalten Sicherheitsbehörden auch erweiterte Befugnisse, etwa für Durchsuchungen und zur Festnahme von Personen (ZO 23.4.2019).

Laut Information des österreichischen Außenministeriums hieß es am Ostermontag, es bestehe „ein hohes Sicherheitsrisiko von weiteren Anschlägen“ (BMEIA 22.4.2019). Kommentar: Die Lage vor Ort wird weiterhin beobachtet und gegebenenfalls wird mit weiteren Kurzinformationen reagiert.

KI vom 15.2.2019: Todesstrafe (betrifft: Abschnitt 13/Todesstrafe)

Sri Lanka will im Kampf gegen die Drogenkriminalität die seit Jahrzehnten ausgesetzte Todesstrafe wieder vollstrecken (FAZ 6.2.2019; vgl. AI 11.7.2018). Der Präsident Maithripala Sirisena erklärte gegenüber dem Parlament, es sei sein Ziel, die Todesstrafe bei Drogendelikten zu vollstrecken (AFP 7.2.2019; vgl. Himal 28.9.2018). Die ersten Exekutionen sollen in zwei Monaten durch Hängen durchgeführt werden (News.com.au 15.2.2019; vgl. FAZ 6.2.2019, AFP 7.2.2019). Die Todesstrafe ist in Sri Lanka für zahlreiche Verbrechen im Strafgesetzbuch definiert (Himal 28.9.2018) und wird für Mord, Vergewaltigung und Drogendelikte häufig verhängt (AFP 7.2.2019). Seit dem Jahr 1976 werden Todesurteile nicht mehr vollstreckt, sondern in lebenslange Haftstrafen umgewandelt (FAZ 6.2.2019; vgl. AFP 7.2.2019, Himal 28.9.2018), wobei es kein offizielles Moratorium gab (Himal 28.9.2018).

Mitte Juli 2018 sprach sich der Präsident angesichts der Häufung von schweren Drogendelikten dafür aus, die Todesstrafe in besonders schweren Fällen wieder zu vollstrecken (AA 26.10.2018; vgl. Guardian 7.2.2019). Eine Liste mit den Namen von 18 wegen Drogendelikten zum Tode verurteilten Personen wurde am 13.7.2018 an das Justizministerium übermittelt (Daily Mirror 15.7.2018). Nach einem Besuch der Philippinen im Jänner 2019 bezeichnete der Staatschef den harten Anti-Drogen-Kampf seines Präsidentenkollegen Rodrigo Duterte als beispielgebend. Seit dessen Amtsantritt im Jahr 2016 tötete die philippinische Polizei mehr als 4.200 mutmaßliche Drogenkriminelle (FAZ 6.2.2019).

Gemäß Angaben des Präsidenten wurde die Finalisierung der Todesstrafenfälle wegen der Bürokratie und durch Berufungsanträge der zum Tode Verurteilen monatelang verzögert (Guardian 7.2.2019). Am 23.1.2019 veröffentlichte das Justizministerium einen Zeitplan zur Vollstreckung der Todesstrafe gegen Personen, die wegen Drogendelikten bereits zum Tode verurteilt wurden (Daily Mirror 23.1.2019). Gemäß einer Aussage der Justizministerin Thalatha Athukorale vom 5.2.2019 sind die Unterlagen zur Hinrichtung von fünf Drogenkriminellen vorbereitet. Es fehle nur noch die Unterschrift des Staatschefs (FAZ 6.2.2019). Am 11.2. wurde eine Stellenausschreibung für zwei Henker in der staatlichen Tageszeitung Daily News veröffentlicht (Guardian 14.2.2019; vgl. Presse 14.2.2019).

Der Präsident appellierte an Menschenrechtsorganisationen, den Versuch zu unterlassen, wegen der Entscheidung Druck auf ihn auszuüben (FAZ 6.2.2019; vgl. Guardian 7.2.2019). Gemäß Aussagen des Präsidenten würden zahlreiche große Nationen Exekutionen durchführen, jedoch werden kleinere Staaten wie Sri Lanka durch Menschenrechtsorganisationen in ihren Bemühungen behindert, Kriminalität unter Kontrolle zu bringen (WP 6.2.2019). Sirisena ist als Präsident unpopulär und muss sich 2020 einer schwierigen Wiederwahl stellen (Guardian 7.2.2019). In Sri Lanka waren mit Stand Dezember 2018 1.299 zum Tode verurteilte Personen inhaftiert, darunter 84 Frauen (Guardian 7.2.2019) sowie 48 Personen, die wegen Drogenvergehen zum Tode verurteilt wurden (Guardian 14.2.2019). Es wird angenommen, dass vorerst ca. 20 aufgrund von Drogendelikten - 19 - verurteilte Personen zur Exekution vorgesehen sind, wobei die Berufungsverfahren in acht Fällen noch nicht abgeschlossen sind (Guardian 7.2.2019).

2. Politische Lage

Sri Lanka ist eine konstitutionelle Mehrparteienrepublik mit einer frei und direkt gewählten Regierung (USDOS 20.4.2018). Der direkt vom Volk gewählte Präsident hat eine große Machtfülle und ist gleichzeitig Staats- und Regierungschef. Der von ihm ernannte Ministerpräsident führt ein eigenes Ressort neben den zahlreichen Fachministerien. Das Einkammerparlament mit 225 Sitzen geht mittels eines modifizierten Verhältniswahlrechts aus allgemeinen, gleichen Wahlen hervor. Die unitarische Staatsverfassung weist seit Verabschiedung des 13. Verfassungszusatzes 1987 begrenzt dezentralisierende Elemente auf. Es wurden neun Provinzen geschaffen, die gewählte Provinzräte und -regierungen haben mit einem leitenden Minister (Chief Minister) an der Spitze, dem ein vom Präsidenten ernannter Gouverneur an die Seite gestellt ist. Unterhalb der Provinzebene existieren die Ebenen der Distrikte und der Kommunalverwaltung mit ebenfalls gewählten Stadt- und Gemeinderäten (AA 3.2018a).

In seiner zweiten Amtszeit ab 2009 besaß der damalige Präsident Rajapaksa eine umfassende Machtfülle und erhielt Zugriff auf die Besetzung von Positionen in eigentlich unabhängig angelegten Institutionen, im öffentlichen Dienst, bei Justiz und Polizei. Die demokratischen Strukturen des Landes waren zunehmend Belastungsproben ausgesetzt. Obwohl unter Präsident Rajapaksa die weitgehend zerstörte Infrastruktur im Norden und Osten wiederhergestellt wurde, bemühte er sich nicht, die Wiederversöhnung weiter voranzutreiben. Mit dem im April 2015 verabschiedeten 19. Verfassungszusatz wurden einzelne Vollmachten des Präsidenten gestrichen und im Gegenzug wurde die Rolle des Parlaments gestärkt. 2016 lief auch ein neuer Verfassungsreformprozess an, dessen Kernelemente eine Neuregelung des Verhältnisses zwischen Zentralregierung und Provinzen (Dezentralisierung), ein neues Wahlrecht und die Abschaffung der exekutiven Präsidentschaft sind. Ziel der Regierung ist es, die Reform 2018 abzuschließen. Präsident und Ministerpräsident haben im September 2017 angekündigt, dass künftig bei allen Wahlen ein System gelten soll, das eine Mischung von Mehrheits- und Verhältniswahl vorsieht (AA 3.2018a).

Wahlen werden regelmäßig auf der Grundlage des allgemeinen Wahlrechts und eines Mehrparteienwettbewerbs durchgeführt (BTI 2018). Am 8.1.2015 wählten die Wähler bei der vorgezogenen Präsidentschaftswahl den Oppositionskandidaten Maithripala Sirisena für fünf Jahre zum Präsidenten (AA 3.2018a; vgl. USDOS 20.4.2018). Er erhielt die Unterstützung von 51,28% der Wähler, während für den bisherigen Amtsinhaber 47,58% stimmten. Die Wahlbeteiligung war mit 81,5% sehr hoch. Sirisena wurde bereits am 9.1.2015 vereidigt (AA 3.2018a). Bei der Parlamentswahl am 17. August 2015 erzielte eine Allianz der liberalen United National Party (UNP) mit anderen Parteien im Rahmen der United National Front for Good Governance 45,66%. Die UPFA, ein Parteienbündnis, dessen Mehrheit eine Rückkehr Rajapaksas in die Politik als Premierminister angestrebt hatte, unterlag mit 42,38%. Die Wahlbeteiligung war mit rund 77% für eine Parlamentswahl sehr hoch. Die Sri Lanka Freedom Party (SLFP) des Präsidenten und die UNP des Premierministers unterzeichneten am 21. August 2016 eine Vereinbarung, mit der sie sich auf eine Zusammenarbeit zunächst für zwei Jahre verständigten. Im August 2016 wurde entschieden, die Zusammenarbeit auf die gesamte Legislaturperiode von fünf Jahren auszudehnen. Oppositionsführer ist mit R. Sampanthan von der Tamil National Alliance (Bündnis gemäßigter tamilischer Parteien) erstmals seit 1977 wieder ein Vertreter der Tamilen (AA 3.2018a). Die neue Regierung unter Premierminister Wickremeshinghe konnte - 20 - zahlreiche Versprechen des „100-Tage-Programmes“ umzusetzen. Unter anderem wurden mit dem 19. Verfassungszusatz Verfassungsänderungen von Präsident Rajapaksa rückgängig gemacht und die Machtfülle des Präsidenten beschnitten (AA 3.2018a).

Bei den Lokalwahlen am 10. Februar 2018 mussten die Regierungsparteien einen Rückschlag hinnehmen. Die neue Partei, Sri Lanka People's Front (Sri Lanka Podujana Peramuna, SLPP), die den Ex-Präsidenten Rajapaksa unterstützt, erzielte 44.65% der Stimmen, die UNP 32,63% und die SLFP (mit Verbündeten) 13,38%. Gründe dafür waren die Unzufriedenheit über steigende Preise für Grundnahrungsmittel sowie mangelnde Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung (AA 3.2018a). Am 1.10.2015 hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im Konsens mit Sri Lanka die Resolution „Promoting reconciliation, accountability and human rights in Sri Lanka“ (A/HRC/30/L.29) und im März 2017 eine Folgeresolution beschlossen. Sri Lanka hat sich damit bereit erklärt, die mutmaßlichen im Bürgerkrieg begangenen (Kriegs-)Verbrechen in einem glaubwürdigen Prozess aufzuarbeiten (AA 16.12.2017).

