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Hommage à (1928–2017) »Ich weiß, ich bin schrecklich«, sagte sie in beim Abendessen nach einem Interview, nachdem sie beim Kellner mit ihrer vom Rauchen verwüsteten Waldhexen- stimme eine »etwas beeindruckendere Käseauswahl« gefordert hatte. Man fühlte sich wie im Kino, war be- geistert von der Eleganz und Klugheit und Leidenschaft, mit der Jeanne Moreau weitersprach, über das Spielen, Dreharbeiten zu LUMIÈRE das Darstellen, den Auftritt auf der Leinwand und im Leben. »Aber oft bringt es etwas, schrecklich zu sein«, sagte sie mit einem Lächeln. Jenem Lächeln, mit dem sie sieben Jahrzehnte durch die Kinogeschichte ge- wandelt ist und das sie auf der Leinwand in eine mal amüsierte, mal verächtliche, mal gelangweilte, stets neben sich stehende Welthaltung verwandelte. Es ist dieses rätselhafte, nach innen weisende Lächeln, das Jules und Jim in François Truffauts gleichnamigem Film erst auf dem Antlitz einer Büste entdecken und dann auf dem Gesicht der von beiden leidenschaftlich geliebten Catherine. Später wird sie bei Truffaut in LA MARIÉE ÉTAIT EN NOIR (DIE BRAUT TRUG SCHWARZ, 1968) zum Racheengel, der mit einem auffordernden Lächeln die Mörder ihres Bräutigams verführt und da- bei ihrer Schuld überführt. In Tony Richardsons Film MADEMOISELLE (1966) zerquetscht Moreau in ihrer wohl eigenwilligsten Rolle ein Vogelnest samt Eiern, zerstört dann ein Dorf und ihren Geliebten – mit dem Jeanne Moreau kaum merklichen Lächeln einer Frau, die weiß, dass L'ÉCHAFAUD (FAHRSTUHL ZUM SCHAFOTT, 1958) zu 51 das Leben an ihr vorübergezogen ist, und die dennoch Miles Davis’ existenzialistischen Klängen durch die Pa- ihre Spuren hinterlassen will. riser Nacht läuft, achtlos zwischen heranschnellenden Über all diesen Facetten ihres Lächelns schwebte Autos die Boulevards überquerend. Mit diesem Film stets ihr ureigenes Lächeln einer verzogenen Göre, das noir wurde Jeanne Moreau, längst eine gefeierte Thea- sie sich bis ins hohe Alter bewahrte. Und gerne koket- terschauspielerin, zum Kinostar. Vor allem aber brachte tierte sie mit ihrer eigenen Verzogenheit, obwohl sie ei- er ihre unberechenbare Weiblichkeit in die Nouvelle gentlich ein zutiefst liebenswürdiger Mensch war. Eine Vague. In der Rolle der Ehebrecherin Carala mit ihrer Stadt verwurzelte Pariserin. Tochter einer eng- durchläuft sie in dieser einen Nacht die Höhen und lischen Folies-Bergère-Tänzerin und eines Bistrobesit- Tiefen eines mörderischen Liebeskomplotts, doch nie zers am Montmartre, die ihre Schauspielkarriere gegen weiß man, was hinter ihrer hohen, blassen Stirn vor- den Willen ihres Vaters begann. Den Kampf gegen die- geht. Alle ihre Kinofiguren besitzen diese Offenheit und sen Widerstand hat sie einmal als Grundimpuls ihrer Unberechenbarkeit, nie lässt sich ihr nächster Schritt Kunst beschrieben. oder Gedanke erahnen. Das macht sie so herausfor- Es war ihr instinktives Interesse an der wirklichen, dernd anziehend wie gefährlich, hinreißend und auf fa- der ontologischen Verzogenheit des Menschen, das tale Weise mitreißend. Tatsächlich hat wohl kaum eine sie schon als gefeierte Nachwuchsschauspielerin dazu Schauspielerin auf der Leinwand mehr Männer in den brachte, ihre Attraktivität in etwas anderes, Verstören- Tod gerissen als Jeanne Moreau. des zu überführen. Da ist die bereits in jungen Jahren Es war Luis Buñuel, der die gefährliche Göre 1964 in leicht erschöpft wirkende Physis, da sind die wie vom seinen Kosmos überführte und ihr Spiel auf eine weite- Lebensüberdruss nach unten weisenden Mundwinkel. re, faszinierende, geradezu abstrakte Ebene brachte. In Da ist dieses unbeteiligte Verhältnis zu ihrem lasziven LE JOURNAL D'UNE FEMME DE CHAMBRE (TAGEBUCH Körper, der in Louis Malles Film ASCENSEUR POUR EINER KAMMERZOFE, 1964) kommt das Hausmäd- chen Célestine aus Paris in die französische Provinz Man muss sich nur anschauen, wie sie in Rainer Wer- und findet sich in einer Gesellschaft brutaler, perverser ner Fassbinders (1982) als eine Mischung Männer wieder. Moreaus Zofe wirkt wie eine Forsche- aus Sphinx und Bordellchefin erscheint. Mit einem rin, die mal interessiert, mal gähnend die Verbrechen, desillusionierten Gesangsauftritt, der auch zum Kom- Niedrigkeiten und fetischistischen Leidenschaften um mentar ihrer Leinwandheldinnen wird: »Each man kills sich herum betrachtet. Ihrer eigenen Erotik gegenüber the thing he loves.« Oder wie eindrücklich und zugleich scheint sie völlig gleichgültig, ist zugleich Frau, Phan- zurückhaltend sie ’ Film UNTIL THE END tasma und pures Kinowesen. Jeanne Moreau, übrigens OF THE WORLD (BIS ANS ENDE DER WELT, 1991) in auch eine leidenschaftliche Bücherverschlingerin, ver- Besitz nimmt: als blinde Frau, der ein Bildergedächtnis fasste 2008 anlässlich der Retrospektive der Berlinale eingepflanzt werden soll – man sieht ihr einfach die einen feinsinnigen Essay über Luis Buñuel, und das, Sehnsucht nach dem Sehen an. was sie über Célestine schreibt, scheint im Rückblick Bei dem erwähnten Abendessen in Paris (die Kä- prototypisch für viele ihrer Figuren zu sein: »Für mich seauswahl wurde tatsächlich noch beeindruckend) liegt das Anstößige, im besten Sinne Schockierende sprach Jeanne Moreau an die Reporterin eine Einla- von Buñuels Filmen in der Selbstverständlichkeit, mit dung aus, zu ihrem späten Lebens- und Herzenspro- der er von Lüsten, sexuellen Impulsen und Abgrün- jekt: einem alljährlich im Sommer stattfindenden, von den erzählt, indem er sie in einen völlig unpsycholo- ihr initiierten und geleiteten Seminar mit jungen Regie- gischen Rahmen überführt. (...) So frei und neugierig, anwärtern. Noch als weit über Achtzigjährige liebte sie wie dieses Dienstmädchen eine Entdeckungsreise in es, im südwestlich von Paris gelegenen Angers junge die Perversion eines anderen Menschen unternimmt, Filmemacher mit erfahrenen Regisseuren, Kameraleu- blickt Buñuel auf die Perversionen aller seiner Figuren. ten, Drehbuchautoren, Schauspielern zusammenzu- Daraus spricht nicht nur sein antibürgerlicher Impuls, bringen, den Austausch der Jüngeren untereinander zu sondern eine tiefe Einsicht in die Wahrheit und Notwen- fördern – und natürlich sich selbst dabei zu amüsieren, digkeit menschlicher Phantasmen und Obsessionen.