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Handlungskonzept

Integrationsmanagement „BENN – Entwickelt Neue Nachbarschaften“

in der Berlin-

Fortschreibung 2019

Integrationsmanagement BENN - Berlin Entwickelt Neue Nachbarschaften

BENN in der Wilhelmstadt Adamstrasse 40 13595 Berlin [email protected]

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1. Inhalt 0. Einleitung ______2 1. Aktuelle Situation ______3 1.1. Gebietskarte mit Flüchtlingsunterkünften und Infrastruktureinrichtungen ______3 1.2. Die Wilhelmstadt und die Unterkünfte ______4 1.3. Situation in den Gemeinschaftsunterkünften ______5 1.4. Beratungsangebote für Geflüchtete ______5 1.5. Identifikation der Bewohner_innen mit der Nachbarschaft ______6 1.6. Sport- und Freizeitangebote ______6 1.7. Nachbarschaftstreffpunkte und Orte der Integration ______8 1.8. Bürgerschaftliches Engagement ______8 1.9. (Rechts-)Extremismus, Gewalt und Kriminalität ______9 1.10. Bisheriger Einsatz von Sach- und Honorarmitteln ______10 1.11. Einsatz öffentlicher Fördermittel für Integrationsmaßnahmen ______10 1.12. Struktur und Schwerpunkte des Bewohnerrats ______11 1.13. Struktur und Schwerpunkte des Nachbarschaftsforums „Zukunftstag“ ______11 1.14. Eigeninitiativen zur Verbesserung der Lebenssituation der Geflüchteten ______12 1.15. Zwischenbilanz: Welche Ziele wurden erreicht? ______12 2. Ziele und Handlungsbedarfe ______14 2.1. Nachbarschaft und Integration ______14 2.1.1. Zukünftiger Einsatz von Sach- und Honorarmitteln ______14 2.1.2. Beratungsangebote für Geflüchtete ______14 2.1.3. Identifikation der Bewohner_innen mit der Wilhelmstadt ______15 2.1.4. Nachbarschaftliche Aktivitäten und Projekte ______15 2.1.5. Engagement der Unterkunftsbewohner für die Nachbarschaft ______16 2.1.6. Orte der Integration ______16 2.1.7. (Rechts-)Extremismus, Gewalt und Kriminalität ______17 2.2. Bürgerschaftliches Engagement und Selbstorganisation ______17 2.3. Vernetzung und Kooperation ______18 2.4. Beteiligung ______18 2.4.1. Welche Gruppen werden wie erreicht? ______18 2.4.2. Zusammensetzung und inhaltliche Schwerpunkte des Zukunftstages ______19 2.4.3. Beteiligung der Geflüchteten an offenen Veranstaltungen und Gremien ____ 19 2.4.4. Selbstorganisation des Bewohnerrats ______19 2.5. Empowerment ______20 2.6. Weitere Handlungsbedarfe ______20 3. Abgeleitete Handlungsschritte ______21 3.1. Geplante Aktionen und Maßnahmen ______21 4. Öffentlichkeitsarbeit ______22 5. Fazit ______23

1 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

0. Einleitung Durch die anhaltende Zuwanderung nach Berlin und die große Anzahl Geflüchteter verändern sich Nachbarschaften, was Potenziale birgt, jedoch auch Konflikte verursachen kann.1 Mit dem Programm BENN Berlin Entwickelt Neue Nachbarschaften der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen soll daher im Umfeld großer Unterkünfte für Geflüchtete der nachbarschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden. Dies soll dadurch erreicht werden, das neue und länger ansässige Nachbar_innen aktiviert werden, gemeinsame Aktionen durchzuführen und Geflüchtete unterstützt werden, ihre eige- nen Lebensräume selbstbestimmt zu gestalten. In der Nachbarschaft der Notunterkunft Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne (wurde Ende 2018 geschlossen) und der Gemeinschaftsunter- künfte (GU) „Am Oberhafen“ und „Pichelswerder Straße“ wurde in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Spandau ein BENN-Team in der Wilhelmstadt eingesetzt. Aufgabe der Teams ist zudem, ehrenamtliches Engagement zu fördern sowie Beteiligungsprozesse zu organisieren und Netzwerke und Kooperationen aufzubauen. Grundlage dieser Arbeit ist ein Handlungskonzept, welches regelmäßig unter Beteiligung aller relevanten Akteure fortgeschrieben wird, um auf Veränderungen und neue Erkenntnisse zeit- nah eingehen zu können. Um Geflüchtete gleichberechtigt zu beteiligen, fanden Bewohnertreffen in den Gemeinschafts- unterkünften für Geflüchtete „Am Oberhafen“, und „Pichelswerder Straße“ statt. Darüber hin- aus wurden über Einzelgespräche, telefonische Interviews und Fragebögen relevante Akteure (Kinder-, Jugend, Familien- und Freizeiteinrichtungen, Vereine, Organisationen und Träger der sozialen Arbeit) einbezogen. Informationen zur aktuellen Situation und Bedarfen in den Unter- künften lieferten die Ehrenamtskoordinatorinnen der beiden Unterkünfte. Über das Bezirksamt Spandau erhielt BENN die aktuellen Belegungszahlen basierend auf Angaben des Landesam- tes für Flüchtlingsangelegenheiten LAF sowie einen Überblick über weitere Fördermaßnah- men im Bereich Integration. Zudem befragte BENN im Rahmen des „Wilhelmstädter Zukunfts- tags“ Nachbar_innen und Bewohner_innen der Flüchtlingsunterkünfte und besuchte Netz- werkveranstaltungen sowie Gremien. Die Wilhelmstadt ist ein förmlich festgesetztes Sanierungsgebiet in dessen Verfahren ein In- tegriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK) partizipativ mit Bürger_innen, Fachämtern, dem BENN-Team in der Wilhelmstadt und Akteuren der Zivilgesellschaft entwickelt wurde, welches zum Zeitpunkt der Erstellung des hier vorliegenden Konzeptes in der Entwurfsfassung vorlag. Es bietet eine umfangreiche Analyse des Sozialraums vor allem im Hinblick auf bestehende Infrastrukturen. Dieses wurde als Grundlage ebenso herangezogen wie das Soziale Infrastruk- tur-Konzept (Siko). Sozial- und Strukturdaten für den Bereich wurden von der Senatsverwal- tung für Stadtentwicklung und Wohnen zur Verfügung gestellt. Zusammengestellt und bewertet wurde die Faktenbasis von Christine Döbler, Dipl.-Politologin, Projektleiterin BENN in der Wilhelmstadt. Bei der Erarbeitung des Maßnahmenplans wirkten zudem Elmostafa Elhamine, Judit Landstoff und Maria Alahmad, Mitarbeitende des BENN- Teams mit. Abschließend wurde das Konzept mit der Berliner Senatsverwaltung für Stadtent- wicklung und Wohnen sowie dem Bezirksamt Spandau abgestimmt.

1 Senatsverwaltung Berlin für Stadtentwicklung und Wohnen 2 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

1. Aktuelle Situation 1.1. Gebietskarte mit Flüchtlingsunterkünften und Infrastruktureinrichtungen

(Quelle: Bezirksamt Spandau von Berlin, Abt. Bauen, Planen und Gesundheit, Stadtentwicklungsamt, Fachbe- reich Stadtplanung)

3 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

1.2. Die Wilhelmstadt und die Unterkünfte Die Wilhelmstadt ist ein Quartier mit über 100-jähriger Geschichte in Wasserlage an der . In den vergangenen Jahren zeigte sich in den ehemals attraktiven Wilhelmstädter Geschäfts- straßen ein Trend zu zunehmenden Leerständen und ausbleibender Kundschaft. Aktuell prä- gen vor allem Dienstleister (vielfach Kosmetik- und Nagelstudios) und Geschäfte aus dem Niedrigpreissegment neben einzelnen größeren Geschäften (Supermärkten, Drogerien und einzelnen Discount-Anbietern) das Straßenbild. Mit dem einheitlichen Angebot verfügen die Straßenzüge über wenig Aufenthaltsqualität: Etwa 8 Prozent der Ladenlokale im Gebiet stan- den im Jahr 2017 leer. Dabei sind vor allem kleinere Ladenlokale in den Randlagen der Ge- schäftsstraßen von Leerständen betroffen, da sie oft nicht mehr den Anforderungen des mo- dernen Einzelhandels genügen. 2 In der Wilhelmstadt leben etwa 38.000 Menschen, die Altersstruktur ist gekennzeichnet von unterdurchschnittlichen Anteilen der unter 18-Jährigen und einem hohen Anteil von Senioren ab 65 Jahren. Mit 45,1 Jahren liegt das Durchschnittsalter über dem bezirklichen Durchschnitt. Derzeit weist der Bezirk weist eine steigende Einwohnerzahl auf. Zuwächse gibt es vor allem bei Kindern und jungen Erwachsenen. Der Anteil an Migrant_innen unter 18 Jahren entspricht aktuell dem Spandauer Durchschnitt und ist höher als der Berliner Wert. Innerhalb der letzten fünf Jahre gab es einen Anstieg um 10,6 Prozent. Die Bedarfe an Wohnraum, Kitas und Schu- len sowie sonstiger sozialer Infrastruktur sind somit gestiegen. Nach der aktuellen Bedarfser- mittlung (u.a. auch durch den Zuzug von Geflüchteten) fehlen in der Wilhelmstadt mittel- und längerfristig zwischen 350 und 400 Kitaplätze. Für 2020 bis 2030 werden in der Folge Versor- gungsdefizite auch im Bereich Grundschulversorgung prognostiziert. Im Vergleich zu Gesamt-Berlin ist die Bezirksregion Wilhelmstadt etwas stärker von Arbeitslo- sigkeit und Transferabhängigkeit betroffen. Fast 40 Prozent der Kinder sind von Transferleis- tungen abhängig. Das ISEK geht davon aus, dass die Sozialindikatoren in der Wilhelmstadt durch den Zuzug von Geflüchteten sinken werden. Relativ viele Nachbar_innen sind darüber hinaus mit Problemen belastet und auf Hilfe angewiesen, teils von Ressentiments geprägt und damit für die aktive Mitarbeit bei BENN nur schwer zu gewinnen. Zu diesem sozialen Umfeld kommen Geflüchtete in den Gemeinschaftsunterkünften (GU) am Oberhafen und in der Pichelswerder Straße hinzu. Beide Unterkünfte im Einzugsgebiet von BENN in der Wilhelmstadt befinden sich streng genommen am Rande und außerhalb der Wil- helmstadt im angrenzenden Industriegebiet, nur wenige hundert Meter voneinander entfernt. In diesen Unterkünften sind insgesamt 713 Geflüchtete untergebracht (Stand April 2019). In der GU Am Oberhafen leben 216 Personen (Kapazität 245). Mehr als 40 Prozent der Bewoh- ner_innen sind Kinder und Jugendliche. In der Unterkunft in der Pichelswerder Straße sind 497 Menschen untergebracht (von 550 Plätzen) davon sind etwa die Hälfte Kinder- und Ju- gendliche. Durch die Schließung der Notunterkunft in der Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne leben im Umfeld heute deutlich weniger Geflüchtete in Not- oder Gemeinschaftsunterkünften, als noch im Vorjahr (ca. 1.300 Personen). 3

