Frauenspuren Yopic.Pdf
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1 Einführung In den letzten sechs Monaten haben sich die Teilnehmer/innen der Maßnahme „Frauenspuren“auf Spurensuche gemacht. Das sollte kein leichtes Unterfangen werden, das war von Anfang an vollkommen klar: denn die Teilnehmer/innen waren keine Autoren, Journalisten, gelernte Rechercheure, professionelle Texter oder Fotografen. Umso mehr erfreut es, diese Broschüre in den Händen zu halten. Die Projektleiterin Christiane Oehlmann unterstützte die Teilnehmer/innen, leitete sie an, lobte und kritisierte sie, denn eine Broschüre zu schreiben, Texte zu verfassen oder in Archiven zu recherchieren war zuvor die Sache der meisten Teilnehmenden nicht. Aber mit viel Mühe und Geduld gelang es. Es ist keine wissenschaftliche Arbeit, und YOPIC e.V. hat nach bestem Wissen recherchiert und dokumentiert, eventuell auftretende kleine Fehler bitten wir jetzt schon zu entschuldigen. Eine echte Pionierarbeit ist die Übersicht der einzelnen Schulfusionen von Schulen in Steglitz-Zehlendorf, die es in dieser vorliegenden Form bisher nicht gibt. Dank sei den fleißigen Teilnehmenden an dieser Maßnahme. Frauen in Steglitz-Zehlendorf, deren Leben von sozialer, kultureller oder politischer Bedeutung war, sind zahlreich vorhanden, mehr als vermutet. Die männlich geprägte Geschichtsschreibung vergaß nur leider häufig, ihre Bedeutung für die Nachwelt festzuhalten. Oft war es ein Kampf der Frauen, ihre Ziele, ihre Vorhaben durchzusetzen. Geschenkt wurde ihnen nichts. Die Broschüre will nicht nur einzelne Frauenporträts skizzieren, sondern sie gibt auch jeweils Informationen über den jeweiligen gesellschaftspolitischen Kontext: Die Rolle der Frau in Bildung und Wissenschaft, wie und wo entwickelte sich das Engagement in der Sozialarbeit, wann und wie konnten Frauen mit ihren Talenten und Künsten ans Licht der Öffentlichkeit treten und wie verhielten sich Frauen in der NS-Zeit. Einzelne Frauenporträts sollen hier stellvertretend für die vielen Schicksale stehen. Ein ganz großer Dank gilt dem Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf und der Frauenbeauftragten, die überhaupt den Druck dieser Broschüre realisieren konnten. Denn es sind mehr Porträts geworden, als gedacht, es ist mehr geleistet worden als zu vermuten war. Die Ergebnisse sollen deshalb auch ihre Würdigung im Druck und in der Verbreitung finden. Erdacht war dieses Projekt zusammen mit der Frauenbeauftragten des Bezirkes Hildegard Josten, der wir hier für ihren warmherzigen Zuspruch zum Gelingen danken. Die Umsetzung unseres Vorhabens hatte viele Unterstützer/innen, die namentlich in dieser Broschüre einzeln aufgeführt sind. Für die großzügige Hilfe beim Zustandekommen dieses gemeinnützigen Projektes danken wir allen aufs Herzlichste. YOPIC e.V. dankt herzlich dem Jobcenter Steglitz-Zehlendorf, das YOPIC e.V. das Vertrauen in das Gelingen dieses anspruchsvollen Projektes geschenkt und die Maßnahme gefördert hat. Sabine Engel Bereichsleiterin YOPIC e.V. 2 Vorwort der Frauenbeauftragten Frauen haben Geschichte genau so geprägt, wie Männer, nur unter einer anderen Perspektive und mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Das hatte einen Grund: Frauen war lange Jahre der Zugang