« mit wechselnden Riesensonnenbrillen und in eleganten Jeanne Moreau war die kluge Verkörperung der Ensembles. Phantasmen, die komplizenhafte Verbündete der Ob- »Wir können euch nichts beibringen«, sagte sie sessionen ihrer Regisseure. Gerade weil sich keine ihren Zöglingen bei einem dieser Seminare vor etwa

Jeanne Moreau ihrer Figuren auf einen realistischen Rest reduzieren neun Jahren, »aber wir können euch helfen, klarer zu 52 lässt, scheinen sie alle aus ihrer Geschichte herauszu- sagen, was ihr wollt.« Auf einem Kinoset, sagte Moreau, treten, aus dem Film in die Filmgeschichte zu wandeln. sei es wichtig, dass alle am selben Film arbeiten. Daher LA MARIÉE ÉTAIT EN NOIR LA MARIÉE ÉTAIT müsse man als Regisseur zunächst mal in der Lage sein, sich verständlich zu machen, eine Vision zu trans- portieren. Man könnte von einer Kinoschule des klaren Ausdrucks für die kommende Generation sprechen. Natürlich waren in jenen Tagen in Angers noch andere Regisseure anwesend. Oder vielmehr ihre Ge- spenster. Sie waren da, weil eine große Schauspielerin von ihnen erzählte und mit ihren Erinnerungen und Begegnungen lebte. , von dessen osmo- tischem, wortlosem Umgang mit Schauspielern sie endlos schwärmen konnte. Buñuel natürlich. Oder auch , für dessen Film (DIE NACHT, 1961) sie nie bezahlt worden sei. »Ich ging und ging und ging in diesem Film. Heute kommt mir gelo beim Tanz haben nichts mehr mit der Unbeholfen- die ganze Geherei ein bisschen albern vor.« Nie waren heit des Ausdrucks gemein, die Jeanne Moreau noch in Moreaus Erinnerungen nostalgisch. Im Gegenteil, man MEURTRES zeigte. lehrte Jeanne Moreau, hatte das Gefühl, dass ihr heiterer Sarkasmus sie vor die die großen Gesten des Theaters beherrschte, die jeglicher Sentimentalität bewahrte (» sah kleinen Gesten des Films, die die Größe ausmachen.« mich während der Dreharbeiten zu LA NOTTE mit dem (Gabriele Lauermann) Arsch nicht an!«).  Freitag, 30. November 2018, 21.00 Uhr Von jenen Tagen mit Jeanne Moreau in Angers nah- men neun junge Regisseure und Regisseurinnen und Ascenseur pour l'échafaud (Fahrstuhl zum Scha- die Reporterin viel mit nach Hause. Etwa die Erkennt- fott) | Frankreich 1958 | R: | B: Roger Ni- nis, dass die große Göre des französischen Kinos sich mier, Louis Malle, nach dem Roman von Noël Calef | nichts und niemandem unterwarf, außer der Tatsache, K: Henri Decaë | M: Miles Davis | D: Jeanne Moreau, dass um 18 Uhr der Aperitif getrunken wird – gerne , , Yori Bertin, Jean Rotwein mit Eiswürfeln. Dass Kino mit Besessenheit, Wall, , Ivan Petrovich | 91 min | OmU |

Leidenschaft und Begeisterung zu tun hat. Aber auch »Vier Bewegungen, vier Linien, die zwangsläufig aufei- Jeanne Moreau mit Präzision, Autorität und Pünktlichkeit. Dass man die nander zuführen. Julien im Fahrstuhl, die Geliebte auf 53 Dinge nicht nur auf einem Filmset beim Namen nennen den nächtlichen Straßen, das Paar auf der Flucht, die sollte. Und dass die Welt um einiges leichter zu ertra- Polizei auf der Suche. Dazu der unterkühlte Schmerz gen ist, wenn man sich ein bisschen Stilgefühl bewahrt. von Miles Davis' Trompete. Und die Kamera sucht ver- Katja Nicodemus, Die Zeit 32/2017 zweifelt nach Momenten, in denen sie verharren kann, nach Augenblicken, die sich dem zwingenden Fluss der (Wenn es Nacht wird in Pa- Geschichte widersetzen. Unter den Filmen Louis Mal- ris) | Frankreich 1954 | R: | B: Albert les ist dies der beklemmendste, weil er ein Netz aus Simonin, Jacques Becker | K: Pierre Montazel | M: Jean Blicken spinnt, die alle ins Leere gehen. Das Gesicht Wiener | D: Jean Gabin, René Dary, Michel Jourdan, von Jeanne Moreau erzählt die ganze Geschichte als Jeanne Moreau, Lino Ventura | 96 min | OmU | Ein Film Dialog mit einem abwesenden Geliebten. Ihr Gang auf noir über die Freundschaft zwischen den alternden den regennassen Straßen, ihre Haltung in den neon- Gangstern Max (Jean Gabin) und Riton (René Dary), die grellen Cafés, ihre tragisch geschwungenen Züge im von ihrem Konkurrenten Angelo hereingelegt werden, Licht der fernen Schaufensterauslagen, das wirkt wie woran die Nachtclubtänzerin Josy (Jeanne Moreau) die Idee einer Frau, zusammengesetzt aus Linien, For- Schuld hat. »Jeanne Moreau hätte keinen besseren men und Bewegungen, die traumverloren ihren Platz in Lehrmeister finden können, Jean Gabin keine geleh- dieser Tragödie suchen.« (Michael Althen) rigere Schülerin. Bereits in TOUCHEZ PAS AU GRISBI  Samstag, 1. Dezember 2018, 21.00 Uhr kann man den Einfluss des älteren Profis auf die jün- gere Anfängerin erkennen: Ihre Bewegungen haben an Les amants (Die Liebenden) | Frankreich 1958 | R: Präzision gewonnen. Das trotzige, schuldbewusste und Louis Malle | B: Louis Malle, Louise Lévêque de Vilmo- ängstliche Zurückweichen vor Max, der wissen will, rin, nach dem Roman »Point de lendemain« von Vivant was Angelo mit Riton angestellt hat, die Hingabe an An- Denon | K: Henri Decaë | D: Jeanne Moreau, Alain Cuny, LES AMANTS