Die Regierung möchte die nationale Wiederversöhnung vorantreiben. Gegenüber dem Menschenrechtsrat erklärte sich die Regierung bereit, zahlreiche Maßnahmen umzusetzen. Im August 2016 wurde ein Gesetz zur Einrichtung eines Büros für Vermisste („Office of Missing Persons“) beschlossen, die des leitenden Beauftragten (Commissioners) jedoch erst im Februar 2018 ernannt. Auch eine Wahrheitskommission („Truth and Reconciliation Commission“) soll eingerichtet werden. Weitere wichtige Schritte hat die Regierung noch vor sich, darunter auch die Verfassungsreform, deren Prozess 2017 ins Stocken geraten ist (AA 3.2018a).

3. Sicherheitslage

Das staatliche Gewaltmonopol ist unangefochten. Allerdings gibt es in Teilen des Nordens und Ostens ein erhöhtes Sicherheitsrisiko mit einigen gewalttätigen Zwischenfällen. Im April 2014 erschoss das sri-lankische Militär drei mutmaßliche tamilische Nationalisten in Nedunkerni (Distrikt Vavuniya). Im Oktober 2016 wurden zwei tamilische Studenten von der Polizei an einem Kontrollpunkt in Kokuvil (Bezirk Jaffna) erschossen. Im Zusammenhang mit dem zweiten Vorfall wurden fünf Polizisten verhaftet (BTI 2018).

Seit Ende des Bürgerkriegs im Mai 2009 haben in Sri Lanka keine Terroranschläge mehr stattgefunden. Militär und Polizei sind weiterhin sichtbar präsent (AA 8.5.2018). Die Landrückgabe wird fortgesetzt – nach dem aktuellen Zeitplan der Regierung (Oktober 2017) soll Ende 2018 noch eine Fläche von etwa 145 km2 bei den Sicherheitskräften verbleiben, bei der es sich vor allem um staatliches Land handeln soll. Der umfassende Sicherheits- und Überwachungsapparat dürfte insbesondere im Norden und Osten noch intakt sein, tritt aber nach außen nicht mehr so häufig wie früher in Erscheinung (AA 16.12.2017).

Am 1.3.2018 ist Sri Lanka der Konvention über Streumunition von 2008 beigetreten, weniger als drei Monate nachdem das Land dem Minenverbotsvertrag von 1997 beigetreten ist (HRW 14.3.2018). Bis auf kleine noch nicht entminte Gebiete im Nordosten und einzelne „Hochsicherheitszonen“ um Militäreinrichtungen in der Nord- und der Ostprovinz können sich Sri Lanker im ganzen Land frei bewegen und niederlassen (AA 16.12.2017). Im Juni 2017 betrug die verbliebene verminte Gesamtfläche 25,5km2, die sich über zehn Distrikte verteilt, was eine deutliche Reduktion gegenüber 68km2 im Jahr 2014 darstellt. Bei der derzeitigen Rate könnte Sri Lanka bis Ende 2021 frei von Landminen sein (MAG 2.4.2018).

4. Rechtsschutz / Justizwesen - 21 -

Die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis diskriminiert nicht nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung. Die neue Regierung muss aber noch eine Lösung für die zahlreichen „Altfälle“, also bereits Inhaftierte, finden. Darunter sind auch politische Gefangene, die auf Grundlage des Prevention of Terrorism Act (PTA) inhaftiert wurden. Die Regierung hat zugesagt, diese Fälle zu überprüfen. Sippenhaft wird nicht praktiziert. Keiner Person oder Personengruppen wird kategorisch der Rechtsschutz verweigert (AA 16.12.2017).

Der 2015 verabschiedete 19. Verfassungszusatz hat die Macht des Präsidenten in mehrfacher Hinsicht begrenzt. Sie verringerte etwa den Einfluss des Präsidenten auf die Justiz und die Verwaltung, indem sie die bisher praktisch uneingeschränkte Befugnis des Präsidenten einschränkte, eine Reihe öffentlicher Amtsträger direkt zu ernennen, darunter Richter des Obersten Gerichtshofs und des Berufungsgerichts, den Generalstaatsanwalt, den Generalprüfer und den Generalinspekteurs der Polizei. Diese Ernennungen sowie Ernennungen in die Wahlkommission, die Kommission für den öffentlichen Dienst, die nationale Polizeikommission, die Menschenrechtskommission, die Kommission zur Untersuchung von Korruptions- und Bestechungsvorwürfen und die Abgrenzungskommission können nun vom Präsidenten nur noch auf Empfehlung des Verfassungsrates vorgenommen werden, dem sowohl Vertreter der Regierung als auch der Opposition angehören (BTI 2018).

Unter der neuen Regierung haben Ermittlungsbehörden und Justiz begonnen, mutmaßliches Unrecht in der Vergangenheit – z.B. das Verschwinden von Journalisten, ungewöhnliche Todesfälle, Korruption, Geldabflüsse ins Ausland – zu untersuchen. Zahlreiche Kommissionen sind tätig. In manchen Bereichen, wie z.B. bei der Aufklärung von Todesfällen, gibt es Fortschritte. Auch gegen Militärangehörige wird ermittelt. Die Kommissionen laden regelmäßig hochrangige Vertreter der Rajapaksa-Zeit – auch und seine Familienmitglieder – zu Verhören vor, haben aber noch keine Verurteilung erreicht (AA 16.12.2017).

Kritisch diskutiert wird momentan ein Reformentwurf des Strafprozessrechts, welcher Untersuchungsgefangenen den Zugang zu einem Rechtsbeistand erst nach Abgabe ihrer ersten Aussage gewähren würde. Auch der neueste (noch inoffizielle) Entwurf der Strafprozessordnung (Oktober 2017) beinhaltet keinen unbedingten Zugang von Untersuchungsgefangenen zu ihren Anwälten (AA 16.12.2017).

Die Untersuchungshaftzeiten sind lang; es dauert oftmals mehr als ein Jahr, bis überhaupt entschieden wird, ob eine Anklage erhoben wird. Ausländer und Sri Lanker sind davon gleichermaßen betroffen. Die zulässige reguläre Haftdauer bis zur Anklageerhebung beträgt zwölf Monate – verlängerbar in drei-monatigen Etappen bis maximal 24 Monate, falls die Staatsanwaltschaft eine Erklärung zur Notwendigkeit abgibt. Insbesondere bei Inhaftierungen nach dem Antiterrorismusgesetz (Prevention of Terrorism Act, PTA) kam es oft zu sehr langen, in einzelnen Fällen bis zu fast zwanzigjährigen Gefängnisaufenthalten ohne Urteil oder richterliche Entscheidung. Nach Angaben der Opposition waren Ende 2015 noch immer 217 von ehemals ca. 12.000 LTTE-Mitgliedern oder – Sympathisanten, die sich bei Kriegsende gestellt hatten, ohne Gerichtsurteil inhaftiert. Derzeit (31.5.2017) sollen aufgrund des PTA noch 56 Tamilen inhaftiert sein (AA 16.12.2017).

Im Rule of Law Index 2017-18 des World Justice Project (WJP) rangiert Sri Lanka auf Platz 59 von 113 Ländern, was eine Verbesserung um neun Plätze im Vergleich zu 2016 bedeutet. In der Subskala Ziviljustiz nimmt das Land den Rang 91 und in der Subskala Strafjustiz den Platz 53 von 113 Staaten ein (WJP 31.1.2018).

5. Sicherheitsbehörden - 22 -

Die Polizei ist für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit zuständig und untersteht dem Ministerium für Recht und Ordnung. Das Militär untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die äußere Sicherheit zuständig. Nach der Strafprozessordnung kann das Militär aufgefordert werden, speziell abgegrenzte Aufgaben der inneren Sicherheit zu übernehmen. Die fast 6.000 Mitglieder zählende paramilitärische Special Task Force fällt in die Verantwortung das Ministerium für Recht und Ordnung, koordiniert aber gelegentlich auch Operationen der inneren Sicherheit mit dem Militär. Der Präsident dient als Verteidigungsminister, aber der zivile Verteidigungssekretär hat die tägliche operative Verantwortung für das Heer (USDOS 20.4.2018).

Der sri-lankische Regierung hat noch nicht die vollständige Kontrolle über den gesamten Verwaltungs- und Sicherheitsapparat (Militär, Polizei, Geheimdienste) gewonnen. Alte Verhaltensmuster bestehen teilweise noch fort: Auch 2017 berichten einzelne Menschenrechtsaktivisten vor allem in Norden und Osten von gelegentlichen Schikanen durch staatliche Sicherheitskräfte. Insbesondere im Militär und bei den Geheimdiensten gibt es Elemente, die den Kurs der neuen Regierung nicht unterstützen, sich einer Kontrolle entziehen und ex-Präsident Rajapaksa loyal gesinnt sind. Der Widerstand bei Teilen der Sicherheitskräfte lässt sich auch aus dem Umstand erklären, dass sie unter dem vormaligen Premierminister Rajapaksa eine tragende Rolle mit weitgehenden Kompetenzen bei gleichzeitiger Straflosigkeit hatten. Die neue Regierung hingegen drängt den Einfluss des Militärs zurück und unterwirft sein Handeln der geltenden Rechtsordnung (AA 16.12.2017).

Polizei- und Sicherheitskräfte wenden gelegentlich missbräuchliche Praktiken, wie willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Hinrichtungen, erzwungenes Verschwindenlassen, Vergewaltigung, Folter und lange andauernde Inhaftierung ohne Prozess an (FH 2017). Während eine Quelle davon berichtet, dass Tamilen unverhältnismäßig oft betroffen sind (FH 2017), berichtet eine andere, dass unverhältnismäßiger Zwang nicht gegen eine bestimmte Gruppe als solche gerichtet ist (AA 16.12.2017).

Die Sicherheitskräfte hatten nur begrenzte interne Mechanismen, um Missbrauchsfälle zu untersuchen. Opfer können Fälle direkt vor den Obersten Gerichtshof bringen, aber auch das HRCSL und die Strafgerichte können Fälle untersuchen. Die Regierung hat in mehreren hochkarätigen Fällen gegen Mitglieder der Sicherheitsdienste Anklage erhoben und Verurteilungen erwirkt. Das Ministerium für Recht und Ordnung ist für die Feststellung zuständig, ob eine Tötung durch Sicherheitskräfte gerechtfertigt war (USDOS 20.4.2018). Bedingt durch einen Arbeitsrückstand und Ressourcenmangel waren unabhängige Kommissionen langsam bei Untersuchungen zu behauptetem Fehlverhalten von Polizei und Militär (FH 2017).

