· ..." ,SS" ,( JI 5 C c- QUELLEN- UND FORSCHUNGEN AUS ITALIENISCHEN ARCHIVEN UND BIBLIOTHEKEN

HERAUSGEGEBEN VOM

DEUTSCHEN HISTORISCHEN INSTITUT IN ROM

BAND XXXII

ROM (27) .'tV. REGENBERG 1942

(AUSLIEFERUNG: CABL FR. FLEISOl!EB IN LEIl'ZIG) COSIMO I. MEDICI UND DIE EUROPÄISCHE ANLEIHEPOLITIK DER FUGGER.

VON GÖTZ FREIHERRN VON PÖLNITZ.

Untrennbar ist der Aufstieg der grossen europäischen Geld- mächte im späten Mittelalter mit der Ausbildung der neuzeitlichen Staaten verbunden. Ohne ihren zunehmenden Kreditbedarf der sich aus den erhöhten Bedürfnissen des Heerwesens, der fürstlichen Hof- haltung, der Verwaltung und auch den kulturpolitischen Zielsetzungen erklärt, bliebe die Entwicklung des Frühkapitalismus kaum vorstell- bar. Wenn eine Anzahl verschiedener toskanischer Banken an der Ausbildung der monarchischen Staatsform in Frankreich und Eng- land durch ihre hohen Anleihen einen stillen, aber sehr wirksamen Anteil besass, dann folgten ihnen unter freier Übertragung und schöpferischer Anpassung auf die erheblich schwieriger und ver- worrener gelagerten Reichsverhältnisse die oberdeutschen Handels- häuser. Freilich jene grosse Ravensburger Gesellschaft, die noch das Bild der schwäbischen Wirtschaft des endenden 14. und vollen 15. Jahr- hunderts beherrschte, und die mit ihren Beziehungen schon Nord- italien; Südfrankreich, Spanien und einen Teil der Niederlande um- sehloss.. stand derartigen Geldgeschäften noch uninteressiert, .viel- leicht sogar verständnislos gegenüber. Auch Nürnberger Grossunter- nehmer, wie beispielsweise die Tucher, trachteten eine zu enge Ver- quickung zwischen der Leistungskraft der privaten Wirtschaft des einzelnen Kaufmannes mit den Finanzwünschen deutscher oder aus- wärtiger Fürsten möglichst zu vermeiden. Es blieb der Besonderheit des Ausburger Wirtschaftsstiles schliesslich vorbehalten, diese Zurück- haltung aufzugeben und aus der bislang mehr gelegentlichen Zu- sammenarbeit zwischen Fürsten und Kaufleuten seit dem Ende des 15. Jahrhunderts unter der Führung Jakob Fuggers ein geniales, nahezu die damalige Welt umspannendes Finanzsystemzu schaffen. 208 GÖTZ FREIHERR VON PÖLNITZ Ohne den Rückhalt am reichen wären die ausdauern- den, hegemonialen Bestrebungen MaximiliansI. unmöglich geblieben. Fugger-Geld verhalf Karl V. beim Ringen um die römisch-deutsche Krone zum Siege über Franz I. von Frankreich, der sich seinesteils auf dasLyoner Kapital gestützt hatte .. Während des Bauernkrieges kämpfen die. grossen oberdeutschen Vermögen auf fürstlicher Seite. In seinemletzten Lebensjahr, als die eigeneGesellschaftdurch nationale Kämpfe des magyarischen Adels gegen die schwäbische Herrschaft im slowakischen Bergbau ernsthaft gefährdet scheint, leiht an Erzherzog Ferdinand und Kardinal Matthäus Lang, deren Berginteressen in Tirol und Salzkammergut den Fuggern -nahe- standen, Summen, die zwar nicht den Ausgang des Bauernkrleges entschieden, jedoch den Fürsten immerhin das Durchhalten gegen den Druck von unten spürbar erleichterten. Wenige Tage nach dem Tode Jakobs des Reichen verstärkt dann sein Neffe Anton Fugger im Frühjahr 1526 diese Beziehungen durch neue Kredite an Fer- dinand, die mit Anweisungen auf Einkünfte aus Neapel gesichert werden. Hatte Jakob Fugger innerhalb des deutschen Raumes als erster sein politisches Finanzsystem in konsequenter Anlehnung an das Erzhaus und die Kurie geschaffen,in denen der spätmittelalterliche Mensch die berufenen Hüter einer abendländischen Ordnung sah, so weitet Anton Fugger dieses Prinzip unter Erhaltung seiner poli- tischen und weltanschaulichen Ausrichtung auf den gesamten Kon- tinent aus. Durch ihn werden Stil und Methoden der europäischen Hochfinanz immer feiner ausgeschliffen,und die Weltherrschaft der Ausgburger Gesellschaften, die sich bei der vorausgegangenen Gene- ration erst ahnungsweise abgezeichnet hatte, wird vollends zur Tat- sache. Da sich den Welsern die Vorherrschaft am Gewürzmarkt nicht mehr entwinden liess, sicherte Anton Fugger seinem Hause die Führung des politischen Anleihewesens und erheblicher Teile des europäischen Bergbaues. Bis ins einzelne lässt sich das ungeheure Geflecht seiner finanz- politischen Operationen noch nicht überschauen-}. Jedoch es heben

1) Viel unbekanntes Material enthalten hierzu die Faszikel 48, 1-5 im FÜ1'8t. lieh und Gräflich Fuggerschen Familien- und Stiftungsarchiv Augsburg (F. A. A.). COSIMOI. MEDIC! UND DIE EUROP. ANLEIHEPOLITIK DER FUGGER 209 sich aus der Fülle des Zusammenhanges gewisse Hauptanleihen her- aus, die im Wesentlichen auch den politischen Kurs seiner Wirtschafts-' führung sichtbar kennzeichnen. In jenen ersten Zeiten, die der Über- nahme des Geschäftes, der Auszahlung verschiedener Miterben und der Gesamtrevision folgten, fällt 1530eine Anleihe von 275753 Gulden zur. finanziellen Sicherung der Römischen Königswahl Ferdinands I., mit dessen Persönlichkeit das Haus Fugger ebensowohl durch seine Tiroler, wie seine ungarischen Montanbelange eng verbunden war. Zum gleichen Zweck übernahmdie Augsburger Gesellschaft die Zah- lung der lebenslänglichen Rente, jährlich 7000 Gulden, an den Kur- erzkanzler und Erzbischof von Mainz, Dadurch war der Wille aus- gesprochen, weiterhin mit dem mehr' deutschen Zweig der Habs- burger politisch-finanziell zusammenzuwirken. 'Aber das sollte keine Lockerung der Beziehungen zu Karl V. bedeuten, mit dem die Fugger- sche Gesellschaft durch die Fragen der Tilgung seiner Wahlschulden von 1519 und der deshalb erfolgten Pacht spanischer Quecksilber- gruben stets nächste Fühlung behielt . .Der deutsch-französische Krieg des Jahres 1536, der zugleich den Reichsbesitz in' Oberitalien, wie die ungarischen Rechte des Erzhauses durch Franz 1. und Sultan Suleiman H. bedroht, sieht Kar! V. und Anton Fugger wieder in gemeinsamer Front.' 1536 erhält deshalb der Kaiser 100000 Dukaten gegen 14 Prozent als An- leihe und im Folgejahr nochmals den gleichen Betrag etwa zu den nämlichen Bedingungen. Als die Feindseligkeiten im Waffenstill- stand von 1538 fast ergebnislos abgebrochen werden,' gewährt das Haus Fugger der erschöpften kaiserlichen Kasse einen Kredit von 600000 Dukaten. Hinter diesen ganzen Verträgen steht als unermüd- • liehe Triebkraft der gemeinsame Wille, das Vordringen des franzö- sischen Einflusses in Italien, der lebenswichtige Adern der deutschen Wirtschaft gefährdet, wenn nicht abgeschnürt hätte, zu unterbinden. Zugleich musste freilich gegen Osten der Widerstand Ferdinands I., der bereits Ofen an die Türken verloren hatte, eine Stärkung erfahren. In diesem Sinne darf man unter anderen die Anleihe von 94500 Gulden verstehen, die Anton Fugger 1544 dem König gewährte. Mit der Gesamtheit der west-, süd- und osteuropäischen Fragen blieb für die Römisch-deutsche Krone der Fortgang der Reformation im Reich unauflöslich verbunden. Anton Fugger selbst sah darin 14 210 GÖTZ FREIHERR VON PÖLNITZ aber nicht nur eine macht-politische Angelegenheit. Für ihn bedeutete die Verteidigung der alten Kirche zugleich eine Sache des eigenen Gewissens-). Er hat sich für sie in Augsburg mehrmals unter per- sönlicher Gefahr eingesetzt und darum auch dem europäischen Ringen der beginnenden Gegenreformation in erheblichem Ausmasse seine Mittel zur Verfügung gestellt. Diesem Zwecke dienten jene 530000 Gulden und weitere Gelder, die Kar! V. 1546 zur Vorberei- tung seines Krieges gegen die Schmalkaldener Verbündeten erhielt. Auf dem Schlachtfeld von Mühlberg haben nicht nur die Gegenrefor- mation und die kaiserliche Autorität einen bedeutsamen Erfolg er- rungen. Der Sieg von 1547 brachte zugleich einen wirtschaftlichen Triumph des Fuggerschen Kapitals. Ein Jahr zuvor war Anton Fugger gezwungen worden, Augsburg zu verlassen, als es sich auf die Seite der Schmalkaldener schlug. Damals war Pietro Strozzi in der Reichs- stadt eingekehrt und hatte, allerdings vergeblich, die Fugger zwingen wollen, ihm bei der Überweisung einer 500000 Kronen-Anleihe des französischen Königs, wie eines eigenen Kredits von 40000 Kronen an den Schmalkaldischen Bund behilflich zu seins). Nun waren durch den Verlauf des Krieges die Dinge in ihr Gegenteil verkehrt worden. Anton Fugger musste seiner Vaterstadt Init 80000 rheinischen Gulden etwas mehr als die Hälfte ihrer Bussumme an den Kaiser vorstreckens). Als dieser vom Augsburger Reichstag des Jahres 1548 aus sein In- terim verkündete, mochte sein einflussreicher Geldgeber selbst hierin einen Erfolg der wirtschaftlichen Unterstützung der österreichisch- spanischen Waffen durch das Haus Fugger erkennen. Die mächtige Einheitsfront zwischen Kar! V. und Anton Fugger, die sich gleichennassen gegen die Schmalkaldischen Fürsten wie gegen den König von Frankreich richtete, legte es nahe, dass nun auch jene Kräfte in Italien dem Fuggerhaus näher rückten, die dort, wie Herzog Cosimo I. von Florenz+), zu den vorzüglichsten Verfechtern der kaiserlichen Politik gegen die Franzosen und gegen die schwankende Kurie zählten. Die alte und unversönliche Gegnerschaft der Medici