José-Louis de Villalonga, Judith Magre, Jean-Marc dort den jungen Fabrikarbeiter Chauvin kennen, mit dem Bory, | 92 min | OmU | Eine eingefahrene Ehe auf dem sich bald eine Liebesbeziehung entwickelt. Auch beginnt Land oder das verheißungsvolle Leben in der Stadt? sie immer mehr, sich mit der unbekannten Ermordeten Jeanne Moreau ist die gelangweilte Ehefrau eines Ver- zu identifizieren. Ein Film fast ohne äußeres Geschehen, legers, die versucht, mit regelmäßigen Besuchen bei aber reich an bildhafter Poesie, in dem für die Auto- ihrer Freundin Maggy in Paris ihrer inneren Leere zu rin Duras und den »literarischen Film« bezeichnenden entkommen. Erst ein Außenseiter, der Student Bernard, Kunststil. Während der Dreharbeiten entstand eine le- sieht hinter die Masken der High Society und wird für benslange Freundschaft zwischen Moreau und Duras. Jeanne zum Funken der Veränderung. Durch seine Dar-  Freitag, 7. Dezember 2018, 21.00 Uhr  Dienstag, stellung des Ehebruchs und die Betonung der »wahren« 11. Dezember 2018, 18.30 Uhr Liebe, die alle Konventionen sprengt, galt der Film bei

Jeanne Moreau seinem Erscheinen als Skandal. »Es gibt vor allem das La notte (Die Nacht) | Italien 1961 | R: Michelange- 54 Spiel der großartigen Jeanne Moreau. Sie hat, auch lo Antonioni | B: Michelangelo Antonioni, Ennio Flaiano, wenn ihr Heikelstes aufgetragen wird, eine heimliche, | K: Gianni Di Venanzo | M: Giorgio Gaslini keusche Intensität des Herzens, die noch das Schwie- | D: Jeanne Moreau, , Monica Vitti, rigste vertretbar, das Heimlichste zeigbar macht. Sie Bernhard Wicki, Rosy Mazzacurati, Maria Pia Luzi | 122 leistet ein Stück erfüllter Schauspielerei, dessen man min | OmeU | 24 Stunden im Leben eines Paares, das gedenken wird.« (Friedrich Luft) gefangen ist in existenzieller Einsamkeit und Sprachlo-  Sonntag, 2. Dezember 2018, 21.00 Uhr  Dienstag, sigkeit: Jeanne Moreau und Marcello Mastroianni um- 4. Dezember 2018, 18.30 Uhr kreisen sich und das Nichts, das ihre Beziehung ausge- höhlt hat. Schauplatz ist Mailand, das Antonioni als kalte (Stunden voller Zärtlichkeit) | Stadt aus Glas, Stahl und Beton inszeniert. Die äußere Frankreich 1960 | R: | B: , Handlung ist bloßes Gerüst: Es geht um Gesten, Blicke, Gérard Jarlot, Peter Brook, nach dem Roman von Mar- Atmosphären, um abwesende Gefühle, eingefroren in guerite Duras | K: Armand Thirard | M: Antonio Diabelli Bildern von tödlicher Perfektion. »Das Ganze könnte von | D: Jeanne Moreau, Jean-Paul Belmondo, Pascale de entsetzlicher Langeweile sein, wenn es nicht durch die Boysson, Jean Deschamps, Didier Haudepin | 91 min | großartige, die leichten Zuckungen der Verzweiflung OmU | Ähnlich wie in LES AMANTS spielt Jeanne Mo- analytisch herausarbeitende Regie und durch die herrli- reau in Peter Brooks Drama eine reiche, aber einsame che Jeanne Moreau zu einer Offenbarung menschlicher Ehefrau und Mutter in einer Kleinstadt, Anne. Ihre einzi- Verlorenheit würde. Der Film fließt nahtlos dahin und ist ge Abwechslung besteht darin, ihren Sohn zum Klavier- doch gleichzeitig ein Akt der Vivisektion eines Ehepaa- unterricht zu begleiten. Das Ehepaar lebt in emotionaler res, wie man ihn in solchem Detail kaum je erlebt hat.« Distanz. Dann wird in einem Bistro neben der Musik- (Manfred George) schule ein Mord an einer jungen Frau verübt. Anne  Samstag, 8. Dezember 2018, 21.00 Uhr  Dienstag, gesellt sich fasziniert zu den Schaulustigen und lernt 18. Dezember 2018, 18.30 Uhr Jules et Jim (Jules und Jim) | Frankreich 1962 | R: Orson Welles, Elsa Martinelli, , Madelei- François Truffaut | B: François Truffaut, Jean Gruault, ne Robinson, Max Haufler | 118 min | engl. OmU | Der nach dem Roman von Henri-Pierre Roché | K: Raoul Angestellte Josef K. wird eines Tages verhaftet. Sein Coutard | M: Georges Delerue | K: | M: Ge- Prozess schleppt sich dahin, ohne dass der Angeklagte orges Delerue | D: Jeanne Moreau, Oskar Werner, Henri über Sitz, Funktion und Absicht des Gerichts Genau- Serre, Vanna Urbino, Serge Rezvani | 105 min | OmU | eres erfährt. Jeanne Moreau spielt Fräulein Bürstner, Jules liebt Catherine, Jim liebt Catherine, und Catherine die Zimmernachbarin von K., die im Morgengrauen von liebt sie beide. Catherine ist das Bindeglied zwischen ihrer Arbeit als Stripteasetänzerin nach Hause kommt. den Freunden, die durch den Ersten Weltkrieg aufgrund »Bei dieser nur einige Minuten dauernden Sequenz ihrer Nationalitäten eigentlich zu Feinden werden sollten. ging es darum, äußerst kapriziöse und schnell wech- »JULES ET JIM sah ich damals als die Chance meines selnde Stimmungen zu zeigen: Eben noch betrunken, Lebens. Als Chance, der ›Star‹-Rolle zu entkommen, abgespannt und lasziv, wird sie plötzlich ihrem Partner dem stereotypisierten Kinostil – vollendet geschminkt gegenüber aggressiv, und sobald er ihr von seiner Ver- und wohlfrisiert. Auf einmal drehten wir in den Straßen, haftung erzählt, schickt sie ihn, von heftiger und un- mit wenig Maske und in Kostümen, die wir uns selber gerecht erscheinender Wut gepackt, zum Teufel. Auf ausgesucht haben. Plötzlich war natürliches Aussehen einzigartige Weise erinnert diese Rolle an die der EVA, gefragt. Ich spürte, wenn ich mich vor der Kamera entfal- und man behält ein stark geschminktes Gesicht, eine ten und Freude an meiner Arbeit haben konnte, dann auf kreischende Stimme und einen Körper im Gedächtnis, diese Weise. Truffaut faszinierten die Rituale des Alltags mit dem sie jede Minute spielt.« (Jean-Claude Moireau) und das Mysterium des Weiblichen. Durch mich lernte  Samstag, 15. Dezember 2018, 21.00 Uhr François eine Menge über Frauen, und ich lernte durch ihn eine Menge über Film.« (Jeanne Moreau) La baie des anges (Die blonde Sünderin) | Frank-  Sonntag, 9. Dezember 2018, 21.00 Uhr  Dienstag, reich 1963 | R+B: | K: Jean Rabier | M: 15. Januar 2019, 18.30 Uhr Michel Legrand D: Jeanne Moreau, Claude Mann, Paul Guers, Henri Nassiet, André Certes | 90 min | OmeU | Eva | Frankreich 1962 | R: | B: Hugo Butler, Gleich bei seinem ersten Roulettespiel gewinnt der ge- Evan Jones, nach dem Roman von James Hadley Chase wissenhafte Bankangestellte Jean Fournier ein kleines