Zivilgesellschaftliche Organisationen behaupteten, dass die Regierung und die Gerichte weitgehend zögern, gegen Sicherheitskräfte vorzugehen, obwohl sich die Situation im Vergleich zu 2016 gebessert hat. Strafverfolgungen wegen Missbrauchs durch Sicherheitskräfte und die Polizei sind selten, nehmen aber, ebenso wie Verfolgungen wegen Korruption und Ordnungswidrigkeiten, zu. Für Straftaten aus den Konfliktjahren bestand jedoch weiterhin weitgehend Straffreiheit für Beamte des Sicherheitsapparats, die in Fälle angeblicher gezielter Tötungen von Parlamentariern, mutmaßliche Entführungen und Tötungen von Journalisten und Privatpersonen verwickelt waren. Am 4.4.2017 erklärte die Polizei jedoch, dass Polizei- und Militärbeamte nicht von polizeilichen Ermittlungen ausgenommen werden können. Im Lauf des Jahres wurden 26 Offiziere wegen krimineller Handlungen strafrechtlich verfolgt (USDOS 20.4.2018).

Die Regierung führte in der Verteidigungsakademie eine Menschenrechtsausbildung ein, um die Achtung der Menschenrechte zu verbessern, und unterstützte interne Ausbildung durch das IKRK (USDOS 20.4.2018). - 23 -

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Das Verbot der Folter ist in Art. 11 der Verfassung verankert. Internationalen Organisationen und Presseberichten zufolge ist Folter durch Polizisten weiterhin verbreitet, um Geständnisse zu erpressen. Dies hat auch der UN-Sonderberichterstatter über Folter Méndez nach seinem Besuch im April/Mai 2016 festgestellt und darauf hingewiesen, dass 90% der Verurteilungen in Sri Lanka aufgrund von Aussagen in Polizeigewahrsam erfolgten (AA 16.12.2017).

Die Menschenrechtskommission von Sri Lanka (HRCSL) berichtet, dass Folter im ganzen Land Routine ist und weiterhin angewandt wird. Bis September 2017 wurden 271 Foltervorwürfe staatlicher Akteuren gemeldet. Viele Berichte beziehen sich auf Polizeibeamte, die angeblich Verdächtige "aufmischen", um Geständnisse zu erhalten (USDOS 20.4.2018). UNHRC Sri Lanka verzeichnete für die ersten acht Monate 2016 208 Beschwerden aufgrund von Folter (2015: 420; 2014: 489; 2013: 600, jeweils gesamtes Jahr). Während Folter früher vor allem Tamilen betraf, stellen jüngere Berichte von Human Rights Watch (HRW) sowie lokalen Menschenrechtsorganisationen heraus, dass Singhalesen in gleichem Maße betroffen sind (AA 16.12.2017).

Das Gesetz macht Folter strafbar und schreibt eine Freiheitsstrafe von nicht weniger als sieben Jahren und nicht mehr als zehn Jahren vor. Die Regierung unterhält einen Ausschuss zur Verhütung von Folter, der den Vorwurf der Folter prüft und vorbeugende Maßnahmen ergreift (USDOS 20.4.2018). Die gerichtliche Verfolgung von Folter ist mit enormen Zeit- und Geldaufwand für die Opfer verbunden, so dass in der Realität kaum ein Fall zur Anzeige kommt. HRW zufolge haben auch Fälle, die vor Gericht behandelt werden, auf Grund langer Verfahren, hoher Gerichtskosten und Einflussnahme durch die Polizei kaum eine Chance auf Verurteilung der Täter (AA 16.12.2017).

Polizei- und Militärkräfte setzten unter dem Antiterrorismusgesetz (Prevention of Terrorism Act, PTA) Folter und sexuellen Missbrauch ein, um Geständnisse zu erwirken (USDOS 20.4.2018). Auf Grundlage des PTA können Verdächtige – unter Hinweis auf die angeblich noch andauernde Bedrohung der inneren Sicherheit – bis zu 18 Monate in Administrativhaft gehalten werden (AA 16.12.2017; vgl. AI 22.2.2018). Die Polizei darf körperlichen Zwang ausüben, um Aussagen zu erhalten. Gemäß PTA sind diese Aussagen grundsätzlich vollständig verwertbar (AA 16.12.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Der den PTA ablösende Counter Terrorism Act (CTA) wurde noch nicht verabschiedet (AA 16.12.2017).

Der PTA wurde 1979 als Reaktion auf separatistische Aufstände, insbesondere der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), erlassen und während der 26 Jahre des Bürgerkriegs weitreichend eingesetzt. Doch während andere Notfallregelungen mit dem Ende des Konflikts im Mai 2009 ausgelaufen sind, blieb der PTA in Kraft. Noch 2016 wurden mindestens elf Personen im Rahmen des PTA wegen angeblicher terroristischer Aktivitäten verhaftet (HRW 29.1.2018). Im Februar 2017 verkündigte der damalige Justizminister Wijedayasa Rajapakshe, dass die Regierung weitere Verhaftungen im Rahmen des PTA ausgesetzt habe. Schätzungsweise 70 bis 130 Personen befanden sich noch wegen PTA-Verhaftungen in Gewahrsam (USDOS 20.4.2018). Das AntiTerrorgesetz „Prevention of Terrorism Act“ (PTA) ist trotz umfassender Kritik aus dem In- und Ausland noch in Kraft, neue Fälle werden jedoch seit Ende 2016 nicht mehr unter dem PTA behandelt (AA 16.12.2017). Sri Lanka hat es versäumt, seine Verpflichtung von 2015 zu erfüllen, den PTA aufzuheben und durch Rechtsvorschriften, die den internationalen Standards entsprechen, zu ersetzen (AI 22.2.2018; vgl. HRW 29.1.2018). - 24 -

Die „International Truth und Justice Project“ und Associated Press berichten über Anschuldigungen von Entführungen und Folter, sowie sexuellem Missbrauch durch Sicherheitskräfte. Die meisten Opfer waren tamilische Männer, die beschuldigt wurden Verbindungen zur LTTE zu haben (USDOS 20.4.2018).

Es git in Sri Lanka keine Körperstrafen und unverhältnismäßige Strafen. Misshandlungen bei der Festnahme von Tatverdächtigen sowie in den Gefängnissen kommen aber weiterhin vor (AA 16.12.2017).

7. Korruption

Gesetzlich sind Strafen für behördliche Korruption vorgesehen, doch die Regierung setzt dieses Gesetz nicht effektiv um. Regierungsbeamte sind manchmal in korrupte Aktivitäten unter Straffreiheit involviert. Im Laufe des Jahres gab es zahlreiche Berichte über Korruption in der Regierung (USDOS 20.4.2018).

Das Gesetz verpflichtet alle Kandidaten für Parlaments-, Kommunal-, Provinz- und Präsidentschaftswahlen, ihr Vermögen und ihre Verbindlichkeiten gegenüber dem Parlamentspräsidenten zu erklären. Einige, aber nicht alle Kandidaten bei den Parlamentswahlen, haben ihre Finanzberichte vorgelegt. Die Behörden haben die Einhaltung nicht durchgesetzt. Nach dem Gesetz kann man gegen Zahlung einer Gebühr auf die Aufzeichnungen über das Vermögen und die Schulden der gewählten Amtsträger zugreifen (USDOS 20.4.2018).

Im aktuellen Transparency International Corruption Perceptions Index rangiert Sri Lanka unter 180 Ländern und Territorien an 91. Stelle mit einer Punkteanzahl von 38 von bestmöglichen 100 (TI 2017). In der Unterskala „Abwesenheit von Korruption“ des World Justice Project nimmt Sri Lanka Rang 58 von 113 Staaten ein (WJP 31.1.2018). Im World Competitive Index 2017/18 des Weltwirtschaftsforums nimmt Sri Lanka im Segment „illegale Zahlungen und Bestechungen“ Rang 86 von 137 Staaten ein (WEF 26.12.2017).

8. Wehrdienst und Rekrutierungen

Es gibt in Sri Lanka keine allgemeine Wehrpflicht (AA 16.12.2017). Man kann sich im Alter von 18 bis 22 Jahren freiwillig zum Militärdienst melden, wobei für die Luftwaffe eine fünfjährige Dienstverpflichtung erforderlich ist (CIA 1.5.2018).

9. Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechte sind in der sri-lankischen Verfassung geschützt. Sri Lanka hat zudem zahlreiche internationale Menschenrechtsabkommen ratifiziert, darunter den Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte, den Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die Anti-Folter-Konvention (jedoch nicht das Zusatzprotokoll CAT-OP) und die Kinderrechtskonvention (AA 16.12.2017).

Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehörten unrechtmäßige Tötungen, Folter, sexueller Missbrauch, willkürliche Verhaftungen, langwierige Inhaftierungen, fehlende Rückgabe von Eigentum durch das Militär sowie Überwachung und Belästigung von zivilgesellschaftlichen Aktivisten und Journalisten. Die Diskriminierung von Tamilen und nichtkonfessionellen christlichen Gruppen durch die Regierung und die Sicherheitskräfte hielt an. Gleichgeschlechtliches Sexualverhalten ist gesetzlich verboten, wird aber selten strafrechtlich verfolgt (USDOS 20.4.2018). - 25 -

Zahlreiche NGOs engagieren sich aktiv für ärmere Bevölkerungsschichten und die neue Regierung ist viel offener für ihre Aktivitäten als die frühere Regierung, die eine restriktive Politik verfolgte.

Prominente Akteure, die mit zivilgesellschaftlichen Organisationen verbunden sind, sind heute in Regierungskommissionen tätig (z.B. Bestechungs-, Polizei- und Justizkommissionen). Das gesamte zivilgesellschaftliche Umfeld unterscheidet sich stark von dem, was Gruppen während der Mahinda-Rajapaksa- Jahre erlebten. Auch internationale NGOs werden nun von der neuen srilankischen Regierung, die internationale Organisationen zur Lösung von Menschenrechtsproblemen verpflichtet hat, als Entwicklungspartner gesehen. Auch die Einstellung des Staates gegenüber extern finanzierten Institutionen innerhalb des Landes hat sich verändert und unterliegt nicht mehr der Verunglimpfung durch staatliche Akteure (BTI 2018).

Die Human Rights Commission of Sri Lanka (HRCSL) hat das Recht, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Die HRCSL nimmt Beschwerden entgegen, kann aber auch selbständig Untersuchungen einleiten. Nachdem eine Anschuldigung vorgebracht wurde, macht die HRCSL einen Vorschlag zur finanziellen Entschädigung des Opfers und leitet den Fall zur Vollziehung disziplinärer Maßnahmen weiter und/oder übergibt ihn an den Generalstaatsanwalt zur weiteren Strafverfolgung. Wenn die Regierung einem HRCSL-Antrag nicht nachkommt, kann die HRCSL den Fall an den Obersten Gerichtshof verweisen. Die HRCSL hat per Gesetz weitreichende Befugnisse und Ressourcen und kann nicht als Zeuge vor Gericht geladen oder wegen seiner Amtspflichten verklagt werden. Die HRCSL arbeitete in der Regel unabhängig und ohne Einmischung der Regierung (USDOS 20.4.2018).

