Die Germanen Am Niederrhein
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DIE GERMANEN AM NIEDERRHEIN. Aus dem umstände dass bereits im 5. vorchristlichen Jahr- hundert die Cherusken an der nordseite des Harzes stehen, war uns der schluss gestattet, dass zur selben zeit die Istvaeonen im nordwestlichen Deutschland gegen den Rhein hin ausgebreitet waren. Dass die Germanen diesen ström schon vor eintritt der lautverschiebung erreicht hatten, liess sich aus dem Verhältnisse der namen Vacalus einerseits und Vahalis Waal andrerseits ent- nehmen. Ueber die Stellung der einzelnen stamme in der nordwest- lichen ecke Germamens reicht indes unsere kenntnis bisher nicht über die römische kaiserzeit zurück. Vor Caesars auf- treten müssen aber die dinge dort noch ganz anders gelegen haben, weil damals noch die Usipeten und Tenktern irgendwo auf der rechten Rheinseite ein ihrer grossen volkszahl ent- sprechendes ausgedehntes gebiet inne hatten. Nach ihrer aus- wanderung musste dasselbe ganz oder teilweise ihren nachbarn zufallen; diese treten uns demnach zu der zeit, wo wir zuerst nachricht über sie erhalten, nicht mehr in ihrer ursprünglichen aufstellung entgegen. Damit ist der punkt gegeben, wo wir mit unserer Unter- suchung einzusetzen haben. Gelingt es uns, die herkunft der Usipeten und Tenktern zu erkunden, so wissen wir zunächst, wo eine Verschiebung stattgefunden hat, und vielleicht läset sich dann auch art und umfang derselben ermitteln. Aus Cäsars dürftigen angaben ist freilich nicht zu er- raten, woher die genannten stamme gekommen sind; er hat es wohl auch selbst nicht gewusst. Wenn dagegen Müllen h off s. 301 bemerkt, dass vielleicht der name Usipii oder Usipetes ver- rate, dass diese schon ehedem nachbarn der Gallier waren, so ist damit eine spur gefunden, die zum ziele führen kann. Dass Brought to you by | provisional account Unauthenticated Download Date | 6/29/15 6:52 AM 138 MUCH M llenhoff selbst ihr nicht weiter nacbgieng und nicht bestimmter sich ausdruckte, hat wohl nur darin seinen g r und, dass ihm jener volksname zwar aus allgemeinen gr nden keltisch zu sein schien (vgl. s. 230), ohne dass ihm indes eine bestimmte etyrno- logie vorschwebte. Der name, um den es sich handelt, ist in drei verschiedenen formen anzusetzen. Bei Caesar und an einer stelle, ADD. 1,51, bei Tacitus steht Usipetes; dazu geh rt auch Ονύιπέται bei Dio Cassius 39,47. 54,20. 32 und bei Appian, Celt, l, 18; sipii begegnet uns bei Tacitus, Agr. 28 und Martialis 6,60; Usipi endlich widerholt bei Tacitus; dazu stellt sich Νονΰιποι bei Strabo p. 292, wo das N aus dem voranstehenden Βρονχτέρων an- geschleift ist (s. J. Grimm GDS. 534), Ονβίπαι, bei Plutarch, Caesar 22 und Ovi Jtoi bei Ptoleinaeus 2, 11, 6, falls dies aus Ονύιποί umgestellt ist. Usipetes ist ohne zweifei ein consonantischer stamm, dessen nom. sing, im lateinischen als Usipes anzusetzen w re. Unter diesen umst nden ist es schon nicht geraten, ø- noch als ab- leitung zu betrachten; und damit entf llt eigentlich der grund, der M llen hoff s. 230 veranlasst hat, das wort f r keltisch zu halten. Doch auch wenn man dasselbe als zusammengesetzt, also als Us-ipeles, Us-ip , Us-ipi auffasst, so ist es aus dem ger- manischen nicht deutbar. Wir m ssen also doch zum keltischen unsere Zuflucht nehmen. Ein element us- ist gerade in gallischen W rtern widerholt vertreten. So in Vsuernum auf der