2 Vgl. ISEK, S. 48 3 Die Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne, bis Ende 2018 eine Notunterkunft für Geflüchtete, fungiert bis 2019 als Ausweichstandort des Ankunftszentrums. Da die Bewohner_innen die Wilhelmstadt nach wenigen Tagen verlas- sen, ist BENN seit Anfang 2019 nicht mehr innerhalb der ehemaligen Kaserne tätig. 4 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

1.3. Situation in den Gemeinschaftsunterkünften In der GU Pichelswerder Straße, betrieben durch die PRISOD Wohnheimbetriebs GmbH, le- ben Geflüchtete in Apartments mit eigener Küche und Bad. Hier und in der GU Am Oberha- fen (Betreiber Tamaja Gemeinschaftsunterkünfte GmbH), einer Ansiedlung aus Wohncontai- nern auf einer Brachfläche, ist die Grundstimmung ist eher ruhig. 4 In der Unterkunft am Oberhafen herrscht allerdings in den Wohncontainern ein sogenanntes Barackenklima, d.h. bedingt durch die Bauweise und damit einhergehende schlechte Isolierung wird es im Winter schnell fußkalt und im Sommer oft sehr heiß und stickig. Im direkten Umfeld beider Unterkünfte existiert wenig soziale Infrastruktur. Diese findet sich von den Unterkünften aus gesehen am ehesten in der Spandauer Altstadt oder in der Wil- helmstadt. Alle Unterkünfte im Einzugsgebiet des BENN-Teams in der Wilhelmstadt sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut zu erreichen. Zum BENN-Büro führt eine direkte Buslinie, eine andere fährt im Zehn-Minutentakt von beiden Unterkünften zum U-Bhf. Zoologischer Gar- ten über U-Bhf. oder zum S+U-Bhf. . Von dort ist die Berliner In- nenstadt innerhalb von etwa 30-45 Minuten zu erreichen. Spandauer Altstadt und auch das Havelufer sind fußläufig erreichbar. Einkaufsmöglichkeiten sind gegeben. Aktuell wird ein gro- ßer Supermarkt direkt gegenüber der Unterkunft in der Pichelswerder Straße gebaut. Da keine Unterkunft unmittelbar an ein Wohngebäude angrenzt, gibt es im Alltag wenig Kon- takt zu und damit auch kaum Konflikte mit Nachbar_innen. 5 Laut aktuellem Stand im Mai 2019 endet die Laufzeit der GU am Oberhafen voraussichtlich Ende 2019, eine endgültige Entscheidung steht noch aus. Auf längere Dauer angelegt ist in diesem Einzugsgebiet die Unterkunft in der Pichelswerder Straße. 1.4. Beratungsangebote für Geflüchtete In beiden Unterkünften sind Integrationslotsen der Gesellschaft für Interkulturelles Zusammen- leben gGmbH GiZ aktiv, die zu Behörden begleiten und sprachlich in Arabisch, Farsi, Türkisch und Kurdisch vermitteln. Sozialbetreuer_innen und Sprachmittler_innen unterstützen die Be- wohner_innen bei Amtsgängen, Familien- und Schulangelegenheiten sowie der medizinischen Versorgung. In der Pichelswerder Straße bietet zudem das Mobile Lotsenteam des Evangeli- schen Waldkrankenhauses psychologische Beratung. Zudem berät die Melanchthon-Ge- meinde zu Asyl, Familiennachzug, Aufenthaltsrecht und Ausbildung und Arbeit. Zu allen Themen rund um Kinder und Familie bieten das Familienzentrum Wilhelmine und auch der SJC Wildwuchs Beratungsleistungen an. Gesteuert durch den Stadtteilkoordinator, der seit Mitte 2018 im Amt ist, werden im Stadtteilladen Sozial-, Mieter-, und Schuldnerbera- tung sowie eine Demenzsprechstunde angeboten. Diese Angebote richten sich nicht explizit an Geflüchtete, stehen ihnen jedoch offen. Darüber hinaus existieren in der soziale Beratungsstellen sowie mehrere Sprachschulen und Beratungsangebote zu Traumata, Sozialleistungen, Arbeit, Bildung und Beruf.

4 Es gibt laut Aussagen der Ehrenamtskoordination wie auch der zuständigen Polizeidirektion in beiden Unterkünf- ten wenig interne Konflikte. Bewohner_innen berichten bei BENN nur selten von Handgreiflichkeiten und Streite- reien. 5 Telefonat mit Direktion 2 Polizei Berlin, Abschnitt 21, am 6.5. 2019 5 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

1.5. Identifikation der Bewohner_innen mit der Nachbarschaft Bewohner_innen in den beiden Gemeinschaftsunterkünften identifizieren sich laut Aussagen der Ehrenamtskoordinatorinnen kaum mit der Wilhelmstadt. Viele Bewohner_innen würden jedoch gerne hier „Zuhause sein“ und suchen eine Wohnung und soziale Kontakte im Bezirk. An Sommerfesten oder anderen Aktivitäten, die von den Unterkünften organisiert werden, neh- men nur wenige Anwohner_innen teil. Andererseits nutzen Bewohner_innen der Gemein- schaftsunterkünfte zunehmend externe Angebote, etwa Aktivitäten bei BENN, um Kontakte zur weiteren Nachbarschaft aufzubauen und ihren Kiez (z.B. bei Kiezspaziergängen) kennen- zulernen. 1.6. Sport- und Freizeitangebote Innerhalb der GU in der Pichelswerder Straße wird ein breites Spektrum an Freizeitaktivitä- ten geboten, allerdings bleiben die Bewohner_innen dabei in der Regel unter sich. Für Kinder werden eine Kinderbude, Hausaufgabenhilfe (EA), eine Schach-AG (auch für Er- wachsene offen), Gitarren-Unterricht (durch den Klang-Holz e.V., auch für Erwachsene offen), eine Kunst-AG, Zirkus Cabuwazi, MitMachMusik, Al-Farabi Musikakademie, Computer-AG (durch den Träger Kompaxx, auch für Jugendliche offen) angeboten. Für Jugendliche gibt es einen Jugendclub (von Jugendlichen selbstverwaltet) und eine Mondiale-Partnerschaft mit dem C/O Berlin (mit Workshops zu Fotografie/Film). Speziell für Frauen gibt es eine Nähwerk- statt. Offen für alle Bewohner_innen ist ein Gemeinschaftsgarten, ein aus FEIN-Mitteln geför- dertes Projekt mit Hochbeet-Garten. In dessen Zentrum steht ein als Aufenthaltsraum umge- bauter Bauwagen, der von BENN angeschafft wurde. Hier finden verschiedene Workshops, Feste sowie durch BENN das Nachbarschaftscafé und das Frauenfrühstück statt. Außerdem gehört zum Projekt eine Fahrradwerkstatt, in der Bewohner_innen und Nachbar_innen ihre Fahrräder kostenfrei selbst reparieren können. In der GU am Oberhafen wurde im Februar 2019 als neuer Betreiber die Tamaja Gemein- schaftsunterkünfte GmbH beauftragt. Bei der Neuvergabe des Betreibers wurde die Unter- kunft vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten LAF als Standardunterkunft6 eingestuft, die inzwischen keinen erhöhten Betreuungs- oder Beratungsbedarf für die Bewohner*innen erfordert. Entsprechend wurde der Personalschlüssel für die soziale Arbeit in der Unterkunft reduziert. Vom Betreiber wird eine Kinderbetreuung angeboten, diese ist jedoch nicht berechtigt, Aktivi- täten außerhalb der Unterkunft zu unternehmen. Mit dem Betreiberwechsel mussten alle be- stehenden Kooperationen neu aufgebaut werden: Seit Anfang 2019 werden einmal in der Woche Kinder vom Ehrenamtskoordinator der Melanchthon-Gemeinde zur gemeinsamen Freizeitgestaltung abgeholt. Hierüber haben Kinder die Möglichkeit, gemeinsam Spielplätze zu besuchen, den Kiez zu erkunden oder auf dem Gelände der Gemeinde zu basteln, zu to- ben, zu klettern und sich auszuleben. Dabei entstehen auch Kontakte zu Nachbarskindern. Seit dem 2. Quartal 2019 ist - unter anderem dank der Netzwerkarbeit von BENN - auch der Sport- und Jugendclub Wildwuchs in beiden Unterkünften aktiv, der zweimal in der Woche ein Sportprogramm anbietet. Mitarbeitende aus den Unterkünften begrüßten dabei vor allem das

6 Typ 2. Im Gegensatz dazu steht in Gemeinschaftsunterkünften mit dem Typ 1 mehr Personal für die soziale Beratung und Betreuung zur Verfügung. Der Personalschlüssel für den Typ GU 3 gilt für Unterkünfte mit Woh- nungsstruktur, in denen ein weitgehend eigenständiges Wohnen möglich ist, und somit das für die Sozialarbeit und Betreuung einzusetzende Personal reduziert werden kann. 6 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

Ferienprogramm mit Zeltlager und Kletterkurs, da Kinder dann in Kontakt mit Nachbarskindern kommen. Aktuell scheint durch die Intervention der Melanchthon-Gemeinde und des SJC Wild- wuchs der Bedarf zumindest für kleinere Kinder in den Unterkünften aufgefangen worden zu sein.7 Außerhalb der Unterkünfte bietet die Wilhelmstadt Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten, hier- unter auch Angebote für geflüchtete Kinder und Jugendliche, beispielsweise über nahelie- gende Sportvereine (Fußball, Hockey).8 In der Freizeitsportanlage Südpark wurden aus Mitteln des „Kita- und Spielplatz Sanierungsprogramms“ (KSSP) und des Förderprogramms „Aktive Zentren“ ein neues Holz-Spielschiff für Kinder aufgestellt, eine Wasserspiellandschaft saniert und Spiel- und Trimmgeräte aufgestellt. Als Kinder- und Jugendfreizeitstätte existiert in der Wilhelmstadt nur der SJC Wildwuchs. Da- mit besteht hier die geringste aller Versorgungsquoten in Spandau. Mit Fußball, Verleih von Inlineskates, Skateboards, KiezSport@Night, Schwimm- und Tauchkursen und andere Ange- boten ist der SJC Wildwuchs e.V. besonders aktiv. Im Rahmen des Sanierungsprojektes wird seit 2017 die Einrichtung mit einem integrierten Familienzentrum neu gebaut und für die Dauer der Bauarbeiten ein Containerbau aufgestellt, damit Wildwuchs während der Bauphase seine Arbeit – wenn auch unter beengten Verhältnissen – fortsetzen kann. Der Termin für die Fer- tigstellung verzögert sich und steht (Stand Mai 2019) nicht verbindlich fest. Nach mehreren Besuchen mit BENN-Mitarbeiter_innen wird dieses externe Angebot inzwi- schen zumindest vereinzelt von Bewohner_innen der GU genutzt. Jugendliche aus der GU am Oberhafen nehmen diese Angebote nicht wahr. Aus der GU in der Pichelswerder Straße kön- nen zur Nutzung dieses Angebots keine verlässlichen Aussagen getroffen werden. Während es im Jahr 2018 in beiden Unterkünften Aktionen mit Outreach - Mobile Jugendarbeit Berlin gab, wurden diese aus Kapazitätsgründen vom Träger nun an beiden Standorten eingestellt. Laut Outreach gäbe es jedoch nach wie vor für Heranwachsende einen hohen Bedarf.9 Nicht ausreichend versorgt ist die Wilhelmstadt zudem mit Sporthallen. Perspektivisch sinkt die Versorgungsquote auf 57,5 % (im Jahr 2030). Bei den ungedeckten Sportanlagen besteht zwar ein leichtes Überangebot, diese Einrichtungen befinden sich jedoch nicht in direkter Nähe zu den Unterkünften.10 Bewohner_innen der GU Am Oberhafen schilderten schon beim ersten Bewohnertreffen Ende 2018 einen großen Bedarf an Sportmöglichkeiten für Erwachsene (vor allem Fußball). Hier erfuhr BENN, dass einige Bewohner11 eigenmächtig zum Fußballspielen das Gelände des gegenüber der Unterkunft liegenden Freddy-Stach-Sportparks nutzen. Da der Vereinssport Vorrang genießt, und die Fläche keine freien Kapazitäten mehr hatte, war es nicht möglich, reguläre Nutzungszeiten zu vereinbaren. Der Betreiber des Sportplatzes wandte sich im Mai 2019 an das Sportamt, da sich häufig vereinsfremde Personen auf dem Gelände des aufhalten. Auf Anraten von BENN fand inzwischen ein Treffen der GU und dem Sportver- ein statt. Dennoch ist noch keine Lösung gefunden; Hier besteht weiter Handlungsbedarf.