Das Center for Human Rights Development (CHRD) berichtet, dass die Behörden mehr als 130 politische Gefangene im Land festhalten und weitere 24 gegen Kaution freigelassen haben. Die Regierung hat keine politischen Gefangenen anerkannt und darauf bestanden, dass diese Personen wegen krimineller Handlungen inhaftiert wurden. Die Regierung erlaubte der HRCSL, Richtern und der Prison Welfare Society regelmäßig Zugang zu den Gefangenen und erlaubte dem IKRK, die Haftbedingungen zu überwachen. Die Behörden gewährten Rechtsberatern nur unregelmäßigen Zugang (USDOS 20.4.2018).

Als Folge dess Bürgerkrieges mit den Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) gelten schätzungsweise noch 20.000 Menschen als verschwunden, einschließlich derer, die in den ersten Jahren des Konflikts verschwunden waren, sowie jener, die erst 2016 und 2017 entführt wurden. Im Jahr 2016 verabschiedete das Parlament einen Gesetzentwurf zur Einrichtung einer Behörde für vermisste Personen (Office of Missing Persons, OMP), die mit der Untersuchung der Fälle von vermissten Personen beauftragt ist. Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International äußerten jedoch Bedenken bezüglich des Gesetzes, einschließlich der Tatsache, dass die Regierung die betroffenen Familien während des gesamten Prozesses nicht konsultiert hat. Im vergangenen März verabschiedete die Regierung ein Gesetz, das zum ersten Mal in der Geschichte des Landes das Verschwindenlassen von Personen kriminalisiert (IPS 30.4.2018). Vor, während und nach dem bewaffneten Konflikt zwischen den Regierungstruppen und den Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), der 2009 endete, waren Menschenrechtsverletzungen wie das Verschwindenlassen, außergerichtliche Tötungen, Folter und andere schwere Menschenrechtsverletzungen und verletzungen straflos. Die von Sri Lanka im Jahr 2015 eingegangenen Verpflichtungen zur Schaffung von Wahrheits-, Gerechtigkeits- und Wiedergutmachungsmechanismen und zu Reformen zur Verhinderung, dass sich diese Verbrechen wiederholen, wurden bis Ende des Jahres 2017 nicht umgesetzt (AI 22.2.2018). - 26 -

Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte wies in seinem Bericht an die 37. Sitzung des UNHRC darauf hin, dass die Behörden Sri Lankas noch nicht die Fähigkeit oder Bereitschaft gezeigt haben, sich mit Straflosigkeit bei schweren Verstößen gegen das internationale Menschenrechtsgesetz und schweren Verletzungen des humanitären Völkerrechts zu befassen. Er äußerte seine Besorgnis darüber, dass sein Büro auch nach zweieinhalb Jahren des Versöhnungsprozesses weiterhin Berichte über Schikanen oder die Überwachung von Menschenrechtsverteidigern und über Opfer von Menschenrechtsverletzungen erhält (IFJ 9.5.2018).

10. Meinungs- und Pressefreiheit

Die Verfassung sieht Meinungs- und Pressefreiheit vor, und die Regierung hat diese Rechte im Allgemeinen respektiert (USDOS 20.4.2018). Auf dem World Press Freedom Index 2018 der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ belegt Sri Lanka Platz 131 von 180 Ländern, eine Verbesserung um zehn Ränge im Vergleich zum Vorjahr (RwB 2018).

Die Opposition hat zwar nur begrenzten Zugang zu den staatlichen Medien, nichtstaatlich kontrollierte Medien stehen der Regierung jedoch oft offen kritisch gegenüber. Eine Umfrage vom Oktober 2015 ergab, dass die meisten Befragten der Meinung waren, dass es den sri-lankischen Medien völlig freisteht, die Regierung zu kritisieren (BTI 2018).

Die unabhängigen Medien waren aktiv und äußerten sich sehr unterschiedlich. Journalisten im tamilischen Norden berichteten jedoch von Schikanen, Einschüchterungen und Einmischungen durch den Sicherheitsapparat, wenn sie über sensible Themen im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg oder seinen Folgen berichteten. Einige Journalisten der Print- und elektronischen Medien berichteten von Selbstzensur in Bezug auf Reportagen über den Präsidenten oder seine Familie. Sie geben an von Privatpersonen oder Regierungsanhängern mit der Aufforderung kontaktiert worden zu sein, alles zu unterlassen, was dem Ansehen der Familie schaden könnte. Im April 2017 verkündete Medienminister Nimal Bopage, dass dem privaten Fernsehsender Derana TV wegen "Manipulation der Äußerungen des Präsidenten bei einer Veranstaltung", wodurch die Öffentlichkeit irregeführt würde, eine Sonderuntersuchung bevorsteht. Bopage wurde später vom Medienminister in eine Beraterrolle des Präsidenten für Medien versetzt (USDOS 20.4.2018).

Wenige Monate nach seiner Vereidigung als Präsident im Januar 2015 verkündete Maithripala Sirisena, er wolle alle Ermittlungen zu den Morden an Journalisten wieder aufnehmen (RwB 2018). Im Zusammenhang mit dem Mord am Herausgeber Lasantha Wickrematunga wurde am 14.2.2018 der Senior Deputy Inspector General Prasanna Nanayakkara verhaftet, weil er angeblich seine Untergebenen angewiesen hatte, die Untersuchung des Mordes an Lasantha zu behindern und am Tatort gesammelte Beweise zu vernichten. Auch ist die Beteiligung des militärischen Geheimdienstes an der Tötung ans Licht gekommen. In einer weiteren positiven Entwicklung wurde 2018 der ehemalige militärische Geheimdienstdirektor und Stabschef der Armee, Generalmajor Amal Karunasekara, verhaftet, dem die Entführung von und der Angriff auf den Journalisten und damligen Verteidigungskorrespondent des Landes, Keith Noyahr, vorgeworfen wird (IFJ 9.5.2018). Fast alle anderen Fälle sind jedoch noch immer ungestraft (RwB 2018).

Die neue Regierung versprach auch, dass Journalisten wegen ihrer politischen Ansichten oder ihrer Berichterstattung über sensible Themen wie Korruption und Menschenrechtsverletzungen durch das Militär nichts mehr zu befürchten hätten (RwB 2018). Offene Drohungen gegen Journalisten sind selten geworden, und - 27 - mehrere Personen, die im Verdacht stehen, Journalisten unter der ehemaligen Regierung getötet zu haben, wurden verhaftet (BTI 2018).

Im Jahr 2015 reagierte die Regierung auf einen sektiererischen Gewaltausbruch in der Hochlandstadt Kandy mit einem Social Media-Verbot (IFJ 9.5.2018). Am 8.11.2017 blockierte die Regulierungskommission der Regierung von Sri Lanka den Zugang zur Lanka eNews-Website. Lanka eNews hatte mehrere kritische Artikel über die aktuelle Regierung und den Präsidenten veröffentlicht. Mehrere Medienorganisationen äußerten ihre Besorgnis über die außergerichtliche Sperrung und forderten die Internetdienstanbieter auf, die Sperrung der Website aufzuheben, die jedoch noch Ende 2017 blockiert blieb (USDOS 20.4.2018).

In den letzten zwei Jahren hat die Medienfreiheit zugenommen und die zunehmende Verbreitung elektronischer Geräte hat zu einem Wachstum der sozialen Medien geführt (BTI 2018). Rund 30% der Bevölkerung nutzten das Internet regelmäßig, 21% hatten zu Hause Internetzugang. Medienberichte vermuten, dass ein weitaus größerer Prozentsatz der Bevölkerung über Smartphones auf das Internet zugreift. Es gab keine glaubwürdigen Berichte, dass die Regierung private Online-Kommunikation ohne entsprechende rechtliche Befugnisse überwachte (USDOS 20.4.2018). Im März 2016 ordnete das Ministerium für Parlamentsreform und Massenmedien alle NachrichtenWebsites an, sich bei der Regierung registrieren zu lassen, da sie ansonsten illegal würden (RwB 2018).

11. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

Die Freiheiten der friedlichen Versammlung und der Vereinigung sind gesetzlich garantiert und werden von der Regierung im Allgemeinen respektiert (USDOS 20.4.2018). Die neue Regierung gewährte seit Jänner 2015 mehr Vereinigungs- und Versammlungsrechte. Öffentliche Protestveranstaltungen werden von Oppositionsgruppen in allen Bereichen organisiert (BTI 2018). Die Verfassung erlaubt jedoch die Einschränkung der Versammlungsfreiheit im Interesse der religiösen Harmonie, der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit oder Moral, im Interesse der Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten anderer oder im Interesse des allgemeinen Wohlergehens der demokratischen Gesellschaft (USDOS 20.4.2018).

Nach Artikel 77(1) der Polizeiverordnung müssen Demonstrationen bei der örtlichen Polizei genehmigt werden. Christliche Gruppen und Kirchen berichteten, dass einige Behörden Gottesdienstaktivitäten als „unbefugte Versammlungen“ einstuften und verlangten diese Aktivitäten zu beenden. Die Behörden begründeten ihre Handlungen manchmal damit, dass die Gruppen nicht bei der Regierung registriert waren, obwohl es weder ein Gesetz noch eine Verordnung gibt, die eine solche Registrierung ausdrücklich vorschreibt (USDOS 20.4.2018).

Unter der früheren Regierung wurden unerwünschte Veranstaltungen von NGOs entweder verboten oder verhindert, indem Störer – hier kamen regelmäßig radikal-nationalistische buddhistische Mönche zum Einsatz – nicht zurückgehalten wurden. Seit Anfang 2015 sind Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit grundsätzlich nicht mehr eingeschränkt (AA 16.12.2017).

Nationale und internationale Menschenrechtsgruppen arbeiteten in der Regel ohne staatliche Einschränkung und untersuchten und veröffentlichten ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Regierungsbeamte waren etwas kooperativer und reagierten auf ihre Ansichten (USDOS 20.4.2018). Allerdings wurden einzelne friedliche Demonstrationen von Studenten durch die Polizei mit unverhältnismäßigem Einsatz (Tränengas, Wasserwerfer, - 28 -

Schlagstöcke) beendet, so z.B. am 30. Oktober 2015. Der Einsatz wurde von der sri-lankischen Menschenrechtskommission verurteilt. Auch im Oktober 2017 wurde eine Studentendemonstration in Colombo gewaltsam aufgelöst. Die Gewalt ging allerdings auch von Studenten aus (AA 16.12.2017).

