02 mittelstands 2021 DAS MAGAZIN DER APRIL/MAI 2021 FÜR ENTSCHEIDER IN WWW.MIT-BUND.DE magazin WIRTSCHAFT UND POLITIK ISSN 1865-8873

DEUTSCHLAND-PLAN Neustart für mehr Freiheit und Eigenverantwortung

UMWANDLUNGSVERBOT Weitere Erschwernis fürs eigene Heim

KOSTEN DER SOZIAL- VERSICHERUNGEN Wie lange geht das noch gut?

JUNG-UNTERNEHMERIN SARNA RÖSER IM INTERVIEW „Der Staat kann es nicht“ MIT:INHALT

Impressum

Herausgeber: Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), vertreten durch den Bundes- vorsitzenden Dr. MdB und den Hauptgeschäftsführer Thorsten Alsleben

Schadowstraße 3, 10117 Berlin E-Mail: [email protected] www.mit-bund.de

Chefredaktion: Thorsten Alsleben (v.i.S.d.P.) 10 Chef vom Dienst: Hubertus Struck

Redaktion: Micha Knodt Richard Praetorius

Verlag, Anzeigenleitung und Druck: Union Betriebs-GmbH (UBG) Egermannstraße 2, 53359 Rheinbach Telefon: 02226 802-213 Telefax: 02226 802-222 E-Mail: [email protected] MIT:EDITORIAL www.ubgnet.de Geschäftsführer: Jürgen von Meer Ein Deutschland-Plan Projektleitung: Sonja Bach-Meiers für mehr Freiheit und Verantwortung 4 Art-Direktion: UBG Büro Berlin von Carsten Linnemann Der MIT-Bundesvorsitzende Titelbild: legt Reformvorschläge für Pcess609/stock.adobe.com den Staat vor. MIT:INTERVIEW Druckauflage: Interview mit Sarna Röser 26 000 Exemplare „Der Staat kann es nicht“ 18 Anzeigenverkauf: MIT:KOLUMNE Die Chefin der Jungen Unter­- Nielsen I, II, V, VI Es braucht eine kluge nehmer geht mit dem politischen Verlagsvertretung Getz Telefon: 02205 86179 Wachstumsstrategie 8 Krisen­management in Deutschland E-Mail: [email protected] Von Alexander Kissler hart ins Gericht.

Nielsen IIIa, IIIb, IV, VII Jeder Mittelständler hätte die Braun Medien GmbH Verteilung der Impfstoffe, aber Telefon: 0221 7881443 auch die Organisation der E-Mail: [email protected] Impftermine besser gemanagt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck 18 und Verwendung nur mit Genehmigung. © Mittelstands- und Wirtschafts- union (MIT). Das Mittelstandsmagazin MIT:TITEL erscheint sechsmal jährlich. Für Mit- Sozialversicherungen glieder der MIT ist der Bezug des Mit- telstandsmagazins im Mitgliedsbeitrag Wie lange geht das enthalten. noch gut? 10 Die Zuschüsse des Bundes zu Diese Ausgabe enthält eine Beilage der Firma HelloFresh. Wir bitten unsere den Sozialversicherungen steigen Leser um freundliche Beachtung. immer weiter an. Damit die Kosten nicht explodieren, gehören Leistungen auf den Prüfstand.

2 mittelstandsmagazin 02|21 MIT:INHALT MIT:INHALT

14 Wagner/adobe.Stock.com, Frank j-mel/adobe.Stock.com, Fotos: Anne Großmann Fotografie

MIT:THEMA Umwandlungsverbot Eigentumsbildung wird verhindert statt gefördert 14 Ein neues Gesetz soll Vermieter daran hindern, ihre Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umzuwan- deln. Das Vorhaben reiht sich ein in eine zunehmend interventionistische Baupolitik.

MIT:ERKLÄRT 28 Belastungen als Standortfaktor Welche Steuern zahlen Unternehmen? 26 Die wichtigsten Steuern für Betriebe im Überblick. MIT:FAKTEN 6, 9 Familieninterne Übergaben sind aussichtsreicher, Asien setzt weiter MIT:DEBATTE auf Kernkraft und ein hoher Mindest- Pro & Contra lohn würde den Aufschwung in Brauchen wir einen staatlich Deutschland gefährden. festgelegten CO2-Preis? 28 und Henry Borrmann diskutieren. MIT:INSIDE EU-Check 30 Neumitglieder 34 Mitgliederstatistik 35

2 mittelstandsmagazin 02|21 mittelstandsmagazin 02|21 3 MIT:EDITORIAL Ein Deutschland-Plan für mehr Freiheit und Verantwortung

3. Weniger Verbeamtungen: Ver-­ beamtungen sollen nur noch im Kern­ bereich der sicherheitsrelevanten ie Corona-Pandemie deckt sem Geist der Freiheit und Eigenver- Staatstätigkeit vorgenommen werden: schonungslos auf, was wir als antwortung können wir Staatsfinan- bei Polizei und Sicherheitsbehörden, DMIT seit vielen Jahren bekla- zen und soziale Sicherungssysteme in der Justiz sowie bei der Bundes- gen: Deutschland ist satt und behä- tragfähig aufstellen. In diesem Geist wehr, nicht mehr in den Ministerien big. Wir ruhen uns auf alten Erfolgen der Freiheit und Eigenverantwortung und Verwaltungen. Dort sollten Stel- aus, zehren von der Substanz. Statt können wir als Union unser Profil len nur noch neu besetzt werden, uns zu reformieren, haben wir es uns schärfen. wenn zuvor zwei Stellen wegfallen. in der Komfortzone eingerichtet. Das Wie könnte ein solcher Neuanfang, Versagen bei der Impf-, Masken- und ja Deutschland-Plan, der über ein 4. EU auf Kernaufgaben konzen­ Testbeschaffung sollte dem letztem „normales“ Wahlprogramm hinaus- trieren: Die EU sollte alle Aufgaben Verteidiger bundesdeutscher Ver- geht, konkret aussehen? Ich habe im auf untere Ebenen verlagern, die dort waltungsprozesse die Augen geöffnet Folgenden meine Vorschläge zusam- besser aufgehoben sind. Eine Ver­ haben: Deutschland braucht einen mengetragen. Ohne Denkverbote. gemeinschaftung von Staatsschulden Neuanfang. Ohne Scheuklappen. und eine Zusammenlegung sozialer Für diesen Neuanfang brauchen wir Sicherungssysteme lehnen wir ent- kreative und leistungswillige Köpfe 1. Amtszeitbegrenzung: Wir müs- schieden ab. Ein Insolvenzverfahren und den Mut zur Verantwortung. Neue sen die Kanzlerschaft auf zwei Legis- für Staaten ist überfällig. Leitprinzipien brauchen wir dafür aus- laturperioden begrenzen. So werden drücklich nicht. Die Prinzipen der So- Parteien gezwungen, sich permanent 5. Staat als Regelsetzer, nicht als zialen Marktwirtschaft sind weiterhin zu erneuern. Auch Spitzenämter in der Mitspieler: Der Staat ist ein miserab- gültig: ein offener Leistungswettbe- Union und Ministerposten sollten zeit- ler Unternehmer. Wir brauchen einen werb, die konsequente Koppelung von lich begrenzt werden. Exit-Plan für Staatsbeteiligungen. Freiheit des Einzelnen mit der Haftung Also: möglichst schnell raus aus Luft- für die damit verbundenen Risiken, ein 2. Große Staatsreform: Wir müs- hansa, Commerzbank und Co.! schlanker und starker Staat, eine men- sen Strukturen und Hierarchien scho- schenwürdige Ordnung als Erfolgsre- nungslos infrage stellen, um Abläufe 6. Entfesselungs- und Entlas- zept für Wohlstand für alle. zu optimieren. Das föderale Zustän- tungspaket durchsetzen: wöchent- In diesem Geist der Freiheit und digkeitswirrwarr muss beendet und liche statt tägliche Höchstarbeits- Eigenverantwortung können wir ge- Verantwortlichkeiten klar verteilt und zeit, mutige Gründerschutzzone mit stärkt aus der Corona-Krise heraus- zugeordnet werden. Auch der öffent- minimaler Bürokratie, Einkommen- wachsen, indem wir Freiraum schaffen lich-rechtliche Rundfunk muss refor- steuerreform als „Mittelstandsbauch- für Innovationen und Zukunft. In die- miert werden. weg-Diät“, endgültige Beerdigung des

4 mittelstandsmagazin 02|21 MIT:EDITORIAL MIT:EDITORIAL

weit einheitlich zu überprüfen. Für Kinder, die auch ein Jahr vor der Ein- schulung kaum Deutsch sprechen, braucht es eine Vorschulpflicht.

15. Mehr Streitkultur wagen: Po- litische Korrektheit und Sprachvorga- ben würgen Meinungsfreiheit und de- mokratischen Dialog ab. Wir dürfen uns nicht aufzwingen lassen, was und Solidaritätszuschlages, mutige Unter- Eigenvorsorge und Vermögensbildung. von wem noch gesagt werden darf. nehmenssteuerreform für einen wett- Die Obergrenze von 40 Prozent Lohn- Wir brauchen ein klares Bekenntnis bewerbsfähigen Mittelstand. zusatzkosten muss dauerhaft halten. zur demokratischen Streitkultur.

7. Klimaschutz richtig machen: 11. Zurück zur Schwarzen Null: Diese Liste ist nicht abschließend und Klimaschutz erreichen wir nicht durch Wir müssen die Politik vor sich selbst könnte weitergeführt werden – ich bin Planwirtschaft, Dirigismus und Ver- und den Ausgabewünschen der Inter- sicher, Ihnen als Mitglieder fallen auf bote, sondern mit CO2-Preisen und essensgruppen schützen. Das sind wir Anhieb viele weitere Reformprojekte echtem Wettbewerb. Jede Klimaschutz- unseren Kindern und Enkeln schuldig. ein. Nur: Wie münzen wir diese Punkte maßnahme muss dem gleichen visionä- Die nächste Bundesregierung muss auch in Regierungshandeln um? Das ren Ziel dienen: ein globaler Emissions- schnell zur finanzpolitischen Solidität Wahlprogramm der Union darf nicht handel über alle Sektoren hinweg. zurückfinden. zur Endstation für mutige Reform- ideen werden. 8. EEG-Umlage abschaffen: Die 12. Rechtsstaat durchsetzen: Ich fordere von den Vorsitzenden EEG-Umlage steht der Energiewende Wer eine Straftat begeht, muss die von CDU und CSU, noch vor der Bun- und effizientem Klimaschutz immer Härte des Gesetzes konsequent spü- destagswahl einen übergeordneten mehr im Weg. Die hohen Strompreise ren. Dazu braucht es eine Null-Tole- ­Zukunftsrat einzurichten. Dieser hemmen innovative Technologien, be- ranz-Strategie mit straffen Gerichts- ­Zukunftsrat muss fernab von Partei- lasten die Verbraucher und treiben In- verfahren und optimierter Ausstattung zwängen ein Zukunftskonzept auf dustrien ins Ausland. Die EEG-Umlage unserer Sicherheitsbehörden. Kein Basis der Sozialen Marktwirtschaft gehört vollständig abgeschafft. Verbrecher darf mehr aus der Unter- entwickeln. In den Zukunftsrat gehö- suchungshaft entlassen werden, weil ren 15 Politiker und 15 Experten aus 9. Verwaltung einheitlich digitali- die Verfahren zu lange dauern. allen wichtigen Bereichen. Am Ende sieren: Wir müssen die zersplitterte muss ein Deutschland-Plan für einen IT-Zuständigkeit unterschiedlichster 13. Gesellschaftsjahr etablieren: Neustart vorliegen, der den Geist der Ministerien und Behörden bei Bund, Um den Zusammenhalt in der Gesell- Freiheit und Eigenverantwortung Länder und Gemeinden in einer zen- schaft zu stärken, spreche ich mich für atmet. Gemeinsame Aufgabe aller­ tralen Digitalagentur zusammenfas- ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr in CDU und CSU muss es dann sein, sen. Diese muss als privatrechtliche für junge Menschen aus. Es soll ihnen die Reformen anzupacken und umzu- Gesellschaft mit ausreichend Finanz- überlassen bleiben, ob sie es bei der setzen. mitteln die gesamte Verwaltung auf Bundeswehr, bei Hilfsorganisationen allen Ebenen zügig digitalisieren. oder in Pflege und Erziehung absol- vieren. Auf geht's! 10. Sozialabgaben deckeln: Wir müssen die Expansion einer Sozial- 14. Vorschulpflicht einführen: politik stoppen, die die Menschen in Die Sprachkenntnisse von Kindern immer größere Abhängigkeit führt. Die sind spätestens ab dem dritten Le- Ihr Carsten Linnemann

Thorsten Schneider vielbauch.de Schneider Foto: Thorsten Bürger brauchen mehr Freiraum für bensjahr kontinuierlich und bundes- MIT-Bundesvorsitzender

4 mittelstandsmagazin 02|21 mittelstandsmagazin 02|21 5 Familieninterne Übergaben sind aussichtsreicher

Unternehmen, bei denen bereits zu Beginn eines Über- ben rund drei Viertel der gut 90.000 Betriebe, deren gabeprozesses geplant ist, dass ein Familienmitglied die Übergabe geplant war, am Markt bestehen. Die stillge- Nachfolge antreten soll, sind deutlich seltener von einer legten Betriebe waren eher klein und wiesen überwie- Stilllegung betroffen als Unternehmen, die einen Ver- gend eine schlechte Ertragslage, eine geringere Export- kauf anstreben. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut orientierung oder eine geringere Investitionsneigung für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn. Insgesamt blie- vor der geplanten Übergabe auf.