zu Bildung, Wissenschaft und Politik verwehrt. Viele von ihnen haben sich dessen ungeachtet nicht aufhalten lassen und sind trotz vieler Hindernisse und erheblicher Schwierigkeiten mutig und selbstbewusst ihren Weg gegangen. Sie waren Pionierinnen und Vorbilder und haben den Weg für Frauen bis heute geebnet. Die offizielle Geschichtsschreibung ist unverändert männerdominiert. Das zeigt sich auch in unserem Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Straßen, Plätze und Gedenktafeln werden bzw. wurden überwiegend nach mehr oder weniger bekannten Männern benannt. Dabei gibt es ebenso viele Frauen, die jedoch oft auf den ersten Blick nicht so ohne weiteres erkennbar sind. In einer Maßnahme, die durch das Jobcenter Steglitz-Zehlendorf gefördert wurde, haben sich die Teilnehmenden auf die Suche begeben und sind fündig geworden. Das Wirken von Frauen in der Geschichte des Bezirks sichtbar zu machen und sie zu würdigen, war das Anliegen dieses Projektes. Das Ergebnis ist die vorliegende Broschüre „Frauenspuren – Porträts fast vergessener Frauen in Steglitz-Zehlendorf“. Bei einem persönlichen Gespräch mit der Projektgruppe habe ich erlebt, mit wie viel Interesse und Neugier sie recherchiert und mir „ihre“ Frauen vorgestellt haben. Wissenschaftlerin, Seiltänzerin, Lehrerin, Künstlerin, Politikerin – die Vielfalt der historischen Frauenleben, die hier vorgestellt werden, ist beeindruckend. Ich möchte mich ganz herzlich bei allen Mitwirkenden für dieses Engagement bedanken und für das gute Ergebnis. Sie haben mit dazu beigetragen, den traditionell männlich geprägten Blick in der Historie zu relativieren und die ganze Geschichte zu würdigen. Und ich hoffe sehr, dass dieses Projekt an anderer Stelle eine Fortsetzung findet, denn es gibt noch viele Frauenleben die darauf warten, entdeckt und gewürdigt zu werden. Hildegard Josten Frauenbeauftragte Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin 3 Inhaltsverzeichnis Seite Seite Einführung 2 Künstlerinnen und Lebens-Künstlerinnen Vorwort der Frauenbeauftragten 3 Frauen in der Kunst im Wandel des 19. / 20. Jahrhunderts 29 Frauenbewegung und Emanzipation 5 Lizzie Hosaeus 30 Marie Louise Becker 6 Johanna Margarete Sultan 32 Ingeborg Wilutzky 34 Bildung und Wissenschaft Elisabeth Wurster 35 Frauenbildung im 19. / 20. Jahrhundert 8 Maria Spelter 36 Zeittafel der Frauenbildung 10 Martha Rinow 37 Clara Immerwahr 11 Wilma von Düring 13 NS-Zeit und Widerstand Karen Horney 15 Kirchlicher Widerstand und Verfolgte des NS-Regimes 39 Adelheid Krahmer 17 Helene Jacobs 40 Eleonore Lemp 19 Margarete Meusel 42 Maria Tancke 21 Gertrud Staewen 43 Entwicklung der Mädchenschulen in Groß- 22 Elisabeth Schmitz 44 Lichterfelde Ruth Agnes Simon 46 Martha Liebermann 47 Sozialarbeit Weibliche Sozialarbeit im 19. / 20. Jahrhundert 24 Danksagung 49 Elsbeth von Keudell / Hedwig von Rittberg 25 Bildnachweise 50 Leonore Heinemann 27 Impressum 4 Frauenbewegung und Emanzipation Die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben schuf die Voraussetzung für Frauen, sich über Bildung andere Welten zu erschließen und ihre herkömmliche Rolle infrage zustellen. Wegweisend war zu Beginn des 19. Jahrhunderts Luise Otto-Peters. Mit der Gründung des „Allgemeinen deutschen Frauenvereins" setzten sich ihre Mitstreiterinnen für die Bildung von Frauen ein und gegen alles, was ihrer Entfaltung entgegenstand. 