Vereinigungsfreiheit ist durch das Gesetz garantiert. Eine Verbindung zu, oder eine Mitgliedschaft bei einer verbotenen Organisation wird jedoch kriminalisiert. Das Gesetz sieht das Recht der Arbeitnehmer vor, Gewerkschaften zu gründen oder ihnen beizutreten. Davon ausgenommen sind Angehörige der Streitkräfte, Polizisten, Justiz- und Gefängnisbeamte. Gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung ist verboten (USDOS 20.4.2018).

Das Gesetz erkennt das Streikrecht zwar nicht ausdrücklich an, aber die Gerichte haben ein implizites Streikrecht auf der Grundlage der Gewerkschaftsverordnung und des Arbeitskonfliktgesetzes anerkannt. Die Regierung respektierte generell die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen. Die Gewerkschaften des öffentlichen Sektors führten zahlreiche Arbeitsniederlegungen durch (USDOS 20.4.2018).

Gemäß den Notfallregelungen der Verordnung über die öffentliche Sicherheit hat der Präsident einen weit gefassten Ermessensspielraum, um Sektoren als „wesentlich“ für die nationale Sicherheit, das Leben der Gemeinschaft oder die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zu erklären und damit die Rechte der Arbeiter, legale Streiks durchzuführen, zu widerrufen. Mit dem Essential Public Services Act von 1979 kann der Präsidenten auch Dienstleistungen von Regierungsstellen als „wesentliche“ öffentliche Dienstleistungen deklarieren. Im Juli 2017 erklärte die Regierung unter Berufung auf den Essential Public Services Act beispielsweise die Erdölverteilung zu einem wesentlichen Dienst, nachdem die Erdölarbeiter in den Streik getreten waren, um die Regierung daran zu hindern ein Öltanklager an ein chinesisches Unternehmen zu verpachten (USDOS 20.4.2018).

12. Haftbedingungen

Mit Dezember 2017 befanden sich rund 20.598 Personen in Haft, was einer Rate von 94 Häftlingen auf 100.000 Einwohner entspricht. Der Prozentsatz von Untersuchungshäftlingen lag bei 53.4% aller Insassen. 4,9% der Häftlinge waren Frauen, 0,1% waren Jugendliche (ICPR 2017). Die Haftbedingungen sind schlecht und entsprechen aufgrund mangelnder sanitärer Einrichtungen und starker Überbelegung von etwa 50% nicht internationalen Standards. In vielen Gefängnissen schlafen Insassen auf Betonböden und es mangelt ihnen an natürlichem Licht und ausreichender Belüftung (USDOS 20.4.2018).

Die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten ist ausreichend, die Bewegungsmöglichkeiten für Gefangene erscheinen relativ gut (viel Freigang, soweit keine Verurteilung zur Todesstrafe). In minder schweren Fällen können sich Gefangene bei Hinterlegung einer Sicherheitsleistung frei im Land bewegen, Ausländer dürfen in dringenden Situationen sogar zeitweise das Land verlassen. Zwangsarbeit ist in Sri Lanka kaum verbreitet (AA .16.12.2017). Um der Überbelegung entgegenzuwirken verlegte die Gefängnisbehörde mehrere Gefängnisse aus städtischen in weiträumigere ländliche Gebiete. Im Oktober 2017 eröffnete das Ministerium für Gefängnisreformen einen neuen Gefängniskomplex in Agunakolapelessa, der das überfüllte Gefängnis von Tangalle ablöste und auch die Überbelegung des Welikada Hauptgefängnisses in Colombo reduziert (USDOS 20.4.2018). - 29 -

In einigen Fällen werden Jugendliche und Erwachsenen zusammen untergebracht. Untersuchungshäftlinge sind oft nicht von verurteilten Straftätern getrennt inhaftiert (USDOS 20.4.2018).

Einige der größeren Gefängnisse verfügten über eigene Krankenhäuser. Meist existiert jedoch nur eine medizinische Abteilung. Häftlinge kleinerer Gefängnisse, die medizinisch versorgt werden mussten, werden zur Behandlung in das nächstgelegene Krankenhaus transferiert (USDOS 20.4.2018).

Die Haftbedingungen für politische Straftäter waren und sind noch immer etwas härter, seit Anfang 2015 aber verbessert (AA .16.12.2017).

Die Prison Welfare Society ist ein staatliches Aufsichtsorgan, das Häftlinge besucht, Beschwerden entgegennimmt und den gesetzlichen Auftrag hat, die Haftbedingungen für Häftlinge zu prüfen und ihre Beschwerden mit den einzelnen Gefängnisaufsehern und den Strafvollzugsbeauftragten auszuhandeln. Die Menschenrechtskommission von Sri Lanka (Human Rights Commission of Sri Lanka, HRCSL) prüft Haftbeschwerden und leitet sie bei Bedarf an die zuständigen Behörden weiter. Die HRCSL berichtete, dass es einige glaubwürdige Behauptungen über Misshandlungen von Gefangenen erhalten habe, das Ministerium für Gefängnisreformen jedoch berichtete, keine Beschwerden erhalten zu haben. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und das HRCSL haben ebenfalls ein Mandat zur Überwachung der Haftbedingungen. Vertreter des HRCSL besuchten während des Jahres 2017 die Gefängnisse in Kandy, Mahara, Kalutara und Jaffna (USDOS 20.4.2018).

Willkürliche Verhaftungen sind gesetzlich verboten und jeder Person hat das Recht die Rechtmäßigkeit ihrer Festnahme oder Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Dieses Recht war unter dem PTA stark eingeschränkt. Dennoch gab es weiterhin Berichte über willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen, wenn auch die Zahl im Vergleich zu 2016 nach Ansicht der Zivilgesellschaft und der HRCSL gesunken ist. Die HRCSL erhielt 2017 118 Beschwerden wegen willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen haben Polizei und Kriminalpolizei Personen wegen angeblicher Beteiligung an terroristischen Aktivitäten unrechtmäßig festgenommen, und in Polizeistationen, Armeelagern und informellen Haftanstalten festgehalten, ohne Anklage zu erheben oder die Häftlinge innerhalb des gesetzlich vorgeschriebenen Zeitrahmens anzuklagen (USDOS 20.4.2018).

13. Todesstrafe

Die letzte Hinrichtung in Sri Lanka fand 1976 statt (CLS 2018). Die Todesstrafe wird zwar weiterhin verhängt, seit 1977 aber nicht mehr vollstreckt. Todesurteile werden für vorsätzliche Tötung – es gibt keine Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag – sowie Drogenbesitz und -handel ausgesprochen. Ein Ende des Moratoriums für die Todesstrafe ist gegenwärtig nicht erkennbar (AA 16.12.2017).

Nach Angaben des Ministeriums für Gefängnisreformen, Rehabilitation, Umsiedlung und HinduReligiöse Angelegenheiten verhängte Sri Lanka 2017 218 neue Todesurteile (davon drei für Drogenbesitz nach Angaben von Amnesty International) und 2.717 Menschen waren Ende des Jahres zum Tode verurteilt (davon 68 für Drogendelikte). Fünf waren Ausländer. Am Jahrestag der Unabhängigkeit Sri Lankas im Februar hat Präsident Maithripala Sirisena 60 Todesurteile umgewandelt (AI 12.4.2018).

14. Religionsfreiheit - 30 -

Die in Sri Lanka vertretenen Religionen sind Buddhismus (70,2%), Hinduismus (12,6%), Muslime (9,7%), Katholiken (6,1%), andere Christen (1,3%) und Sonstige (0.05%) - Zahlenangaben gemäß Volkszählung 2012 (CIA 1.5.2018).

Die sri-lankische Verfassung gibt keine Staatsreligion vor und garantiert Religionsfreiheit, weist aber dem Buddhismus eine herausgehobene Rolle zu. Die Religionen begegnen sich in Sri Lanka traditionell mit Respekt und Toleranz. Auch der Staat achtet auf eine Nichtdiskriminierung der Religionen und die neue Regierung betont ausdrücklich ihren Willen zur religiösen Toleranz. Zum Ausdruck kam dies bei einer Attacke von buddhistischen Mönchen auf 31 Rohingya-Flüchtlinge im September 2017 – die Regierung reagierte hier konsequent zum Schutz der Flüchtlinge und brachte sie in Zusammenarbeit mit der UN in einer bewachten Unterkunft unter (AA 16.12.2017; vgl. USDOS 15.8.2017). Die Behörden schränkten "Hassrede", einschließlich der Beleidigung von Religion oder religiösen Überzeugungen durch die Polizeiverordnung und das Strafgesetzbuch ein (USDOS 20.4.2018).

Rechtliche Einschränkungen für andere Religionen oder Ideologien, einschließlich der Freiheit zum Religionsübertritt, gibt es nicht (AA 16.12.2017). Religiöse Gruppen müssen sich registrieren, um die Genehmigung zum Bau neuer Gotteshäuser zu erhalten. Eine Registrierung als Treuhandgesellschaft, Verein oder NGO ist notwendig, um finanzielle Transaktionen durchführen, ein Bankkonto eröffnen oder Eigentum besitzen zu können. Religiöse Organisationen können auch durch ein vom Parlament mit einfacher Mehrheit verabschiedetes Gesetz staatliche Anerkennung und die Erlaubnis zum Betrieb von Schulen beantragen (USDOS 15.8.2017).

Immer wieder kommt es zu lokalen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der buddhistischen Bevölkerungsmehrheit und anderer Religionsgemeinschaften (AA 8.5.2018). Quellen berichten von regelmäßigen Versuchen buddhistischer Mönche christliche und muslimische Kultstätten zu schließen, denen die Zustimmung des Ministeriums von Buddha Sasana fehlte. Die Nationale Christliche Evangelische Allianz von Sri Lanka dokumentierte bis November 2017 79 Fälle von Übergriffen auf Kirchen, Einschüchterung und Gewalt gegen Pastoren und deren Gemeinden sowie Behinderung von Gottesdiensten (USDSO 20.4.2018).

Die Behörden verhafteten im November 2016 Führer militanter buddhistischer und muslimischer Organisationen wegen Hassreden und Gewaltandrohungen (USDOS 15.8.2017). Zuletzt kam es am 3.3.2018 in der Provinz Kandy zu Ausschreitungen gegen muslimische Einrichtungen und zur Errichtung willkürlicher Barrikaden/Straßensperren, die erst nach dem Ausruf eines zehntägigen Ausnahmezustandes und durch den Einsatz von Sondereinheiten und Ausgangssperren unter Kontrolle gebracht werden konnten (AA 8.5.2018; vgl. HRW 7.3.2017).