1) C. HÄDLER, Die Stellung der Fugger zum Kirchenstreite des 16. Jahr- hunderts, Historische Viertdjahressehrift I 473ff. I) H. J. KIRCH, Die Fugger und der Sehmalkaldisehe Krieg (1915) 53ff. ') E. HERING, Die Fugger (1939) 243. ') .Aus der reichen bei S. CAMERANI,Bibliografia Medicea (1940) angeführten Literatur sei besonders verwiesen auf C. BOOTH, Cosimo I Duke of Florence (1921). COSlMOI. MEDICI UND DIE EUROP. ANLEIHEPOLlTIK DER FUGGER 211 gegen die Strozzi und die persönlichen Umtriebe jenes selben Pietro Strozzi, der nun auch rings um Toskana und zu Siena jegliche Kräfte zum Widerstand gegen 'die Politik CosimosI. zu sammeln strebte, mögen die Annäherung der beiden klassischen Geldmächte der deut- schen und italienischen Renaissance' über jene Schwierigkeiten hin- weg erleichtert haben, die aus der Vergangenheit her noch zwischen ihnen bestandenl). Anten Fugger durfte kaum vergessen haben, dass sein grosser Lehrmeister, Jakob der Reiche, bei dem umsichtigen Aufbau der italienischen Wirtschaftsbeziehungen seines Hauses überall dem medi- ceischen Kräftefeld nach :Möglichkeitausgewichen war. Aus eigener Erfahrung kannteer von seinen römischen Jahren her jene Aus- schliesslichkeit, womit die Päpste des toskanischen Rauses unab- lässig den Einfluss der Fugger an der Kurie zurückgedrängt, ihnen mehrmals die einträgliche Münzprägung, mitunter sogarwiderrecht- lich, abgenommenhatten, um sieder Florentiner Nation zu übergeben2). Die erste Geschäftszeit Antons war dann für den italienischen Sektor gekennzeichnet von den Auswirkungen jenes deutsch-französischen Krieges der Jahre 1526-1529. Damals brach ClemensVII. die bis 1527 regen finanziellen Beziehungen zur römischen Fuggerbank ab. Weder der Damenfriede von Cambrai noch die Wiederannäherung des päpstlichen Hofes an die Politik Karls V. konnten ihn je zu einer Revision seiner Einstellung gegenüber den Fuggern bestimmen. Sie blieben für die Dauer dieses Pontifikates von den Geldgeschäften der Kirche, die sich zu ihrer Unterstützung nun eigens kleinere jü- dische Geldleiher des Kirchenstaates grosszog, in der Hauptsache ausgeschaltet und gaben nun ihre römische Faktorei aufS). Es mag Anton Fugger nicht ganz leicht gefallen sein, solche Vorgänge zu übergehen. Aber die beherrschte Klarheit seines ge- samten politischen Handelns duldete nirgends einen Entschluss aus Ressentiment. Spätestens etwa seit der Mitte des fünften Jahrzehntes des 16. Jahrhunderts ist die Aussöhnung zwischen Fuggern und Medi-

1) Über die allgemeinen Beziehungen zwischen den Häusern Fugger und Medici vgl. G. v. PÖLNITZ, Fugger und Medici,Historische Zeitschrift 1942.. I) A. SCHULTE, Die Fugger in Rom 1495-1523, I (1904) 8. Kapitel. ' ') Das völlige Schweigen der Bände Div. Cam. in den Beständen der ApostolischenKammer (Rom, Vatika. nisches Archiv) ist dafür der deutlichste Beweis. 14* 212 OÖTZ FREIHERR VON I'ÖLNITZ ceern vollzogen. Darüber hinaus leistet Augsburg fortan jene finan- zielle Hilfe, deren CosimoI., von inneren Widersachern anfangs bei- nahe noch stärker bedroht als von seinen vielen äusseren Neidern, zur Vertretung der kaiserlichen Politik in Ober- und Mittelitalien bedarf. Mit dem Sommer 1547 beginnend, lässt sich nun auch die friedliche Verbindung zwischen dem Herzog von Florenz und Anton Fugger verfolgen-). An den Prokurator des Medici,Bernardo Vecchiet- ti, zahlt die Fugger-GeselIschaft wiederholt derart hohe Beträge, dass sich am 31.Mai 1549die Schuld Cosimos, Kapital samt Zinsen- rückstand, auf 71784 Scudi beläuft t). Am folgenden 1. Juli .be- stellt der Herzog von Florenz einen Bevollmächtigten, der für ihn 15000 Scudi aus dem letzten Fuggervertrag ZU Antwerpen in Emp- fang nehmen solltes) . .Je mehr durch die Annäherung zwischen dem König von Frank- reich und der deutschen Fürstenopposition auch in Italien die all- gemeine Lage zum Nachteil Karls V. sich versteift, um so unermüd- licher zeigt Anton Fugger sich geneigt, der kaiserlichen Sache dort aufseine Weise auszuhelfen. Für 110000Dukaten, die er Ferdinandl. in den Jahren 1546-1548 vorgestreckt hatte, war Fugger bereits auf Einnahmen aus Neapel verwiesen worden. Eine neue Anleihe von 150000 Scudi, die dem Erzhaus 1551zuging, bestärkte die italie- nische Interessenverstrickung des Fuggerunternehmens in solchem Ausmasse, dass sich daraus von selbst für die Augsburger Ge~ell- schaft die Notwendigkeit ergab, nun CosimoI. auch weiterhin den Rücken entsprechend zu stärken. Anfangs Juni 1551 betraute der Florentiner einen zuverlässigen Mann damit, 58464 Goldscudi, die mit 12 vom Hundert zu verzinsen waren, von der Venezianer Fugger-

1) Königliches Staatsarchiv Florenz (St. A. F.) Archivio Medicco XIX No. 4 An dieser Stelle möchte ich den Herren dieses Archivs, besonders dem Direktor Prof. A. PANELLA,Sekretär Dr. F. SARTINIund Archivar S. FALCINI,meinen aufrichtigen Dank abstatten. Ihrem grossen Entgegenkommen verdanke ich die Möglichkeit zur Durchführung der Gesamtuntereuchung. Ich werde zu ihrer Ergänzung, sobald nach dem Kriege die gegenwärtig nicht erreichbaren Bestände wieder zugänglich sein werden, auch die wichtigsten Korrespondenzen und Verträge zwischen Fugger und Medici veröffentlichen. Z) F. A. A., Exzerpte v. M. JANSEN,Florenz Arch. centr., Perg. Med. 3. VIII. 1547; 4. XII. 1548; 5. XII. 1548. St. A. F., Reali possessioni, Stato patrimoniale ••• dells Serenissima Casa di'l'oscana, Tom. Ill, pare 1, fo1. 168 n.273. I) Ebenda, R. possess., Stato patrim. Tom. III 1, fol. 168 n.274. COSDIO I. MEDIC! UND DIE EUROP. ANLEIHEPOLITIK DER FUGGER 213 faktorei in Empfang zu nehmen, während man sich am 8. Juli 1551 über die Schuldentilgung verständigtet). Im Zusammenhang damit dürfte der Mitte Juli 1551 getätigte -Ankauf eines Schmuckstückes - ein Diamant von 16% Karat und eine Perle von 21% Karat - stehen, für das sich Cosimo I. den Fug- gernzur Zahlung von 12000 Scudi verpflichtetesj ; denn es gehörte zur alten Praxis des Fuggerhauses, den vorteilhaften Verkauf von Pretiosen mit dem Abschluss politischer Anleihen bedingungsmässig zu vorknüpfen"), Und wirklich am gleichen 18. Juli 1551, von dem dieser Kauf stammt, ratifiziert der Herzog verschiedene Zahlungen, die durch die Fuggerbank zu Venedig in seinem Namen ausgeführt worden waren, und erkennt die Erklärung seines Vertreters an, wonach er selbst der Gesellschaft noch 67368 Goldscudi schuldete, die in ziemlich kurzer Zeit abgetragen werden sollten'). Die Unmöglichkeit, angesichts der sich deutlich zuspitzenden Kriegsgefahr zwischen Florenz und Siena solche Beträge aus den ordentlichen Staatseinnahmen des Herzogtums abzuzweigen, legte den Gedanken nahe, durch Preisgabe süditalienischer Vermögens- werte einen Teil der alten Florentiner Staatsschuld abzuwälzen und sich damit für die Aufnahme neuer Kredite freie Hand zu schaffen. Hierzu kamen in erster Linie die um 100000 Scudi am 11. April 1547 erWorbenen Renten von Neapel in Frage, deren zehnprozentige Ein- künfte der Herzogin Eleonore, Tochter des Vizekönigs Don Pedro von Neapel, durch ihren Gatten Cosimo I. allerdings mit der Auflage überschrieben worden waren, dass der Verkauf dieser Werte nur mit seiner Einwilligung und in einem Falle geschehen dürfe, wo dringliche Verteidigungsbedfufnisse des Mediceischen Herzogtums das gebieten würden. Noch im Frühjahr 1552 verdichtete sich die Gefahr so sehr,

1) St. A. F., R. possess., Stato patrim. Tom. III I, foI. 163 n. 228. F. A. A., Exzerpte v. M. JANSEN,Florenz Arch. centr. Membr. Med. 8. VII. 1551. S) Ebenda, R. possess., Stato patrim. Tom. ill I, fol.I63 n.229. 8) Bereits Jakob Fuggcr hatte Teile des von den Eidgenossen bei Grandson erbeuteten Schmuckes Herzog Karls des Kühnen von Burgund, die er von der Stadt Basel unter der Hand erwarb, an Kaiser Maximilian I. im Zusammenhang mit Krediten günstig verkauft. R. F. BURcKHARDT, Über die vier Kleinodien Karls des Kühnen •. Anzeiger für Schweizeri8che Altertumskunde NF. XXXIII (1931) 247ff. ') St.A.F., R. p