7 Beide Anbieter müssen nach eigenen Angaben regelmäßig für ihre Angebote werben. Ehrenamtskoordinatorin- nen beider Unterkünfte gaben 2018 noch Bedarf an weiteren attraktiven Sportangeboten an, das Thema wurde 2019 nicht mehr genannt 8 Für seine vorbildliche Arbeit im Bereich der Integration erreichte der Verein bereits 2010 den 5. Platz des Integ- rationspreises des Berliner Fußballverbandes. 9 Gespräch am 23.03.2019 mit OutReach Spandau Mitte, Team Gewaltprävention 10 Vgl ISEK 11 Nach Aussagen eines Bewohners handelt es sich um etwa 25 erwachsene Männer 7 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

Auch Kulturangebote fehlen in der Wilhelmstadt. Die Ehrenamtskoordinatorin der GU Pichels- werder Straße sieht vor allem Bedarf an niedrigschwelligen kulturelle Angebote (Theater, Ma- lerei, Musik etc.), die auch für Menschen mit Migrationshintergrund bzw. mit geringen Deutsch- kenntnisse ansprechend bzw. geeignet sind. 1.7. Nachbarschaftstreffpunkte und Orte der Integration Ein Akteur der Willkommenskultur ist die Ev. Melanchthon-Gemeinde mit ihrem Café Interna- tional für alte und neue Nachbar_innen. Das Familienzentrum Wilhelmine bietet u.a. ein Fami- lienfrühstück – auf dem Veranstaltungskalender finden sich auch Krabbelgruppen, die jedoch derzeit nicht angeboten werden. Der Stadtteilladen direkt neben dem BENN-Büro wird primär für Sprechstunden der Beauftragten für Prozesssteuerung (KoSP) und das Geschäftsstraßen- management (die raumplaner und LOKATION:S) des Sanierungsprogramms genutzt.12 Das Sanierungsprojekt ist vorrangig ein investives Projekt13, es gibt daher in diesem Rahmen kaum nachbarschaftliche Aktivitäten.14 Vom Geschäftsstraßenmanagement wird jedoch jährlich das Wilhelmstraßenfest organisiert, das die lokale Wirtschaft stärken soll und zudem Raum für Begegnungen schafft. Auch Schulen können ein guter Ort der Integration sein. Laut Aussagen der Mütter, die regel- mäßig zum BENN-Frauenfrühstück kommen und der Ehrenamtskoordinator_innen der Unter- künfte, besuchen die Kinder aus den GU die allgemeinbildenden Schulen in der Wilhelmstadt. Darüber hinaus sind außerhalb von BENN keine nennenswerten nachbarschaftlichen Aktivitä- ten in der Wilhelmstadt bekannt. Ein Stadtteilzentrum oder ein neutraler, nichtkommerzieller Begegnungsort existieren in der Wilhelmstadt nicht, werden aber dringend benötigt. 1.8. Bürgerschaftliches Engagement Träger und Initiativen im Bezirk geben häufig an, dass sie zu wenige Ehrenamtliche finden.15 Eine mögliche Ursache ist ein sich änderndes Verständnis von Ehrenamt. Analysen stellen vielmehr den Trend zu zeitlich begrenztem projektorientiertem Engagement fest. Ein Großteil der Freiwilligen engagiert sich vor allem mit dem Ziel der eigenen Selbstverwirklichung. Auch ist Ehrenamt nur noch in Ausnahmen eine regelmäßige Tätigkeit, in Form eines Ehren-„Am- tes“. 16 Einige Personen engagieren sich im privaten Umfeld durch Freundschaftsdienste. Sol- che sporadischen oder privaten Einsätze sind kaum bis gar nicht statistisch zu erfassen. In der GU Pichelswerder Straße sind etwa drei Ehrenamtliche tätig, in der Unterkunft am Ober- hafen acht.17 Etwa 18 - 20 Personen engagieren sich ehrenamtlich in der Melanchthon-Ge- meinde für das wöchentliche Internationale Café. Bei BENN in der Wilhelmstadt konnten bisher elf Nachbar_innen, für mehr oder weniger re- gelmäßigere Einsätze gewonnen werden. Vielfach erklären sich zudem Geflüchtete spontan dazu bereit, bei Maßnahmen mitzuhelfen. Einige übernahmen dabei auch Verantwortung etwa als Leitung der Nähwerkstatt, für die Organisation des Fußballturniers, ein Künstler betreute

12 Hier befindet sich das Wilhelmstadtarchiv, es gibt zudem eine Theaterwerkstatt und Schularbeitshilfe 13 Bezirkliche Austauschrunde in Bezirksamt am 13.2.2019: Zum Start des Sanierungsprogramms 2011 war das Integration von Geflüchteten kein primäres Ziel, jedoch sollen Projekte allen Anwohner_innen zu Gute kommen und somit zumindest mittelbar auch die Integration der neuen Nachbar_innen fördern. 14 Bis Anfang 2019 nutzen weinige Nachbar_innen den Raum für gemeinsames Basteln und Handarbeiten, sie haben inzwischen eine andere, geeignetere Räumlichkeit für die Initiative gefunden 15 Informelles Gespräch mit Hürdenspringer am 10.01.2018 16 Matuschek, Niesyto, Freiwilligen-Engagement professionell gestalten. Friedrich Ebert Stiftung 2013 17 Angaben der Ehrenamtskoordinatorinnen 8 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

gemeinsam mit zwei Nachbarinnen regelmäßig den Do-it-Yourself Bastelnachmittag für Kin- der. Etwa 20 Frauen aus der Nachbarschaft und den Unterkünften organisierten gemeinsam das Frühlingsfest in der Unterkunft am Oberhafen mit, acht Männer halfen beim Aufbau eines Hochbeetgartens. Bis auf wenige Ausnahmen ist es jedoch noch nicht gelungen, Nachbar_innen für die Über- nahme von Verantwortung oder für ein dauerhaftes Engagement zu gewinnen. Eine Nachbarin übernimmt derzeit ehrenamtlich zwei Mal in der Woche die Anleitung der Nähstube. 1.9. (Rechts-)Extremismus, Gewalt und Kriminalität Aus polizeilicher Sicht bezogen auf Kriminalität allgemein, Rechtsextremismus, Gewalt und auch Drogenmissbrauch ist der Kiez unauffällig.18 Durch die Schließung der Schmidt-Knobels- dorf-Kaserne sei auch die Zahl der Einsätze zurückgegangen. Es gab im Jahr 2018 und im ersten Halbjahr 2019 keine politisch motivierten Straftaten oder Anzeigen. Dennoch existieren – unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit - Ressentiments gegen die neuen Nachbar_innen. Diese äußern sich nicht in Gewalt, erschweren jedoch das Zusammen- wachsen von neu Zugezogenen mit Nachbar_innen: Für das Jahr 2018 wurden 87 rassisti- sche, antisemitische, extrem rechte, rechtspopulistischer bzw. andere diskriminierende Vor- fälle in Spandau registriert. Die häufigste Vorfallart stellt aktuell Propaganda dar, während im Vorjahr noch am häufigsten Bedrohung und Beleidigungen gemeldet wurden. Dabei lässt sich 2018 ein deutlicher Anstieg in der Wilhelmstadt verzeichnen (12, 2017:6), der sowohl mit einer veränderten Struktur des Netzwerkes (mehr Einzelmelder_innen aus Wilhelmstadt) als auch einer stärker sichtbaren rechten Szene zusammenhängen kann. Trotzdem ist weiterhin von einer großen Anzahl von "ungemeldeten" Vorfällen auszugehen, da entweder die Register- stelle (noch) nicht bekannt ist oder kein Kontakt gesucht wird. 19 Am Oberhafen gab es 2019 einen offenen Vorfall von Beleidigungen von außerhalb der GU nach innerhalb. Nachdem die Polizei gerufen wurde, verschwanden die „Störenfriede“. Ver- einzelt wird die Straßenseite gewechselt, wenn Bewohner_innen auf der Straße vor der Un- terkunft unterwegs sind.20 Ressentiments spürte das BENN-Team auch beim „1. Wilhelmstäd- ter Zukunftstag“, bei dem einige Bürger_innen offen rechts-populistische Positionen einnah- men. Dies betrifft auch Personen, die regelmäßig an BENN-Aktivitäten teilnehmen, sodass davon auszugehen ist, dass es sich um unreflektierte Wiedergabe von Vorurteilen handelt, die nicht offen ausgelebt werden. Gewalterfahrungen spielen auch in der Arbeit mit Nachbar_innen eine bedeutende Rolle. Viele Personen, die zum Frauenfrühstück oder Nachbarschaftscafé kommen, (auch schon sehr lange in Berlin oder der Wilhelmstadt ansässige Personen) berichten in vertraulichen Gesprä- chen von eigenen Gewalterfahrungen; häufig sexueller oder häuslicher Gewalt. Gleichzeitig äußern viele Betroffene auch Scheu gegen Besuche der psychologischen Beratung oder Hilfe. Diese Belastung mit eigenen Problemen hemmt mutmaßlich auch den Mut, selbst Verantwor- tung zu übernehmen, da solche Erlebnisse häufig den Rückzug ins Private nach sich ziehen.

