Sanierung Urftstaumauer ab 1945 F.A. HEINEN Stand: Mai 2013

Sanierung der Urftstaumauer 1946 bis 1950 Die Urftstaumauer wurde im Spätherbst 1944 als militärisch wichtiges Objekt zunehmend zum Ziel alliierter Luftangriffe. Die US-Truppen zielten auf einen weiteren Vorstoß aus dem Raum in Richtung Köln/Rhein. Aber sie befürchteten, dass die Wehrmacht die Eifeltalsperren sprengen würde und die amerikanischen Truppen an der unteren von der Flutwelle erfasst werden könnten. Daher war es das Ziel der alliierten Luftwaffen, die Talsperren gezielt zu zerstören, um diese Gefahr zu bannen. Einer der unmittelbaren Zeitzeugen dieser Angriffe war der Aachener Schokoladenproduzent Franz Monheim, der sich in Jägersweiler in seinem Wochenendhaus versteckt hielt.1 Nach seiner Darstellung verstärkten sich insbesondere ab dem 10. Dezember 1944 die Angriffe.2 Franz Monheim berichtete über einen Luftangriff auf die Urfttalsperre, den er selbst miterlebte: „An diesem Tage war ich auch unterwegs nach Jägersweiler, als der Angriff losging. Ich sah die angeblich 5000 kg schweren Dinger herunterkommen und hörte dann einen Krach, der weit stärker war als alles vorher. Felsbrocken und Fichten wirbelten durch die Luft, viele tausend qm Wald wurden durch jeden Torpedo zerstört, die Talsperre wurde nicht getroffen. Als ich mich durch den wild durcheinandergewirbelten Wald wieder durchgekämpft hatte, fand ich Frau und Kinder in Tränen aufgelöst. Sie wollten weg aus dieser Hölle. Ulli wollte allerdings bei mir bleiben. Es war ein bitterer Abschied von meiner Frau und Irene. Ob man sich je wiedersah? Ein Wagen von Vogelsang fuhr nach Troisdorf, und da wollte sie mitfahren.“ Kurz danach gab es dann einen folgenschweren Luftangriff gegen Vogelsang, der laut Monheim 25 Todesopfer forderte: „Zwei oder drei Tage später erfolgte ein großer Fliegerangriff auf Vogelsang, glücklicherweise zu einer Zeit, als mein Schwiegersohn mit seinen etwa 300 Leuten bei den an sich so überflüssigen Schanzarbeiten war. Die 25 Männer, die in der Burg geblieben waren, wurden leider getötet.3 Zwei Tage später glaubten Ulli und ich, eine Fata Morgana zu sehen, als meine Frau und Irene vom Waldrand her auf unser Häuschen zu kamen. Wie war so etwas nur möglich? Die Leitung der Dynamit AG hatte beschlossen, die Leichen der in Vogelsang ums Leben gekommenen nach Troisdorf zu überführen und darum einen Lastwagen mit Särgen zum Abholen der Toten nach Vogelsang geschickt.“4 Mit diesem Lastwagen war Monheims Frau in die zurückgekehrt. Die bei MONHEIM erwähnten Angriffe auf die nahe bei Vogelsang gelegene Talsperre mit schwersten Bomben sind auch in anderen Quellen belegbar. Bei zwei Angriffen wurden riesige britische Spezialbomben vom Typ ‚Tallboy‘ eingesetzt.5 Insbesondere beim zweiten Angriff erhielt

1Vgl. die Darstellung in: MONHEIM, Franz: Kleine Chronik von Jägersweiler. Aachen, o. Datum.

2Am Hause Monheim wurde dabei ein Soldat getötet, seine Leiche lag noch Wochen später dort vor der Haustüre.

3Monheims Schwiegersohn war der Chef einer Gruppe von 300 ehemaligen Zünder-Experten der Dynamit- Nobel-Werke, deren Werke in den bereits von den Alliierten eroberten Gebieten gelegen hatten. Diese nun beschäftigungslosen Männer waren zum Schanzen nach Vogelsang verlegt worden.

4MONHEIM, S. 54.

5Die offizielle Bezeichnung der Tallboys lautete ‚D.P.12.000 lb‘. Im Gesamtgewicht von 5,4 Tonnen waren 2,4 Tonnen hochbrisanten Sprengstoffs enthalten. Sie waren entwickelt worden zur Zerstörung stark befestigter Betonbauten. Ab 1944 wurden insgesamt 854 dieser Bomben an die RAF ausgeliefert, mit denen unter anderem das Schlachtschiff Tirpitz versenkt wurde. Die belgische Kommandantur hatte bis 2005 in