| K: Gianni di Venanzo | M: Michel Legrand | D: Jean- Vermögen. Er beschließt, seinen Jahresurlaub an der Jeanne Moreau ne Moreau, , Giorgio Albertazzi, , Côte d’Azur zu verbringen. Im Casino in Nizza lernt er 55 Checco Rissone | 118 min | engl. OF | Jeanne Moreau als die schöne Jackie kennen, die für ihre Spielleidenschaft Edelprostituierte, die in Rom und Venedig dem falschen Ehe und Kind aufgegeben hat. Gemeinsam ziehen sie Bestsellerautor Tyvian Jones zum Schicksal wird und ihn von Spieltisch zu Spieltisch, Jean verfällt Jackie und sich hörig macht. »Sie spiele weniger als dass sie sich dem Spiel gleichermaßen. »Jackie, die blonde Sün- verhalte, hat Losey von ihr gesagt, ›aber sie verhält sich derin, ist eine Frau mit platiniertem Haar, auffallenden in paradoxen, dem Leben entliehenen Situationen genau Kleidern und Pelzen, einem ausgemergelten Gesicht, richtig, und man muss sie dann filmen, als geschehe von Leidenschaft wahrscheinlich, und kein Spielca- alles in Wirklichkeit. Das Wunder ihres Spiels ist vor allem sino von Enghien bis Monte Carlo ist ihr unbekannt. das einer Frau, die sich einer Unzahl von Hindernissen Um spielen zu können, tut sie alles: Sie hat Mann und gegenüber sieht und sie überwindet, indem sie alle ihre Kind verlassen, sie konvertiert in Geld, was immer sich Fähigkeiten einsetzt.‹ Es gehört zu den Geheimnissen ihr bietet, sie lügt und betrügt. Jackie ist nicht nur ein von EVA, dass diese Eva, die wie eine Geisha trippeln, schlechtes Abziehbild einer Jahrhundertwendeaben- wie eine billige Hure keifen und wie eine Grande Dame teuerin. Gemessen an ihrer Umwelt ist Jackie eine schreiten kann, nicht als Monster erscheint, sondern als Freie, auch wenn sie sich veralteten Leidenschaften eine Frau in ihrem Stolz und Selbstbewusstsein; und die hingibt.« (Frieda Grafe) im schlimmsten Fall so ist, wie sie ist, weil die Männer  Sonntag, 16. Dezember 2018, 21.00 Uhr  Mitt- sie so haben wollen.« (Peter W. Jansen) woch, 16. Januar 2019, 18.30 Uhr  Freitag, 14. Dezember 2018, 21.00 Uhr Le journal d'une femme de chambre (Tagebuch ei- The Trial (Der Prozess) | Frankreich 1962 | R+B: ner Kammerzofe) | Frankreich 1964 | R: Luis Buñuel Orson Welles, nach dem Roman von Franz Kafka | K: | B: Luis Buñuel, Jean-Claude Carrière, nach dem Edmond Richard | D: , Jeanne Moreau, Roman von Octave Mirabeau | K: Roger Fellous | M: Antoine Petitjean | D: Jeanne Moreau, Georges Géret, bereits zu diesem Zeitpunkt mehrere Menschenleben Daniel Ivernel, Françoise Lugagne, Muni | 97 min | OmU französischer Widerstandskämpfer gekostet hat. Mo- | Die Kammerzofe Célestine kommt zur Gutsbesitzerfa- reau braucht nichts zu sagen, und doch spricht dabei milie Monteil in die Normandie. »Célestine hat etwas so vieles aus ihrem Gesicht mit den großen Augen. Sie nicht Greifbares. Von Anfang an scheint sie über den ist hin- und hergerissen zwischen ihrer Sympathie für Klassen und Milieus zu schweben, kleidet sich für ein Labiche und die Résistance auf der einen und der Be- Dienstmädchen zu elegant und trägt Parfum. Célestine wahrung ihrer wirtschaftlichen, auch physischen Exis- ist eine subversive Kraft, ein Katalysator, auf den alle tenz auf der anderen Seite.« (Robert Lorenz) anderen reagieren, mit Begehren, Neid oder Ableh-  Samstag, 22. Dezember 2018, 21.00 Uhr  Mitt- nung. Sie selbst bleibt davon aber völlig ungerührt. Sie woch, 23. Januar 2019, 18.30 Uhr bedient die anderen, weiß jedoch um ihre Macht über die Sexualität der Männer.« (Jeanne Moreau) »Wenn Viva Maria! | Frankreich 1965 | R: Louis Malle | B: Moreau geht, zittert ihr Fuß leicht auf dem Absatz des Louis Malle, Jean-Claude Carrière | K: Henri Decaë | M: Schuhs, ein Mangel an Stabilität, der beunruhigt. Sie ist Georges Delerue | D: Jeanne Moreau, , eine wunderbare Schauspielerin; ich brauchte ihr nur , Paulette Dubost, zu folgen, fast ohne sie zu korrigieren. Über die Figur | 120 min | OmU | Eine irische Anarchistin und eine der Kammerzofe habe ich von ihr Dinge erfahren, die Tingeltangelsängerin reisen durch ein mittelamerikani- ich nie geahnt hätte.« (Luis Buñuel) sches Land, zunächst im Dienst der Bühnenkunst, spä-  Freitag, 21. Dezember 2018, 21.00 Uhr  Dienstag, ter auch im Dienst der Revolution. »Das erste Drittel lebt 22. Januar 2019, 18.30 Uhr der Film durch den so sehr gegensätzlichen Reiz der beiden besten Exportartikel Frankreichs: Moreau – Bar- The Train (Der Zug) | USA 1964 | R: John Frankenhei- dot. Der Charme der Moreau ist verhaltener, bewusster, mer | B: Franklin Coen, Frank Davis | K: Jean Tournier klüger, und doch fällt die Bardot mit Schmollmund und | M: | D: Burt Lancaster, , Glanzaugen nicht ab. Einander bekämpfend ergänzen Jeanne Moreau, , Michel Simon | 133 sie sich wie Kunst und Natur.« (Brigitte Jeremias) »Bri- min | OmU | Während der Besetzung Frankreichs sollen gitte Bardot verkörpert den Anarchismus, dessen ein- wertvolle Gemälde in einem Zug nach Deutschland ge- zelne geographische Etappen im Film genau markiert