15. Ethnische Minderheiten

Nach dem 14. Zensus im Jahr 2011/2012 stellen die Singhalesen mit 74,9% die Bevölkerungsmehrheit, gefolgt von 11,2% Tamilen, 4,2% sog. Indian Tamils (Einwanderung während der britischen Kolonialzeit als Plantagenarbeiter) und 9,2% sog. Moors muslimischen Glaubens (AA 16.12.2017; vgl. CIA 1.5.2018).

Es gibt keine diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis. Allerdings gibt es weiterhin soziale Missstände insbesondere im Norden und Osten des Landes, die vom Bürgerkrieg am stärksten betroffen waren. Zudem sind Menschenrechtsverletzungen noch nicht völlig abgestellt (AA 16.12.2017). - 31 -

Die soziokulturelle Struktur des politischen Lebens ist in erster Linie durch die Werte der singhalesischen (überwiegend theravada-buddhistischen) Mehrheit bestimmt. Die Singhalesen empfinden sich - unter Einrechnung der 65 Mio. Tamilen im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu - indes selbst als Minderheit in einer tamilisch dominierten Region, während sich viele der (ganz überwiegend hinduistischen) Tamilen als unterdrückte Minderheit auf einer singhalesisch dominierten Insel betrachten. Angehörige christlicher Religionen gibt es in beiden Ethnien. Die muslimische Bevölkerungsgruppe hat sich in Colombo und in den singhalesischen Landesteilen unter Wahrung ihrer religiösen Prinzipien weitgehend eingepasst, während das Zusammenleben von Muslimen und Tamilen im Norden und Osten nicht immer spannungsfrei war. Dem früheren Präsidenten Rajapaksa nahestehende Kräfte ermutigen radikale nationalistische buddhistische Organisationen auch heute noch zu Angriffen auf Moslems im Süden des Landes. Anfang März wurde deswegen sogar für sieben Tage ein landesweiter Ausnahmezustand verhängt (AA 3.2018a).

Singhalesisch und Tamilisch sind Amtssprachen in Sri Lanka (CIA 1.5.2018).

15.1. Tamilen

Ein langer und zum Teil brutal geführter Bürgerkrieg (1983 – 2009) zwischen der tamilischen Separatistenorganisation "Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE) und der Regierung führte zu zahlreichen Opfern auf beiden Seiten. Schätzungen gehen von 80.000 bis zu 100.000 Opfern aus (AA 3.2018a).

Gegenüber den Tamilen im Norden und Osten gibt es seit Amtsantritt von Präsident Sirisena am 9.1.2015 keine direkten staatlichen Repressionen mehr (AA 16.12.2017). Sowohl lokale als auch indischstämmige Tamilen behaupteten jedoch, dass sie in den Bereichen Hochschulbildung, Regierungsbeschäftigung, Wohnen, Gesundheitswesen, Sprachgesetze und Verfahren zur Einbürgerung von Nichtbürgern seit langem systematisch diskriminiert werden (USDOS 20.4.2018). Im ganzen Land, besonders im Norden und Osten, berichteten Tamilen, insbesondere Aktivisten und ehemalige oder mutmaßliche ehemalige LTTE-Mitglieder, von ethnischem Profiling, Überwachung und Belästigung durch Sicherheitskräfte (AI 22.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018).

Im Rahmen des Antiterrorismusgesetzes (PTA) sind nach wie vor Tamilen inhaftiert, die im Verdacht stehen Verbindungen zur LTTE zu haben. Der UN-Sonderberichterstatter für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Bekämpfung des Terrorismus erklärte, dass über 100 nicht verurteilte Gefangene, teils seit über einem Jahrzehnt, inhaftiert sind (AI 22.2.2018).

Die Landrückgabe wird fortgesetzt – nach dem aktuellen Zeitplan der Regierung (Oktober 2017) soll Ende 2018 noch eine Fläche von etwa 145 km2 Land bei den Sicherheitskräften verbleiben, bei der es sich vor allem um staatliches Land handeln soll (AA 16.12.2017). Am 17. April 2017 haben die Tamilische Nationale Allianz und das Verteidigungsministerium einen formellen Dialog über die Rückgabe von Militärgebieten in den nördlichen und östlichen Provinzen eingeleitet. Im August verpflichtete Generalmajor das Militär öffentlich zur Verfolgung von Armeeangehörigen, die während und nach dem Konflikt kriminelle Handlungen begangen hatten, von denen viele gegen die tamilische Gemeinschaft gerichtet waren (USDOS 20.4.2018).

Es gibt eine Reihe von Ministerien und präsidentiell ernannte Gremien, die sich mit den sozialen und entwicklungspolitischen Bedürfnissen der tamilischen Minderheit befassen sollen. Die Regierung hat eine Reihe von vertrauensbildenden Maßnahmen ergriffen, um Beschwerden der tamilischen Gemeinschaft zu begegnen. - 32 -

Sie ersetzte auch die Militärgouverneure der nördlichen und östlichen Provinzen durch Zivilisten (USDOS 20.4.2018).

Das vom Präsidenten im Jahr 2016 eingerichtete Büro für nationale Einheit und Versöhnung koordinierte weiterhin die Versöhnungsbemühungen der Regierung. Das Büro konzentriert sich auf die Förderung der sozialen Integration zum Aufbau einer integrativen Gesellschaft, die Sicherung der Sprachrechte für alle Bürger, die Unterstützung eines Heilungsprozesses innerhalb der vom Krieg betroffenen Gemeinden durch die von der Regierung vorgeschlagene Kommission für Wahrheit, Gerechtigkeit, Versöhnung und Nichtwiederholung der Gewalt (USDOS 20.4.2018).

[…]

17. Bewegungsfreiheit

Gesetzlich sind die Rechte auf Freizügigkeit, Auslandsreisen, Auswanderung und Repatriierung gewährleistet, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen. Die Regierung arbeitete mit dem UN- Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Binnenvertriebenen, Flüchtlingen, zurückkehrenden Flüchtlingen, Staatenlosen oder anderen Betroffenen Schutz und Hilfe zu gewähren (USDOS 20.4.2018).

Bis auf kleine, noch nicht entminte Gebiete im Nordosten und einzelne Hochsicherheitszonen (HSZs) um Militäreinrichtungen in der Nord- und der Ostprovinz können sich Personen im ganzen Land frei bewegen und niederlassen. Es wird erwartet, dass das Land innerhalb der nächsten drei Jahre komplett frei von Landminen sein könnte (AA 16.12.2017).

18. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

Der Bürgerkrieg, der 2009 endete, führte zu einer weit verbreiteten und noch anhaltenden Vertreibung, insbesondere von Tamilen. Nach Angaben des Ministeriums für Umsiedlung, Rehabilitation, hinduistische Religionsangelegenheiten und Gefängnisreformen gab es am 30.6.2017 noch 40.808 Binnenvertriebene, von denen der Großteil in den Distrikten Jaffna, Kilinochchi, Mannar und Batticaloa im Norden und Osten ansässig war. Während alle Binnenvertriebenen zwar volle Bewegungsfreiheit hatten, konnten die meisten von ihnen aufgrund von Landminen, Beschränkungen, die ihre Heimatregionen als HSZs ausweisen, mangelnde Arbeitsmöglichkeiten, nicht vorhandenem Zugang zu grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen, einschließlich des Erwerbs von Dokumenten, die Landbesitz belegen, und das Fehlen einer staatlichen Lösung für damit einhergehenden konkurrierende Landbesitzansprüchen, sowie anderen kriegsbedingten Gründen, nicht nach Hause zurückkehren. Binnenvertriebene in Flüchtlingslagern haben keinen Schutz und keine Unterstützung durch die Regierung erhalten (USDOS 20.4.2018).

Die Regierung förderte die Rückkehr und Umsiedlung von Binnenvertriebenen, indem sie etwa 686 Hektar militärisch genutzten Landes zurückgab und Land für landlose Binnenvertriebene zur Verfügung stellte. Im August 2016 verabschiedete die Regierung eine nationale Strategie für Vertriebene. Das Militär und andere Regierungsbehörden unterstützten die Umsiedlung von Binnenvertriebenen durch den Bau von Häusern, Schulen, Toiletten und durch die Zurverfügungstellung weiterer sozialer Dienstleistungen auf neu herausgegebenem Land (USDOS 20.4.2018). - 33 -

Nach Auskunft UNHCR gibt es mit Stand 30.06.2017 634 registrierte Asylbewerber und 651 Flüchtlinge. Im Jahr 2015/16 hatte die Zahl der Asylsuchenden insbesondere aus Pakistan, Afghanistan und Myanmar zugenommen. Abschiebemaßnahmen von Schutzsuchenden sind im Berichtszeitraum keine bekannt (AA 16.12.2007).

Das Gesetz sieht keine Gewährung von Asyl oder Flüchtlingsstatus vor. Die Regierung verließ sich darauf, dass der UNHCR den Flüchtlingen im Land Nahrung, Unterkunft und Bildung zur Verfügung stellte und deren Umsiedlung in Drittländer vorantrieb. Flüchtlingen und Asylbewerbern ist es nicht erlaubt im staatlichen Schulsystem zu arbeiten oder sich einzuschreiben, viele arbeiten informell (USDOS 20.4.2018).

Nach den durch radikale Mönche angestachelten Angriffen auf 31 Rohingya-Flüchtlinge im September 2017 beeilte sich die Regierung diese Angriffe zu verurteilten und gleichzeitig klarzustellen, dass sie mit dem UNHCR nach dauerhaften Aufnahmemöglichkeiten für die Rohingyas im Ausland suche (AA 16.12.2007).

19. Wirtschaft/ Grundversorgung

Die sri-lankische Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren gut entwickelt. Nach dem Ende der weltweiten Rezession und des Bürgerkriegs kam es zu einem positiven Bruttoinlandsprodukt (BIP) und einem Wachstum, das 2011 mit 8,2% seinen Höhepunkt erreichte. Nach einem Rückgang auf 3,4% im Jahr 2013 stabilisierte sich die Wachstumsrate 2014 und 2015 bei 4,8% (BTI 2018). Für 2018 wird mit einem Wachstum von 4,8% gerechnet. 2017 betrug das BIP 83,6 Mrd. USD, das waren pro Kopf der Bevölkerung 3.906 USD. Für 2018 wird ein BIP von 87,2 Mrd. USD und ein BIP pro Kopf von 4.049 USD prognostiziert (AA 3.2018b). Das Wachstum wurde sowohl durch staatlich geförderte große Bauprojekte, als auch durch verbesserte Erträge für Reis, Tee und andere Produkte, sowie durch die Wiederbelebung der Fischerei (2010-2014) gefördert. Im vergangenen Jahr ging die Teeproduktion jedoch leicht zurück und ungünstige Witterungsverhältnisse dürften die Reiserträge im Jahr 2017 reduzieren (BTI 2018).