Aufnahme von Geflüchteten beeinflusst Wahlen

Je größer der Bevölkerungsanteil von Migranten in einer Region ist, desto besser schneiden dort rechte Parteien ab. Das zeigen Studien des RWI-Wirtschaftsforschungsinstituts. Wie aus einer Untersuchung auf lokaler Ebene hervorgeht, führt der Zuzug von Asylsuchenden dort zu einer Polarisierung. Bei guten wirtschaftlichen Bedingungen in einer Region erhöht die Einwanderung laut Studie die Unterstützung der politischen Ränder. Die Mitte-Parteien CDU und SPD würden hin- gegen verlieren. Bei einem wirtschaftlichen Abschwung bleibt der Effekt von Asylbewerbern auf den Stimmenanteil für die extreme Rechte stabil, schwächt sich aber für linke Parteien deutlich ab. Dabei werden explizit die Grünen genannt.

Krise trifft Gründer und Selbstständige, die erst kurze Zeit am Markt sind, bekommen Frauen härter die Krise stärker zu spüren als etablierte. Wie aus einer Umfrage der staatlichen Förderbank KfW unter Gründern hervorgeht, haben seit Ausbruch der Krise 40 Prozent der Befragten mehr als die Hälfte ihrer Umsätze verloren. Zudem trifft die Krise Frauen härter als Männer. Das liegt vor allem daran, dass Frauen häufiger in gebeutelten Bereichen wie Gastronomie, Sozialwesen, Kunst oder Kultur arbeiten. Rund 30 Prozent halten es für wahr- scheinlich, die Selbstständigkeit aufgeben zu müssen.

6 mittelstandsmagazin 02|21 MIT:FAKTEN

Asien setzt auf Kernkraft

Während Deutschland im nächsten Jahr den letzten Kernreaktor abschalten will, entwickelt das Ausland die Kerntechnologie fleißig weiter. Nach Zahlen der World Nuclear Association befinden sich Stand März 2021 weltweit 53 Reaktoren im Bau, davon 33 in Asien und 13 in Europa. Weitere 98 Reaktoren befinden sich in der Planungsphase. Auch hier sind asiatische Staaten, allen voran China und Indien, stark vertreten. Von den weltweit 442 aktiven Reak­ toren sind etwa zwei Drittel älter als 30 Jahre. Kernenergie gilt wegen ihres ­geringen CO2-Ausstoßes als klimafreundlich. Moderne Reaktoren sollen Energie aus bereits angefallenem Atommüll gewinnen (Ausgabe 2-2020).

33 Asien 58 220

13 Europa 32 52

Naher Osten 3 und Afrika 4 Anzahl der Kernreaktoren, die 25 im Bau sind oder (potentiell) bald gebaut werden. Süd- und 2 Mittelamerika 1 9 Im Bau In Planung 2 Nordamerika 3 Vorgeschlagen Stand: Januar 2021, Quelle: Word Nuclear Association 20

„Angezählt“ Fast jedes fünfte Unternehmen in Deutschland sieht sich in seiner Existenz bedroht. Das geht aus einer Konjunkturumfrage des Ifo-Instituts hervor. Demnach waren es im Februar 18,7 Pro- zent, nach 17,6 Prozent im November 2020 und 21,8 Prozent im Mai 2020. Besonders groß sind die Existenzängste in der Reise- branche (83,7 Prozent), bei Hotels (82,3), Restaurants und Gast- 18,7 % stätten (72,3). Eher entspannt sind die Branchen Maschinenbau (5,6 Prozent), Elektro (4,4), Chemie (3,9), Autoindustrie (2,3), Rechts- und Steuerberater (1,2) und Pharma (0,9). Foto: dusanpetkovic1/stock.adobe.com

6 mittelstandsmagazin 02|21 mittelstandsmagazin 02|21 7 MIT:KOLUMNE

Die Krise verlangt einen agilen Staat

Von Alexander Kissler

rüher hieß es, die Bundesbahn mit einem niedrigen Gegenwert kor- habe vier natürliche Feinde: reliert. Im deutschen Schaufenster Fden Frühling, den Sommer, liegen Produkte vom Discounter mit den Herbst und den Winter. Damit war Preisschildern der Luxusklasse. Die der Stab gebrochen über das bekann- Bundesrepublik erntet in der Co- teste Staatsunternehmen. Ein solches rona-Krise die faulen Früchte einer ist die Deutsche Bahn AG noch immer, Staatsvergottung. Seit dem späten doch der Spott hat sich gelegt. Wer 19. Jahrhundert wurde der deutsche will sich schon lustig machen über Verfassungsstaat zum „Generalagen- einen Konzern, der auch in Pandemie- ten der Lebenszufriedenheit“ seiner zeiten traurig seine Runden dreht und Bürger „mit nahezu allumfassender trotz eines einbrechenden Kundenauf- Dr. Alexander Kissler (51) ist Zuständigkeit“ (Annette Zimmer), ­Redakteur im Berliner Büro der kommens unverdrossen Ibbenbüren „Neuen Zürcher Zeitung“. Zuvor zum „Zukunftssicherer und Lebens- und Bayerisch Eisenstein ansteuert? schrieb er unter anderem für Cicero, begleiter“ (Paul Kirchhof). Nun erlebt Zudem klingt das Meckern über de- FAZ und SZ. Er verfasste zahlreiche er das Scheitern dieses Anspruchs – Sachbücher, zuletzt „Die infantile fekte Bordtoiletten und verpasste An- Gesellschaft - Wege aus der selbst- das unausweichliche Scheitern eines schlüsse hohl, wird doch längst Grö- verschuldeten Unreife“. unrealistischen Anspruchs, den zu ßeres, Schlimmeres konstatiert, ein viele Bürger zu gerne erhoben haben. allumfassendes Staatsversagen. Aber Heute sehen wir: Jeder Mittelständler stimmt das? Wird aus der Pandemie seiner Bevölkerung, in den USA waren hätte die Verteilung der Impfstoffe, ein Staat hervorgehen, der das Ver- es 1,25 Prozent. Im EU-Impfranking be- aber auch die Organisation der Impf- trauen in ihn endgültig verspielt hat? legte die Bundesrepublik einen Platz termine besser gemanagt. Um vom Zumindest ist das Verhältnis zwi- im hinteren Fünftel. Der leitende Arzt Versagen der EU zu schweigen. Sie schen Staat und Bürgern derart dra- eines Impfzentrums berichtete in der wird gerupft aus der Krise hervorge- matisch aus dem Lot geraten, dass FAZ, Impfdosen müssten abends weg- hen. Mehr Europa: das klingt mittler- sogar der Bundespräsident an eine geworfen werden, weil nach 15 oder 17 weile wie eine Drohung. grundlegende Verabredung erinnern Uhr niemand mehr in der Stadtverwal- Wollte man aus dem vielgestalti- muss: Vertrauen, so Frank-Walter tung zu erreichen sei, um aktualisierte gen Misslingen etwas lernen, kann Steinmeier in seiner Ansprache vor Listen mit priorisierten Personen zu die Moral nur lauten: Ein Staat, der Ostern, beruhe in einer Demokratie erhalten. Wer sich regelmäßig testen seinen Bürgern misstraut, kann kein auf einer „sehr fragilen Übereinkunft: lassen will, braucht Geduld, Glück und Vertrauen erwarten. Die vier natürli- Du, Staat, tust Deinen Teil; ich Bürger ein stabiles Internet. Und darauf ver- chen Feinde kluger Politik sind Inkom- tue meinen.“ Fraglos hat der Staat – lassen, dass Grundrechte grundsätz- petenz, Intransparenz, Bürokratie und und das heißt: der ihn tragende Zirkel lich gelten und nicht an das Vorliegen Allzuständigkeit. Gefragt ist ein agiler der Entscheidungsträger – seinen Part medizinischer Atteste gekoppelt sind, Staat, schlank in seinen Strukturen in der Corona-Krise nur unvollständig sollte man sich besser auch nicht. und stark in seinen Leistungen. • erfüllt. Auf das Impfdesaster folgte Ein Staat, der die EU-weit größte das Testdebakel. Deutschland impfte Steuerlast erhebt, kommt in Legiti- Der Beitrag gibt die persönliche Meinung

Anfang April täglich rund 0,25 Prozent mationsnöte, wenn der hohe Preis des Autors wieder. Unger/www.ms-unger.de Marc-Steffen Foto:

8 mittelstandsmagazin 02|21 MIT:KOLUMNE MIT:FAKTEN

Eine Million Langzeitarbeitslose Veränderung gegenüber Vorjahresmonat in 1.000 Im Februar 2021 gab es in Erwerbstätige insgesamt Die Krise verlangt Deutschland gut eine Million Langzeitarbeitslose. Das waren Geringfügige Beschäftigte 41 Prozent mehr als im Februar 425 362 2020. Zuletzt war die Zahl der- Sozialversicherungspflichtige Beschäftigte

einen agilen Staat 196 jenigen, die länger als ein Jahr arbeitslos waren, im Jahr 2015 47 so hoch. Vor allem Jüngere sind 14 betroffen: In der Gruppe der -52 -77

unter 25-Jährigen verdoppelte -84 -103 -103 -105 -128 -127 sich die Zahl gegenüber dem -149

Vorjahr, bei den 25- bis 35-Jähri- -224 -282 -289 -303

gen lag das Plus bei 55 Prozent. -341 -374 -386 -414 -403 -421 Auch bei Akademikern gab es -424 mit plus 64 Prozent einen gro- ßen Anstieg. Ein wesentlicher -695 -717 -723 -726 -729 -740 -739 -756 Grund für den Anstieg ist die -766 gesunkene Zahl offener Stellen. Mai Juli

Forscher gehen davon aus, dass Juni März April

sich der Trend fortsetzt. Insge- August Oktober Dezember samt gab es im Januar 2021 fast November September Januar 2021 Januar Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Statistisches Bundesamt, 2021 IW Medien/iwd

740.000 Erwerbstätige weni- 2020 Februar ger als im Januar 2020.

Hoher Mindestlohn

LEXIKON der Kumulieren und gefährdet Aufschwung Politik-Insider

Panaschieren Eine deutliche Anhebung des Mindestlohns würde Deutschlands wirtschaftlichen Aufschwung nach der Corona-Krise erheblich gefährden. Laut Insti- Bei der Kommunalwahl am 14. März in Hessen konnten tut der deutschen Wirtschaft (IW) die Wähler ihre Stimmen wieder kumulieren (anhäufen) würde eine Anhebung auf 12 Euro und panaschieren (mischen). Dabei haben Wähler mehrere dreimal stärker in das Tarifsys- Stimmen – in der Regel so viele, wie Sitze im zu wählenden tem eingreifen als die Ein- Parlament zu vergeben sind. Sie können diese Stimmen in- führung des Mindestlohns nerhalb einer Bewerberliste gezielt verteilen (kumulieren) 2015. Rund ein Fünftel aller und so favorisierten Kandidaten einer Partei bis zu drei Tarifgruppen wäre betrof- Stimmen geben und anderen weniger oder gar keine. So fen. Die Folgen des SPD- rücken Kandidaten mit vielen Stimmen auf der Liste wei- Vorhabens wären gerade ter nach oben. Die Anzahl der Mandate, die eine Partei für kleine Läden mit nied- erhält, hängt von der Gesamtzahl ihrer Stimmen ab. Pana- rigem Gehaltsniveau wie schieren heißt, dass Wähler ihre Stimmen auch auf Listen Cafés oder Hotels schwie- verschiedener Parteien verteilen können. Bis auf Berlin, rig. Der Mindestlohn wird Nordrhein-Westfalen und das Saarland sehen die Kom- zum 1. Juli auf 9,60 Euro er- munalwahlsysteme aller Bundesländer zumindest eine der höht. Bis Mitte 2022 soll der beiden Wahlformen vor. Satz auf 10,45 Euro erhöht wer- den.