18 Telefonat mit Direktion 2 Polizei Berlin, Abschnitt 21, am 6.5. 2019 19 Register Berlin GiZ gGmbH. Register Spandau: Auswertung der Chronik 2018 "Register dokumentieren rassistische, antisemitische, extrem rechte, rechtspopulistische und andere diskriminie- rend motivierte Vorfälle, die sich in den Berliner Stadtbezirken ereignen. 20 Angabe der Ehrenamtskoordinatorin am Oberhafen 9 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

1.10. Bisheriger Einsatz von Sach- und Honorarmitteln Sach- und Honorarmittel bei BENN wurden bisher vorrangig zum Aufbau nachbarschaftlicher Strukturen, also der Gewinnung von Nachbar_innen und Geflüchteten für die weitere Arbeit und Schaffung von vielfältigen Begegnungsmöglichkeiten benötigt. Hierzu wurden das Nach- barschaftscafé und das Frauenfrühstück ins Leben gerufen, die zugleich auch Beteiligungs- formate darstellen. Um regelmäßig Geflüchtete für die Arbeit von BENN zu gewinnen, finden das Frauenfrühstück und teils auch das Nachbarschaftscafé regelmäßig in den Unterkünften statt. Kontakte mit den Unterkünften, zentralen Akteuren sowie möglichen Kooperationspartnern wurden vertieft und Angebote gemeinsam umgesetzt. Seit Anfang 2018 wurden an jedem Wo- chentag regelmäßige Angebote geschaffen und punktuelle Aktivitäten zu Kunst, Kultur, Sport und Familie durchgeführt. So ist es gelungen das BENN Vor-Ort-Büro als Begegnungsort zu etablieren. Einzelprojekte trugen zum Empowerment Geflüchteter bei: Im Mai 2018 etablierte BENN eine Nähwerkstatt in den hinteren Räumen des Büros. Da sich Bewohner_innen der GU Am Ober- hafen in Bewohnerversammlungen mehrfach über den kalten Boden beklagten, erhielten sie bei BENN die Möglichkeit, unter Anleitung selbst Sitzkissen herzustellen. So trugen sie selbst etwas zur Verbesserung ihrer Lebensumstände bei. Von Bewohner_innen wurde das Projekt sehr gut angenommen. Andere Bewohner_innen der GU am Oberhafen brachten den Wunsch nach einem Garten vor und bauten mit Unterstützung von BENN einen Hochbeetgarten. Zudem war BENN auf zwei Weihnachtsmärkten und beim Wilhelmstraßenfest präsent und unterstützte Sommer- und kulturelle Feste in den Unterkünften. 1.11. Einsatz öffentlicher Fördermittel für Integrationsmaßnahmen Im Jahr 2018 wurden in Spandau insgesamt 949.000 € Fördermittel aus dem Masterplan für das Thema Integration zur Verfügung gestellt, aus dem 25 Projekte gefördert wurden. Durch das Gesamtkonzept zur Integration und Partizipation Geflüchteter (vormals Masterplan In- tegration und Sicherheit) werden im Jahr 2019 in der Wilhelmstadt unter anderem das Projekt „Wisch - Willkommen in Schule“, der “CIA Computer in Action“ und das Wohnungsprojekt „Ge- meinsam unter einem Dach“ gefördert. Der SJC Wildwuchs erhielt über das Jugendamt Span- dau ebenfalls Förderung, dank derer seit Frühjahr 2019 die oben genannte Arbeit mit den Kindern in den beiden Gemeinschaftsunterkünften umgesetzt werden kann. Aus dem Pro- gramm Freiwilliges Engagement In Nachbarschaften (FEIN) wird der interkulturelle Gemein- schaftsgarten mit Fahrradwerkstatt in der Pichelswerder Straße unterstützt sowie eine Schul- arbeitshilfe, die teils im Stadtteilladen und teils im BENN-Büro stattfindet. Darüber hinaus wird das Projekt Hürdenspringer Spandau im Rahmen des Netzwerkfonds des Programms “Soziale Stadt” und durch das Bezirksamt Spandau gefördert, welches das Eh- renamt durch Seminare, Begleitung und Vermittlung in das passende Projekt unterstützt. Seit Juli 2018 ist Sozial-kulturelle Netzwerke casa e. V., durch den Berliner Senat und das Bezirk- samt Spandau beauftragt, in der Wilhelmstadt, im Bereich der Stadtteilarbeit aktiv. Ziele sind die Stärkung des nachbarschaftlichen Zusammenhalts, die Etablierung von neuen sozialen Angeboten vor Ort und langfristig der Aufbau eines sozialen Treffpunktes für alle Bewohner_in- nen der Wilhelmstadt.

10 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

1.12. Struktur und Schwerpunkte des Bewohnerrats Beide Unterkünfte führen sporadisch Bewohnerversammlungen durch, an denen sich durch- schnittlich 10-15 Personen pro Sprach-Gruppe beteiligen.21 Aus ehemals monatlichen Termi- nen wurden in der Pichelswerder Straße etwa halbjährliche Treffen. In der GU am Oberhafen finden aktuell keine Bewohnerversammlungen statt. Bewohner_innen nutzen individuell oder in kleinen Gruppen den persönlichen Kontakt zu Sozialbetreuer_innen, um ihre Anliegen zu adressieren. Zentrale Themen werden dem BENN-Team von beiden Unterkünften proaktiv mitgeteilt. Begleitend wurde seit 2018 dafür gesorgt, dass an dem Nachbarschaftscafé und Frauenfrühstück mindestens zur Hälfte Geflüchtete teilnehmen, um hier eine Basis für Beteili- gung der Bewohner_innen zu schaffen. Besonders erfolgreich waren Bewohnertreffen, die in Unterkünften direkt für BENN organisiert wurden. Hier stellte sich schon in den ersten Treffen heraus, das Bewohner_innen ein basis- demokratisches Vorgehen begrüßen, in dem über Projekte abgestimmt wir, die Wahl von Ver- tretern und Sprechern in Form eines formellen Bewohnerrates wurde einstimmig abgelehnt. Seither finden Bewohnertreffen quartalsweise statt, teils in Kombination mit anderen Aktivitä- ten des BENN-Teams, etwa dem „Familienfrühstück on Tour“ in den Unterkünften. Ab Sommer 2019 soll auch das Nachbarschaftscafé regelmäßig auf dem Gelände der GU in der Pichels- werder Str. stattfinden, um einen Zugang zu Bewohner_innen aufzubauen, die bisher noch nicht den Weg ins BENN-Büro fanden. Themen der Bewohner_innen waren beispielsweise Kälte (Am Oberhafen), Gartenprojekt, Nähstube, fehlende Freizeitangebote insbesondere Fußball, Wunsch nach Fahrrädern, Kontakte zu Nachbar_innen mit gemeinsamen Ausflügen und gemeinsamem Kochen, interne Sprachkurse, Arbeit und Wohnen. Dieser niederschwellige Zugang hat sich für Bewohner_innen bewährt, er ermöglicht es, jedem und jeder mitzureden und auf die eigenen Bedarfe aufmerksam zu machen. Einen Bewohner- rat in Form eines gewählten Gremiums gibt es nicht, er wird von Bewohner_innen auch nicht gewünscht. 1.13. Struktur und Schwerpunkte des Nachbarschaftsforums „Zukunftstag“ Da bei der Arbeit des BENN-Teams die Bedürfnisse der Bürger_innen im Mittelpunkt stehen sollen, wurde zunächst 2018 das Nachbarschaftscafé entwickelt, das niederschwellig die Be- darfsermittlung und partizipative Maßnahmenentwicklungen ermöglicht. Geflüchtete und Nachbar_innen erkennen gemeinsame Interessen, können diese in den weiteren Treffen ver- tiefen und schließlich in die Tat umsetzen. Da gerade für Frauen aus dem Kulturkreis der Ge- flüchteten die Begegnung mit fremden Männern teilweise eine Hürde darstellt, wurde zeitgleich das Frauenfrühstück etabliert. An beiden Formaten nehmen Nachbar_innen und jeweils etwa zur Hälfte auch Geflüchtete teil. Ergänzend fand im April 2019 das erste Nachbarschaftsforum als „Wilhelmstädter Zukunfts- tag“ statt. Künftig findet der Zukunftstag quartalsweise statt. Ziel ist es, regelmäßig Bedarfe von Anwohner_innen zu erheben und partizipativ Ideen für die weitere Arbeit zu entwickeln. Leitfragen des ersten Zukunftstags waren: „Was braucht eine lebendige Nachbarschaft, wel- che Wünsche haben Anwohner_innen?“ und „Wie kann die Integration der neuen Nachbar_in-

21 Auskünfte der Ehrenamtskoordinator_innen der GUs. Bewohnerversammlungen finden in der Regel in nach Sprachen sortierten Gruppen statt (Arabisch, Farsi, und aufgrund der geringen Anzahl werden Russisch, Urdu und Englisch zusammengefasst). 11 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

nen gelingen?“. Um ein breites Themenfeld abzudecken, fanden Gespräche an Thementi- schen zu den Schwerpunkten „unser Kiez“, „Kunst und Kultur“ sowie „Sport und Freizeit“ statt. So entstand ein Überblick über Bedarfe, Angebote und ein Stimmungsbild: Insgesamt wohnen die Menschen gerne in der Wilhelmstadt, einige äußerten jedoch Vorbe- halte gegenüber Migrant_innen. Wilhelmstädter_innen nutzen kulturelle Angebote in der Span- dauer Altstadt oder der Berliner Innenstadt. Kino- und Konzertbesuche seien jedoch für viele unerschwinglich. Eine Ausnahme ist das Programm „Umsonst & Draußen“ in der Spandauer Altstadt. Teilnehmer_innen entwickelten Ideen vom Wohnzimmerkonzert, über Mitsingaktio- nen bis hin zu einer „Wilhelmstädter Kulturnacht“. Am häufigsten wurde das Thema fehlende Begegnungsorte diskutiert. Bürger_innen wün- schen sich mehr Möglichkeiten zur Begegnung zwischen Jung und Alt und zwischen alten und neuen Nachbar_innen an denen Tauschbörsen, Erzählcafés, Krabbelgruppen oder gemein- same Aktivitäten stattfinden können. Viele weitere Ideen entwickelten sich rund um das Thema Stadtgrün. Einige Bürger_innen stört der Müll an der Havel und möchten einen „Aufräumtag“ initiieren, andere planen, bei den sogenannten Urban Gardening Projekten wie begrünten Baumscheiben mitzuwirken.22 1.14. Eigeninitiativen zur Verbesserung der Lebenssituation der Geflüchteten Studien zeigen, dass Menschen auf beengte Verhältnisse mit einem starken Rückzugsbedürf- nis reagieren.23 Das Wohnen in Gemeinschafts- und Notunterkünften hemmt damit auch das freiwillige Engagement. Umso mehr soziale Relevanz haben angesichts dessen selbst kleinere Aktivitäten, die Bewohner_innen selbst initiieren. Einige Bewohner_innen der GU in der Pi- chelswerder Straße leiten eigenständig Angebote, wie z.B. eine Nähwerkstatt, Karate-Unter- richt, Betreuung des Jugendclubs. Besonders Jugendliche sind hier sehr engagiert und setzen sich eigenständig (auch finanziell, meist über die Spandauer Jugendjury) für die Gestaltung freier Räume nach ihren Bedürfnissen ein. Bewohner_innen aller Altersstufen, bauten gemein- sam Sitzmöbel vor dem BENN-Bauwagen, der seither ein zentraler Begegnungsort auf dem Gelände ist. Auf Initiative von Bewohner_innen der GU am Oberhafen wurde ein Gemein- schaftsgarten von BENN finanziert und von Bewohner_innen der Unterkunft aufgebaut. Zwei Bewohner übernehmen die Pflege des Gartens. Bewohner_innen verlassen sich jedoch laut der Ehrenamtskoordinatorin weitgehend auf die Mitarbeitenden des Betreibers. 1.15. Zwischenbilanz: Welche Ziele wurden erreicht? In den Handlungszielen des vorangegangenen Handlungskonzeptes war festgehalten, Ge- flüchtete und Nachbarschaft über gemeinsame Aktivitäten zusammenzubringen, um eine Ba- sis für die weitere Arbeit aufzubauen. Im Bereich Integration war geplant, durch nied- rigschwellige Dialog-Möglichkeiten zum gegenseitigen Kennenlernen und Abbau kultureller Hürden beizutragen. Hier ist es gelungen, Geflüchtete und Nachbar_innen in Nachbarschaft- scafé und Frauenfrühstück einzubinden und gemeinsame Aktivitäten zu planen und durchzu- führen. Um sich in die Gesellschaft zu integrieren, suchen viele Geflüchtete Wohnungen und Arbeit. Zum Thema Arbeit führten MobiJob Mobile Jobberatung für Geflüchtete und Bildungsberater der Jobassistenz Spandau einige Male ein Jobsucherfrühstück bei BENN durch, bei dem auch