Die Arbeitslosigkeit lag 2017 bei 4,0 %. Problematisch ist die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die im Jahr 2016 bei 21,6% lag und im dritten Quartal von 2017 auf 18,3 % abgesunken ist. Die wirtschaftliche Entwicklung Sri Lankas weist große regionale Unterschiede auf. Wirtschaftliches Zentrum ist die Region um Colombo, die fast die Hälfte der gesamten Wirtschaftsleistung erbringt. Die öffentliche Verschuldung lag Ende 2017 bei 79,6% des BIP; Für 2018 wird ein Wert von 77,6% des BIP erwartet. Der IWF bewilligte Sri Lanka im Juni 2016 einen Kredit i.H.v. 1,5 Mrd. USD (Extended Fund Facility) (AA 3.2018b).

Im „Doing Business Index“ der Weltbank erlebte Sri Lanka 2017 einen Abstieg von Rang 109 von 190 Ländern auf Rang 111. 80% des Bruttoinlandsproduktes werden von der privaten Wirtschaft erbracht. Allerdings stellen eine nach wie vor sozialistisch geprägte Arbeitsgesetzgebung und unklare bürokratische Entscheidungsabläufe für ausländische Investoren ein Hindernis dar. 2016 sind über die Investitionsbehörde, Board of Investment, 801 Mio. USD an ausländischen Investitionen zugeflossen (Vorjahr 970 Mio USD) (AA 3.2018b).

Rückkehrer sind auf sich allein gestellt bzw. von der Unterstützung durch Verwandte oder Bekannte abhängig. Ohne solche Unterstützung ist es für Rückkehrer nach wie vor schwierig, in angemessener Zeit wirtschaftlich und sozial wieder in Sri Lanka Fuß zu fassen. Die in der Vergangenheit große Beteiligung des Militärs am privatwirtschaftlichen Sektor, insbesondere in der Fischerei und in Form von „Army Shops“, erschwerte Heimkehrern im Norden die Wiederaufnahme ihres Gewerbes. Durch den angekündigten Rückzug des Militärs - 34 - aus kommerziellen Aktivitäten ist jedoch in dieser Hinsicht Besserung zu erwarten. Eine Grundversorgung von staatlicher Seite gibt es nicht (AA 16.12.2017).

20. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung in Sri Lanka ist landesweit gut. Es gibt kostenlose staatliche Krankenhäuser und staatliche ambulante Behandlungsstellen, die Krankenbehandlungen vornehmen und notwendige Medikamente gratis zur Verfügung stellen (AA 16.12.2017; vgl. DÄ 2016). Dies gilt auch für die Behandlung der Insassen von Vertriebenen- und Rehabilitationslagern sowie, wenn auch mit Wartezeiten verbunden, für Haftanstalten. Daneben gibt es, vor allem in Colombo, einige Privatkrankenhäuser mit gutem medizinischem Standard. Psychiatrische Betreuung von Rückkehrern kann durch staatliche Krankenhäuser gewährleistet werden (AA 16.12.2017).

Die medizinische Versorgung in Sri Lanka ist zweigeteilt. Auf dem Land wird Medizin oft noch nach alter Tradition praktiziert. Angewendet wird vor allem die jahrtausendealte Heilkunst Ayurveda, für die Sri Lanka berühmt ist. In vielen Dörfern gibt es einen Arzt und eine Hebamme, die sich um die Primärversorgung der Bevölkerung kümmern. Schlangenmedizinmänner versorgen Menschen nach Bissen von giftigen Reptilien. In den städtischen Gebieten dominiert dagegen westliche Medizin, die als Überbleibsel aus der Kolonialzeit, auf den Grundpfeilern des britischen Gesundheitswesens fußt (DÄ 2016). Die medizinische Versorgung ist in den großen Städten und Tourismuszentren ausreichend bis gut, entspricht aber nicht überall europäischem Standard. Im Colombo ist die medizinische Versorgung in einzelnen Fachbereichen durchaus auch auf einem hohen bis sehr hohen Niveau (AA 8.5.2018).

In Sri Lanka gibt es auf 1.000 Einwohner 0.881 Mediziner und 2.794 Krankenpflege- und Geburtshilfefachkräfte (WHO 5.2017).

Trotz niedriger Investitionen von lediglich 3,2% des Bruttoinlandsprodukts (Stand 2012) sind entscheidende Kennziffern im Gesundheitssektor vergleichbar oder gar besser als in weiter entwickelten Ländern der Region. Zum Beispiel beim Blick auf die Lebenserwartung wird deutlich, welche Fortschritte das Land trotz seiner schwierigen Geschichte macht. Im Jahr 1960 wurden die Bewohner Sri Lankas im Durchschnitt 62 Jahre alt. 2013 betrug die durchschnittliche Lebenserwartung 72 Jahre bei Männern und 78 Jahre bei Frauen. Ein weiteres Beispiel: Die Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren ist innerhalb von 20 Jahren von 38 Todesfällen bei 1.000 Geburten auf zehn gesunken. Beeindruckend ist die Dichte von öffentlichen Gesundheitseinrichtungen und Kliniken im Land (DÄ 2016).

Die Regierung setzt sich für eine flächendeckende Gesundheitsversorgung und eine nachhaltige Entwicklung ein. Im Jahr 2017 startete die Regierung die Vision 2025, die vorrangige Reformen unterstreicht, um das Land wettbewerbsfähiger zu machen und den Lebensstandard aller Einwohner Sri Lankas anzuheben. Es erkannte auch die Notwendigkeit an, die ungleiche sozioökonomische Entwicklung in den Provinzen und die rasch alternde Bevölkerung zu behandeln. Als Teil dieser Vision verabschiedete die Regierung den Sri Lanka Sustainable Development Act, Nr. 19 von 2017, um die Verwirklichung zu beschleunigen und sektorübergreifende und integrierte Ansätze zur Gewährleistung der Gesundheit und des Wohlergehens der Bevölkerung zu verfolgen (WHO 5.2017). - 35 -

Es gibt 23 UN-Organisationen, darunter auch die WHO, die eng mit der Regierung Sri Lankas zusammenarbeiten und sich dabei vom Rahmen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung 2018-2022 leiten lassen (WHO 5.2017).

Personen, die HIV-Präventionsdienste angeboten haben, und Gruppen mit hohem Infektionsrisiko wurden Berichten zufolge diskriminiert. Darüber hinaus haben Krankenhausbeamte Berichten zufolge den HIV-positiven Status ihrer Klienten veröffentlicht und sich gelegentlich geweigert, HIVpositive Personen zu behandeln (USDOS 20.4.2018).

21. Rückkehr

Rückkehrer müssen grundsätzlich keine staatlichen Repressalien fürchten, jedoch müssen sie sich nach der Rückkehr Vernehmungen durch das National Bureau of Investigation und das Criminal Investigation Department stellen. Ob es dabei zur Anwendung von Gewalt kommt, ist nicht bekannt. Spezielle Einrichtungen für unbegleitete Minderjährige bestehen nicht (AA 16.12.2017).

Bei der Einreise am Flughafen von Colombo mit gültigem sri-lankischem Reisepass werden die Einreiseformalitäten zumeist zügig erledigt. Dies gilt auch für Zurückgeführte (AA 16.12.2017).

Anders verhält es sich jedoch, wenn Rückkehrer keinen sri-lankischen Reisepass vorlegen können, sondern nur ein von einer sri-lankischen Auslandsvertretung ausgestelltes Reisedokument zur einmaligen Rückkehr nach Sri Lanka (Identity Certificate Overseas Missions, ICOM, auch Emergency-Passport genannt) vorweisen. In diesen Fällen werden die betroffenen Personen regelmäßig von der Einreisebehörde sowie von der Kriminalpolizei (CID) einer Personenüberprüfung unterzogen und zu Identität, persönlichem Hintergrund und Reiseziel befragt. Es ist nicht auszuschließen, dass von den sri-lankischen Auslandsvertretungen im Datensatz der betreffenden Personen ein entsprechender Vermerk veranlasst oder im Reisedokument angebracht wird. Den sri-lankischen Staatsangehörigen wird seitens der srilankischen Behörden kommuniziert, dass sie nur mit einem sri-lankischen Pass wieder ausreisen dürften. Fälle diskriminierender Behandlung auf diese Weise Einreisender (auch bei Tamilen) sind nicht bekannt. Ohne Vorlage eines Ausweisdokuments können Rückkehrer nicht einreisen (AA 16.12.2017).

Die Abteilung Operations & Migrant Services (OMS) von IOM Sri Lanka ist verantwortlich für die Bereitstellung von Lösungen zur Wiederansiedlung und Visumunterstützung für Einwanderer, Flüchtlinge, Einwanderungs- und Konsularabteilungen, diplomatische Missionen, Wiederansiedlungsstellen und Visumantragsteller im Zusammenhang mit temporärer oder permanenter Migration (IOM o.D.)

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers einschließlich seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Herkunft, seiner Schulbildung, seiner Berufserfahrung und seines familiären Umfeldes stützen sich auf seine - 36 - insoweit glaubwürdigen Angaben. Dass der Beschwerdeführer an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit leidet, ergibt sich aus seinen Angaben in den jeweiligen Befragungen. Der Beschwerdeführer fügte sich im Laufe seines Verfahrens oberflächliche Schnittverletzungen zu. Daraus ergibt sich jedoch keine schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigung. Aufgrund seines Gesundheitszustandes, seines Alters, seiner Schulbildung und seiner Berufserfahrung konnte auch festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer arbeitsfähig ist.

Die Feststellungen zur Lebenssituation des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergeben sich im Wesentlichen aus seinen dahingehend nachvollziehbaren Angaben in den Einvernahmen und der verhältnismäßig kurzen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet.

Soweit der Beschwerdeführer Umstände vorbringt, wonach eine konkrete Gefährdung betreffend seine Person in Sri Lanka bestehe, ist dessen Vorbringen nicht glaubhaft.

Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass sein Geschäftsbetrieb im Jahr 2019 nach einem Bombenanschlag in XXXX , für den man Moslems verantwortlich gemacht habe, eingebrochen sei. Daher habe er nach Europa reisen wollen, um einer Arbeit nachzugehen. Er habe einem Mann namens XXXX 500 000 Rupien gezahlt, damit ihm dieser eine Arbeitsbewilligung für Europa besorge. Dieser habe ihm eine solche Bewilligung jedoch nie ausgehändigt. Als der Beschwerdeführer mehrfach nachgefragt habe, hätte XXXX , der politischen Einfluss gehabt habe, ihn bedroht.