8 mittelstandsmagazin 02|21 mittelstandsmagazin 02|21 9 MIT:TITEL

SOZIALVERSICHERUNGEN Wie lange geht das noch gut?

Die Zuschüsse des Bundes zu den Sozialversicherungen steigen immer weiter an. Damit die Kosten für Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenver­sicherung nicht explodieren, gehören manche Leistungen auf den

10Prüfstand. mittelstandsmagazin 02|21 MIT:TITEL MIT:TITEL Wie lange geht das noch gut?

ie Sozialversicherungen geht schon länger nicht mehr auf, der sind eine deutsche Erfolgs- Bund bezuschusst mit Steuergeldern. Dgeschichte. 1883 wurde die Entsprechend steigen die Sozialaus- Krankenversicherung von Otto von gaben des Bundes gemessen am Brut- Bismarck auf den Weg gebracht. 1884 toinlandsprodukt seit Jahren konstant folgte die Unfallversicherung, 1889 die an. Über die Hälfte des Bundeshaus- Rentenversicherung. Die Arbeitslosen- haltes fließt mittlerweile in die Sozial- versicherung entstand 1927, die Pflege- versicherungen. Allein seit 2018 ist der versicherung 1995. Diese fünf Versiche- Bundeszuschuss um 16,5 Prozent ge- rungen bilden heute die gesetzlichen stiegen und liegt nun bei etwas über Sozialversicherungen. Sie sichern die 130 Milliarden Euro. Bevölkerung gegen Unfall, Krankheit, Alter, Arbeitslosigkeit und Invalidität Zahl der Beitragszahler sinkt ab. Die Sozialversicherungen sind die Dass die Kosten der Sozialversicherun- Grundlage für den Sozialstaat. Die Fi- gen in den kommenden Jahrzehnten nanzierung der Sozialversicherungen, drastisch sinken, ist so gut wie aus- mit Ausnahme der Unfallversicherung, geschlossen. Das Ausmaß des demo- erfolgt durch das beitragsfinanzierte grafischen Wandels wird erst in den Umlagesystem. Das heißt, dass die kommenden Jahren, mit dem Eintritt

„Damit die Rente auch in Zukunft finanzierbar bleibt, darf es keine Denkverbote geben

Jana Schimke,“ CDU-Arbeitsmarktexpertin

eingezahlten Beiträge direkt wieder der Babyboomer-Generation in die an die Leistungsempfänger ausgezahlt Rente, vollends spürbar sein. Renten- werden. Die Beitragszahler haben im geschenke wie die Rente mit 63 belas- Gegenzug einen Leistungsanspruch, ten die junge Generation zusätzlich. etwa wenn sie in Rente gehen. Gleichzeitig sind keine Mehreinnah- Allerdings stößt das Umlagesys- men zu erwarten. Der Anteil der Bei- tem schon seit längerem an seine tragszahler wird laut Zahlen des Bun- Grenzen. Der Hauptgrund dafür ist deswirtschaftsministeriums bis 2040 der demografische Wandel, aber auch um 16 Prozent sinken. Die Zahl der die Wiedervereinigung und steigende Beitragsempfänger hingegen wird um Arbeitslosigkeit rissen ein Loch in die 14 Prozent steigen. Außerdem haben Sozialkassen. Eigentlich sollen sich die Union und SPD festgelegt, dass die Sozialversicherungen aus den Beiträ- Sozialabgaben für Arbeitnehmer und gen finanzieren. Doch diese Rechnung Arbeitgeber bei unter 40 Prozent des Foto: j-mel/stock.adobe.com 10 mittelstandsmagazin 02|21 mittelstandsmagazin 02|21 11 MIT:TITEL35 Beitragszahler 33 Leistungsempfänger 31 -8%

29 -16% 27 +14% 25 +8% 23 Millionen 21

19

17

15 Finanzen der Bundesministerium Quelle: 2020 2030 2040 Jahr

Veränderung der Anzahl der Beitragszahler und Leistungsempfänger in der Gesetzlichen Rentenversicherung im Vergleich zu 2020 (in Mio.) alles wie es ist, wäre die Rente auf Dauer nicht finanzierbar“, heißt es in dem Papier. Die Arbeitsgruppe will den Generationenvertrag erneuern Einkommens stabilisiert werden sol- Spahns Pflegereform sieht weitere und einen Lastenausgleich zwischen len. Das lässt kaum Spielraum, denn Leistungen, insbesondere eine De- den Generationen schaffen. Deswe- schon heute liegt der durchschnitt- ckelung der Eigenanteile, vor. Die MIT gen sollen grundsätzlich bei allen zu- liche Anteil bei 39,9 Prozent. Kinder- dagegen will die Pflegeversicherung künftigen Reformen der gesetzlichen lose Beitragszahler liegen schon heute in ihrer Grundausrichtung als „Teil- Rentenversicherung die Belastungen über der Grenze von 40 Prozent, da sie kasko-Versicherung“ erhalten. „Die zu gleichen Teilen auf die Beitrags- einen höheren Sozialversicherungs- Pflegeversicherung war nie als Voll- zahler und die Rentenempfänger ver- beitrag zahlen müssen. kaskoversicherung gedacht“, sagt der teilt werden. „Belastungen durch den Es ist also keine Frage, ob die Fi- CSU-Bundestagsabgeordnete und demografischen Wandel können nicht nanzierung der Sozialversicherungen Co-Vorsitzende der MIT-Gesund- einseitig nur durch Veränderung einer reformiert werden muss, sondern wie. heitskommission, Stephan Pilsinger. Stellschraube zu Lasten einer Genera- Reformvorschläge gibt es viele. Bun- Die Pflegeversicherung solle einen tion aufgefangen werden“, schreiben desgesundheitsminister Teil der hohen Kosten tragen. „Sie die Autoren. und Bundesarbeitsminister Hubertus muss aber auch finanzierbar bleiben, Union und SPD haben die Leistun- Heil haben mehrere Entwürfe für Re- damit die Abgaben auf Arbeit nicht gen der Rentenversicherung immer formen, vor allem im Gesundheits- weiter steigen.“ Die MIT fordert die mehr ausgeweitet: Rente mit 63, und Pflegebereich, erarbeitet. Doch Bundesländer in einem Beschluss auf, Mütterrente, Grundrente, Erwerbs- die Pläne sind mit hohen zusätzlichen ihrer Verantwortung nachzukommen minderungsrente und die Anhebung Ausgaben verbunden. Spahns Re- und mehr Geld in Pflegeeinrichtungen des Rentenniveaus auf 48 Prozent bis form der Pflegeversicherung soll rund zu investieren. Außerdem spricht sich 2025. Aber eine Antwort auf die zent- sechs Milliarden Euro jährlich kosten. die MIT für eine betriebliche Pflegezu- rale Frage, wie weniger Beitragszahler will für 2023 zehn Mil- satzversicherung aus, welche staatlich für mehr Rentner aufkommen können, liarden Euro mehr Zuschüsse für die gefördert wird. hat die große Koalition bislang nicht. Rente. Das Geld dafür soll aus dem Vor allem an die wohl wichtigste und Bundeshaushalt kommen. Die Rente ist sicher? effektivste Stellschraube, das Renten- Insbesondere bei der Pflege kriti- Der CDU-Bundesfachausschuss so- eintrittsalter, trauten sich Union und siert die MIT, dass das Leistungsspek- ziale Sicherung und Arbeitswelt hat SPD nicht heran. Der CDU-Fachaus- trum in den letzten Jahren konstant Ende des letzten Jahres Vorschläge schuss wagt dies nun: „Gewonnene ausgeweitet wurde. Zudem werden zur Rentenpolitik vorgestellt. „Ange- Lebenszeit muss aber zur Erhaltung auch hier, wie bei der Rente, zukünf- sichts des demografischen Wandels der Generationengerechtigkeit auch tig mehr Pflegebedürftigen weniger wird es in Zukunft mehr Rentner und zum Teil in Erwerbstätigkeit verbracht Beitragszahler gegenüberstehen. weniger Arbeitnehmer geben. Bliebe werden.“ Dies soll durch stärkere

12 mittelstandsmagazin 02|21 MIT:TITEL MIT:TITEL

­Anreize für längeres Arbeiten er- tenversicherungen lehnt die MIT aber wicklung aber noch einmal deutlich reicht werden. Auch soll das Renten- ab. Bei der Generationengerechtig- verstärkt. Dennoch wurden immer eintrittsalter individualisiert werden. keit geht die MIT weiter als das Papier wieder erhebliche Leistungsauswei- Damit will man unterschiedlichen Ar- des CDU-Fachausschusses. Die MIT tungen beschlossen, ohne für eine beits- und Lebenssituationen gerecht will die Generationengerechtigkeit nachhaltige Finanzierung zu sorgen. werden. Ein Dachdecker könnte dann bei der Altersvorsorge im Grundge- „Um das hohe Niveau der sozia- früher in Rente gehen als ein Büro- setz festschreiben. „Damit die Rente len Absicherung in Deutschland auf- kaufmann – ohne Abschläge bei der auch in Zukunft finanzierbar bleibt, recht erhalten zu können, muss sich Rente befürchten zu müssen. Wie das darf es keine Denkverbote geben“, das Sozialstaatsversprechen künftig allerdings in der Praxis ermittelt wer- sagt die stellvertretende MIT-Bundes- wieder stärker an der tatsächlichen den soll, bleibt offen. vorsitzende und Co-Vorsitzende der Hilfebedürftigkeit der Anspruchsbe- Arbeits- und Sozialkommission, Jana rechtigten und den finanziellen Rah- Generationengerechtigkeit Schimke. Es müssten deshalb auch menbedingungen ausrichten“, heißt ins Grundgesetz „Fehlentscheidungen der Vergangen- es in einem Beschluss des MIT-Bun- Auch soll die gesetzliche Rente von heit“ korrigiert werden. Die Einfüh- desvorstands. Grundrente, Mütter- einem reinen Umlagesystem zu einem rung der Rente mit 63 ist aus ihrer rente oder die geplante Pflegereform Mischsystem aus Umlage und Kapital- Sicht ein Fehler, „da sie dem Arbeits- würden diesem Anspruch nicht ge- anlage umgebaut werden. Dabei soll markt Fachkräfte und der Rentenver- recht. Die Ausweitung der Steuerfi- eine Körperschaft des öffentlichen sicherung Beitragszahler entzieht“. nanzierung müsse gestoppt werden, Rechts eingerichtet werden, die einen Zudem setze sie Anreize für gesunde die Finanzierung und Kosten künftige Rentenfonds für die Kapitalanlage auf- und gut qualifizierte Fachkräfte, früh- Reformen transparent gemacht wer- baut und betreut. Die MIT hat kürzlich zeitig in Rente zu gehen. Aus Sicht den. Die MIT setzt sich deswegen eigene Vorschläge für die Zukunft der der MIT lässt sich nur durch die Ver- für ein Leistungsmoratorium für alle Rentenversicherung erarbeitet. Beide längerung der Erwerbsphase ein noch Zweige der Sozialversicherungen ein. Papiere haben ähnliche Ansätze, etwa stärkerer Anstieg des Rentenbeitrags- Dann dürfte es künftig ohne nachhal- bei der Flexibilisierung des Rentenein- satzes verhindern. tige Finanzierung keine Ausweitung trittsalters. Auch sehen beide Papiere der Leistungen in den Sozialversiche- vor, die Rentenversicherung breiter Nachhaltige Finanzierung rungen mehr geben. • aufzustellen und neben der staat- Dass sich bei den Sozialversicherun- lichen auch die betriebliche und pri- gen in den kommenden Jahren große vate Altersvorsorge zu stärken. Einen Finanzierungslücken auftun werden, Micha Knodt durch Schulden finanzierten Staats- war schon vor der Corona-Krise ab- Redakteur fonds in der Verantwortung der Ren- sehbar. Die Pandemie hat diese Ent- [email protected]

Veränderung der gesamten Bundeszuschüsse zur Sozialversicherung im Vergleich zu 2018 (Mrd. Euro)