Geschichtsforum Schleiden e.V. 1 Sanierung Urftstaumauer ab 1945 F.A. HEINEN Stand: Mai 2013 der Staudamm einige schwere Treffer, hielt aber insgesamt stand. Den eigentlichen Auftrag konnten die Piloten der Spezialeinheit der 617. Squadron nicht erfüllen. Ihr Befehl lautete: „Operation to breach Dam. Several hits but no breach.“ (Einsatz zum Zerstören der Urftstaumauer. Mehrere Treffer, aber kein Bruch.)6 Die Einheit bilanzierte den Einsatztag 8. Dezember 1944 mit den Sätzen: „Nineteen aircraft took off für operations. Diverted on return – operations not completed. (‘V’, ‘T’ and ‘P’ returned damaged). An operation to bomb the Urft dam but the cloud was thick and what little bombing took place was inaccurate.” Die insgesamt 19 angreifenden Bomber waren also durch dicke Wolken behindert, sie konnten ihr eigentliches Ziel kaum erkennen. Zum Einsatz am 11. Dezember hieß es: “Seventeen aircraft took off for operations 1300 hrs. [...] (Operation to breach Urft dam several hits but no breach.)”7 Diesmal waren 17 Bomber eingesetzt, es gab mehrere schwere Treffer, aber die Staumauer insgesamt hielt stand. Wie bei MONHEIM dargestellt, gab es am 15. Dezember 1944 25 Todesopfer unter den Zünderexperten. Zu der Zeit war es die Aufgabe der 9th US Army Air Force, den US-Bodentruppen aus der Luft den Weg zu ebnen. Da sich das Frontgebiet weit ausdehnte, wurden die Aufgaben an den Einsatztagen unter den Einheiten aufgeteilt. Das Einsatztagebuch der USAF für Europa besagt, dass Bomber der 322. Staffel in Le Culot in Belgien und der 410. Staffel aus Juvincourt in Frankreich zu einem gemeinsamen Ziel aufbrachen: Wollseifen, in unmittelbarer Nachbarschaft Vogelsangs. Dort war neben den militärischen allgemeinen Zielen ein Camp Area. Nach Lage der Dinge kann damit nur die Ordensburg gewesen sein, deren Unterkünfte von oben wie ein Camp wirkten. Den Begriff fand man 1947 auch noch in einer Veröffentlichung des ‚Soldiers Magazine‘: Hitlers Youth Camp.8 Nachfolgend soll anhand von Fotografien die Zerstörung der Urftstaumauer und ihr Wiederaufbau in den Jahren 1946 bis 1950 gezeigt werden.

Alle Bilder zu diesem Kapitel: Nachlass Josef Esch, Familienbesitz der inzwischen ebenfalls verstorbenen Anneliese Waberzeck, Steinfeld.

Vogelsang die Hülle eines aus dem Urftsee geborgenen Tallboy-Blindgängers vor ihren Fahnenmasten aufgestellt.

6Nach: JONES, Tobin (Hrsg.): 617 Squadron. The Operational Record Book 1943 - 1945, Bicester 2002. Dort besonders die Seiten 511 – 524. Die Original-Einsatzberichte in: Public Records Office, Kew, Reference Air 27/2128.

7JONES, S. 511.

8Für den besagten 15. Dezember 1944 findet sich folgender Eintrag im ETO (European Theater Operation): “300 A/C: A-20s, A-26s, and B-26s hit defended positions, camp area, and oil storage at Heimbach, Wollseifen, Harperscheid, Schonau, Ruthen, and Dorsel.“ Die 9th hat an diesem Tag in Raum Vogelsang folgende Einheiten eingesetzt: 322nd, 386th, 387th, 391st , 394th , 397 th, 410 th und 416 th Bomb Group. Auf das Ziel Wollseifen waren angesetzt: 322nd (Startort: Le Culot, Belgien) und 410 th (Startort: Juvincourt, Frankreich). Für die 410th ist weiter überliefert: „Wollseifen Camp Area. Mission Leader: Hughey, Hobbs. Start 10:55 Uhr. Über Ziel 12:25 Uhr. Basis zurück 13:50 Uhr.“ Eingesetzt waren 34 Maschinen. Für die 322th, die nur B-26-Bomber flog, darf man eine ähnliche Anzahl Maschinen rechnen. Die 410th mit Maschinen der Typen A-20/26 konnten etwa 900 Kg und die B-26 ca. 1800 Kg Bomben laden. Mission Leader waren: Hughey, Hobbs. Start: 10:55 Uhr, über Ziel: 12:25 Uhr, Basis zurück: 13:50 Uhr. Für diese Angaben bedanke ich mich bei Frank Güth von der Arbeitsgemeinschaft Luftkrieg Eifel.

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Diese Bilder zeigen das Ausmaß der Zerstörungen 1945.

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Beginn der Aufräumarbeiten an der Mauerkrone. Vermutl. 1946.

Mitarbeiter beim Wiederaufbau der Staumauer.

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Sanierungsarbeiten an der Staumauer

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Sanierung der Überlaufkaskaden an der Luftseite der Talsperre.

Ansicht von der Mauerkrone abwärts auf die Kaskaden.

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Blick auf den leer gelaufenen Urftsee. Wasser ist nur im angestammten Bett der Urft erkennbar.

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Sanierung des Außenmauerwerks zur Wasserseite.

Mit hohen Holzleitern, Stangengerüst und Spucke: Schwindelfreiheit war Voraussetzung für diese Arbeit an der Wasserseite der Staumauer.

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Sanierung des Mauerwerks.

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Wiederaufbau der ebenfalls zerstörten Pegeltürme im (leergelaufenen) See vor der Staumauer.

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Mundloch des -Stollens während der Wiederaufbauarbeiten.

Geschichtsforum Schleiden e.V. 11 Sanierung Urftstaumauer ab 1945 F.A. HEINEN Stand: Mai 2013

Diese Tafel mit dem Relief des Talsperrenerbauers Professor Otto Intze erinnert seit dem Abschluss des Wiederaufbaus 1950 an den geistigen Vater der Eifeltalsperren.

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