1866 wurde der „Lette-Verein" zur Vermittlung weiblicher Arbeit gegründet und in den siebziger und achtziger Jahren schlossen sich Frauen in 2500 Vereinen zusammen und bildeten im „Bund deutscher Frauenvereine" einen Dachverband mit beinahe einer halben Million Mitglieder. Aber Ehe und Mutterschaft blieben selbst für die Vorreiterinnen der Emanzipationsbewegung die „natürliche" Bestimmung der Frau und waren der Berufstätigkeit unterzuordnen, zumindest im mehrheitlich bürgerlichen Lager des Bundes. Ökonomische Unabhängigkeit und politische Einflussnahme galten als Hauptanliegen der proletarischen Frauenbewegung, womit die Ende des 19. Jahrhunderts gebildeten Arbeiterinnenvereine mit ihren Forderungen eher an den Herrschaftsverhältnissen rüttelten. 1891 nahmen die Sozialdemokraten das Frauenwahlrecht als Ziel in das Parteiprogramm auf, offizielle Parteimitgliedschaft war Frauen allerdings bis 1908 aufgrund des bestehenden Vereinsrechts verschlossen. Nach jahrzehntelangem Kampf um staatsbürgerliche Gleichstellung wird am 12. November 1918 das Frauenwahlrecht in Deutschland gesetzlich verankert. 82 Prozent der wahlberechtigten Frauen geben im Januar 1919 ihre Stimme ab und 37 weibliche Abgeordnete ziehen ins Parlament ein. Nach dem Ersten Weltkrieg gingen die Frauen gegen den Paragrafen 218 und für das Recht auf den eigenen Körper auf die Straße. Sexualreformen und Pazifismus waren genauso Themen wie eine sichtbar zunehmende Eigenständigkeit in allen gesellschaftlichen Bereichen. Verheiratete Frauen führten ein angeseheneres Leben als Ledige, aber der Mann entschied, ob und wieweit die Frau sich bilden oder berufstätig sein durfte, wobei ein gewisser Bildungsgrad auch positive Auswirkungen auf den beruflichen und öffentlichen Stand des Mannes haben konnte. Das Frauenbild in der NS-Zeit war von einer rückständigen Weltanschauung geprägt und betonte wieder die Rolle der Frau als Mutter und Hausfrau. Die Frauenvereine wurden gleichgeschaltet und dem Bund Deutscher Mädel, der NS-Frauenschaft oder dem Frauenwerk eingegliedert. Ein Drittel der Frauen waren in den Dreißigerjahren so in der NS-Gesellschaft integriert. Insofern sie den Idealen der Bewegung folgten, hatten sie eine neue Wichtigkeit und gesellschaftliche Aufwertung erlangt und wurden geächtet, wenn sie sich davon ausschlossen. Wenige gingen den mutigen Weg, sich dem Widerstand anzuschließen. Während die DDR und die BRD nach dem Zweiten Weltkrieg die Frau per Gesetz dem Manne gleichstellten, legte der sozialistische Staat großen Wert auf ihre Erwerbstätigkeit bei gleichzeitiger Bereitstellung von Kindergartenplätzen. Wollte eine Frau im Westen arbeiten, durfte sie das bis 1977 nicht ohne Einwilligung ihres Ehemanns, und bis 1958 konnte der Mann den Anstellungsvertrag der Frau ohne deren Zustimmung fristlos kündigen. Erst nach 1969 wurde eine verheiratete Frau als geschäftsfähig angesehen. Vor diesem Hintergrund verdienen die hier Porträtierten besonderen Respekt, da sie in jedem Fall gegen gesellschaftliche Konventionen agieren mussten, sei es sozial, politisch oder künstlerisch. 5 Marie Luise Becker 1871 – 1960 Autorin, Frauenrechtlerin,