22 Vgl Protokoll zum Ersten Wilhelmstädter Zukunftstag unter: http://benn-wilhelmstadt.de/wp-content/uplo- ads/2019/04/Protokoll-Zukunftstag2019.pdf 23 \ WORKING PAPER3\ 2017 „All Day Waiting”Konflikte in Unterkünften für Geflüchtete in NRW Christ, Meinin- ghaus, Röing nach (Regoeczi 2008) 12 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

in Arbeit vermittelt wurde. Zugleich wurde immer auf das Angebot des WiA Büros verwiesen. Nach einigen Terminen erhielt das Angebot weniger Zulauf und wurde eingestellt. Für das Thema Wohnungssuche existierte 2018 kein Angebot in der Wilhelmstadt. Anfang 2019 wurde durch die Giz gGmbH Projekt „Gemeinsam unter einem Dach“ im BENN Büro angeboten, welches über Workshops und Vorträge Geflüchtete bei der Wohnungssuche un- terstützen sollte.24 Künftig bietet die GiZ diese Vorträge in einer Unterkunft außerhalb der Wil- helmstadt an. Im Bereich Empowerment sollten neue Nachbar_innen in ihren individuellen Fähigkeiten ge- stärkt werden. Durch die Chance, sich mit den eigenen Fähigkeiten als Schneider, Künstler oder als Köchin o.ä. einzubringen, erfuhren Geflüchtete eine Stärkung des Selbst. Für Prob- leme, die in den Bewohnerversammlungen zur Sprache kamen, wurden passende Maßnah- men gemeinsam mit Bewohner_innen erarbeitet, um ihnen Wege aufzuzeigen, wie sie selbst etwas zur Verbesserung ihres Lebensumfelds beitragen können. Diese Angebote wurden sehr gut angenommen. Zudem wurden Geflüchtete zu externen Angeboten begleitet, um ihnen ent- sprechend ihrer Bedarfe den Zugang zu bestehenden Angeboten zu erleichtern. Eine Gruppe von Frauen absolvierte eigeninitiativ einen Fahrradkurs, einige wurden zum Familienzentrum Wilhelmine begleitet, zwei Familien nutzen nun regelmäßig Angebote bei Wildwuchs. Beteiligung der Geflüchteten: Geflüchtete nehmen an den Veranstaltungen von BENN teil, diese Gruppe stellt etwa 50 Prozent der Teilnehmer_innen am Nachbarschaftscafé wie auch beim Frauenfrühstück. Einige geflüchtete Frauen nahmen auch am „Wilhelmstädter Zukunfts- tag“ teil und brachten sich gleichberechtigt in die Ideenentwicklung ein. Inzwischen finden Be- wohnertreffen mit dem BENN-Team statt, die mit Unterstützung der GUs organisiert werden sowie Treffen mit dem „Frauenfrühstück On Tour“. In diesen Bewohnertreffen werden Bedarfe ermittelt und basisdemokratisch mögliche Aktivitäten abgestimmt. Da diese Treffen nieder- schwelligen Zugang bieten, ist es gelungen, einer breiten Gruppe von Menschen die Möglich- keit zu geben, sich aktiv in die Entwicklung der Aktivitäten einzubringen. Im Bereich Bürgerschaftliches Engagement war vorgesehen, verstärkt Ehrenamtliche zu aktivieren. Hier wurden gemeinsam mit Nachbar_innen Mikroprojekte angestoßen wie bei- spielsweise gemeinsames Vorbereiten eines Frühstücks, Yogastunden, Kiezspaziergänge, gemeinsames Handarbeiten, Spielenachmittage oder Kochabende, die eine einfache Möglich- keit für freiwilliges Engagement schaffen. Das Engagement ist jedoch meist unregelmäßig ge- blieben, bei der Umsetzung von Ideen wird noch oft auf die Unterstützung durch BENN gesetzt. Für das Teilziel Vernetzung und Kooperation führte das Team von Projektbeginn an persön- liche Gespräche mit zentralen Akteuren25, um eine mögliche Zusammenarbeit auszuloten. Ge- meinsame Projekte oder finanzielle Unterstützung dieser Angebote finden noch nicht statt, diese Form der Zusammenarbeit wird 2019 stärker ausgebaut. Bisher wurden mehrere ge- flüchtete Familien von BENN-Mitarbeiter_innen zu bestehenden externen Angeboten beglei- tet. BENN nimmt regelmäßig an der Wilhelmstadtkonferenz teil, dem stadtteilorientierten Gre-

24 Bei den Vorträgen ging es unter anderem um Hausordnung, Energie sparen, Mülltrennung und Umgang mit Nachbarn und lief auf eine Art „Wohnungsführerschein“ hinaus. Allerdings ging das am konkreten Bedarf der Teil- nehmenden (Wohnung finden) vorbei, so das mündliche Feedback von Teilnehmenden 25wie der Melanchthon-Gemeinde, dem Projekt Hürdenspringer des Unions-Hilfswerkes, der Al-Farabi Musikaka- demie, dem Landessportbund, den Ehrenamtskoordinator_innen beider GUs, dem Frauenverein Hinbûn, Eulalia Eigensinn e.V., dem WiA-Büro Spandau, Schulen, dem Stadtteiladen und den beiden Familienzentren 13 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

mium nach § 78 SGB VII für die Kinder-, Jugend- und Familienarbeit, häufig auch als Gastge- ber. Hierdurch bestehen gute Kontakte zu Trägern der freien Jugendhilfe sowie in die entspre- chenden Abteilungen der Fachämter im Bezirk Spandau. Die Zusammenarbeit mit dem Stadtteilladen entwickelte sich vor allem im Rahmen gemeinsa- mer Außenauftritte.26 Es besteht ein sehr guter Kontakt zum Stadtteilkoordinator, mit dem ge- meinsam das Hoffest zum Tag der Nachbarn organisiert wurde und derzeit ein Hofflohmarkt sowie andere gemeinsame Aktivitäten geplant werden. Die Gründung eines Netzwerks zum Thema Integration oder Nachbarschaft ist durch BENN für den Frühsommer 2019 anberaumt.

Damit konnte BENN in allen Handlungszielen bereits Erfolge erarbeiten. 2. Ziele und Handlungsbedarfe In der weiteren Arbeit wird es nun darum gehen, mehr Nachhaltigkeit des Erreichten zu si- chern. Dazu bedarf es im Jahr 2019 noch stärker der konkreten Unterstützung von Vereinen, Projekten und Initiativen. Auch sollten Maßnahmen folgen, die Ehrenamtliche darin bestärken, selbst Verantwortung für größere Projekte zu übernehmen sowie den noch stärkeren Ausbau von Netzwerken im Bereich Integration und Nachbarschaft. 2.1. Nachbarschaft und Integration Die Themen Nachbarschaft und Integration bilden weiterhin die Schwerpunkte der Arbeit. 2.1.1. Zukünftiger Einsatz von Sach- und Honorarmitteln Nachbarschaftscafé und Frauenfrühstück stellen die Grundlage der Arbeit von BENN dar, da in diesen Formaten gemeinsam von Geflüchteten und Nachbar_innen Ideen entwickelt und umgesetzt werden. Hier werden auch in Zukunft Sachmittel eingesetzt, um das aktive nach- barschaftliche Leben aufrecht zu erhalten und neue Maßnahmen zu entwickeln. Auch werden weiterhin Nachbarschaftsfeste der Unterkünfte unterstützt, einerseits durch Werbung in der Nachbarschaft und andererseits durch Gestaltung eines attraktiven Programms. Durch die Teilnahme an Aktionen des Geschäftsstraßenmanagements (Straßenfest, Lebendiger Ad- ventskalender) kommt BENN mit Nachbar_innen ins Gespräch und kann ihnen niederschwel- lige Mitmachangebote vorschlagen. Darüber hinaus werden Sach- und Honorarmittel für die Umsetzung unten genannten, weiteren Handlungsfelder und -ziele benötigt. 2.1.2. Beratungsangebote für Geflüchtete Beratungsangebote sind für die Themen Arbeit, Bildung und Familie in der Spandauer Altstadt gegeben und werden von Bewohner_innen der GU auch genutzt.27 Somit besteht hier derzeit kein ergänzender Bedarf an Angeboten. Allerdings nutzen viele teils aus Scham nicht die ent- sprechenden Hilfsangebote z. B. im Bereich Psychologische Hilfe/häusliche Gewalt/Traumata. Hier wird BENN mit den Beratungsstellen Kontakt aufnehmen und Workshops zu diesen The- men anbieten mit dem Ziel, Ehrenamtliche und Geflüchtete zu sensibilisieren und die Scheu vor psychologischer Hilfe abzubauen.28 Angedacht ist zudem die Unterstützung der Gründung einer Kunstgruppe unter therapeutischer Leitung, die Nachbar_innen wie auch Bewohner_in- nen der Unterkünfte gleichermaßen offen steht.