140 Bundeszuschüsse zur +15,5% +16,5% Sozialversicherung 130

+3,5% 120

110

100

90

80 Finanzen der Bundesministerium Quelle: 2018 2019 2020 2021 12 mittelstandsmagazin 02|21 Jahr 13 MIT:THEMA

UMWANDLUNGSVERBOT Eigentumsbildung wird verhindert statt gefördert

erzweifelte Wohnungssuchende in Ballungsräumen konnten es kaum glauben: Bundesbauminister Horst Seehofer sprach beim V„Wohngipfel“ im Februar in Berlin von einer „stolzen Bilanz“. Und Bundeskanzlerin stellte fest, man habe „einiges zustande ge- bracht“. Das mag für viele Punkte stimmen: 115.000 neue Sozialwohnungen statt wie geplant 100.000 sollen bis Jahresende entstehen. Das Wohngeld als staatlicher Zuschuss für Geringverdiener wurde mehrfach angehoben und wird an mehr Empfänger gezahlt. Familien werden beim Immobilienkauf oder -neubau mit dem Baukindergeld bezuschusst. Bis Februar gingen 310.000 Anträge mit einem Volumen von insgesamt 6,5 Milliarden Euro ein. Mit einem neuen Gesetz Höhere Förderungen gab es darüber hinaus beim Städtebau, beim frei finan- will die Bundesregierung zierten Mietwohnungsbau und bei der energetischen Gebäudesanierung. Vermieter daran hindern, Zu wenig Wohnungen gebaut Aber eine entscheidende Zielmarke wurde verfehlt: Geplant waren 1,5 Mil- ihre Mietwohnungen in lionen neu gebaute Wohnungen. Stattdessen wurden erst 900.000 Woh- Eigentumswohnungen nungen fertiggestellt. Für 300.000 weitere gibt es Baugenehmigungen. Der längerfristige Aufwärtstrend wurde damit in den vergangenen Jahren eher umzuwandeln. Das Vorha- abgebremst. „Insgesamt sind die Erfolge mager“, fasst Michael Voigtländer vom Insti- ben reiht sich ein in eine tut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln zusammen. Der Immobilienex- zunehmend interventio- perte hinterfragt zudem die Fixierung auf einen bestimmten Wert. „Schließ- lich kommt es beim Wohnungsbau vor allem darauf an, wo gebaut wird“, nistische Bau­politik, die sagt er. Außerdem könne die Bundesregierung nicht selbst bauen, sondern am Ende genau das er- nur die Rahmenbedingungen verbessern. „Und hier ist zu wenig passiert: Der Flaschenhals ist das Bauland, das von den Kommunen ausgewiesen wer- reicht, was sie eigentlich den muss“, sagt Voigtländer.

verhindern will: höhere Mehr Bauland nötig Preise, weniger Neubau An dieser Stelle will die Bundesregierung mit einem Baulandmobilisie- rungsgesetz ansetzen. Das Gesetz soll mehr Flächen für den Wohnungs- und mehr Investoren aus bau schaffen. „Überall dort, wo neuer Wohnraum entstehen soll, verein- dem Ausland.

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fachen und beschleunigen wir die Prozesse, damit die droht Mieterinnen und Mietern schnell eine Kommunen Bauland leichter aktivieren und Baugenehmi- Eigenbedarfskündigung. In ohnehin ange- gungen schneller erteilen können“, beschreibt Minister spannten Wohnungsmärkten ist dies ein Seehofer das Ziel. Geplant ist unter anderem eine Aus- Riesenproblem für alteingesessene Miete- weitung der Möglichkeiten, ein Baugebot zu verhängen. rinnen und Mieter“, betonte Bundesjustiz- Damit kann eine Gemeinde Eigentümer verpflichten, ministerin (SPD). Grundstücke innerhalb einer Frist zu bebauen. Weiterhin ist die Wiedereinführung einer Regelung zum unkompli- „Staatliche Interventionsspirale“ zierteren Bauen am Ortsrand vorgesehen. Das kommu- Der Eigentümerverband Haus und Grund nale Vorkaufsrecht, das bislang auf die Gebiete mit Mili- sieht in dem Vorhaben hingegen ein Zu- euschutz begrenzt war, soll auf den gesamten rückdrehen der „Demokratisierung des Ei- angespannten Mietwohnungsmarkt erweiterbar sein. Streitpunkt Umwandlungsverbot „Der Flaschenhals ist das Noch steckt der Gesetzentwurf aber im parlamentarischen Verfahren fest. Streitpunkt ist das sogenannte Umwand- Bauland, das von den Kommunen lungsverbot. Geplant ist, dass in Gebieten mit hohen Mie- ausgewiesen werden muss. ten und knappem Wohnraum die örtlichen Behörden einer Michael Voigtländer, Immobilien-Experte“ Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zustim- men müssen. So sollen Mieter vor „Verdrängung“ ge- schützt werden. Der Kabinettsbeschluss sieht Ausnahmen vor, etwa gentums“. Die Möglichkeit, Wohnungsei- wenn Eigentümer Wohnungen an Familienmitglieder zur gentum zu begründen, habe man überhaupt eigenen Nutzung verkaufen. Die neuen Regelungen sollen erst geschaffen, um der dramatischen Woh- zunächst bis Ende 2025 gelten. „Wenn Mietwohnungen in nungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg zu

Frank Wagner/adobe.Stock.com Fotos: Frank Eigentumswohnungen umgewandelt und verkauft werden, begegnen. „Dass die Große Koalition über-

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haupt glaubt, die Umwandlung von Miet- in Umwandlungen ein Vorkaufsrecht, davon machen sie Eigentumswohnungen einschränken zu aber kaum Gebrauch“, so der IW-Ökonom. Dies liege müssen, ist das Ergebnis ihrer verfehlten nicht an den laufenden Finanzierungskosten, die auf- Politik aus Mietpreisbremse und Mietspie- grund der niedrigen Zinsen zu stemmen seien. „Ursäch- gelmanipulation“, kritisiert Kai Warnecke, lich sind vielmehr die geringen Ersparnisse der Mieter, Präsident von Haus und Grund. Die Ein- denn allein für Grunderwerbsteuer, Notar und Grund- schränkung der Umwandlung sei „der Ein- buch müssen in einigen Bundesländern acht Prozent der stieg in eine immer weitreichendere staat- Kaufsumme bezahlt werden.“ Hinzu komme das Eigen- liche Interventionsspirale“. kapital, das in die Bankfinanzierung eingebracht werden müsse. Genau hier sollten die Städte laut Voigtländer anset- zen: Würde man den Mietern Nachrangdarlehen gewäh- „Statt eine Verbotsdebatte zu ren, also Kredite, die andere Banken als Eigenkapitaler- satz akzeptieren, könnten viel mehr Mieter ihre Wohnung führen, sollten wir Eigentumsbil- kaufen. dung fördern und Mieter auf dem Gesetz verhindert keinen Ausverkauf Weg in die eigenen vier Wände Angestoßen wurde die geplante Reform wohl auch durch unterstützen. Erfahrungen der Hauptstadt. Dort kauften teils ausländi- sche Investoren Mehrfamilienhäuser auf, um durch eine Jan-Marco“ Luczak, CDU-Rechtspolitiker Umwandlung die Bestandsmieter durch zahlungskräftigere Neumieter zu ersetzen. Anschließend wurden die dann oft- mals sanierten Wohnungen wieder an Kapitalanleger ver- Erschwerter Zugang zu Eigentum kauft. „Ein Umwandlungsverbot wird solche Geschäfts- Auch IW-Ökonom Voigtländer warnt praktiken aber kaum verhindern“, gibt Voigtländer zu davor, dass das Umwandlungsverbot vor bedenken. „Statt die Wohnungen einzeln zu verkaufen, allem den Zugang für Selbstnutzer ver- werden die Mehrfamilienhäuser dann an andere Investo- sperrt. „Schon heute haben Mieter bei ren verkauft.“

Wohneigentumsquoten in ausgewählten Ländern Europas 2019 (in %)

Rumänien 95,8

Polen 84,2

Spanien 76,2

UK 65,2*

Frankreich 65,1*

Österreich 55,2

Deutschland 51,1

Schweiz 42,5* * vorläufige Werte Quelle: Eurostat

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Ob der Verkauf an Großinvestoren für die Mieter besser ist, bezweifelt Voigtländer. Laut einer Untersuchung im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt und Raumpla- nung erhöhen Kleinvermieter die Mieten gerade in ange- spannten Märkten seltener als Unternehmen – auch, weil ihnen ein unbelastetes Verhältnis zum Mieter wichtig ist.

Eigentumsbildung fördern Vertreter der MIT drängen deshalb darauf, das umstrittene Umwandlungsverbot aus dem Gesetz zu nehmen und viel- mehr die Eigentumsbildung zu fördern. „Möglichst viele Menschen sollen sich den Traum von der eigenen Immobi- lie erfüllen können“, sagt Christoph Ploß, Landesvorsitzen- der der CDU Hamburg und Co-Vorsitzender der MIT-Bau- Das geplante Umwandlungsverbot dürfte den Zugang zu Wohneigen- kommission. Ein Umwandlungsverbot stehe dem entgegen. tum zusätzlich erschweren, warnt Prof. Dr. Michael Voigtländer. Kritik äußert auch der rechtspolitische Sprecher der Uni- Er leitet beim Institut der deutschen Wirtschaft das Kompetenzfeld onsfraktion, Jan-Marco Luczak. „Statt eine Verbotsdebatte Finanzmärkte und Immobilienmärkte. zu führen, sollten wir Eigentumsbildung fördern und Mie- ter auf dem Weg in die eigenen vier Wände unterstützen“, fordert er. Wenig Verständnis haben Ploß und Luczak daher für Vorstöße der Grünen, den Neubau von Einfami- lienhäusern einzuschränken. „Wer wie die Grünen Einfami- Kosten senken, Subventionen lienhäuser verbieten will, nimmt den Menschen ihre streichen Träume. Denn vier von fünf Deutschen hegen diesen Traum Die MIT setzt sich in der CDU/CSU-Frak- von den eigenen vier Wänden“, sagt Luczak. tion dafür ein, neben dem Umwandlungs- verbot auch das erweiterte kommunale Vorkaufsrecht und die zusätzlichen Bauge- bote zu streichen. Außerdem sollen die Studien: Mietbegrenzungen Länder den vom Bund festgelegten Grund- schaden eher erwerbsteuersatz von 3,5 Prozent nicht überschreiten dürfen. Denn gerade die Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung kam Grunderwerbsteuer stellt einen erhebli- bereits 2019 in einer Studie zu dem Ergebnis, dass chen Kostenfaktor beim Immobilienkauf die Mietpreisbremse kaum wirkt. Ohne sie würden dar. Teure Subventionen wie das Baukin- Bestandsmieten in beliebten Wohngegenden dergeld, das eher zu Mitnahmeeffekten gerade einmal zwei bis vier Prozent höher liegen. durch Familien führt, die ohnehin gebaut Ein Vergleich des Verbands der Immobilienwirt- hätten, sollen dagegen gestrichen werden. schaft (ZIA) der gesetzlichen Mietobergrenzen mit Stattdessen fordert die MIT eine Senkung dem örtlichen Mietspiegel in Berlin wies zudem auf der hohen Baunebenkosten, schnellere eine soziale Ungleichheit hin: So profitierten vom im Planverfahren, mehr Investitionen in die April vom Bundesverfassungsgericht aufgehobenen Digitalisierung der Bauämter und in quali- Berliner Mietendeckel gerade Bestandsmieter in fiziertes Personal. „Diejenigen, die sich Top-Lagen wie Charlottenburg, während die Miet- den Traum von den eigenen vier Wänden senkungen in den Plattenbauten von Marzahn- erfüllen wollen, aber auch diejenigen, die Hellersdorf vergleichsweise gering ausfielen. zur Miete wohnen, würden von solchen Maßnahmen mehr profitieren als von ideo- Auf eine weitere Verschärfung weisen verschiedene logischen Griffen in die Mottenkiste“, Betrachtungen der Onlineportale ImmoScout24 heißt es dazu im MIT-Beschluss. • und Immowelt hin. So sank seit Inkrafttreten des Mietendeckels im vergangenen Jahr die Zahl der angebotenen Mietwohnungen signifikant. Noch nie war es für Zuzügler so schwer, in Berlin eine Hubertus Struck Redakteur/CvD Wohnung zu finden. Offenbar werden frei werdende Foto: Institut der deutschen Wirtschaft [email protected] Wohnungen vermehrt an Freunde und Verwandte vermittelt – oder die Eigentümer entscheiden sich 16 mittelstandsmagazin 02|21 gleich zum Verkauf. mittelstandsmagazin 02|21 17 MIT:INTERVIEW

INTERVIEW MIT SARNA RÖSER „Der Staat kann es nicht“

Sarna Röser führt den Verband der Jungen Unternehmer. Im Interview mit Mittelstands- Chefredakteur Thorsten Alsleben spricht die designierte Unter- nehmensnachfolgerin über das Krisenmanagement der Bundes- regierung, die Lehren aus der Krise und die Unterschiede zwischen Unternehmern und Politikern. MIT:INTERVIEW MIT:INTERVIEW

rau Röser, wenn Deutschland ein Unternehmen wäre, wie würden Sie den Zustand beschreiben? FSarna Röser: Als nicht wirklich gesund. Das Krisen- management, das wir momentan erleben, ist miserabel – in einem Unternehmen hätte die Chefetage ernsthafte Probleme, ihre schwächelnde Leistung zu erklären. Deutschland braucht endlich ein effektives und vor allem gut organisiertes Krisenmanagement. Wir brauchen dafür einen Paradigmenwechsel. In den letzten Monaten haben wir gesehen: Der Staat kann es nicht. Jedenfalls nicht allei- ne. Wir brauchen auch in der Pandemie eben weniger Staat und mehr Marktwirtschaft. Dafür können Unterneh- mer wichtige Unterstützung leisten.