1) St. A. F., R. possess., Stato patrim., Tom. III I, fol. 165 und 166. COS!MO I. MEDICI UND DIE EUROP. ANLEIHEPOLITIK DER FUOGER 215 die Matteo Mercati im Auftrage Cosimos IH. anfertigtet), Diese von -der Florentiner Regierung aus begreiflicher Ursache streng geheim gehaltene Liste2) - Sommario de'Contratti ••. della Serenissima Casa di Toscana - durfte ohne ausdrückliche grossherzogliche Erlaubnis von niemanden eingesehen werden; denn sie ermöglicht wertvolle, wenngleich nicht vollständige Einblicke in die vielseitige Verschul- dung und damit finanzpolitische Abhängigkeit des Hauses Medici. Nach diesen an Hand von Originalverschreibungen aufgestellten Ver- zeichnissen hatten Giovanni und Giacopo Grimaldi von Genua mit 16000 Scudi, Florentiner Kaufleute in Antwerpen mit 100000 Scudi im Jahre 1548 dem Herzog ausgeholfen. 1550 standen ihm wieder nicht näher bezeichnete Geldgeber aus Antwerpen mit 310000 Scudi und der Herzog Ercole n. Este von Ferrara mit 150000 Scudi zur Seite. Im Jahre 1551 nahm dann Cosimo I.bei Carlo Laoarsi 3640 Scudi, bei den Grimaldi und Spinola als Restzahlung eines Kredites über 80000 Scudi nochmals 35000 Scudi und endlich 9481 Scudi bei Domenico Grillo und Luziano Centurioni, sämtlich in Genua, neben dem Darlehen der Venezianer Fugger- faktorei auf. Im Frühjahr 1552 griff der Herzog nochmals auf die Genueser Banken zurück, und erhielt durch Lionardo Fornari und Raffaelo Spinola weitere 20000 Scudi. Allein selbst diese gewaltigen Beträge genügten keinesfalls für den Florentiner Staatsbedarf, auch wenn etwa nach dem stillen Wunsche Cosimos eine ernsthafte Aussicht bestanden hätte, sich mit Hilfe einer eingesessenen Partei halbwegs friedlich in den Besitz Sienas zu setzen. Erst recht, alsKarl V. die Forderung erhob, Kardinal Este als Vertrauensmann Heinrichs 11. von Frank- reich möge Siena verlassen, und der Krieg, dem das Haus Medici weder fernbleiben durfte, noch mochte, offen entbrannte, musste der Herzog sich nach weiteren Möglichkeiten einer Finanzierung umsehen. Die beachtlichen Geldquellen von Genua waren nach den hohen Darlehen des Vorjahres für ihn augenblicklich verschüttet. In Frank:

1) Den Hinweis auf diese äusserat aufschlussreiche und wenig bekannte Quelle verdanke ich Herrn Dr. SABTINI. Florenz. I) Sie stellt einen Teil des erwähnten Stato patrimoniale der ReaU possessioni (St. A. F.) dar. 216 aöTZ FREIHERR VON rÖLNITZ .' '. ~ reich sich um Hilfe umzutun, hätte der allgemeinen diplomatischen Lage gänzlich widersprochen .. Von der eigenen Florentiner Kaufmann- schaft liess sich zur Stunde leider ebenfalls nicht viel hoffen, da sie sich unter schwerstem auswärtigen Druck befand und eben erst durch die französische Krone in Lyon zu einer Zahlung von 30000 Scudi genötigt worden war-), Wenn die toskanisehen Handelsherren nicht schwere, vielleicht sogar gefährliche Verluste auf sich nehmen wollten, mussten sie mit Rücksicht auf Frankreich im Ringen um Siena äus- serste Neutralität an den Tag legen. So wurde schliesslich wieder jener erprobte Bernardo Vecchietti nach Venedig entsandt, um dort im Gespräch mit Christoph Müelich die Möglichkeiten auszukundschaften, unter denen mit einem Darlehen der Fugger gerechnet werden durftes), Zugleich ging Lucantonio Ridolfi nach Genua ab, damit auch dort neue Anleiheversuche Cosimos I. eingeleitet wurden. . .Vecchiettis Arbeit, der im November oder Dezember 1552 im Auftragedes Herzogs zur persönlichen Unterhandlung mit Anton Fugger nach Augsburg kam und dann in Venedig die einschlägigen Besprechungen mit Müelich fortsetates), führte trotz aller Anstren- gungen zunächst zu keinem Erfolg. Erst im Frühjahr 1553 gelangte der Agent an sein Ziel. . Nach umfänglichem Briefwechsel und münd- licher Unterhandlung erklärte sich Anton Fugger, dessen Bedingungen der Herzog notgedrungen annahm, zur Gewährung eines Darlehens von 60000 Scudi zu 74 Grossi bereit. Der Venezianer Faktor hatte dem Chef seines Hauses dringlich dazu geraten, damit man durch die gleichzeitige Übernahme der Mediceischen Renten von Neapel sich auch für die älteren Forderungen an das herzogliche Haus bezahlt mache. Anderweitig stand wegen des Krieges in Toscana von CosimoI. ohnehin kein Geld zu erwarten. Ein persönliches Schreiben des Her- zogs zerstreute achlieselieh den letzten Verdacht, Vecchietti sei viel- leicht nur deshalb vorgeschoben worden, damit der Fürst keine per- sönlich verbindlichen Verpflichtungen einzugehen brauche. Am 24. Februar 1553 konnte daa Mediceische Herzogspaar endlich, nach- dem es sich lange Zeit gegen die Forderungen der Fugger gewehrt hatte, einen Bevollmächtigten bestellen, der diese Summe zu Ant-

1) St. A. F., Spogli rossi (CosimoI.) n.373 fol. 79. A) Ebcnda., Spogli rossi (Cosimo I.) n.373 fol. SO. I) F. A. A., 48,6. COSIMOI. MEDIC! UND DIE EUROP. ANLEIlIEPOUTIK DER FUGGER 217

,werpen in Empfang nehmen sollte-) .. Unter dem7. März wurde dann der zugehörige Schuldvertrag notariell ausgefertigt2), doch schon am 22. März 1553

.. 1) St. A. F., R. poeeess., Stato patrim., Tom III I, fol. 167 n. 268. t) Ebenda, R. posseas.,Stato patrim., Tom. III I, fol. 167 n. 269. 8) F. A. A.• 48, 6~ ') Ebenda 48,6. I) St. A. F., R. po8S('SS., Stato patrim., Tom.III 1, fol.l71 n.283. ') Ebenda, R. possess., Stato patrim., Tom. I, fol.385 und :rOID. ill 1, fol.171, n.286. Um diese anderen Bcni fiscali di Napoli handelt es sich offenbar bei dem Journal von 1584/94(Libri di Amministrationc n. 1564). 218 GÖTZ FREIHERR VON PÖLNITZ

An demselben 3. Juni 1553, an dem die Herzogin durch die Abtretung der Neapeler Renten an die Fuggergesellschaft ein Jahres- einkommen von 10000 Scudi verlor, suchte Cosimo I. seine Gattin anderweitig zu entschädigen. Zum Ersatz verschrieb er ihr eine Monats- rente von 8331/3 Scudi, die auf die Salzsteuer von Florenz gesichert wurde. Sie musste allerdings wiederum eine gewisse Einschränkung dulden. Eleonore durfte unter ihren Söhnen über diesen Betrag be- stimmen, ihn letztlich aber nur ihrem Gemahl hinterlassen, und dieser wie seine Nachfolger blieben berechtigt, gegen Bezahlung eines Ka- pitals von 100000 Scudi diese Staatsschuld abzulösen. Damit waren die Ansprüche der reichen Herzogin, die Cosimo auch aus politischen und finanziellen Erwägungen nicht verstimmen durfte, einigermassen befriedigt, die Kernfrage neuer Kredite hin- gegen noch keineswegs geregelt. Der Herzog, der sich schon im Früh- jahr unter Umgehung seiner sonst mit groesen Vollmachten betrauten Unterhändler mehrfach unmittelbar und persönlich an Anton Fugger gewandt hattet), versprach sich auch jetzt wieder von Augsburg Ret- tung und Hilfe. Nur durfte keine Zeit verloren werden. Seinem Vene- zianer Agenten Piero Gelido gestand der Herzog jene grosse Verlegen- heit, in die er dadurch geraten war, dass zwar das kaiserliche Heer von Siena abzog, allein die Franzosen trotz der päpstlichen Erklä- rungen unbedenklich dort verbliebene), Die kritische Stunde gebot, da man einstweilen noch nicht sehr stark auftreten konnte, nach aussen hin in jeder Weise die vorgeblich milde Gesinnung des Mediceer- herzogs zu unterstreichen. Deswegen musste Gelido verbreiten, "wie Wir stets ein Freund der Ruhe und des Friedens in Italien waren, und daher nicht wollen, dass sich abermals ein Anlass ergäbe, neuer- dings einen Krieg und überdies aus geringfügiger Ursache zu be- ginnen." . Während diese Beteuerungen den Gegner über die wahre Ab- sicht täuschen sollten, liefen die Kriegsanleiheverhandlungen mit den Fuggern, ohne deren finanziellen Beistand Cosimo anscheinend die Gefahr einer Fortsetzung der FeindseJigkeiten nicht auf sich nehmen mochte, insgeheim unter Hochdruckweiter. Allerdings Anton Fugger,

1) St. A. F., Arch. Med. XXIII n.303, 442, 480, 493. I) Ebenda, Arch. Med. 2974 (lU 17). oosmo I. MEDIC! UND DIE EUROP. ANLEIHEPOLITIX DER FUGGER 219 dessen spanische Einkünfte durch einen Bankkrach in Sevilla neuer- dings gefährdet schienen, zeigte sich vorderhand zu weiteren Dar- lehen wenig gestimmt. Im Mai 1553 war ihm eine dringliche War- nung Müelichs zugegangen. Der Bankherr wurde darin aufgefordert, wegen der bisher vergeblichen Belagerung von Montalcino durch die kaiserlichen Truppen, der namhaften französischen Werbungen im Kirchenstaat und der alarmierenden Gerüchte, die eine türkische Unterstützung von 5000 Reitern und 60 Galeeren zugunsten der Franzosen in Italien ankündigten, äusserste Vorsicht walten zu lassen. Dem Faktor schien es unter diesen Umständen geraten, weitere Kredite an die Mediei bis zum Friedensschluss zu verweigern-). Daneben gab es eine andere Sorge, die den Herzog nicht minder bedrückte. Nach jüngsten Nachrichten war im Juli 1553 eine türkische Flotte - viel- leicht jene, von der Müelioh schrieb, - bei Cotrone aufgetaucht und hatte den Hafen von Neapel bedroht'). Es war ungewiss, welchen Umfang der neue Vorstoss des Islam, der mit dem Allerchristlichsten König Hand in Hand ging, im westlichen Mittelmeer noch annahm. Vorsorglich liess Cosimo die Küsten seines Landes in Verteidigungs- zustand setzen. Richtig betrachtet, konnte die Türkennot freilich für ihn auch zum Vorteil ausschlagen. Anton Fugger, dessen Gesell- schaft schon durch das weitere Eindringen des Halbmondes in die Balkanlande empfindlichen Schaden erlitten und ihre einträglichen ungarischen, sowie siebenbürgener'') Unternehmungen eingebüsst hatte, musste jetzt auch um seine unteritalienischen Renten, die ihm aus dem Königreich Neapel zustanden, bangen. Unter solcher Voraussetzung war er vielleicht den Darlehenswünschen des Hauses Medici noch zugänglicher als sonst. Jedoch Anton Fugger hatte sich durch seine Venezianer Fak- torei regelmassig mit Nachrichten über das französisch-türkische Bündnis, die Flottenoperation vor Neapel, die militärischen Unter- nehmungen der kaiserlichen, Florentiner und französischen Feld- herren um'Montaloino und Siena berichten lassen'), so dass ihn weder der KriegsverlaUf in Toskana noch ein abermaliges briefliches Drängen