Tab. Peut., Ussubium (statt Us bium) im Itin. An t., ονΰονβίονμ (herba lactago, lauriola Gallis) bei Dioscorides 4, 147, Ονΰβιον (statt Ονΰονβιον) bei Ptole- maeus 2,11, 15. Davon scheint der erste name eine Zusammen- setzung mit vernum, kymY.guern, air. fern 'alnus' zn sein; vgl. den kymrischen Ortsnamen Penngwerny Glttck s. 35. Die brigen weisen auf ein abgeleitetes keltisches wort *usubion, das aus *uesubion entstanden ist, wie schon daraus hervorgeht, dass derselbe ort, den das Itin. Ant Ussubium nennt, in der Tab. Peut. als Vesubio vorkommt. Ebenso lautete der localname, von dem der keltische volksname der Vesubiani abgeleitet ist. Der gleiche bergang von ue, ui in u begegnet brigens noch mehrfach im keltischen; so in Unelli neben Venelli, bisci neben Vibisci, Uberi netjeu Viberi, Urbigenw nebep Verbigenus. Die Brought to you by | provisional account Unauthenticated Download Date | 6/29/15 6:52 AM DIE GERMANEN AM NIEDERRHEIN. 139 ableitung in *Usubion, *Uesubipn ist dieselbe wie in Mandubii, Esubii, Vidubium, Ονερονβίονμ (αχρον): s. Gl ck s. 91; und wie diesen bildungen durchaus u·stamme zu gr nde liegen — vgl. die Zusammensetzungen Mandu-bratius, Esu-nertus, Vidu-casses, VerU'doetiuB — so ist auch aus jenen ein stamm *usu-, *uesu- zu erschliessen, der nichts anderes ist als das idg. *uesu 'gut', das wir bereits im germanischen volksnamen der Ονιοβονργιοι kennen gelernt haben; s. oben s. 133. Vor vocalischem anlaut des zweiten gliedes tritt in der Zusammensetzung nat rlich fr h- zeitig synkope ein. Den zweiten teil des namens Usipi wird man unbedenklich mit epo- (nom.,sing. *epos) gleichsetzen d rfen, d. i. mit der gallischen entsprechung zu urkelt. *ekuos, idg. *ekuos 'pferd', da die Vertretung von idg. e durch / oder wechselnd e und i in keltischen worten eine ganz gew hnliche erscheinung ist (s. Gl ck s. 90. Zeuss-Ebel GG. 100 ff. Windisch in Gr bere Grund r. l, 304), die sich durch eine f lle von beispielen be- legen l sst. -ipetes in Us-ipetes ist dann genau dasselbe wie lat. e quit es, nur dass letzteres, das urspr nglich equetes geheissen haben muss, an composita wie com-i-t-es angeglichen ist: s. Brugmann, Grundr. 2,369; etwas ferner steht griech. ϊππότα. -ipii endlich in Us-ip ist dasselbe wie griech. ϊππιος\ auch als keltischer eigenname ist *Epios zu erschliessen aus dem britan- nischen st dtenamen Έπίαχον bei Ptolemaeus 2, 3, 10: s. Gl ck s. 42. Usipetes, Usipii, Usipi entspricht also urgallischem *lJes(u)- epetes, *Ues(u)epioi, *Ues(u)epoi, urkeltischem * es(u)ekuetes, *Ues(u)ekuioi, *Ues(u)ekuoi\ zu der letzteren form vgl. man be- sonders griech. ενιππος und den vandalischen namen Wisumar, das w re wulfilanisch got. *f^'lsumarhs. Die bedeutung von Usipetes ist 'die guten reiter' oder 'die wohlberittenen'; Usipii, Usipi kann dasselbe, mindestens aber das letztere bedeuten. Auf die germanisch benannten Ονιΰβονργιοι, die 'gute b rgen besitzenden oder bewohnenden' ist ale auf ein seitenst ck schon hingewiesen worden. Dass wir es hier mit einer durchaus zutreffenden bezeich- nung zu tun haben, geht aus dem hervor, was Tacitus, Germ. 32 berichtet. Proximi Chattis — heisst es dort — cerium iam alveo Rhenum quique terminus esse sufficiat Usipi ac Tencteri colunt. Tencteri super solitum bellorum decus equestris discipli- nae arte praecellunt, nee maior apud Chattos peditum laus quam Brought to you by | provisional account