26 Gemeinsamer Stand auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Metzer Platz Dezember 2018, Beteiligung von BENN bei der Aktion „Finde dein Osternest“, Präsenz bei Wilhelmstraßenfest. 27 Vor allem die Integrationslotsen und Sozialbetreuer_innen in den Unterkünften leisten hier gute Unterstützungs- arbeit und entsprechende Verweisberatung. 28 Es wird hierbei vor allem darauf ankommen bei der Bewerbung der Aktion darauf zu achten, dass Menschen das Angebot wahrnehmen können, ohne dem Gefühl der Stigmatisierung ausgesetzt zu sein (z.B. Als Kunst- gruppe o.ä) mit einer Therapeutin 14 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

2.1.3. Identifikation der Bewohner_innen mit der Wilhelmstadt Identifikation steigt mit dem Maß der sozialen Kontakte im Kiez, denn, solange man sich im Kiez fremd fühlt, werden weder Identifikation noch Integration möglich sein. Die niederschwel- ligen Angebote des Nachbarschaftscafés oder Frauenfrühstücks sowie Mikro-Aktionen, die zum Mitmachen einladen, werden daher fortgeführt, damit neue und alte Nachbarn sich weiter ungezwungen begegnen können. Zudem wird es notwendig sein, weiterhin regelmäßig in den Unterkünften vor Ort zu sein und Bewohner_innen persönlich zur Begegnung mit ihren Nach- bar_innen einzuladen. Die Erfahrung zeigt, dass besonders die Spaziergänge durch den Kiez gut angenommen wurden, die Identifikation mit der Wilhelmstadt stärken und die Mobilität un- terstützen. Daher wird BENN weiterhin solche Spaziergänge unternehmen. Eine Unterbringung auf unbestimmte Zeit, ohne geklärten Aufenthaltsstatus oder ohne regu- läre Wohnung erschwert die Identifikation der Bewohner_innen mit der Wilhelmstadt und auch die gesellschaftliche Integration. Für die Wohnungssuche fehlt eine Anlaufstelle. In der Wil- helmstadt ist keine städtische Wohnungsbaugesellschaft aktiv, mit der eine Partnerschaft ei- gegangen werden könnte. Zudem gibt es insgesamt zu wenig günstigen oder für größere Fa- milien geeigneten Wohnraum. Die Schaffung von neuem, auch für geringe Einkünfte bezahl- barem Wohnraum ist auch Ziel des Sanierungsprogrammes, so dass hier bereits eine Lösung erarbeitet wird. Da das Projekt „Gemeinsam unter einem Dach“ keine Vorträge in der Wilhelmstadt mehr an- bietet, wird BENN eine Alternative suchen, vor allem für Bewohner_innen am Oberhafen. Hierzu werden Kooperationstermine mit der Mieterberatung im Stadtteilladen sowie anderen Anbietern vereinbart, mit dem Ziel einen internen Workshop in der Unterkunft oder im BENN- Büro anzubieten, in dem es konkret um die Wohnungssuche gehen wird. 2.1.4. Nachbarschaftliche Aktivitäten und Projekte Mit nennenswertem Engagement ist in der Wilhelmstadt bisher nur die Melanchthon-Ge- meinde in der Nachbarschaftsarbeit aktiv. Daher wird hier die Kooperation noch weiter ausge- baut, zum einen dadurch, dass Nachbar_innen und Menschen aus den Unterkünften für Ge- flüchtete dorthin begleitet werden und andererseits könnten auch gemeinsame Projekte um- gesetzt oder Aktivitäten finanziell unterstützt werden. Mit Unterstützung von BENN werden von Nachbar_innen nahezu wöchentlich kleine neue nachbarschaftliche Aktivitäten entwickelt, die sich am aktuellen Bedarf und zugleich an den Talenten der neuen und alten Nachbarn orientieren. An diesem Vorgehen wird festgehalten29. Grundsätzlich werden zudem alteingesessene Nachbar_innen in Aktionen in den beiden GU eingebunden. (Verschönerung des Zaunes oder Möbelbau in der Pichelswerder Straße, Feste). Aus den Ergebnissen des ersten Wilhelmstädter Zukunftstages lassen sich weitere nachbarschaftliche Aktivitäten ableiten, wie etwa Wohnzimmerkonzerte, Urban Gardening usw., die mittelfristig mit Unterstützung von BENN realisiert werden könnten. Einige Nach- bar_innen wollen zudem einen Floh-, Tausch- und Verschenke-Markt organisieren und haben dabei um Unterstützung gebeten. Hier bleibt jedoch zu klären, inwieweit die jeweiligen Ideen- geber_innen auch selbst Verantwortung hierfür übernehmen möchten und können.

29 Gemeinsames Batseln, Handarbeiten, kochen usw. 15 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

2.1.5. Engagement der Unterkunftsbewohner für die Nachbarschaft Bewohner_innen der Unterkünfte bringen sich im Rahmen der Treffen bei BENN und in Mikro- Projekten für ihre Nachbarschaft und werden weiter dabei unterstützt, sich aktiv einzubringen. Dazu erfragt BENN Bewohner_innen in erster Linie nach ihren Talenten und Erfahrungen um auszuloten, ob Geflüchtete gemeinsame kleine Aktivitäten mit Nachbar_innen anbieten kön- nen (Nähen, Garten, Handarbeitstechniken, Yoga, Syrische Spezialitäten o.ä.). Auch bietet BENN ihnen die Möglichkeit, sich aktiv beim Tag der Nachbarn, dem Wilhelmstraßenfest oder Weihnachtsmarkt selbst einzubringen mit Henna- oder Portrait-Malerei, Musik, Tanz oder ähn- lichem. BENN wird zudem die Unterkünfte weiter dabei unterstützen, durch Verteilung von Flyern etwa Sommer-, Garten- oder Zuckerfeste zu bewerben, die Gäste aus dem Nachbarschaftscafé und Frauenfrühstück hierzu einzuladen und die Gruppe dorthin zu begleiten. 2.1.6. Orte der Integration Wie erwähnt, existieren in der Wilhelmstadt wenig Möglichkeiten für Geflüchtete und Nach- bar_innen, zusammenzukommen. Das BENN-Büro hat sich inzwischen selbst zu einem Ort der Integration entwickelt. Es wird bis zum Ende der Projektlaufzeit darum gehen, weitere Orte für gelingende Integration ausfindig zu machen und bestehende Angebote zu befähigen, sich zu einem solchen weiterzuentwickeln. BENN kann die analysierten Bedarfe in der Wil- helmstadt nur bedingt auffangen. Notwendig wäre hier die Schaffung weiterer Angebote über das Sanierungsprogramm, um die aktuelle Unterversorgung zu decken. Bedarfe bestehen vor allem in einer Kinder- und Jugendeinrichtung in der nördlichen Wilhelmstadt, eines Ortes für kulturelle Angebote (hier würde sich das von der Freizeitsportanlage Südpark nicht mehr be- nötigte Pumpenhaus eignen30, für dessen Nutzung bisher kein Konzept vorliegt) sowie vor allem die Schaffung eines neutralen nicht-kommerziellen Ortes für Begegnung. BENN kann Nachbar_innen, die planen, eine solchen Begegnungsort zu schaffen, aktiv unterstützen, sei es organisatorisch, beratend, durch Vermittlung relevanter Kontakte sowie bei Bedarf auch finanziell. Es ist zudem geplant, mit dem Frauenfrühstück das Frauenfrühstück der Melan- chthon-Gemeinde und auch im Familienzentrum Wilhelmine zu besuchen. Hier können Ge- flüchtete Anschluss und soziale Kontakte finden, die auch nach Ende von BENN Bestand ha- ben können. Bezüglich der Nutzung vereinsfremder Personen des Freddy-Stach-Sportparks hat BENN fand bereits ein Treffen zwischen Verein und Mitarbeitenden der GU am Oberhafen statt. BENN wird eines der kommenden Bewohnertreffen nutzen, um Bewohner_innen direkt anzuspre- chen. Ggf. kann hierzu auch der Spandauer Hockey- und Tennis-Club 1910 eingeladen wer- den. Bei diesem Treffen kann BENN auf bestehende Angebote auch für Erwachsene zum Beispiel des Landessportbundes sowie der Berliner Fußballverbands, sowie auf eigene mit Partnern gemeinsam organisierte Projekte wie Fußballturnier oder Beachvolleyballturnier im Südpark hinweisen. Ein Nachbar hat bereits angeboten, eine Boccia-/Boulegruppe in der Wil- helmstadt ins Leben zu rufen. Wichtig bleibt zudem die Zusammenarbeit mit SJC Wildwuchs. Mit der Fertigstellung des Baus als Familienzentrum wird es ermöglich, noch mehr Geflüchteten das Angebot näherzubringen. Im Rahmen der Wilhelmstadtkonferenzen haben Träger der Jugendhilfe auch auf Nachfragen keinen Bedarf an gemeinsamen Aktivitäten angemeldet.

30 So sieht es übrigens auch das ISEK 16 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

2.1.7. (Rechts-)Extremismus, Gewalt und Kriminalität In der Wahrnehmung der Polizei spielen (Rechts-)Extremismus, Gewalt und Kriminalität zwar eine untergeordnete Rolle. Da jedoch im Rahmen des ersten Wilhelmstädter Zukunftstages selbst bei denen Ressentiments und Fremdenangst spürbar war, die regelmäßig zu BENN kommen, liegt die Vermutung nahe, dass populistisches Gedankengut weit stärker verbreitet ist, als angenommen. Hier setzt BENN weiter auf die Begegnung auf Augenhöhe mit Nachbar_innen, da Vorurteile meist dort, wo persönliche Bekanntschaften und Freundschaften bestehen, wenig Platz finden. Durch den regelmäßigen Kontakt bietet sich eine Gelegenheit für Gespräche. Hierauf aufbau- end können Workshops zum Thema interkulturelle Kompetenz angeboten werden. Zudem wird BENN im Rahmen der wöchentlichen Treffen mit Nachbar_innen von der Registerstelle berichten, bei Interesse kann die Registerstelle selbst Nachbar_innen das Projekt vorstellen. Da eine unterschwellige Angst vor den“ Fremden“ einiger Nachbar_innen der Begegnung auf Augenhöhe im Weg steht, bleibt es wichtig, zunehmend Geflüchtete in die Position der An- leiter_innen und Ehrenamtlichen bzw. Talente zu erheben und nicht als Adressaten von ‚gut gemeinten Ratschlägen‘. Daher wird BENN verstärkt darauf achten, dass Geflüchtete mit ihren Ideen zu Wort kommen und Ideen zu entwickeln, die aus deren Fähigkeiten abgeleitet werden können. Da Traumatisierung und Gewalterfahrungen auch in der Arbeit mit Nachbar_innen eine Rolle spielen, wird BENN Möglichkeiten prüfen, in wieweit dieses Thema bearbeitet werden kann. Eine Möglichkeit könnte etwa eine von einer Künstlerin und Therapeutin geleitete Kunstgruppe sein, die zur Aktivierung von Ressourcen (z.B. soziale Kompetenzen, schöpferische Fähigkei- ten) beitragen könnte. Hier wird BENN in Zusammenarbeit mit den Sanierungsbeauftragten prüfen, ob ein leerstehendes Ladenlokal für solche Aktivitäten als gefunden werden kann. BENN wird zudem persönlich den Kontakt zum Medienkompetenzzentrum CIA Computer in Action aufnehmen, um auszuloten, ob ein gemeinsames Projekt zum Stärkung der Medien- kompetenz für Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund möglich ist. Ein Ansatz wäre, durch Aufklärung und eigene Medienpräsenz (Videoworkshop, twitter und YouTube-Workshop o.ä.) in den Netzwerken der Jugendlichen für Aufklärung und Aufdeckung von FakeNews bei- zutragen. 2.2. Bürgerschaftliches Engagement und Selbstorganisation Aktivitäten zur Förderung des ehrenamtlichen Engagements müssen berücksichtigen, dass „Freiwillige … Kurzzeit-Engagements wünschen...und sich nicht sofort und lebenslang an eine Organisation binden“ wollen.31 Es ist davon auszugehen, dass nur ein geringer Teil der Nach- bar_innen, sich für die langwierigere Gremienarbeit einbinden lässt. Im Umkehrschluss be- deutet dies, dass eine ehrenamtliche Beteiligung im Rahmen von BENN weiterhin vielfach an konkreten kleineren Maßnahmen orientiert sein wird, wo der persönliche Mehrwert durch das eigene Engagement schnell sichtbar und erfahrbar ist. Auch Geflüchtete erhalten im Nachbar- schaftscafé und Frauenfrühstück Wertschätzung aus der Gruppe für ihre unterschiedlichen Begabungen und Ideen, benötigen jedoch oft besondere Unterstützung bei der Umsetzung von Ideen – und vor allem Stärkung der Motivation durch persönliche Stütze der BENN-Mitar- beitenden. Im Weiteren wird es, wie bereits erwähnt, notwendig sein, Interessierte für die Über- nahme von Verantwortung zu gewinnen. Trotz sehr guter Beteiligung an Aktivitäten von BENN