1) F. A. A.. 48,6. I) St. A. F., Arch. Med. 2974: (11119). ') über diese vgl. die neueste Abhandlung: G. GRONDISCH, Die siebenbürgische Unter- nehmung der Fuggcr 1528-1531, Omagiu profeesorulul JOAN LUPAS (Bukarest 1941). C) F. A. A., 48.6. 220 OÖTZ FREIHERR VON l'ÖLNITZ Vecchiettis zu übereiltem Vorgehen bestimmen konnten. Erst unter dem 17. Juli 1553kam ein neuer Vertrag mit Anton Fugger und den Söhnen seiner Brüder zustande, die gegen 10 vom Hundert aus den Einnahmen verschiedener Städte dem Herzog abermals 55000 Du- katen übermitteltenl). In der zweiten Augusthälfte ratifizierte Co- simo 1. die entsprechenden Vereinbarungen seines Prokurators Gio- vanni di Pietro Cannabarii, und auch die Herzogin verzichtete auf sämtliche ihrer hiervon betroffenen Rechtes). Der Vorstoss der tür- kischen und französischen Flotte, die im folgenden Monat schon Korsika erreichte, rechtfertigte vollauf CosimosAbsicht, ungeachtet weiterer Staatsverschuldung sich auch gegen Gefahren von See her zu schützens). Aus gleicher Ursache liess der Herzog klugerweise den Faden, . der ihn über Venedig mit Augsburg verband, nicht mehr abreissen, obwohl die Fugger verschiedene Anstände gegen den grossen Vertrag über die Beni fiscaligeltend machten und nach Einholung juristischer Gutachten aus Venedig und Pavia verschiedene Abänderungswünsche vorbrachten.') Seit dem Winter 1553/54 befand sich Bernardo Vecchietti, der nun schon seit langem zum Fachmann in den deutschen Anleihefragen des Florentiner Staates geworden war, wieder in Ve- nedig+). Scheinbar war er dort mit dem Ankauf von Schmuckstücken und rassigen Pferden beschäftigt8). Im Grunde freilich diente sein Aufenthalt, über dessen Zweck den übrigen Florentiner Agenten in Venedig kein Aufschluss zuteil wurde, der geheimen Verhandlung mit den Fuggern. Dies schien höchst vonnöten, da Müelich sich mit Anton Fugger entzweit hatte, und ein Faktorenwechsel bevorstand. Um die Erörterungen zu beschleunigen,hatte Vecchietti mit Genehmi- gung Cosimos dem dortigen Fuggerfaktor sogar eine goldene Kette im Werte von 200 Scudi geschenkt. Aber die Barmittel des Medici- vertreters waren derartig knapp bemessen, dass er peinlicherweise die Fuggerfaktorei selbst um jene Summe angehen musste, deren er

1) F. A. A., 48, 6. Exzerpte v. M. JANSEN, Florenz Arch. centr. 17. VIII. 1553. Der Vertragszeuge "Gabriele Hylanzon de Alamania." ist vermutlich ein Mitglied der bekannten der Ravensburger Gesellschaft zugehörigen Familie Hilleson, 1) St. A. F., R. possess., Stato patrim., Tom. III I, fol. 176f., n. 295. 8) Ebenda, Arch. Med. 2974 (IlI27) und F. A. A., 48, 6. ') F. A. A., 48, 6. 6) St. A. F., Spogli Rossi (Cosimo I.) n.373, fol. 98. ') Ebenda, Arch Med. 2970 fol. 473.: cosmo I. MEDICI UND DIE EUROP. A..."iLEI1IEPOLITIK DER FUGGER 221

ZUT Bezahlung dieser Gabe bedurftet), Deshalb reklamierte Vecchietti im Januar 1554 dringend den Betrag beim Herzog, damit ihm für den nächsten Fall ähnlicher Verlegenheit wieder der Beistand der Fugger gesichert bleibes). Übrigens konnte auch der eigene Kredit Cosimos durch solche kleine Ungelegenheiten seiner nächsten Vertrauensleute inein zweideutiges Licht geraten. ','Während sich Vecchietti am Rialto noch ziemlich umsonst plagte, gelang es dem Herzog von Niccolo Grimaldi, der ihm schon'1547 mit 75000 Scudi behilflich gewesen war, abermals 34000 Scudi zuerlangen. Trotzdem liefen seine Verhandlungen in Venedig weiter. Der Krieg n1it Siena, den militärisch Gian Giacopo de Medici, ein Bruder Papst Pius IV., befehligte, hatte wohl im Januar 1554 durchdie Eroberung des wichtigen Stützpunktes Camellia für die Florentiner eine günstige Richtung genommen. Zudem entschied die Schlacht von Marciano noch im gleichen Jahr über die Zukunft Sienas. Alleinder ver- zweifelte Widerstand des Gegners behauptete seinen Unabhängig- keitswillen so zäh, dass Cosimo I. es geraten fand, sich mit weiteren deutschen Geldern nötigenfalls auf eine längere Kriegsdauer einzu- richten: . Im Juli 1554, den Bernardo Vecchietti in Geschäften seines Herrn erneut zu Venedig verbrachte, blieb der Mediceer durch ihn mit den Fuggern in geschäftlicher Fühlungs). Die europäischen Schwie- rigkeiten -Karls V., die nur zu leicht jähe Rückwirkungen aufdie Gestaltung'der italienischen Verhältnisse zeitigen konnten, emp- fahlen dem Herzog diese weise Vorkehr. Trotzdem fand er es nicht am Platze; Pietro Aretino, der den Medici sonst als Vertrauensmann inVenedig diente, brieflichen AUfschluss über die Besonderheit der Mission Vecchiettis zukommen zu lassen. Sie scheint ohnehin grösseren Widerständen als sonst begegnet zu sein. Da jedoch im August 1554 den Herzog nur 3620 Scudi des Niccolo Spinola erreichten, im übrigen abet auch durch Grillo dort keine neuen Abschlüsse gelangen, galt es die Bemühungen bei den Fuggern namhaft' zu steigern. . . Wiederum gestalteten sich die Verhandlungen nach allen Seiten recht zäh. Der Genueser Agentenstab Cosimos wird im Herbst durch

I) St. A. F., Arch. Med. 2970 fol. 481. . I) Ebenda, Arch. Med. 2970 fol. 483. I) Ebenda, Spogli Rossi (CosimoI.) No.373 fol. 99f. 222 GÖTZ FREIHERR VON PÖLNITZ Lercani und Grimaldi verstärkt. Indessen sie erreichen bei den ligurischen Banken nicht vielmehr als Vecchietti, der im September und Oktober 1554:die Grundlagen für eine neue Fuggersche Gross- anleihe klärt. Immer dringender lauten in diesen Wochen Cosimos Befehle an Vecchietti. Immer eifriger beteuert gleichzeitig der Unter- händler, dass er gern sein Möglichsteszur Beschleunigung tun wolle; es komme ihm ohnehin jede verzögerte Stunde wie tausend Jahre vor"). Aber der mächtige Augsburger Finanzherr lässt sich unter keinen Umständen treiben. So beginnt der Florentiner Agent in seiner Verzweiflung schon bei Venezianer Juden nach Geld für den Herzog sich zu erkundigen. Er wollte auch diesesmal um keinen Preis Cosimo im Stiche lassen. Andererseits äusserte Anton Fugger den Wunsch, das von ihm erbetene Darlehen wiederum mit dem Verkauf eines Schmuckgegenstandes zu verbinden, bei dem die Gesellschaft nochmals gesonderte Verdienstaussichten besass, Die Florentiner, denen es im Augenblick zwar nicht auf den Ankauf von Juwelen ankam, konnten den Vorschlag schlecht ablehnen, da der Fuggersche Vertreter in Venedig sich geneigt zeigte, das betreffende Stück dem Herzog zur Ansicht zu übermitteln. Die Sendung musste allerdings auf Verantwortung von Florenz geschehen, da Anton Fugger per- sönlich .keinen Auftrag in diesem Sinne erteilt hattet). Die militärischen Erfolge des Herzogs von Florenz, vorzüglich die Einschliessung Sienas im Oktober 1554, konnten auf die finanz- politischen Entschlüsse Anton Fuggers nicht ohne Rückwirkung bleiben. Seit ~fitte Oktober 1554 besteht sogar in Venedig kein Zweifel mehr darüber, dass die Fuggergesellschaft an das Herzogtum von Florenz abermals namhafte Kredite geben werde. Die Bedingungen freilich lauten ziemlich ungünstig. Da aber durch vorteilhafte Um- stände eine Verzögerung der Antwerpener Zahlungsverpflichtungen CosimosI., zu deren Erfüllung der Herzog die Fuggerschen Gelder verlangte, um einen Monat gelang, konnte Vecchietti mit grösserer Zähigkeit über den Zinsfuss, die.Tilgungsfrist der Anleihe, sowie den Preis des Schmuckes verhandeln, als er es sonst vermochtet). Ende Oktober ist dieser erfahrene Geschäftsmann allerdings auch durch die