Jeanne Moreau bracht werden, den Mitglieder der Résistance mit allen sind. Jeanne Moreau vertritt die frustrierte marxistische 56 Mitteln aufhalten wollen. »Die Besetzung des Films ist Intelligenz. Die Anarchistin Bardot drängt mit ihrer anti- überaus gelungen und die starken Performances ma- autoritären Haltung zur Rebellion, während die Marxis- chen einen wesentlichen Teil seiner Wirkung aus. Da tin Moreau den richtigen Zeitpunkt des Aufstandes ab- wäre, in einer Nebenrolle, Jeanne Moreau als verwitwe- wägt, den ungestümen Anarchismus mit den wirklichen te Hotelbetreiberin Christine mit ihrer zornigen Fürsorge Verhältnissen konfrontiert.« (Bernd Rabehl) für Labiche, der mit seiner Flucht in ihren Weinkeller ihr  Freitag, 11. Januar 2019, 21.00 Uhr  Dienstag, Leben ultimativ bedroht und dessen raffinierte Aktion 29. Januar 2019, 18.30 Uhr VIVA MARIA! VIVA Mademoiselle | Großbritannien 1966 | R: Tony Richard- Une histoire immortelle (Die Stunde der Wahrheit) | son | B: Marguerite Duras, nach einer Vorlage von Jean Frankreich 1968 | R+B: Orson Welles, nach der Erzäh- Genet | K: David Watkin | M: Antoine Duhamel | D: Jean- lung von Isak Dinesen | K: Willy Kurant | M: Erik Satie ne Moreau, Ettore Manni, Keith Skinner, Umberto Orsini, | D: Jeanne Moreau, Orson Welles, Roger Coggio, No- Georges Aubert | 105 min | OF | Mademoiselle, die zu- man Eshley, | 58 min | engl. OF | Ein alter gereiste Lehrerin einer kleinen Ortschaft in der tiefsten reicher Kaufmann versucht mithilfe seines Buchhalters, Provinz Frankreichs, ist eine Respektsperson. Niemand eine Geschichte, die unter Seeleuten erzählt wird, wahr ahnt etwas von ihrer sexuellen Frustration, die sie zu werden zu lassen. Im Mittelpunkt des ersten Farbfilms krankhafter Zerstörungswut treibt: Sie legt Feuer, öffnet von Orson Welles steht Jeanne Moreau als Kurtisane in das Wehr und vergiftet das Brunnenwasser. Die Dörfler exquisiten Kostümen und Dekors, die eine arrangierte verdächtigen den italienischen Holzfäller, dessen offen- Liebesnacht mit einem jungen Seemann verbringt. – sive Virilität den Männern Unbehagen bereitet und die Scenes from The Deep | 1969 | R+B: Orson Welles, Frauen fasziniert. Peter W. Jansen schreibt über Jeanne nach dem Roman »Dead Calm« von Charles Williams Moreau: »Der Gang, die Augen, der Mund: Wie unter | K: Willy Kurant, Ivica Rajković | M: François Rabath | einem Brennglas finden sich die Insignien ihrer Kunst D: Michael Bryant, , , Jeanne in MADEMOISELLE versammelt. Wenn Louis Malle ihr Moreau, Orson Welles | 20 min | engl. OF | An der dal- eigentlicher Entdecker genannt werden darf, weil er der matinischen Küste drehte Welles einen Thriller, den er erste war, der die Sprache ihres Körpers verstand und selbst produzierte und der ausschließlich auf zwei Se- zum Dolmetscher ihres Ganges wurde, dem dann An- gelbooten spielt. Der Film wurde zwar weitgehend ab- tonioni, Buñuel und all die anderen gefolgt sind, kommt gedreht, aber nie fertiggestellt. Gezeigt werden Szenen wohl das Verdienst zu, sie in ihrer To- aus der im Filmmuseum aufbewahrten Arbeitskopie. talität erfasst zu haben.«  Sonntag, 20. Januar 2019, 21.00 Uhr | Einführung:  Samstag, 12. Januar 2019, 21.00 Uhr  Mittwoch, Stefan Drößler 30. Januar 2019, 18.30 Uhr Monte Walsh | USA 1970 | R: William A. Fraker | B: Da- La mariée était en noir (Die Braut trug Schwarz) vid Zelag Goodman, Lukas Heller, nach dem Roman von | Frankreich 1968 | R: François Truffaut | B: François Jack Schaefer | K: David M. Walsh | M: | D:

Truffaut, Jean-Louis Richard, nach dem Roman von , Jeanne Moreau, Jack Palance, Mitch Ryan, Jeanne Moreau William Irish | K: Raoul Coutard | M: Bernard Herrmann Jim Davis | 99 min | OF | Zwei alternde Cowboys finden 57 | D: Jeanne Moreau, Jean-Claude Brialy, Michel Bou- nur noch mühsam Jobs. »Als Lee Marvin der Moreau quet, , , Michel Lonsdale | einmal seinen Monatslohn anbietet, lehnt sie ab. Noch 107 min | OmeU | Nachdem ihr Bräutigam ums Leben nie habe ich von dir Geld genommen, sagt sie. Das hier kam, macht sich Julie auf die Suche nach den Tätern. kannst Du schon nehmen, beruhigt er sie daraufhin, »Julie Kohler (la colère: der Zorn) ist keine Liebes-, das ist kein Geld, das ist Kapital. MONTE WALSH spielt sondern eine Rachegöttin. Bruchstückweise, vor und in einer Zeit, in der immer mehr Cowboys entlassen und zwischen ihren tödlichen Anschlägen, erfährt der Zu- Bankraube aus Arbeitslosigkeit verübt werden, zu einer schauer: dass sie Witwe ist; dass sie ihren Mann am Zeit, in der Geld eben nicht mehr Geld heißt und auch Hochzeitsmorgen, vor der Kirche, durch einen Schuss Pferde schon beginnen zum Kapital gezählt zu werden, aus dem Fenster eines gegenüberliegenden Hauses das gezielter investiert werden muss als zur Austra- verloren hat; dass die Täter fünf Junggesellen waren, gung einer nutzlosen persönlichen Rachegeschichte. die mit der Waffe spielten, aus der der tödliche Schuss Und dennoch ist MONTE WALSH einer der wenigen so- sich löste. Julie hat ihren Mann abgöttisch geliebt: ›Alle genannten Spätwestern, die auch in dieser Zeit immer jungen Mädchen warten auf den Märchenprinzen, aber noch zu ihren Helden stehen und ihnen nicht jovial auf ich erwartete niemanden, denn solange ich lebte, kann- die Schultern klopfen, so wie der Showmanager, der te ich David.‹ Sie hat nie gelernt, zwischen Märchen Lee Marvin für eine Wildwesttournee an die Ostküste und Leben, Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. engagieren will.« (Klaus Bädekerl) Sie interessiert sich nicht für Gründe, deshalb ist auch  Freitag, 25. Januar 2019, 21.00 Uhr  Dienstag, ihre Rache maßlos. Jeanne Moreau, so gut wie lange 5. Februar 2019, 18.30 Uhr nicht mehr.« (Enno Patalas)  Dienstag, 8. Januar 2019, 21.00 Uhr  Sonntag, 13. Nathalie Granger | Frankreich 1972 | R+B: Marguerite Januar 2019, 21.00 Uhr Duras | K: | D: Lucia Bosè, Jeanne NATHALIE GRANGER NATHALIE