Sarna Röser ist Juniorchefin der Karl Röser & Sohn GmbH. Das Bild zeigt sie im familieneigenen Zementrohr- und Betonwerk in Mündelsheim. Sie wünscht sich von der Union „einen klareren Fokus auf Werte wie Freiheit, Eigentum, Verantwortung und Wettbewerb“.

Was würden Sie jetzt anders machen in der Corona-Politik? Mehr Tempo und mehr Kompetenz reinbringen. Die Pan- demie kann nur mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft als „Team Deutschland“ schnell überwunden werden. Wir Familien- unternehmer stehen bereit und haben bereits der Bundes- kanzlerin und den Ministerpräsidenten aktiv unsere Hilfe angeboten.

Was heißt das konkret? Wir brauchen flächendeckende Testangebote und müssen schneller ans Impfen kommen. Natürlich wissen wir, dass der Impfstoff momentan nicht ausreichend zur Verfügung steht. Aber jetzt ist genau die Zeit, um alles vorzubereiten. Wir haben seitens der Wirtschaft angeboten, unsere ­Betriebsärzte aktiv mit einzubinden. Vereinzelt gibt es

Foto: CDU NRW/Günther Schuhmacher NRW/Günther CDU Foto: Foto: Anne Großmann Fotografie Modellprojekte, in denen die Mitarbeiter ein Impfangebot

mittelstandsmagazin 02|21 19 MIT:INTERVIEW

Im Video-Interview mit Chefredakteur Thorsten Alsleben kri- tisiert die parteilose Sarna Röser die Grü- nen als „Verbotspar- tei“. Die Politik müsse „intelligente Lösungen durch Betriebsärzte erhalten. Warum gibt es und Instrumente an- das nicht gleich in ganz Deutschland? Das glei- bieten und die Men- che gilt beim Testen: Hier sollten wir viel stär- schen mitnehmen“. ker die privaten Akteure mit einbeziehen, die die nötige Logistik beherrschen. Das heißt: Apotheken, Drogeriemärkte, Supermärkte. Die Wirtschaft kann viel mehr unterstützen. Wir sind kreative Problemlöser. Wir verfügen über Die Wirtschaft unternimmt bereits einiges mit strengen die Logistik, können organisieren und sind Hygiene- und Schutzmaßnahmen, um die Sicherheit und kompetent. Wir haben uns immer wieder ange- die Gesundheit der Mitarbeiter zu gewährleisten. Klar ist boten. Für mich ist es unverständlich, dass die auch: Der Arbeitsplatz ist kein Infektionstreiber. Eine Um- Regierungen von Bund und Ländern unsere frage unter unseren Mitgliedern ergab, dass über 91 Pro- Hilfsangebote bis heute nicht angenommen zent der an Corona Erkrankten sich außerhalb der Arbeits- haben. stätte angesteckt haben. Das ist ein klares Zeichen, dass die Unternehmen bereits alles dafür tun, um Mitarbeiter zu schützen. Viele Mitarbeiter befinden sich zudem im „Wir brauchen auch in der Homeoffice. Aber das ist eben nicht überall möglich. Pandemie weniger Staat und Haben Sie in Ihrem Betrieb schon vor der Testpflicht Ihre Mitarbeiter getestet? mehr Marktwirtschaft. Ja, wir haben schon vor der Testpflicht freiwillig für unsere “ Mitarbeiter in der Produktion Tests angeboten, und das wurde auch genutzt. Ich kenne aber ebenso Beispiele, wo Sie sehen im flächendeckenden Testen eine sich Mitarbeiter nicht testen lassen wollen. Lösung. Was halten Sie von dem Kabinetts- beschluss, dass Unternehmen verpflichtend Würden Sie dem Bund – wie von Kanzlerin Merkel Tests anbieten müssen? gewünscht – mehr Kompetenzen geben, damit es zu Wir haben dazu eine Umfrage unter den rund einheitlichen und wohl auch härteren Regeln kommt? 6000 Mitgliedern des Familienunternehmer- Es braucht in jedem Fall eine klare Aufgaben- und Kompe- verbandes gemacht. 85 Prozent der Unterneh- tenzverteilung. Der Bund muss sich Experten mit ins Boot mer wollen testen, aber sie stehen vor ganz holen, die Ahnung von Organisation, Logistik etc. haben. praktischen Problemen. Wo bekommen sie Dennoch: Es muss auch weiterhin eine regionale Betrach- Tests in ausreichender Menge, wie werden sie tung und Steuerung möglich sein. Wir Familienunterneh- bearbeitet, wer haftet? Die Testpflicht wurde mer plädieren dafür, die Öffnungsstrategie weiterzuent- beschlossen, ohne ganz praktische Fragen aus- wickeln. Sie sollte sich nicht nur an den Inzidenzen orien- reichend zu klären und zu kommunizieren. Jetzt tieren, sondern auch an der Impfquote, der Auslastung der wird der Schwarze Peter einfach der Wirtschaft Intensivbetten etc. Wir müssen weg von der Inzidenz-

zugeschoben. Ideologie, die nur auf Inzidenzwerte schaut. Fotos: Laurence Chaperon

20 mittelstandsmagazin 02|21 ANZ Datev: HaarSchneider; Format 210x280 mm, Beschnitt: 3 mm; Titel: Mittelstandsmagazin; DU: 29.03.21, ET: 26.04.21

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Die Modellprojekte in Tübingen oder im bessere digitale Infrastruktur und Verwaltung. Die deut- ­Saarland zeigen, dass es Alternativen zum ideen- sche Bürokratie hat die Situation weiter verschlechtert. losen Dauer-Lockdown der Bundesregierung Wir müssen jetzt Rahmenbedingungen schaffen, damit wir, gibt. Selbst wenn sich die Situation vor Ort die Familienunternehmen, unsere PS wieder erfolgreich verschlechtert und es wieder zu Schließungen auf die Straße bringen können. Bei den Rufen nach Steuer- kommt, dann ist das zwar schmerzhaft. Aber erhöhungen und etwa einer Vermögensteuer sträuben sich für die Bevölkerung ist das immer noch besser mir die Nackenhaare. Viele Mittelständler, die so stark ge- nachzuvollziehen, als wenn in jeder Region das litten haben und auch noch leiden, die fast ihr gesamtes gleiche gilt. Eigenkapital aufgezehrt haben und trotzdem versuchen, Die Unternehmer und ihre Mitarbeiter, von jeden Arbeitsplatz zu halten, die sollten jetzt nicht belas- denen noch immer viele in Kurzarbeit sind, tet, sondern entlastet werden. brauchen eine Perspektive. Wir müssen mehr ausprobieren, mehr Modellprojekte zulassen und konsequent und millionenfach testen. „Ich habe inzwischen das Welche Lehren für die Zukunft sollte Gefühl, dass unsere unterneh­ Deutschland aus dem Management der Krise ziehen? merische Freiheit immer weiter Wir müssen uns schon jetzt besser auf zukünf- tige Krisen vorbereiten. Es darf in der Zukunft eingegrenzt wird. Ich würde nicht wieder solch ein Auf und Ab geben. Gleichzeitig gibt es positive Erkenntnisse wie mir wünschen, dass wir unseren die zusätzlichen Möglichkeiten durch Digitali- Unternehmern mehr zutrauen. sierung. Das Mindset der Bevölkerung hat sich verbessert. Viele Unternehmer und Mitarbei- “ ter haben gesehen, dass Homeoffice funktio- nieren kann und nicht jeder vor Ort sein muss. Der Bund reißt 2020, 2021 und wohl auch 2022 die Eine Herkules-Aufgabe steht uns jedoch Schuldengrenze des Grundgesetzes massiv. Ab wann bevor: Deutschland braucht einen Restart. Wir muss die Schuldenbremse wieder eingehalten werden? jungen Unternehmer prangern schon seit vie- Die Schuldenbremse sollte so früh wie möglich wieder len Jahren die schleppende Digitalisierung in greifen. Dank ihr konnten wir es uns in der Krise überhaupt Deutschland an. Wir brauchen dringend eine erst leisten, Unternehmen, die wegen der Pandemie

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„Wir müssen weg von der Inzidenz-Ideologie, die nur auf Inzidenzwerte schaut.“

schließen mussten, zu helfen und das ganze Land zu unter- tischen Hürden führen, auch für den Mittel- stützen. Am Ende werden wir als junge Generation die stand. Und eine Frauenquote löst die Ursache Rechnung bezahlen müssen. Die Politik muss deshalb jetzt des Problems nicht. Da sollte der Staat eher auf Wachstum setzen und nicht den Knüppel rausholen. seine Hausaufgaben machen und für bessere Deutschlands Unternehmen haben mit die höchsten Steu- und mehr Kinderbetreuung sorgen. ersätze weltweit und sorgen dafür, dass die staatlichen Kassen gefüllt sind. Denken Sie, dass man mit Ihren wirtschafts- politischen Positionen als Partei einen Wo würden Sie sparen? Wahlkampf erfolgreich führen kann? Wir müssen Prioritäten setzen, wofür wir Steuergelder Oder kommt das beim Wähler nicht an? verwenden. Es wurde schon vor Corona zu viel Geld aus- Die Themen sind wichtig. Ich wünsche mir auch gegeben ohne die demografische Herausforderungen im von der Union einen klareren Fokus auf Werte Haushalt einzupreisen. Aus meiner Sicht muss zum Bei- wie Freiheit, Eigentum, Verantwortung und spiel die Rente mit 63 wieder abgeschafft werden. Statt- Wettbewerb. Das ging mir in letzter Zeit zu dessen sollten wir wirklich in die Zukunft investieren, in sehr verloren. Die Union braucht im Wahl- unseren Wirtschaftsstandort, in digitale Infrastruktur und kampf eine klare Strategie, wie unser Wirt- Bildung. Deutschlands Wirtschaft ist in den letzten Jahr- schaftsstandort gestärkt werden soll. Wenn zehnten zum Glück gewachsen. Unsere Haushaltskassen man die Themen richtig setzt und sich posi­ waren prall gefüllt und trotzdem wurde der Schrei nach tioniert, kann man damit im Wahlkampf auch höheren Steuern immer lauter. Wir brauchen einen zu- die Bürger abholen und gewinnen. kunftsgerichteteren, kritischeren Blick auf die Ausgaben- politik. Wer könnte das Ihrer Ansicht nach am besten? Markus Söder oder Armin Laschet? Aktuell befinden sich das Lieferkettengesetz, die Wir wünschen uns Wirtschaftskompetenz und Frauenquote und ein Gesetz zur Stärkung der gute Wirtschaftspolitik. Betriebsräte in Arbeit. Was davon würde den größten Schaden anrichten? Sehen Sie die denn bei beiden Kandidaten? Alle drei Vorhaben schaden unserer Wirtschaft. Ich habe Es kommt bei beiden Kandidaten darauf an, inzwischen das Gefühl, dass unsere unternehmerische gute Teams um sich zu versammeln. Die Wirt- Freiheit immer weiter eingegrenzt wird. Ich würde mir schaftskompetenz in der Union verkümmert wünschen, dass wir unseren Unternehmern mehr zutrau- mehr und mehr, vor allem hier muss das Team

Fotos: Laurence Chaperon en. Das Lieferkettengesetz wird zu deutlich mehr bürokra- des Kanzlerkandidaten überzeugen.

22 mittelstandsmagazin 02|21 mittelstandsmagazin 02|21 23 MIT:INTERVIEW Sarna Röser (33) ist seit 2018 Bundesvorsitzende der Jungen Unter- nehmer. Sie kommt aus der Nähe von Stuttgart und will das 1923 gegründete Familienunternehmen Zementrohr- und Betonwerke Karl Röser & Sohn GmbH von ihrem Vater übernehmen. Röser hat selbst ein Startup gegründet und führt ein zum Familienverbund gehörendes Unternehmen mit. Seit dem vergangenen Jahr ist sie Mitglied des Aufsichtsrats der Fielmann AG und des Beirats der Deutschen Bank. Röser engagiert sich zudem als stellvertretende Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung. Die Jungen Unternehmer gehören zum Verband „Die Familienunternehmer“ und zählen gemeinsam rund 6000 Mitglieder.