1) St. A. F., Arch. Med. 2970 fol. 707. I) Ebenda, Arch. Med. 2970 fol. 770. I) Ebenda, Arch. Med. 2970 fol. 726. COSDfO I. MEDIC! UND DIE EUROP. ANLEIHEPOLITIK DER WGGER 223

bewusst zögernde Taktik des Augsburger Kontors mürbe geworden. Er ist bereit, nun um jeden Preis und auf alle Fälle abzuschliessen und hofft nur noch halbwegs annehmbare Bedingungen für seinen Auf- traggeber zu erlangen-}, Nochmals bewährt Anton jene Fuggersche Zähigkeit, die seiner- zeit schon Räte Kaiser Maximilians an seinem grossen Oheim mit- unter beinahe zur Verzweiflung gebracht hatte. Man weiss in Augs- burg, dass jede Übereilung nur zum Schaden des deutschen Kauf- manns ausfallen kann. Darum gelingt erst am 12.Dezember 1554 die Verbriefung2). In der Urkunde verkauft die Augsburger Firma an den Herzog von Florenz ein Juwel, das aus einem in emailliertes Gold gefassten Diamanten von 25% Karat mit einer daran hängen- den Perle von 47 Karat besteht, zum Preise von 23600 Goldscudi. Ferner verpflichten sich die Fugger zu einer Anleihe von 75000 Scudi, die der Herzog in Kürze zu Antwerpen erhalten, aber binnen zwei Jahren heimzahlen solle. Endlich erklären sie sich einverstanden mit einer Senkung ihrer Restschuld, die sich durch den Erwerb der ausgedehnten Renten von Neapel noch auf 75000 Scudi bezifferte, um 3763 ScudP). Damit waren die nächsten Bedürfnisse der Floren- tiner Politik endlich gedeckt, und das um so mehr, als noch im gleichen Dezember 1554 Donato und Matteo Minali CosimoI. 36000 Scudi zur Verfügung stellten'). Nun war die Sorge bei den Fuggern, ob und wie es ihnen ge- lang, die Florentiner zur gewissenhaften Einhaltung ihrer vertrag- lichen Abmachungen zu bestimmen. Denn manchmal hielt Herzog Cosimo sich von dieser kaufmännischen Selbstverständlichkeit für entbunden. Wenigstens klagen mehrere Briefe der Venezianer Fak- torei vom Februar 1555 ausgiebig 'über seine Nachlässigkeit, die der Gesellschaft schweren Schaden zufüge+). Cosimo,der sich durch die zur gleichenZeit empfangenen 100000Scudi, die ihm König PhilippII. von Spanien vorstreckte, ausser Gefahr wähnte, hielt es aber trotz- dem nicht für angebracht, sich mit der Schuldentilgung zu beeilen.

1) St. A. F., Arch. Med. 2970 fo1. 740, 750. 2) F. A. A., 48, 6. 8) St. A. F.~ R. possess., Stato patrim., Tom. III 1, fo1. 193, n. 343. 4) Ebenda, Spogli rossi, • (Cosimo I.) n, 373, fo1. 100. ') Ebenda., Arch. Med. 2971 (Corrispondenza con Venezia) fol, 50,70. 224 GÖTZ FREIHERR VON rÖLNITZ Der Friedensschluss.vom Frühjahr 1555 führte den Herzog von Florenz noch nicht endgültig an das Ziel seiner Wünsche. Bald konnte sich indessen auch der Kaiser nicht mehr darüber täuschen, dass es Cosimo ausschliesslich auf den eigenen Erwerb Sienas und die damit verbundene endgültige Entscheidung der Rivalität mit Florenz an- kam, und nicht bloss auf die Vertreibung der Franzosen aus Toscana. Wenn einstweilen noch irgend etwas den Medici zurückhielt, dann war es neben einer angebrachtenVorsicht den Spaniern gegenüber, mit denen er es aus mehrfacher Ursache nicht verderben durfte, die unfreundliche Haltung, die der neue Papst Paul IV. den Mediceischen Grossmachtplänen entgegenbrachte. Inwieweit man in Florenz, dessen Absichten Cosimo vor der Hand in undurchsichtiges Dunkel hüllte, auf den finanziellen Beistand der Fugger noch zählte, sobald die Übereinstimmung der eigenen Pläne mit den Absichten des Erz- hauses nicht mehr ausser Frage stand, war zunächst nicht zu sagen. Jedenfalls scheint im Laufe des Jahres 1555 keine oder min- destens keine erhebliche Anleihe durch Anton Fugger an den Herzog gegeben worden zu sein. Freilich mit unbedingter Gewissheit lässt sich das kaum feststellen; denn die Geschäftsbücher der Privatkasse des Herzogs, die ohne Zweifel bestand, liegen nicht mehr vor, und die Bände der Depositeria Generalet), die zwar äusserst gewissenhaft sind, erlauben mitunter keinen restlos verlässigen Nachweis. Es fehlen nämlich darin beispielsweise manche Fuggeranleihen, die sonst ur- kundlich bezeugt sind, oder es ist wenigstens nicht möglich klar fest- zustellen, unter welchen Bezeichnungen oder Decknamen ihre Ver- rechnung geschah. Die Reste der Geschäftskorrespondenz, die von der Venezianer Fuggerfaktorei noch im Spätjahr 1555 mit dem Herzog geführt wurde, lassen vermuten, dass die Freundschaft zwischen ihm und der Gesell- schaft sich abzukühlen begann-). Schon tauchen darin Befürchtungen auf, Anton Fugger könne durch die geringe Zuverlässigkeit der Floren- tiner Zahlungen ernsthaft verstimmt werden. Allein es kam nicht zum Bruch, da der unermüdliche Vecchietti alle erdenkliche Mühe aufbot , um den mächtigen schwäbischen Handelsherrn bei guter Meinung zu

1) St. A. F., Arch. Med. Depositeria Generale 769ff. I) Ebenda., Arch. • Med. 2971 (Corr. con Ven.) fol. 381. COSIMO I. MEDlCI UND DIE EUROP. ANLEmEPOLITIK DER FUGGER 225· erhaltenl). Desgleichen tat die Venezianer Aussenstelle der Fugger aus ihrer Überzeugung von der \Vichtigkeit des geschäftlichen Kon-: taktes zwischen Augsburg und Florenz das Beste, um eine Unter- brechung der Beziehungen zu vermeiden. Als der Herzog aber wieder den Termin verstreichen liess, zu dem er auf ein ihm geliefertes Kleinod den Fuggern im Dezember 1555 einen Betrag von 11800 Scudi schuldig war, stiegen nachgerade bei den deutschen Unter-. händlern in Venedig ernsthafte Befürchtungen auf, die sie in ihren Eingaben an den Herzog nicht länger verhüllen mochten. Ohne alle Beschönigung fordern sie Cosimo auf, er wolle dafür Sorge tragen, dass nicht Schaden und Schande über sie komme. Allein der neue Appell wirkte ebensowenig wie die früheren. In ihrer Verlegenheit sandte die Venezianer Fuggervertretung im April 1556 den Faktor Michael Ludwig Maier nach Florenz, damit dieser dem Herzog persönlich die Lage ausführlich schildere und nach- drücklich auf der Einhaltung der Zahlungsverpflichtungen bestehe2). Da aber Donato und Matteo Minali zwei Monate zuvor Cosimos Wünsche mit 44893 Scudi befriedigt hatten, liessen die Vorstellungen der deutschen Bank den Fürsten ziemlich unbekümmert. Darin offenbart sich nun die grundsätzliche Verschiedenheit in der Geschäftsführung Anton Fuggers von jener eines Jakob des Reichen. Während dieser, selbst auf die Gefahr gewisser Verluste hin, denen auch Jakob Fugger keineswegs immer entging, dann so- fort sämtliche Zahlungen sperrte, wenn seine vornehmen Gläubiger mit ihren Tilgungsraten schuldhaft in Rückstand gerieten oder gar sich überhaupt nicht ernsthaft Willens zeigten, ihre geschäftlichen Verpflichtungen mit kaufmännischer Treue einzuhalten, zeigte Anton Fugger zwar schon eine gewisseVerstimmung, er liess es aber letztlich auf keinen Bruch ankommen. Aus Scheu vor den äussersten Konse- quenzen fand er sich unter Umständen sogar bereit, ein zweifelhaft gewordenes Geschäft durch weitere Zuschüsse länger hinzuschleppen, als es unbedingt sinnvoll war. Anton Fugger gab die starke Stellung des Gläubigers auf und überliess weithin die Initiative der Unter- handlung, mindestens aber die Tatkraft der Entscheidung seinen

1) St. A. F•• Spogli rossi (Cosimo l.) n.373, fol. 104. I) Ebenda, Arch. Med.2971 (Corr. con Ven.) fol. 514. IS 226 GÖTZ FREIHERR VON l'ÖLNITZ zahlreichen Schuldnern: Im Grossen musste das der Gesellschaft im Verkehr mit der spanischen Krone auf die Dauer zum Verhängnis werden. Die gleicheHaltung war aber am Einzelbeispiel der Florentiner Kredite um 1555bereits deutlich zu erkennen. Statt ganz rücksichtslos zunächst auf der Vertragserfüllung zu bestehen, ehe irgendwelche weitere Anleihen ausgehandelt oder gar ausbezahlt wurden, zeigt der Jahresauszug der Venezianer Fuggerfaktorei, der für 1556 Geschäfte mit CosimoI. in Höhe von 43225 Scudi zusammenstellt-), zwar keine sehr hohen Anweisungen an den Medici, allein es fehlt doch an jener unerbittlichen Festigkeit, um nicht zu sagen Härte, womit ein Jakob Fugger einst selbst seinen kaiserlichen und päpstlichen Schuldnern gegenüber auf der gewissenhaften Erfüllung ihrer Zusagen bestanden hatte2). Möglicherweiseergriff etwas von jener Müdigkeit, die im Oktober 1556 Kar! V. zur Ausführung seiner Rücktrittspläne bewog, auch seinen leitenden deutschen Bankherrn. Es könnte sein, dass man in Augsburg zu dem Ergebnis gelangt war, die finanzielle Verflechtung der eigenen Gesellschaft mit dem europäischen Getriebe politischer und wirtschaftlicher wie weltanschaulicher Gruppen, die sich für und wider den letzten grossen Habeburger bildeten, sei schon zu eng, um sich noch daraus ablösen zu können. Den Kaiser als Einzelmen- schen vermochte niemand daran zu hindern, dass er sich aus den Wechselfällen der grossen Politik zurückzog. Trotzdem lebte sein Geist in jenem System der Kräfte weiter, das er hinterliess, und focht auch ferner in jenen europäischen Kämpfen um die deutsche Führung, die unter seiner Herrschaft entbrannt waren. Anton Fuggers Darlehen von 1265236 Livres, die er im Früh- jahr 1556 bereits dem jungen König Philipp n. von Spanien in zwei gewaltigen Anleihen übermittelt hatte, bewiesen, dass die Gesellschaft auch für die Zukunft sich nicht vom politisch-finanziellen Gebäude des Erzhauses, seiner machtmässigen und persönlichen Be- lange sowie seines Kampfes um die Gegenreformation zu scheiden gedachte.. Das aber hiess, auf die toskanischen Verhältnisse über- tragen, nichts anderes, als dass dann die Fuggerbank auf dem italie-