Moreau, Gérard Depardieu, Luce Garcia-Ville, Valerie auswaschen und beten, dass dieser Film eine isolier- Mascolo | 83 min | OmeU | Isabelle Granger lebt mit te Verirrung ist‹. Die anarchische Komödie erzählt im ihren beiden Töchtern in einer Villa am Stadtrand von Slapstick-Stil die sexuellen und kriminellen Abenteuer Paris, ihre Freundin kümmert sich um den Haushalt. zweier junger Männer, die durch Frankreich stromern. Eine »Chronik der Ereignislosigkeit, der scheinbar be- Aus der Fassung brachte viele Kritiker die pubertäre,

Jeanne Moreau deutungslosen Mikrovorgänge« (Ulrich Gregor). »Bei mutterfixierte Erotik des unzertrennlichen Bürger- 58 aller Banalität des Alltagslebens hat Jeannes Stimme schreck-Paares mit einer Mischung aus Vulgarität, selten so musikalisch geklungen, selten wirkten ihre Ironie und Gaudium. Höhepunkt ist eine lange Episode Gesten (den Tisch abräumen, abspülen, Feuer anzün- mit Jeanne Moreau. Sie spielt eine abgewrackte Frau, den, nähen) und ihre Blicke, ihre Art zu schweigen, zu- welche die beiden Jungen von der Straße aufgabeln zuhören und zu lächeln, so edel und auf geheimnisvolle und dazu verführen, mit ihnen in einem Hotelzimmer zu Weise so rein, als seien alle Attribute des großen Stars schlafen. Am Morgen löst sie sich aus den Armen der von ihr abgefallen, als habe ihr Wunsch, unbedingt in beiden, nimmt einen Revolver und begeht den abstru- diesem bescheidenen Film (einfaches Schwarzweiß, sesten Selbstmord, den es wahrscheinlich je im Kino geringer Aufwand und kleines Team) mitzuwirken, ihr gegeben hat. Sie schießt sich die Kugel in die Vagina.« die Möglichkeit gegeben, sich zu entmystifizieren. Ein (Der Spiegel) Film als Provokation, ohne dass er jemals des Humors  Freitag, 1. Februar 2019, 21.00 Uhr  Mittwoch, entbehrte, aber vor allem ist da etwas Geheimnisvolles, 6. Februar 2019, 18.30 Uhr das von der Alchemie der am selben Ort zusammenge- führten Frauen ausgeht.« (Jean-Claude Moireau) Lumière (Im Scheinwerferlicht) | Frankreich 1976 |  Sonntag, 27. Januar 2019, 21.00 Uhr R+B: Jeanne Moreau | K: Ricardo Aronovich | M: Astor Piazzolla | D: Lucia Bosè, Francine Racette, Keith Carra- Les valseuses (Die Ausgebufften) | Frankreich 1974 dine, Jeanne Moreau, François Simon | 95 min | OmeU | R+B: , nach seinem Roman | K: Bruno | »Das Leben und die enge Beziehung untereinander Nuytten | M: Stéphane Grappelli | D: Gérard Depardieu, von vier Schauspielerinnen zeigt der Film. Er beginnt Patrick Dewaere, Miou-Miou, Jeanne Moreau, Brigit- mit einem gemeinsamen Wochenende in einem Land- te Fossey, | 113 min | OmU | »Der haus: zwangloses Plaudern, so leicht und behutsam in- Rezensent von Time wollte dem französischen Regis- szeniert, wie das vielleicht nur eine Frau konnte.« Diese seur Bertrand Blier ›am liebsten den Mund mit Seife angenehme Selbstverständlichkeit und die konsequent durchgehaltene Distanz sind jedoch das Ergebnis lan- ihren Schmuck zur Schau stellt, einen Tango mit un- ger Arbeit: Das Projekt ist zehn Jahre alt, vom Buch gibt endlicher Sinnlichkeit tanzt, mütterlich den verletzten es fünf Fassungen, die intensive Arbeit an dem Stoff Kind-Mann in einer Pietà-Haltung versorgt oder als dauerte drei Jahre. Eine sympathische Leichtigkeit hat entrückte Diva mit geschlossenen Augen Texte von der Film, ein großes Ensemble überzeugender Schau- Oscar Wilde singt.« (Jean-Claude Moireau) »Fassbin- spieler und, immer wieder, das alte, ganz junge, schöne der war ein Getriebener, der den Dingen auf den Grund Gesicht von Jeanne Moreau. Einen Augenblick kommen zu gehen trachtete, auf der Suche nach Schönheit in der Darstellerin, betroffen vom Tod eines alten Freun- allen menschlichen Wesen. Das Buch von Genet ist des, im Scheinwerferlicht, mitten in der Szene, plötzlich gefährlich und rein, unmoralisch und poetisch, grau- die Tränen. Ein Ausbruch aus der Rolle, ein Augenblick sam und zärtlich. Ich glaube, dass Fassbinder in der der Wahrheit als eine Szene von intensiver Präsenz, Studioatmosphäre das Absolute von Leidenschaft und besonders gut gemacht. That's Entertainment.« (Wolf Angst filmisch am besten ausdrücken konnte.