31 Matuschek, Niesyto, Freiwilligen-Engagement professionell gestalten. Friedrich Ebert Stiftung 2013 17 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

sind faktisch nur wenige Aktive in der Lage, Projekte alleine umzusetzen, sie benötigen bis auf Weiteres Unterstützung durch BENN. Um mehr Eigenständigkeit zu erreichen, wird BENN hierzu Kurz-Workshops anbieten, der Engagierte bei diesem Schritt unterstützen kann. Hür- denspringer Spandau, ein Projekt der Stiftung Unionhilfswerk Berlin, bot hierzu bereits Unter- stützung durch Schulungen an. 2.3. Vernetzung und Kooperation BENN ist weiterhin regelmäßig bei den Austauschrunden von Hürdenspringer und der Wil- helmstadtkonferenz vertreten. Es wird die Aufgabe des BENN-Teams bleiben, Ideen des nach- barschaftlichen Miteinanders und der Integration als gesellschaftlicher Querschnittsaufgabe in diese Netzwerke hineinzutragen und entsprechende Angebote anzustoßen. Ausgebaut werden in Zukunft vor allem die Kontakte zur Stadtteilvertretung und Sanierungs- beauftragten. Hierzu beraumt BENN Termine für gemeinsame Sitzungen von Stadtteilladen, Stadtteilkoordination und BENN an, um hier zu weitere Schritte hinsichtlich einer gemeinsa- men Strategie zu entwickeln. Stadtteilkoordinator und Vertreter des Geschäftsstraßenmana- gements haben ihr Interesse am Austausch bekundet. Zudem sind professionelle Träger vor Ort aktiv. Insgesamt leisten diese einen wertvollen Bei- trag zur gesellschaftlichen Integration auch von Geflüchteten. BENN wird in persönlichen Ge- sprächen - in Bezugnahme auf oben genannte Handlungsziele - themenspezifische neue Mög- lichkeiten der Zusammenarbeit ausloten. Zur Stärkung der Nachbarschaft wird der Kontakt zur ev. Melanchthon-Kirchengemeinde zu den Familienzentren noch weiter ausgebaut. Zudem werden relevante Projekte besucht und nach Unterstützungsbedarfen durch BENN befragt. Da es, wie eingangs erwähnt auch viele benachteiligte Nachbarskinder in der Wilhelmstadt gibt, werden Aktionen für Kinder immer gemeinsam mit Kindern aus der Nachbarschaft (etwa aus den umliegenden Grundschulen und Horten) durchgeführt. Durch diese Zusammenarbeit entstehen allmählich Kontakte zwischen den Verantwortlichen, die perspektivisch auch ohne Unterstützung des BENN Teams fortbestehen können. 2.4. Beteiligung Damit bei der Arbeit von BENN die Interessen der Bürger*innen im Mittelpunkt stehen, ist die breite Beteiligung aller Anspruchsgruppen als zentrale Aufgabe im Programm angelegt. 2.4.1. Welche Gruppen werden wie erreicht? Die Mehrheit der Wilhelmstädter Bevölkerung steht der Integrationsarbeit mit Desinteresse o- der ablehnend gegenüber. Damit gewinnen niederschwellige Angebote zunehmend an Be- deutung. Wenig Kontakt konnte BENN zu jüngeren Menschen aufbauen. Diejenigen, die sich bei BENN engagieren, waren überwiegend aus dem aktiven Arbeitsleben ausgeschieden. Menschen, die noch aktiv im Berufsleben stehen, schaffen es oft nur sporadisch, an Veranstaltungen von BENN teilzunehmen, da diese überwiegend werktags und tagsüber stattfanden. Im ersten Halbjahr 2018 konnten aus der Nachbarschaft nur wenige männliche Nachbarn erreicht wer- den. Insgesamt zeigte sich deutlich, dass die Bewerbung konkreter zielgruppengerechter Mit- machangebote besonders erfolgreich war. Ein paar Wochen, nachdem das BENN-Team be- gann, Angebote zu entwerfen, die Männer mutmaßlich eher ansprechen konnten (Möbelbau, Fußballturnier), war deutliche eine Zunahme an männlichen Gästen zu verzeichnen. Das ge-

18 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

meinsame Adventskranz-Binden und das Nachbarschaftsfest an einem Samstag konnte wei- tere Nachbar_innen und auch junge Familien erreichen. Diese Strategie, einfache, nied- rigschwellige Angebote partizipativ zu entwickeln, kann damit als erfolgreich bezeichnet wer- den und wird auch in den Folgemonaten weiter umgesetzt. Nach wie vor setzt BENN auf die persönliche Ansprache der Nachbar_innen (etwa bei Prä- senzen auf Märkten oder dem Wilhelmstraßenfest), in den Unterkünften durch BENN-Mitar- beitende, um neue Interessierte zu erreichen. Flyer und Aushänge in Unterkünften zeigten wenig Wirkung, während die Ansprache über Sozialbetreuer_innen, Kinderbetreuer_innen, Ehrenamtskoordinator_innen in den Unterkünften und beim „Frauen- oder Familienfrühstück On Tour“ oft sehr erfolgreich waren. Wichtig ist es dabei jedoch, konkrete Angebote vorzuhal- ten, da sonst der Mehrwert nicht direkt ersichtlich ist. Bisher fehlt die Beteiligung von Jugendlichen, Ausnahme war die U18 Wahl zur Europawahl 2019, an der einige Jugendliche teilnahmen. Um diese Zielgruppe zu erreichen, bedarf es der Entwicklung von Aktivitäten, die Jugendliche mutmaßlich eher ansprechen (Fußball- oder Beachvolleyballturniere, Konzerte o.ä.) Darüber hinaus wird es notwendig sein, soziale und Online-Medien zur Ansprache zu nutzen. 2.4.2. Zusammensetzung und inhaltliche Schwerpunkte des Zukunftstages Der Wilhelmstädter Zukunftstag findet quartalsweise statt. Nachdem beim ersten Treffen ein Überblick über die Stimmungslage und allgemein fehlende Angebote im Mittelpunkt standen, werden bei den weiteren Treffen konkret die einzelnen Handlungsziele Empowerment, Ehren- amtliches Engagement und Netzwerkarbeit in Mittelpunkt stehen. Möglich wäre zudem die gemeinsame Vertiefung in Form eines Planungstreffens für eine Wil- helmstädter Kulturnacht oder für ein gemeinsames Sommerprogramm. Bei der Zusammen- setzung wird in den folgenden Veranstaltungen versucht, noch mehr Geflüchtete zur Mitarbeit zu gewinnen. Wünschenswert ist zudem mehr Resonanz bei Trägern etwa der Jugendhilfe oder aus dem Sanierungsprogramm zu erhalten. Daher wird bei der Themenfindung künftig stärker auf mögliche thematische Fokussierung geachtet, damit konkrete Maßnahmen entwi- ckelt werden können. Genaueres hierzu stimmt BENN in den folgenden Steuerungsrunden ab. 2.4.3. Beteiligung der Geflüchteten an offenen Veranstaltungen und Gremien Geflüchtete nehmen an niederschwelligen Veranstaltungen z.B. bei BENN teil, sind jedoch in Netzwerken nicht direkt vertreten, da sich diese meist in einem professionellen Umfeld bewe- gen. So sind beispielsweise in der Wilhelmstadtkonferenz nur Institutionen und Träger der Ju- gendhilfe aktiv, nicht jedoch Privatpersonen. In der Stadtteilvertretung engagieren sich keine Geflüchteten. BENN wird weiter bei der praktischen Arbeit auch auf solche Angebote hinwei- sen und bei Interesse Geflüchtete zu solchen öffentlichen Veranstaltungen begleiten. Die Be- teiligung an den Bewohnertreffen in den Unterkünften ist gleichbleibend (je etwa 10-15 Perso- nen), wobei es keine stabile Gruppe an Teilnehmenden gibt, sondern viel Fluktuation. 2.4.4. Selbstorganisation des Bewohnerrats In den beiden Gemeinschaftsunterkünften finden, wie oben beschrieben, Bewohnerversamm- lungen statt. Diesen Veranstaltungen ist gemeinsam, dass sie nicht auf Basis der Selbstorga- nisation sind, sondern im Rahmen eines Top-Down Ansatzes, vom Betreiber für die Bewoh- ner_innen, eingesetzt wurden. Selbstorganisierte Bewohnerräte existieren nicht und wurden von Bewohner_innen abgelehnt. Sinnvolle Beteiligung kann jedoch wie bisher über Präsenzen

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vor Ort und Treffen im BENN Büro gewährleistet werden. BENN wird daher weiterhin am Frau- enfrühstück on Tour (im monatlichen Wechsel auch als Familienfrühstück) festhalten sowie weiterhin offene Bewohnertreffen organisieren, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Be- darfe zu äußern und eigene Ideen einzubringen. Ab Frühsommer 2019 findet zudem auch das Nachbarschaftscafé monatlich einmal in der Unterkunft in der Pichelswerder Straße im und vor dem BENN-Bauwagen statt. 2.5. Empowerment Durch die Einbindung in das Nachbarschaftscafé und das Frauenfrühstück, und die Wertschät- zung der Nachbarschaft erleben Geflüchtete wie auch Anwohner_innen Selbstwirksamkeit. Insgesamt stellte sich heraus, dass viele Menschen gerne Ideen einbringen, aber Unterstüt- zung bei der Umsetzung und ein „Mut-machen“ durch BENN benötigen. Diese Stärkung der Ideen auch aus dem Bewohnerrat kann zu einem Empowerment beitragen. Dabei ist es Auf- gabe von BENN, Bedarfe zu erkennen und daraus Empowerment Maßnahmen abzuleiten. Ggf. kann eine Initialzündung von außen – durch BENN – hilfreich sein. In der GU am Ober- hafen teilte eine Gruppe von jungen Frauen BENN mit, dass sie Bedarf an Fahrrädern haben, um Fahren zu üben und sich freier in der Stadt bewegen zu können. BENN hat bereits Kon- takte zu Fahrradwerkstätten aufgenommen, die ggf. Räder, die sich noch zur Wiederaufberei- tung eignen, zur Verfügung stellen könnten. In der Werkstatt in der Pichelswerder Straße könn- ten Interessent_innen ihre Räder unter professioneller Anleitung selbst zusammenbauen, um im Gegenzug ein Rad mitzunehmen. Die Übernahme von Verantwortung für freiwilliges Engagement ist ein wesentlicher Indikator für Empowerment. Hierzu ist es wichtig, dass BENN weiterhin regelmäßig in den Unterkünften Präsenz zeigt 32 um mit den Bewohner_innen über deren Potenziale und Interessen ins Ge- spräch zu kommen. Im Rahmen des Empowerment-Ansatzes wurde die Nähstube eröffnet, in der Menschen lernen, sich einfache Gegenstände selbst herzustellen und gebrauchtes zu Up- Cyceln. Diese Maßnahme findet montags und samstags statt und wird im Jahr 2019 fortge- führt. Im Jahr 2019 werden aktuelle Kurse zum Nähen von Kleidung geplant. Auch Maßnahmen zur Unterstützung bei der Wohnungssuche tragen wesentlich zum Em- powerment bei (siehe 3.1.3) und werden in 2019 angeboten. 2.6. Weitere Handlungsbedarfe Ein weiteres oft genanntes Thema ist das Fehlen von bezahlbarem Wohnraum. Vielfach sind die Wohnungen zu klein und für größere Familien nicht geeignet, zudem beklagen Anwoh- ner_innen stetig steigende Mieten. Zudem fehlen attraktive Geschäfte, die die Aufenthaltsqua- lität auch auf Straßen und Plätzen steigern können. Hier besteht weiterer Handlungsbedarf, der jedoch im Rahmen des Sanierungsgebietes bereits bearbeitet wird. Es wird jedoch mut- maßlich eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, bis diese geplanten Maßnahmen ihre Wirkung entfalten können. Um Begegnungen zwischen Geflüchteten und Nachbar_innen zu ermöglichen, ist BENN im auf geeignete Begegnungsräume angewiesen. Dieser fehlt in der Wilhelmstadt ebenso wie ein nicht-kommerzieller offener Begegnungsort.