1) F. A. A., 48,6. 2) Vgl. den berühmten sogenannten Mahnbrief Jakob Fuggers an Karl V. vom Jahre 1523. J. STRIEDER, Jacob Fugger der Reiche (1926) 141 ft•. COSIMOI. MEDIC! UND DIE EUROP. ANLEIlIEPOLITIK DER FUGGER 227 nischen Sektor de~ gewaltigen Zweikampfes zwischen Habsburgern und Valois den Florentiner Herzog nicht fallen lassen durfte. Im Frühjahr 1557 entschloss sich die spanische Majestät, ver- IIlutlich nach reiflicher Überlegung der wiederholten Gefährdung des westlichen Mittelmeeres durch türkische Flotten und der Not- wendigkeit, auch für die Zukunft das MediceischeHaus an die Habs- burger zu ketten, dem sehnlichen Wunsche Cosimoszu entsprechen. Don Juan de Figheroa ratifizierte im Auftrage seines Königs die Abtretung Sienas an den Herzog von Florenz, der dafür in den Küsten- und Hafenstädten von Porto Ercole, Talamone, Monte Argentario, Orbetello und Porto Santo Stefano spanische Besatzungen weiter- hin dulden musste. Die feierliche Übergabe der neuen Gebiete an Cosimo, am 19. Juli 1557 höchst zeremoniell vollzogen, krönte nach aussen die langjährigen territorialen Bestrebungen des Herzogs. In anderem Sinne liessen sie sich aber auch als Erfolg Philipps n. auf- fassen. Durch ein mässiges Gebietsopfer befreite er, der alle Kräfte zum neuen Waffengang mit Frankreich zusammenfassen musste, sich von überkommenen und übernommenen Schulden. Die Medici hingegen waren nun auch vor dem französischen König trotz der einst verwandtschaftlichen Bande bis auf weiteres eindeutig als Partei':' gänger der spanischen Sache gekennzeichnet, so dass ein Gesinnungs- wechsel ihrerseits nicht mehr zu befürchten stand. . Cosimo Medici hatte,wie Galluzzi versichert, seine wirtschaft- lichen Möglichkeitenbis zur Neige erschöpft. Dass er jetzt den pomp- haften Titel eines Dux Senarum. annahm, entsprach dem gesteigerten Machtgefühl des Manierismus und der Prunkfreude eines anbrechen- den barocken Zeitalters. Finanziell aber stand sich der Herzog zu- nächst vermutlich schlechter als vor Kriegsausbruch. Das neue Gebiet trug ihm einstweilen höchstens 50000Dukaten jährlich. Dafür musste er jedoch seine Staatsschulden, die allmählich zu verhängnisvoller Höhe angeschwollen waren, wieder abdecken und jene schweren Schäden heilen, die nicht nur das Gebiet von Siena, sondern ganz Toskana infolge der erbitterten Verwüstungen des mit grösster Leidenschaft ausgetragenen Krieges erlitten hatte. Infolgedessen galt es zunächst einmal wieder gute Beziehungen zu Anton Fugger herzustellen und seine Verärgerung zubeseitigen1).

1) St. A. F., Arch. Med. XXVII n.317. 15· 228 OÖTZ FREIHERR VON rÖLNITZ Ein persönlicher Brief Cosimo I. vom Juni 1557 hatte schon die An- erkennung einer Schuld von 63784 Scudi ausgeaprochen-]. Damit allein war es aber auch nicht getan. Wenn die Dankbarkeit des neuen Herzogs von Siena ihn zum politischen Gefolgsmann Philipps 11. auf der Appenninenhalbinsel stempelte, dann war er zugleich durch die mehrjährigen Kredite der Genueser und Augsburger Handelshäuser im Verhältnis zu diesen auswärtigen Geldquellen in eine für die Ge- schichte der Medici unerhörte wirtschaftliche Abhängigkeit geraten. Fugger und Grimaldi scheuten sich deshalb nicht, im Juni und Juli 1557 ihre Interessen Cosimo I. in unmissverständlicher Deutlichkeit in Erinnerung zu bringen und die Berücksichtigung ihrer Ansprüche zu fordernä). Sie durften die Erfüllung ihrer Wünsche deshalb er- warten, weil Herzog Cosimo seit dem Januar 1557 zum Teil sogar persönlich mit den Fuggern schon wieder in schriftlicher Unterhandlung über die Ordnung älterer Anleihefragen und die Gewährung neuer Kredite stands). Ohne die Unterstützung der Fuggerbank hätte Philipp n. den von seinem Vater ererbten Krieg gegen Heinrich 11. von Frankreich nicht derart nachdrücklich betreiben können. Die Schlachten von Saint Quentin und Gravelingen in den 'Jahren 1557 und 1558 können nicht unabhängig von jenen gewaltigen Anleihen betrachtet werden, die durch Anton Fugger dem König Philipp 11. von Spanien wie seinem Oheim Kaiser Ferdinand I. zur Verfügung gestellt wurden, Der Sieg von St. Quentin im besonderen trug auch italienische Früchte, indem er die Franzosen bewog, ihre Mannschaften aus dem letzten, heiss umkämpften toskanischen Stützpunkt Montalcino zurückzuziehen. Mit dem Friedensschluss. von Cateau Cambrösls ging die Festung 1559 in den Besitz der Florentiner über. Jetzt lag es im Interesse der Medici, dem äusseren Schein nach die freundschaftlichen Beziehungen zum spanischen Hofe zu wahren, tatsächlich aber einem übermässigen Umsichgreifen der Einflussphäre Philipps n. auf italienischem Boden vorzubeugen. Es fiel dem Herzog nicht ganz leicht, diesen Bestrebungen mit Erfolg nachzugehen, da er seit der letzten Steigerung seines Ansehens auch mit dem ewig

1) St. A. F., R. possess., Stato patrim., Tom. III 1, foI. ISI n. 306. I) Ebenda, Spogli rossi (Cosimo I.) n, 373, foI. 122. I) Ebenda, Spogli rossi (Cosimo I.) n. 373, fol. 125. COSIMOI. MEDIC! UND DIE EUROP. ANLEIHEPOLITIK DER FUGGER 229 wachen Misstrauen seiner engeren und weiteren Nachbarn, der Re- publiken und Fürstenstaaten von Venedig, Genua, Ferrara und Parma, rechnen musste. Je bewusster Cosimo seine Absicht verfolgte, um so mehr musste auch sein altes Verhältnis zu den deutschen Handels- kreisen sich langsam wandeln. Möglicherweise hatte schon im Früh- jahr 1555, als Cosimo I. so auffällig wenig Lust zeigte, den Forde- rungen der Fugger gerecht zu werden, bei ihm die Enttäuschung über Nachrichten mitgesprochen, die behaupteten, dass die deutsche Kaufmannschaft zu Lyon, freilich unter dem Zwang der französischen Krone, 200000 Scudi nach Parma überwiesen habe, womit damals dem französischen Widerstand in Siena ein neuer Auftrieb vermittelt werden solltet), Dringlichere Bedürfnisse hatten dessen ungeachtet den Herzog auf die weitere Hilfe der Oberdeutschen verwiesen, so dass einst- weilen Repressalien den deutschen Wirtschaftsinteressen in Toskana gegenüber unterblieben. Seitdem sich der Herzog von Florenz und Siena aber sicher fühlte, begann er langsam, doch nicht ohne eine sichtbare Planmässigkeit, seine alten Beziehungen zu den Fuggern umzubauen, wenn nicht gar völlig aufzulösen. Die Erinnerung an jene Jahre, in denen Cosimo politisch und wirtschaftlich nicht sonder- lich festgestanden hatte, konnte hierdurch am besten verwischt werden. Sein staatsmännisches Werk sollte auch in den wirtschaft- lichen Voraussetzungen als ausschliesslioh Mediceische Leistung er- scheinen. . So wird seit 1558, wo Cosimo I. an Bernhard Pflanker, den neuen Fuggerfaktor in Venedig, sohreibts), und seit demJahr 1559, in dem er sich unter dem 9. November von Livorno aus persönlich an Anton Fugger wendets), der Briefwechsel zusehends dürftiger. Dieses Schreiben wird überhaupt vielleicht der letzte Brief gewesen sein, der den 66jä.hrigen deutschen Kaufherren von Toskana her er- reichte. Am 30. September 1560 ist Graf Anton Fugger zu Baben- hausen in Schwaben gestorben. Sein Tod hat die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Augsburg und Florenz, mindestens aber zwischen Fuggern und Mediceern, nochmals bedeutsam gelockert.

1) St. A. F., Arch. Med. 2974 (IV 45). I) Ebcnda, Arcb. Med. Vol. 49, D 575. . I) Ebcnda, Arch. Med. XXXIII, n.112. 230 GÖTZ FREIHERR VON rÖLNITZ Damit, dass sich jetzt die deutsche Wirtschaft allmählich aus Toskana zurückzieht, weil CosimoI. die unangenehmen älteren Ver- pflichtungen abzuschütteln sucht, und Johann Jakob Fugger sich ausserstande erweist, neben seinen vielfachen sammleriechen und . gelehrten Liebhabereien das komplizierte und bald gefährliche finanz- politische Spiel seines Hauses mit der überlegenen Routine des ver- storbenen Oheims fortzusetzen, vollziehen sich in den auswärtigen Finanzen des Herzogtums bemerkenswerte Veränderungen. CosimoI., der nachwievor keine Möglichkeit sah, die Kosten seiner grossen Politik, die nun in engster Freundschaft mit Papst Pius IV. den Problemen des Trienter Konzils sich zuwandte, aus eigenen Kräften zu bestreiten,liess sich zu diesem Zweck die finanzielle Unterstützung der Königin Elisabeth von England jetzt gefallen. Ihre grundsätz- liche bekenntnismässige Verschiedenheit schien dem kühlen Mediceer solange kein unüberwindliches Hindernis einer Annäherung, als die .wirtschaftlich nüchternen Interessen sich scheinbar miteinander deckten. Andererseits mochte die Königin in der Wiederaufnahme der Jahrhunderte alten Kreditbeziehungen zwischen London und Florenz, jetzt freilich in umgekehrter Richtung, eine Möglichkeit erkennen, um. die kontinentale Machtstellung Philipps n. einst von durchaus unerwarteter Seite her zu erschüttern. Auf die Dauer aber konnte diese unnatürliche Allianz nicht von Bestand sein; denn seit den Tagen Philipps n., mit dem Cosimosich nicht überwerfen durfte, blieb eine nachhaltige Finanzierung der Florentiner Politik durch englische Kreise ebenso ausgeschlossen, wie früher eine solche durch die Franzosen. Daher liess der Bruch nicht auf sich warten. Im Juni und Juli 1565 trafen eindringliche Warnungen des Guido Cavalcanti und Roberto Ridolfi, die für den säumigen Herzog die wirtschaftlichen Besprechungen inLondon führten, in Florenz ein. Sie empfahlen ihrem Fürsten, er möge sich in irgendeiner Weise mit den Zahlungsvorschlägen der Jungfräulichen Königin befreunden-], Eine weitereVerzögerung,wie Cosimosieim Verkehr mit den deutschen Kaufleuten sich angewöhnt hatte, konnte sonst für den gesamten Florentiner Handel in der Themsestadt verhängnisvoll werden. Jedoch der Medici schlug diesen wohlgemeinten Rat in den Wind. Nur zu