« (Jeanne Donner) Moreau)  Samstag, 2. Februar 2019, 21.00 Uhr  Dienstag,  Freitag, 8. Februar 2019, 21.00 Uhr 12. Februar 2019, 18.30 Uhr La vieille qui marchait dans la mer (Die Dame, die L'adolescente (Mädchenjahre) | Frankreich 1979 | im Meer spazierte) | Frankreich 1991 | R: Laurent R+B: Jeanne Moreau | K: Pierre Gautard | M: Philippe Heynemann | B: Dominique Roulet, nach einem Roman Sarde | D: , Laetitia Chauveau, Francis von San Antonio | K: Robert Alazraki | M: Philippe Sar- Huster, , Edith Clever, | 90 min | OmeU | de | D: Jeanne Moreau, , , Im Sommer 1939 fährt die 12-jährige Marie mit ihren Géraldine Danon, Jean Bouchaud | 90 min | OmU | Die Eltern aufs Land. Es gibt viele unbeschwerte Tage, aber betagte Lady M. klammert sich an die Liebe zu einem auch den ersten Liebeskummer und Familienstreit, die jungen Playboy. In diesem letzten Aufbäumen radikaler ersten Vorzeichen des Krieges kündigen sich an. »Mo- Lebenslust schwingt der Verlust ihrer eigenen Jugend reau macht nie den Fehler, L’ADOLESCENTE als ›More- und ihrer sexuellen Anziehungskraft umso schmerzli- aus Film‹ statt als ›Maries Geschichte‹ erscheinen zu mit. Der Tragikomödie lebt vom Spiel Jeanne Mo- lassen. Dies ist ein Film, in dem die Aufmerksamkeit reaus, die genüsslich Sarkasmen verspritzt und sich dem Leben der Figuren gilt und nicht den inszenatori- scheinbar ungerührt dem Alter stellt. »Die Zahl ihrer Jeanne Moreau schen Schnörkeln der Regisseurin. Und es ist ein sehr Liebhaber: 2017. Das ist mehr als Don Giovanni mal 59 subtiler Film, denn wir sehen ganz allmählich, mit Ma- zwei. Jetzt leidet sie unter Arthrose, stakst gichtig am ries Augen und unseren eigenen, die Untertöne in der Strand entlang, erpresst Industrielle und entwendet das Erwachsenenwelt, die das Mädchen umgibt. Moreau Diadem des Maharadschas: Jeanne Moreau als Lady suggeriert, dass dem Mädchen große emotionale Ver- M., Königin der Gauner, Diva mit welker Haut. ›Ich stin- letzungen drohen, doch am Ende gestattet sie Simone ke nach Alter‹, sagt sie, legt das Hühnerbein beiseite, Signoret, einen wunderbar abstrusen Zauber zu wirken, an dem sie gerade kaut, faltet die runzligen Hände und der die romantische Unschuld des Kindes noch einen betet zu Gott: um junges Fleisch. Allein ihr Mund: Müde Sommer lang bewahren wird.« () ist er und immer noch gierig. ›Genug‹, sagt sie, ›ist ein  Sonntag, 3. Februar 2019, 21.00 Uhr  Mittwoch, Begriff für Rentner.‹« (Christiane Peitz). 13. Februar 2019, 18.30 Uhr  Samstag, 9. Februar 2019, 21.00 Uhr

Querelle – Ein Pakt mit dem Teufel | BRD 1982 | R: Until the End of the World (Bis ans Ende der Welt) | | B: Rainer Werner Fassbin- Frankreich 1991 | R: Wim Wenders | B: Michael Alme- der, , nach dem Roman von reyda, Peter Carey | K: Robby Müller | M: Graeme Revell | K: Xaver Schwarzenberger | M: Peer Raben | D: Brad | D: Jeanne Moreau, , Solveig Dommar- Davis, Franco Nero, Jeanne Moreau, Laurent Malet, tin, William Hurt, Sam Neill, Rüdiger Vogler | 279 min | Hanno Pöschl | 108 min | frz. OmeU | »Allein in einem mehrsprachige OmU | Das »ultimative Roadmovie« be- rein männlichen Milieu ist Jeanne eine mythische Figur. schreibt eine Reise um den Globus, eine Odyssee der Während sie durch Pappmaché-Bauten gleitet, durch Gegenwart. Um seiner blinden Frau (Jeanne Moreau) warmes orangefarbenes Licht, windet und schlängelt das Sehen zu ermöglichen, erfindet Dr. Farber (Max von sich glitzernd ihr Körper. Sie stellt alle Frauentypen dar: Sydow) ein Verfahren, das es möglich macht, die vom je nachdem, ob sie geheimnisvoll Tarotkarten zieht, Gehirn eines Sehenden aufgezeichneten Bilder direkt in das Sehzentrum eines Blinden zu senden. Farbers Sohn die Rollen des verschwundenen Politikers und seiner Sam (William Hurt) macht sich auf eine Reise um die Frau mit Marcello Mastroianni und Jeanne Moreau be- Welt, um für seine Mutter die Stationen ihres Lebens zu setzt: Das Paar, das in LA NOTTE an einem Endpunkt »sehen« und aufzuzeichnen. »Der Schock des Sehens angelangt war, findet sich wieder – und doch nicht, als bringt Jeanne Moreau drehbuchgerecht um. Vorher Moreau so lapidar wie doppeldeutig sagt: ›Das ist er jedoch hat sie wunderbarerweise, rigoros und ergrei- nicht.‹« (Andreas Furler) fend, den Film an sich gerissen, die Kamera auf ihr  Freitag, 15. Februar 2019, 21.00 Uhr Gesicht gebannt.« (Brigitte Desalm) Der verstümmelt in die Kinos gekommene Film ist nur selten in seiner L'absence (Die Abwesenheit) | Frankreich 1992 | ursprünglichen langen Version zu sehen und ist eines R+B: | K: Agnès Godard | M: Leo Mariño, der besten, schönsten und (bisher) verkanntesten Wer- Jean-Paul Mugel | D: , Jeanne Moreau, Alex ke von Wim Wenders. Descas, Eustaquio Barjau, Sophie Semin | 112 min |  Sonntag, 10. Februar 2019, 17.30 Uhr OmeU | Ein Soldat, ein Spieler, ein Schriftsteller und eine junge Frau brechen aus ihrem Alltag aus und wan- To meteoro vima tou pelargou (Der schwebende dern durch die Welt. »Eine wunderbar fragile Stimmung Schritt des Storches) | Griechenland 1991 | R: Theo strahlt dieser Film aus, eine poetische Mischung aus Angelopoulos | B: Tonino Guerra, , konkreter Präsenz und somnambulem Zauber. Mal Petros Markaris, Thanassis Valtinos | K: Giorgos Arva- möchte man einfach den Landschaften nachsinnen, nitis | M: Eleni Karaindrou | D: Jeanne Moreau, Mar- die Handkes Protagonisten durchwandern, der Aura all cello Mastroianni, Gregory Patrick Karr, Ilias Logothetis, dieser Bäume, Wiesen und Felder zwischen Südfrank- Dora Hrisikou, Vasilis Bouyiouklakis | 143 min | OmU | reich und Nordspanien. Mal möchte man am liebsten Ein Reporter des griechischen Fernsehens filmt in ei- die Augen schließen und den Worten lauschen, die – ner Grenzstadt im Norden das Elend der Flüchtlinge, anders als sonst im Kino – nie eine Handlung stiften, die in ausrangierten Güterwaggons hausen. Auf einer eher eine spontane Laune formulieren oder einen alten der Aufnahmen glaubt er einen Politiker zu erkennen, Traum oder eine zu lange unterdrückte Erinnerung. Der der vor Jahren auf spektakuläre Weise eine glänzende Höhepunkt des Films: wie die Frau des Schriftstellers Karriere hingeworfen und seine Familie im Stich gelas- am Ende ihrem Mann nachredet in einem Café an der