Unauthenticated Download Date | 6/29/15 6:52 AM 140 MUCH Tencteris equitum . Sic instituere maiores; posteri imilanlur . Hi lusus infantium, haec iuvenum aemulatio; perseverant senes . Inter famttiam et penates et iura successionum equi traduntur: excipit filius nan ut cetera maximus natu, sed prout ferox bello et melior. Natür- lich gilt all das auch von den Usipeten, deren namen Tacitus nur der kürze halber nicht widerholt. Ihre tüchtigkeit im reiter- kampf zeigten beide Völker auch als sie Caesar gegenüber- standen und 800 von ihnen 5000 römische reiter schlugen und in schmählicher flucht vor sich hertrieben: s. BG. 4,12. Dass der name der Usipeten, wie sich eben herausgestellt hat, keltisch ist, zwingt uns dazu, ihre alten sitze, aus denen sie im jähre 59 auswanderten, unmittelbar an der grenze der Kelten und Germanen zu suchen. Diese ist aber zu Caesars zeit und offenbar schon länger durch andere stamme fast ganz besetzt; den Rhein abwärts folgen auf die Markomannen die Ubier, auf diese die Sugambern; auch die Bataver im Rhein- delta sind Caesar (BG. 4,10) bereits bekannt. Lediglich zwischen den beiden zuletzt genannten stammen ist noch eine lücke offen, und einzig dort sind also die Usipeten anzusetzen. Dass sie dort nicht unmittelbare nachbarn der Sveben waren, steht mit Caesars mitteilung, dass sie von diesen vertrieben worden seien (BG. 4,4. 7), nicht in Widerspruch, sondern beweist nur, dass die Sveben über ihre nachbarvolker damals eine vorherschaft ausübten und über mehrere auch ferner wohnende eine solche anstrebten. Zu ersteren werden wir jetzt mit grösserer Zuver- sicht als oben s. 24 die Chatten rechnen. Zu letzteren gehörten die Usipeten und Tenktern, die sich d0r abhängigkeit durch auswanderung zu entziehen trachteten. Dass diese nicht sofort nach Gallien sich bewegte, hat wohl darin seinen grund, dass im jähre 59 im eigentlichen Gallien Ariovist massgebend war, vor dessen macht die beiden stamme sich ebenso hätten beugen müssen, wie daheim vor der der Sveben. Auf kosten der da- mals noch ungeschwächten kriegstüchtigen Beigen aber war schwer etwas auszurichten. Wo sie sich während der ersten drei jähre nach ihrer auswanderung in Germanien aufhielten, und wo sie sich niederzulassen dachten oder schon nieder- gelassen hatten, ist schwer zu sagen. Vielleicht waren die lücken damals noch nicht ganz geschlossen, welche der auszug der Kimbern und Ambronen hinterlassen hatte. Dass sie aber Brought to you by | provisional account Unauthenticated Download Date | 6/29/15 6:52 AM DIE GERMANEN AM NIEDERRHEIN. 141 nach drei jähren an den Rhein zurückkehrten und nun doch nach Gallien tibersetzten, ist offenbar durch die veränderte läge der dinge in diesem lande verursacht. Caesar erzählt BG. 4,6, dass bei den Usipeten und Tenktern,· die soeben den Rhein über- schritten hatten, gesante gallischer Staaten erschienen, um sie zu weiterem Vormärsche aufzumuntern und ihnen für diesen fall alle mögliche Vorschubleistung zuzusagen; man wollte sich also der Germanen gegen Caesar und die Römer bedienen, deren gefährliche herschaftsgelüste man bereits durchschaut hatte. Solche gallische abordnungen mochten aber schon zu ihnen gekommen sein, als sie noch in Germanien standen. Mindestens werden sie von den zu ihren gunsten veränderten Verhältnissen Galliens erfahren haben und dadurch zu ihrem einfall in dieses land veranlagst worden sein.