1) St. A. F., Spogli rossi (Cosimo l.) n.373, fol. 179, 184£. COS!MOI. MEDIC! UND DIE EUROP. ANLEIHEPOLITIK DER FUGGER 231

bald musste der Herzog freilich erkennen, dass er bei Elisabeth nicht auf jene Geduld und Nachsicht hoffen durfte, die ihm einst Anton Fugger entgegengebracht hatte. Die Königin war unerschütterlich entschlossen, da die gesamten Darlehen im Verkehr mit dem Hof von Florenz für sie weniger ein privates Geschäft als eine Angelegen- heit reiner Politik gewesen waren, die klaren Folgerungen zum Nach- teil Cosimos zu ziehen, sobald dieser in ihren Augen an politischer Bedeutung verlor. Noch kein Monat war vergangen, seitdem Cosimo I. die Haupt- last der Regierungsgeschäfte in die Hände seines Sohnes. des jungen Herzogs Francesco I., gelegt hatte, da kamen neue alarmierende Bot- schaften aus London. Die Königin hatte, da sie nicht gut gegen aus- wä.rtige Fürsten als Privatgläubigerin einschreiten konnte, die Summe ihrer Forderungen einem geschäftlich besonders rücksichtslosen Kauf- mann abgetreten 1). Dieser liess, wie Konsul und Räte der Florentiner Handelsleute aus London meldeten, das Vermögen verschiedener .Florentiner Unternehmungen samt ihrenWaren in England als Pfänder für die unbeglichenen Schulden des Herzogs beschlagnahmen. Dazu wurden überdies, um auch einen persönlichen Druck auszuüben, einzelne toskanische Kaufleute zu London in Schuldhaft gesetzt. Obwohl dieses Verfahren den Eigentümlichkeiten des englischen Rechts entsprach, war es doch für die Florentiner im Hinblick auf ihr öffentliches Ansehen im allgemeinen und die Persönlichkeit Oo- simos I. im besonderen gleich unerträglich. Dennoch verging rund ein weiteres Vierteljahr, bis schliesslich Roberto Ridolfi in London und Giovanni Battista Guicciardini zu Antwerpen eine Verständigung zwischen der königlichen Glä.ubigerin, die ihren Schuldner nicht länger geschont hatte, als es ihr politisch behagte, und Herzog Oo- simo I. im Oktober 1565 herbeiführten-). Immerhin blieb auch jetzt noch fraglich, welche Geschäftshäuser die Bezahlung für die Mediceer in Antwerpen übernehmen sollten, da der Kreis jener Unternehmungen, die sich derart ausgedehnte Transaktionen gestatten durften, bescheiden war. Jetzt griff der .Herzog auf jene Familie zurück, die durch ihre italienisch-deutsch-

1) St. A. F., Spogli rossi (Cosimo I.) D. 373, fol. 188. .) Ebenda, SpogIi rossi (Cosimo I.) D.373, fol. 197. 232 OÖTZ FREIHERR VON PÖLNITZ niederländischen Verbindungen seinerzeit im Kampf um Siena ihm schon entscheidende Dienste. geleistet hatte. Überdies war es nicht das erste Mal, dass die Fugger mit der englischen Krone zur Abwicke- ·lung mitteleuropäischer Geschäfte zusammenarbeiteten. Schon - . Jakob Fugger hatte die Hilfsgelder König Heinrichs VIII. über Ant- .werpen nach Augsburg und von dort in die Schweiz oder auf die italienischen Schlachtfelder geleitet-). Dann hatte Anton Fugger im Jahre 1545, als er dem König rund 650000 Gulden lieh, diese Tra- dition wieder aufgenommene), Und auch die Königin Elisabeth war im Februar 1559 in die Reihe der Schuldner Anton Fuggers ein- getreten, als sie sich von der Gesellschaft 62814 flandrische Carolus- -gulden entlieh, wofür die Stadt London als Bürge gutstands]. Am 5. August 1566 gewährten Marx und dem Herzog Cosimo ein Darlehen von 17083 Pfund flandrischer Währung,. die etwa 73000 rheinischen Gulden entsprachen'). Der Wert dieses Beistandes war sicher erheblich, wenngleich nicht feststeht, ob die Summe unmittelbar zur Tilgung der englischen Forderungen diente. -Freilich eine derart ausschlaggebende Wichtigkeit, wie seinerzeit sie der Hilfe Anton Fuggers für den Florentiner Staat beim Krieg mill Siena zukam, besass dieser Kredit nicht mehr. Durch ihre zu einseitige Festlegung in den spanischen Silber- -gruben und Staatsfinanzen war die Fuggergesellschaft so weit gelähmt, dass sie jene neuen Möglichkeiten, die sich ihr ausder Verstimmung zwischen Cosimo I. und Königin Elisabeth boten, wirtschaftlich nicht mehr auszunützen vermochte. Die Steigerung der Schuld des Königs von Spanien bei den Fuggern, die 1563 noch rund 116 Millionen Mara- vedi betragen hatte, bis zum Jahre 1605 aber auf nahezu 1Milliarde Maravedi lawinengleich anschwollt), zeigt, dass es der Gesellschaft damals an Barmitteln und Kredit noch nicht fehlte. Allein dafür begannen die späteren Geschlechter der -inneren Anteilnahme am Handel, der die Familie so hoch emporgetragen hatte, zu entwachsen. Man liess halb untätig die Dinge in der verhängnisvollen Richtung

1) M. JANSEN, Jacob Fugger (1910) 212ft .) KIRCK a.. a, O. 52. I) F. A. A., 46 6. ') Ebenda 48,6. Exzerpte v. M. JANSEN,Florenz Arch. centr. Membr. Med. 12. X. 1566. I) F. A. A., 44, 7. C. HÄBLER,Die Geschichte der Fuggerschen Handlung in Spanien (1897). Derselbe, nie Finanzdekrete PhilippslI. und die Fugger, Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft XI (1894) 276-300. COSIMO I. MEDICI UND DIE EUROP. ANLEIHEPOLITIK DER FUGGER 233

weitertreiben, die ihre Entwickelung seit Anton Fuggers Tod ge- ·nommen hatte. Die intuitive Sicherheit finanzieller Entscheidung, über die einst Jakob Fugger verfügte, fehlte den späteren Fuggergenerationen ebenso wie die geniale politische Planung, die noch die Geschäfte seines grossen Neffen Anton Fugger beherrschte. Man hatte gleicher- massen an Elastizität des Einfalls wie an Energie in der Ausführung verloren und übersah, wie dringlich die finanziellen und politischen Interessen des eigenen Hauses gerade wegen seiner bedingungslos österreichisch-spanischen Ausrichtung es verlangt hätten, alles auf- zubieten, um beizeiten den Einfluss der englischen Wirtschaft und die persönliche Initiative der Königin Elisabeth vom Kontinent zurückzuschlagen. Andere Augsburger haben diese tieferen Zusammenhänge viel- leicht nicht klarer gesehen, waren aber wenigstens bereit, den günstigen Augenblick für sich besser auszunützen. Die WeIser kamen dazu kaum in Frage; denn ihre starke Bindung an westliche Märkte ·verbot ihnen jede zu deutliche Parteinahme für einen Fürsten wie Cosimo I. Medici, der innerhalb der europäischen Koalitionen auf kaiserlicher und spanischer, jedenfalls aber auf antifranzösischer ·Linie stand. Dagegen ist Hans Paul Herwart, der bis 1576 in der Ge- schichte seiner schwäbischen Heimatstadt als Mitglied des Geheimen ·Rates eine nicht unbeachtliche Rolle spielt, in jene Bresche eingetreten, ·die durch das Versagen der j üngerenFugger-Geschlechter in die deutsch- toskanischen Beziehungen geschlagen worden wsr-). Seine beiden grossen Anleihen, die er 1568 und 1569 durch seinen Lyoner Vertreter ·dem Herzog Cosimo I. zugestand, jede in Höhe von 50000 Scudi, blieben die letzten grösaeren Kredite, die nach Ausweis der unter Cosimo Ill. aufgestellten Liste Mediceischer Geschäftsverträge überhaupt noch . .durch den ersten Herzog von Florenz und Siena aufgenommen wurden').