Jeanne Moreau sen hat. »Ein filmisches Meisterwerk voller (kino-)ma- spanischen Küste – voller Trauer zu Beginn, die dann 60 gischer Momente und mit ungeheurem Reichtum, ein in Rage, Hass und Wut umschlägt. Ein künstlerischer philosophischer und politischer Diskurs über Grenzen Parforceritt auch von Jeanne Moreau, en face und ohne zwischen Ländern und Kulturen, über die Grenzlinien Schnitt gedreht.« (Norbert Grob) in jedem Einzelnen. Dabei lotet der Film das Über-  Samstag, 16. Februar 2019, 21.00 Uhr schreiten dieser Linien aus und registriert voller Trauer den Verlust von Utopien.« (Lexikon des Internationalen Cet amour-là (Diese Liebe) | Frankreich 2001 | R: Films) In Anspielung auf Antonioni hat Angelopoulos Josée Dayan | B: Josée Dayan, Yann Andréa, nach CET AMOUR-LÀ seinem Roman | K: Caroline Champetier | M: Angelo Lise Macheboeuf, | K: | M: Badalamenti | D: Jeanne Moreau, Aymeric Demarigny, Dez Mona | D: Jeanne Moreau, Laine Mägi, Patrick Pi- Christiane Rorato, Sophie Milleron, Justine Lévy | 100 neau, François Beukelaers, Fred Epaud | 94 min | OmU min | OmU | Die zurückgezogen lebende Schriftstelle- | Jeanne Moreau als Frida, eine herrische alte Dame, rin Marguerite Duras und der junge Philosophiestudent die an Depressionen leidet und eine Haushaltshilfe Yann gehen eine außergewöhnliche Liebesbeziehung aus Estland einstellt. Trotz anfänglicher Feindseligkeit ein, die Josée Dayan mit genau der Beiläufigkeit, die entwickelt sich allmählich ein Mutter-Tochter-Verhält- im Titel anklingt, in Szene setzt. »Moreau entfaltet das nis zwischen ihnen. Im Prinzip erwartet Frida nichts ganze Repertoire: die Strenge, die unbedingte Autar- anderes mehr vom Leben als die Aufmerksamkeit von kie, den Charme und vor allem die Verletzlichkeit und Stéphane, ihrem ehemaligen jüngeren Geliebten, der Ambivalenz einer Frau, in der dieser Jüngling neben sich zwar um ihr Wohlergehen kümmert, aber mög- rigoroser Vereinnahmung auch Panik, Misstrauen, Ver- lichst wenig mit ihr abgeben möchte. »Jeanne Moreau lustangst weckt.« (Simone Mahrenholz) »Ein Wechsel- ist hinreißend in ihrer Knarzigkeit, ihrem Charme, den spiel zwischen inhaltlicher und darstellerischer Ebene: sie mit dem Zucken eines Augenwinkels anbringen Moreau und Duras erlebten beide ihre künstlerische kann, umwerfend in ihrer Boshaftigkeit, hinter der eine Anfangszeit in den 1950er / 1960er Jahren. Das Me- Hilflosigkeit Fridas dem Alter gegenüber aufscheint, dium Wort, personalisiert in Duras, wechselt in das aber eben nur dies: aufscheint, wie ein Prospekt, vor Medium Bild, ikonographisch repräsentiert in Moreau, dem das alles spielt. Denn darum geht es natürlich vor die über die Metaebene Film indirekt immer auch auf allem: ums Altwerden. Jeanne Moreau zeigt uns, wie Duras, jetzt Filmautorin der Nouvelle Vague, verweist.« das gehen kann.« (Verena Lueken) (Dunja Bialas)  Samstag, 23. Februar 2019, 21.00 Uhr  Dienstag,  Sonntag, 17. Februar 2019, 21.00 Uhr  Dienstag, 26. Februar 2019, 18.30 Uhr 19. Februar 2019, 18.30 Uhr O Gebo e a sombra (Gebo und der Schatten) | Por- Le temps qui reste (Die Zeit die bleibt) | Frankreich tugal 2012 | R: | B: Raul Brandão, 2005 | R: François Ozon | K: Jeanne Lapoirie | D: Melvil Manoel de Oliveira, nach dem Bühnenstück von Raul Poupaud, Ugo Soussan Trabelsi, Jeanne Moreau, Chris- Brandão | K: | D: Michael Lonsdale, Clau- tian Sengewald, Daniel Duval | 81 min | OmU | Jeanne dia Cardinale, Leonor Silveira, Ricardo Trêpa, Jeanne Jeanne Moreau Moreau spielt die Großmutter des jungen schwulen Moreau | 95 min | frz. OmeU | Der Film reflektiert die 61 Modefotografen Romain, der sich nach einer Krebsdi- neureiche Gesellschaft Portugals der Ersten Republik agnose in eine selbstgewählte Einsamkeit zurückzieht. (1910-1926). Der betagte Buchhalter Gebo kommt Ein letztes Mal besucht er die Orte einer glücklich mit seiner Familie gerade über die Runden. Der jah- verbrachten Kindheit – und verhilft unverhoffter Wei- relang verlorene Sohn, der unverhofft nach Hause se noch einer Kellnerin zu einem Kind. Formal streng, zurückkehrt, versucht auf seine Art, der Armut seiner subjektiv und doch distanziert erzählt Ozon diese Su- Eltern zu entkommen. Manoel de Oliveira drehte sei- che nach der eigenen Wahrheit und von der Hilflosigkeit nen letzten Spielfilm im biblischen Alter von 103 Jah- angesichts des eigenen Todes. »Selbst durch weniger ren als ein Kammerspiel über das Warten, die Zeit und gelungene Filme spaziert sie wie eine Königin, wenn sie den Raum, das durchaus Bezüge zur gegenwärtigen bei François Ozon in DIE ZEIT DIE BLEIBT dem schlaflo- ökonomischen Krise Portugals beabsichtigt. Renato sen Neffen auf die Frage, ob er sich unter ihre Decke Bertas Lichtsetzung in dem von Öllampen und Kerzen legen dürfe, warnt, sie sei aber nackt. Welcher anderen erleuchteten Innenraum erinnert an die Gemälde alter Schauspielerin über siebzig hätte das Kino je zugetraut, Meister. Jeanne Moreau spielt eindrucksvoll die verbit- dass sie nackt schläft? Das ist auch wieder nur so ein terte Nachbarin, die regelmäßig auf einen Kaffee vor- winziger Moment, aber er ist eben von einer Körper- beikommt. »GEBO UND DER SCHATTEN vermittelt das lichkeit, die bei Jeanne Moreau nie von Attributen wie konkrete, einfache, unmittelbare Vergnügen, großartige Jugend oder Ebenmaß abhängig war.« (Michael Althen) Schauspieler am Abend und auf dem Höhepunkt ihrer  Mittwoch, 20. Februar 2019, 18.30 Uhr  Freitag, Kunst zu erleben.« (Serge Kaganski) 22. Februar 2019, 21.00 Uhr  Sonntag, 24. Februar 2019, 21.00 Uhr

Une Estonienne à Paris (Eine Dame in Paris) | Frankreich 2012 | R: Ilmar Raag | B: Agnès Feuvre,