Ihre Vorgängerinnen im Amt der Bundesvorsitzenden der Jungen Unternehmer Marie-Christine Ostermann und Lencke Wischhusen haben sich ja nach der Verbandsarbeit in der Politik engagiert. Könnte Sie das auch reizen? Ich bin ja als Vertreterin der Jungen Unternehmer schon politisch aktiv. Ich finde es richtig und wichtig, sich als Un- ternehmer oder Unternehmerin einzumischen. Die Stimme Die Grünen sind in Umfragen und Wahlen der Wirtschaft ist gefragter denn je, und wir müssen laut erfolgreich, versuchen sich bürgerlich zu sein und auf unsere Themen und Positionen hinweisen. Es geben. Wie kommt die Partei bei jungen braucht natürlich auch in der Politik Praxiserfahrung. Ob Unternehmern an? das für mich auch eine Option ist, kann ich vielleicht sagen, Die Grünen haben gerade in der Startup-Szene wenn es mal so weit ist. Ich werde mich auf jeden Fall im- einige Anhänger, für viele sind sie aber auch mer politisch einsetzen, und für mich ist das wichtigste nach wie vor die „Verbotspartei“. Wir setzen Credo: „Nicht nur reden, sondern handeln“. Aber ich bin uns auch mit jungen Initiativen wie „Fridays mit Leib und Seele Unternehmerin, und ich habe meinem for Future“ auseinander. Deren Unternehmer- Vater versprochen, dass ich unser Familienunternehmen Bashing, das teils auch von der Grünen Jugend fortführen werde, und ob ich dann noch eine politische betrieben wird, können wir uns als Land nicht Laufbahn einschlage, weiß ich nicht. Aber: Sag niemals nie. leisten. Klimaschutz geht nur gemeinsam mit der Wirtschaft. Uns Familienunternehmern Bei den letzten Fragen bitte ich um eine spontane Reak- liegt Nachhaltigkeit im Blut. Nur mit Verboten tion, wofür ihr Herz eher schlägt. Auto oder Fahrrad? kommen wir nicht weiter. Wir müssen intel­ Auto. ligente Lösungen und Instrumente anbieten und die Menschen mitnehmen. Das machen Mallorca oder bayerische Alpen? die Grünen meiner Meinung nach bei vielen Bayerische Alpen. Punkten nicht. Unternehmen oder Verband? Welchen Hauptunterschied sehen Sie Unternehmen. zwischen Unternehmern und Politikern? Für mich sind Unternehmer kreative Problem- Zeitungen oder Fernsehen? löser. Das haben wir auch in der Pandemie ge- Fernsehen. sehen. Unternehmen, gerade in den schwer ge- troffenen Branchen, haben schnell mutige Ent- Twitter oder Instagram? scheidungen getroffen und Dinge ausprobiert. Instagram. Dieses pragmatische Handeln und der Mut, Ideen schnell umzusetzen, das fehlt mir in der Ein Abendessen mit oder mit Politik. Aber auch in der Gesellschaft würde ich Robert Habeck? mir mehr die Haltung wünschen, dass es in Um ihn näher kennenzulernen: Robert Habeck. Ordnung ist, Fehler zu machen und zu schei- tern. Und was ich mir vor allem von einzelnen Zum Abschluss noch eine Satzvervollständigung: Politikern in Zukunft mehr wünsche: Stehen zu Wenn ich nach der Wahl gefragt würde, ob ich bleiben, für seine Meinung und Positionen zu Wirtschaftsministerin werden möchte…

kämpfen, egal wie stark der Wind bläst. … würde ich mir das doch noch einmal gut überlegen. • Foto: Anne Großmann Fotografie

24 mittelstandsmagazin 02|21 MIT:INTERVIEW MIT:TITEL TZ CHU ENS DAT

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BELASTUNGEN ALS STANDORTFAKTOR Welche Steuern zahlen Unternehmen?

eutsche Unternehmen zahlen Eine einheitliche Unternehmens- Verbrauchsteuern im internationalen Vergleich steuer gibt es in Deutschland nicht. Die wesentlichen Steuerarten des Ver- Dbesonders hohe Steuern. Die zu zahlenden Steuern für Unter- brauchs sind die Umsatzsteuer und Während andere Staaten die Belastun- nehmen setzen sich in Deutschland die Grunderwerbsteuer. Zwar wird gen in den letzten Jahrzehnten deutlich aus verschiedenen Steuerarten zu- die Umsatzsteuer beim Unternehmen abgebaut haben, legte der deutsche sammen. Dazu zählen die Steuern auf erhoben. Sie wird aber an den Endver- Fiskus noch drauf. Welche Steuern und den Verbrauch, Steuern auf den Ertrag braucher, also in der Regel den Kun- Abgaben kommen auf sie zu? und die Steuern auf die Substanz. den, weitergegeben. Bei Unterneh- men, die ausschließlich mit anderen Unternehmen Geschäfte machen, ist die Umsatzsteuer ein durchlaufender Posten. Das heißt, sie wird direkt an das Finanzamt weitergeleitet und mit- tels des Vorsteuerabzugs wieder er- stattet. Die Grunderwerbsteuer fällt beim Kauf eines Grundstücks im In- land an. Sie ist eine Ländersteuer und liegt je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5 Prozent.

Ertragsteuern Zu den wesentlichen Steuerarten des Ertrags zählen die Einkommens-, Köperschafts-, und Gewerbesteuer sowie der Solidaritätszuschlag. Die Einkommensteuer ist weniger für das Unternehmen, sondern für den Unternehmer selbst relevant. Der Einzelunternehmer bzw. Inhaber einer Personengesellschaft muss den Ertrag des Unternehmens in seiner Einkommensteuererklärung angeben und mit seinem individuellen Steuer- satz (zwischen 14 und 42 Prozent) versteuern. Kapitalgesellschaften (AG, GmbH, UG, KGaA) müssen Kör- perschaftsteuer zahlen. Dabei wird der Überschuss aus den Betriebsein- nahmen einheitlich zu 15 Prozent ver- steuert.

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Die Gewerbesteuer wird von den zent. Allerdings hat Deutschland, ent- tian Brehm, Co-Vorsitzender der MIT- Gemeinden festgesetzt. Sie wird auf gegen dem internationalen Trend, die Steuerkommission und finanz- und den Gewinn erhoben und hängt vom Unternehmenssteuerbelastung seit haushaltspolitischer Sprecher der jeweiligen Hebesatz ab. Unternehmen 2008 leicht steigen lassen. CSU-Landesgruppe im Deutschen zahlen so mindestens sieben Prozent, . Auch die komplexe Ge- im Durchschnitt aber etwa 15 Prozent Standortfaktor Steuern werbesteuer muss aus Sicht der des Gewinns. Steuern sind ein Standortfaktor. Die MIT modifiziert werden. Sie führt zu Der Solidaritätszuschlag ist zwar Staaten müssen sich attraktiv halten, Doppelbelastungen bei grenzüber- mittlerweile für 90 Prozent der Be- um Unternehmen im Land zu halten greifenden Strukturen und benach- völkerung weggefallen. Kapitalgesell- und neue ins Land zu holen. In der EU teiligt inländische Betriebsstätten. schaften zahlen den Soli weiterhin auf profitieren Unternehmen von einheit- Da sie zudem abhängig vom Umsatz die Körperschaftsteuer. Gut verdie- lichen Regeln für den Binnenmarkt erhoben wird, ist sie konjunkturellen nende Einzelunternehmer und Perso- und den internationalen Handelsab- Schwankungen ausgesetzt. Dadurch nengesellschafter zahlen den Soli wei- kommen. Gleichzeitig nutzen sie den geht den Kommunen die Planungs- terhin auf die Einkommensteuer. Flickenteppich an unterschiedlichen sicherheit verloren. Die MIT fordert Unternehmenssteuern unter den EU- daher, die Gewerbesteuer so zu mo- Substanzsteuern Ländern aus. Nicht ohne Grund haben difizieren, dass sie als einfacher Zu- Zu der Besteuerung der Substanz gerade internationale Konzerne wie schlag zur Körperschaftsteuer oder zählen die Grundsteuer und die Erb- Facebook und Google ihren Firmensitz Einkommensteuer ausgestaltet wer- schafts- und Schenkungssteuer. Die in Irland, wo die Steuersätze bei 12,5 den kann. Die Kommunen behielten Grundsteuer wird auf Eigentum, also Prozent liegen. Die EU versucht aller- dann ihr Hebesatzrecht. Ziel der MIT Grundstücke, Häuser oder Erbbau- dings verstärkt, Steuerlücken unter ist es, mit diesen Maßnahmen die rechte, erhoben. Sie wird von den Ge- den Mitgliedländern zu schließen. Ge- durchschnittliche Unternehmens- meinden festgelegt und variiert von rade deutsche Mittelständler leiden steuerbelastung in Deutschland auf Region zu Region. aber unter der hohen Abgabenlast. 25 Prozent zu senken. • Die meisten Mittelständler können Deutsche Betriebe zahlen viel schließlich nicht einfach ihren Firmen- Für deutsche Unternehmen kommt sitz in ein EU-Land mit niedrigeren Micha Knodt also einiges zusammen. Die effektive Steuern verlagern. Redakteur Gesamtsteuerlast für sie lag 2020 [email protected] laut der Wirtschaftsprüfungsgesell- Gesamtsteuerlast muss sinken schaft KPMG bei rund 30 Prozent. Der Die MIT fordert deswegen, die Steuer- Durchschnitt der OECD-Staaten liegt last für Unternehmen an das internati- bei rund 23 Prozent. Seit den 90er onale Niveau anzupassen. Die Körper- Jahren gibt es einen internationalen schaftsteuer soll von 15 auf 10 Prozent Trend hin zu einer geringeren Be- sinken. Der Soli soll vollständig abge- steuerung von Unternehmen. So lag schafft werden. Da die Energiepreise die durchschnittliche Steuerbelastung hierzulande durch die EEG-Umlage in der EU 1996 noch bei 38 Prozent. In verteuert und auf beides zusammen der EU sind es vor allem die kleineren Energie- und Umsatzsteuern erhoben Mitgliedsstaaten, die besonders nied- werden, ist auch da die Steuerlast be- rige Steuern erheben. Ungarn erhebt sonders hoch. Zwar können sich Un- beispielsweise nur neun Prozent, Bul- ternehmen, die in besonders energie- garien zehn. Frankreich lag lange vor intensiven Industrien tätig sind, von Deutschland. Bis 2018 wurden noch der Umlage befreien lassen. Davon 33,3 Prozent erhoben, seitdem wird der profitieren aber vor allem Konzerne. Satz kontinuierlich abgebaut (siehe „Die Steuerlast deutscher Unter- Grafik). Auch Deutschland folgt dem nehmen und Unternehmer ist im Trend der sinkenden Unternehmens- internationalen Vergleich zu hoch steuerbelastung. 1996 lag sie noch bei und wirkt gerade nach einer Krise

Foto: photoschmidt/adobe.Stock.com 58 Prozent, heute sind es rund 30 Pro- wachstumshemmend“, sagt Sebas-

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PRO & CONTRA Brauchen wir einen staatlich

festgelegten CO2-Preis? In dieser Rubrik­ lassen wir Mitglieder der MIT zu Wort kommen. Die Beiträge geben ihre persönliche Meinung wieder.