1) "Über seine Persönlichkeit vergleiche P. v. STETTEN, Geschichte der ••• Reichsfreyen Stadt Augspurg (1743) 616. A. HÄMMERLE,Die Hochzeitsbücher der ·Ausgburger Bürgerstube (1936) n, 496. I) St. A. F., R. possess., Stato patrim., Tom. III 1, fol. 126, n. 96 und fol. 135ft. n, 128 sprechen von einem Augs- \ ·burger Kaufmann Giovanni Paolo Erberti bzw. Giovanni Paolo Nervert. Einen solchen hatte es jedoch nie gegeben, und die Personengleichheit mit dem Begründer der nachmals gräflichen Linie des Hauses Herwart dürfte ausser Zweifel stehen, 234 GÖTZ FREIHERR VON PÖLNITZ

Der Zusammenbruch des Hauses Manlieh 1573hat Herwart freilich bald darauf gezwungen, seine Zahlungen einzustellen. Die einst so wich- tigen, obwohl streng verheimlichten Augsburg-Florentiner Anleihe- beziehungen hatten damit für die Zeit Cosimos I. ihr Ende gefunden. Sein Nachfolger Grossherzog Francesco I. allerdings, selbst Schwager Kaiser Maximilians Ir., der ebenfalls Kredite bei den Fuggern auf- nahm, wusste die Vorteile der kaisertreuen Fuggerbank in einem Kredit von 108500 Scudi oder 171500 Gulden im Jahre 1577 erneut zu nützen-). Für die Entwicklung der Politik und Wirtschaft Cosimos I. aber erscheint es bezeichnend, - und auch hier gibt die Aufstellung des Matteo Mercati zwar kaum eine erschöpfende Darstellung, lässt aber die Richtung der Vorgänge gut erkennen, - dass gegen 1570, etwa gleichzeitig mit der Verleihung des grossherzoglichen Titels durch den Papst, die Anleihesuche Cosimos I. überhaupt aufhört. Ob die Kredite der Herwart vielleicht mit der Rangerhöhung für die Medici ursächlich zusammenhängen, erscheint im Hinblick auf den zeitlichen Zusammenfall immerhin denkbars). Von diesem Augen- blick an aber zeigt sich, trotz des letzten Darlehens an Francesco 1., eine spürbare Verlagerung an. In den ersten Jahrzehnten der Herrschaft werden keine wesent- lichen Kredite erwähnt, die Cosimo I. Medici seinesteils an andere gewährte, ein Bild, das bei der ehemals gefeierten Florentiner Bank erstaunt. Für die Zeit vor 1550 nennt Mercati lediglich vier An- leihen mit zusammen 14000 Scudi, die einigermassen in das Gewicht fallen. Der grosse eigene Geldbedarf der Seneser Kriegsjahre, dem selbst die Kaufleute von Augsburg und Genua immerhin kaum ge- nügen konnten, erlaubte während der gleichen Periode natürlich nicht, eigene Darlehen nach auswärts zu vergeben. Deshalb sind für .die folgenden Regierungsjahre bis 1556 wieder nur etwa 14000 Scudi überliefert, die überdies zum Teil Heimzahlungen darstellen mögen. Erst mit dem Frühjahr 1557 tritt als ein deutliches Zeichen der Ent-

R. EHRENBERG, Das Zeitalter der Fugger I (1896), 220. F. A. A., Exzerpte ~. M. JANSEN, Florenz Arch.oontr., Membr. Med. 9.111. 1569. . . 1) F. A. A., Generalrechnung 1577,2,1,23, fol. 85. I) V. BIBL, Die Er. hebung Herzog Cosimos von Medici zum Grossherzog von Toskana und die kaiser- liche Anerkennung 1569-1576 (1911). COS!MOI. HEDICI UND DIE EUROP. ANLElliEPOLITIK DER FUGGER ' 235 spannung, die der siegreiche Ausgang des Ringens um Siena nach sich zog, ein merklicher Umschwung ein. Der Anschluss Cosimosan Spanien wird fortan auch in seiner Finanzpolitik erkennbar. Das heisst: Der Herzog übernimmt jetzt eine Forderung von .450000 Imperialen, die HippolitTobias Pallavicini dem Kardinal von Trient als Gouverneur von Mailand geliehen hatte. Dazu kommen 3000 Scudi für den Kardinal Franz Mendoza. Und nochmals setzten die grösseren Zahlungen aus, bis sie auf einmal 1562, nun aber mit wirklich riesigen Beträgen, wieder beginnen. 1562 und 1569 sind 180000 Scudi für den verstorbenen Kaiser Karl V. eingetragen, ver- mutlich eine Abzahlung älterer Schulden Cosimos. Etwa in der gleichen Zeitspanne gelangen 50000 Scudi an Erzherzog Kar! von Innerösterreich, 30000 Scudi an Paolo Giordano Orsini, Herzog von Bracciano, und 25000 Scudi an Donato Minali aus Bellano zur Auszahlung, von denen wohl nur der letztere Betrag als Schulden- tilgung angesprochen werden kann. Seitdem offenbart sich deutlich das Wiedereingreifen der Medici als Finanzfaktor in die europäische Macht- und Geistesgeschicht~. Es gipfelt unter Cosimo I. in einer Zahlung von 200000 Scudi an Philipp 11. im Jahre 1552, also zur Zeit der beginnenden spanischen Kämpfe um die Behauptung der Niederlande. Dass Cosimo durch diese Anweisung etwa die Statthalterschaft Wilhelms von Oranien besonders stützen wollte, ist bestimmt von der Hand zu weisen, auch wenn die Zahlung in Flandern erfolgt ist. Dagegen dürfte feststehen, dass der Mediceer nunmehr, nachdem die Augsburger Gelder ihn über die eigene kritische Zeit hinweggebracht hatten, und er durch die Verleihung der grossherzoglichen Würde an den äussersten Rand des für sein Geschlecht Möglichen gelangt war, sich bereit fand, hart vor seinem Tode nochmals - wie er es einst durch seine Bundesgenossenschaft mit Karl V. und den Fuggern be- reits getan hatte - seine gesamten Machtmittel zum Kampf für die Gegenreformation anzusetzen. Auch hierin wurde mittelbar der enge Zusammenhang zwischen Cosimo und den Fuggern gewahrt, die im gleichenJahr dem König von Spanien für die militärischen Bedürf- nisse des Herzogs von Alba eine Million Dukaten in Antwerpenzur Verfügung stellten').

1) F. A. A., 44, 7. 236 GÖTZ FREIHERR VON PÖLNITZ Auffällig bleibt nur, dass unter den in den Listen Mer~atis aufgeführten Zahlungen nicht die Überweisungen Cosimos an die Fugger, deren Forderungen doch auch abgetragen wurden, genannt sind: Eine eingehende Durchsicht der Bücher der damaligen Tesoreria Generale dürfte vielleicht noch den oder jenen Aufschluss geben. Sie wird indessen die wesentliche und neue Erkenntnis der prak- tischen und taktischen Zusammenarbeit beider Häuser und der ausschlaggebenden Verdienste der Fugger beim Aufbau des Gross- hersogtums Toskana nur bestätigen können. Die späteren Groseherzöge scheinen den Augsburger Beistand nicht mehr gesucht zu haben. Er war für sie überflüssig geworden. Als Philipp Eduard und Octavianus Secundus Grafen Fugger nach 1585 mit dem Aufbau ihres grosszügigen ostindischen Pfefferunter- nehmens beginnen und deshalb neue Beziehungenzu Italien anspinnen, besitzt Florenz darin keine Bedeutung mehr-], Da die Königin Elisa- beth mit der Kaperung des spanischen Kauffahrteischiffes "Madre ·de Dios" durch englische Kreuzer der neuen Fuggerschen Pfeffer- kompanie einen harten Schlag versetzt und die unentgeltliche Herausgabe der geraubten Waren wie der Gefangenen verweigert, wird zuletzt Kaiser Rudolf n. für die getreuen Bankherren seines Hauses in London mehrmals vorstellig, allerdings ohne Erfolg2). Ein Versuch, die Medici als Vermittler anzurufen, ist seitens der Brüder Fugger dagegen nicht unternommen worden. Die Generationen hatten in Augsburg wie in Florenz gewechselt, persönliche und politische Zusammenhänge sich zum Teil verschoben. Was bis 1590 und 1592 unter Grossherzog Ferdinand I., der seinem Bruder Francesco I. unter sehr merkwürdigen Umständen in der Herrschaft folgte, an freundlichen Beziehungen zwischen dem Hof .von Florenz und Mau Fugger sowie seinen Brüdern sich ferner beob- -achten lässt, war kaum mehr wesentlich anderes als eine Geste fürst- licher Höflichkeit oder wirtschaftlicher Gefälligkeits), Der echte ge-

1) F. DOBEL, über einen Pfefferhandel der Fugger und WeIser 1586/91, Zeit•. . schrift des Historischen Vereins. für Schwaben und Neuburg XIII (1885) 125ft. ') F. A. A., 46, 1. 8} Bt. A. F., Arch. Med.XIX D. 160;161,230. Als eine der letzten Beziehungen darf endlich das Angebot des Lueas Kilian angesehen werden. der im Jahre 1628 Groseherzog Ferdinand 11. veranlassen wollte, eine Bildfolge der Medici nach dem Beispiel der Imagines Fuggerorum von 1593. stechen zu COSIMOI. MEDIC! UND DIE EUROP. ANLEIHEPOLITIK DER FUGGER 237 schäftliche Zusammenhang mit Toskana war den Fuggern hingegen verlorengegangen. Sie hatten zu den Vorbedingungen der Blüte dieses Landes unter Anton Fugger erheblich beigetragen. An der Ernte, die ihrer Saat folgen sollte, blieben sie unbeteiligt. Das spätere gross- herzogliche Florenz sieht die Fugger als Geldleute nicht mehr in seinen Mauern. Unfähig, von dem einmal Gewordenen sich loszureissen oder das Unternehmen neu umzustellen, treiben sie im Gefolge der Staats- bankrotte Philipps H. dem Verhängnis des Dreissi~dährigen Krieges und damit der langsamen Auflösung ihrer Gesellschaft fast ohnmächtig entgegen. Mittlerweile aber wurde jenes Florenz, an dessen politischem Aufstieg unter den fürstlichen Mediceern sie so viel und lange mit- gewirkt hatten, zum Eiland des Friedens und des Wohlstandes inner- halb eines gewaltigen Krieges, der Mitteleuropa ringsum in Schutt und Asche legte. Wenn dann im Jahre 1636 oberhalb der Pitti-Resi- denz der Herzogin Eleonore, in der Achse des alten BoboIi-Gartens, die Ceresfigur des Giovanni Bologna und Pietro Tacca als Göttin des Überflusses aufgestellt und mit einer Inschrift versehen wird, die besagt, dass gegenwärtig im allgemeinen Weltbrand einzig in Toskana. der Wohlstand herrsche, dann ist dies als monumentale Verherrlichung, der wirtschaftsklugen Politik der Grossherzöge aus dem Hause Medioi gedacht. In Wirklichkeit allerdings dankt gerade diese fürstliche Göttin jene goldschimmernden Ähren, die sie droben über der Arno- Stadt noch heute in erhobener Hand hält, nicht allein der Fruchtbar- keit des toskanischen Hügellandes und dem Fleiss seiner Florentdner Bürger. Diese Garbe ist unbewusst zugleich ein Zeugnis segensreicher Wirkung der deutschen Wirtschaftskraft in schicksalhaften Stunden italienischer Geschichte.

lassen, F. KRIEGBAUM, Dokumente über künstlerische Bezichungen Augsburgs zum Medizeischen Hof in der Spätrenaissance, Mitteilungen des Kunsthistorischen In- stituts in Florenz V (1939) 203ft.