32 Frauenfrühstück on Tour und Nachbarschaftscafé in der Pichelswerder Straße 20 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

3. Abgeleitete Handlungsschritte Hieraus lassen sich folgende Aktionen und Maßnahmen ableiten: 3.1. Geplante Aktionen und Maßnahmen Ziele Maßnahmen Kooperationen Priorität

Nachbarschaft und gemeinsam Kochen und Ba- Nachbarschaft hoch Integration cken, Malen, Handarbeiten, Papierblumen basteln, Pick- nick, Fotowettbewerb (partizi- pativ im Frauenfrühstück oder Nachbarschaftscafé entwickelt)

Workshop „interkulturelle Kom- z.B. Stiftung SPI, ReachOut mittel petenz“, Vortrag /Projektvor- o.a., GiZ stellung Register Spandau Hoffloh- und Tauschmarkt, Nachbarschaft und Unter- hoch Nachbarschaftsfeste in den GU künfte

Begegnung und Dialog ermög- Nachbarschaft hoch lichen: Hoffest zum Tag des Nachbarn, Wilhelmstraßenfest, Lange Tafel, BENN Jubiläums- fest 2019 Unterstützung kultureller und Nachbarschaft hoch sportlicher Angebote · Theaterworkshop für Frauen · Kunstgruppe · Fußball- oder Beachvolley- ballturnier · Gespräche mit Bewohnern am Oberhafen, Sportplatzbe- treiber und Unterkunft Unterstützung der Nachbar*in- Nachbarschaft mittel nen bei der Schaffung eines Begegnungsortes Beteiligung Fortsetzung von Frauenfrüh- Nachbarschaft hoch stück und Nachbarschaftscafé

Bewohnertreffen monatlich in Unterkünfte hoch beiden GU: Familien- bzw. Frauenfrühstück On Tour, Nachbarschaftscafé im BENN- Bauwagen

Persönliche Einladung zum Sozialbetreuer_innen, Inte- hoch Wilhelmstädter Zukunftstag grationslots_innen

Erprobung Online-Be- Nachbarschaft niedrig teiligungsverfahren freiwilliges Engage- Partizipative Entwicklung von Nachbarschaft und Unter- hoch ment Mikroprojekten mit Einbindung künfte „Ehrenamtlicher“ z.B. Fußball- turnier, Vorlesestunden, Hand- arbeiten, Möbelbau, Hofver- schönerung (Stadtteilla- den/BENN sowie GU Pichels- werder Str.), gemeinsame Feste und Feiern

21 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

Ziele Maßnahmen Kooperationen Priorität

Kurzworkshop „Von der Idee Hürdenspringer, IKMO, hoch zum eigenen Projekt“ + bei der House of Resources Umsetzung von Ideen.

Öffentlichkeitsarbeit zur An- Nachbarschaft hoch sprache Freiwilliger

Kontaktherstellung von Interes- Unterkünfte, Nachbarschaft mittel sierten zu den Unterkünften z.B. für Vorlesestunden Vernetzung und Persönliche Kontaktaufnahme Vereine, Familienzentren, hoch Kooperation zur Etablierung des Initiativkrei- Träger, Betriebe, Hausver- ses „Nachbarschaft & Integra- waltungen etc. tion“

Inhaltliche Einbindung relevan- Vereine, Familienzentren, hoch ter Akteure beim Zukunftstag Träger, Unterkünfte über persönliche Treffen Besuch von Netzwerktreffen Hürdenspringer, Wilhelm- hoch stadtkonferenz, Stadtteil- vertretung Unterstützung von Akteuren SJC Wildwuchs, Melan- hoch der Integrationsarbeit chthongemeinde, Familien- zentrum Wilhelmine Empowerment Umsetzung der Ideen aus Be- Nachbar*innen und Unter- hoch wohnertreffen Nähstube, Klein- künfte Möbelbau, ggf. Fahrradprojekt

Workshop Wohnungssuche GiZ, Mieterberatung im hoch Statteilladen, Vermieter

Di-it-Yourself Bastelnachmit- Schulen/Horte Kinderbe- hoch tage monatlich truer*innen in den Unter- künften

Kiezspaziergänge Stadtteilladen / Wilhelm- mittel stadtarchiv

4. Öffentlichkeitsarbeit Um die gesellschaftliche Teilhabe geflüchteter Menschen zu fördern, bedarf es eines gesell- schaftlichen Rückhalts sowie aktiver Beteiligung aller Stakeholder. Öffentlichkeitsarbeit hat da- mit auch eine gesellschaftliche Bedeutung. Öffentlichkeitsarbeit dient einerseits der Steigerung der Bekanntheit des Programms. Zugleich ist sie ein Mittel, um Geflüchtete und Nachbar_innen zu motivieren, selbst aktiv mitzumachen. Kommunikation findet dabei grundsätzlich durch die direkte persönliche Ansprache der Ziel- gruppen, bei Veranstaltungen, über Multiplikatoren, Medien, Werbematerial sowie über Netz- werke statt. Persönliche Ansprache: Im Fokus der Öffentlichkeitsarbeit steht der direkte Kontakt zu An- wohner_innen und lokalen Akteuren. BENN orientiert sich dabei grundsätzlich am Empfeh- lungsmarketing: Menschen empfehlen Angebote, wenn sie selbst begeistert sind und einen klaren Nutzen erfahren haben. D. h., sie müssen durch das Angebot etwas erlebt haben, was ihnen als mitteilungswert und positiv in Erinnerung blieb. 22 Handlungskonzept BENN-Wilhelmstadt 2019

Gäste des Nachbarschaftscafés und Frauenfrühstücks sowie Bewohner_innen in den Unter- künften können am besten persönlich erreicht werden. Hier werden Mitarbeitende der Unter- künfte als Multiplikatoren eingebunden. Veranstaltungen: Zur Bekanntheit von BENN trägt wesentlich die Präsenz bei Veranstaltun- gen, (z. B. Stadtteilfesten und Sommerfesten in den Unterkünften) bei. Auch die regelmäßige Teilnahme von BENN an Fachtagungen, Fachgesprächen sowie Vernetzungstreffen zielt auf die Erhöhung des Bekanntheitsgrades ab. Sonstiges Werbematerial: Bei Veranstaltungen wird zudem Werbematerial ausgegeben. Wer- befahnen, Kugelschreiber und Aufkleber wurden bereits von der Senatsverwaltung für Stadt- entwicklung und Wohnen zur Verfügung gestellt. Zudem wird weiteres Werbematerial erstellt wie etwa Luftballons, Tassen, Buntstifte usw. Printprodukte: Für einzelne Aktionen werden Flyer und Poster produziert. Dabei wird darauf geachtet, dass alle Werbematerialien in leicht zugänglicher Sprache verfasst werden. Aktuelle Aktionen werden zudem über Poster in den Schaufenstern beworben. Über besondere Veran- staltungen und Angebote wird über Mailingaktionen, Aushänge in den Haueingängen infor- miert. Als Ergebnis aus dem gemeinsamen Kochnachmittagen wird zudem ein internationales Kochbuch erstellt. Pressearbeit: Mitteilungen zu Highlights und größeren Veranstaltungen wie etwa der Wil- helmstädter Zukunftstag werden der Stadtteilzeitung Wilma, dem Berliner Abendblatt, Span- dauer Volksblatt als Veranstaltungshinweis angeboten. Zudem erhalten Journalisten Einladun- gen zu den Events und Pressemitteilungen zur Nachberichterstattung. Online: Auch die Webseite von BENN Wilhelmstadt bietet Informationen über das Nachbarschaftsprogramm sowie aktuelle Aktivitäten. Ein Erklärfilm stellt die Arbeit leicht verständlich dar. Darüber hinaus werden soziale Medien genutzt (telegram, nebenan.de). 5. Fazit Da das Programm BENN im Jahr 2021 endet, ist derzeit das vorrangige Ziel, funktionierende Strukturen und Netzwerke im Quartier aufzubauen. Die Stadtteil-Koordination vernetzt bereits Angebote im Quartier, wobei Geflüchtete bisher diese nur selten nutzen. Es fehlen jedoch noch Gremien sowohl für Bürger_innen als auch hauptamtlich Tätige für das Thema Nachbarschaft und Integration. Daher wird BENN sich weiter daran arbeiten, ein solches ins Leben zu rufen. Schwerpunkt wird es darüber hinaus sein, bestehende Netzwerke zu stärken. Aktuell gibt weder einen nicht religiösen noch einen nicht kommerziellen Ort für Begegnung oder für nachbarschaftliches Miteinander wie etwa ein Stadtteilzentrum, welches bisher Erreichtes nachhaltig sichern könnte. Ein solcher Begegnungsort, wäre jedoch zentral für die weitergehende Integration und auch ein aktives Kiezleben. Einige Nachbar_innen ziehen zu diesem Zweck vage die Gründung eines Vereins in Betracht. Sie stehen jedoch noch am Anfang ihrer Überlegungen und benötigen Unterstützung bei der Realisierung. Herausforderung wird hier die eher wenig ausgeprägte Fähigkeit zur Selbstorganisation sein. Bürger_innen zu empowern und miteinander sowie mit Geflüchteten zu vernetzen bleibt demnach ein Ziel der Nachbarschaftsarbeit im Jahr 2019. Es wird zudem entscheidend sein, vielfältige Aktionen und Angebote zu testen, um mittelfristig auch schwer erreichbare Zielgruppen zu gewinnen. Dabei stehen Empowerment und Einbindung von ehrenamtlichem Engagement grundsätzlich im Mittelpunkt.

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