CO2-Preis schafft Verbindlichkeit

Ja, wir brauchen einen staatlich fest- Preises konterkarieren. Weil die weg- gelegten CO2-Preis – allerdings nur brechenden Steuereinnahmen größer zu Beginn. An der Bepreisung umwelt- wären als die eingesparten Subventio- schädlicher Emissionen führt kein Weg nen, müsste der Fehlbetrag über einen vorbei. Der Transfer der Kosten indus- höheren CO2-Preis ausgeglichen wer- trieller Umweltbelastungen auf die All- den. Daraus ergäbe sich ein dreifacher gemeinheit widerspricht dem Verursa- Vorteil. Erstens läge der nationale CO2- cherprinzip. Ein CO2-Preis schafft die Preis näher am europäischen CO2-Preis, nötige Verbindlichkeit auf dem Weg zu der nicht staatlich fixiert ist, sondern einem nachhaltigeren Wirtschaften. Für sich durch die Ausgabe von Emissions- uns bleibt nur die Frage: Etablieren wir mengen bildet. Zweitens würde sich die schnellstmöglich Marktmechanismen, Lenkungswirkung aus einem vorher- nach denen sich Unternehmen und sehbar steigenden CO2-Preis bereits Wirtschaft ausrichten können? kurzfristig verbessern. Und drit- Oder warten wir, bis ein zen- tens könnte der Staat langfris- tral gesteuertes Abgabere- tig die Bürger entlasten. Denn Dr. Heribert Hirte (62) ist Jura-Professor und CDU-Bundes- gime zum Erreichen der für PRO wenn die Steuern und Abgaben tagsabgeordneter aus Köln. Er en­ uns verbindlichen Umwelt- heute wegfallen, aber deren gagiert sich im Vorstand des Parla- ziele unausweichlich wird? Die Einnahmen über den CO2-Preis mentskreises Mittelstand (PKM) Antwort für die CDU ist aus mei- wieder hereingeholt werden sollen, der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. ner Sicht eindeutig. dann ist klar, dass spätestens 2050 diese Der Vorteil des Emissionshandels ist, Abgaben für den Bürger nicht mehr exis- dass wir die ausgestoßene Menge an tieren, weil kein CO2 mehr ausgestoßen CO2 genau kontrollieren können. Der wird. Bei einem heutigen Volumen von Übergang, nach der Einführungsphase 80 Milliarden Euro an Einnahmen könnte die Verschmutzungsrechte per Auktion das die größte Abgabenentlastung seit ersteigern zu müssen, ist bereits mit dem Jahren werden, selbst wenn sie dann teil- Klimaschutzpaket festgelegt. Der Preis weise gegenfinanziert werden müsste. bildet sich dann am Markt. Die Preisset- Ein kluger Umstieg, beginnend mit dem zung für CO2 darf keine abgeschottete nationalen CO2 Preis, wird mit dieser Maßnahme bleiben. Ich möchte, dass Idee letztendlich europäisch koordiniert wir Steuern und Subventionen abschaf- und überfordert weder Einkommens- fen, die die Lenkungswirkung des CO2- schwache noch die Wirtschaft. •

28 mittelstandsmagazin 02|21 MIT:DEBATTE MIT:DEBATTE

Seit Jahresbeginn wird in Deutschland ein Preis für Ihre Meinung zählt

CO2-Emissionen erhoben. Unternehmen, die Heizöl, Stimmen Sie mit ab auf der MIT-Web- Erdgas, Benzin oder Diesel auf den Markt bringen, seite! Unter www.mit-bund.de/ mitmachen/umfrage können Sie müssen dafür Rechte erwerben. In der Einführungs- Ihre Meinung zum aktuellen Pro und phase bis 2025 werden die Preise dafür staatlich Contra äußern. Über das Abstim- festgelegt. Ist der Ansatz richtig – oder braucht es mungsergebnis informieren wir im MIT:NEWSLETTER. Sollten Sie diesen­ eine konsequent marktwirtschaftliche Lösung? noch nicht erhalten, können Sie ihn unter www.mit-bund.de/newsletter kostenlos abonnieren.

Marktwirtschaftliche Lösung ist besser

Es gibt volkswirtschaftlich zwei Wege zur – deren Zahl und Umfang wächst. Eine CO2-Bepreisung: Das Preisinstrument globale Lösung für ein globales Problem arbeitet mit einem staatlich festgeleg- behebt nebenbei den Kardinalfehler ten Preis, die CO2-Reduzierung ist un- der nationalen Energiewende. Zusätz- sicher. Letztlich handelt es sich um eine lich kommt der Mengenansatz ohne die CO2-Steuer, was auch für den nationalen völlig ineffizienten milliardenschweren Emissionshandel gilt. Der zweite Weg ist Förderprogramme aus, die der Bundes- ein Mengeninstrument, das durch eine rechnungshof seit Jahren scharf kriti- festgelegte Menge an CO2-Emissionen siert. Unter dem strikten Klimaschutzziel das Klimaschutzziel garantiert, der Preis kann gleichzeitig die Marktwirtschaft hingegen schwankt. Warum ist der Men- mit all Ihren Vorteilen frei wirken. Der genansatz der richtige Weg? Emissionshandel ist in allen Belangen Der europäische Emissionshan- klar überlegen. del (Mengeninstrument) ist zual- Oft wird für einen staatlich lererst höchst erfolgreich und festgesetzten Preis das Argu- eine regionale und sektorale ment der Planungssicherheit Henry Borrmann (37) ist Mit- Ausdehnung wäre eine effizi- CONTRA vorgebracht. Das ist schlicht glied der MIT-Energiekommission. Er ente europäische Lösung. Die falsch. Spätestens in dem Mo- leitet beim Verband „Die Familien­ Studien, die das Bundesumwelt- ment, in dem die Steuer ihr Ziel unternehmer“ in Berlin die Politik­ ministerium zur CO2-Steuer hat nicht erreicht, wird an der Steuer- bereiche Energie und Bildung. anfertigen lassen, zeigen hingegen, dass schraube gedreht. Zudem geht die These auch ein staatlicher Preis von 180 Euro davon aus, dass die Akteure den künfti- im Jahr 2030 nicht ausreicht, um das gen Markt nicht antizipieren können. Ich Klimaschutzziel zu erreichen. Die CO2- bin der Auffassung, dass Unternehmer Steuer bremst Innovation und Unter- mit Unsicherheiten sehr gut umgehen nehmergeist. Wer CO2 ausstoßen muss, können und eher Chancen daraus kreie- der zahlt schlicht drauf. Im Emissions- ren. Sie brauchen keinen Staat, der sie an handel sind innovative Modelle aufgrund die Hand nimmt. der Handelsmöglichkeiten wertvoll und Letztlich muss man sich entscheiden: ermöglichen denjenigen, die nicht ein- Möchte man eine marktwirtschaftliche sparen können, das Überleben. Darüber Lösung, die Klimaschutz garantiert? hinaus ist eine weltweite Verzahnung Oder eine CO2-Steuer, die das nicht tut

Fotos: Koch, Tobias Anne Großmann Fotografie der mengenbasierten Systeme möglich und den Staatssäckel füllt? •

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Strategiewechsel EU-Check Neuausrichtung der Corona-Politik Irrwitzige Verordnung oder sinnvolle Richtlinie? In Der MIT-Bundesvorstand hat einen grundlegenden dieser Rubrik bewerten unsere EU-Experten des PKM Strategiewechsel im Corona-Management gefordert: Europe regelmäßig neue EU-Vorhaben. weg von der Fokussierung auf Inzidenzwerte hin zu einem evidenzbasierten Ansatz. Die Zahlen für schwere Verläufe müssten tagesaktuell analysiert Mit mehr Investitionen raus aus der Krise werden. Stärker berücksichtigt werden sollen darü- Das EU-Parlament hat mit dem InvestEU- ber hinaus Faktoren wie die Herkunft der Ansteckun- Programm den Weg geebnet, Investitionen in Europa langfristig anzukurbeln, den Auf- gen und die Altersstruktur. „Die Regierungen von schwung zu unterstützen und die Wirtschaft auf Bund und Ländern haben bei der Eindämmung von eine grüne, digitale und widerstandsfähige Zukunft vor- Corona an den entscheidenden Stellen, die in ihrer zubereiten. Deshalb haben wir uns im Ausgestaltungs­ Verantwortung liegen, nur unzureichende Ergeb- prozess auch für mehr Mittel eingesetzt und diese in den nisse vorzuweisen“, heißt es in dem Vorstands­ Verhandlungen erfolgreich durchgesetzt. Mit einem beschluss vom 26. März. Sämtliche staatliche Stellen Fokus auf Nachhaltigkeit, den Mittelstand und Innovation sollen mehr Tempo und Flexibilität beim Impfen ­ kann Europa dank der EU-Haushaltsgarantie von über und Testen an den Tag legen. Die andauernden 26 Milliarden Euro wichtige Anreize setzen. Schließungen müssen nach Auffassung der MIT Ausgleichszahlungen nach sich ziehen, die Kosten­ ersatz und Gewinnausfälle berücksichtigen. Bereits im Februar hatte die MIT gefordert, stärker Planwirtschaftliches Gebaren auf Schnelltests und digitale Tools zu setzen. Darü- Die EU-Kommission hat ihren Aktionsplan ber hinaus fasste der MIT-Vorstand Beschlüsse zum zur europäischen Säule sozialer Rechte vor­ Schutz des Hotel- und Gaststättengewerbes sowie gestellt. Leider entpuppt sich der Aktionsplan, zum Schutz des Einzelhandels in Innenstädten. obgleich wichtige Punkte wie Chancengleichheit, faire Arbeitsbedingungen und Sozialschutz adressierend, als Manifest planwirtschaftlicher Träumereien. Bis 2030 sollen die Mitgliedstaaten in den Bereichen Beschäfti- gung, Kompetenzen und Sozialschutz mittels fragwürdi- ger Indikatoren klare Ziele erreichen und in ein soziales Europa investieren. Umsetzten müssen dies allerdings am Kein Überbietungswettbewerb Ende wieder die kleinen und mittleren Unternehmen. beim Mindestlohn Damit Weiterbildung und Wohlstand gelingt, brauchen wir mehr Soziale Marktwirtschaft und keine planwirt- Die Union hat SPD-Plänen zur Erhöhung schaftsähnlichen sozialen Vorgaben. des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro eine Absage erteilt. „Die Lohnfindung Tarifautonomie ist Aufgabe der Tarifpartner“, sagte MIT- Chef und Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann. „Der Gesetzgeber hat bewusst Die Jury eine paritätisch besetzte Mindestlohnkom- Markus Ferber (CSU) und Dr. Markus mission eingesetzt, damit eben nicht Herr Pieper (CDU) sind Mitglieder Heil und Herr Scholz aus politischen des Europäischen Parlaments und Gründen an der Lohnschraube drehen.“ Die Sprecher des Parlamentskreises Union dürfe nicht in diesen politischen Mittelstand Europe Überbietungswettbewerb einsteigen.

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Steuerreform muss kommen

Die MIT dringt auf eine Steuerrechtsreform zu Auszeichnung Beginn der nächsten Legislaturperiode. In einem 10-Punkte-Konzept fordert der MIT-Vorstand die Absenkung der Gesamtsteuerlast für Unterneh- Hans-Joachim Watzke 10-Punkte-Plan men und eine vollständige Abschaffung des erhält Mittelstandspreis Solidaritätszuschlages. Ebenfalls soll die bereits auf Initiative der MIT verbesserte Verlustverrech- Die MIT zeichnet Hans-Joachim nung dauerhaft verbessert werden. Der Mittel- „Aki“ Watzke mit dem Deut- standsbauch soll abgeflacht werden und der schen Mittelstandspreis aus. Spitzensteuersatz später greifen. Der Arbeitneh- Der Geschäftsführer von Bo- merpauschbetrag soll von derzeit 1.000 auf russia Dortmund erhält den 2.000 Euro verdoppelt werden. Die 2020 neu Preis in der Kategorie Gesell- eingeführte Homeoffice-Pauschale soll beibehalten schaft. Die Laudatio wird der CDU-Vorsitzende werden. Zur Stärkung der Eigenkapitalquote im und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet halten. Mittelstand fordert die MIT eine deutlich verbes- Ebenfalls soll die „Kommunalpolitik“, vertreten serte Ausgestaltung der Thesaurierungsbegünsti- durch verschiedenen Kommunalpolitiker, mit dem gung. Die Gewerbesteuer soll zu einer Zuschlag- Mittelstandspreis der MIT ausgezeichnet werden steuer umgewandelt werden. Zudem fordert die (Kategorie Politik). Laudator wird Alt-Bundespräsi- MIT attraktivere Abschreibungsbedingungen, dent Christian Wulff sein. Den Preis in der Katego- eine Reform des Außensteuerrechts, eine globale rie Unternehmen erhält die mittelständische Höl- Steuerlösung für die Digitalwirtschaft, beschleu- scher Wasserbau GmbH. Die Laudatio hält die nigte Betriebsprüfungen sowie die Förderung Jury-Vorsitzende . Die Preisver- von privatem Wohneigentum bei der Grunder- leihung sollte im März stattfinden, wird pandemie- werbsteuer. bedingt jedoch im Jahresverlauf nachgeholt.