Der Beschwerdeführer war nicht in der Lage, widerspruchsfreie und konkrete Angaben zu seinem Fluchtgrund und der Verfolgung durch XXXX zu machen. Insgesamt kann dem Vorbringen des Beschwerdeführers lediglich entnommen werden, dass er Sri Lanka aus wirtschaftlichen Zwecken verlassen wollte.

Zunächst fällt auf, dass der Beschwerdeführer den Betrag, den er dem Schlepper geschuldet hätte, in äußerst widersprüchlicher Weise wiedergab. Während der Beschwerdeführer bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 23.02.2020 angab, XXXX 5 Millionen Rupien bezahlt zu haben, erklärte er in seiner Erstbefragung sowie in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA, dass er 500 000 Rupien an XXXX bezahlt habe. Auch die Angaben zu der Bezahlung des zweiten Schleppers XXXX weichen voneinander ab. So erklärte er in der Beschuldigtenvernehmung, Herrn XXXX 500 000 Sri-Lankische Rupien bezahlt zu haben, während er in der niederschriftlichen Einvernahme nur noch von 50 000 Rupien berichtete. - 37 -

Es ist darüber hinaus nicht glaubhaft, wenn der Beschwerdeführer in seiner Beschuldigtenvernehmung angibt, dass er von XXXX bedroht worden sei, ihm genau dieser dann jedoch einen anderen Schlepper, Herrn XXXX , organisiert haben soll, der dem Beschwerdeführer für 500 000 Rupien schließlich vier italienische Dokumente besorgte.

Unplausibel ist außerdem, dass der Schlepper den Beschwerdeführer mit dem Umbringen bedroht haben soll, zumal dieser sein Geld bereits erhalten habe. Nachdem der Beschwerdeführer die Leistung nicht legal hätte zurückfordern können, da er das Geld für einen illegalen Beschaffungsvorgang überwiesen haben soll, hätte der Schlepper XXXX auch keinen Grund gehabt, dem Beschwerdeführer mit dem Umbringen oder der Misshandlung (auch das gibt der Beschwerdeführer widersprüchlich an) zu drohen.

Auch die Behauptungen des Beschwerdeführers, XXXX habe eine politische Machtstellung inne, blieben ebenso wie die Aussagen zu den Kontaktaufnahmen mit dem Schlepper vage und widersprüchlich. So ist nicht glaubhaft, dass der Schlepper, der keinen weiteren Kontrakt zum Beschwerdeführer wollte, ihn zweimal angerufen haben soll, um ihm zu sagen, dass er nicht mehr anrufen solle, andernfalls er ihn umbringen würde.

Der Beschwerdeführer machte, wie den Ausführungen des BFA zu entnehmen ist, bei diesem an sich kurzen und überschaubaren Sachverhalt verschiedene Angaben, sowohl über die Anzahl der Bedrohungen als auch über deren Inhalt, und ist zum anderen der Grund für die Bedrohung völlig unverständlich.

Insgesamt betrachtet sind die Aussagen zu dem geschilderten Sachverhalt vage, widersprüchlich und unplausibel, sodass einzig und allein der Schluss zuzulassen ist, dass sein Vorbringen betreffend eine konkrete, ihn selbst betreffende Verfolgungsgefahr nicht den Tatsachen entspricht.

Die Feststellungen zur aktuellen allgemeinen Lage in Sri Lanka gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen (dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA, gesamtaktualisiert am 24.05.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 15.05.2019). Der Beschwerdeführer ist den Länderfeststellungen des Bundesamtes weder im Zuge der Einvernahmen noch in der Beschwerdeschrift ausreichen konkret entgegengetreten. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Sri Lanka zugrunde gelegt wurden. Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte, wonach sich die allgemeine Lage - 38 - zwischenzeitig in einer Weise verändert hätte, die von Amts wegen wahrzunehmen gewesen wäre.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Seine Entscheidung hat es an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage auszurichten (vgl. VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076).

Zu A) - 39 -

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, - 40 -

Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse, sondern erfordert eine Prognose (vgl. VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397). Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (vgl. VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht – diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann –, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten - 41 - solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Umstände, die individuell und konkret den Beschwerdeführer betreffen und auf eine konkrete Verfolgung des Beschwerdeführer hindeuten könnten, konnten nicht festgestellt werden. Demzufolge ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine asylrelevante Verfolgungsgefahr.

Das Verlassen des Herkunftsstaates aus persönlichen Gründen oder wegen der dort vorherrschenden prekären Lebensbedingungen stellt keine relevante Verfolgung im Sinne der GFK dar. Auch Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen keine Verfolgung im Sinne der GFK dar.

Es bestehen auch keine ausreichenden Hinweise dafür, dass sich aus der allgemeinen Situation allein etwas für den Beschwerdeführer gewinnen ließe, zumal keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen, dass der Beschwerdeführer schon allein auf Grund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu fürchten habe.

Wenngleich nicht verkannt wird, dass es in Sri Lanka immer wieder zu Angriffen bzw. Diskriminierungen von muslimischen Personen gekommen ist, erreichen diese Diskriminierungen auch nach dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation kein Ausmaß asylrelevanter Verfolgung.

Da sohin keine Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat in asylrelevanter Weise bedroht wäre, ist die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten durch das BFA im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens - 42 - oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur EMRK betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

Betreffend eine mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK durch Abschiebung eines Antragstellers in seinen Heimatstaat, ergibt sich aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, nicht genügt, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 20.06.2002, 2002/18/0028; 27.02.2001, 98/21/0427).

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (vgl. VwGH 30.06.2001, 97/21/0560; 26.06.1997, 95/21/0294).

In seinem rezenten Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/006, hat der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf sein Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, klargestellt, dass es zu keiner unmittelbaren Anwendung der Statusrichtlinie komme und keine richtlinienkonforme Interpretation des § 8 Abs. 1 AsylG möglich sei, sodass an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes festgehalten werde, „wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat – auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird – die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG begründen kann“.

In ständiger Rechtsprechung hält der Verwaltungsgerichtshof fest, dass bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur - 43 - allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. ua VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; 21.02.2017, Ra 2017/18/0137, jeweils mwN).

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. ua VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11; 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; 08.09.2016, Ra 2016/20/006; 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, mwN). Diese Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (vgl. VwGH 30.09.1993, 93/18/0214). In diesem Zusammenhang verweist der Verwaltungsgerichtshof jüngst auf die ständige Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, wonach es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde – grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos darzulegen, dass ihr im Fall der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095, mwN unter Verweis auf EGMR 05.09.2013, 61.204/09, I/Schweden; siehe auch VwGH 21.02.2017, Ra 2017/18/0137).

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG nicht gegeben sind:

Wie die Beweiswürdigung ergeben hat, ist das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer ihn selbst betreffenden Verfolgungsgefahr unglaubhaft, weshalb auf Grund des konkreten Vorbringens des Beschwerdeführers auch keinerlei Bedrohung im Sinne des § 8 AsylG erkannt werden kann. - 44 -

Im Hinblick auf die Feststellungen zur allgemeinen Situation, derzufolge die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gewährleistet ist, kann auch nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer, der in Sri Lanka aufgewachsen ist, im Falle einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geriete. Der Beschwerdeführer ist ein arbeitsfähiger, junger Mann mit Schulbildung und Arbeitserfahrung, sodass es ihm zumutbar ist, sich in seiner Heimat den notwendigen Unterhalt zu sichern. Er verfügt zudem in seiner Heimat über soziale Anknüpfungspunkte (seine Eltern und Geschwister sowie seine Ehefrau und seine Tochter), weshalb auch von daher nicht angenommen werden kann, der Beschwerdeführer geriete im Falle einer Rückkehr in eine lebensbedrohliche Notlage. Schwierige Lebensumstände genügen für eine Schutzgewährung im Sinne des § 8 AsylG nicht.

Da sohin keine Gründe für die Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer im Heimatland im Sinne des § 8 AsylG bedroht wäre, ist die durch das BFA ausgesprochene Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Sri Lanka nicht zu beanstanden.

Zu Spruchpunkt III., IV. und V. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10. Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG vorliegt.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen: 1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht, - 45 -

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder 3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 105/2019, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Februar 2020 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Sri Lanka kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein - 46 -

Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. (2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, 4. der Grad der Integration, 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit, 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; - 47 - vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich.

In seiner Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte. - 48 -

Der Beschwerdeführer befindet sich seit neun Monaten im Bundesgebiet. Bereits aufgrund dieses sehr kurzen Aufenthaltszeitraumes kann von keiner sonderlichen Integrationsverfestigung im Bundesgebiet ausgegangen werden, zumal der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass der Aufenthalt des Asylwerbers im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte (VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479). Dieser Aufenthalt wird zudem dadurch relativiert, dass er bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war, was dem Beschwerdeführer bewusst gewesen sein musste. Ausgeprägte private und persönliche Interessen hat er im Verfahren nicht dargetan. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Deutschkenntnisse, hat keine familiären oder privaten Bindungen in Österreich und zeigte auch sonst keine Integrationsbemühungen. Es ist davon auszugehen, dass im Fall des Beschwerdeführers - wenn überhaupt - nur ein geringer Grad an Integration erreicht worden ist. Die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich ist aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt hat, nur in geringem Maße gegeben. Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort seine Familienangehörigen, nämlich seine Eltern, seine Geschwister, seine Ehefrau und sein Kind leben, zu denen er regelmäßigen Kontakt pflegt.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, Zl. 2002/18/0112).

Die Dauer des Verfahrens übersteigt auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist, sodass im vorliegenden Fall nicht davon auszugehen ist, dass allein schon die lange Dauer des Asylverfahrens einen wichtigen, im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK zu berücksichtigenden Gesichtspunkt darstellt (vgl. VfGH 12.06.2013, U485/2012).

Daher ist davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus - 49 - der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.

Daher sind auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG nicht gegeben.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde. - 50 -

Auch im Hinblick auf die weltweite Ausbreitung des COVID-19-Erregers unter Zugrundelegung der Entwicklungen (auch) im Herkunftsland des gesunden Beschwerdeführers kann bislang keine derartige Entwicklung erkannt werden, die eine Abschiebung unzulässig machen würde.

Zu Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides: Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, im gegenständlichen Fall erfüllt. Der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung reicht aber bei sonstigem Vorliegen der Voraussetzung des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht aus, um eine Verhandlungspflicht zu begründen (vgl. VwGH 22.11.2006, Zl. 2005/20/0406 und viele andere).

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. - 51 -

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.