Nachruf

Trauer um Hans-Dieter Lehnen

Die MIT trauert um Hans-Dieter Lehnen. Der langjährige MIT-Hauptgeschäftsführer verstarb am 5. April im Alter von 75 Jahren. Zur MIT kam Lehnen 1984, als er zum Landes­ geschäftsführer der damaligen Wirtschaftsvereinigung der CDU Rheinland berufen wurde. An der Fusion der Wirt- schaftsvereinigung mit der Mittelstandsvereinigung zur heutigen MIT hatte er großen Anteil. 1996 wurde er Geschäftsführer, 1997 Hauptgeschäftsführer der MIT- Bundesgeschäftsstelle. Dieses Amt übte er bis zu seinem Ruhestand 2014 aus. „Die MIT verliert mit Hans-Dieter Lehnen einen engagierten Streiter für den Mittelstand und für die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft“, sagte MIT- Bundesvorsitzender Carsten Linnemann. Fotos: Stefan Grey, privat

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Mittelstandsmagazin in den Medien Kreisvorsitzende diskutieren mit Armin Laschet In einem soeben veröffentlichten Interview mit dem Magazin der Mittelstands- und Wirtschaftsunion feuert Laschet gleich eine Rund 200 Kreisvorsitzende und Funk- ganze Batterie an wirtschaftsfreundlichen Versprechen ab, vom tionsträger der MIT kamen im März zu Bürokratieabbau über das Festhalten an der sogenannten Schul- einer digitalen Kreisvorsitzendenkon- denbremse bis zum Verzicht auf Steuererhöhungen. Die Kanzlerin ferenz zusammen. Neben der Mitglie- kritisiert er zwar nicht namentlich, aber doch deutlich. Auf die derentwicklung ging es vor allem um Frage, ob er sich Merkels Aussage zu eigen machen würde, dass in Konferenz Digitale die derzeit schwachen Umfragewerte der Corona-Politik „im Großen und Ganzen nichts schiefgelaufen“ für die Union. Als Gast schaltete sich sei, sagt Laschet: „Besser wäre es gewesen, wenn wir auch schnel- der CDU-Vorsitzende Armin Laschet ler eine Menge Impfstoff mehr gehabt hätten.“ zu. Er stellte sich eine Stunde lang Neue Zürcher Zeitung, 19. Februar den Fragen und Standpunkten der MIT-Mitglieder. Einigkeit bestand vor allem darin, dass das Corona-Manage- Armin Laschet ist viel in Landes- und Kreisverbänden unterwegs, ment der Bundesregierung besser manchmal vor Ort, zumeist per Onlineschalte. Er gibt dem „Mit- werden müsse und dass Staat und Ver- telstandsMagazin“, dem Organ des wichtigen Wirtschaftsflügels waltung effektiver, schlanker und digi- in seiner Partei, ein Interview zum Bürokratieabbau als Kern- taler werden müssen. thema im Wahlkampf. dpa, 22. Februar

Für Laschet führt der Weg zur Kanzlerkandidatur über die Einheit der Partei und deshalb über die Anhänger von Friedrich Merz, sei- Klagerechte nen einstigen Rivalen im Kampf um den CDU-Vorsitz. So ist es nicht verwunderlich, dass Laschet sein bisher wichtigstes Inter- view als neuer Parteichef nicht dem Fernsehen oder einer großen Planverfahren nicht Tageszeitung gab, sondern dem „Mittelstandsmagazin“, der Zeit- in die Länge ziehen schrift der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT). Rund 100 000 wirtschaftsliberale Leserinnen und Leser erreicht das Maga- Die MIT fordert eine EU-Initiative zur zin. Ein Nischenprodukt, für einen CDU-Chef ist es allerdings eine Beschränkung der Klagerechte für Art Leitmedium. Laschet lobt in dem Interview Ludwig Erhard Umweltverbände. „Wir wollen weiter- und Friedrich Merz, bekennt sich zum Bürokratieabbau und ver- hin Bürger- und Umweltbelange in Pla- spricht, es solle keine Steuererhöhungen geben. Das Interview ist nungsverfahren berücksichtigen. Aber eine Art Liebeserklärung an das Merz-Lager. dies muss so geschehen, dass es nicht zu deutlichen Verzögerungen führt“, Focus, 27. Februar sagt MIT-Chef Carsten Linnemann. Planungsverfahren dürften nicht länger „Zu teuer, die Strukturen veraltet, der Aufgabenzuschnitt über- durch Verbandsklagen unnötig in die holt", schreibt das „MittelstandsMagazin“ der Union gleich im Länge gezogen werden. „Da bedarf es ersten Satz seiner Zusammenfassung des Reformkonzepts- und auch auf europäischer Ebene dringender benennt damit Probleme, die selbst den meisten Menschen in Änderungen.“ Auch NRW-Verkehrsmi- den Sendern längst bewusst sind. Der viel kontroversere, weil nister Hendrik Wüst sieht das aktuelle schwer quantifizierbare Vorwurf, ARD und ZDF würden außerdem Klagerecht kritisch: „Wir müssen es nicht mehr ausgewogen berichten, folgt im Text gleich als nächs- schaffen, den Ausgleich von Eingriffen tes, hat aber nun den Vorteil, flankiert von den anderen, tatsäch- in die Umwelt und in die Rechte der lich stichhaltigen Argumenten in eine Medienlandschaft loszuzie- betroffenen Bürger schneller hinzukrie- hen, in der sich viele Menschen in denen letzten Jahren genug gen“, so der MIT-Landesvorsitzende. scheinbar legitime Gründe gesucht habe, von den Öffentlich-

Rechtlichen enttäuscht zu sein. Fotos: MIT Übermedien, 2. März

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Kreisvorsitzende diskutieren mit Armin Laschet

Ordnungspolitik Prävention in der Geschäftsstelle

Die MIT-Bundesgeschäftsstelle hat frühzeitig auf die Corona- MIT verabschiedet Pandemie reagiert und allen Mitarbeitern Homeoffice- Rundfunk-Reformkonzept Lösungen angeboten. Ebenso erhalten die Mitarbeiter ebenso wie alle Besucher kostenlose medizinische Masken. Es wird im Die MIT hat Mitte März ein umfassendes Schichtbetrieb gearbeitet, sodass Doppelschreibtische maximal Reformkonzept für den öffentlich-rechtli- einzeln besetzt sind. Im Regelfall arbeiten höchstens vier chen Rundfunk (ÖRR) beschlossen. Ein Mitarbeiter gleichzeitig in der rund 320 Quadratmeter großen Vorabbericht zum Entwurf erschien bereits Corona-Schnelltests Geschäftsstelle. In allen Bereichen gelten Abstandsregeln. in der Ausgabe 1-2021 („Zu groß, zu teuer, Jenseits des eigenen Schreibtisches gilt Maskenpflicht. Sämt­ zu unausgewogen“). Der Beschluss sieht liche Sitzungen, auch interne Teambesprechungen, finden als vor, den ÖRR einer Aufgaben- und Struk- Videokonferenzen statt. Seit Mitte März dieses Jahres werden turkritik zu unterziehen und Mehrfach- alle Mitarbeiter zweimal pro Woche mit Schnelltests getestet. strukturen zu reduzieren. Zugleich setzt Dies gilt auch für alle Gäste, die sich länger als 15 Minuten in sich die MIT für eine Stärkung des Informa- der Geschäftsstelle aufhalten. tions-, Bildungs- und Kulturangebots ein, unter anderem mit mehr Korrespondenten im In- und Ausland, einer Ausweitung der Regionalberichterstattung, mehr Doku- mentationen und zusätzlichen Live-Über- tragungen. Unter dem Strich erwartet die MIT durch die Reform Entlastungen für die Beitragszahler. Das Konzept war in einein- halb Jahren in sechs Werkstattgesprächen von Wettbewerbsökonomen und Medien- Fotos: MIT experten entwickelt worden.

32 mittelstandsmagazin 02|21 mittelstandsmagazin 02|21 33 MIT:INSIDE „Ich bin neu in der MIT, weil …

… die Startups von heute der Mittel- … ich die regionale Wirtschaft stärken … weil der deutsche Mittelstand die stand von morgen werden müssen." möchte. Dabei gehe ich auch unkonven- Grundlage unseres Wohlstandes ist tionelle Wege.“ und ich mich in meinem Job als Wirtschaftsförderin täglich dafür einsetze.“

Aimie-Sarah Carstensen Hans Jürgen Thomsen Sarah Harden Gründerin und Geschäftsführerin, Selbstständiger Gastronom, Wirtschaftsförderin, MIT Berlin-Mitte MIT Nordfriesland MIT Mettmann

Aimie-Sarah Carstensen (32) ist Grün- Hans Jürgen Thomsen (42) ist Gas- Sarah Harden (26) ist studierte Geo- derin von ArtNight, einem jungen tronom aus Leidenschaft. Als 1990 graphin und leitet die Abteilung für Unternehmen, das kreative Menschen seine Eltern das „Hotel zur Treene“ Wirtschaftsförderung in ihrer Hei- über Workshops zusammenbringen in dritter Generation übernahmen, matstadt Erkrath im Kreis Mettmann. will. Nach ihrem Studium der Betriebs- wurde er gleich mit eingespannt. So Dort kümmert sie sich täglich um die wirtschaftslehre an der Dualen Hoch- entschied er sich, zunächst eine Kon- Belange der kleinen und mittleren schule Baden-Württemberg (DHBW) ditorausbildung bei der Firma Niede- Unternehmen. Besonders gefällt ihr Neumitglieder in Mannheim sammelte sie zunächst regger in Lübeck und im Anschluss der direkte Austausch mit dem Ziel, Erfahrungen in Unternehmen wie eine Kochausbildung im Hotel „Altes schnelle und pragmatische Lösungen Canon, Bertelsmann und Axel Sprin- Gymnasium“ in Husum zu absolvie- für die Probleme vor Ort zu finden. ger. Aus einem Veranstaltungskonzept ren. Im Jahr 2007 übernahm er den Seit 2018 ist sie Mitglied im Bundes- für Malkurse wuchs dann das Unter- elterlichen Betrieb. In diesem Jahr vorstand der Jungen Union und leitet haltungsunternehmen Realtainment. darf er das 100. Jubiläum des Fami- die Kommission für Klima, Umwelt Mit ArtNight trat Carstensen 2017 lienbetriebs feiern. Insofern scheint und Energie. Dort setzt sie sich für in der Vox-Sendung „Die Höhle der es verständlich, dass er sich die alte eine pragmatische und ideologiefreie Löwen“ auf. Sie erhielt mehrere Aus- Normalität mit Hochzeits- und Ge- Umweltpolitik ein, die nicht gegen, zeichnungen, unter anderem listete sie burtstagsfeiern sehnlichst zurück- sondern mit der Wirtschaft umge- die Zeitschrift Capital in der Auswahl wünscht. Seinen Optimismus und setzt werden kann. Zudem ist Harden „Top 40 unter 40“ auf. Neben ihrer seine Kreativität will er sich trotz der Geschäftsführerin der CDU Erkrath, Tätigkeit als Geschäftsführerin enga- Pandemie bewahren. Besonders am sachkundige Bürgerin im Kreistag giert sich Carstensen auch als Mento- Herzen liegen ihm die Verwendung Mettmann und Mitglied im Bundes- rin für Gründerinnen und in verschie- von regionalen Produkten und die fachausschuss Umwelt und Landwirt-

denen Startup-Organisationen. Nachhaltigkeit der Produkte. schaft der CDU Deutschlands. Deutschmann Farina Foto:

Die MIT ist mit rund 25.000 Mitgliedern der stärkste und einflussreichste parteipolitische Wirtschaftsverband inDeutschland.­ In unserer Vereinigung ist jeder willkommen, der die ordnungspolitischen Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft schätzt. In dieser Rubrik stellen wir mit jeder Ausgabe drei unserer Neumitglieder vor. Mehr Infos zur Mitgliedschaft: www.mit-bund.de/mitgliedschaft

34 mittelstandsmagazin 02|21 MIT:INSIDE MIT:INSIDE Zuwachs Mitgliederstatistik NEU Mitglieder Die fünf größten MIT/MU-Kreisverbände (31.03.2021)

Vechta Paderborn Fulda Rhein- Meppen (Niedersachsen) (Nordrhein-Westfalen) (Hessen) Kreis-Neuss (Niedersachsen) 851 579 574 (Nordrhein-Westfalen) 389 Mitglieder 420 Mitglieder Mitglieder Mitglieder Mitglieder Kreisvorsitz: Kreisvorsitz: Kreisvorsitz: Kreisvorsitz: Reinhard Winter Kreisvorsitz: Jürgen Diener Stefan Arcularius Werner Lübbe Ulrich Lange

Verbände mit dem größten relativen Zuwachs +56 % (31.01.2021 – 31.03.2021)

+ % + % 20 20 +19 % + 15 %

Gera Spree-Neiße Altenburger Minden-Lübbecke Nordfriesland (Thüringen) (Brandenburg) Land (Nordrhein-Westfalen) (Schleswig-Holstein) Kreisvorsitz: Kreisvorsitz: (Thüringen) Kreisvorsitz: Kreisvorsitz: Kerstin Püschmann derzeit unbesetzt Kreisvorsitz: Reinhard Vollhey Thomas Holst Christian Gumprecht

Verbände mit dem größten absoluten Zuwachs (31.01.2021 – 31.03.2021) 5 8 Neumitglieder Neumitglieder 4 5 Neumitglieder

Foto: Farina Deutschmann Farina Foto: Neumitglieder Wolfenbüttel 4 Wilhelmshaven- (Niedersachsen) Neumitglieder Friesland Hannover-Land (Niedersachsen) Gera Kreisvorsitz: (Niedersachsen) (Thüringen) Holger Bormann Hamburg-Nord Kreisvorsitz: (Hamburg) Kreisvorsitz: Olaf Werner Kreisvorsitz: Sven Jagata Kerstin Püschmann Kreisvorsitz: Dr. Antonia-Katharina Goldner

34 mittelstandsmagazin 02|21 Wir packen viel. Aber nicht noch mehr Bürokratie.

Ohne Industrie kein Wohlstand.